DER UNBEKANNTE VERFASSER Über den Verfasser des Feuerwerkbuches schwebt bis heute völliges Dunkel. Die Vermu¬ tung, daß es Abraham von Memmingen, der bekannte Büchsenmeister des Herzogs Fried¬ rich von Tirol, gewesen sei, der für diesen 1410 ein Feuerwerkbuch geschrieben haben soll, ist durch nichts erwiesen. Wahrscheinlich geht eine solche, bisweilen auch jetzt noch in Form einer einwandfreien Tatsache verbreitete Annahme auf den bayerischen Haupt¬ mann J. Würdinger zurück. Dieser hat nicht nur durch eine eigenhändige Notiz in einer Münchener Handschrift das Feuerwerkhuch mit dem Namen des Abraham in Verbindung gebracht1, sondern auch in seiner Kriegsgeschichte an zwei Stellen seine Auffassung mit absoluter Gewißheit ausgesprochen1 2. Nach der einen ist ein Münchener Feuerwerkbuch vom Jahre 1432 „nach vielen Anzeichen eine Abschrift von dem Buche des Abraham von Memmingen (1417)“, nach der anderen „war Abraham von Memmingen (1414),... dessen Feuer werksbuch das Vorbild für die vielen Kopien des 15. Jahrhunderts wurde“, weit berühmt. Wie diese Mitteilungen, die weitreichende und schwer wieder auszurottende Folgen gehabt haben3, einzuschätzen sind, geht wohl am besten aus einer — sich aller¬ dings nicht auf diesen Punkt beziehenden — Beurteilung durch Rathgen hervor4: „Wür¬ dinger ist hier, wie oft, unzuverlässig46, und Rathgen setzt — offenbar mit einem Aus¬ druck des Bedauerns hinsichtlich der Geschichte der Waffentechnik — hinzu: „Würdinger ist mit Köhler die Fachautorität der Geschichtsschreiber.44 Schon Romocki prüft nun die Frage5, wie Würdinger zu seiner in keiner Hinsicht er¬ kennbar begründeten Ansicht gekommen sein mag. Er vermutet, daß ihm vielleicht eine Verwechslung der beiden alttestamentlichen Namen Jakob und Abraham unterlaufen sei. Hierzu könnte ihm etwa eine Abschrift des Feuerwerkbuches Veranlassung gegeben haben, in der hinten mit der Handschrift des Textes eine Notiz über eine Haus-Erbange¬ legenheit eingetragen ist6: „Ich jakob pinchwanger vnd ich lucia Langin bürger zu memin- gen tund kund aller menklichen7 mit disem bryef . . .44 Diese Vermutung steht jedoch nur auf schwachen Füßen, da dann Würdinger dieses Exemplar für dieUrschrift des Feuerwerkbuches gehalten haben müßte.Tatsächlich ist es nur eine — vielfach nach anderen Handschriften verbesserte — Abschrift, und offenbar 1 Cod. 719 (b 3), vgl. S. J. von Romocki, Geschichte der Explosivstoffe, Bd. 1, Geschichte der Sprengstoffchemie, Berlin 1885, S. 179. Aber weder in dieser noch in einer anderen Handschrift soll diese Notiz jetzt zu ermitteln sein. 2 J. Würdinger, Kriegsgeschichte von Bayern, Franken, Pfalz und Schwaben von 1347 bis 1506, 2 Bcle., München 1868, Bd. II, S. 341 u. 397. 3 Die Pr. Staatsbiblio¬ thek Berlin verzeichnet — allerdings mit einem Fragezeichen versehen — in ihrem Handschriften-Katalog als Verfasser des Buches Abraham von Memmingen. Derselbe Verfasser wird auch auf dem Einband der Handschrift 11700 (all) der Heeresbücherei in Ber¬ lin und vom Zeughaus für ml und m2 (al3 und al4) genannt. 4 B. Rathgen, Das Geschütz im Mittelalter, Berlin 1928, S. 370- 5 Romocki a. a. 0., S. 178. 6 Pr. Staatsbibliothek, Berlin, ms. germ. qu. 1018 (a 2). V Menkeler, mangaere mhd. Händler, also hier Grundstücksmakler. 79