I. Die Frage des Schwerpunktes der Stiege führung im Januar J9JS. Karte 1. Auf keinem der Kriegsschauplätze, weder im Westen noch im Osten, war während der Sommer- und Herbstfeldzüge des Jahres 1914 eine Ent¬ scheidung gefallen. Die ersten Kriegspläne sowohl der Mittelmächte wie ihrer Gegner waren gescheitert. Auf allen Fronten war ein Kräfteausgleich eingetreten, die Operationen waren zum Stillstände gekommen. Wenngleich es den deutschen Heeren gelungen war, bis auf kleine Gebietsteile im süd¬ lichen Elsaß und in Ostpreußen den deutschen Boden vom Feinde zu be¬ freien, den Krieg sogar weit in dessen Gebiete zu tragen und wirtschaftlich wertvolle Landstrecken in Besitz zu nehmen, so stand diesem Vorteil doch der sich immer enger um die Mittelmächte schließende Ring der Blockade als überaus ernste Gefahr gegenüber. Die Türkei war zwar auf seiten der Mittelmächte in den Krieg eingetreten, die Frage der Herstellung gesicherter Verbindung mit dem neuen Verbündeten harrte indes immer noch der Lösung, Serbien war nicht niedergeworfen, Bulgarien den Mittelmächten nicht gewonnen und Rumänien nicht geneigt, die für die Türkei bestimmten Munitionstransporte durchzulassen. Angesichts dieser Lage konnte das Verhalten der Neutralen von ent¬ scheidender Bedeutung werden. Der dem Kaiser der Osmanen als deutscher General zugeteilte Generalfeldmarschall Freiherr v. der Goltz hatte bereits in einem Schreiben vom 14. Dezember 1914 an den Chef des Generäl¬ stabes des Feldheeres betontH, daß die Entscheidung nunmehr „zum großen Teil bei den kleinen Balkanmächten liegen" werde. Sie könnten durch den Einsatz ihrer immerhin nicht unbedeutenden Streitkräfte das Übergewicht auf die eine oder andere Seite bringen. Das hatten die Staatsmänner nicht nur der Mittelmächte, sondern auch der Entente klar erkannt. So war das Ringen aller kriegführenden Mächte um die Balkanstaaten nur zu verständlich. Bei einem Erfolge der Entente drohte der Zusammenbruch Österreich-Ungarns. Auf die Entschließungen der Balkanmächte war indes nicht nur die Kriegslage von Einfluß, sondern auch die immer zweifelhafter werdende Haltung Italiens. Immer dringlicher trat dieses mit seinen auf erhebliche Gebietserweiterung hinzielenden 'Ansprüchen an Österreich- Ungarns heran. 9 Band VI, <5. 417/18. — 2) Band VI, 6. 412. t Weltkrieg. VII. Band. 1