— 6 — eine wohlwollend neutrale Haltung seine Alliierten in dem ungeheueren Kampfe unterstützen werde.*) Die tatsächliche Entwicklung der Ereignisse hat diese Annahmen zunächst gerechtfertigt und nichts ließ in den Anfangsstadien des Weltkrieges vermuten, welch ungeheuer¬ lichen Treubruches und Verrates Italien sich späterhin schuldig machen würde. In dieser ersten Periode, die mit der Überreichung unserer Note in Belgrad beginnt und bis in den Winter hinein sich erstreckt, war das Verhalten Italiens von drei leitenden Gesichtspunkten bestimmt: von dem Entschlüsse, bis auf weiteres nicht aus der Neutralität herauszutreten, jedoch sofort mit aller Intensität auf einen hohen Grad militärischer Bereitschaft hinzuwirken; von dem Streben, seine neutrale Anhang Nr. 3 Haltung an der Hand des Vertragstextes zu motivieren und die Bundesgenossen durch freundschaftliche Erklärungen zu be¬ ruhigen; endlich von der Absicht, für alle Fälle von Österreich- Ungarn mittels einer gewaltsamen Interpretation des Artikels VII des Dreibundvertrages die Zusicherung zu erlangen, daß im Falle irgendwelcher Errungenschaften der Monarchie in Serbien oder Montenegro Italien der Anspruch auf gleichwertige Kom¬ pensationen zustehe. Dementsprechend hat denn auch der italienische Minister¬ rat, nachdem schon vorher mündliche Äußerungen Marquis di San Giulianos darauf vorbereitet hatten, am 1. August v. J. den Beschluß gefaßt, daß Italien neutral bleiben werde. Als Gründe hierfür wurden angegeben, daß das Vorgehen der Monarchie gegen Serbien einen agressiven Akt gegen Rußland darstelle, weshalb der Bündnisfall für Italien im Sinne des *) Verpflichtete doch der Artikel IV des Dreibund vertrag es sogar für den Fall einer aus defensiven Gründen von einem der Verbündeten er¬ griffenen kriegerischen Initiative die anderen zu wohlwollender Neutralität. Artikel IV lautet in Übersetzung: „Falls eine Großmacht, die den gegen¬ wärtigen Vertrag nicht unterzeichnet hat, die staatliche Sicherheit eines der hohen Vertragschließenden bedrohen würde, und der Bedrohte dadurch gezwungen wäre, ihr den Krieg zu erklären, so verpflichten sich die beiden anderen, ihrem Verbündeten gegenüber eine wohlwollende Neutralität zu beobachten. Ein jeder behält sich in diesem Falle vor, an dem Kriege teilzunehmen, wenn er es für angezeigt erachtet, um mit seinem Verbün¬ deten gemeinsame Sache zu machen.