CONRADS TAKTIK BEWÄHRT SICH vor Sonnenaufgang am Fuße der steil abstürzenden Höhen be¬ reitstanden. Das Unternehmen gelang; die Truppen erreichten den Höhenrand unter Scharmützeln, zumeist flüchteten aber die Insurgenten nach kurzem Widerstande angesichts dieser neuen Vorrückungsart, die ihnen keine Gelegenheit bot, sich mit lokaler Überlegenheit auf die Spitzen der einzeln abgefallen ansteigen¬ den Kolonnen zu stürzen. Als Conrad seine Kolonne in dem zugewiesenen Raume ver¬ sorgt wußte, begab er sich bei einbrechender Dunkelheit zur Nachbarkolonne, um sich zu überzeugen, daß die Angriffsziele dispositionsgemäß erreicht waren. Erschöpft langte er hierauf spät nachts beim Divisionskommando ein, von wo er um 2 Uhr früh des Vortages auf gebrochen war. Er konnte sich mit dem Bewußtsein zur Ruhe begeben, daß sich seine Vorschläge be¬ währt hatten. Der Höhenrand war unter geringen Verlusten binnen eines Tages in die Hand der Truppen gelangt. Beim Kommando in Ragusa hatte man die Geheimhaltung des Unternehmens übel¬ genommen und es erging der Befehl, künftig operative Bewegun¬ gen nur über Anweisung des Truppenkommandos durchzuführen. Conrad schreibt hiezu: „Dieses verzögernde Verfahren entsprach nicht dem Geiste, der bei uns im Divisionskommando herrschte, wir empfanden es als Fessel.“ Mit wiederholten Unternehmungen gegen die immer wieder auftauchenden Insurgentenbanden vergingen die Monate bis zum Beginn des Frühjahres 1882. Conrad war unermüdlich tätig und beteiligte sich an ungezählten Streifungen und Rekognoszierun¬ gen. Dieses Leben in ständiger Kampfbereitschaft war ihm zum Bedürfnis geworden. Er hatte jeden Gedanken an die Gefahr verloren und gab mit seiner Unerschrockenheit vielfach geradezu ein schlechtes Beispiel. So schreibt er in sein Tagebuch am 5. April: „Ich schloß mich der Schwarmlinie der Jäger an. Pott (Hauptmann und Halbbataillonskommandant) und ich standen aufrecht, desgleichen der Hornist und die Ordonnanzen. Die Leute hätten sich ja legen dürfen, aber sie taten es nicht, da sie uns Offiziere stehen sahen; die feindlichen Geschosse gingen hart über uns. Beim Vorgehen dachte jeder Jäger an den eige¬ nen Ausschuß, ohne die Rücksicht auf das feindliche Feuer vor- 50