Iß8 Die Entwickelung der kirchlichen Verhältnisse und des Volkes religiöser Sinn. Theils durch die Reformen der Maria Theresia und Josefs II., theils in Folge des allgemeinen Zeitgeistes entstand auch unter den gebildeter» Elementen der Bevölkerung Tirols und Vorarlbergs, besonders im Adel-, Beamten- und Biirgerstande eine ziemlich zahl reiche Classe von Personen, welche freieren Anschauungen huldigten und an den geistigen Bestrebungen des Jahrhunderts regen Antheil nahmen. Ja in dem Lande, das bisher den exclusivsten Katholi cismus und die strengste Glaubenseinheit cultiviert hatte, bildeten sich nun sogar einige Freimaurerlogen; zu Innsbruck traten die St. Johannesloge zu „den drei Bergen" (L777) und zwei andere Logen: „Symbolischer Cylinder" und „drei Flammen", zu Bozen unb zu Brixen je eine ins Leben. Auf den Lehrstühlen der Innsbrucker Universität wurden kirchenfeindliche und rationalistische Grundsätze verkündet. Aber in die große Menge des Volkes drang dieser Geist nicht, ihr waren Josefs II. Reformen, namentlich die Auflösung der Klöster, die Errichtung des Generals-Seminars und die Andachtsordnung ein Stoß ins Herz. Daher mußte Kaiser Josef II. noch auf seinem Todbette die Andachtsordnung zurück nehmen und auf dem Landtage des Jahres 1790 wurden viele Klagen gegen seine andern Reformen laut, die Congrcsse der fol genden Jahre baten wiederholt um die Abschaffung mancher Neue rung und um die Wiederherstellung der aufgelösten Capuciner- und Franciscanerconvente. Zu diesem Behufe begab sich im Jahre 1792 sogar eine eigene Bauerndeputation nach Wien. Die Gefahren und Kämpfe, welche die französische Revolution den Länoern Tirol und Vorarlberg sowie dem Reiche und Throne des Hauses Habsburg-Lothringen brachten, begünstigten die reactionäre Richtung, in die Josefs Neffe Kaiser Franz II. einlenkte; denn einerseits erhoben sich aus Furcht und Abscheu vor den Franzosen die Tiroler und Vorarlberger zu jenem Patriotismus, der sie' weltberühmt gemacht hat, anderseits drängten ähnliche Befürchtungen die Regie rung, den Wünschen eines conservativ gesinnten Volkes möglichst entgegen zu koinmen. So wurde eine Reihe von Josefinischen Reformen auf dem Gebiete der Kirche und Schule beseitigt. Das General-Seminar gieng ein, die Capuciner- und Franciscaner-