Kap. III. Di 0 ägyptische Kunst des alten u. mittleren Reiches. (§ 306.) 433 blau oder grün vor, weil der Lasurstein oder der Malachit für das Schönste auf Erden galt; 1 ) auch sind die „goldenen“ Götter, wenn möglich, aus Gold gebildet worden. 1 2 ) Wie also die Hautfarbe übernatürlich sein soll, 3 ) glaubt man auch die Glieder gegen menschliche Regeln zusammensetzen zu dürfen. Unter den mannigfaltigen Mischungen, die einen allegorischen Sinn haben, 4 ) kennzeichnen vor allem die bekannten tierköpfigen Götter die ägyptische Anschauung, welche h^ei den Physiognomikern wiederkehrt, dass Ähnlichkeiten mit Tieren den Besitz von deren hervorragendster Eigenschaft bedeuten. Beispielsweise nennen wir den sperberköpfigen Horus, Ammon mit dem Widderkopf, 5 ) die kuhköpfige Hathor und den Schakal- Anubis; selbst zwei Sperberköpfe oder vier Widderschädel wurden auf einen menschlichen Rumpf gepfropft. Die Symbolik geht soweit, dass in manchen Fällen ein Scarabaeuskäfer oder eine Hieroglyphe den Kopf ver trat. Umgekehrt werden vergeistigte Wesen durch einen Tierleib mit Menschenkopf dargestellt. Ein Löwe mit menschlichem Kopfe, welchen die Griechen Sphinx nannten, die Ägypter aber hu oder seschep, bedeutete die Löwenstärke und Menschenklugheit des Königs, dessen Porträtzüge und Inschrift er aufweist. 6 ) Wie das Sphinxsymbol im neuen Reich sich wan delte, kommt später zur Sprache. Die Seele (ka) ist ein Vogel mit Menschen kopf, manchmal sogar mit Armen. 7 ) Mit diesen Ideen harmonieren die fabelhaften Ungeheuer, deren Ausbrütung man den Sinnestäuschungen der Wüste zuschreiben möchte; da gibt es Löwen mit Sperberköpfen (sag), geflügelte Gazellen u. A. 8 ) Das meiste und bedeutendste der Art (z. B. die Greifen) haben die Ägypter erst im neuen Reich angenommen. Diese Geistesrichtung, welche das Übernatürliche in dem drastischen Wunderbaren suchte, hatte im alten Ägypten noch nicht die volle Herr schaft. Die Art, wie gewisse Gottheiten in der Bilderschrift bezeichnet werden, lässt erraten, dass die Ägypter dieselben anfangs nicht im Bilde verehrten, sondern statt ihrer selbst einen Baum, unter dem ein Gott er schienen, oder sonst eine durch Marksteine bezeichnete Erscheinungsstelle. 9 ) Ausserdem zeigen die ältesten Inschriften statt der Götternamen das ein- 1 ) Blau: Champollion T. 11; Pitture d’ Ercol. IV 69 (auf Könige übertragen, in Nu bien: Champollion 154); grün: Champ. T. 59. 71. 78. 91; Blumenbach, Beitr. z. Naturgesch. 2 S. 64. 65*; Wilkinson V 299 f. 807. Grün sind auch Gesicht und Hände der Göttin Neith. 2 ) Goldenes Idol aus Denderah: Archaeo- logia XVIII T. 4; Chromgelb gemalte Götter und Könige im kleineren Tempel von Ip- sambul. 3 ) Ebenso unterscheidet sich die dunkel- rote Hathor von den blassen Frauen (Relief Seti’s I. im Louvre). 4 ) Z, B. hat der nährende Nilgott weibliche Brüste (Lepsius III 47 a. 67 b. 75 a. 287 d). 5 ) Lepsius, Äg. Ztsch. 1877 S. 8 ff. 6 ) Lepsius, Ztsch. f. äg. Spr. 1882 S. 119f.; E. v. Bergmann, das. 1880 S. 50; Wilkinson III308-812; Maspero, Ga. 1879; Ed. Meyer, Handbuch, der klass. Altertumswissenschaft. VI, (Gesch. d. alten Ägyptens S. 112 f.) bezwei felt, dass schon im alten Reiche die Sphinx bekannt gewesen sei. Kriosphinxe sind ein fach ruhende Widder. 7 ) Z. B. Tr. b. a. VIII T. zu S. 390; Per rot Fig. 38; Bch. 12, 392 A. 2. Skarabäen und Schlangen mit Menschenköpfen kommen in verschiedenen Gräbern vor. 8 ) Lepsius II 131; Rosellini, mon. civ. 33; Wilkinson 1193. III 309—312 (= Erman I 329). 9 ) Ein Baum bezeichnet den Gott von Busiris, ein Paar Cypressen und ein Stein kegel den Gott Amsi; letztere Form hatte noch später das Tempelbild des Ammon orakels, nur dass es aus Edelsteinen bestand (Curtius 4, 7, 23; vgl. Diod. 17, 50, 6). Ein Gott von Memphis heisst „der unter dem Ölbaume“ (cher-laqf). 28