4 Die Lage der Mittelmächte im Mai 1915. kommen gegenüber Italien zu veranlassen. Jetzt hatte sich die Lage ge¬ ändert. An der Ostfront konnte man hoffen, dank der großen Erfolge der galizischen Operation binnen kurzem Kräfte verfügbar zu machen; die Wiener Regierung war in ihren Zugeständnisien tatsächlich bis an die Grenze des Möglichen gegangen, vielleicht sogar schon darüber hinaus. So erklärte es sich, daß General von Falkenhayn bei der Besprechung in Teschen zur Entsendung deutscher Kräfte an die italienische Grenze gegebenenfalls bereit war; ihr Maß müsse allerdings von der allgemeinen Lage beim Ein¬ tritt Italiens in den Krieg abhängig gemacht werden. Über das politische Ergebnis dieser Aussprache drahtete Reichskanzler 8. bis m. Mai. von Vethmann Hollweg am 8. Mai dem Fürsten Bülow nach Rom, daß das Wiener Kabinett bereit sei, „letzten Endes alles zu bewilligen". Zudem veranlaßten Äußerungen des bisher dreibundfreundlichen, früheren italienischen Ministerpräsidenten Giolitti über den Ernst der Lage schließlich den österreichisch-ungarischen und den außerordentlichen deutschen Botschafter in Rom, ohne zwar das Einverständnis Wiens abzuwarten, dem italienischen Minister des Auswärtigen am 10. Mai noch weiter- gehende österreichische Zugeständnisse1) bekanntzugeben. Sie umfaßten Abtretung a l l e r von Italienern bewohnten Gebiete in Tirol und auf dem westlichen Isonzo-User mit Gradiska, ferner für Triest Erklärung zur „Kaiser¬ lich freien Stadt" und zum Freihafen sowie Errichtung einer italienischen Universität,endlich völliges Desinteresiement Österreich-Ungarns in Albanien. Deutschland erklärte sich der italienischen Regierung gegenüber bereit, für die loyale Ausführung dieser Anerbietungen die Bürgschaft zu übernehmen. Obwohl diese Zugeständnisse nicht unerheblich über die bisher gemachten hinausgingen, ja selbst über das, was Italien noch vor wenigen Monaten selbst angestrebt hatte, erteilte der österreichisch-ungarische Außenminister, Baron V u r i a n, doch nachttäglich seine Zustimmungzu ihrer Bekannt¬ gabe in Rom. Die Frage war lediglich, ob die Anerbietungen nicht zu spät kamen, und die italienische Regierung sich dem Dreiverbände gegenüber nicht schon zu weit verpflichtet hatte. Dann hing alles von der innerpolitischen Entwicklung in Italien ab, die sich noch in letzter Stunde für die Mittel¬ mächte günstig zu gestalten schien; denn am 13. Mai hatte Minister¬ präsident Salandra infolge starker Widerstände, die sich im italienischen Parlament gegen die Kriegspolitik richteten, sein Rückttittsgesuch ein¬ gereicht. Als jedoch am Nachmittage des 16. Mai bekannt wurde, daß der König den Rücktritt Salandras nicht angenommen habe, war es klar, daß die Entscheidung für den Krieg gefallen war. i) S. 3 Anmerk. 1.