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die die Wasser überfluteten, sobald sie aus den Ufern traten“ 1 ). Wir
haben hier augenscheinlich einen Pfahlbau vor uns, einen Abkömmling
jener vorgeschichtlichen Ansiedelungen, die in der Schweiz, aber auch
in Oberösterreich, Kärnten, Krain und auf der schwäbisch-bayrischen
Hochebene nachgewiesen sind und die einst Kelten gebaut hatten.
Gerade an der oberen und mittleren Donau hat ja vermutlich das älteste
Verbreitungsgebiet der Kelten gelegen 1 2 ) und wenn die Bewohner von
Quintanis ihre Kirche in dem Fluß errichteten, so mag das eine Nach
ahmung alten Keltenbrauches gewesen sein, vielleicht ist auch ein alter
noch vorhandener keltischer Pfahlbau zur Kirche um gewandelt worden.
Denn irgendwelchen praktischen Zweck, wie ihn jene vorgeschichtlichen
Erbauer mit ihren Wohnungen verfolgten (Schutz und Zuflucht vor
Feinden und wilden Tieren), kann man dieser Art des Kirchenbaus nicht
zuerkennen. Ganz im Gegenteil, Zeiten des Hochwassers gefährdeten
immer aufs neue den Bau und die gottesdienstlichen Veranstaltungen,
denen er geweiht war 3 ).
Allerdings gibt es mehrfach Sagen und Berichte, die in Verbindung
mit Kirchen des Wassers Erwähnung tun: entweder läßt sich dieses
selbst plötzlich in Heiligtümern sehen, oder aber es befinden sich in
Kirchen Wasserlöcher und Brunnen 4 ). Vielleicht waren das die natür
lichen Taufbecken, und vielleicht sollte auch in Quintanis die Anlagö
der Kirche über dem Wasser eine leichte und bequeme Beschaffung
1 ) Cap. 15,1: ecclesiam etiam loci eius mansores extra muros ex lignis habuere constructam,
quae pendula extensione porrecta defixis in altum stipitibus sustentabatur et furculis, cui ad
vicem soli tabularum erat levigata coniunctio, quam, quotiens ripas excessisset, aqua super-
fluens occupabat (p. 26, 18).
2 ) Yergl. Strabo VII 2, 2 und VII 3, 2.
3 ) Die Stellen cap. 15, 3: ad aquam fluminis venerandae crucis expresso signaculo dixit:
,,non te sinit dominus meus Jesus Christus hoc signum crucis excedere“ (p. 27, 1) und
cap. 15, 4: ex illo tempore fluvius ita spatiis ecclesiae erat inferius, ut numquam sancti patibuli
signaculum prorsus excederet sind mit die ältesten Angaben von übernatürlicher Kraft
des Kreuzeszeichens, die ich kenne. Denn die von Hauck, Kirchengeschichte Deutsch
lands 1898 I 2 199 Anm. 7 wiedergegebene Notiz des Fortunatus, Vita Albini 11, 30: ,,sanctae
crucis medicamentum“ ist bedeutend später.
4 ) S. Felix Liebrecht, Art. „Seewasser in Tempeln“ in Pfeiffers Germania 1888 XXXIII
177 —179. Mit Berufung auf Rochholz, Schweizersagen aus dem Aargau I 29 Nr. 16,
J. G. Kohl, Augsburger Allg. Ztg. 1851 Nr. 254 und Baring-Gould, The Silver-Store collected
from mediaeval Christian and Jewish Mines. London 1868 p. 107 sq.