460 Die Ostfront. — Brusstlow-Offensive. 8. zun«. Vis Generaloberst von Conrad am Nachmittag des 8. Juni in Verlin eintraf, lagen bereits Meldungen über weitere Verschlechterung der Lage an beiden Einbruchsstellen^) vor. Die Notwendigkeit, die Lage wieder- herzustellen, schien ihm bei der ö.-u. 7. Armee wegen der Nachbarschaft Rumäniens ebenso dringend wie bei der 4. Armee. Er dachte an Gegen¬ angriff mit weitgestecktem Ziel. Einerseits sollte den Russen ein „aktiver" Schlag versetzt werden, der ihren jetzigen großen Erfolg wettmachte und damit die Gefahren beseitigte, die dieser „hervorgerufen habe (bei Nußlands Verbündeten, bei Neutralen, bei Rumänien — schließlich in Serbien und Montenegro; bei Rußland selbst)"^). Andererseits gelte es zu verhindern, daß sich Rußland nochmals in den Besitz Ostgaliziens und der Bukowina setze. Beides sei nötig — so schloß Generaloberst von Conrad — wegen der „Rückwirkung auf die g r o ß e Kriegsentscheidung, die ich vor allem im Auge haben muß und der gegenüber Italien zum sekundären Kriegs- schauplatz herabsinkt". So war er denn jetzt bereit, auch Truppen von der Alpen-Front nach Galizien heranzuziehen. Andererseits wollte er von General von Falkenhayn noch weitere Divisionen erbitten, die aber nicht nach Kowel, sondern zur freien Verfügung der österreichisch-ungarischen Heeresleitung nach Lemberg rollen sollten. Auch General von Falkenhayn hatte sich inzwischen mit der Frage beschäftigt, nunmehr im Osten, und zwar von Kowel aus, einen „schnellen, energischen Schlag" zu führen. Bei der Besprechung in Berlin hat sie aber keine Rolle mehr gespielt. Neben den Plänen für den Westen hat dabei mitgesprochen, daß die Cisenbahnverhältnisse hinter der Front bei Kowel den schnellen Aufmarsch starker Truppen ausschlössen. Das Ergebnis der Besprechung hat General von Fal- k e n h a y n noch am Abend des 8. Juni in einer Drahtung an General- oberst von Conrad zusammengefaßt, in der es hieß: „tlber den Ernst der Lage an der galizischen Front in bezug sowohl auf die taktischen Vorgänge als auch auf die operativen und deren Nachwirkungen für den gesamten Kriegsverlauf besteht keine Meinungsverschiedenheit. Die Lage ist so ernst, daß alle irgend verfügbaren Kräfte an die bedrohte Front geworfen werden müssen. Selbstverständlich ist Österreich-Ungarn hierzu, da es sich um den von ihm zu haltenden Teil der Gesamtfront handelt, in erster Linie ver- pflichtet und auch entschlossen, alle Ossensivunternehmungen gegen Italien hinter die Abwehrmaßnahmen in Galizien zurückzustellen". Deshalb sei aus Tirol die 61. Infanterie-Division schon nach Galizien in Marsch gesetzt, 1) S. 461 f. 2) Bemerkungen vom 9. Juni zu dem von General von Falkenhayn übersatten Ergebnis der Besprechung.