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Die Offensive der Verbündeten auf Brest Litowsk.
Prinzen Leopold von Bayern zu vereinigen und zu einem Stoß über die
Weichsel zwischen Iwangorod und Warschau in der Richtung auf Lukow—
Siedlce anzusetzen. Dieser Gedanke entsprang zweifellos dem begreiflichen
Wunsche des deutschen Generalstabschefs, sich einen stärkeren unmittelbaren
Einfluß auf die Fortführung der Gesamtoperationen auf dem östlichen
Kriegsschauplätze zu sichern, indem er entsprechend den zahlreichen deutschen
Abgaben an die ö.-u. Heeresleitung nun auch einige ö.-u. Verbände in den
deutschen Befehlsbereich einspannte. Auch hatte er vom Standpunkt der
Gesamtkriegführung gewichtige Gründe, den Kampf gegen Rußland so
schnell als möglich zu erfolgreichem Abschlüsse zu bringen, um Kräfte sowohl
zur Verwendung im Westen wie auch — angesichts der bedenklichen Lage
des türkischen Bundesgenossen — zu einem „Druck auf die Balkanstaateü")
freizumachen.
Sein Vorschlag begegnete indessen beim ö.-u. Generalstabschef entschie¬
dener Ablehnung. Dieser hatte bereits vorher im Sinne der bisherigen Ver¬
einbarungen der Armee-Abteilung Woyrsch befohlen, oberhalb von
Iwangorod unter Sicherung gegen die Festung über die Weichsel zu gehen
und in den Kampf der ö.-u. 4. Armee einzugreifen. Cr bat nunmehr General
von Falkenhayn, die bestehenden Vefehlsverhältnisse aufrechtzuerhalten, da
die Operationen der Armee-Abteilung Woyrsch mit denen der Heeresgruppe
Mackensen, die der 9. Armee hingegen mit dem Rarew-Angriffe in Zu¬
sammenhang ständen. Sofort wies General von Falkenhayn in seiner Ant¬
wort darauf hin, daß die Zusammenfassung der beiden Armeen gerade dazu
dienen solle, sie in der jeweils wirksamsten Richtung, in diesem Falle also
in den Rücken der dem Generalfeldmarschall von Mackensen gegenüber¬
stehenden russischen Kräfte, anzusetzen. Generaloberst von Conrad verharrte
indessen auf seinem Standpunkt, indem er geltend machte, daß ein Stoß
über die Weichsel unterhalb von Iwangorod zu zeitraubend sein und dem
Feinde die Möglichkeit bieten würde, Kräfte aus dem Weichsel-Bogen so¬
wohl gegen die Heeresgruppe Mackensen als auch gegen die Armee-Gruppe
Gallwitz zu verschieben. Der Meinungsaustausch hierüber setzte sich noch
mehrere Tage ergebnislos fort. Auch eine persönliche Aussprache beider
Generalstabschefs in Teschen am 24. Juli brachte zunächst keine Einigung.
Erst nachdem Generalfeldmarschall von Mackensen auf eine Anfrage des
Generals von Falkenhayn versichert hatte, daß er die Lage an der Front
seiner Heeresgruppe aus eigener Kraft unbedingt bis zum Wirksamwerden
des Weichsel-überganges halten könne, stimmte Generaloberst von Conrad
den Vorschlägen des Generals von Falkenhayn insoweit zu, daß die Armee-
J) Schreiben des Generals von Falkenhayn an den Oberbefehlshaber Ost vom
21. Juli 1915.