SITTLICHE STRENGE
glauben mehr im Herzen tragen als durch Äußerlichkeiten zur
Schau stellen. Allerdings hatte Conrad seine eigene Religion,
die sich mehr an antike Glaubensbekenntnisse anlehnte. Beson¬
ders die indische Religion interessierte ihn sehr, sie hat ihn viel¬
fach zu philosophischen Betrachtungen über das menschliche Da¬
sein angeregt. Wer mit Conrad jemals in Berührung trat, mußte
die sittliche Strenge in allen seinen Handlungen als ausgespro¬
chensten Charakterzug bewundern. Sein in vielen Dingen streng
realer Geist neigte andererseits zu okkulten und spiritistischen
Gedankengängen. Aberglaube aber, dem viele große Männer
unterliegen, war ihm fremd, wenn er auch Zufallserscheinungen
oft größere Bedeutung beimaß, als ihnen zukam.
Er selbst äußert sich zur Religion: „Jeder Mensch bedarf einer
Stütze, einer Zielrichtung fürs Leben, die ihn auf geradem Weg
erhält, sei es Glaube und Religion, sei es eine auf strenge Moral-
Prinzipien gegründete Philosophie. Wenn beides fehlt, wird der
Mensch ein schwankendes Rohr im Winde, unberechenbar für
sich und für die anderen. Es bedarf beim Menschen einer be¬
trächtlichen geistigen und moralischen Höhe, um auf die Re¬
ligion verzichten zu können.“
Erkrankung und Tod
Drei Jahre hatte der Feldmarschall bei verhältnismäßigem
Wohlbefinden in Innsbruck verbracht; wirtschaftliche Gründe
zwangen ihn zur Rückkehr nach Wien.
Im Jänner 1924 begann er ernstlich zu kränkeln. Schon vor
Jahren vermutete er, an einer bösen Magenerkrankung zu lei¬
den, doch hatten ihn die Ärzte beruhigt, daß es sich nur um
nervöse Störungen handle. Diesmal traten Erscheinungen auf,
die auf eine Erkrankung der Galle deuteten, die durch eine Kur
in Karlsbad behoben werden sollte. Der Zweifel, ob er die Be¬
willigung zur Einreise in die Tschechoslowakei erhalten würde,
veranlaßte ihn, in Mergentheim Heilung zu suchen, das er von
den deutschen Kaisermanövern des Jahres 1909 her kannte. Der
Leiter der dortigen Kuranstalt, Dr. Haug, ein ebenso ausge¬
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