I 1 D ie vita Severini, die der Schüler des Heiligen, Eugippius, wahr scheinlich im Jahre 511 verfaßt hat 1 ), hat stets als ein besonders wichtiges geschichtliches Denkmal gegolten. Wattenbach meinte, die Lebensbeschreibung sei von ganz unschätzbarem Werte, „indem sie einen hellen Lichtstrahl wirft in Zeiten und Zustände, von denen wir sonst gar nichts wissen würden“, sie sei „der letzte Sonnenblick vor einer *) Wenn man aus den Daten, die die vita selbst an die Hand gibt, die Abfassungszeit berechnen wollte, käme man auf einen früheren Zeitpunkt. Severin ist, wie Mommsen zweifellos gemacht hat (Prooemium seiner Ausgabe in den Scriptores in usum schol. 1898 p. VI sq.) ums Jahr 482 (8. Januar, vita c. 43, 9 p. 51, 26) gestorben. Die Leiche ist in castellum Lucullanum unter Papst Gelasius endgültig beigesetzt (cap. 46, 2 p. 54, 17). Dessen Regierungsjahre sind 492 (1. März) bis 496 (19. November). Da nun nach cap. 44, 6 die Leiche im sechsten Jahre seit der Beisetzung in Norikum nach Italien gebracht worden ist (nam annus sextus depositionis eius effluxerat p. 53, 9) und man den vorläufigen Aufenthalt der Leiche in Monte Feltre (cap. 44, 7 p. 53, 21) nicht allzulang bemessen darf (cap. 46, 1: quae [sc. Barbaria] post obitum eius audiens corpusculum sancti in Italiam perductum et usque ad illud tempus terrae nullatenus commendatum p. 54, 12), so ist das endgültige Begräbnis offenbar in der ersten Regierungszeit des Papstes Gelasius, also nach dem Jahre 492 erfolgt. Damit ergäbe sich der früheste Zeitpunkt der Abfassung der vita. Der terminus ante quem müsste aber mit Hilfe der Wahrnehmung gewonnen werden, daß der Verfasser den Theoderich noch nicht als König von Italien, sondern nur als König der Ostgoten kennt (cap. 44, 4 p. 52, 25), und fiele also in das Jahr 493. Dem würde auch die Prophezeiung ex eventu von cap. 32, 2 (Odovacar integer inter tredecim et quattuordecim, annos videlicet integri eius regni significans p. 42, 1), die übrigens mit einer Notiz bei Jordanes, De origine actibusque Getarum 46, 243: Odoacer . . . regnoque suo confortato pene per tredecem annos usque ad Theoderici praesentiam (ed. Mommsen, Mon. Germ. auct. ant.V 1, 1882 p. 120, 14), übereinstimmt, nicht widersprechen. Hätten wir also nicht die epistola des Eugippius mit der Nachricht, er habe den Plan zu seiner Schrift unter dem Konsulat des Importunus (i. J. 509) gefaßt und nach zwei Jahren, also im Jahr 511, ausgeführt, so würden wir unter Anwendung der gewöhnlich in der histori schen Kritik gebräuchlichen Mittel, Anhaltspunkte zum Zwecke der Zeitbestimmung aus einer Geschichtsquelle zu gewinnen, auf eine viel frühere Zeit der Abfassung kommen. Für diese müßten wir uns entscheiden, sobald es sich herausstellen sollte, dass die Worte zu Beginn der epistola Eugippii „consulatu scilicet Importuni“ ein späterer Zusatz wären, wie Rettberg,