KOSTBARE ZEIT VERSÄUMT Das Menschenmaterial war durch die Erhöhung des Rekruten¬ kontingents vorhanden. Es kam nur auf die Bewilligung der Kredite für deren Ausrüstung und Erhaltung an. Nach Conrads Berechnung wäre es möglich gewesen, eine Reservearmee von 450.000 vollständig ausgebildeten, im besten Alter stehenden Soldaten aufzustellen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Macht im Entscheidungskampfe ein ausschlaggebender Faktor werden konnte. Die Kosten hiefür hätten sich nicht höher gestellt als die bewilligten Mittel für drei moderne Großkampf¬ schiffe. Der Kriegsminister, Feldzeugmeister Ritter von Krobatin, ließ den Antrag des Chefs des Generalstabes einer genauen Prüfung unterziehen. Die Mobilisierungsabteilung stellte fest, daß in ein¬ zelnen Korps schon jetzt Standesüberschüsse bestanden, und be¬ richtete, daß einem raschen Ausbau der Reservearmee keine Hindernisse entgegenstünden. Die beiden Landesverteidigungs¬ minister waren für den Plan gewonnen. Conrad sah fortan in der Reservearmee die Rettung der müi- tärischen Lage und hoffte, daß der Monarchie die Spanne Zeit noch vergönnt sein werde, diesen Aufbau zu vollenden. Diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen, es war durch die Widerstände zuviel kostbare Zeit versäumt worden. Befestigungen. Die Rolle von Przemysl im Kriege. Es lag in Conrads Natur, alle strategischen und taktischen Aufgaben offensiv lösen zu wollen, auch die Verteidigung war aktiv zu führen. Befestigungen sollten in erster Linie die per¬ sonellen Kampfmittel schonen, um sie für entscheidende Aktionen verfügbar zu halten. Die von Feinden eingekreiste Monarchie bedurfte vieler Befestigungen, um an den Offensivfronten mög¬ lichst stark auftreten zu können. In diesem Sinn stellte Conrad bald nach seinem Amtsantritt ein Reichs-Befestigungsprogramm auf. Sein höchstes Interesse galt der italienischen Front. Sollte es zum Krieg mit Italien kommen, so beabsichtigte Conrad eine überraschende Offensive in der venetianischen Ebene. Hiefür war die Festhaltung von 159