236 Die Operationen in Frankreich und Belgien. Winston Churchill als Regierungsvertreter persönlich nach Antwerpen ent- sandt wurde, um an Ort und Stelle zu prüfen, ob und wie ein längerer Widerstand der Festung zu erreichen fei — wenigstens so lange, bis der geplante Entlastungsstoß einer französisch-englischen Armee von Ostende her wirksam würde. König Albert wurde gebeten, seine Entscheidung bis zur Ankunft Churchills hinauszuschieben. Noch im Laufe des 3. Oktober trafen aus der Gegend von Lille die englische Marine-Brigade^), in der Stärke von 2200 Mann, und der Marineminister Churchill in Antwerpen ein. Dieser brachte die Zusicherung mit, daß am 6. Oktober zwei weitere Marine-Brigaden in Stärke von 7000 Mann in der Festung eintreffen würden. Dafür versprachen die Vel- gier, Antwerpen auch nach dem Verlust der Nethe-Stellung so lange als möglich zu Haltens. Das Ergebnis der Besprechungen Churchills mit dem Ministerpräsi- denten und dem König sicherte dem Vertreter des britischen Kabinetts zunächst einen Zeitgewinn. Innerhalb von drei Tagen sollten die Regie- rungen Englands und Frankreichs genaue Angaben über Zahl und Cm- treffen der in Aussicht stehenden Verstärkungen machen; so lange würde Ant- werpen verteidigt werden. Nach Ablauf dieser Frist erhielt die belgische Regierung volle Handlungsfreiheit. Auf jeden Fall würde England nach Gent sowie auch nach anderen Orten Truppen zur Aufnahme des belgischen Feldheeres entsenden; außerdem wurden englischerseits schwere Geschütze zur Unterstützung der Verteidigung Antwerpens versprochen. Schon am nächsten Tage telegraphierte die britische Regierung, daß am 6. und 7. Oktober die 7. Infanterie- und die 3. Kavallerie-Division in Stärke von 22 000 Mann und 75Geschützen in Zeebrugge landen, und daß außerdem eine französische Territorial-Division und eine Marine-Vrigade in Gesamtstärke von 23 000 Mann zwischen dem 6. und 9. Oktober in Ostende eintreffen würden'). Die Aussicht auf diese recht bedeutenden Unterstützungen, die in den nächsten Tagen verfügbar werden sollten, stärkte die moralische Widerstandskraft des zermürbten Verteidigers. z. Oktober. Diese Wirkung sollten die Angreifer in den schweren Kämpfen der nächsten Tage empfindlich wahrnehmen. In Erwartung einer baldigen Unterstützung der Belgier durch ihre Verbündeten glaubte General v. Beseler, mit äußerster Kraft und ohne Zeitverlust an die Bezwingung des Nethe-Abschnittes herangehen zu müssen. Auf die Nachricht, daß die *) Aktive Marine-Infanterie. — 2) Englisches amtliches Kriegswerk, Bd. II, S. 40/41. — La Belgique, S. 161. — 3) La Belgique, S. 163.