der solche Sagen gestaltende Volksglaube wie die von der Pulvererfindung durch einen deutschen Mönch von dem Ergebnis der wissenschaftlichen Arbeiten kaum Kenntnis ge¬ nommen, und Freiburg hat 1854 sogar seinem Berthold ein Denkmal gesetzt1. Die 12 Büchsenmeisterfragen (zu 2) Die 12 Büchsenmeisterfragen bilden das besonders charakteristische Merkmal des Feuer¬ werkbuches, stellen den Grundstock des ältesten waffentechnischen Wissens dar und haben sich — mindestens zum Teil —- 200 Jahre lang als bewährt erhalten. Noch 1614 und 1619 brachte sie de Bry in seinem vorher erwähnten „Kunstbüchlein64 in sachlich unveränder¬ ter Form. Die beiden ersten Fragen behandeln die Theorie. Worauf ist die Treibkraft zurückzufüh¬ ren? Auf das Feuer, die Gase, den Salpeter oder den Schwefel? Daß die Münchener Hand¬ schrift 600 (b2) sie noch dem alles beherrschenden Feuer zuschreibt, ist bei dem damali¬ gen Stand der Naturerkenntnis, die noch ganz in der Vorstellungswelt der Alten, vor¬ nehmlich der Griechen, befangen war, nicht zu verwundern. In weiten Schichten der Waf¬ fentechniker muß diese Vorstellung trotz der Lehre des Feuerwerkbuches — vielleicht auch, weil sie nicht zur Kenntnis gekommen oder wieder vergessen war — noch lange ge¬ spukt haben. Denn selbst noch 1676 mußten sich waffentechnische Schriftsteller mit den Anhängern solcher Anschauungen auseinandersetzen2: „Diejenigen irren sehr von der Wahrheit ab, welche meinen, daß die aus dem Pulver kommende bewegende Kraft die in der Luft fliegende Kugel eine Zeitlang verfolge und, an derselben hangend, sie ent¬ weder treibe und gleichsam immer neue Geschwindigkeit verursache oder doch etlicher- maßen helfe, daß sie nicht wegen ihrer natürlichen Schwere so geschwinde niederfalle. Denn wem ist des Feuers Natur wohl nicht bekannt? Wer hat jemals ein so subtil flüchtig und leicht und zu begreifen sehr schweres Element an eine Kugel gebunden und also fest geheftet, daß es daran hangen bleiben müsse? Was hat die eiserne Kugel für eine magne¬ tische Kraft in sich, daß sie das Feuer auch nach und zu sich ziehet und locket? Und gesetzt, es bliebe bei der Kugel, was ist’s nunmehr? Wie wird es der Kugel neue Ge- 1 Aus der ,,Chemischen Technologie der Neuzeit“, begr. v. Dr. Otto Dämmer, bearb. v. Prof. Dr. Franz Peters, Verlag Enke in Stuttgart 1925, und seinem Abschnitt „Sprengstoffe“ v. Prof. Dr. H. Käst, Berlin, S. 763, erfahren wir, wie groß selbst in der chemisch-wissenschaftlichen Welt die Unkenntnis über diese Dinge bis heute noch ist; es heißt dort: ,,Der Freiburger Mönch Bertholdus (der ursprünglich Constantin Anklilzen hieß) soll 1354 die erste Feuerwaffe (!) erfunden haben. Da aber in Eng¬ land (!), Frankreich und Italien nachweislich schon einige Jahrzehnte vorher Pulver (!) und Kanonen erzeugt wurden, so müßte ,,der schwarze Berthold“ (ivoraus man später Berthold Schwarz machte) lange vor 1354 gelebt haben, wenn er der Erfinder des Pulvers oder der Feuerwaffen sein soll.“ Hiernach ist dem Verfasser völlig entgangen, daß die Kenntnis vom Pulver in Deutsch¬ land schon 1260 verbreitet war und die ersten Pulverwaffen, und zwar deutsche Gewehre und deutsche Kanonen 1331 urkundlich nachgewiesen sind. Er weiß auch offenbar nichts davon, welche und wie viele Kanonen sonst noch in Deutschland früher als in England, Frankreich und Italien, vor 1354, im Gebrauch waren. Dafür steht aber wieder England an der Spitze der ersten, Pulver und Kanonen herstellenden Länder!! 2 Casimir Simienöwicz, Kgl. Major u. der Krone Polens General-Feldzeugmeister-Leutnant, und Daniel Elrich, Stückhauptmann zu Frankfurt a. M., Geschütz-, Feuerwerk- und Büchsenmeisterei-Kunst, Frankfurt a. M. 1676, Teil I (Simienöwicz), S. 153. 98