532 Die Operation des Oberbefehlshabers Ost gegen Wilna. kommando auch durchaus anerkannt. Wirksam zu helfen, war jedoch nur möglich, wenn man die Vorwärtsbewegung anhielt. Das aber konnte nicht in Frage kommen, solange man bei der 10. Armee noch auf Erfolg hoffte. Als die Wilna-Operation abgebrochen wurde, war hinsichtlich des Nachschubs die Grenze des Möglichen ebenso erreicht wie hinsichtlich der Kräfte der Truppe: „Sie muß auch erst mal zur Ruhe kommen", schrieb damals ein Generalstabsoffizier des Oberbefehlshabers Ost nieder3), „Hemden und Stiefel erhalten; alles ist abgeriffen. Dann müffen die Eisenbahnen der Truppe nachkommen ..." Die deutsche Truppe und ihre Führung hatten nach über¬ einstimmendem Urteil aller an maßgebender Stelle Beteiligten wieder ein¬ mal „Übermenschliches" geleistet. „Das Vormarsch- und Kampfgelände stellte dauernd höchste Anforderungen an Mann und Pferd durch seine teils sumpfige, teils tief sandige und dicht bewaldete Vodenbeschaffenheit, die die Übersicht und das Zusammenwirken der Waffen außerordentlich erschwerte. Dabei hatten die Divisionen in Breiten zu kämpfen, die die normalen eines Armeekorps übertrafen — einem Feinde gegenüber, der sich in vorberei¬ teten Stellungen zäh verteidigte"3). — Line besondere und ihrer Eigenart entsprechende Aufgabe war der Kavallerie zugefallen, die in weitausholender Bewegung und mehrfachen Hin- und Hermärschen der Infanterie voraus Hunderte von Kilometern durchmeffen und dabei die an Zahl kaum unter¬ legene russische Kavallerie überall leicht zurückgedrückt hatte. Stärkeren Widerstand zu brechen oder für längere Zeit das Vordringen russischer Infanterie-Divisionen zu verhindern, mußte ihre Kraft übersteigen. Sie hat aber auch darin geleistet, was bei damaliger Bewaffnung und Aus¬ rüstung zu leisten war. „Unsere Kavallerie muß sich die Tatkraft, den Mut und den unbegrenzten Betätigungsdrang der deutschen Kavallerie zum Vor¬ bild nehmen", hieß es in einer Anweisung der russischen Nordwestfront aus jener Zeit3). Alles in allem hatte die letzte große Offensive des Ober¬ befehlshabers Ost neben dem Besitz der großen Stadt Wilna das Ergebnis gehabt, daß die feindliche Gesamtfront nördlich der Rokitno- Sümpfe nochmals um 80 Kilometer und damit bis hinter die wichtige Eisen- bahnquerverbindung Lida—Dünaburg zurückgedrängt wurde. Die Kampf¬ kraft der russischen Truppen war, obgleich sie an Artillerie keine Einbuße erlitten hatten, abermals entscheidend geschwächt worden. Besonders aber !) Aufzeichnung des Obersten von Waldow. 2) Aus einer Mitteilung des Generals von Hutier an das Neichsarchiv vom Sommer 1931. 3) Knox, 6.340.