Denkschrift des Grafen Czernin. 571 lichen Anschauungen (der Denkschrift) werden von uns nicht geteilt. Nach der Katastrophe in Rußland haben sich unsere Chancen verbessert, und weder die Lebensmittelfrage noch Amerika sind imstande, uns zum Nachgeben zu nötigen." Den Eintritt der Vereinigten Staaten von Amerika in den Krieg hatte man erwartet. Cr konnte um so weniger nachhaltigen Ein- druck machen, als der Admiralstab für den Monat März eine noch wesentlich höhere Versenkungsziffer als die schon unerwartet hohe für Februar (860 000 gegen 780 000 Tonnen) bekanntgab'). Vollends schien nicht ins Gewicht zu fallen, daß weiterhin unter dem Einfluß Nordamerikas zunächst P a - n a m a und Kuba sich den Gegnern anschlössen und dann auch V r a s i - l i e n sowie nach und nach noch eine Reihe meist kleinerer Staaten: Haiti, Honduras,Liberia,Bolivien,Nikaragua,Ko st arika, Guatemala, San Domingo, die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abbrachen. Das Eingreifen amerikanischer Truppen in den Krieg zu Lande schien vor dem Winter 1917/18, wahrscheinlich sogar vor dem Frühjahr 1918, nicht möglich. Vis dahin aber, hoffte man, würde der Krieg beendet sein, und, wenn nicht, so doch der Schiffsraum fehlen zur Wer- führung nennenswerter amerikanischer Truppen nach Europas. Der Gedanke, daß die Vundesgenoffenschaft eines so großen und mächtigen Landes für die Entente eine starke moralische und wirtschaftliche Stütze sein könne, trat in den militärischen Erwägungen vorerst kaum zutage. Die Schwierigkeiten der Ernährungslage hoffte man zu über- winden, wenn auch am 15. April die Brotration von 200 auf 170 Gramm is. April. Mehl für den Kopf und Tag herabgesetzt werden mußte; nur für die Kampf- front und für die Schwerarbeiter in der Heimat blieb sie höher. Die Maß- nähme wirkte sich aber sofort in Streiks aus, die ohne Rücksicht auf den Munitionsbedarf der gerade zu dieser Zeit schwer ringenden Front unter der Parole: „Friede, Freiheit, Brot" in Verlin, Leipzig und anderen Orten ins Werk gesetzt wurden. Da die Stellvertretenden Kommandierenden Generale durch Einführung des Militärbetriebes in kriegswichtigen Anlagen rechtzeitig eingriffen, konnte eine nennenswerte Minderung der Munitionslieferungen -) Vgl. S. 539. 2) Denkschrift des Adm. St. Chefs (Bd. XI, S. 466), sowie Ludendorff: „Kriegs- erinnerungen", S. 249. — Gen. Ob. von Einem zeichnete am 39. Mai 1917 auf: „Luden- dorff nimmt an, daß die Amerikaner erst in zehn Monaten soweit sind, Truppen nach Frankreich zu verschiffen. Dann würde ihnen aber der Schiffsraum zum Transport ihrer Heere fehlen" (Einem, S. 313. — Ähnliche Auffassung der Entente S. 414 f.