554 Eine Krise des Zweifrontenkrieges. Mitte September hatte Rußland, wie inzwischen in Verlin bekanntgeworden war, ein Bündnisangebot nach Bukarest gerichtet, das hier die immer schon bestehende Neigung, auf die Seite der Feinde der Mittelmächte zu treten, in gefährlicher Weise verstärkte. Erst die Drohung der Türkei und Bulga¬ riens mit einem bewaffneten Vorgehen gegen Rumänien, falls dieses gegen österreich-Angarn in den Krieg eintreten werde, hatte die leitenden Staatsmänner in Bukarest zur Zurückhaltung veranlaßt. Mit König Karl I. war am 10. Oktober ein treuer Freund der Mittelmächte dahingegangen; daß sein Nachfolger, König Ferdinand, sich für die Fortführung der Politik seines Vorgängers erklärte, wirkte zunächst beruhigend. Während die Verhandlungen mit Bulgarien über dessen Eintritt in den Krieg auf feiten der Mittelmächte seit Anfang Oktober völlig ins Stocken geraten waren, schienen die Bemühungen in Konstantinopel erfolgreicher zu sein. Seit dem Tage der Neutralitätserklärung am 3. August hatte sich hier viele Wochen hindurch ein zähes Ringen zwischen der „Neutralität- Partei" unter dem Großvezir Said Halim Pascha und der „Kriegspartei" unter dem Kriegsminister Cnver Pascha abgespielt. Von großem Ein- fluß auf die Entwicklung der Dinge in der Türkei war hierbei sowohl die Anwesenheit der deutschen Militärmission unter Marschall Liman v. Sanders als auch das am 10. August erfolgte Einlaufen der deutschen Mittelmeer-Division in die Dardanellen gewesen, und zwar des Großen Kreuzers „Goeben" und des Kleinen Kreuzers „Breslau" unter Vize- admiral Souchon. Dieser hatte nach Verkauf der deutschen Schiffe an die türkische Regierung auf beiden Kreuzern die osmanischen Hoheitszeichen an- bringen lassen und war zum Befehlshaber der schwimmenden türkischen See- streitkräfte ernannt worden. Von Anfang Oktober an begann die Kriegs- Partei sich in Konstantinopel immer mehr durchzusetzen. Ein sichtbarer Erfolg der deutschen oder österreichisch-ungarischen Waffen konnte jetzt den Anstoß zum Losschlagen der Türkei geben, dem sich dann vielleicht auch Bulgarien anschließen würde. Diese Aussicht hatte General v. Falken- Hayn in dem Entschluß bestärkt, durch eine neue gewaltige Kraftanstrengung im Westen endlich die hier so lange hinausgezögerte Entscheidung zu er- zwingen, um dann die große Transportbewegung nach dem östlichen Kriegs- schauplatz durchzuführen. Indessen hatte die Hoffnung, durch den Einsatz der neugebildeten 4. Armee i m W e st e n einen schnellen Umschwung der Lage herbeizuführen, sich nicht erfüllt. Und doch ließ sich General v. Falkenhayn angesichts der großen Erschöpfung der Gegner nicht den Glauben nehmen, daß er mit der in Flandern geplanten neuen Operation einen großen, kriegsentscheidenden Erfolg erringen werde.