Charakteristik des Generals v. Falkenhayn. 9 Schulung des Generalstabes so bedeutungsvoll gewesen war, hatte er sich in militärischer Verwendung in China und Kiautschou befunden. Er konnte also ebensowenig als Vertreter der in strenger Schule strategisch durch- gebildeten höheren Generalstabsoffiziere gelten wie sein Vorgänger, General- oberst v. Moltke. General v. Falkenhayn hat diesen Mangel wohl gelegent- lich auch selbst empfunden und sich als „Autodidakt"^) bezeichnet. Dafür hatte sich durch den langjährigen Aufenthalt im Auslande sein Gesichtskreis dank seiner zweifellosen staatsmännischen Begabung nach den verschiedensten Richtungen, vor allem aber in politischer Hinsicht geweitet; auch war er in der Lage gewesen, sich größere Weltgewandtheit anzueignen. Inwieweit er trotz fehlender operativer Schulung über Eigenschaften verfügte, die diesen Mangel ausglichen, inwieweit insbesondere innere Wesenswerte wie Kraft, Schwung und Festigkeit des Wollens und vor allem Wagemut, der vor keinem Einsatz zurückschreckte, ihn zu der verantwortungsreichsten und schwierigsten Stellung befähigten, konnten erst seine Taten zeigen. An- zweifelhaft gehörte er in seiner jugendlichen Frische, seiner großen körper- lichen und geistigen Beweglichkeit und der sicheren Gewandtheit seines Wesens bei Kriegsausbruch zu den hervortretenden Erscheinungen des deutschen Heeres. General v. Falkenhayn war eine leidenschaftliche und ehrgeizige Natur, nicht ohne inneres Feuer, doch nach außen jederzeit beherrscht und verschlossen, fremder Beeinflussung nicht unzugänglich, ftei von Menschenfurcht, unerschöpflich an Arbeitsleistung, mit stählernen Nerven, von großer persönlicher Einfachheit und Bedürfnislosigkeit. Wenn das Urteil über den neuen Leiter der Operationen vielfach sehr zurückhaltend lautete, so lag dies vielleicht an seiner Verschlossenheit, die den Eindruck der Undurchsichtigkeit erwecken konnte, und an seiner ganzen Art, sich nach außen zu geben. Seine letzten Pläne und Absichten blieben selbst seiner vertrautesten Umgebung oft verborgen. Gegenüber den älteren Armee- und Korpsführern fehlte es ihm namentlich zu Anfang naturgemäß an Autorität, die in solcher Stellung bei seiner Jugend nur das Ergebnis großer kriege- rischer Erfolge sein konnte. So heißen Herzens und leidenschaftlichen Sinnes General v. Falkenhayn daher wohl solche Erfolge erstreben mochte, so wurde ihm doch das Wagnis großer Würfe erschwert durch seine nüchtern und vorsichtig wägende Art. Nur zu leicht war er geneigt, sich mit kleineren, aber sicher scheinenden Erfolgen zu begnügen. Die Frische und Verantwortungssreudigkeit, mit der General v. Falken- Hayn trotz der schwierigen Lage auf beiden Kriegsschauplätzen sein neues H. v, Zwehl: „Crich v, Falkenhayn", S. 7.