10 Die Lage der Mittelmächte im Mai 1915. bische Grenze nicht in Frage. Bei der Aussprache ergab sich ferner, daß General vonFalkenhayndie Lage auf diesen beiden Kriegsschauplätzen sehr viel günstiger beurteilte als die ö.-u. Heeresleitung. Er glaubte an keine Offensive der Serben und schätzte die Offensivkraft der Italiener gering ein; deren Eintreffen in der Linie Marburg—Agram erwartete er — wie erwähnt — wesentlich später als General von Conrad. Da vorerst mit weiteren Verstärkungen nicht zu rechnen war, hielt er den Einsah der vom Balkan im Antransport befindlichen fünf ö.-u. Divisionen in vorder- st er Linie an der Grenze für dringend geboten, um in reiner Abwehr die Italiener am Isonzo aufzuhalten. Cs gelang ihm, General von Conrad trotz dessen nachdrücklicher Einwände und Bedenken für diesen Plan zu gewinnen. Das langsame Fortschreiten der Angriffs¬ operation in Galizien mochte auch den österreichisch-ungarischen General¬ stabschef überzeugt haben, daß mit einem baldigen Freiwerden der dortigen Kräfte für einen Schlag gegen Italien nicht mehr zu rechnen sei. In diesem Sinne erging am 22. Mai folgendes Fernschreiben nach Pleß: „Der momentan verringerten Truppenstärke gegen Italien ent¬ sprechend habe ich nach eingehender Erwägung aller Verhältnisse be¬ schloßen, gegen Italien vorläufig ein verteidigungsweises Verfahren zu beobachten und hierzu die Versammlung des vom Balkan-Kriegsschauplatz heranbefohlenen Gros der 5. Armee sowie der nach Kärnten anrollenden Kräfte möglichst weit vorwärts, also die ersten Ausladungen an den Isonzo und nach Villach zu verlegen." Nach mehrtägigem Widerstreit der Meinungen war somit in letzter Stunde, am 21. Mai, die Grundlage für das Verhalten in den kommenden Kämpfen mit Italien geschaffen, gleichzeitig aber auch Klarheit gewonnen worden über die Frage der Weiterführung des Mehrftontenkrieges: Fort¬ setzung der Offensive der Verbündeten an der gali- zischen Front, Defensive auf allen übrigen Kriegs¬ schauplätzen. Am 23. Mai, um 315 nachmittags, erklärte Italien an Österreich-Ungarn den Krieg, nicht aber an Deutschland. Die deutsche Reichsleitung beschränkte sich auf den Abbruch der diplomatischen Beziehungen; indessen konnte die italienische Regierung nicht im Zweifel darüber sein, daß Italien bei seinem Einbruch in die Donau-Monarchie auch auf reichsdeutsche Truppen stoßen würde. Hatte doch bereits Mitte Januar 1915 Fürst Vülow dem italienischen Minister des Äußeren, Baron Son- nino, mitgeteilt, daß im Falle eines Krieges zwischen Italien und Österreich-