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Der Sommerfeldzug der Verbündeten in Galizien.
3. Juni.
die russische Abwehr ermattete, und erreichten, ohne nachhaltigen Widerstand
zu finden, die erstrebte nächste Höhenlinie. Die abendliche Fliegeraufklärung
stellte die Fortsetzung des feindlichen Abmarsches aus der Festung und zahl¬
reiche Brände namentlich ant Bahnhof Przemysl fest. Die Räumung der
Festung schien also in vollem Gange. Daher befahl General von Kneutzl
um 8° abends, noch weiter bis zur Kernumwallung vorzugehen und wenn
möglich in die Stadt selbst einzudringen, wie dies Generalmajor von Vehr
bereits beabsichtigt hatte. Die Artillerie nahm das Feuer auf die Kern¬
befestigungen auf1). Der Fall der Festung war nur noch eine Frage weniger
Stunden.
Tatsächlich fand denn auch die Kavallerie der 11. bayerischen Infan¬
terie-Division um Mitternacht zum 3. Juni die Werke IX a und IX vom
Feinde verlassen. Auch die übrigen anschließenden Werke nördlich des
San wurden bis 4° früh von Kavallerie der ö.-u. 3. Armee besetzt. Zu
dieser Zeit nahm General von Kneußl auf Grund der Meldungen seines
rechten Flügelabschnitts an, daß der Feind auch die innere Fortlinie nicht
mehr halten würde. Cr erneuerte daher um 4° vormittags den Befehl für
den rechten Abschnitt des Generalmajors von Schoch, in das Stadtinnere
vorzudringen. Der linke Angriffsabschnitt unter Generalmajor von Vehr,
von dem Meldungen noch nicht vorlagen, sollte sofort ostwärts an der
Festung vorbei über den San vorstoßen, um den aus der Festung ab¬
ziehenden Feind möglichst noch zu fassen. Am 545 vormittags ging dann
aber beim Armee-Oberkommando unmittelbar die Meldung des General¬
majors von Vehr ein, daß Przemysl um 3S0 vormittags von seinen Trup¬
pen besetzt worden sei. Cin dem General von Vehr zur Verfügung ge¬
stelltes Garde-Vataillon war in der Rächt als erstes durch die innere Am-
wallung vorgestoßen und hatte die Stadt vom Feinde verlassen gefunden.
General von Kneußl erreichte diese Meldung erst um 6° vormittags gleich¬
zeitig mit einer Fliegernachricht, nach der die letzte russische Infanterie vor
einer Stunde um Przekopana östlich von Przemysl und von Torki im Ab¬
marsch auf Medyka beobachtet war. Weiter östlich zogen lange Infanterie-
und Fahrzeugkolonnen auf und südlich der großen Straße nach Osten. Gene¬
ral von Kneußl setzte nunmehr alle seine Truppen auf kürzesten Wegen
über Przemysl zur Verfolgung an. Auch die auf dem Westufer des San
befindlichen Teile des XXXXII. Reservekorps hatten sich dem Vorgehen
der 11. bayerischen Infanterie-Division angeschloffen. Am 435 vormittags
hatte die 82. Reserve-Division die zwischen Zurawica und dem San ge-
1) Gesamter Munitionsverbrauch der schweren Artillerie beim Angriff auf
Przemysl im Abschnitt des Generals von Kneußl: 7067 Schuß.