— 20 — und genügsame Zeit." Es soll nicht verschwiegen werden, daß es damals so manche Lasten gab, die man heutzutage nicht mehr kennt. So erzählte uns z. B. der Gro߬ vater an langen Winterabenden beim warmen Ofen von jener Zeit, da noch Hirsche und Wölfe unsere Gegend unsicher machten. In strengen Wintern kamen nicht selten zwei oder mehr Hirschen zu den Stadeln und fraßen Heu von den schadhaften Wänden. Im Sommer hingegen streiften ganze Rudel dieser Tiere durch die Kornfelder. In Schindlau war zu ihrer Abwehr ein eigener Hüter mit einem ungeheuer großen Hund, der täglich in einem anderen Hause sein Fressen bekam, angestellt. In einer Sommernacht war es einmal mit den Hirschen gar nicht mehr zum Aushalten. Ein Zug von ihnen kam nach dem andern durch das Kornfeld. Der Hüter wußte sich mit samt seinem Hunde nicht mehr zu helfen, er begann zu fluchen und zu schelten. Da kam auf einmal ein außerordentlich großer, baumlanger Kerl mit einem riesigen Hunde auf ihn zu und sagte zu ihm: „Geh nur heim, ich löse dich ab." Erschreckt eilte der Hüter heim. Wer aber der lange Kerl gewesen ist, hat man nie vernommen. Mancher Hirsch verendete eines natürlichen Todes. So fand zum Beispiel meine Großmutter, als sie einmal quer über die Felder nach Aigen ging, solch ein gefallenes fettes Tier bei einem Strauch. Sie nahm ihr Taschenmesser heraus und schnitt sich ein ordentliches Stück Fleisch ab, das sie mit nach Hause nahm. Die Bauern klagten gewaltig über den Wildschaden, es waren auch Schreckschüsse erlaubt, die nicht wenig zur Verminderung der Hirschen und Wölfe beitrugen. Auf der alten Straße von Aigen nach Schindlau, beim sogenannten Holzgatternhübel, war vor alter Zeit ein hölzerner Gattern. Wer zu gehen oder zu fahren hatte, mußte ihn wieder schließen, um etwa nacheilende Wölfe abzuhalten. Nach den Erzählungen alter Leute sah man manchmal in der Mettennacht die Augen der Wölfe wie Feuerkugeln vom Aigner Berge herab funkeln. Es wird noch immer in Schindlau erzählt, daß einst eine Müllermagd, die ins Dorf herüberging, von einem Wolfe zerrissen wurde; in den Wäldern trifft man noch häufig Wolfsgruben an, worin viele dieser Untiere gefangen wurden und zu Grunde gingen. In der „guten, alten Zeit" gab es aber auch viel vergnügtes Leben. Man war mit wenigem zufrieden, baute das notwendige Getreide und kam seinem Berufe voll, ganz und gerne nach. Im Sommer wurde das Vieh des gesamten Dorfes auf die gemeinsame Weide getrieben. Jedes Dorf hatte sein eigenes Hüterhäusel. Der Hüter durfte seine Kuh mitweiden. Um die Dorsweide herum wucherten überall Sträucher und Steine im Ueberfluß. Das notwendige Winterfutter wurde oft ein bis zwei Stunden weit von den Waldwiesen her heimgeheugt. Wenn es Mißjahre gab und die Kornernte schlecht ausfiel, griff man sogar zum Haferbrot, das den Leib nicht sättigte und gerne in Stücke zerfiel. In solchen Mißjahren stieg der Preis des Korns auf eine unglaubliche Höhe. Mir wurde von einem Jahre erzählt, in dem der Metzen Korn 16 fl. kostete, sogar von 40 fl. per Metzen wurde gesprochen. Wer auf Weihnachten ein Schwein von einem oder anderthalb Zentner schlachten konnte, bedeutete schon etwas. Von Weizenmehl wurde nur auf Ostern, bei Hoch¬ zeiten und zum Riffelbrei gekocht und gebacken. Sonst gebrauchte man ausschließlich Kornmehl und wenn bei feuchter Witterung zur Erntezeit das Korn manchmal aus¬ gewachsen war, so machte das schließlich auch nicht viel; die von der Bauernküche so oft auf den Tisch gebrachten Mehlspeisen waren dann lauter patziger Teig. Fünfzig Gulden waren in dieser genügsamen Zeit schon ein Heiratgnt, womit ein Mädchen auf ein Anwesen kommen konnte. Allerdings durfte die Ausstattung nicht fehlen, wenigstens zwei Truhen voll Flachs, eine solche mit Leinwand, große böhmische Schüsseln, deren jede einen Viertelmetzen Korn faßte, ein Dutzend Ochsenjochpolster,