DIE MAJORSECKE In der Kommission zur Beurteilung der Stabsoffiziersaspiranten Nach Abschluß der vierjährigen Lehrtätigkeit an der Kriegs¬ schule wurde Conrad im Herbst 1892 als Bataillonskommandant zur Truppendienstleistung beim Infanterieregiment Nr. 93 in Olmütz eingeteilt. Im folgenden Jahre erfolgte seine Berufung in die „Kommission zur Beurteilung der theoretischen Kenntnisse der Stabsoffiziersaspiranten“. Nachdem der „Stabsoffizierskurs“, wo die älteren Hauptleute und Rittmeister eine theoretische Unterweisung für die Stabs¬ offizierscharge erhielten, längere Zeit bestanden hatte, wurde die Notwendigkeit erkannt, die Erweiterung des theoretischen Wis¬ sens schon auf die älteren Oberleutnants in den „Korpsoffiziers¬ schulen“ zu übertragen. Die Stabsoffiziersaspiranten hatten später als ältere Hauptleute vor einer ständigen Kommission zu erweisen, ob sie die nötigen theoretischen Kenntnisse für höhere Kommandostellen besaßen. Oberst Conrad war dem Präses die¬ ser Kommission zugeteilt, er hatte die Aufgaben zu entwerfen und so zu leiten, daß sich die Kommission ein Urteil über die Kenntnisse der Aspiranten bilden konnte. Er war also wieder im Lehrfach tätig und sollte wieder „klassifizieren“, diesmal mit größerer Tragweite, denn es handelte sich um Existenzfragen von Familien. Die gefürchtete „Majorsecke“ bildete eine Klippe, an der die militärische Laufbahn eines Bruchteiles der Hauptleute scheitern mußte. Eine Auslese war unvermeidlich, denn das Interesse der Armee gebot, daß nur solche Hauptleute in die Stabsoffi¬ zierscharge vorrückten, die auf höheren Posten entsprechen würden. Conrad brachte in seinen neuen Wirkungskreis das ehr¬ liche Wollen mit, als guter Kamerad zu raten und zu helfen und den um ihre Existenz Kämpfenden die Scheu vor der Kom¬ mission zu nehmen. Die von ihm geleiteten Übungen im Gelände machten den Stabsoffiziersaspiranten das Leben nicht sehr bequem. Die nicht mehr ganz jungen Hauptleute und Rittmeister hatten Mühe, zu Fuß das Tempo des beweglichen, leistungsfähigen, wenig über 40 Jahre alten Obersten Conrad durchzuhalten. Er entschädigte 76