Der Gasangriff bei Dpern am 22. April.
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standen, abgesehen von Teilen der 43. Reserve-Division, größere Verbände
zur Ausnutzung eines Erfolges nicht zur Verfügung1). Dem XXIII. Re¬
servekorps fiel die schwierige Aufgabe zu, den Übergang über den Dser-
Kanal zu erkämpfen. Als erste Ziele waren gefetzt: dem XXIII. Reserve¬
korps eine Linie nordwestlich Steenstraate—Lizerne—südwestlich Pilkem,
dem XXVI. Reservekorps die Höhen an der Straße Boesinghe—Pilkem—
Langemarck—Poelcappelle. Als weiteres Angriffsziel galt „die Gewinnung
des Zlser-Kanals bis einschließlich Ppern".
Infolge der am frühen Morgen des 22. April eintretenden Windstille 22. April,
mußte der Angriff jedoch auf die späten Nachmittagsstunden verschoben wer¬
den. Dies bedeutete eine um so ernstere Erschwerung, als alle Vorbereitun¬
gen für ein Vorgehen im Morgengrauen getroffen waren. Der Komman¬
dierende General des XXIII. Reservekorps, General der Infanterie
von Kathen, äußerte sofort Bedenken gegen einen Angriff bei vollem Tages¬
licht, während der Kommandierende General des XXVI. Reservekorps,
General der Infanterie Freiherr von Hügel, betonte, daß ein Erfolg seines
Korps nur zu erwarten sei, wenn gleichzeitig der Flankenschutz durch das
XXIII. Reservekorps angriffsweise durchgeführt würde. Der Chef des
Generalstabes der 4. Armee, Generalmajor Ilse, suchte fernmündlich diese
Bedenken zu zerstreuen; außerdem wurde folgende eindeutige Weisung
erlaßen: „Der Herr Oberbefehlshaber erwartet auf das bestimmteste, daß
das XXIII. Reservekorps im Anschluß an das XXVI. Reservekorps die
Höhe 20 bei Pilkem erreicht."
Am 6° abends wurden die eingebauten Gaszylinder gegenüber der
französischen 87. Territorial- und 45. Infanterie-Division geöffnet. Der
belgische Generalstab hatte einige Tage vorher die französische oberste
Führung auf die Möglichkeit eines deutschen Gasangriffes hingewiesen;
0 General der Artillerie a. D. Ilse hat in einer Zuschrift vom 16. November
1931 dem Reichsarchiv mitgeteilt: „Das Oberkommando der 4. Armee hatte bei der
Obersten Heeresleitung die Bereitstellung einer Division beantragt, um bei einem
vielleicht eintretenden Erfolg des Gasangriffs auch wirklich tief nachstoßen und den
Dpern-Bogen aufrollen zu können. General von Falkenhayn hatte diesen Antrag
abgelehnt, einmal weil er über die erforderlichen Kräfte im Frühjahr 1915 nicht ver¬
fügte, und weil er den Erfolg eines Gasangriffs in Zweifel zog. Auch war mitbestim¬
mend für Ablehnung des Antrags auf Zuteilung einer Division als Reserve die Tat¬
sache, daß viele Wochen vergehen konnten, ohne daß der Gasangriff zur Durchführung
gebracht werden konnte. Auf so lange Zeit konnte und wollte Falkenhäyn eine Division
nicht frei machen." Aus den Akten des Reichsarchivs ist hierüber nichts bekannt; es
scheint daher, daß Antrag und Ablehnung mündlich erfolgt sind.