478 O. £>.£.: Unterseekrieg und Friedensangebot. bei der jetzigen Lage durch den uneingeschränkten Unterseekrieg in fünf Monaten England zum Frieden zwingen könne. Unzureichende Zahl der Voote konnte gegen diese Auffassung nicht mehr ins Feld geführt werden: Am 1. April 1916 hatte die Marine nur 36 Boote für den Krieg gegen England bereit gehabt, im Dezember waren es 85'), und am 18. Januar 1917 trug der Staatssekretär des Reichs ° Marine - Amtes, Admiral von Capelle, dem Kaiser vor, daß am 1. Februar 123, im Herbst sogar 321 Voote verfügbar sein würden^). Die seit Jahresfrist auf mehr als das Dreifache gesteigerte Zahl der verfügbaren Voote und die Bestimmtheit der Erklärung aus berufenstem Munde machten es schwer, die Crfolgsaus- sichten in ihrer Gesamtheit anzuzweifeln, selbst wenn man zu der für die Wirkung angegebenen Frist einen gewissen Zuschlag machte. Den Marine- sachverständigen gegenüber war die Oberste Heeresleitung auf dem Gebiete des Unterseekrieges ebenso Laie wie die politische Reichsleitung. Keine von beiden war in der Lage, die Ausführungen des Chefs des Admiral- stabes zu widerlegen; beide konnten nur gefühlsmäßig urteilen. Selbst Staatssekretär Helfferich hat feine Zweifel schließlich nur noch mit großer Zurückhaltung geäußert. Ein unumstößlicher Gegenbeweis gegen die von zahlreichen Sachverständigen des Wirtschaftslebens gestützten Berechnungen des Admiralstabes war eben nicht möglich. Die Oberste Heeresleitung aber war von der Wirksamkeit des uneingeschränkten Unterseekrieges überzeugt und angesichts der erdrückenden feindlichen Übermacht entschlossen, jedes Kriegsmittel anzuwenden, das den feindlichen Widerstandswillen zu brechen geeignet schien. Gewiß war ein Wagnis dabei, aber ohne Wagen hat noch kein Feldherr gesiegt. Generalfeldmarschall von Hindenburg hat nachträglich am 16. Oktober 1918 in einem Schreiben an Reichskanzler Prinzen Max von Baden die zwingende Notwendigkeit dargelegt, die schwer ringende Front zu entlasten^): „Wir sahen uns für 1917 stark überlegenen Angriffen in Ost und West ausgesetzt, denen standzuhalten um so schwieriger erscheinen mußte, als das Hindenburg-Programm erst eingeleitet war. Wir mußten befürchten, daß wir überlegenem Menschen- und namentlich Materialeinsatz erliegen würden. Von der russischen Revolution lagen noch keine Anzeichen vor, im Gegenteil plante Rußland große Neuformationen. Im Westen war eine gewaltige Materialüberlegenheit, die den Kämpfern der Somme- 1) 6. 448. 2) Tagebuchaufzeichnung des Generalobersten von Plessen. Nach Mitteilung der Kriegswissenschaftlichen Abteilung der Marine waren in der Zahl 321 nicht nur die fahrtbereiten, sondern auch sämtliche noch im Bau befindlichen Voote eingerechnet. s) Abgedruckt bei Ludendorff: „Urkunden", S. 345.