IV. Eine Arise des Zweifrontenkrieges. Am die Monatswende Oktober/November 1914 war eine ernste Krise in der Führung des Zweifrontenkrieges eingetreten. Die Entwicklung der Ereignisse auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen stellte den Leiter der deutschen Operationen mit zwingender Gewalt aufs neue vor die Ent- scheidung der Frage, auf welchen Kriegsschauplatz der Schwerpunkt der Kriegshandlungen zu legen sei. Im Westen hatten diese seit Mitte September einen keineswegs befrie- digenden Verlauf genommen. Wenn General v. Falkenhayn anfangs ge- hofft hatte, in wenigen Wochen durch den Einsatz der vom linken Heeres- flügel im Antransport befindlichen 6. Armee einen Umschwung der Lage auf dem westlichen Kriegsschauplatz herbeiführen zu können, so mußte ihn das Ergebnis dieser Operationen enttäuschen. Auf dem nördlichen Heeresflügel hatte das Bestreben der Führung hüben und drüben, durch Umfassung der äußeren Flanke des Gegners die Entscheidung herbeizuführen, in der ersten Oktoberwoche lediglich zu einem Kräftegleichgewicht geführt. Den erhofften Umschwung der Lage hatten die ersten drei Wochen Falkenhaynscher Füh- rung nicht herbeizuführen vermocht; vor allem war es nicht gelungen, dem Gegner die operative Handlungsfreiheit zu entreißen. Dieser Fehlschlag war die Veranlassung zu dem schwerwiegenden Cnt- schluß des Generals v. Falkenhayn, die letzte Reserve der Obersten Heeres- leitung, die neuaufgestellten Freiwilligenkorps mit Ausnahme des zum Schutze Ostpreußens der 8. Armee zugeteilten XXV. Reservekorps^) im Westen einzusetzen, um hier durch eine letzte große Kraftanstrengung einen Umschwung der Lage zu erstreben. Erleichtert wurde ihm dieser Entschluß dadurch, daß die Operationen im Osten bisher nach Wunsch verlaufen waren. Durch den Einsatz der neugebildeten 9. Armee in Südpolen^) war es gelungen, die russischen Hauptkräfte von dem hart bedrängten österreichisch- ungarischen Heere abzuziehen. Die Lage im Osten schien also vorläufig gesichert und ließ eine baldige Unterstützung durch Verstärkungen aus dem Westen nicht nötig erscheinen. Auch die Lage auf dem Balkan war zu diesem Zeitpunkt nicht bedrohlich. Zwar hatte — wie bereits erwähnt3) — der wenig glückliche Verlauf der Operationen an der Marne, bei Lemberg und in Serbien einen ungünstigen Einfluß auf die Haltung der Valkanstaaten ausgeübt; namentlich die Stellungnahme Rumäniens wurde seit jenen Tagen immer zweifelhafter. ') S. 275. — -) S. 411. — s) S. 14.