Wechsel in der Obersten Heeresleitung. 453 Der Gesamtverlauf der russischen Operationen bis Anfang September war ein hartnäckiges Ringen um jeden Fußbreit Voden und Schuh der „Räumung" von Gebietsteilen, die schließlich doch aufgegeben werden mußten; nichts sollte dem Feinde in die Hände fallen- was ihm für die Kriegführung irgendwie dienen konnte. Vom ausschließlich militärischen Gesichtspunkte können gegen solche Art Kriegführung Bedenken geltend gemacht werden, denn sie verbrauchte die Kräfte des Heeres in reiner Abwehr, obgleich der Raum zum Aus¬ weichen vorhanden war. Bei rechtzeitiger Zurücknahme der Front konnte das russische Heer entscheidendem Zugriff der Mittelmächte so gut wie ganz entzogen werden. Auch eine große deutsche Operation nördlich des Njemen wäre bei frühzeitigem Aufbau eines starken russischen rechten Flü¬ gels wahrscheinlich bald zum Stehen gekommen, da sie durch schlechtere rück¬ wärtige Verbindungen allzusehr in Nachteil geraten mußte. Sie hätte damit zu rein frontalem Abringen im Stellungskriege geführt, wobei das russische Heer als vollgültiger Machtfaktor in starker Abwehrstellung und bedrohlicher Nähe der Grenzen Deutschlands erhalten geblieben wäre, bereit, zu gegebener Zeit wieder zur großen Offensive vorzubrechen. Das könnte jeden Teilerfolg ausgeglichen haben, den die Mittelmächte inzwischen auf anderen Kriegsschauplätzen zu erringen imstande gewesen wären. Für die Entscheidung der grundlegenden Frage, wie der Krieg im großen zu führen sei, waren aber — wie schon eingangs erwähnt — nicht militärische Gesichtspunkte allein maßgebend, sondern neben Rücksichten auf Wünsche der Westmächte letzten Endes außen- und innenpolitische Verhält¬ nisse und damit der Zar und seine Regierung. Cs läßt sich auch nicht ver¬ kennen, daß das angewandte Verfahren den ganzen Sommer über sehr starke deutsche Kräfte gebunden hat, die bei raschem Rückzüge in die Njemen—Bug-Linie für andere Kriegsschauplätze freigeworden wären. Im übrigen hat die russische Heerführung die viele Hunderte von Kilometern um¬ fassenden Rückzugsbewegungen mit Geschick durchgeführt, und zwar plan¬ mäßig in der von ihr selbst bewußt gewählten Richtung mit der Masse durch den beengten Raum zwischen Osowiec und den Nokitno-Sümpfen. Versagt hat die Widerstandskraft der Truppe aber doch nur deshalb, weil es ihr allzusehr an Offizieren, ausgebildetem Ersatz, Waffen und Munition man¬ gelte und damit schließlich auch die Moral litt. Es ist bemerkenswert, daß die Geschützverluste an die Mittelmächte, abgesehen von dem in den Festungen, vor allem in Przemysl, Nowogeorgiewsk und Konnte ange¬ häuften unbespannten, vielfach auch unbeweglichen und veralteten Gerät, von Mitte Mai bis Ende August insgesamt die Zahl von vielleicht