CONRADS PROGRAMM sich die wichtigsten vor und forderte von seinen Referenten rückhaltlose Vertretung der eigenen Ansichten. Die ihm vor¬ schwebenden Ziele hat Conrad bald nach Übernahme seines Amtes in die Worte gefaßt: „Vor allem schwebt mir die Durch¬ setzung einer auf den praktischen Kriegszweck eingestellten Aus¬ bildung der Truppen, bei gleichzeitiger Erziehung zu starken Leistungen, zum Ertragen von Strapazen und zu männlich-sol¬ datischem Geiste vor; als nächstes: eine auf das gleiche Ziel ge¬ richtete theoretische Weiterbildung der Führer und des Gene¬ ralstabes.“ Dies war das Programm, mit dem Conrad an seine neue Auf¬ gabe schritt. Die Stellung des Chefs des G e n e r a 1 s t a b e s Nach dem Wortlaut der organischen Bestimmungen für den Generalstab war der Chef des Generalstabes im Frieden ein „Hilfsorgan des Kriegsministeriums“. Die Verfassung der Mon¬ archie bedingte in Wehrangelegenheiten die Zusammenarbeit von drei Ministerien: des gemeinsamen Reichskriegsministeriums und der beiderseitigen Landesverteidigungsministerien, was große Erschwerungen zur Folge hatte. Die Abhängigkeit des Chefs des Generalstabes vom Kriegsministerium bildete einen dauernden Hemmschuh für den von Conrad angestrebten Ausbau der Wehr¬ macht. Ein Beispiel aus meiner Dienstpraxis soll die Schwierig¬ keiten beleuchten, die selbst bei geringfügigen Forderungen zu überwinden waren. Der Geschäftsumfang des Evidenzbüros hatte unter der im¬ mer näher rückenden Kriegsgefahr seit der Annexionskrise be¬ deutend zugenommen. Um den Forderungen des außerordent¬ lich rührigen Chefs des Generalstabes gerecht zu werden, mußte der Dienstbetrieb wesentlich erweitert werden. Das Verfolgen des Ausbaues der fremden Wehrmächte, die mit steigender Ein¬ kreisung als Feinde der Mittelmächte in Betracht kamen, ver¬ ursachte eine wesentlich erhöhte Mehrarbeit. Hiezu trat die Abwehr der immer intensiver einsetzenden feindlichen Aus¬ spähung und nationalen Propaganda. 112