Rückzugserwägungen. Fall von Lemberg. 443 Lemberg zu befehlen. Nach den ungeheuren Verlusten, die vor allem diese Front gehabt hatte, wurde der Gesamtfehlbestand jetzt schon auf 500 000 Mann beziffert. Der Gewehrmangel nahm zu; in den Kolonnen der Süd- westfront fehlten bis zu 60 vom Hundert am Sollbestande der Munition. Am 17. Juni wurde in einer Besprechung mit den Oberbefehls- tr.s«»*. hadern der Heeresgruppen in Cholm Abwehr als Aufgabe für die nächste Zukunft festgelegt, um die Schlagkraft des Heeres wiederherzustellen und später, wieder zum Angriff überzugehen. Die Nordwestfront habe den mittleren Njemen, den Vobr, den Narew und die Weichsel bis Iwangorod einschließlich als Hauptverteidigungsstellung anzusehen. Vorwärts dieser Linie dürfe die Front, wenn nötig, verkürzt werden, doch sei Warschau „bis zum äußersten" zu halten. Die Südwestfront, deren rechter Flü¬ gel (3. Armee) noch vorwärts des unteren San stand, könne angesichts des scharfen deutschen Druckes in der Richtung auf Lemberg bis Lublin— Cholm und südlich davon bis an die Reichsgrenze ausweichen, solle dabei aber dem Gegner unter Ausnutzung jedes sich bietenden Geländeabschnittes Aufenthalt bereiten. Am diese Front zu stärken, griff man zu äußersten Mitteln; ihrer Infanterie sollten sofort aus jedem Kavallerie-Regiment des gesamten Heeres 30 zu Unteroffizieren geeignete Mannschaften „mit Gewehren", 100 000 Ersatzmannschaften „mit Gewehren" und der gesamte noch verfügbare Gewehrbestand von 40 000 Stück überwiesen werden. Weitere 150 000 Gewehre hoffte man in den nächsten Monaten durch Ausstattung der Crsatz-Vataillone mit japanischen Waffen freizumachen; die Fabriken leisteten etwa 45 000 Stück monatlich. Alle Infanterie-Regi¬ menter sollten nach Bedarf von vier auf drei Bataillone herabgesetzt werden. Auf Grund der Cholmer Besprechung befahl die O b e r st e H e e r e s - is.J««k. leitung am 19. Juni, den rechten Flügel der 3. Armee auf das rechte San-Afer zurückzunehmen und den Anschluß an die 4. Armee der Nord- westfront künftig an der Weichsel bei Zawichost zu halten. Als sich dann die 8. Armee in der folgenden Nacht genötigt sah, auf Lemberg selbst aus¬ zuweichen, wurde „gründlichste Räumung" der galizischen Hauptstadt und des ganzen noch besetzten Teiles von Galizien angeordnet. Der Verlust Lembergs am 22. Juni war für Rußlands Ansehen ein besonders schwer empfundener Schlag. Die Lage hatte sich so zugespitzt, daß große Ent¬ scheidungen getroffen werden mußten. Im Innern des Reiches zeigte sich Unzufriedenheit, die in Moskau zu Stratzenunruhen geführt hatte. „Von allen Seiten schreit man", schrieb der Generalstabschef an den Kriegs¬ ministers, „und schreckt uns mit der Hydra der Revolution. Das hat uns !) Briefwechsel Suchomlinow/Ianuschkewitsch, 22. und 23. Juni 1915.