165 Herrscher wurde, hatte die HofwirtschaftsVerwaltung die Aufmerksamkeit, den Wein nach eingezogenen Erkundi gungen zu beschaffen. Ob er dem Kaiser wirklich mun dete? Es scheint, daß es ihm ziemlich gleichgültig war, was ihm vorgesetzt wurde. Denn ein Feinschmecker war der Kaiser nicht, auch nicht im Essen. Der Kaiser kannte folgende Mahlzeiten: ein sehr starkes Frühstück um 6 Uhr, das aus gebratenem Fleisch, Obst und Mineralwasser bestand — doch ohne Kaffee oder Tee. Das war seine Hauptmahlzeit, beinahe die einzige am Tage. Er setzte sich mittags und abends zu Tisch, nahm aber kaum etwas. Auf Reisen schmeckte ihm die sonderbarste Küche. In einem Schweizer Landwirtshaus aß er einmal fettes Rauchfleisch, harte Würstchen und ein braunes Kraut dazu. Das mundete ihm vortrefflich. Obgleich also der Kaiser in jeder Hinsicht mäßig war, wurde er geflissentlich als Trinker hingestellt. Dieses Ge rücht fand eine solche Verbreitung, daß ich es während des Krieges sogar in Rom hörte, und nach dem Krieg in Österreich; einmal erzählte es mir ein Ungar in Belgien, der jeder Aufklärung unzugänglich war. Das Gerücht ist wahrscheinlich auch heute noch ein beliebtes Geschwätz in deutschen Bierhäusern, an Londoner Vorstadtteetischen und in tschechischen Kneipen. Das Gerücht drang sogar zum Kaiser. Als ihm die Ärzte einmal einen Teelöffel Kognak verordneten, wehrte er ab: „Nein, nein. Ich bin schon ein bekannter Weintrinker, ich will nicht auch noch als Schnapssäufer hingestellt wer den.“ Auch an die Kaiserin machten sich die bösen Zungen her an. Sie war eine Tochter des Herzogs von Parma. Das Herzogtum Parma lag auf der Apenninenhalbinsel. So fiel es nicht schwer, den Unwissenden beizubringen, daß die Sympathien der Kaiserin auf Seite des Erbfeindes Österreichs wären. Dazu stammte sie aus dem Flause