26 Nachdem das Halb bad vorbei war und während die Kleine brummend in der Einwicktung lag, besprach ich mit ihrer intelligenten Mama die mir nöthig erscheinenden Aenderungen in der Krankenstube, nämlich: Entfernung sämmtlicher schwerer Gardinen an der großen wie der kleinen Bett stelle und den beiden Fenstern und aller Kleidungsstücke sonst,, wie auch der vorhandenen Polstermenbles; Lagerung des Kindes den Tag über in einem anstoßenden nach Südwesten gelegenen, der Sonne zugänglichen Zimmer, dessen Fenster die Aussicht nach dem Park bot (wäre es Sommer gewesen, hätte ich es lieber gleich in's Freie gebracht); unterdessen sollten dann in dem Schlaf zimmer mehre Stunden lang. Thüren und Fenster offen stehen, Alles abgestäubt und der Boden ausgewaschen werden, wodurch allein eine gründliche Entfernung der Ausdünstungen des kranken Kindes erzielt werde, was nicht allein für die Umgebung, sondern für unser Patientchen selbst von großer Wichtigkeit sei, indem dadurch die Möglichkeit der fortwährenden Selbstinficirung verhütet und somit dem Bösartigwerden der Krankheit am sichersten vorgebeugt werden könne. Die Frau Gräfin erkannte unschwer die Richtigkeit dieser Mittheilung und die Nützlichkeit meines Vorschlages und versprach darum unter Dankes- bezeuguug, daß ich sie darauf aufmerksam gemacht, noch am gleichen Tage die pünktliche Ausführung dieser wichtigen, hier sehr gut ausführbaren Anordnung. Sobald die Kleine nach dem 2. Bade in der trockenen Emballage lag, wurde sie i n ihrem Bcttchen in's Nebenzimmer getragen, das vorher gut gelüftet worden, und blieb daselbst, während 1 Fenster fortwährend osten gehalten wurde, bis gegen Abend; inzwischen wurden im Schlafzimmer alle Gardinen, alle Polstermeubles entfernt, der Staub überall gründlich beseitigt, der Boden ausgewaschen und dann beide Thüren und Fenster geöffnet, so daß ein mäch tiger Luftzug entstand; diese Anordnung, wie überhaupt die ganze Behand lung, machte natürlich unter den Bewohnern des Schlosses Sensation, denn das Alles war ja gerade entgegengesetzt dem, was sonst bei Scharlachkranken ärztlicherseits streng angeordnet wurde. Sagt doch Dr. Bagittsky in seiner un längst erschienenen Schrift „Das Scharlach lieber, seine Ursachen, Verhütung und Heilung, Berlin, Denickes Verlag" selbst wörtlich Folgendes: Wir liaben in der Medicin eine traurige Zeit gehabt, in welcher die hitzigen Krankheiten heiss (dicke Federbetten, heisse Stuben ohne Lüftung, heisse Getränke) behandelt worden und da die Irrthümer der Aerzte mit sonderbarer Zähigkeit im Publikum festen Fuss fassen und als nur sehr schwer zu überwältigende Yorurtheile bestehen bleiben, so giebt es heute noch seiht hochgebildete Nichtmediciner, welche sich von der früheren. Behandlungsmethode nicht losreissen können. Glücklicherweise ist diese Zeit bei den Medicinern gänzlich (Haha! ist nicht wahr!! d. Ked.) und im Publi kum hoffentlich bald gänzlich überwunden ; denn es ist heute kaum zu ermessen, wie unendliche Nachtheile man den an schweren fieberhaften Prozessen darniederliegenden Kranken mit der heissen Behandlung zugefügt hat; ist doch von ärztlicher Seite selbst direct behauptet worden, dass der Scharlach nur dadurch eine so bös artige Krankheit geworden sei, dass man ihn Jahrhunderte lang mit hitzigenArz- neimittelnundmit heissen Behandlungsmethodengequälthabe! Bitte, lieber Leser, schreibe Dir gefälligst dieses offene Geständniß hinter die Ohren und halte fest, daß diese Mediciner heute noch nicht unfehl bar geworden sind, heute noch arge Dummheiten begehen, heute noch groben Irrthümern bombenfest huldigen, die von verständigen Laien längst als solche erkannt worden sind; ich verweise hier ausdrücklich auf das falsche me drei nische Dogma der Schutzimpfung mit telst Kuhpockenlymphe und von Arm zu Arm. Das ist noch ein