FRANZÖS. - RUSSISCHE FREUNDSCHAFT
Die Einkreisung der Mittelmächte
Das Verhältnis zu Frankreich
Die Politik Frankreichs war für die Donaumonarchie von
ausschlaggebender Bedeutung, weil sie sich in erster Linie
gegen den einzigen verläßlichen Verbündeten, das Deutsche
Reich, richtete.
Frankreichs enges Verhältnis zu Rußland und England legte
Conrad die Verpflichtung auf, sich eingehend mit den politischen
Vorgängen in diesem Lande zu befassen.
Dem Bündnisvertrag Frankreichs mit Rußland vom 28. August
1891 war ein französischer Flottenbesuch in Kronstadt voraus¬
gegangen, worauf im Jänner 1893 der Gegenbesuch der russi¬
schen Flotte in Toulon erfolgte. Zar Nikolaus II. hatte 1896,
dann 1901 und 1909 Frankreich besucht und an den großen
Manövern in Compiegne teilgenommen — die Beziehungen waren
also schon sehr innige. Frankreichs Politik war nicht allein durch
die „Revanche“ und den Wunsch auf Rückeroberung von Elsaß-
Lothringen diktiert, es wirkte auch die Sorge vor der wirtschaft¬
lichen Erstarkung Deutschlands mit. Diese Gefahr war nur durch
die Zertrümmerung des Deutschen Reiches zu bannen, wozu die
Gewinnung recht zahlreicher Bundesgenossen Tätlich erschien.
Selbst Österreich-Ungarn kam als solcher in Betracht. Als aber
Kaiser Franz Joseph ein diesbezügliches Ansinnen mit nicht
mißzuverstehender Klarheit zurückwies, wurde der Weg der
nationalen Zersetzung der Monarchie gewählt. In diese Zeit fällt
die Anbahnung enger Beziehungen Frankreichs zu den Slawen,
vornehmlich den Tschechen.
Conrad hat nach dem Kriege in seinen Memoiren die Ziele
der französischen Politik wie folgt beurteilt: „Die Besorgnis vor
Deutschlands wirtschaftlichem Erblühen und die Furcht vor sei¬
ner politischen Machtentwicklung haben Deutschlands Feinden
die Waffen in die Hand gedrückt, sie zum gemeinsamen Über¬
fall auf den gefährlichen Wettbewerber vereint, der niederge¬
schlagen und zertreten werden mußte; mit ihm aber auch sein
Bundesgenosse Österreich-Ungarn, an dem hiezu in herausfor¬
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