36 Der Krieg im Osten. 28. Oktober. Würde man die Ausgabe allein aus eigener Kraft leisten müssen. Dann war eine völlige Verschiebung des Schwerpunktes nach Norden nötig. Ob sie angesichts des nahen und übermächtigen Gegners möglich sein werde, war zunächst noch völlig unsicher. Immerhin wurde schon seit dem 28. Oktober alles vorbereitet, um gegebenenfalls sofort zwei Korps zugleich mit der Bahn abbefördern zu können. Bei einer Besprechung, die an diesem Tage in Petrikau mit General v. Mackensen stattfand, entwickelte ihm Generaloberst v. Hindenburg „kurz seine Gedanken über die Lage und die Möglichkeit der Wiederaufnahme der Offensive. Cr fand eine solche Möglichkeit in der Verschiebung der Masse der 9. Armee nach Norden (Gnefen—Thorn) und eines darauf folgenden überraschenden Stoßes in die rechte Flanke der im westlichen Vormarsch begriffenen russischen Hauptmacht'"). Als General 30. Oktober. Ludendorff am 30. Oktober zur Besprechung mit General v. Falkenhayn in Berlin weilte^), war aber noch alles in der Schwebe. In Berlin erfuhr General Ludendorff, wie man die Gesamtlage im Osten bei der österreichisch-ungarischen Heeresleitung jetzt ansah. Wie General v. Conrad schriftlich niedergelegt hatte, rech- nete er damit, daß rechts der oberen Weichsel 261/2 russische Divi¬ sionen (— 424 Bataillone) gegen 28 österreichisch-ungarische Divisionen (= 364 Bataillone) ständen, und vertraute darauf, daß sich diese trotz ihrer geringeren Gesamtstärke halten würden; angreifen oder Kräfte an andere Fronten abgeben könnten sie aber nicht. Links der Weichsel seien 40 bis 42 russische Divisionen (640 bis 672 Bataillone) im Vordringen gegen 241/ss verbündete Divisionen (= 300 Bataillone). „Der Feind drückt daher hier mit weit mehr als doppelter Überlegenheit, welche er schließlich wohl zur Geltung bringen wird." Sobald sich die verbündeten Kräfte an und West- lich der San-Mündung nicht mehr halten könnten, müsse aber auch der rechte Flügel des österreichisch-ungarischen Heeres zurückgenommen, die eben erst befreite Festung Pschemysl wieder sich selbst überlassen werden. Dabei würden dann die 2. Armee in die Karpaten, die 3. und 4. zwischen diesen und der oberen Weichsel nach Westen zunächst bis zum Dunajez, später bis in Höhe von Krakau zurückweichen müssen, während die 1. Armee links daneben in Fühlung mit der deutschen 9. Armee bliebe. „Unter diesen Um- ständen erschien nun ein ehestes Eingreifen namhafter Kräfte links der deut- fchen 9. Armee von entscheidender Bedeutung, und zwar derart angesetzt, daß der russische Vormarsch in seiner rechten Flanke getroffen werde, etwa aus der Linie Kreuzburg—Kalisch—Konin. Welche Kräfte der 8. Armee etwa über Thorn zur Mitwirkung gleichfalls herangezogen werden könnten, ') Mitteilung des Generalfeldmarschalls v. Mackensen an das Reichsarchiv am 8. Januar 1929. — 2) Band V, S. 555 ff.