528 Die Operation des Oberbefehlshabers Ost gegen Wilna. Bis Mitte September. offizier der 10. Armee, Major Kellers: „Der Einsah wurde nötig, um den frontal in schwerem Kampfe stehenden Armeeteilen Luft zu schaffen. Der Umfaffungsgedanke wurde aber dauernd in erster Linie im Auge behalten und ihm dadurch Rechnung getragen, daß jeweils die in der Front verfüg- bar werdenden Teile herausgezogen und zur Aufrechterhaltung der Ver¬ bindung und zur Verstärkung des Amfassungsflügels nach Osten verschoben wurden. Scharfes Eindrehen der Gruppe Eben wurde noch nicht ange¬ ordnet, weil die Kampflage an der Front das nicht erforderte und weil nur durch weit ausholende Umfassung Flanke und Rücken des Feindes ent- scheidend gefaßt werden konnten." Wie ungünstig sich die Verhältnisse entwickelten, hatte das Oberkom¬ mando Eichhorn schon nach den ersten Angriffstagen erkannt und seitdem mit allen Mitteln versucht, den Umfassungsflügel durch Nachführen an der Front herausgezogener Verbände zu stärken und zu verlängern. Ob solches Verfahren schließlich doch noch zu einem großen Ergebnis geführt hätte, ist nicht nachzuweisen, da der Oberbefehlshaber Ost den Versuch ver¬ hinderte. Jedenfalls war die Aufgabe noch sehr viel schwieriger geworden, als sie bei sofortigem Ansah eines starken Umgehungsflügels gewesen wäre. Russisches eits hatte man sich durch das Vordringen der Deutschen über Swenzjany veranlaßt gesehen, am 12. September die 5. Armee nochmals zur Unterstützung der 10. anzuweisen, die ersten, in die Lücke von Swenzjany bestimmten Teile der 2. Armee unmittelbar hinter dem rechten Flügel der 10. Armee um Molodeczno auszuladen und schlie߬ lich jene ganze Armee unter Zuteilung zur Westfront dort einzusehen. Die Nachricht vom bevorstehenden Auftreten dieser neuen russischen Kräfte ver¬ anlaßte am 14.September aus deutscher Seite den Eingriff des Ober¬ befehlshabers Ost. Ob die tatsächliche Gefahr dabei nicht überschätzt worden ist, steht dahin; die Erinnerung an die ernsten Tage von Vrzeziny hat hem¬ mend mitgewirkt. Aber auch der nunmehr erstrebte taktische Sieg bei Wilna ist nicht in dem Ausmaße erreicht worden, wie er erhofft wurde und der Stoßrichtung nach auch wohl erhofft werden durfte. Der Hauptgrund ist darin zu suchen, daß die Angriffskraft der deutschen Truppen der gegnerischen Ab¬ wehrwirkung nicht mehr in ausreichendem Maße überlegen war. Vor allem waren die Kräfte des Südflügels der 10. Armee sowie die der 12. und 8. Armee durch vorhergegangene Kämpfe, Verluste, Nachschubschwierigkeiten und Ab¬ gaben ganzer Verbände nach und nach derartig geschwächt, daß diese Teile der deutschen Front gar nicht mehr in der Lage waren, ernsteren Wider¬ stand des Gegners zu brechen. Die Russen mußten zwar allmählich von Stel- i) Mitteilung vom Sommer 1931 an das Reichsarchiv.