geheilt werden will, heilt Severin gar nicht, sondern sagt ihm: „Bete lieber, daß dir das innere Schauen voll Leben werde“ 1 ). Von der Gleichzeitigkeit äußerer und innerer Wunder weiß auch die Nutz anwendung, die Eugippius an das Kerzenwunder im n. Kapitel an schließt: „O Gnadenmacht des Schöpfers, die Kerzen und Seelen ent zündet! Es entbrannte ein Feuer an den Kerzen und strahlte wieder im Gemüte: das sichtbare Licht ließ den Stoff des Wachses in Flammen schmelzen, aber das unsichtbare löste die Herzen der Bekenner zu Tränen“ 2 ). Unvermerkt gehen dann weiter die Wundergeschichten erster Art, von denen die vita berichtet, in die der zweiten Art über. Die Vorlage des Ölwunders in Kapitel 28 bildet zwar die alttestamentliche Erzählung von Elisa 3 ), aber die Veranlassung zu dem Wunder entsteht aus den Produktionsverhältnissen jener Gegend, die keinen eigenen Ölbau hat. Endlich hören wir von anderen Wundern, die der heilige Severin ge wirkt hat, die in keinerlei Anlehnung an biblische Wundererzählungen sich einfach als sagenhafte Ausschmückungen wirklicher Begebenheiten jener Zeit darstellen. Dahin gehört die Erzählung des dritten Kapitels von den Schiffen, die die Lebensmittelzufuhr aus Rätien brachten und die im Eise des Inn festsaßen, dann aber plötzlich loskamen, „augen scheinlich nur durch die Bitten des Knechtes Gottes“ 4 ). Dazu zählt auch die Geschichte von der Heuschreckenplage in Küchel an der Salza, die den kleinen Acker eines Armen heimsuchte, aber die Saatfelder der Reichen verschonte. Die vita sucht diese Tatsache damit zu rechtfertigen, daß eben der Arme, statt in der Kirche mit den anderen zu beten, hinaus gegangen war, um das Ungeziefer von seinem Felde zu verscheuchen 5 ). *) Cap. 35, 2: ora magis, ut optutus vegetetur interior (p. 43, 15). 2 ) Cap. 11, 5: o clemens potentia creatoris cereos animosque flammantis! accensus est ignis in cereis et refulsit in sensibus: visibilis lux naturam cerae liquabat in flammas, at in- visibilis corda fatentum solvebat in lacrimas (p. 23, 12). 3 ) 2. Könige 4, 2—7. 4 ) Cap. 3, 3: fatentes evidentius rates extra tempus glaciali solutas frigore servi dei pre- cibus advenisse (p. 14, 8). Danach ist es nicht richtig, wenn F. Curschmann, Hungersnöte im Mittelalter 1900 S. 5 behauptet, die Heiligen des Mittelalters hätten nie ein Wunder gegen die Hungersnot vollbracht. 5 ) Cap. 12, 4: omnibus igitur huiusce modi studiis occupatis quidam pauperrimus opus dei coeptum deserens ad agrum propriae segetis invisendi causa egressus est totoque anxius die locustarum nubem impendentem qua potuit exturbavit industria (p. 24, 8).