VI. Rückblick auf die Kriegführung des Generals von Sdimhayn gegen Rußland. Die Frage, wie Deutschland sich im Falle eines Mehrfrontenkrieges seiner Gegner in West und Ost erwehren solle, war von dem langjährigen Chef des preußischen Generalstabes, GrafSchlieffen, dahin entschieden worden, die Hauptmasse des deutschen Heeres sofort den Franzosen und Engländern entgegenzuwerfen, den Kampf gegen Rußland hingegen zunächst mit einem Mindestmaß an Kräften in strategischer Abwehr ohne unmittel- baren Zusammenhang mit dem österreichisch-ungarischen Bundesgenossen zu führen. Sein Nachfolger, General von Moltke, hatte den Grund- gedanken dieser geplanten Lösung beibehalten, allerdings dem Generalstabs, chef des verbündeten Heeres die Zusage gemacht, die von diesem aus Galizien nach Polen hinein beabsichtigte Offensive durch eigenen Angriff von Ost- Preußen her gegen den Rarew zu unterstützen, um so die der deutschen Ost¬ front gegenüberstehenden Kräfte der Russen zu binden und am Eingreifen gegen die Wehrmacht des Verbündeten zu hindern. Bei Kriegsausbruch war der Angriff gegen den Rarew unterblieben, weil die deutsche 8. Armee in Ostpreußen sich zunächst selbst des konzentrischen Druckes der von zwei Seiten gegen sie vorgehenden russischen 1. und 2. Armee zu erwehren hatte. Durch die Vernichtung der einen dieser Armeen bei Tannenberg und durch die schwere Erschütterung der anderen in der Schlacht an den Masurischen Seen war indessen die Front des Verbündeten in weit stärkerem Maße entlastet worden, als die Generalstabschefs bei ihren im Frieden getroffenen Abmachungen in Rechnung gestellt hatten. Gleichwohl waren durch die Mißerfolge in Galizien die Schwierigkeiten der Aufgabe, der Übermacht der Russen gegenüber die Waage im Gleichgewicht zu halten, erheblich ge¬ wachsen, zumal da auch die erhoffte schnelle Waffenentscheidung im Westen ausgeblieben war. Als General vonFalkenhayn Mitte September 1914 die Leitung der Gesamtoperationen des deutschen Heeres übernahm, hatte er an dem Grundgedanken festgehalten, daß die letzte Entscheidung im Weltkriege auf französischem Boden gegen die Westmächte fallen müsse und würde. Stimmte er hierin sowohl mit dem österreichisch-ungarischen Generalstabs- ches wie mit dem Oberbefehlshaber Ost überein, so wichen in der Frage,