— 59 — Von der Gottheit hatten unsere ersten Voreltern viel höhere Be¬ griffe als manche Kulturvölker des Alterthums, die trotz ihrer hohen Bildungsstuffe in die unsinnigste Ab- und Vielgötterei insgesammt verfallen waren, wenn man den Juden und Perser ausnimmt. Tacitus, unser bester Gewährsmann altdeutscher Zustände, berichtet, daß die Germanen es vermöge der Größe und Erhabenheit der Gottheit für unmöglich hielten dieselbe in menschlicher Gestalt darzustellen, und in Tempeln einzuschließen. In durch bestimmte Gränzen gesonderten Hainen verehrten sie die Gottheit. Reste hievon haben sich bis ins späte Mittelalter erhalten, und im Inneren Deutschlands will man noch solche Stätten erkennen. Unter Bäumen, auf Steinen, an Quellen wurde geopfert. Dieß geschah noch in den Zeiten des ersten Christenthums, da viele Stellen in den Con¬ cilien und Pönitentiarien des 7. unb 8. Jahrhundertes dagegen eifern. Priester besorgten nach Tacitus den Gottesdienst. In jedem Gau war nur Einer. Die Priester hießen Druiden. Die Religion bestand in 3 Sätzen: „Gott anbethen, nichts Böses thun, mann- hastjein.'' Die Druiden lehrten, der Mensch sei von Gott er¬ schaffen, die Seele unsterblich, nach dem Tode ein besseres jedoch sinnliches Leben. Sie lehrten, daß die Welt durch das Feuer zu Grunde gehen werde. Diese Priester mußten auch die Ver¬ brecher züchtigen, gleichsam als ob die Strafe zu Folge göttlichen Anspruches erfolgte, da einer bloß menschlichen Gewalt der Boier getrotzt hättte. Heilige Frauen, Alraunen genannt, besorgten mit den Priestern die Weissagungen aus dem Wiehern der Pferde, geworfenen Loosen, der Wasserschau u. s. w. Die Sprache der Alraunen bestand aus abgebrochenen Worten. Opser wurden gebracht, um der Gottheit für Wohlthaten, Siege, u. f. w. zu danken oder ihren Zorn zu versöhnen, vor den Weissagungen, vor der Schlacht und Wahl der Heerführer. Geopfert wurden, Menschen (Kriegsgefangene) Pferde, Rinder, Eber, Widder, Früchte. Außerdem bestand der Gottesdienst in Gebeten und Gesängen. So war es auch bei uns in den ersten Zeiten, und so blieb es im Innern Deutschlands, bis allmälig die reine Lehre des Christenthums Eingang fand, und die Haine und gehei¬ ligten Eichen unter den Aexten der christlichen Missionäre fielen. Nicht so war es an den Gränzen. Dort verscheuchte die Berührung mit anderen Völkern und Culturen schon frühzeitig den