Der Meteorsteinfall von
Prambachkirchen
(Oberösterreich)
am 5. November 1932
J. Schadler und J. Rosenhagen,
Sonderabdruck
aus dem Jahrbuehe des Oberösterr. Musealvereines,
86. Band.
Linz 1935,
Druck der Hofbuchdruckerei Jos. Feichtingers Erben, Linz a. d. Donau, 35 1656
Der Meteorsteinfall von
Prambachkirchen
»
(Oberösterreich)
am 5. November 1932.
Von
F. Schadler und J. Rosenhagen.
Sonderabdruck
aus dem Jahrbuche des Oberösterr. Musealvereines,
86. Band.
Linz 1935.
Druck der Hofbuchdruckerei Jos. Feichtingers Erben, Linz a. d. Donau. 35 1656
OÖLB LINZ
13
Inhalt.
Seite
I. Auffindung des Meteorsteins und Maß-
nahmen zur wissenschaftlichen Unter-
suchung. (Josef Schadler)...........102
II. Der Meteorstein. (Josef Schadler).......108
1. Äußere Gestalt..............108
2. Innere Beschaffenheit...........118
III. Bahn und Fallerscheinungen. (Justus Rosen-
hagen) ...................126
1. Das Beobachtungsmaterial..........126
2. Die Bahn des Meteoriten in der Atmosphäre . . . 142
3. Die kosmische Bahn...............150
4. Die physikalischen Begleiterscheinungen .... 152
Wiederkehrende Fachaiisdrücke.
Azimut = Himmelsrichtung; Einteilung in Grade, die von N über 0, S, W gezählt
werden.
Chondren — kugelige Zusammenfügungen von faserigen bis körnigen Mineral-
teilchen in den Meteorsteinen.
Flugnormalebene = Ebene, die auf der Flugrichtung des Meteoriten senkrecht
steht.
Grenzsaum oder Grenzlinie (auch Rindensaum) = Grenze zwischen Vorder- und
Rückseite eines orientierten Meteoriten.
Hauptquerschnitt = durch den Grenzsaum gelegte Normalprojektion des Me-
teoriten auf die Flugnormalebene.
Hemmungspunkt — Punkt der Meteorbahn, an dem die Geschwindigkeit des Me-
teoriten bis zur Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schalles in der vor der
Frontseite befindlichen, stark komprimierten und auf mehrere tausend Grad
erhitzten Luftverdichtung verzögert ist
Kopfwelle = bei Uberschallgeschwindigkeit entstehende, von der Vorderseite des
Meteoriten ausgehende Gasverdichtung.
Meridianebene = die durch den Erdmittelpunkt und den geradlinigen Teil der
Meteorbahn gehende Ebene.
Das Meteor = Lichterscheinung im Luftraum und astronomische Bezeichnung für
die im Weltenraum sich bewegenden kleinsten Körper.
Der Meteorit = fester Körper, der aus dem Weltenraum auf die Erde gefallen ist.
Orientierter Meteorit = Meteorit, der auf seiner atmosphärischen Bahn seine Lage
zur Flugrichtung beibehalten hat, bei dem daher Vorder- (oder Frontseite)
und Rückseite scharf ausgeprägt sind.
Piëzoglypten (auch Erosionsvertiefungen) = Vertiefungen auf der Oberfläche der
Meteorite, entstanden während der Durchdringung der Luft.
Radiationspunkt (auch Radiant) == Punkt am Himmel, von dem das Meteor zu
kommen scheint.
Teilungspunkt = Punkt der Meteorbahn, an dem sich ein Stück vom Meteoriten
ablöst.
I. Auffindung des Meteorsteins und Maß-
nahmen zur wissenschaftlichen Untersuchung.
Fährt man von Linz an der Donau in westlicher Richtung auf
der Bundesstraße nach Schärding—Passau, so erreicht man bald
außer Eferding bei km 30.6 im sogenannten „Gstocket" einen hüb-
schen Aussichtspunkt. Weit im Süden taucht die Alpenkette auf, im
Vordergrund öffnet sich der Blick in ein freundliches Tal, in dem
von waldigen Hügelreihen umsäumt die Gehöfte von Obergallsbach
liegen.
Dieses zur Gemeinde Prambachkirchen gehörende Gebiet war
am 5. November 1932 Schauplatz eines seltenen Naturereignisses.
Es war einige Minuten vor zehn Uhr abends. Im Tal lag dichter,
herbstlicher Bodennebel. Der landwirtschaftliche Arbeiter Franz
Pittrich ging auf seinem Weg zur Hintermühle eben am Gehöft
Breitwieser entlang (Abb. 1), als es plötzlich um ihn taghell wurde.
Pittrich blieb wie gebannt stehen. Er konnte im Nebel die Quelle
des scheinwerferartigen Lichtes nicht entdecken; die unvermittelte,
durchdringende Helligkeit war ihm unerklärlich. Nach einigen Se-
kunden verschwand die Lichterscheinung. Pittrich setzte nach-
denklich seinen Weg fort, bog um die Ecke des Gehöftes und sprach
mit Josef Breitwieser, der durch das Licht aufgeschreckt ans
Fenster geeilt war, über die seltsame Erscheinung. Kaum hatten
sie die ersten Worte gewechselt, so hörten sie einen Doppelknall
wie von fernen Büchsenschüssen. Sie horchten auf. Einige Worte
hatten sie nur über die neue eigenartige Wahrnehmung gesprochen,
da erhob sich ein ganz ungewöhnlicher Lärm. Ein gurgelndes,
sausendes Geräusch verstärkte sich immer mehr, wie wenn ein
Flugzeug aus nächster Nähe auf sie zukommen würde. Pittrich
duckte sich unwillkürlich neben das Fenster, Breitwieser lief aus
der Stube zur Haustüre — plötzlich, wie begonnen, endete das Ge-
räusch mit einem deutlichen, dumpfen Aufschlag.
Max Baurecker, Besitzer der Hintermühle, hatte mit seiner
Frau, allerdings aus etwas größerer Entfernung, ebenfalls die Er-
scheinungen beobachtet. Er traf Pittrich und Breitwieser noch
vor dem Hause an. Sie besprachen ihr Erlebnis und kamen zur
Ansicht, daß es sich um' einen Meteoritenfall "handeln müsse und der
Meteorit nicht weit von ihnen niedergefallen sei. Noch nachts
machte sich Pittrich mit einer Laterne auf die Suche, so nahe ver-
mutete er die Einfallstelle; allerdings vergebens. Am nächsten Tag
gingen Pittrich, Breitwieser, Anton Doppelbauer und dessen Sohn
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
103
daran, das Gelände planmäßig abzusuchen. Die Lichterscheinung
am Vortage schien zwar von Osten gekommen zu sein, dem Schall
nach glaubten sie aber im Westen suchen zu müssen. Auch be-
richteten ihnen die beiden Beobachter Franz Lehner und Johann
Sallaberger, daß sie das Auffallen des Steines vom Badhaus Dax-
berg aus in nordöstlicher Richtung gehört hätten. Zwischen dem
Badhaus und dem Standort Pittrichs mußte man also suchen. Sie
begannen die Felder westlich der Ortschaft in Schwarmlinie zu
Abb. 1. Die Fundstelle des Meteorsteins.
Der Pfeil zeigt die von den Findern festgestellte Einfallsrichtung an.
durchstreifen; da bemerkte Doppelbauer d. Ä. auf seinem mit Winter-
saat frisch bestelltem Feld (Parz. 233 der Kat. Gem. Daxberg) eine
Vertiefung im Boden, die vom Feldrain aus wie eine „Hasensaß"
aussah. Er trat näher und fand den Meteorit.
Das Stück hatte sich verhältnismäßig wenig tief in den Boden
eingebohrt, der Abstand seiner Oberkante zum Boden betrug nur
23 cm (Abb. 2). Der Einschußkanal war nach Angabe der Finder
schräg mit 60° gegen die Erdoberfläche geneigt und wies auf eine
Einfallsrichtung aus Nord-Nord-West (344°) hin, die von ihnen so-
104
J. Schadler und J. Rosenhagen,
fort durch eingesteckte Zweige festgehalten wurde. Wie sich
später zeigen wird, war diese umsichtige Maßnahme von entschei-
dender Bedeutung für die Erkenntnis der ungewöhnlichen Bahn-
form. Am Erdmaterial wurde keine besondere Beobachtung ge-
macht; die Oberkrume und der darunterliegende Lehm waren ein-
fach zusammengepreßt, an den Rändern locker nachgefallen. Das
Fundstück wurde mit einem Schaufelstich gelockert und heraus-
gehoben. Zufällig verletzte dieser Stich den Stein an seiner Ober-
kante. Dieser Zufall hat sich für die Erklärung der Bahnkrümmung
als sehr wertvoll erwiesen. Der Stein erhielt durch die Verletzung
eine Dauermarke, durch die seine Lage beim Eintreffen auf dem
Verletzung durch
Abb. 2. Einschußkanal und Lage des Meteorsteins im Boden.
In dem bis zu einer Tiefe von 20 cm aus lockerer Oberkrume (1), darunter aus
humosem, dichtem Lehm (2) bestehendem Boden lag der Meteorstein mit der
Vorderseite nach unten.
Erdboden gekennzeichnet und festgehalten ist. Breitwieser be-
stimmte noch am selben Abend das genaue Gewicht und versuchte
durch Wasserverdrängung das Raumgewicht und hieraus den An-
teil an Metall und Steinmaterial im Meteorit zu berechnen, was ihm
auch mit einiger Annäherung gelang. Es sei dies ausdrücklich an-
erkennend vermerkt; es spricht für das Verständnis, das die Finder
dem seltenen Naturereignis entgegenbrachten und bekräftigt die
Zuverlässigkeit ihrer sonstigen Beobachtungen und Mitteilungen.
Pittrich, der nächste Beobachter und Kronzeuge des Prambach-
kirchener Meteoritenfalles, schrieb am folgenden Tag einen Bericht
an Dr. Th. Kerschner in Linz; gleichzeitig erstattete Revier-
inspektor F. Kienast vom Gendarmerieposten in Prambachkirchen
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
105
Meldung an seine vorgesetzten Stellen und an das Landesmuseum in
Linz. So war es möglich, daß Verfasser schon am 8. November an
der Fundstelle das seltene Stück übernehmen und nach Linz bringen
konnte. Der Finder und Besitzer A. Doppelbauer überließ es dem
Landesmuseum in verständnisvoller und entgegenkommender
Weise. Die Mittel zum Ankauf stellte der oberösterreichische Mu-
sealverein bereit.
Die nächste Sorge war, die Beobachtungen der Fallerschei-
nungen sicherzustellen. Durch Aufruf im Rundfunk und in den öster-
reichischen Tageszeitungen wurde um Mitteilung von Beobach-
tungen an das oberösterreichische Landesmuseum ersucht; ferner
wurden im Wege der Landesregierung in Linz Beobachter-Frage-
bögen an sämtliche Gemeindeämter des Landes ausgesandt, an ein-
zelne auch Merkblätter wegen Auffindung von allfälligen Bruch-
stücken. Die Ermittlung und Einvernahme der Beobachter im
engeren Fallgebiet übernahm Revierinspektor Kienast in Prambach-
kirchen. Es gelang seiner eifrigen Tätigkeit, die Wahrnehmungen
von zehn Beobachtern aufzuzeichnen. Im nördlich anschließenden
Gebiet von Stroheim übernahm Oberlehrer H. Feichtinger die Aus-
forschung der Beobachter.
Die Einschußrichtung wies darauf hin, daß der Meteorit aus
nord-nord-westlicher Richtung gekommen sei. Es wurde daher in
Tagesblättern Nordost-Bayerns und Südwest-Böhmens um Mittei-
lung von Beobachtungen ersucht. Nur ganz vereinzelte Berichte
wurden eingesandt. Ein Beobachter in Regensburg meldete, daß
er das Meteor am südlichen Himmel von West nach Ost ganz nahe
dem Horizont fliegen sah. Verfasser wandte sich daher an die
Sternwarte in München. Von dort aus veranlaßte in freundlicher
Weise Dr. F. Burmeister Aufrufe in südbayrischen Zeitungen. Der
Erfolg war überraschend. Zahlreiche Meldungen liefen ein, das
Meteor war bis Stuttgart gesehen worden und — was am auf-
fallendsten war — sogar von München noch in südöstlicher Rich-
tung. Südöstlich von München! Wie stimmte dies mit der nach
Nord-Nord-West weisenden Richtung des Einschußkanals zu-
sammen, die von den Findern beobachtet und einwandfrei festge-
halten worden war? So weit als möglich wurde versucht, durch
briefliche Rückfragen genauere Angaben von den Beobachtern zu
erhalten. Auch wurde im weiteren Umkreis nach möglichst ent-
fernten Beobachtern gesucht. Dr. E. Spengler (Universität Prag)
und Dr. V. Guth (Sternwarte Prag), sowie Dr. F. Angel (Univer-
sität Graz) unterstützten die Bemühungen. Bald stellte sich heraus,
daß die persönliche Rückfrage das einzige Mittel ist, die Beobach-
tungsmeldungen zu einer brauchbaren Grundlage für eine Bahn-
ermittlung zu machen. Durch Unterstützung des Musealvereins
106
J. Schadler und J. Rosenhagen,
und der Landesregierung in Linz war es Verfasser möglich, fast alle
oberösterreichischen Beobachter persönlich aufzusuchen und ihre
Mitteilungen durch Winkelmessungen und Rückfragen zu ergänzen.
Auch Dr. K. Schütte und Dr. F. Burmeister (München), Ing. E.
Preuschen (Salzburg), Dr. F. Czermak (Innsbruck) und Dr. C. Hoch-
stetter (Leoben) haben in dankenswerter Weise persönliche Rück-
fragen vorgenommen.
Durch Vermittlung von Prof. Dr. K. Graff, Direktor der Uni-
versitäts-Sternwarte in Wien, übernahm im Herbste 1933 Dr. J.
Rosenhagen das Beobachtungsmaterial zur Bearbeitung. Dieser hat
gelegentlich einer Reise in Deutschland einige weitere süddeutsche
Beobachter und einen besonders wichtigen in Obersteiermark be-
sucht; auch Dr. Bühler (Stuttgart) und A. Besenreiter (München)
führten noch Rückfragen durch. Anfragen bei vier norditalienischen
Sternwarten blieben leider ergebnislos.
In der Zwischenzeit erfolgte im Frühjahr 1933 die chemische
und mikroskopische Untersuchung des Meteorsteins. Das Probe-
material hiezu wurde, um die modellartig schöne Form des Mete-
oriten zu schonen, durch Entnahme eines Bohrkerns auf der Rück-
seite des Steines gewonnen. Diese immerhin etwas heikle Ope-
ration wurde am Institut des Prof. Dr. Ing. R. Grengg an der tech-
nischen Hochschule in Wien vollzogen. Die Bohrprobe fand zur
Hälfte für die chemische Untersuchung, zur anderen Hälfte für die
Herstellung von Dünnschliffen Verwendung.
Die chemische Analyse führte Prof. Dr. E. Dittler an der Uni-
versität in Wien aus. Durch seine Vermittlung hat Prof. Dr. V. M.
Goldschmidt (Göttingen) den Meteorstein auf seinen Gehalt an selte-
nen Elementen geprüft. Die mikroskopische Untersuchung hat der
Verfasser am naturhistorischen Museum in Wien durchgeführt. Be-
kanntlich befindet sich dort die wahrscheinlich heute noch be-
deutendste, jedenfalls die älteste Meteoritensammlung der Welt.
Prof. Dr. H. Michel, erster Direktor des Museums, bekundete auch
sofort für den neuesten österreichischen Meteoritenfall lebhaftes
Interesse. Für die Erlaubnis zur Benützung der Einrichtungen der
mineralogisch - petrographischen Abteilung des Museums und für
wertvolle Hinweise ist ihm Verfasser sehr zu Dank verpflichtet.
Ein besonderer Dank sei Dr. K. Demmelbauer (Linz a. D.) ausge-
sprochen, der eine Anzahl seiner mit Leika aufgenommenen Licht-
bilder in liebenswürdiger Weise zur Verfügung stellte, ebenso F.
Brosch (Linz a. D.) für die Ausführung einer Handzeichnung.
So ist der Kreis jener, die an der Klarstellung des Prambach-
kirchner Meteoritenfalls mitwirkten, ein großer; ihrer aller Mithilfe
ist es zu verdanken, daß eine möglichst erschöpfende Untersuchung
des seltenen Naturereignisses erreicht werden konnte.
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
107
Seltenheit von Meteoritenfällen.
In Oberösterreich ist in geschichtlicher Zeit erst ein einziger
Meteoritenfall bekannt geworden. Er ereignete sich am 20. No-
vember 1768 um 16 Uhr in Mauerkirchen. Der 17 kg schwere
Meteorstein kam damals, da das Innviertel zu Bayern gehörte, nach
München1). Teile von ihm sind in den Sammlungen der ganzen Welt
zerstreut. Am Landesmuseum in Linz befinden sich nur 1.6 Gramm.
Auch im übrigen Österreich ist bisher nur noch ein Fall be-
obachtet worden, und zwar erst vor wenigen Jahren, am 28. August
1925 um 19 Uhr 25 Minuten in Lanzenkirchen bei Wiener-
Neustadt in Niederösterreich. Es wurde damals ein Meteorstein
von 5 kg und einige Monate später in nächster Nähe ein Bruchstück
von 2 kg gefunden. Beide befinden sich am naturhistorischen Mu-
seum in Wien2). Es wird dort noch ein weiterer österreichischer
Fund aufbewahrt. Der betreffende Stein wiegt jedoch nur 5 Gramm ;
er wurde im Jahre 1877 in M ü h 1 a u bei Innsbruck, ohne daß aber
sein Fall beobachtet wurde, gefunden3).
Gemäß der neuesten Zusammenstellung von F. Heide4) sind auf
unserem Planeten bisher 958Meteoritenfunde bekannt geworden. Hie-
von entfallen auf das Gebiet Deutschlands 33, auf das Österreichs 4 ;
d. h. es sind in Deutschland bisher in geschichtlicher Zeit auf je
14.200 km2, in Österreich auf je 20.900 km2 ein Meteorit gefunden
worden. Berücksichtigt man, daß in Österreich große Teile der
Hochalpen unbesiedelt und spärlich besiedelt sind, Gebiete, aus
denen auch kein Meteoritenfall bekannt ist, so ergibt sich die Folge-
rung, daß auf eine Fläche von 30.000 bis 40.000 km2 alle 100 Jahre
ein Meteoritenfund in Mitteleuropa zu erwarten ist, als ungefähres
Maß für die Seltenheit dieses Naturereignisses.
Im folgenden zweiten Abschnitt wird der Meteorstein nach
Form und Inhalt beschrieben, wobei einige Bemerkungen über die
Meteorite als kosmische Gesteine eingefügt sind, im dritten Ab-
schnitt werden die Flugbahn und die Fallerscheinungen dargestellt.
*) Gümbel C. W., Über die in Bayern gefallenen Steinmeteorite. Sitzber. Ak.
Wiss. München 8 (1878) 14.
2) Michel H., Der Meteorsteinfall von Lanzenkirchen, N. Ö., Ann. naturh.
Mus. Wien 39 (1925) 190. — Dittler E., Die chemische Zusammensetzung des Me-
teorits von Lanzenkirchen. Mitt. Min. Ges. Wien 88 (1926) 26. — Weinmeister E.,
Der Meteoritenfall von Lanzenkirchen bei Wiener-Neustadt. Ann. naturh. Museum
Wien 46 (1931) 117.
3) Brezina A., Die Meteoritensammlung des k. k. naturh. Hofmuseums, Ann.
naturh. Mus. Wien 10 (1895) 255.
4) Heide F., Kleine Meteoritenkunde, Berlin (1934) 47 (Verständliche Wissen-
schaft, Bd. 23).
II. Der Meteorstein.
Nimmt man den Stein zur Hand, so interessieren zunächst seine
Größe, Form und Oberflächenbeschaffenheit. Diese Eigenschaften
der äußeren Gestalt erwirbt ein Meteorit zum überwiegenden
Teil erst während der Durchdringung der Gashülle der Erde. Für
die Größe sind zwar in erster Linie die Abmessungen des ursprüng-
lichen, kosmischen Körpers maßgebend, sie werden aber durch
Substanzverlust in der Atmospäre bedeutend vermindert. Form und
Oberflächenbeschaffenheit sind ausschließlich das Ergebnis der at-
mosphärischen Einwirkungen.
Zur inneren Beschaffenheit werden der Gehalt an
chemischen Grundstoffen, der Mineralbestand und das Gesteins-
gefüge gerechnet. Diese Eigenschaften bringt der Meteorit aus dem
Weltraum mit. Sie geben daher Aufschluß über die stofflichen und
physikalischen Verhältnisse seines außerirdischen Bildungsraumes.
Ihre Kenntnis bedeutet einen wertvollen Beitrag zur Lösung der
Frage vom stofflichen Aufbau des Kosmos.
1. Äußere Gestalt.
Größe und Form.
Das Gewicht des Prambachkirchner Steines betrug bei der
Auffindung 2125 g; seit Entnahme der Bohrprobe wiegt er 1987 g.
Seine Grundgestalt gleicht einer dickplattigen Scheibe.
Will man deren Größenverhältnisse genau festhalten und vergleich-
bar mit denen anderer Meteorite machen, so muß man die Ab-
messungen auf eine bestimmte Lage beziehen. Da der Prambach-
kirchner Stein zu den sogenannten „orientierten" Meteoriten ge-
hört, d. h. zu jenen, die auf ihrer atmosphärischen Bahn ihre Lage
zur Flugrichtung im wesentlichen beibehielten, ist es gegeben, als
Bezugslage diese natürliche Orientierung zu wählen. Sie ist am
Kontrast der beiden Seiten der Scheibe — der wohlgerundeten
Vorder- oder Frontseite und der mehr kantigen Rückseite — gut
erkennbar. Für die genaue Einstellung zur Fluglage kann die
Grenze zwischen Vorder- und Rückseite, die als sehr markante
Der Meteorsteinfall , von Prambachkirchen.
109
Linie (Grenzlinie oder Grenzsaum genannt) an unserem Stein so-
fort auffällt, herangezogen werden. Je ruhiger sich ein Meteorit
in seiner Lage hält und je weniger er zur Flugrichtung schwankt,
umso deutlicher wird sich eine Grenzlinie ausbilden. Entwirft man
nun vom Meteorstein eine Normalprojektion in der Weise, daß jeder
Punkt dieser Grenzlinie getroffen wird, so entsprechen die Pro-
jektionsstrahlen der Flugrichtung. Sie sind dieser parallel, so daß
letztere eindeutig festgelegt erscheint. Die Projektionsfläche kann
man als die F1 u g n o r m a 1 e b e n e, das Projektionsbild als den
Hauptquerschnitt des Meteorsteins bezeichnen. In Abb. 3
ist dieser Hauptquerschnitt unseres Steines zusammen mit zwei auf
ihm senkrecht stehenden Schnitten dargestellt. Sein Flächeninhalt
beträgt 125.0 cm2; er ist einem Kreis mit Durchmesser = 12.7 cm
flächengleich. Da der Rauminhalt des Steines 593.0 cm3 beträgt,
ergibt sich eine auf den Hauptquerschnitt bezogene, mittlere Dicke
der Scheibe von 4.7 cm. Das Verhältnis Durchmesser : Dicke er-
rechnet sich hieraus zu 2.6. Durch diese auf die natürliche Orien-
tierung bezogenen Größenwerte ist die allgemeine Grundgestalt
des Meteorsteins gekennzeichnet (Abb. 3).
Seine Form wird im einzelnen durch Lage, Krümmung und
Neigung seiner Begrenzungsflächen bestimmt. In den Abbildungen
4—7 sind einige Ansichten des Meteorsteins wiedergegeben. Den
Lichtbildern sind Skizzen beigefügt, welche die wichtigsten
Formelemente erläutern. Die Vorderseite besteht aus einer
einzigen, in eigenartig harmonischem Schwung gewölbten Fläche.
Es können an ihr der exzentrisch gelegene Scheitel (Apex),
der mittlere fast ebene, sogar etwas nach innen gekrümmte Ab-
schnitt als sogenannte Frontfläche und schließlich die wechselnd
hochbordige Randwölbung unterschieden werden. Die Rückseite
macht einen bedeutend unruhigeren Eindruck. Sie zerfällt in eine
Reihe von Teilflächen, die allerdings keine sehr scharfe Abgren-
zung zeigen. Nur ein randliches Flächenstück, Abrißfläche genannt,
hebt sich deutlich ab. Eigenartigerweise sind die Randflächen fast
durchaus innengekrümmt. Die Mittelfläche liegt annähernd parallel
zur Frontfläche der Vorderseite, wodurch ja der Meteorstein das
Gesamtbild einer zur Flugrichtung senkrecht gestellten Platte oder
Scheibe erhält.
Das Oberflächenrelief und seine Entstehung.
Immer wieder wird bei Beschreibungen von orientierten Me-
teoriten auf das eigenartige Relief hingewiesen, das insbesonders
auf ihrer Vorderseite zu beobachten ist. Es handelt sich um mannig-
110
J. Schadler und J. Rosenhagen,
fach gegliederte, wechselnd geformte Vertiefungen, die zweifellos
durch die Einwirkung der mit außerordentlicher Geschwindigkeit
durchstoßenen Luft entstehen. Man hat sie als Erosionsvertiefungen
oder Piëzoglypten (Daubrée 1876) bezeichnet. Da sie am Pram-
bachkirchner Stein sehr gut, man kann sagen, modellartig ausge-
bildet sind, und da es gelang, sie und damit im allgemeinen d i e
Formänderungen des Steines mit dem weit-
gehend geklärten atmosphärischen Flugverlauf
in Zusammenhangzu bringen, sollen diese Erscheinungen
etwas ausführlicher behandelt werden.
Zunächst ist deutlich erkennbar, daß die Form der Vertiefungen
in bestimmter Beziehung zur Lage auf dem Meteoritenkörper steht.
Am Scheitel zeigen sie kreisförmigen oder elliptischen Umriß, gegen
den Rand zu werden aus diesen geschlossenen Formen halbseitig
offene, während am Rand beiderseits offene Formen, Rillen und
Kerben, ausgebildet sind (Abb. 4 bis 6).
Vertiefungen am Scheitel, Scheitelgruben genannt, sind
zwei vorhanden: deutlich verschieden in Größe und Form. Die
kleinere, kreisrunde (Durchmesser = 6.0 mm, Tiefe = 1.5 mm) senkt
sich flach und allmählich in die Oberfläche ein, während die
größere, elliptische (mittlerer Durchmesser = 9.0 mm, Tiefe =
= 3.0 mm) steilrandig und scharf abgegrenzt ist. Letztere umgibt
ein 3 bis 4 mm breiter, allerdings sehr niederer (höchstens 0.5 mm),
in Schrägbeleuchtung aber gut sichtbarer Ringwall.
Die halbseitig offenen Kerben auf der Frontfläche und auf deren
Übergang zum Rand sind die am wenigsten prägnanten Formen.
Längliche scharfe Kerben auf der Frontfläche scheinen im Wind-
schatten (Lee) kleiner Erhebungen entstanden zu sein, während eine
größere Kerbe unterhalb des Scheitels schon einen deutlichen Über-
gang zu den richtigen R andkerben darstellt. Diese treten nur in
bestimmten Abschnitten des Randes auf. Es durchfurchen drei die
steilabfallende Flanke zwischen Scheitel und Abrißstelle; eine
weitere ist unmittelbar über dieser eingeschnitten. (Tiefe bis zu
9.0 mm, Breite bis zu 12.0 mm.) Bedeutendere Größe, unregel-
mäßiger dabei aber schwungvoller Verlauf und asymmetrisches
Profil unterscheiden sie grundlegend von der zweiten Gruppe der
offenen Reliefformen, von den Rillen, die in merkwürdiger Ein-
förmigkeit den ganzen Rand umgreifen. Gleichmäßig 1 bis mm
tief eingesenkt und gleichartig gerundet reihen sie sich in gleichen
Abständen von 4 bis 5 mm aneinander. Die halbkugelförmige Wöl-
bung unterhalb des Scheitels überzieht so ein einheitliches Rillen-
system. Auch am übrigen Rand, im Abschnitt der Randkerben
allerdings zurücktretend, kann es verfolgt werden. Eine eigen-
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
111
artige Erscheinung, von der noch näher zu sprechen sein wird, ist
am Rand gegenüber dem Scheitel zu beobachten: Es überschneiden
sich hier zwei solche Rillensysteme schräg in einem Winkel von
50°. Die Überschneidung setzt am Buckel neben der Abrißecke
kräftig ein und klingt dann allmählich ab (Abb. 8 und 9).
Wie hat man sich nun die Bildung dieser einerseits meist so
regelmäßigen und ausgeglichenen, andererseits stellenweise so un-
regelmäßig wild eingeschnittenen Reliefformen vorzustellen?
Greifen wir zu diesem Zweck ein Augenblicksbild zur Zeit ihrer
Formung, etwa in der Mitte der atmosphärischen Bahn, heraus und
suchen wir uns ein Bild von den physikalischen Verhältnissen an
der Gesteinsoberfläche und in deren unmittelbarster Umgebung,, in
der aufprallenden Luft, zu machen. Es wird über die physikalischen
Begleiterscheinungen des Falles in einem späteren Abschnitt aus-
führlicher gesprochen werden; hier genügt die Feststellung, daß
der Stein im gewählten Zeitpunkt eine Geschwindigkeit von vielen
Sekundenkilometern gegenüber der Erdoberfläche und wahrschein-
lich nicht viel geringer gegenüber den angrenzenden Gasmassen
hat. In der unmittelbaren Grenzschichte besitzen diese eine Tem-
peratur über der Siedetemperatur der Mineralgemengteile des Me-
teorits (Eisen = 2450°) und einen bestimmten Druck. Die Druck-
höhe ist zwar unbekannt, wesentlich für das folgende ist, daß sie
an verschiedenen Punkten der Grenzfläche eine verschiedene sein
muß. Es wird an der Frontfläche des Meteorsteins zu Erscheinungen
kommen müssen, wie sie allgemein am Bug von Körpern, die in
eine Strömung gestellt sind, auftreten. Da sich der Meteorstein
in seiner Umgebung etwa wie ein Eisklotz verhält, der in einen
Heißluftstrom gesetzt ist und in ihm verdampft, werden sich Druck-
und Temperaturunterschiede der Gasströmung auf ihm als Ober-
flächenrelief abprägen müssen. Auf diese Weise ist es umgekehrt
auch möglich, aus dem Relief Rückschlüsse auf die Strömungs-
verhältnisse zu ziehen.
Zur Erklärung der Einzelformen könnte man sich zwar denken,
daß durch Ungleichmäßigkeiten im Gesteinsgefüge kleine Relief-
unterschiede entstehen, die ihrerseits wieder Störungen im Gas-
strom zur Folge haben. Tatsächlich zeigt die Frontfläche auch ein
gewisses F e i n r e 1 i e f durch Emporragen von einzelnen Mineral-
körnern bis etwa 1 mm über die Oberfläche. In deren Lee sind auch
gelegentlich kleine, halbseitig offene Kerben eingeschnitten. Im all-
gemeinen erscheinen aber doch Gefügeunterschiede unberück-
sichtigt. Mineralaggregate, wie sie etwa die Chondren darstellen,
sind glatt durchschnitten (Abb. 10). Das Feinrelief, welches in einer
gewissen Rauhigkeit der Oberfläche besteht, wurde anscheinend
erst im allerletzten Bahnabschnitt geschaffen, zumindest verstärkt.
112
J. Schádler und J. Ròsenhagsn,
Das eigentliche Piëzoglyptenrelief entsteht nicht durch Nachbildung
des inneren Aufbaues des Gesteins, es stellt in seiner Einheitlich-
keit und Geschlossenheit vielmehr, wie ausgeführt, die Abprägung
des Druck- und Strömungszustandes der am Stein auftreffenden
und von ihm abdampfenden Gase dar. So kann es an jenem Punkt,
an dem die Strömung genau senkrecht aufprallt, wegen der Stau-
ung zu einer örtlichen Druckerhöhung kommen (Staupunkt). Man
kann die Scheitelgrube als seine Abprägung und den Ringwall, der
sie umgibt, als Ergebnis einer von der Stauung ausgehenden Druck-
schwankung ansehen. Von besonderer Bedeutung für die Strö-
mungsverhältnisse und für die Druckverteilung ist der Umstand,
daß sich an die Rückseite des Meteorsteins ein luftleerer Raum an-
schließt. Daher zeigen sich auch die Randkerben deutlich vom Ver-
lauf der Grenzlinie zwischen Vorder- und Rückseite, also zwischen
Strombereich und luftleerem Raum abhängig. Liegt die Grenzlinie
in der Flugnormalebene, so fehlen Randkerben und sind nur Rillen
ausgebildet ; verläuft sie schräg, so kommt es infolge von Strömungs-
ablenkungen und örtlichen Druckerhöhungen zur Eintiefung von
Kerben. Im Gegensatz zu den Kerben kann das Rillensystem,
welches einheitlich und einförmig die ganze Vorderseite übergreift,
nur als Abprägung einer ebenso einheitlichen Druckverteilung, eines
Art Schwingungszustandes in den aufprallenden und abströmenden
Gasmassén aufgefaßt werden. Der gleichmäßige Rillenabstand von
4—5 mm scheint eine für diesen Zustand kennzeichnende Größe
zu sein. Die Bildung von solchen regelmäßigen Rillensystemen ist
in der Natur ganz allgemein dort zu beobachten, wo strömende Gase
oder Flüssigkeiten über gleiche Medien oder über feste Körper hin-
weggleiten und auf diese mechanisch oder chemisch einwirken.
Soweit lassen sieh also die verschiedenen Einzelformen des
Oberflächenreliefs als Ergebnis einer einheitlichen gleichmäßigen
Strömung deuten. Es wurde aber schon erwähnt, daß einzelne
Randkerben auffallend asymmetrisch geformt sind und daß sich an
einem bestimmten Randabschnitt zwei Rillensysteme über-
schneiden. Diese beiden Erscheinungen beruhen zweifellos auf einer
Störung in der Reliefbildung und zwar auf einer plötz-
lichen Richtungsänderung der Gasströmung. Eine solche kann durch
eine Formänderung des Meteorsteins oder durch eine Änderung
seiner Lage zur Flugrichtung bewirkt worden sein. Sie mußte jeden-
falls im letzten Bahnabschnitt erfolgt sein, da ihre Abprägungen
sonst nicht mehr vorhanden wären. Es ist naheliegend, sie mit dem
Abriß des Randbuckels in Zusammenhang zu bringen, einem Er-
eignis, das ja eine beträchtliche Formänderung an dem besonders
strömungsempfindlichen Scheibenrand bedeutete und auch ein
Kippen oder Pendeln des Steines auslösen konnte. Die Beobach-
Verkleinerung ==1:3.
Abb. 3. Die Grundgestalt des Meteorsteins.
Die Grundgestalt ist auf rechtwinklige Achsen bezogen. Die Achse c entspricht
der Flugrichtung. Die Ebene der Achsen a—b ist die Flugnormalebene. Das
Projektionsbild des Meteorsteins auf diese Ebene wird als Hauptquerschnitt be-
zeichnet (im Bilde links oben).
p
Natürliche Größe. Aufnahme von Dr. K. Demmelbauer.
Abb. 4. Seitenansicht.
Gesehen in der Richtung der b-Achse.
RiUenüberschneidung
QOV Konkave
Randflächen
Rückseite
Scheite/gruben
W\v
Rillen
Natürliche Größe.
Abb. 5. Seitenansicht.
Gesehen in der Richtung der b-Achse.
Aufnahme von Dr. K. Demmelbauer.
C
Etwas verkleinert.
Aufnahme von B. Stolz.
Abb. 6. Vorder- oder Frontseite.
Abb. 7. Rückseite.
Etwas verkleinert.
Aufnahme von B. Stolz.
Vergrößerung = 2:1.
Aufnahme von Dr. K. Deramelbauer.
Vergrößerung = 2 : 1.
Aufnahme von Dr. K. Demmelbauer.
Abb. 9. Rillenüberschneidung.
Vergrößerung = 4 :1.
Abb. 10. Randkerbe.
Aufnahme von Dr. K. Demmelbauer.
Durchschnittene, verglaste Chondren
Erklärung siehe nebenstehende Zeichnung.
Die Ausbildung der Schmelzrinde auf der Vorder-
seite ist gut erkennbar. Man vergleiche untenstehende
Abb. 11, welche die Ausbildung der Schmelzrinde auf
der Rückseite des Meteorsteins zeigt.
steHrandige - Hachrandfge Begremung
wtröelig abgetriftete Schmelzmassen
Vergrößerung = 4:1. Aufnahme von Dr. K. Demmelbauer.
Abb. 11. Schmelzrinde auf einer Randfläche der Rückseite.
Vergrößerung 6: 1. Gezeichnet von F. Brosch.
Abb. 12. Metallkorn in Anschmelzung.
In der Mitte erkennt man ein scharfumrandetes zentrales Korn von einer ring-
förmigen Vertiefung umgeben. Die abgetrifteten Schmelzmassen sind als fladen-
förmige Krusten (im Bilde unten) als flachgepreßte Beläge (im Bilde rechts)
oder als feine Fäden (im Bilde links) ausgebildet. Einer dieser Schmelzfäden zeigt
senkrecht zur Spratzrichtung abgetriftete sekundäre Fäden.
I
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
113
tungen am Objekt bestätigen diese Auffassung: Die beiden neben
der Abrißfläche gelegenen Randkerben lassen deutlich die Tendenz
der Strömung erkennen, sich senkrecht zur neuen Kante einzu-
stellen. Auch die jüngeren über-
schneidenden Rillen der Rillenüber-
schneidung weisen in dieselbe Rich-
tung. Ein Zusammenhang ist daher
ganz eindeutig gegeben. Bemerkens-
werterweise blieb der Rillenabstand
auch im neuen, jüngeren Rillensystem
derselbe. Es änderte sich nur die
Strömungsrichtung, der Schwin-
gungszustand blieb unverändert.
Außerdem scheint aber zugleich
ein Kippen des Meteorsteins am Tei-
lungspunkt erfolgt zu sein. Denn an
Randabschnitten abseits von der Ab-
rißfläche zeigen sich Überschneidun-
gen an Kerben und Rillen, die mit
dieser kaum etwas zu tun haben.
Durch eine kleine Drehung des Stei-
nes sind sie aber leicht deutbar.
Auch das Vorhandensein von zwei
Scheitelgruben findet so seine Er-
klärung. Durch ein Kippen des Stei-
nes rückt an Stelle der kleinen fla-
chen Grube die tiefere, kräftiger
modellierte an den höchsten Punkt
des Scheitels. Wichtig ist, daß durch
diese Kippbewegung gleichzeitig
auch die Frontfläche eine Neigung
zur Flugnormalebene erhält, wo-
durch, wie später gezeigt werden
wird, eine wesentliche Voraussetzung
zur Erklärung der Bahnkrümmung
erfüllt wird (Abb. 13).
Es sei angefügt, daß diese Deu-
tung aller der etwas verworren er-
scheinenden Einzelheiten des Reliefs
nicht von Anfang an so klar und
sicher erschien. Zunächst wurde an eine Rotation des Me-
teorsteins gedacht und versucht, mittels dieser auch die merk-
würdige Bahnkrümmung, etwa als Magnuseffekt, zu erklären.
Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines. 86. Band. 8
Abb. 13. Form- und Lageänderung
am Teilungspunkt.
(1) zeigt den Meteorstein vor dem
Teilungspunkt. Die Abrißstelle ist
durch eine gestrichelte Linie an-
gedeutet.
(2) Der Meteorstein nach dem Tei-
lungspunkt. Durch ein Kippen um
etwa 12° (in der Zeichnung zur
Verdeutlichung etwa 20°) wurde
die Frontfläche zu einer geneigten
Segelfläche und bildeten sich in-
folge der Ablenkung der abströ-
menden Gase die Randkerben und
die Rillenüberschneidung aus.
114
J. Schadler und J. Rosenhagen,
Seinerzeit hatten Haidinger W.5) und Doli E.6) angenommen, daß
die Meteorite um die Flugachse rotieren und daß diese Drehung
durch die Flächenlage und Kerbenform verstärkt wird. Gegen diese
Ansicht äußerte aber schon Cohen E.7) Bedenken und wies darauf
hin, daß in diesem Falle eine vom Scheitel regelmäßig divergierende
Drift ausgeschlossen sei und im Sinne der Rotation abgelenkt er-
scheinen müßte. Gerade durch eine solche Strömungsablenkung
schien aber zunächst die am Prambachkirchner Stein zu beob-
achtende schräge Überschneidung der Rillen erklärbar zu sein. Die
Rotation kann man sich durch den Abriß des Randbuckels ausgelöst
denken. Die Rindendrift zeigt nun, daß unser Stein am Bahnende
sicher keine Drehung hatte. Es ergeben sich hieraus, wie man sieht,
Widersprüche und physikalische Unmöglichkeiten, so daß die An-
nahme einer Rotation nicht in Betracht kommt.
Altersfolge und Ausmaß der Formänderungen.
Die Abtrennung des Randbuckels wurde als Teilung der Leucht-
kugel beobachtet, so daß der Teilungspunkt auf der Meteorbahn
festgelegt werden konnte (Näheres Seite 146). Da die Teilung mit
dem Oberflächenrelief und damit mit den Formänderungen des Me-
teorsteins in Beziehung zu bringen ist, wird es möglich, diese zeit-
lich zu reihen und ihr Ausmaß mengenmäßig abzuschätzen. Man
kann zwei Gruppen von Formänderungen unterscheiden: jüngere,
die nach dem Teilungspunkt, und ältere, die vor dem Teilungspunkt
erfolgten. Die Rillenüberschneidung, als unmittelbare Folgewirkung
der Teilung, ereignete sich nach dem Teilungspunkt. Da das jüngere
Rillensystem auf dem alten höchsten bis zu 1,5 mm eingesenkt ist,
kann auch am übrigen Rand der Abtrag nicht bedeutender gewesen
sein. Auf der Frontfläche war er vermutlich etwas beträchtlicher,
der Substanzverlust wird aber auch hier kaum das zwei- bis drei-
fache des am Rand festzustellenden überstiegen haben. Das Vor-
handensein der älteren Scheitelgrube spricht ebenfalls dafür. Der
Substanzverlust nach dem Teilungspunkt würde demnach die
mittlere Scheibendecke etwa um höchstens 3—5 mm, d. h. je Flug-
kilometer um rund 0.1 mm verringert haben. Die Gesamtform-
änderung war also nach dem Teilungspunkt keine bedeutende mehr
und man kann sie leicht gedanklich rückgängig machen. Die schei-
benförmige Grundgestalt sowie ein bestimmtes Oberflächenrelief
5) Hàidinger W., Der Meteorit von Goalpara. Über die Rotation der Me-
teorite. Sitz. Ak. Wiss. Wien 59 (1869) 665.
6) Doli E., Die Meteorite von Mocs. Jahrb. g'eol. R. A. Wien 32 (1882) 421.
7) Cohen E., Meteoritenkunde 2 (1903) 173.
Der Meteorsteinfall von Pratnbachkirchen.
115
waren am Teilungspunkt jedenfalls schon vorhanden; ihre Formung
muß vor dem Teilungspunkt erfolgt sein. Suchen wir uns ein Bild
von den Vorgängen in diesem Bahnabschnitt zu machen. In den aller-
ersten Phasen des Eindringens des Meteorsteins in die Gashülle der
Erde wird die Aufprallgeschwindigkeit der atmosphärischen Teilchen
eine höhere, die Dichte und der Druck der abströmenden Gase aber
ein geringerer sein. Eine formändernde Wirkung wird in diesem
Bahnabschnitt daher nur an der dem Anprall der Teilchen ausge-
setzten Vorderseite des Steines zu erwarten sein. Sie muß sich in
einer frontalen Abplattung geltend machen. Der Rand wird zu-
dringung der Luft.
Der ursprüngliche, schätzungsweise etwa 5800 Gramm schwere kosmische Körper
ist als annähernd isometrisch angenommen. Der Pfeil zeigt die Flugrichtung an.
(1) = Stoffverlust im Bahnabschnitt vor dem Teilungspunkt.
(2) = Am Teilungspunkt abgesprengte Ecke.
(3) = Stoffverlust im Bahnabschnitt nach dem Teilungspunkt.
(4) = Restkörper = Meteorstein im Gewicht von 2125 Gramm.
nächst unverformt bleiben. Erst in einem späteren Bahnabschnitt
wird mit zunehmender Verdichtung der am Meteorit abströmenden
Gase auch der Rand verformt, und zwar gewölbt und mit einem
Relief versehen werden. Es entsteht so ein scheibenförmiger bis
schildförmiger Körper, wie ihn tatsächlich die meisten der orien-
tierten Meteorite aufweisen. Scheiben, bei denen das Verhältnis des
Durchmessers zur Dicke Werte von 2—3 aufweist, scheinen häufig
vorzukommen. Es ist verständlich, daß bei streng orientiertem
Flug die Formänderungen aller Meteorite annähernd gleich sein
werden. Denn bei gleicher kosmischer Geschwindigkeit muß die
je Flächeneinheit des Hauptquerschnitts des Meteoriten abzu-
bremsende lebendige Kraft wenigstens größenordnungsmäßig die
8*
116
J. Schadler und J. Rosenhagen,
gleiche sein. Es ist daher etwa die gleiche Wirkung und der gleiche
Abtrag zu erwarten. Auf die ursprüngliche Gestalt des kosmischen
Körpers erlaubt dies allerdings keinen Schluß. Sie kann beliebig
gewesen sein. Am wahrscheinlichsten wird man sie isometrisch
annehmen mit einem mittleren Durchmesser, der mindestens gleich,
jedenfalls nicht kleiner, wahrscheinlich größer als der des Rest-
körpers ist.
Für den Prambachkirchner Stein ergibt sich auf Grund dieser
Überlegungen im Bahnabschnitt vor dem Teilungspunkt eine Ab-
nahme der Scheibendicke um 75 mm, d. h. je Flugkilometer um
rund 0.30 mm, also im Mittel das Dreifache wie im Abschnitt nach
dem Teilungspunkt. Auf dem gesamten Luftweg wäre dann die
Abnahme der Scheibendicke auf etwa 80 mm, d. h. je Flugkilometer
auf 0.27 mm zu schätzen, was einem Gesamtstoffverlust von etwa
3700 g entspricht und eine Substanzabgabe von etwa 1 g je Flug-
kilometer und Flächeneinheit (1 cm2) des Hauptquerschnitts des
Meteorsteins bedeutet (Abb. 13).
Tabelle 1.
Übersicht der Formänderungen.
Bahn- Gewichts-
Formänderung Einwirkungsart Bahnabschnitt länge km verlust g
1 Formung zur Vergasung bei Eintritt in die
Scheibe zunehmendem Druck Lufthülle bis Teilungspunkt oo 250 CV3 3500
2 Absprengung eines Randbuckels mechanisch Teilungspunkt 70—100
3 Rillenüberschnei- Vergasung und Teilungspunkt
dung, Kerben- Schmelzung bei bis Hemmungs- cv> 50 oo 200
eintiefung abnehmendem Druck punkt
Rinde.
Die dem Stein verloren gegangene Substanzmenge erscheint
zunächst in Form der strahlenden Metalldämpfe der Leuchtkugel.
Diese verdichten sich und gelangen als feinster Staub zu Boden.
Beim Verlöschen des Meteors sinkt die Temperatur an der Gesteins-
oberfläche unter die Siedetemperatur der Mineralgemengteile, liegt
aber noch über deren Schmelzpunkt (Eisen = 1225°). In diesem sehr
kurzen Zeitabschnitt werden die Oberflächenteilchen in schmelz-
flüssigem Zustand vom Stein abgedriftet, zum Teil zwar auf der
Rückseite gesammelt, aber auch von dort immer wieder abgesaugt.
Wird endlich in der Gashülle auch die Schmelztemperatur der
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
117
Hauptmineralbestandteile unterschritten, so müssen zufolge der
niederen Innentemperatur des Steines die flüssigen Teilchen in
rascher Folge auf der Gesteinsoberfläche erstarren. Der Meteorit
überzieht sich außerordentlich rasch mit einer Rinde.
Es ist klar, daß infolge der verschiedenen physikalischen Be-
dingungen die Überrindung an seiner Vorder- und Rückseite eine
verschiedene Ausbildung zeigen wird. Auf der Vorderseite bildet sie
eine höchstens 1 mm dicke Kruste, hell- bis dunkelbraun, stellen-
weise braunschwarz gefärbt. Matte und glänzende Flächen wechseln
unregelmäßig fleckig ab. Bei näherer Betrachtung stellen sich
letztere als kreisrunde, spiegelglatte Querschnitte von abgescherten,
durchschnittenen Chondren heraus, die eine dünne, hellbraune
Schmelzhaut bedeckt. Man hat sie daher auch „verglaste" Chon-
dren genannt (Abb. 10).
Einige über die Oberfläche hervorragende Mineralkörner (ver-
mutlich ebenfalls Chondren) tragen einen hellbraunen, lackartig
dünnen Überzug. Die übrige Rinde besteht aus zahlreichen, un-
regelmäßig geformten, 1—3 mm2 großen Flächenstücken von ver-
schieden alten, sich wechselvoll übergreifenden Schmelzhäutchen
mannigfacher Dicke. Eine pressende Abtriftung und eine bestimmte
Altersfolge der Schmelzen ist unverkennbar. Ein reizendes Bild,
gewissermaßen eine Momentaufnahme dieser Vorgänge bietet ein
Mineralkorn, das während des Schmelzens von der Abkühlung über-
rascht wurde und die einzelnen Erstarrungsphasen gut wiedergibt
(Abb. 12). Auf der Frontfläche in der Nähe der Abrißecke bemerkt
man ein Mineralkorn von 2 mm Durchmesser etwa 0.5 mm tief ein-
gesenkt. Seine Farbe ist bleigrau, der Glanz metallisch. Die leb-
haften Spratzerscheinungen machen es wahrscheinlich, daß neben
Nickeleisen auch Schwefeleisen vorhanden ist. Das Schmelzkorn
trägt eine zentrale buckelartige Erhebung, die von wirbelig gedreh-
ten feinsten Schmelzwülsten umgeben ist. Unmittelbar um das Korn
zieht sich eine grabenförmige Vertiefung, nach außen zu einem
Schmelzwall steil aufsteigend. Von diesem breiten sich nach allen
Seiten die Schmelzmassen aus. Es ist nun deutlich zu erkennen,
daß diese aus zwei Altersfolgen bestehen und ihrerseits wieder auf
einer älteren braunen Schmelzrinde liegen. Die älteste, dem höch-
sten Erhitzungsstadium entsprechende Rinde ist hellbraun bis scho-
koladebraun ; sie entspricht einer leichtflüssigen Schmelze und bildet
dünne Belege, während die jüngeren Schmelzen dunkelbraun bis
schwarz, daher offenbar metallreicher sind und als dickere, zäh-
flüssigere Massen erstarrten. Dünnere Fäden sind ebenso wie die
Metallspratzfäden eigenartig doppelt konturiert. Es macht den Ein-
druck, daß der zähflüssige Schmelzfaden durch den Gasdruck breit-
gedrückt und in einen Doppelfaden zerlegt wurde (Abb. 15). An
118
J. Schadler und J. Rosenhagen,
einem der Metallschmelzfäden sind am äußersten Ende feine, se-
kundäre Spratzfäden angesetzt und fransenartig abgedriftet. Die
Richtung der Drift, in der sich auch eine schwache Gasströmung
noch wiederspiegeln würde, spricht wie schon früher erwähnt, ge-
gen eine Rotation des Meteorsteins. Die Rinde der Rückenseite läßt
zwei Ausbildungsarten unterscheiden: die braune, glatte Rinde der
Mittelfläche und die schwarze, schaumige Rinde der Randzonen und
Ansicht, Querschnitt.
Abb. 15. Spratzfaden des schmelzenden Metallkorns.
Die meist 0,2 mm breiten und bis zu 10 mm langen Schmelzfäden sind durch den
Gasdruck breitgedrückt und als Doppelfäden erstarrt.
der Absprengungsfläche. Die Mittelflächenrinde ist 0.5 mm dick,
zeigt unter der Lupe ein kleinwulstiges Relief, das von zahlreichen,
eng gereihten 0.2—0.3 mm großen Grübchen gebildet wird. Sie
macht den Eindruck einer unbehindert schwach brodelnden
Schmelzdecke. Hingegen zeigt die Rinde der Randzonen ein sehr
lebhaftes Feinrelief. Die Schmelzmassen sind dick und unregelmäßig
im Lee angehäuft (Abb. 11). Die schaumige Struktur scheint zweifel-
los, als Folge des Abreißens und saugenden Abziehens von zäh-
flüssigen Schmelzmassen entstanden zu sein. An der Grenze zur
Mittelflächenrinde greifen deutlich die schwarzen blasigen Rand-
schmelzen über erstere hinweg. Es setzen hier entlang einer ver-
hältnismäßig scharfen Grenze Wirbelbildungen ein. Die Mittelfläche
war von diesen anscheinend nicht betroffen.
2. Innere Beschaffenheit.
Die Meteorite als kosmische Gesteine.
Bevor über die innere Beschaffenheit des Prambachkirchner
Steines berichtet wird, mögen einige allgemeine Bemerkungen über
die Zusammensetzung von Meteoriten eingefügt sein.
Zunächst drängt sich die Frage auf: woraus bestehen diese
Weltraumboten? Aus denselben Stoffen, die wir auch auf der Erde
kennen, oder aus ganz anderen und neuen? Man könnte sich ja recht
beliebige Stoffe und stoffliche Zusammenstellungen im außer-
irdischen Räume vorstellen, wenn man die naturwissenschaftliche
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
119
Forschung unberücksichtigt läßt. Soweit aber diese bisher vor-
drang, zeigte sich, daß in den Meteoriten, gleichwie in den Sonnen-
und in den Sternatmosphären, nur jene chemischen Grundstoffe vor-
kommen, die auch auf unserem Planeten Erde bekannt sind. Ja noch
mehr: genau wie in den äußeren Teilen der Erdrinde nehmen in den
kosmischen Stoffmassen die Grundstoffe mit niederer Ordnungszahl
und unter diesen wieder jene mit gerader Ordnungszahl gegenüber
den benachbarten ungeraden eine beherrschende Stellung ein8). Es
muß dies als Zeichen einer höheren Aufbaustabilität gerade dieser
Elemente mit kleinen und geradzahligen Kernladungen im gesamten,
unserer Beobachtung bisher zugänglichen Kosmos gewertet wer-
den (Harkins 1917, Noddack 1930).
Die Übereinstimmung geht noch weiter: die Elemente haben so-
wohl in den kosmischen wie in den irdischen Gesteinen gleiches
Verbindungsgewicht (Baxter 1921—1929), bestehen also aus dem
gleichen Gemisch von Isotopen9). An diesem Gemisch sind die ein-
zelnen Isotope nicht nach einfachen Zahlenverhältnissen beteiligt,
sondern sind in beliebigen, aber stets gleichbleibenden Mengen-
verhältnissen vertreten. Diese Art von Mischung kann schwerlich
der Ausdruck einer bestimmten Aufbaustabilität sein. Sie weist eher
auf ein gemeinsames Schicksal bei der Entstehung der chemischen
Grundstoffe hin. Allem Anscheine nach stimmt auch das Alter der
meisten Meteorite mit dem der ältesten irdischen Gesteine zu etwa
1500—2000 Millionen Jahre größenordnungsmäßig überein (Paneth
1931); es wurde jedenfalls bisher kein Meteorit mit höherem Alter
festgestellt. Aus allen diesen Gründen gewinnt die Ansicht höchste
Wahrscheinlichkeit, daß sämtliche irdischen und kosmischen Ge-
bilde einer stofflichen Einheit zugehören und auch einheitlich ent-
standen und geworden sind. Wieweit im Welträume diese stoffliche
Einheitlichkeit reicht, ob sie nur unser Sonnensystem umfaßt oder
auch in den stellaren Räumen Geltung hat, ist noch unentschieden.
Die Lösung der Frage, aus welchen Teilen des Weltraumes die Me-
teorite stammen, ob sie planetarer oder interstellarer Herkunft sind,
ist daher von besonderem Interesse. Bezüglich der Grundstoffe, be-
züglich der Atomhäufigkeit und des Atombaues, wahrscheinlich auch
bezüglich des Gewichtes und des Alters der Atomgebilde herrscht
8) Die chemischen Grundstoffe oder Elemente werden bekanntlich nach
steigendem Verbindungsgewicht von 1—92 (= Ordnungszahl) gereiht. Die Ord-
nungszahl drückt ganz bestimmte Eigenschaften des Atomkerns aus, sie stimmt
mit der Anzahl von positiven elektrischen Ladungen überein, die im Atomkern
vereinigt sind.
9) Die meisten Elemente sind keine Reinelemente, sondern bestehen aus Ge-
mischen von mehreren Atomarten, die zwar gleiche Ordnungszahl, also gleiche
elektrische Ladungen, jedoch verschiedenes Atomgewicht besitzen und Isotope
genannt werden.
120
J. Schadler und J. Rosenhagen,
jedenfalls eine erstaunliche Übereinstimmung zwischen den Ge-
steinen der Erde und den kosmischen Gesteinen, den Meteoriten*
Bezüglich des Mineralbestandes und des Gefiiges aber bestehen
bedeutende Unterschiede. Diese Eigenschaften sind von den beson-
deren physikalisch-chemischen Bedingungen des Bildungsraumes
abhängig. In den Meteoriten finden sich nun Minerale, die in den
uns zugänglichen Teilen der Erde nicht vorkommen und auch nicht
vorkommen können. Es handelt sich um Metalle und Metallegierun-
gen, ferner Sulfide, Phosphide und auch Karbide, die nur bei Fehlen
von Sauerstoff, jedenfalls nicht in einem Bildungsraum, der mit
9 ® 9 ® ® ® ©
• •»»•«•sesee«
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O
f-2'7
Na K Mg A/
O't 26 10 50
Sí
37*
0
359
Na Mg Al Si P 5 Ca. Fe Fe l/í
09 1f¿ 20 18-0 01 28 1-6 97 13'2 09
Oxydiert Metall
Glasrneteorit
(Moldavit, Radomilitz
bei Budweis)
Steinmeteorit
(Prarnbachkirchen
1932)
Pallaseisen
(Mittlere Zusammen-
setzung)
Eisenmeteorit
(Siratik 1716)
Ni Co
5-2 07-
Abb. 16. Atombestand der Meteorite.
Die vier Haupttypen der Meteorite sind durch je einen Vertreter gekennzeichnet.
Die Zahlen bedeuten den Anteil des betreffenden Elementes am Atombestand in
Hundertel.
einem Überschuß an Sauerstoff ausgestattet ist, beständig sind.
Zweifellos ist daher der außerirdische Bildungsraum der Meteorite
durch einen Mangel an Sauerstoff gekennzeichnet. Reiht man die
Meteorite nach ihrem Gehalt an Sauerstoff und an Leichtmetallen,
so kommt man zu einer in Abbildung 16 wiedergegebenen Gruppie-
rung. Sie beginnt von unten mit den sauerstoffarmen bis -freien,
aus Schwermetallen (Fe, Ni) bestehenden Eisenmeteoriten, an die
sich die Pallasite und die Steinmeteorite, schließlich nach steigen-
dem Inhalt an Sauerstoff und Leichtmetallen ganz harmonisch die
Glasmeteorite oder Tektite anreihen. Bei letzteren ist es möglich, daß
ihr Sauerstoffgehalt wenigstens teilweise irdischen Ursprungs ist,
das heißt die Leichtmetalle, aus denen sie bestehen, erst in der Erd-
atmosphäre zu Silikaten verbrannt und zu Glas zusammengeschmol-
Der Meteorsteiníall von Prambachkirchen.
121
zen sind (Michel 1922). Für das Gefüge sind bei den Eisenmeteoriten
Großkristallbildungen (Widmannstätten'sche Figuren), bei den Pal-
lasiten Saigerungen und bei den Steinmeteoriten porphyrische oder
feinfaserige Kugelbildungen (Chondren) spezifische Erscheinungen,
die an irdischen Gesteinen bisher nicht beobachtet wurden. Man hat
sie auf Temperaturschwankungen, denen die Meteorite auf ihrer
außerirdischen Bahn ausgesetzt sind, zurückgeführt und diese Vor-
gänge als Thermometamorphose bezeichnet (Wahl 1910).
Wie fügt sich nun der Prambachkirchner Meteorstein in dieses
derzeitige Erkenntnisbild ein?
Da über die chemischen und mikroskopischen Untersuchungen
anderwärts10) ausführlich berichtet wurde, sollen hier die Ergeb-
nisse nur zusammenfassend wiederholt werden. Im allgemeinen
brachten sie überraschend wenig Neues, soweit es bei Meteoriten
noch als Überraschung bezeichnet werden kann, daß sie sich stoff-
lich meistens weitgehend ähnlich sind. Von allen bekannten Meteo-
riten gehören 59 von Hundert zu den Steinmeteoriten und von die-
sen wieder 90 von Hundert zu den Chondriten. Diesem letzteren,
weitaus am häufigsten wiederkehrenden Typus ist auch der Pram-
bachkirchner Stein zuzurechnen.
Chemische Zusammensetzung.
Bauschanalys e (anal. E. Dittler). Tabelle 2.
Dichte 4° c = 3.583
v. H.
Fe 8.32
Ni 0.88
Co 0.07
Fe 4.88
s 2.80
Si02 38.51
Ti02 0.12
ai2o3 3.88
Cr203 0.05
Fe203 —
FeO 12.45
MnO 1.21
MgO 23.46
CaO 2.24
Na20 1.16
k2o 0.23
p2o5 0.32
Cl 0.01
H20 —
100.59
10) Dittler E. und Schadler J., Der Meteorstein von Prambachkirchen. Sitz-
ber. Ak. Wiss. Wien 142 (1933) 213.
122
J. Schadler und J. Rosenhagen,
Ferner fand V. M. Goldschmidt:
Ga02 0.005 v. H.
Sc203 0.001 v. H.
Vermutlich ist nách Goldschmidt auch Germanium enthalten, wäh-
rend V2 03 fehlt.
Qualitativ wurde durch E. Dittler auf folgende Elemente ge-
prüft: Sn, Zr, V Spuren, Ba, Sr, Li, F negativ; Cu zirka 0.01 v. H.,
Pb, Zn negativ, seltene Erden auf nassem Wege nicht nachweisbar,
C in Spuren. Verbrennung im Marsofen und Nachweis von C02
durch Titration mit Barytwasser.
V. M. Goldschmidt und Mitarbeiter fanden in Steinmeteoriten
und Tektiten im Bogenspektrum etwa 0.003 v. H. Li.
Es ergibt sich hieraus folgender Bestand an chemischen Grund-
stoffen, gereiht nach ihrer Häufigkeit:
Tabelle 3.
Atombestand.
Ordnungs- zahl Zeichen Name v. H.
8 0 Sauerstoff . ........ 35.88 Í hievon metal-
26 Fe Eisen........... 22.87 lisch 13.20
14 Si Silizium.......... 18.00 1 oxydiert 9.67
12 Mg Magnesium........ 14.18
16 S Schwefel......... 2.80
13 Al Aluminium........ 2.05
20 Ca Calcium.......... 1.60
25 Mn Mangan .......... 0.94
28 Ni Nickel........... 0.88
11 Na Natrium.......... 0.86
19 K Kalium.......... 0.19
15 P Phosphor......... 0.14
27 Co Kobalt.......... 0.07
22 Ti Titan........... 0.06
24 Cr Chrom.......... 0.03
17 Cl Chlor........... 0.01
100.56 i i
In Abbildung 17 sind diese Werte gereiht nach steigender Ord-
nungszahl eingetragen.
Die in der Vorbemerkung erwähnte Beziehung zwischen Atom-
häufigkeit und Ordnungszahl ist deutlich erkennbar.
Mineralbestand:
Im frischen Bruch hat das Gestein ein weißlich-graues Aus-
sehen. Mit freiem Auge kann man einzelne Chondren der silikati-
schen Minerale und glänzende Teilchen von Nickeleisen und Troilit
in dem sonst dichten Mineralgemenge beobachten.
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
123
o
Z5-9
20
10
l
Fe
22 9
2 ¥ 6
Oro/nungszahf
8
■to
12 7V 16 18 20 22 21 26 28
Abb. 17. Atomhäufigkeit im Meteorstein von Prambachkirchen.
Die chemischen Grundstoffe sind nach ihrer Ordnungszahl gereiht. In lotrechter
Richtung ist ihr Anteil am Gesamtbestand in Hundertel aufgetragen. Atome mit
gerader Ordnungszahl sind bedeutend häufiger als die ihnen benachbarten mit
ungerader Ordnungszahl.
Die mikroskopische Untersuchung erlaubte die Unterscheidung
folgender Minerale:
O 1 i V i n = (Fe,Mg)2Si04, wobei in annähernder Übereinstimmung des
optischen und chemischen Befundes das Verhältnis von Fe2Si04 zu Mg2Si04
mit 1 : 3 festgelegt wurde. Vorherrschender Bestandteil, gelegentlich von Kri-
stallflächen umgrenzt; meist aber, wie bei allen übrigen Bestandteilen, fehlen
Kristallumgrenzungen, Korngröße meist 0.3—0.5 mm, höchstens 1 mm. Porphy-
rische Chondren.
Pyroxen = (Fe,Mg)Si03, Verhältnis FeSi03 : MgSi03 = 1:3, daher
als Hypersthen, beziehungsweise, da häufig monoklin, als Klinohypersthen zu be-
zeichnen. Feinfaserige, exzentrisch-radialstrahlige Chondren.
Oligoklas: = 80 Ab. 20 An. Ab = NaAl Si3Og
Meist zu Gruppen von Körnern ohne Kristallbegrenzung vereinigt.
Oligoklas-Maskelynit, glasig ausgebildeter Feldspat in Zwischen-
und Resträumen der übrigen Gemengteile.
M e TT i 11 i t: =' Nia2Ca3P20'8 = farblos, stärker lichtbrechend wie M'askely-
nit, schwach doppelbrechend. Füllung von Resträumen. Ein den Meteoriten spe-
zifisches Mineral.
Nickeleisen: = Fe mit 9.49 v. H. Ni. Bildet bis zu 1.00—1.50 mm große,
unregelmäßig geformte, lappige Körper, die ziemlich gleichmäßig verteilt zwi-
schen den silikatischen Gemengteilen liegen.
Troilit: = Fe S. Ebenfalls ein den Meteoriten spezifisches Mineral. Aus-
bildung und Einlagerung ähnlich dem Nickeleisen, mit dem er auch häufig ver-
wachsen ist.
Optisch nicht auflösbare, undurchsichtige Gemengteile von Korngrößen
meist unter 0.01 mm wurden als spinellartige Minerale (Chromit = FeCr204),
beziehungsweise als Ilmenit = FeTi03 gedeutet.
Unter Zugrundelegung der chemischen Analysenwerte läßt sich
folgender Mineralbestand berechnen:
An = CaAl2Si208
124 J- Schadler und J. Rosenhagen,
Tabelle 4.
Mineralbestand.
Gewichtsanteile Raum an teile
v. H. v. H.
Olivin............... 44.49 44.00
Pyroxen.............. 25.82 27.86
Oligoklas + Oligoklas-Maskelynit . . 12.37 16.92
Nickeleisen............. 9.27 4.27
Troilit............... 7.68 5.77
Merrillit.............. 0.85 0.97
Ilmenit + Chromit......... 0.26 0.21
100.74 100.00
Einreihung in das System der Meteorite.
In Abbildung 16 wurden die Atomwerte, gereiht nach steigen-
der Ordnungszahl aufgetragen und in Vergleich mit sonstigen Me-
teoritentypen gesetzt. Die Stellung des Prambachkirchner Steines
als Vertreter der Steinmeteorite tritt deutlich hervor; ebenso die
besondere Rolle des Sauersoffs, auf die schon früher hingewiesen
wurde. Man sieht, daß mit zunehmendem Sauerstoffgehalt und durch
Eintritt von Leichtmetallen der silikatische Charakter der Gesteine
zunimmt. Diese entscheidende Rolle des Sauerstoffs wiederholt
sich auch im einzelnen innerhalb der Gruppe der Steinmeteorite.
G. T. Prior11) konnte zeigen, daß bei höherem Sauerstoffgehalt
der Ni-Gehalt im Nickeleisen ansteigt und zugleich das Verhältnis
MgO zu FeO in den Silikaten sich zugunsten des letzteren Bestand-
teils verschiebt; das heißt, im metallischen Eisen reichert sich das
nicht so leicht oxydierbare Nickel an, das verbrannte Eisen erscheint
dafür im Silikatanteil. Reiht man die Chondrite nach steigendem
Sauerstoff und sinkendem Nickeleisen-Gehalt, so lassen sich nach
Prior folgende Typen der Chondrite unterscheiden.
Typen der Chondrite.
Typen nach Prior Kennzeichnung nach dem Silikatbestand Gehalt an Nickeleisen v. H. Fe:Ni im Nickel- eisen MgOiFeO im Silikat
I. Daniels-Kuil Enstatit-Chondrite . . . bis 25 13 5
II. Kronstadt Bronzit bzw. Bronzit-
Olivin-Chondrite . . . 10 10 5
III. Baroti Hypersthen bzw. Hyper-
sthen-Olivin-Chondrite 6—10 6—8 CO 1
IV. Sokobanja Hypersthen bzw. Hyper-
sthen-Olivin-Chondrite 6 2.5 2.5
") Prior G. T., On the remarkable similarity in chemical and mineral com-
position of chondritic meteoric stones. Min. Mag. 17 (1916) 33. Ferner Min. Mag. 18
(1919) 26 und Min. Mag. 19 (1920) 51.
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
125
Gemäß dieser Einteilung ist unser Stein dem Typus der
Hypersthen-Olivin-Chondrite, von Prior als B a r o t i-
Typus bezeichnet, zuzuzählen. Eine Gegenüberstellung der kenn-
zeichnenden chemisch-mineralogischen Verhältnisse zeigt die gute
Übereinstimmung.
_T ... Tabelle 6.
Vergleich
des Typus Baroti mit dem Prambachkirchner Meteorstein.
Chondrit Typus Prambachkirchen
Baroti nach Prior 1932
mittlere Zusam- TT TT
mensetzung v. H. V. Ii.
Nickeleisen............. 9 9.3
Troilit............... 6 7.6
Olivin............... 44 44.5
Pyroxen .............. 30 25.8
Feldspat.............. 10 12.4
sonstig............... 1 1.1
100 100.7
Nickeleisen Fe:Ni.......... 10 8.6
Olivin Mg 0 : Fe 0.......... 3 3.0
Pyroxen Mg 0 : Fe 0......... 4 3.1
Gefüge.
Die Gesamtfestigkeit des Prambachkirchner Steins ist eine ver-
hältnismäßig geringe. Zum Ausbohren der zylindrischen Bohrprobe
war unter gleichen Bedingungen ein Aufwand von nur der halben
Zeit wie bei einem frischen Andesit nötig.
In den Dünnschliffbildern sind alle Eigentümlichkeiten wieder-
zufinden, welche für das Gefüge der Chondrite als kennzeichnend
und eigenartig schon vielfach beschrieben wurden. In einer Grund-
masse, die aus staubförmig-feinen Mineralteilchen trümmerartig-
brecciös zusammengesetzt ist, liegen die kugeligen bis unregel-
mäßig ellipsoidischen Chondren von Olivin und Pyroxen in Größen
von 0.50—2.00 mm. Ein Olivinchondrum von 5 mm Durchmesser
bildet eine singuläre Erscheinung. Je 1 cm2 Querschnitt sind etwa
8—12 Chondren anzutreffen, wobei das Verhältnis von Olivin- zu
Pyroxenchondren sich etwa wie 2 : 1 verhält.
Wie erwähnt, zeigt nur der Olivin kristallographische Umgren-
zung. Er scheint das älteste Ausscheidungsprodukt des Gemenges
zu sein. Merrillit und Feldspatglas sind deutlich die jüngsten Er-
starrungen in Resträumen. Olivinanhäufungen scheinen sich mehr
mit dem Nickeleisen zu vergesellschaften, während die übrigen Ge-
mengteile ihrerseits öfters zu Anreicherungen zusammentreten.
III. Die Bahn und die Fallerscheinungen.
Die Meteoritenkunde hat unsere Anschauungen über den Auf-
bau des Kosmos aus den uns bekannten chemischen Grundstoffen
bestätigt. Mit dieser für unser naturwissenschaftliches Weltbild fun-
damentalen Erkenntnis erheben sich aber neue Probleme, die noch
der Lösung harren,, Probleme physikalisch-chemischer und vor
allem astronomischer Art.
Wie im vorangehenden Abschnitt ausgeführt wurde, unter-
scheiden sich die Meteorite, diese kleinen und kleinsten Weltkörper-
chen, wesentlich von den irdischen Gesteinen und man vermutet,
daß sie eine andere kosmische Entwicklung hinter sich haben als
die Erde. Mit dieser Frage nach ihrer Entstehung ist das astrono-
mische Problem ihrer Herkunft auf das engste verknüpft, welches
in erster Linie die Zugehörigkeit zu unserem Sonnensystem be-
trifft. Sind diese Eindringlinge, so fragen wir, solaren Ursprunges
und beschreiben sie, wie die Planeten, ihre Bahnen um die Sonne
oder kommen sie als kosmische Staubwolke, der wir zufällig be-
gegnen, aus entfernteren Gegenden des Weltenraumes?
Die Gesetze, die die Bewegungen der Himmelskörper, also auch
die der Meteore beherrschen, erlauben uns, hierüber eine Entschei-
dung zu fällen. Sie schreiben nämlich einem Körper in einem be-
stimmten Abstand von der Sonne je nach seiner Bahnform eine be-
stimmte Geschwindigkeit vor; überschreitet diese einen gewissen
Grenzwert, so erfolgt die Bewegung nicht in einer elliptischen, das
heißt periodischen Bahn, sondern in einer offenen hyperbolischen,
die eine Zugehörigkeit zum Sonnensystem ausschließt. Die astrono-
mische Untersuchung eines Meteorfalles läuft also darauf hinaus,
nach kritischer Durchsicht der Beobachtungen zunächst die Bahn
in der Atmosphäre zu bestimmen und schließlich unter Berücksich-
tigung der Erdbewegung die für das Problem wesentliche kosmische
Geschwindigkeit zu berechnen. Dieser Weg wird in den folgenden
Abschnitten über den Prambachkirchner Meteorsteinfall ausführlich
erläutert werden.
1. Das Beobachtungsmaterial.
Die Meldungen, die das Linzer Landesmuseum im Winter 1932/
1933 erhielt, ließen alsbald erkennen, daß dieser Meteorit eine ganz
ungewöhnliche und zunächst auch unverständliche Bahn beschrie-
ben hatte. Es zeigte sich, daß es sich nicht um eine schon in ande-
ren Fällen beobachtete geringe azimutale Verschwenkung, sondern
um eine Drehung der Flugrichtung von etwa 240 Grad handelte!
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
127
Über die Maßnahmen, die getroffen worden, otm die Realität
dieser Bahnanomalie nachzuprüfen und wenigstens einen Teil des
reichhaltigen Beobachtungsmateriales durch Nachmessungen und
Rückfragen einer exakteren wissenschaftlichen Bearbeitung zu-
gänglich zu machen, wurde im ersten Abschnitt berichtet. Es muß
betont werden, daß einzig und allein diese persönlichen Rück-
fragen die Grundlage für die folgende Untersuchung lieferten, die
somit nicht, wie es sonst meist der Fall ist, auf allgemeinen und weit-
schweifigen Laienbeschreibungen, sondern auf Zahlen und Daten be-
ruht. Wesentlich für die Beurteilung der Beobachtungen erwies
sich auch der persönliche Eindruck von der Zuverlässigkeit der
einzelnen Angaben.
Damit sind die Schwierigkeiten der Bahnbestimmung zwar
außerordentlich herabgesetzt, aber nicht vollkommen überwunden.
Es verbleiben die in der Natur der Sache liegenden prinzipiellen Un-
genauigkeiten, die sich schwer abschätzen lassen und nur durch
ein möglichst umfangreiches Beobachtungsmaterial ausgeglichen
werden können. Sie liegen in den Täuschungen, denen der Beob-
achter infolge der Überraschung ausgesetzt ist, welche die plötzlich
hereinbrechende Lichtfülle hervorzurufen pflegt. Deshalb sind auch
die Angaben über die „erste Sicht" mit Vorbehalt aufzunehmen,
auch wenn der Beobachter die Erscheinung gut im Gedächtnis be-
halten hat. Solche Täuschungen sind vor allem in den Gegenden zu
erwarten, die der Meteorit überquerte, wobei auch die meisten Fehl-
erinnerungen über die Bahnneigung vorkommen.
Aus diesen Erörterungen geht hervor, daß es sich bei der Bahn-
bestimmung eines Meteores weniger um eine astronomisch scharf
umrissene Aufgabe als vielmehr um die richtige, auf alle Umstände
Rücksicht nehmende Beurteilung der Laienbeobachtung handelt.
In der folgenden Tabelle 7 sind alle Meldungen zusammenge-
stellt, die irgendwie verwertbar waren. Einige Nummern fehlen
deshalb, weil sie sich entweder als unbrauchbar erwiesen oder sich
auf ein Meteor desselben Tages in den frühen Abendstunden be-
ziehen.
Auf den Seiten 133 bis 142 folgen die Auszüge aus den Original-
mitteilungen in stark gekürzter Form; ferner die Protokolle der
Rückfragen, bei denen die Wahrnehmungen, die sich auf die allge-
meine Bahnform und die Begleiterscheinungen beziehen, möglichst
wortgetreu übertragen wurden. Die Zahlenangaben dagegen wurden
in die Tabelle 7 aufgenommen. Enthielt der Originalbericht schließ-
lich gegenüber der Rückfrage merkliche Unterschiede oder gab er
mehr an, so wurde er ebenfalls wiedergegeben.
In der Kartenskizze (Abb. 18) sind die Beobachtungsorte mit
ihren Nummern eingetragen.
128 J. Schädler und J. Rosenhagen,
Tabelle 7.
Das Beobachtungsmaterial.
Nr. Name und Beruf Ort
1 Franz Pittrich, landw. Arbeiter Obergallsbach b. Prambachk.
2 Max Baurecker, Müllermeister Obergallsbach b. Prambachk,
3 Friedrich Stelzmüller, Soldat Linz a. d. Donau
4 Ernst Seelig, Landes-Reg.-Rat Kirchdorf a. d. Krems
5 Baumann, Oberlehrer Rüstdorf, Bez. Vöcklabruck
6 Frau Schuster, Senatspräsid.-Gattin Salzburg, Stadt
7 Leopold Franke, Förster Marsbach i. Mühlkreis
8 Johann Hauer, Landwirt Spielleiten b. Pfarrkirchen i. M.
9 Leopold Mandl, Maschinenwerkm. Obernberg b. Sarleinsbach
10 M. Salmesmüller, Buchhalter Linz a. d. Donau
11 Hanna Filgertshofer, kaufm. Angest. Gmunden
12 Karl Erb, Landwirt St. Willibald
13 Mitzi Nowotny, Oberlehrerstochter Weyregg a. Attersee
14 Karl Schmoll, Oberlehrer Frankenburg
15 Johann Reich, Kaufmann Frankenburg
16 Franz Winkelhofer Roßleiten b. Windischgarsten
17 Karl Andorfer, Bäckermeister Seewalchen
18 Johann Neundlinger, Hilfsarbeiter Steinhaus b. Wels
19 Josef Breitwieser, Landwirt Obergallsbach b. Prambachk.
20 Johann Sallaberger, Landwirt Obergallsbach b. Prambachk.
21 Rudolf Lehner, landw. Hilfsarbeiter Obergallsbach b. Prambachk.
22 Josef Strasser, landw. Hilfsarbeiter Prambachkirchen
23 Franz Kerschberger, landw. Hilfsarb. Prambachkirchen
24 Alois Kerschberger, Landwirt Prambachkirchen
25 Peter Aichinger, landw. Hilfsarbeiter Prambachkirchen
26 Franz Mathä, Landwirt Weinzierlbruck b. Waizenk.
27 Franz Stieglhuber, Landwirt Weinzierlbruck b. Waizenk.
28 Leopold Meindlhumer, Landwirt Gmeinholz b. Stroheim
29 Karl Königseder, Wirtschafter Gmeinholz b. Stroheim
30 Alois Gruber, landw. Arbeiter Gmeinholz b. Stroheim
31 Josef Pabinger, Schmiedemeister Steinhaus b. Wels
32 Pauline Lehner, Näherin Groß-Gerstdoppel, B. Griesk.
33 Johann Aschl, Landwirt Holzwiesen, Gem. St.Marienk.
35 Josef Reumaier, Gend.-Patr.-Leiter Aschach a. d. Donau
37 Johann Baumgartner, landw. Arbeiter Galham b. Prambachkirchen
38 W. von Unruh, Generalmajor Regensburg
40 Hans Anneg, Oberlehrer Lohnsburg
41 Marie u. Anna Danter, Gärtnerstöcht. Attnang-Puchheim
42 Johann Gamsjäger, Wachmann Gösau
43 Franz Klinglmaier, Auszügler Mitterstroheim b. Eferding
44 Ludwig Gruber, landw. Arbeiter Schnallersdorf b. Eferding
45 Josefine v. Pichler Hall i. Tirol
47 Matthäus Eisl, Gend.-Revier-Inspektor Mattsee
48 Michl Götzenbrugger, Arbeiter St. Lorenzen
49 Hubert Reisinger, Tischler Pinsdorf
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen. 129
Tabelle 7.
Das Beobachtungsmaterial.
Nr. Land Wetter ai hi a2 h2 Dauer Wahrneh- mungen Rück- frage
0 0 0 0 s
1 0. Ö. = — — — — 3—5 L Sch S
2 ?» = _ — — — — L Sch S
3 n O (346) — (246) — 3 L Sch S
4 n O 45 45 355 8 — M —
5 11 = L —
6 Sbg O — — 53 10 — M p
7 0. Ö. o 138 63 166 — — M Sch s
8 11 o 156 40 166 18 — M Sch s
9 11 = (71) (30) (231) — — L Sch s
10 11 — — — — — — L s
11 11 ? 325 33 8 (5) — M s
12 Ii o — — — — 3 L —
13 il o 41 28 36 14 4 M T s
14 il o « L s
15 Ii o 36 13 38 8 i cc M T s
16 il o — — — — 2 M —
17 Ii o 6 20 6 12 co 1 co M s
18 Ii o 316 35 — — 3 M s
19 Ii = L Sch s
20 Ii EE; — — — — 4 L Sch Gd
21 Ii = L Sch Gd
22 Ii 333 3 L Sch Gd
23 Ii nz: 3 L Gd
24 Ii - = 2—3 L Gd
25 Ii ~~ 3 L Gd
26 Ii = — — — — 7 L Sch Gd
27 Ii = L Sch Gd
28 Ii 333 — — — — 3 L Sch Gd
29 Ii 33= L Sch Gd
30 Ii -- L Sch Gd
31 il 33T — — — — 4 L S
32 Ii L Sch —
33 li EE — — — — 3—4 L Sch —
35 Ii EE — — — — 1 L Sch —
37 λ O — — 62 — co 1 M? —
38 Bay o M
40 0. Ö. o 114 29 (88) (0) — M S
41 11 o 326 28 13 5 4 M S
42 »Î o M? —
43 11 ? M Sch? F
44 11 ? — — — — — L Sch? F
45 Tir o 72 10 68 (6) — M C
47 Sbg ' o 66 30 — — _ M S
48 Stm o 241 20 308 4 4 M R
49 0. Ö. o 320 29 — 15 — M S
Jahrbuch des Oberösterreichis<?.hen Musealvereines. 86. Band. 9
130
J. Schadler und J. Rosenhagen,
Nr. N ame und Beruf Ort
50 Ferdinand Halbeck, Student Augsburg
51 Agathe Pfleger, kaufm. Angestellte Salzburg, Stadt
53 Richard Wagner, Ober-Tel.-Sekretär Augsburg
54 Käthe Niedermeier, Friseursgattin Augsburg
57 F. Hauptmann, Tierarzt Salzburg, Stadt
58 Alois Schönhofer, Landwirt Heimhart
60 Hans Dünisch, Müllergeselle Druisheim, Post Mertingen
61 Karl Stratberger, Gend.-Inspektor Eberstallzell
62 Josef Hirschler jun. Aflenz
64 Sepp Enichlmayer, Gastwirt Traunkirchen a. Traunsee
65 Josef Kaufmann, Gastwirt Schöntal, Gem. Pondorf
66 Josef Wolkerstorfer, Landwirt St. Johann am Wamberg
67 Ludwig Schartner, Gendarm Ried im Traunkreis
70 Lisi Plätzl München
72 Wilhelm Voit, Gärtner München
74 Stephan Grillinger, Oberlehrer Krokushütten, Post Winterbg.
75 Josef Marx, Jäger Waldkirchen b. Passau
76 Anton Böck, Werkmeister Deisenhofen b. München
77 Michael Knöpfle, Steuerinspektor Markt Oberdorf
80 Martin Seitz, Lokomotivführer Simbach
81 Sebastian Unterauer, Arbeiter Garching a. Alz
83 Alois Pils, Lehrer Ried im Innkreis
84 Martin Weiß Wallern
85 Georg Väth, Angestellter Partenstein a. d. Mühl
86 Josef Sterflinger, Friseurgehilfe Burghausen
88 Anne Faas Stuttgart
89 Hektor Kirsch, Maler Stuttgart
90 Robert Diez, Maler Zell am Neckar
91 Max Stelzer, landw. Arbeiter Hinzenbach b. Eferding
92 Frau Kaiser, Min.-Sekr.-Gattin Stuttgart
93 M. Eberhardt Zoltingen, Nördlingen
94 Wilhelm Thum, Landwirt Nördlingen
95 Josef Koblasa, Respizient Vorder-Heuraffl P. Friedberg
96 H. H. Pilz, Schriftleiter. Simonyhütte a. Dachst. (Hallst.)
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
131
Nr. Land Wetter ai hj »2 h2 Dauer Wahrneh- mungen Rück- frage
0 0 0 0 s
50 Bay 0 100 20 — — — M _
51 Sbg O _ 43 (48) (0) — M P
53 Bay O — — (90) (0) — M —
54 n o — — — — — M —
57 Sbg o — 38 (65) (0) — M P
58 Bay — — — — — 5—6 L —
60 Bay o (70) — (40) — — M —
61 0. Ö. o 36 17 356 9 372 M S
62 Stm — — — — — 3—4 L _
64 0. Ö. o 28 44 28 35 272 M S
65 11 ? — — — — 15? L Sch? —
66 11 o 186 55 211 12 8—9 M Sch S
67 11 ? — — — — 3 L Sch? —
70 Bay o M —
72 11 o M B
74 Bö o — — — — 3—4 L —
75 Bay o — — — — — M —
76 » o 119 42 59 8 10 - M Sch
77 11 o — — — — M —
80 11 o 194 20 169 17 — M S
81 » o (140) (20) — — — M —
83 0. Ö. O' 118 34 (108) 20 1—2 M T S
84 11 ? — — — — — L Sch —
85 11 = — — — — 2 L Sch —
86 Bay o 246 45 76 18 — M s
88 Wü o — — — — — M —
89 λ o 113 15 100 5 — M R
90 11 ? • — — — — — M —
91 0. ö. = L Sch —
92 Wü o M Bü
93 Bay o M —
94 » O M —
95 Bö o — — — — — M —
96 0. Ö. o 300 65 45 10 — M S
Legende: Land: 0. Ö. Oberösterreich, Sbg Salzburg, Tir Tirol, Stm Steiermark,
Bay Bayern, Wü Württemberg, Bö Böhmen.
Wetter: O klar, = Nebel.
ai, hi: Azimut und Höhe der ersten Sicht, Azimut von N über 0 gezählt.
a2, h2: Azimut und Höhe der letzten Sicht.
Eingeklammerte Werte bedeuten ungenaue Angaben.
Wahrnehmungen: M Beobachtung des Meteors, L Beobachtung eines ungewissen
Lichtscheines, Sch Schallwahrnehmungen, näheres siehe Tabelle 9.
Rückfragen: B A. Besenreiter in München, Bü Dr. Bühler in Stuttgart, C Dr. Czer-
mak in Innsbruck, F Oberlehrer Feichtinger in Stroheim, P Ing. Preuschen
in Salzburg, R Dr. Rosenhagen in Wien, S Dr. Schadler in Linz, Sch
Dr. Schütte in München.
Regensburg
Stuttgart
88,89,92
012
Prambaaikirchtnjy
0$sï ®85w$'
oHKor 5'
Aua5 bu ra
50,53,5j-
L/NZ
München
70,7z
A5/
Jnnsbruc/c
Abb. 18. Die Beobachtungsorte. Die ausgefüllten Kreise bedeuten Schallwahrnehmungen, (vgl. auch Abb. 19 und 26.)
c
o
bí
-G
C
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<s>
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c
ES
T3
03
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O
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CO
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
133
Auszüge aus den Originalberichten und Ergebnisse der Rückfragen.
1. (Rückfrage: S). Beob. befand sich von allen Zeugen des Meteoritenfalles
dem Aufsturzort am nächsten (130 m). Da er während des Ereignisses auf dem
Wege neben dem Gehöft stand (Abb. 1), ergaben sich für die Ermittlung der
Zeitintervalle zwischen den beobachteten Erscheinungen gute Anhaltspunkte. Die
Nachmessung, die sich von einer früheren durch etwas kleinere Werte unter-
scheidet (vgl. Fußnote auf Seite 121), ergab, vom Ende der Lichterschernung ge-
messen, folgende Werte: Doppelknall nach 25—30 Sekunden, Fallgeräusch hierauf
nach 6—8 Sekunden, welches mit einem deutlichen, dumpfen Aufschlag endete.
Der Zeitabschnitt zwischen den beiden Detonationen des Doppelknalles wird mit
1—2 Sekunden angegeben. Die erste Detonation war stärker, wie von einem
Büchsenschuß aus 1—2 km Entfernung, die zweite schwächer nach Art eines
Echos (vgl. 'hierzu auch die ausführliche Beschreibung auf S. 102).
2. . . . plötzlich erhellte sich das Firmament mit einem weißen Licht-
schein. Quelle und Richtung des Lichtscheins war infolge des dichten Nebels
nicht erkennbar. Ungefähr 25—30 Sekunden darauf folgte ein mittelstarker, nicht
besonders heller Knall, kurz darauf ein schwächerer; beide hörten meine Frau
und ich aus südöstlicher Richtung. Nachdem wir wieder 20—30 Schritte ge-
gangen waren, fing hoch oben in der Luft in nordwestlicher Richtung ein Surren,
wie von einem Flugzeug an, welches immer stärker und stärker werdend in den
Gurgelton einer Schrapnellhülse überging und mit einem lauten Aufschlag in
geringer Entfernung vor uns endete (Gehrichtung NW)."
3. (Rückfrage: S). Es war wolkenloses Wetter, über dem Stadtgebiet von
Linz lag eine Nebeldecke. Beob. befanden sich am Südabhange des Pöstling-
berges, Gehrichtung nach O. Eine plötzliche Helligkeit lenkte den Blick der
Beob. nach links (N). Es machte den Eindruck, als ob vom Pöstlingberggipfel
(Richtung 346°) ein Scheinwerferlicht sie trifft. Der Lichtschein (eine Feuer-
kugel wurde nicht beobachtet) schien bei gleich starker Helligkeit sich gegen
S zu verschieben und endete etwas rötlich gefärbt in der Richtung 246°. Dauer
der Lichterscheinung 3 Sekunden. Nach einigen Gesprächsworten setzten Beob.
den Weg fort und hörten nach 80—100 Sekunden (eher länger als kürzer) aus
westlicher Richtung ein Rollen (nicht dumpf, mehi* hell), das sich zu einem ex-
plosionsartigen Geräusch verstärkte (Dauer 5—8 Sekunden).
4. „. . . Gehrichtung S. Ich nahm einen starken, von rückwärts kommenden
Lichtschein wahr. Da ich einen Radfahrer vermutete, drehte ich mich um und
sah gerade noch am Himmel in einem steilen Bogen von NO kommend und zum
untersten Stern des Gr. Wagen ('1 Ursae maioris) verlaufend ein sehr helles,
gelbrotes Meteor verpuffen."
5. „. . . Richtungsbestimmung wegen des starken Nebels nicht möglich,
ungefähr nördlich, sehr starke Lichtwirkung, Farbe wie Magnesiumlicht."
6. (Rückfrage: P). Beob. stand in der Küche und richtete, von einer Licht-
erscheinung geblendet, den Blick auf das Fenster, worauf sie am Firmament,
oberhalb des Kapuzinerberges in wenig schräger Linie eine in bläulichem Lichte
erstrahlende Kugel von ovaler Form herunterfallen sah. Eine genaue Richtung
konnte sie nicht angeben. Der scheinbare Einfallswinkel betrug etwa 70°, NW
nach N.
7. (Rückfrage: S). Gehrichtung S, wolkenlos, im Donautal Nebel, der bis
etwa 500 m Seehöhe reichte, so daß Beob. sich knapp oberhalb der Nebelgrenze
befand und während der späteren Fallgeräusche die ersten Schritte in die dichte
Nebelbank machte. Plötzlich trat eine allseitige Aufhellung in grellem, weißem,
etwas grünlichem Lichte ein. Beob. sah steil links über sich die. Feuerkugel in
einem hellen. Schein aufleuchten. Leider bot die Nebelbank keinen präzisen An-
134
J. Schadler und j. Rosenhagen,
halt für die Richtungsbestimmung, Richtung und Höhe der ersten und letzten
Sicht wurde während des Gespräches dreimal nachgemessen. Die Mittelwerte
sind in der Tabelle wiedergegeben. Die Flugbahn verlief zunächst flach, fast
waagrecht, wurde dann aber rasch steiler und tauchte fast senkrecht in die Nebel-
bank unter. Die Feuerkugel hatte in der Flugrichtung eine scharfe kreisförmige
Abgrenzung, Durchmesser kleiner als Vollmondscheibe, und verlief nach rück-
wärts in einen langen, strahlenden Lichtschweif, der mindestens 20 mal so lang
wie breit war. Beob. erinnert sich, daß die Nebelfläche hierbei wie von einem
rasch vorüberhuschenden Scheinwerfer beleuchtet wurde. 15—20 Sekunden nach
der Lichterscheinung begann ein donnerähnliches Rollen, welches 30—40 Se-
kunden! hörbar war.
8. (Rückfrage: S). Gehrichtung der beiden Beobachter ONO. Wolkenlos,
im Tal Nebel. Eine rasch zunehmende, fiast plötzlich eintretende Helle lenkte
den Blick der Beob. steil, fast senkrecht wenig nach rechts in ihrer Sichtrichtung
nach oben. Markante Anhaltspunkte waren für die erste Sicht nicht gegeben.
Die Flugbahn verlief steil, fast senkrecht, Beob. hatten den Eindruck, daß sich
die Feuerkugel von ihnen entfernte. Noch vor Erreichen des durch Wald ge-
bildeten Horizontes erlosch die Lichterscheinung. Beob. setzten ihren Weg fort
und hörten nach 90-^100 Sekunden ein Rollen, das in der Stärke stark schwankte
und stoßweise zu- und abnahm. Das Rollen erschien dumpf, nicht hell, verstärkte
sich zu mehreren Knallen und endete langsam abnehmend. Dauer etwa 60—70
Sekunden. Die Form der Feuerkugel war vorne kreisförmig abgegrenzt und
ging rückwärts in einen langen Schweif über. Der Durchmesser des vorderen
Teiles war etwas kleiner als die Mondscheibe.
9. (Rückfrage: S). Gehrichtung NO. Ein Bergrand verdeckte den Ausblick
nach S, im Tal Nebel. Der plötzlich auftauchende Schein war so grell, daß
Beob. sich unwillkürlich gegen einen neben ihm stehenden Baum beugte. Der
Lichtschein bewegte sich von O nach W über den Scheitelpunkt des Beob., er
drehte sich um und sah Sarleinsbach hell beleuchtet durch den Nebel. Das Licht
war grünlichgelb. Nach 90 Sekunden (erste briefliche Mitteilung 137 Sekunden)
begann ein dumpfes, nicht helles Sausen wie von einem Exhaustor, das in einen
ebenfalls dumpfen Doppelknall überging, wobei beide Knalle gleich stark waren.
Dann hörte Beob. wieder ein donnerndes Rollen, das mit einem Geräusch endete,
wie etwa von einer einstürzenden Mauer. Dauer der ganzen ununterbrochenen
Geräusche 90—120 Sekunden.
10. (Rückfrage: S). Standpunkt östlich der Stadt im Nebel, Gehrichtung W.
Plötzlich tauchte rückwärts ein helles, mildes Licht auf, Beob. glaubte das Maxi-
mum des Lichtes steil über sich angeben zu können. Die Richtung, in der sich
die Erscheinung bewegte, konnte nicht angegeben werden.
11. (Rückfrage: S). Blickrichtung N, die nach WNW verlaufende Haus-
mauer wurde plötzlich von links, also von NW, durch eine etwa in 45—50° Höhe
befindliche grelle Lichtquelle scheinwerferartig erhellt, die anscheinend auf Beob.
zukam und sich nach N verschob. Beob. sah dann die Feuerkugel in rötlichem
Lichte, etwa in Vollmondsgröße sich in ziemlich flachem Bogen (25—30° geneigt)
nach abwärts bewegen und zwischen dem Geäst eines Baumes verschwinden.
Eine Teilung wurde, wie Beob. ausdrücklich vermerkt, nicht gesehen.
12. ,,. . . einmaliges Aufleuchten im O, Dauer 3 Sekunden.'4
13. (Rückfrage: S). Gehrichtung O. Beob. nahm plötzliche, allgemeine Auf-
hellung halblinks wahr. Während der Bewegung der Feuerkugel, die Beob.
recht sicher angeben kann, teilte sich die Lichtscheibe in zwei Teile, von denen
der vordere weißlich und der rückwärtige rötlich strahlte; ihm folgte ein ra-
ketenar'tiger Schweif. Größe der Lichtscheiben zwischen halber und ganzer Voll-
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
135
mondsgröße. Beim Verschwinden betrug der Abstand der beiden Lichtscheiben
etwa ihren Durchmesser. Dauer der ganzen Erscheinung 4 Sekunden.
Originalbericht: „. . . die Lichtstärke war mit dem Aufleuchten einer 50-
kerzigen Birne zu vergleichen. Die Kugel teilte sich während des Falles in zwei
Hälften; die erste oder untere behielt die Gestalt einer Halbkugel bei, während
die andere sich in eine Schweifbildung auflöste. Diese hatte eine rötliche bis
rotgelbe Farbe."
14. (Rückfrage: S). Einmaliges Aufleuchten im NO in bläulichweißlichem
Licht, Schweifbildung. Dauer 3 Sekunden. Beob. stand am Fenster, Aussicht
stark behindert.
15. (Rückfrage: S). Gehrichtung S. Wegen eines blendenden Lichtscheines
wendet sich Beob. nach links und sieht die bläulich strahlende Feuerkugel in
Biskuitform herabkommen. Während des Falles teilte sie sich; der gegenseitige
Abstand war beim Verschwinden hinter dem Kamm des Hofberges größer als der
etwa gleich große Durchmesser der beiden Lichtscheiben. Die vordere war
heller und weißlich, die nachfolgende dunkler und rötlich. Richtung und Höhe
gab Beob. recht sicher an. Dauer 3—4 Sekunden.
16. „. . . . einmaliges Aufleuchten im NW von etwa zwei Sekunden Dauer,
stärker als gutes Autolicht. Es wurde ein rötlicher Lichtstreifen beobachtet, der
einen Bogen beschrieb."
17. (Rückfrage: S). Gehrichtung nach NW. Durch plötzliche, scheinwerfer-
artige Aufhellung erschreckt, springt Beob. gegen rechten Straßenrand, da er
einen Kraftwagen vermutet, der sich von rückwärts nähert. Er dreht den Blick
gegen das Lichtmaximum halb rechts und sieht die etwas ovale Lichtscheibe,
wenig kleiner als der Mond, in weißlichgrüner Farbe fast senkrecht nieder-
gleiten. Seine Aussicht ist durch einen nahen Hang (10—15°) behindert. Dauer
3—3V2 Sekunden.
18. (Rückfrage: S). Beob. sah die Feuerkugel in Vollmondgröße in rötlichem
Licht mit rötlichem, lange nachleuchtendem Schweif fast senkrecht, ein wenig
gegen 0, unter 70° geneigt, niederglei-ten. Dauer 3 Sekunden. Richtungen und
Höhen gab Beob. recht sicher an.
19. Siehe Meldung 1.
20. und 21. (Protokoll des Gend.-Postens.) Beob. befanden sich etwas west-
lich der Fundstelle und bemerkten die plötzliche Erhellung, konnten jedoch wegen
des starken Nebels den Herd der Helligkeit nicht entdecken. Dieser Schein war
weiß und dauerte etwa 4 Sekunden an. Bald nach Erlöschen des Scheines hörten
die Beob. aus NNW einen Knall und sofort darauf einen zweiten, ähnlich wie
Pistolenschüsse. Anschließend vernahmen sie ein rollendes Geräusch, als ob in
der Richtung des Grubauerhauses (ist die Richtung des Fundortes) ein Flugzeug
niedergehen würde. Es dauerte ungefähr 10 Sekunden. Zum Schluß hörten sie
einen starken Aufschlag.
22. (Protokoll des Gend.-Postens.) Beob. befand sich IV2 km nordnordwest-
lich von der Fundstelle, als er den grellen Lichtschein wahrnahm, dessen Quelle
er allerdings ebensowenig wie Beob. 20 und 21 angeben konnte. Dauer 3 Se-
kunden. Nach 10—15 Sekunden hörte Beob. einen Knall aus Osten, wie von einem
in weiter Ferne abgeschossenen Sprengschuß. Ihm folgte ein Rollen, welches
aus nördlicher Richtung auf den Beob. zukam und das, nachdem es über ihn hin-
weggegangen war, in ein unheimliches, schwingendes Geheul überging. Das
Rollen und Heulen dauerte etwa 20 Sekunden. Einen zweiten Knall oder den
Aufschlag hörte der Beob. nicht.
23. (Protokoll des Gend.-Postens.) Beob. konnte nur berichten, daß er die
Lichterscheinung, die etwa 3 Sekunden andauerte, bemerkt hatte, aber keine
Geräusche.
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J. Schadler und J. Rosenhagen,
24. (Protokoll des Gend.-Postens.) Beob. sah helles Licht für die Dauer von
2—3 Sekunden aufflammen, hörte aber nichts.
25. (Protokoll des Gend.-Postens.) Beob. befand sich in der Nähe von Beob.
24 und hatte den Eindruck, als ob eine Sternschnuppe in südöstlicher Richtung
niedergegangen sei. Er bemerkte trotz des dichten bis auf den Boden reichen-
den Nebels genau, daß von der lichtesten Stelle aus ein blitzartiger Strahl in
Richtung Pratsdorf niederschoß (ist die Richtung des Hemmungspunktes).
26. (Protokoll des Gend.-Postens.) Beob. sah plötzlich einen sehr hellen
Schein in Richtung Gallsbach (Fundort). Er war bläulich und hatte Strahlen wie
eine zerspringende Rakete. Dauer etwa 7 Sekunden. Nach weiteren 7 Se-
kunden hörte Beob. aus derselben Richtung einen starken Knall und gleich darauf
ein 3 Sekunden dauerndes, donnerähnliches Rollen. Eine halbe Minute später
glaubt Beob. einen Knall aus NW, d. i. aus entgegengesetzter Richtung gehört
zu haben.
27. (Protokoll des Gend.-Postens.) Gehrichtung nach NW. Beob. vermutete
bei plötzlich auftretender Erhellung einen Radfahrer hinter sich, blickte sich um
und bemerkte gerade über sich einen Blitz in Form einer nach allen Seiten
ausstrahlenden Rakete. Der Schein war einige Sekunden zu sehen. Nach
20 Schritten (10—15 Sekunden) vernahm er hinter sich donnerähnliches Grollen
aus der Richtung Obergallsbach (Fundort), welches etwa eine Minute andauerte.
28. (Protokoll des Gend.-Postens.) Einvernahme gemeinsam mit 29 und 30.
Beob. befanden sich etwa 5—6 km nordnordwestlich von der Fundstelle. Sie
bemerkten plötzliche Erhellung, die so stark war, daß man trotz des Nebels
hätte lesen können. Die Quelle des Lichtscheines, der von gelblicher Färbung
war und etwa drei Sekunden andauerte, konnten sie nicht bestimmen. Nach
etwa 10 Sekunden hörten Beob. 28 und 30 aus SW einen starken, dumpfen Knall,
ähnlich einem in einiger Entfernung abgegebenen Sprengschuß. Anschließend
hörten sie aus der gleichen Richtung ein donnerähnliches Rollen.
29. . . . gibt für die Richtung der Geräusche eher SO an.
30. . . . berichtet dasselbe wie 28.
31. (Rückfrage : S). Beob. sah bei dichtem Nebel in der Richtung NNW eine
sehr starke Lichterscheinung wie aufflammendes Feuer in bläulicher und röt-
licher Farbe. Dauer 4 Sekunden.
32. „. . . . beobachtete ich einen gelbroten Streifen. Es folgte ein lang-
dauerndes Krachen und Sausen, wie mehrere Böllerschüsse, welches zunächst
aus W zu kommen schien, dann aber aus NO."
33. „. . . . sah einen Streifen von S nach N fliegen, der weißlich-rötliche
Färbung hatte. Trotz des Nebels konnte ich einen länglichen Streifen beobachten,
der sich zuerst zur Erde neigte und sich dann wieder gegen den Horizont erhob.
Dauer etwa 3—4 Sekunden. Nach weiteren 15—20 Sekunden vernahm ich aus
N ein Sausen und ein schußartiges Knattern wie von einem Motor."
35. „. . . . Die Himmelsrichtung des Lichtscheines war nicht feststellbar,
da ich mich momentan in einem Lichtkegel zu befinden glaubte. Eine besondere
Form oder eine Schweifbildung konnte ebenfalls nicht beobachtet werden. Etwa
30—35 Sekunden nach der Lichterscheinung vernahm ich in westlicher Richtung
drei dumpfe Detonationen und gleich darauf ein rund 20 Sekunden andauerndes
Geknatter, das so täuschend dem eines Flugzeuges ähnelte, daß ich mich ver-
anlaßt sah, nach einem solchen Ausschau zu halten."
37. ......Zuerst bemerkte ich aus W einen hellen Schein, dann einen
langen Streifen von SW nach NO steigend, der vorn zugespitzt war. Dauer 3—4
Sekunden. Hinter Mairing (ist die Richtung zum Hemmungspunkt, ONO) ging
der Streifen zur Erde nieder. Er flog in schräger, mehr waagrechter Richtung."
Der Meteorsteinfa.ll von Prambachkirchen.
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38. „. . . (Schriftliche Antwort auf eine Anfrage Dr. Schadlers.) . . ich sah
ganz deutlich ein sehr niedrig fallendes Meteor, das eine Feuerlinie bildete, von
S nach 0 fliegen, dem Lauf der Donau entsprechend."
40. (Rückfrage: S). Gehrichtung NO. Beob. nahm flackerndes Aufleuchten
wahr, welches zunimmt und in hellem, grünlichem Licht die Häuser beleuchtet.
Beob. wandte sich nach rechts und sah einen farbigen Streifen unter einem Win-
kel von 50° gegen N einfallen. Die Feuerkugel selbst wurde nicht beobachtet;
dennoch gab Beob. Richtungen und Höhen recht sicher an.
41. (Rückfrage: S). Beob. ging nach W, als sie von allgemeiner Helle ge-
blendet den Blick nach rechts wandte. Sie sah die Feuerkugel in langsamer Be-
wegung steil nach N einfallen. Die gemessenen Richtungen sind unsicher, da der
Horizont keine markanten Anhaltspunkte bietet. Das Licht war rötlich, ebenso
der Schweif. Größe entsprach dem Vollmonde; während des Fluges wurden
keine Veränderungen beobachtet. Dauer 4—4V2 Sekunden.
42. „. . . es machte mir den Eindruck, als ob ein strahlender Mond nach
NO niederginge. Das Aufleuchten wurde nur einmal beobachtet und dauerte etwa
2 Sekunden. Die Erscheinung wurde durch ein Fenster beobachtet, bevor ich es
öffnen konnte, war alles schon vorüber."
43. (Meldung erstattet von Oberlehrer Feichtinger, Stroheim.) Die Licht-
erscheinung näherte sich dem Beob. Je näher sie kam, desto schneller war die
Bewegung und desto mehr konnte man eine lange, rötlich glühende Stange unter-
scheiden, die vorn einen faustgroßen Kopf hatte, von dem sich Funken loslösten.
Dieser Streifen flog immer in derselben Höhe, ohne durch etwas verdeckt zu
werden; er kam etwa aus nordwestlicher Richtung und flog nach Hinzenbach—
Fraham weiter (d. h. Flugrichtung NW—SO). Dann erfolgte ein zwei Minuten
andauerndes, gleichmäßiges Sausen wie von einem fernen Motor.
44. (Meldung erstattet von demselben.) Einmaliges Aufleuchten aus nörd-
licher, etwas nordöstlicher Richtung, Licht war heller als Vollmond und erschien
rötlich. Dann hörte Beob. aus südlicher Richtung einen Doppelknall, der schwä-
cher war als ein Schuß aus einem Jagdgewehr.
45. (Rückfrage: C). Beob. sah das Meteor vom östlichen Ausgang der Stadt
Hall i. T. in der Richtung Kufstein niedergehen. Es flog in schwach geneigter
Bahn relativ langsam. Richtungen und Höhen konnte Beob. zwischen den Bergen
des Inntales sicher angeben. Beob. hatte den Eindruck einer grünen Leuchtkugel.
47. (Rückfrage: S). Beob. befand sich in Gehrichtung ONO und sah die
Feuerkugel vor sich in ziemlicher Höhe in gelblich-grüner Farbe aufleuchten. Sie
hatte die Form eines länglichen Rechteckes und bewegte sich fast senkrecht nach
abwärts.
48. (Rückfrage: R). (Dieser einzige, in größerer Entfernung östlich der Meteor-
bahn befindliche Beob. sah das Meteor in einem sehr frühen Zeitpunkt, wahr-
scheinlich gleich nach dem Aufleuchten. Seine Wahrnehmung ist deshalb für die
Beurteilung des ersten Bahnabschnittes von besonderer Bedeutung.) Beob. stand
auf einem Platze inmitten des Ortes und sah im Moment des Aufleuchtens des
Meteors nach W. Er blickte sofort nach links und sah dann etwas westlich der
Hochhaide (Azimut 234°, Höhe 18°) das Meteor von links kommen; es bewegte
sich in schwach geneigter Bahn, eine Zeitlang durch ein Haus verdeckt, nach NW,
über das Paltental und den Dürrenschöberl und verschwand gegen den Pyhrn zu.
Die Form war zwar kreisförmig und ganz anders als ein Stern, aber wesentlich
kleiner als der Mond. Die Helligkeit glich ungefähr dem Schein des Halbmondes
(am 5. 11. 32 war gerade Halbmond). Als Zeitdauer wurde 4 Sekunden an-
gegeben. Beob. hatte sich die Richtungen und überhaupt den ganzen Verlauf der
Erscheinung wegen des Zeitungsaufrufes besonders gut eingeprägt.
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J. Schadler und J. Rosenhagen,
49. (Rückfrage: S). Gehrichtung war genau W. Plötzlich befanden sich die
Beob. (H. Reisinger zusammen mit A. Stadlmayer) in einem hellen Lichtschein,
dessen Quelle sie zunächst nicht feststellen konnten. Nach einigen Momenten des
Umschauens bemerkten sie im NW einen gelblichen Lichtstreifen steil gegen den
Horizont verlaufen; eine besondere Form und auch die Farbe war ihnen nicht
mehr erinnerlich. In der ersten schriftlichen Mitteilung wurde von einem röt-
lichen, gebogenen Streifen gesprochen.
50. „. . . mein damaliger Standpunkt mitten in der Stadt war ganz beson-
ders ungünstig, so daß ich über die zweite Sicht nichts aussagen kann; auch den
Höhenwinkel kann ich nicht mehr zuverlässig angeben, besser jedoch die Himmels-
richtung der ersten Sicht."
51. (Rückfrage: P). Beob. befand sich auf unbeleuchteter, freier Straße und
wurde durch die plötzliche, intensive Beleuchtung derselben auf das Meteor auf-
merksam. Die Einfallsrichtung wurde auf einer Spezialkarte nachgemessen, auf
der Beob. ihren Standpunkt genau bezeichnen konnte. Den Einfallswinkel (steil
von O nach N) gab die Beob. recht sicher an. Diesem Wert und dem Endazimut
kommt bedeutend größeres Gewicht zu als der Beobachtung Nr. 6.
53. „. . . Beobachtung vom Fenster aus, mit weiter Aussicht. Meteor er-
schien wie ein kleiner Ball, der von S nach O flog. Meteor verschwand direkt
hinter Friedberg (genau östlich)."
54. „. . . sah das Meteor in südöstlicher Richtung."
57. (Rückfrage: P). Beob. hatte einen sehr ungünstigen Standort. Ihm war
die Sicht teilweise verdeckt, er konnte keine genauen Bezugspunkte angeben,
eher die allgemeine Richtung. Der vom Stadtplan abgenommene Wert ist nicht
sehr verläßlich. Beob. stand mit dem Gesicht nach SW und wurde erst durch
die allgemeine Helligkeit zum Umsehen veranlaßt. Er gab aber ohne jedes Zögern
an, daß das Meteor im NO von O her niedergegangen war. (In Ubereinstimmung
mit Nr. 51.)
58. (Rückfrage durch Florian Wimmer.) Die Beob. befanden sich auf einem
Spaziergang in südlicher Richtung, als sie durch den starken Nebel hindurch im
SO die Feuererscheinung bemerkten, die etwa 5—6 Sekunden andauerte. Es war
ihnen, als ob sie von dem Licht eines ungeblendeten Autoscheinwerfers beleuch-
tet würden. Die Helligkeit übertraf die des Vollmondes bei weitem. Uber die
Form der Feuerkugel und die Flugbahn konnten sie wegen des Nebels keine Aus-
sagen machen.
60. „. . . Das erste Aufleuchten sowie die Flugbahn und das Verlöschen sah
ich in nordöstlicher Richtung. Je mehr das Meteor sich der Erde näherte, desto
mehr entfernte es sich von mir. Die Flugbahn war schräg, und nicht senkrecht.
(In beiliegender Skizze mit den eingezeichneten Richtungen der ersten und letzten
Sicht, stimmt zwar die dem Uhrzeiger entgegengesetzte Flugrichtung; die Azimute
sind aber weit gefehlt.)
61. (Rückfrage: S). Gehrichtung außerhalb des Ortes nach NW. Beim plötz-
lichen Aufhellen der Gegend in grünlichem Lichte blieben Beob. und sein Be-
gleiter, Probegendarm Eduard Grill, stehen. Beob. machte dann eine Wendung
nach rechts und bemerkte die Feuerkugel im NO in bläulich-grünem Lichte mit
langem leuchtenden Streifen." Ein kurzes Stück wurde sie unsichtbar und kam
dann in rotem Licht wieder hervor in nördlicher Richtung, wo sie mit einer Nei-
gung von 8—10° niederging und am Horizont verschwand. (In der Original-
mitteilung wird der Farbwechsel erwähnt, während bei der Rücksprache be-
hauptet wird, daß die Farbe unverändert blieb und daß nur die Helligkeit etwas
abnahm.) Die Nachmessung der Dauer der gesamten Erscheinung ergibt als
Mittel von zwei Werten 3.5 Sekunden.
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
139
62. . . ich ging in östlicher Richtung bei starkem Nebel spazieren, als ich
eine starke Erhellung des Firmamentes gewahrte, welche von W zu kommen
schien. Ich blickte mich um und sah folgendes: Das Meteor dürfte in unmittel-
barer Nähe des Polarsternes aufgetaucht sein und seine Bahn in westlicher Rich-
tung, vielleicht etwas nordwestlich genommen haben. Es währte 3—4 Sekunden."
64. (Rückfrage: S). Beob. stand auf der Straße mit dem Blick nach SO. Er
bemerkte grelles Aufleuchten links seitwärts hoch über dem Dach des Hotels am
Stein. Die Feuerkugel strahlte in grünlich-bläulichem Lichte und hatte etwa die
Größe der Vollmondscheibe. Sie bewegte sich in einer spiraligen Kurve mit
etwa 4 Umdrehungen fast senkrecht nach abwärts und verschwand schon in 35°
Höhe hinter einem Hausdach. Die spiralige Drehung der Flugbahn hat der Beob.
in sehr deutlicher Erinnerung; sie fiel ihm besonders auf. Dauer der Sichtbarkeit
2—2V2 Sekunden.
65. „. . . Einmaliges Aufleuchten in rötlicher Farbe im 0, außerordentlich
hell. Von 0 wurde ein Sausen vernommen." (Es ist weder eine Bemerkung über
das Wetter noch über die Zeitdifferenz angegeben.)
66. (Rückfrage: S). Gehrichtung nach NW. Es wurde fast senkrecht über
dem Beob. hell, er machte eine Wendung nach links und sah einen scheinwerfer-
artigen Lichtstreifen sich fast senkrecht nach abwärts bewegen, der die Talwiese
in grell weißliches Licht tauchte. Etwa in 34° Höhe erfuhr die Bahn eine fast
senkrechte Ablenkung nach rechts, die Lichterscheinung nahm die Form einer
nahezu kreisförmigen, bläulichstrahlenden Scheibe an. Sie war etwa doppelt
so groß wie der Vollmond und verlor allmählich die strahlende Scheinwerfer-
helligkeit. Die Bahn verlief nun fast waagerecht, senkte sich in schwacher Krüm-
mung nach abwärts. Die Erscheinung erlosch in Sichtrichtung 211° in einer Höhe
von etwa 12°, noch bevor das Meteor den aus einem Waldrücken gebildeten
Horizont erreichte. Es strahlte am Schluß in allen Farben, bläulich und rötlich.
Eine Schweifbildung konnte nicht beobachtet werden. Das Verlöschen geschah
so allmählich, daß Beob. meinte, die dunkle Kugel noch über den Bäumen des
Waldes schweben zu sehen. Die Zeitdauer der gesamten Lichterscheinung be-
trug 8—9 Sekunden.
Nach mindestens 30 Sekunden (wahrscheinlich längerer Zeit, da die Zeit
des Stehenbleibens nach Beendigung der Lichterscheinung nicht mehr erinnerlich
ist) vernahm Beob., gemäß seiner ersten Originalmitteilung, die bald nach der
Auffindung des Meteoriten erfolgte, zuerst einen starken Knall und dann aus der
Richtung des Verschwindens der Feuerkugel ein donnerartiges, stoßweises Rollen,
wie wenn ein Zug über eine Steigung fährt; an etwa 10 solcher Stöße glaubt
Beob. sich erinnern zu können. Bei der Rücksprache gab er ferner an, daß das
60 Sekunden dauernde Geräusch mit einem kurzen Knall endete.
67. „. . . einmaliges bläuliches Aufleuchten in der Dauer von 3 Sekunden
in nördlicher Richtung. Die Form ist mir nicht mehr erinnerlich, da ich der Er-
scheinung zuerst den Rücken zuwandte. Dann vernahm ich aus nördlicher Rich-
tung (Zeitdifferenz nicht angegeben) ein Geräusch, wie wenn in der Ferne mehrere
Schüsse abgegeben worden wären."
70. (Rückfrage: Sch). Beob. befand sich in ihrem Heimgarten und bemerkte
das Meteor in nahezu östlicher Richtung; sie sah nur einen Teil der Bahn und
konnte namentlich über den Punkt des Verschwindens keine sicheren Angaben
machen. Höhe und Richtung der ersten Sicht konnten nachgemessen werden.
72. (Rückfrage: B). Originalbericht: „Südöstlich von München beobachtete
ich einen raketenähnlichen weiß-grünlichen Lichtschein. Ich sprang vom Rad
herunter und sah ihn von W nach 0 niedergehen." Beob. gab mündlich an, daß
die Bahn nur wenig gegen den Horizont geneigt war. Die Höhe über dem Hori-
140
J. Schadler und J. Rosenhagen,
zont war während der ganzen Flugzeit sehr gering. Die Farbe war hellgelb bis
grünlich, die Helligkeit so groß, daß Beob. 200—300 m entfernte Häuser be-
leuchtet sah.
74. . . meine Blickrichtung war gegen N. Plötzlich erblickte ich vor mir
die scharf abgegrenzten Schatten der Äste des unmittelbar hinter mir im Haus-
garten stehenden, schon entlaubten Fliederbaumes, fast wie bei Sonnenschein.
Der Mond leuchtete nur wenig. Zunächst vermutete ich einen besonders grell
leuchtenden Autoscheinwerfer von S, wandte mich rasch um und sah nun das
grelle Licht des Meteors, das anscheinend an unserem südlichen Horizonte nieder-
ging. Leider behinderten Bäume meine Aussicht in dieser Richtung, so daß ich
nur mehr die Lichtquelle, nicht aber deren Form erkennen konnte. Als Zeitdauer
glaube ich 3—4 Sekunden angeben zu können. Die Richtung war S, vielleicht von
hier etwas gegen O."
75. (1. Mitteilung): „. . . ich sah am Himmel in südwestlicher Richtung (Irr-
tum!) eine Sternschnuppe von ungewöhnlicher Helle. Erst hatte sie die Form
einer Kegelkugel und nahm nach halber Bahn, die ich beobachten konnte, die Ge-
stalt eines langen Dreieckes an. Sie hinterließ Strahlen, die an den Schweif
eines Kometen erinnerten. Die Bahn verlief erst waagerecht in einem sanften
Bogen und ging dann fast senkrecht zur Erde nieder. Von Geräuschen habe ich
nichts wahrnehmen können, mein Gehör ist allerdings nicht auf der Höhe."
(2. Mitteilung): „. . . ich hatte meinen Standpunkt im Tal, vor mir lag ein
Höhenrücken mit einer Bodenerhebung von ca. 200 m. Das erste Aufleuchten
dürfte etwa in der Mitte zwischen Sternenhimmel und Erde gewesen sein. Die
größte Helligkeit verbreitete das Meteor in seinem zweiten Bahndrittel, nachdem
es im Bogen den Scheitelpunkt verließ und die Gestalt eines Kegels annahm."
Skizze der Flugbahn liegt bei.
76. (Rückfrage: Sch). Beob. schilderte das Meteor als einen gleichmäßig
runden Ball von blendender Helle, wie Eisen in Weißglut. Es beschrieb in etwa
10 Sekunden eine leicht gekrümmte Bahn von SO nach O. Veränderungen wur-
den nicht beobachtet; das Meteor verschwand hinter Tannen. Die Angaben des
Beob. machen einen recht zuverlässigen Eindruck.
77. „. . . fuhr mit meinem Motorrade in südlicher Richtung. Plötzlich wurde
mein Blick durch einen Lichtschein 'am östlichen Himmel von der Fahrstraße
abgelenkt."
80. (Rückfrage: S). Beob. befand sich auf der Brücke Braunau—Simbach
in Gehrichtung nach NNW. Er wurde durch eine außerordentliche Helligkeit ver-
anlaßt, stehen zu bleiben und sich nach links umzuwenden. Er sah die Feuerkugel
am südlichen Himmel in ziemlich flacher Bahn in blauem Lichte strahlend sich
gegen das Dach der Braunauer Kirche bewegen, hinter dem sie verschwand. Sie
zog einen sprühenden Funkenstreifen nach sich und hatte die Form einer lang-
gestreckten Birne.
81. (1. Mitteilung): „Ich ging nach W als es-hell wurde, und ich glaubte es
käme ein Auto. Ich schaute mich um und sah am Firmament einen Stern halb so
groß wie der Mond und so langsam niedergehen, daß ich auf der Kirchturmuhr
sah, daß es 8/4l0 Uhr war."
(2. Mitteilung): „. . . übersende Ihnen eine kleine Zeichnung. Ich war von
dem Wald ungefähr 200 m entfernt und sah die Feuerkugel in der angegebenen
Höhe über dem Wald in südöstlicher Richtung."
83. (Rückfrage: S). Gehrichtung des Beob. nach S. Eine allgemeine Auf-
hellung lenkte den Blick nach O, wo Beob. das Meteor sah. Es bewegte sich in
einer um 55° geneigten Bahn gegen N abwärts und verschwand hinter einem Dach.
Die Farbe war hell- weißlich und bläulich, die Form birnenähnlich, in der Größe
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
141
des Vollmondes. Das Meteor hinterließ einen langen, nachglühenden Streifen. —
In der Originalmitteilung schreibt Beob. noch folgendes: „Ob mehrmaliges Auf-
leuchten vorhanden war, ist mir weniger in Erinnerung und in meinem Tagebuch
nicht verzeichnet, wohl aber das Eine, daß sich von dieser Feuermasse ein Teil
ebenfalls loslöste und vergaste. Die Gasse, in der ich das Meteor beobachtete,
ist nur 5—6 m breit."
84. „. . . es wurde einmaliges, bläuliches Aufleuchten, in der Stärke einer
besonders kräftigen Straßenbeleuchtung im N beobachtet. Dann folgte ein Knall
wie ein Kanonenschuß und hierauf ein Sausen, das einige Sekunden dauerte.'4
85. „. . . infolge des ziemlich starken Nebels konnte ich nur ein schnelles
Zunehmen eines kräftigen Lichtscheines wahrnehmen und dann ein langsames Ab-
nehmen in südlicher Richtung. Nach 60—80 schnellen Schritten hörte ich die
erste, zwei Sekunden später eine zweite Detonation, vergleichbar mit einem
Sprengschuß in einem Steinbruch in 1 km Entfernung. Der Schall kam ungefähr
aus südlicher bis westlicher Richtung."
86. (Rückfrage: S). Gehrichtung des Beob. war NNW. Ein plötzliches
blendend helles Aufleuchten halblinks vorne, veranlaßte den Beob. und seinen
Begleiter stehen zu bleiben. Die Feuerkugel bewegte sicih vor ihren Augen1 in
etwa gleichbleibender Höhe, nur wenig sich nach abwärts neigend, über N nach
0. In der Richtung NNO machte sich in einer Höhe von etwa 30° eine auffallende
Versteilung der Flugbahn bemerkbar. — Die Angaben über die scheinbare Bahn
des Meteors werden ungefähr stimmen, die Azimute sind aber ganz unverständ-
lich, besonders da nach diesen Beobachtungen das Meteor sich um mehr als 180°
bewegt haben müßte. Der Standort der Beob. gewährte zwar einen freien Aus-
blick, das Gelände bietet aber im W und O keine prägnanten Anhaltspunkte für
das Erinnerungsbild. Zu verwenden sind diese Beobachtungen nicht.
88. „. . . plötzlich sah ich das Meteor begleitet von einem gelblich-grünen
Scheine, in west-östlicher Richtung fallen. Es dauerte ungefähr 10 Sekunden."
89. (Rückfrage: R). Diese Beobachtung hat wegen ihrer bedeutenden Ent-
fernung von der Bahn des Meteors besonderes Interesse. Gelegentlich einer
Reise konnte der Beob. aufgesucht werden. — Im Originalbericht heißt es: „Plötz-
lich tauchte in südöstlicher Richtung das Meteor auf und verschwand schnell und
in einem Winkel von 55° hinter den Häusern." An diese Häuser konnte sich
Beob. erinnern und gab Azimute und Höhen ohne Zögern an. Leider stellte es
sich heraus, daß nur ein sehr kurzes Bahnstück gesehen worden war. Die Nei-
gung, die sich tatsächlich zu etwa 45° ergibt, wird kaum stimmen. Beob. gab die
Bahn nach der Erinnerung etwa parallel zu einem ebenso geneigten Hausdach an.
90. . . daß ich um die fragliche Zeit einen Lichtstrahl erblickte, welcher
in südöstlicher Richtung am Horizont niederging."
91. „. . . sah nur das Aufleuchten im SW (starker Nebel) und hörte nach
ca. 2 Minuten einen dumpfen Knall."
92. (Rückfrage: Bü). Die ganze Bahn des Meteors ist offenbar nicht ge-
sehen worden, sondern nur ein Teil zwischen den Häusern, Azimut 140—110°. Die
Bahn lag parallel zum Horizont in etwa 5° Höhe. Die Angaben scheinen nicht
unbedingt zuverlässig zu sein. Farbe bläulich. Der Originalbericht lautete:
„. . . das Meteor flog in west-östlicher Richtung ganz langsam in geringer Höhe
am Horizont entlang. Es hatte die Gestalt einer leuchtenden Kugel von rötlicher
Färbung."
93. „. . . beobachtete ich das Meteor am süd-östlichen Himmel; es zog gegen
O. Die Nacht war momentan mondhell erleuchtet."
94. Originalbericht vom Jänner 1933: „Der Stein fiel in der Richtung von W
nach O in kurzem Bogen."
»
142 J- Schadler und J. Rosenhagen,
95. (Meldung übermittelt von Prof. Spengler in Prag.) . . anläßlich eines
Dienstganges erblickte ich ein Meteor von violettgelber Farbe, das in der Rich-
tung von O nach SW flog."
96. (Mündliche Berichterstattung an Dr. Schadler in Linz.) Beob. befand
sich am Vorplatz der Simonyschutzhütte (2203 m) am Dachstein mit freier Aus-
sicht gegen N, wohin er auch im Moment blickte, als eine allgemeine Erhellung
in grünlich-bläulichem Farbton eintrat. Beob. lenkte den Blick zum Himmel-
scheitel, ohne aber eine nähere Wahrnehmung zu machen, als nach einigen
Augenblicken, die Beob. zu Bruchteilen einer Sekunde schätzt, halb links über
ihm aus der Richtung Adamekhütte (Westen) die Lichterscheinung in ganz unge-
wöhnlicher Stärke anschwoll. Während sie in einer nicht sehr steilen, etwas
nach oben gekrümmten Kurve sich bewegte, lokalisierte sie sich, d. h. die Licht- ,
fläche, verschmälerte sich und es machte den Eindruck, als ob die Vorderseite,
in der Flugrichtung gesehen, eine schärfere Abgrenzung hätte, während auf der
Rückseite der Erscheinung das Leuchten allmählich in das Dunkel des Himmels
überging. Die letzte Sicht erfolgte über der Hochfläche des Totengebirges, etwa
in der Richtung des Hohen Priels. Nach dem scheinbaren Untertauchen der Licht-
fläche hinter dem Totengebirge war ein Nachleuchten, eine Art Nachzittern des
Lichtes als neuerliche geringe Aufhellung zu bemerken. Im W und SW erhebt
sich das umliegende Gebirge nur bis etwa 20° Höhe.
2. Die Bahn des Meteoriten in der Atmosphäre.
Die größeren Meteore oder Feuerkugeln, die in den höheren
Schichten der Atmosphäre vollständig verdampfen, pflegen am
Ende ihrer Leuchtbahn explosionsartig zu zerplatzen. Durch diese
Erscheinung wird ein bestimmter Punkt ihres atmosphärischen We-
ges in so auffallender Weise gekennzeichnet, daß er sich dem Ge-
dächtnis der Beobachter leicht einprägt und als Grundlage der
Bahnbestimmung dienen kann. Ist außerdem noch ein weiterer Bahn-
ort in der Erinnerung festgehalten, so läßt sich die wahrscheinlich-
ste Lage des Radiationspunktes am Himmel, das heißt desjenigen
Punktes, von dem das Meteor zu kommen schien, nach mathemati-
schen Methoden bestimmen, allerdings nur unter der Voraussetzung,
daß die Flügbahn eine Gerade war.
Eine derartige Behandlung der Fallbeobachtungen des Pram-
bachkirchner Meteoriteft kommt nun aus mehreren Gründen nicht in
Frage. Da er groß genug war, um den Luftpanzer der Erde zu
durchdringen, ereigneten sich am Ende der sichtbaren Bahn keine
besonderen Leuchtphänomene. Außerdem war seine Bahn nicht ge-
radlinig — sie hatte vielmehr die Gestalt einer spiralartigen Raum-
kurve — so daß die Beobachter verschiedene Teile der Flugbahn
erblickten. Die Endhöhen sind also nicht in der üblichen Weise auf
trigonometrischem Wege zu verwerten. Ist das Material aber, wie
in unserem Falle, reichhaltig genug, so überschneiden sich an meh-
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
143
reren Stellen die Blicksektoren, die mit ihren Höhen nach und nach
die Konstruktion der atmosphärischen Bahn ermöglichen. In eine
Landkarte werden die nachgemessenen Himmelsrichtungen (Azi-
mute) eingezeichnet und die beobachtete Bewegung des Meteors
durch einen kleinen Pfeil markiert. So läßt sich zunächst ein Urteil
über die Bahnrichtung fällen; liegt sie einmal vor, so erhält
man die Bahnneigung dadurch, daß die einzelnen Visuren mit
der Meridianebene12) zum Schnitt gebracht werden. Sollten sich
einige Richtungen auf bestimmte Bahnstellen konzentrieren, so
wählt man diese als Bezugspunkte der Bahn, deren lineare Höhen
über dem Erdboden dann leicht zu berechnen sind.
Beschreibung der atmosphärischen Bahn.
Die Bahn unseres Meteoriten läßt sich in vier Abschnitte unter-
teilen, die durch die Bezugspunkte A, T und H getrennt sind.
1. Der Meteorit ist vermutlich über dem westlichen Oberitalien
aufgeleuchtet, hat die Hohen Tauern in etwa 50, das Salzkammergut
in 25 Kilometer Höhe überflogen, wobei die Neigung, die zuerst
17° betrug, sich entgegen der Schwerewirkung auf 8° verringerte.
Die Bahn verlief recht genau südwestlich-nordöstlich. Von diesem
Bahnteil, der mit dem Bezugspunkt A endet, und der mit einer Ge-
schwindigkeit von rund 45 km/sec. durcheilt wurde, liegen nur we-
nige Beobachtungen vor, so daß er leider der am wenigsten ge-
sicherte ist.
2. Die Strecke von A bis T, die sich am leichtesten rekonstru-
ieren ließ, ist gegen die Erde um 8° geneigt. Bei T löste sich ein
Stück des Meteorsteines los. Diese Teilung vertritt hier den End-
punkt bei gewöhnlichen Feuerkugeln in dem Sinne, daß sie eine be-
stimmte Stelle der Flugbahn bezeichnet. Dieser Punkt konnte zwar
nicht nachgemessen werden, sein Ort läßt sich aber recht gut er-
mitteln. Die Höhen der Bezugspunkte A und T betragen 24 und
14 km bei einer Distanz ihrer Fußpunkte von 70 km.
3. Nun setzt die merkwürdige Bahnkrümmung ein, deren Ur-
sache in der Schrägstellung der Frontseite gegen die Flugnormal-
ebene zu erblicken ist, die im Augenblick der Teilung erfolgte (Ab-
bildung 13). Dadurch wurde eine „Segel-" oder „Tragflügelwirkung"
ausgelöst, die den Stein aus seiner Bahn ablenkte. Die Teilung selbst
ging nicht explosionsartig vor sich ; vielmehr löste sich das kleinere
Stück allmählich ab und flog in derselben Richtung weiter, während
12) Das ist die durch den Erdmittelpunkt und die Meteorbahn gehende Ebene.
Abb. 19. Die Projektion der Meteorbahn und die oberösterreichischen Beobachtungen mit den Sichtrichtungen.
- Erste Sicht
—Letzte Sicht
Wahrnehmung eines
Lichtscheines im Nebel
...... Konstruierte Richtung
B, H : Bezugspunkte der
Meteorbahn
P : Einsturzsteile in
Prambachkirchen
T : Teilungspunkt
H : Hemmungspunkt
K
Ver""'
Salzburg
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
145
der Hauptkörper den spiralartigen Bogen zu durchlaufen begann
(vgl. auch S. 160). Die Krümmung ist anfangs gering, verstärkt
sich aber dann sehr schnell, etwa von dem am weitesten östlich ge-
legenen Bahnpunkt an, der als Bezugspunkt B bezeichnet werden
möge und dessen Höhe etwa 12 km beträgt. Das Meteor erreicht in
einer Höhe von 6 km den „Hemmungspunkt", wo vermutlich die
Leuchterscheinung ihr Ende findet. An diesem Punkte löst sich auch
die Kopfwelle der vor dem Meteoriten komprimierten Luft ab, was
als schußartiger Knall von den Beobachtern gehört wurde.
4. Die Geschwindigkeit ist am Hemmungspunkt auf 800—1000
m/sec. abgebremst. Der Meteorstein fällt nun, nachdem die Segel-
wirkung der im Fluge schräggestellten Vorderseite mit dem Verlust
der hohen Geschwindigkeit unwirksam geworden ist, aus einer
Höhe von 6 km in einer gewöhnlichen Geschoßbahn herab. Die Ge-
schwindigkeit wird während des Falles durch die immer dichter
werdenden Luftschichten noch weiter herabgesetzt, so daß der
Meteorstein wahrscheinlich nur mit 200, höchstens 250 m/sec. in den
Erdboden eindringt.
Abbildungen 19 und 20 enthalten die Projektion der Meteorbahn;
Abb. 20 stellt sie in der Meridianebene dar. Abb. 19 enthält außer-
dem die oberösterreichischen Beobachtungen mit den Bewegungs-
richtungen des Meteoriten; diese Karte bildete die Grundlage der
ganzen Untersuchung.
x Bezugspunkte
Abb. 20. Die Projektion der Meteorbahn auf die Meridianebene.
Die Konstruktion der Meteorbahn aus den Beobachtungen.
Es würde über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen, eine bis
in alle Einzelheiten durchgeführte Diskussion der Beobachtungen zu
bringen, die an anderer Stelle erscheinen wird13). Wir beschränken
uns hier auf die Wiedergabe einiger wesentlicher Punkte, um die
13) Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien.
Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines. 86. Band. 10
146
J. Schadler und J. Rosenhagen,
Konstruktion der Fallbahn wenigstens in den Umrissen zu begrün-
den. Wir betrachten zunächst das Bahnstück 2, welches die Bahn-
richtung, das heißt also das Azimut des Radianten am sichersten lie-
fert. Aus den in Abbildung 19 eingezeichneten Orten ist ersichtlich,
daß der Meteorit westlich von 11, 18, 49 und 61 vorüberzog. Auch
17 und 41 scheinen darauf hinzudeuten. Es müssen aber fehlerhafte
Erinnerungen oder ungenaue Beobachtungen vorliegen, was bei der
außerordentlichen Helligkeit nicht weiter verwunderlich ist. Eine
Bemerkung von 17 enthält nämlich für die Bahnlage einen sehr we-
sentlichen Hinweis. Die Gehrichtung des Beobachters war NW und
er sprang, „da er einen Kraftwagen vermutete, der sich von rück-
wärts näherte, gegen den rechten Straßenrand, dreht sich halb-
rechts um . . . .". Dieser instinktiven Schutzmaßnahme legen wir
bedeutend mehr Gewicht bei, als der Azimutbeobachtung, die man-
gels gut merkbarer Horizontpunkte durchaus fehlerhaft sein kam:.
Beobachter 11
heller
Abb. 21. Die Teilung des Meteors nach den Skizzen der Beobachter 13 und 15.
Ähnliches gilt von 41. Auch 13 bestätigt unsere Annahme; die steil
von rechts nach links (NO gegen N) verlaufende Bahn hatte sich die
Beobachterin wegen der in diesem Bahnteil erfolgten Absplitterung
besonders gut eingeprägt. Unter Berücksichtigung einiger weiterer
Aussagen folgt, daß der Meteorit die Flugrichtung SW—NO hatte.
Bezüglich der Neigung ist zu bemerken, daß die Bezugspunkte
A und T sich recht gut ermitteln lassen. A liegt zufällig im Schnitt-
punkt der Beobachtungen 45 (al), 80 (a2) und 81, welch letztere
allerdings nur ein geringes Gewicht hat. Die zugehörigen Höhen
ergeben sich zu 26, 21 und 26 km. Die Höhe des Punktes A über der
Erdoberfläche beträgt also 24 km. Der Punkt, an dem die Teilung er-
folgte, der Bezugspunkt T, wurde von den Beobachtern 13, 15 und
83 gesehen (Abb. 21). Mit der Annahme, daß die Absplitterung jeweils
in der Mitte der beobachteten Bahnbögen erfolgte, lassen sich die
fehlenden Daten von 83 (hi und a2) durch ein rechnerisches Nähe-
rungsverfahren gewinnen. Damit erhält man schließlich auch die
Höhe von T über dem Erdboden, die zu 14 km folgt. Da die Distanz
der Punkte A und T 70 km beträgt, hatte die Bahn des Meteoriten
zwischen diesen Punkten eine Neigung von 8°.
Ä' V Somf
R/ctmn, V
^ 0
S
0
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
147
Als direkte Zeugen der Bahnkrümmung führen wir 4, 7,
8, 61, 66 und 75 an. Weitere 10 Beobachter haben zwar das Me-
teor nicht selbst gesehen, aber doch eine entsprechende Bewegung
des Lichtscheines in den Wolken oder im Nebel wahrgenommen. Es
sind dies 3, 9, 25, 27, 33, 37, 43, 84, 85 und 95. 4 und 61 sahen das
Bahnstück in der Nähe des Bezugspunktes B ; letztere Beobachtung
ist besonders wertvoll, da zweifellos der Übergang in das stärker
gekrümmte Stück hinter B gesehen wurde (vgl. S. 138). 7, 8 und
Abb. 22. Skizzen der scheinbaren Meteorbahn der Beobachter 7, 45, 66 und 75.
66, der Hauptzeuge, beobachteten den Hemmungspunkt. 66 sah das
Meteor zuerst auf sich zukommen und dann nach rechts umbiegen
und schließlich nach einer weiteren Änderung der Richtung noch
vor Erreichen des Waldrandes verlöschen. Von 75 liegen leider
keine Azimute und Höhen vor; seine Beschreibung und Zeichnung
lassen ohne jeden Zweifel erkennen, daß er das letzte Bahnstück
unmittelbar vor dem Hemmungspunkt beobachtete. Danach be-
schrieb das Meteor eine zunächst schwach aufsteigende, dann sich
senkende und im letzten Drittel sich stark versteilende Bahn. Für
die Beurteilung der Höhe des Hemmungspunktes ist diese Bemer-
kung von größtem Wert. Aus verschiedenen Beobachtungen (7, 8,
10*
148
J. Schadler und J. Rosenhagen,
66, 75) folgt die Höhe zu 6 km. Die Lage des Hemmungspunktes
kann erst bei Besprechung der Schallwahrnehmungen abgeleitet
werden. Die Beobachtungen seheinen darauf hinzudeuten, daß die
Versteilung der Meteorbahn schon vor dem Verlöschen erfolgte
(Abb. 22).
Der erste Bahnabschnitt wurde von einigen süddeutschen Be-
obachtern gesehen, von denen zwei eine ganz andere Neigung mit-
teilen, als sie aus den übrigen Beobachtungen folgt. Es liegen aber
schwerwiegende Bedenken gegen die Benutzung dieser auch nach-
gemessenen Daten vor. 89 konnte überhaupt nur ein sehr kurzes
Bahnstück beobachten, welches unmittelbar über Häusern gelegen,
leicht zu irrtümlichen Angaben führen konnte. 76 fällt auch ganz
heraus. Dagegen bieten 48 und 80 die Möglichkeit, die Neigung wäh-
rend des ersten Teiles zu ermitteln. Es wurde schon bei den „Aus-
zügen aus den Originalberichten etc." (S. 137) darauf hingewiesen,
daß 48 ein sehr großes Bahnstück gesehen hat. Die Bergkette, über
der das Meteor von ihm erblickt wurde, gibt einen ausgezeichneten
Anhaltspunkt für die Änderung der Bahnneigung, die zweifellos
stattgefunden hat. Bei einer Neigung von 8° hätte der Beobachter das
Meteor in diesem ersten Azimut überhaupt nicht sehen können. Bei 80
verhält es sich ähnlich. Er gibt die Bewegung in dem Teil, das er zu-
fällig sehen konnte, als absteigend an. Auch das wäre nicht mög-
lich gewesen. Damit läßt sich ähnlich wie bei 48 die Neigung ab-
schätzen, die die Meteorbahn vor Erreichen des Punktes A haben
mußte. Sie folgt auf rechnerischem Wege zu 17°.
Leuchtdauer und Geschwindigkeit.
Für die Zwecke der Bahnbestimmung fehlt nur noch die
Leuchtdauer, deren Beurteilung eigentlich das schwierigste
Problem bei allen derartigen Untersuchungen darstellt. Aus den
Beobachtungen 13, 15, 17, 18, 31, 41, 48 und 67 folgt in überraschen-
der Übereinstimmung der Wert 3Y2 Sekunden; es kommen nur
Werte zwischen 3 und 4 Sekunden vor. Es fragt sich nur, auf
welche Teile der Bahn diese Werte sich beziehen, da ja alle Be-
obachter notwendigerweise andere Bahnstücke sahen. Es läßt sich
schwerlich abschätzen, wie weit das Meteor vom Beobachter ent-
fernt war, als er die Aufhellung am Boden zuerst wahrnahm. Man
könnte vermuten, daß dieser Zeitpunkt mit dem ersten Aufleuchten
in der Atmosphäre identisch war. Die große Entfernung, die das
Meteor am Anfang seiner Bahn von den oberösterreichischen Be-
obachtern hatte, schließt diese Annahme aus. Die Geschwindigkeit
läßt sich nun in der Weise abschätzen, daß man die nahe beieinander-
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
149
liegenden Beobachter 13, 17 und 41 herausgreift, die eine Leucht-
dauer von 3,7 Sekunden ergeben. Da das Meteor von hier noch weit
über T hinaus, man kann annehmen bis B, sichtbar war, so ist zu
vermuten, daß es sich zu Beginn der Aufhellung mindestens im glei-
chen Abstand vor diesen Beobachtern befunden hat; so erhält man
den Wert 35 km/sec, den wir aber nur als unteren Grenzwert be-
trachten. Ein weiterer Unsicherheitskoeffizient tritt nämlich in der
Verzögerung des Meteoriten durch den Luftwiderstand hinzu. Die
Verzögerung ist bei hohen Geschwindigkeiten wahrscheinlich noch
unwesentlich und setzt erst am Schluß der Bahn stärker ein. Dafür
sprechen einige physikalische Überlegungen und vor allem die Tat-
sache, daß bisher nur in seltenen Fällen eine merkliche Verlangsa-
mung des Fluges von Feuerkugeln und Meteoren beobachtet wurde.
Wir glauben deshalb, daß der Wert der Geschwindigkeit, die der
Meteorit beim Eindringen in die Atmosphäre hatte, nicht wesentlich
über dem oben ermittelten liegt, und wählen für die kosmische Bahn-
bestimmung den Wert 45 km/sec. Es ist wie stets in diesen Fällen
ein gewisser Spielraum nach oben vorhanden, aber es hat keinen
Sinn, bei dem heutigen Stand der Theorie und bei der nun einmal
vorliegenden und vorläufig durch nichts anderes zu ersetzenden
Beobachtungsmethode über diesen Punkt weitere Spekulationen an-
zustellen. Es sei jedenfalls schon hier darauf hingewiesen, daß der
Prambachkirchner Meteorit dem Sonnensystem nicht angehört
haben kann; die kritische Geschwindigkeit, die die elliptischen
Bahnen von den hyperbolischen trennt, beträgt in diesem Falle nur
16km/sec; aus den Angaben über die Leuchtdauer geht aber zur
Genüge hervor, daß die Strecke Salzkammergut—Linz nicht in
sieben Sekunden, sondern höchstens in der Hälfte der Zeit durch-
eilt wurde. Es hat sich nun im Verlaufe der Untersuchungen gezeigt,
daß eine Änderung der geozentrischen Geschwindigkeit die Gestalt
der Hyperbelbahn und die Koordinaten des kosmischen Radianten,
der ursprünglichen Bewegungsrichtung des Meteores, nur in mäßi-
gen Grenzen beeinflußt; so wird sich trotz aller Schwierigkeiten,
die dem Problem von Natur aus anhaften, ein recht befriedigendes
Bild der kosmischen Bahn ergeben.
Die Ausgangsdaten für die Bahnbestimmung sind dann die fol-
genden: Koordinaten des scheinbaren Radianten: a = 225 °,
h = 17°; der Ort, für den diese Werte in äquatoriale Koordinaten
umzuwandeln sind, liegt auf dem Schnittpunkt der geradlinig ver-
längerten Meteorbahn mit der Oberfläche der Erde; seine Koordi-
naten sind X = 14.0°, 9 = 48.2°. Mit der Sternzeit 0 h 52 m (ent-
sprechend 21 h 57 m MEZ) folgen die äquatorialen Koordinaten des
scheinbaren Radianten zu aR = 328° — 15°. Der Radiant liegt
also im Sternbild des Wassermannes.
150
J. Schadler und J. Rosenhagen,
3. Die kosmische Bahn.
Bei der Annäherung an die Erde wird der Meteorstein beschleu-
nigt und aus seiner Bahn abgelenkt. Der Radiant wird dadurch nur
in seiner Höhe beeinflußt ; diese Änderung heißt Zenitattraktion und
beträgt in unserem Falle 1— 2°.Mit dieser Korrektion erhält man
den „ungestörten geozentrischen Radianten", der im ekliptikalen
System die Koordinaten 1 = 325°, b = — 2° hat. Die geozentrische
Geschwindigkeit, für die wir den Wert 45 km/sec. angenommen hatten,
reduziert sich nach Berücksichtigung der Erdanziehung auf 44km/sec,
verändert sich in Anbetracht der Unsicherheit dieses Wertes prak-
tisch nicht. Die Formeln der Himmelsmechanik ermöglichen dann
die Berechnung der Bahnelemente der Meteorbahn, die in Tabelle 8
zusammengestellt sind und folgende Bedeutung haben: |a| ist der ab-
solute Wert der großen Halbachse der Hyperbel, e die numerische
Exzentrizität, i die Bahnneigung gegen die Ekliptik, die Länge
des aufsteigenden Knotens, also in diesem Falle gleich der Länge
der Erde, jt die Länge des Perihels, q der Perihelabstand; ferner
bedeutet n den Winkel zwischen der relativen Bewegung des Me-
teoriten und der Erdbewegung, s den Winkel zwischen der helio-
zentrischen Bewegung des Meteoriten und der Erdbewegung.
Wie zu Beginn dieses Abschnittes betont wurde, richtet sich
das Interesse hauptsächlich auf die heliozentrische Geschwindig-
keit V, die allein die Frage nach der solaren oder interstellaren Her-
kunft der Meteore zu entscheiden vermag. Die Gleichung für die
Geschwindigkeit lautet:
wo r den Radius Vektor (den Abstand von der Sonne), a die große
Halbachse und k2 die Gaußsche Konstante bezeichnet. Für die Erde
kann wegen ihrer kleinen Exzentrizität a = r gesetzt werden. Für
eine solche Kreisbahn gilt dann
vK2 = k2 —, (vK= Kreisgeschwindigkeit).
Bei der Parabel ist a = oc ; ein Körper, der diesen Kegelschnitt be-
schreibt, kann dem Sonnensystem schon nicht mehr angehören. Im
Abstände r von der Sonne gilt für ihn:
2
Vp2 = k2 y, (vp = parabolische Geschwindigkeit).
Für das Verhältnis der beiden Werte vP und vK folgt also:
v.. : vK = V2.
Da die Erde sich mit 30 km/sec auf ihrer Bahn bewegt, beträgt die
parabolische Geschwindigkeit in ihrem Abstand von der Sonne
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
151
30V2 = 42 km/sec. Errechnet sich bei einem Meteoriten ein noch
größerer Wert, so bewegt er sich in einer Hyperbel. Überholt ein
Meteor die Erde von rückwärts, wie es bei dem Prambachkirchner
Meteorstein annähernd der Fall war, so verrät schon eine 12 km/sec
übersteigende atmosphärische Geschwindigkeit die hyperbolische
Bewegung (Abb. 23). A
Interessant ist, daß der Meteorit
abgesehen von der Tatsache der
hyperbolischen Bahn auch in ande-
rer Hinsicht die Gesetzmäßigkeiten
der großen Meteore teilt. Seine Be-
wegung war rechtläufig, wie die der
Planeten, und die Neigung gegen die
Ekliptik war auffallend gering (Ab-
bildung 24).
dicht un q
¿ut Sonne
.4»
V
Abb. 23. Die Geschwindigkeiten
von Erde (V) und Meteor (v) im
Augenblick des Zusammenstoßes.
Die Länge der Pfeile ist den Ge-
schwindigkeiten proportional.
Tabelle 8.
Die Bahnelemente des Meteoriten.
Große Halbachse |a| = 0.248
Exzentrizität e = 5.04
Neigung i = Io
Knotenlänge ^ = 43°
Perihellänge ~ = 50°
Perihelabstand q = 1.00
CO - 355°
Geozentrische Geschwindigkeit w = 45 km/sec
Heliozentrische Geschwindigkeit v — 73 km/sec
Korrigierter scheinbarer Radiant: Y= 325°, b' '•=—2°
Wahrer heliozentrischer Radiant: 1 = 319°, b = -—Io
Kosmischer Radiant: L = 309°, B — —Io
Ferner ist n = 190°, s;= 186°.
Abb. 24. Die Bahn des Prambach-
kirchner Meteorsteines im Sonnen-
system. Auf der punktierten Linie
hätte der Meteorit sich fortbewegt,
wenn er nicht zufällig der Erde
begegnet wäre.
152
J. Schadler und J. Rosenhagen,
4. Die physikalischen Begleiterscheinungen.
Die Originalberichte über den Prambachkirchner Meteorstein-
fall lassen den nachhaltigen Eindruck erkennen, den das großartige
Naturschauspiel mit seiner blendenden Lichtfülle, seinen Detona-
tionen und Fallgeräuschen bei den Beobachtern hinterließ. Es ist er-
staunlich, daß ein Meteorstein von 13 cm Durchmesser bei seinem
Fluge durch die Atmosphäre eine derartige Wirkung hervorrufen
konnte, und es drängt sich die Frage auf, welche physikalischen
Vorgänge den Meteoritenfall begleiteten und Anlaß zu diesen Er-
scheinungen gaben. Es ist hier nicht der Ort, die Theorien über
die Physik der Meteore eingehend zu besprechen ; wir beschränken
uns darauf, die Erklärungsversuche bei der Beschreibung der op-
tischen, akustischen und dynamischen Begleiterscheinungen mit
einigen Worten zu streifen.
Der Meteorit als Feuerkugel.
Es ist einigermaßen schwierig, aus den Beobachtungen eine
Vorstellung über die Leuchtkraft, Farbe und Größe der Meteor-
erscheinung zu gewinnen. In der Nähe der Fallbahn war der Erd-
boden „taghell" erleuchtet, es heißt, man hätte „lesen und eine
Nadel oder ein Geldstück auf dem Boden erkennen können" und
es schien so, „als ob die Gegend von einem herannahenden Auto-
scheinwerfer beleuchtet würde". Vergleiche mit guter Straßen-
beleuchtung oder dem Licht des Mondes fehlen nicht. Aus alledem
ist nur zu ersehen, daß die Helligkeit eine ganz außergewöhnliche
war; ein Vergleich mit einer irdischen Lichtquelle in physikalischen
Einheiten oder eine Angabe nach Sterngrößen ist nicht möglich.
Man muß sich mit der Feststellung begnügen, daß Oberösterreich,
Salzburg, vermutlich auch Tirol sowie Teile von Süddeutschland
und Südböhmen für einige Sekunden in blendendes Licht getaucht
waren, — das bedeutet ein Gebiet von rund 50.000 Quadrat-
kilometern — und daß eine Änderung der Helligkeit während des
geradlinigen Fluges nicht mit Sicherheit beobachtet wurde. (Nur
61 sah das Meteor zu Beginn des Kurvenfluges einen Augenblick
unsichtbar werden.)
Über das Aufleuchten in der Atmosphäre ist nichts bekannt;
hingegen liegen einige Berichte über das Verlöschen vor (7, 8, 66).
Es geschah nach 66 nicht, wie es sonst in solchen Fällen häufig be-
obachtet wird, plötzlich und unter lebhaftem Zersprühen; das Me-
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
153
teor soll vielmehr noch vor Erreichen des Waldhorizontes allmäh-
lich erloschen sein. Zweifellos ist die Beobachtung durch physio-
logische Einflüsse entstellt; der Beobachter hatte sogar nach dem
Verlöschen den Eindruck, als ob die dunkle Kugel vor dem Wald
schwebte. Die Nachwirkungen im Auge waren naturgemäß so stark,
daß eine zeitliche Abschätzung des Erlöschens illusorisch sein
würde.
Nicht minder eindrucksvoll gestaltete sich die Schweifbildung;
zusammen mit dem „Kopf" wird die Erscheinung als kometenartig
beschrieben oder mit einem spitzen Kegel, einer Rakete, einem
länglichen, glühenden Schmiedeeisen verglichen. Der Schweif wird
von 13 Beobachtern erwähnt; außerdem liegen 9 Skizzen vor, die
alle dasselbe Bild einer schmalen, nach hinten spitz verlaufenden
Leuchtwolke geben, die bis zum Verlöschen dem Meteor folgte.
Größenangaben fehlen fast völlig; nur 7, der das Meteor kurz vor
dem Hemmungspunkt erblickte, gibt als Länge den zwanzigfachen
Durchmesser der Leuchtkugel an. Die Helligkeit des Schweifes muß
ebenfalls beträchtlich gewesen sein, so daß die ganze Erscheinung
von einigen Beobachtern als ein einziger „Leuchtstreifen" aufgefaßt
wurde. Ein Nachleuchten hat sehr wahrscheinlich nicht stattgefun-
den, da nur 18 eine diesbezügliche Bemerkung macht. Der Kopf
selbst erschien als Halbkugel, Biskuit oder Birne, oder war an der
Stirnseite kreisförmig scharf begrenzt. Bezüglich der Größe wurde
er meistens mit dem Vollmonde verglichen und war je nach Auf-
fassung und Entfernung vom Beobachter etwas größer oder kleiner ;
nur 66 gibt doppelte Mondgröße an. Wird mit diesen rohen Schät-
zungen der Durchmesser der Leuchtkugel berechnet, so erhält man
einen Mittelwert von rund 200 Metern; der Schweif hatte dem-
gemäß eine Länge von mehreren Kilometern. Eine Erklärung dieser
Größen folgt später.
Aus den Berichten scheint hervorzugehen, daß die Farbe sich
während des Fluges verändert hat. Man darf bei der Beurteilung
der Beobachtungen nicht übersehen, daß eine Lichtquelle desto
weißer erscheint, je intensiver sie leuchtet. In der Nähe der Fall-
bahn waren die Beobachter so geblendet, daß das Auge eine Farb-
tönung gar nicht unterscheiden konnte. Umso wertvoller sind die
Wahrnehmungen aus größerer Entfernung, aus denen hervorgeht,
daß die Farbe sich von einem grellen, grünlich-bläulichen Weiß in
ein helles Rot verwandelt hat. Natürlich kommen, wie bei jeder
Meteorerscheinung, einige sich widersprechende Meldungen vor.
Aber aus den Fernbeobachtungen 45, 48, 76 und auch aus 6, 14, 17,
47, 64 und 96 folgt, daß das Meteor auf der geradlinigen Flugbahn,
also noch in Höhen von 30 bis herab zu etwa 12 km in weißlichem
Lichte leuchtete. Bei 6 und 14 dürfte die Farbe allerdings durch
154
J. Schadler und J. Rosenhagen,
Kontrasterscheinungen gegen die Zimmerbeleuchtung hervorgerufen
worden sein. Schließlich geben auch 13 und 15 übereinstimmend an,
daß bei der Teilung das vordere, größere Stück weiß erschien, im
Gegensatz zum nachfolgenden rötlichen. Während des Kurven-
fluges von B bis H scheint die Farbe sich allmählich verändert zu
haben; aus den Beobachtungen 7, 8, 66, die der Meteorbahn ziem-
lich nahe lagen, geht dies allerdings nicht hervor. Aber 4, 18 und
61, die die Flugstrecke B—H aus größerer Entfernung sahen, be-
tonen alle die rötliche Färbung.
Erklärung der optischen Erscheinungen.
Allgemein gesprochen ist das Leuchten der Meteore eine Folge
des Satzes von der Erhaltung der Energie. Die gewaltige lebendige
Kraft, mit der die Körper in die Atmosphäre eindringen, wird durch
den Widerstand der Lufthülle aufgezehrt und in andere Energie-
arten, vor allem in Strahlung und Wärme verwandelt.
Dieser physikalische Prozeß wird am besten verständlich sein,
wenn man den Meteoriten als ruhend betrachtet; dann ist er einem
„Gebläse" von Luftmolekülen ausgesetzt, die mit kosmischer Ge-
schwindigkeit auf seine Frontseite aufprallen und infolgedessen mit
zerstörender Gewalt in die Kristalle der Oberflächenschicht ein-
dringen und die Moleküle des Steines aus ihren Verbänden heraus-
schleudern. So entsteht im Räume um den Meteoriten ein „Meteor-
gas", welches durch weitere Zusammenstöße mit den Molekülen
der Luft zu intensivem Leuchten angeregt wird ; es kann wegen der
geringen Dichte in den höheren Schichten der Atmosphäre sehr
schnell diffundieren und nimmt als „Leuchtkugel" oft gewaltige Di-
mensionen ein. Diese Ausdehnung wird auch, von den hohen Dif-
fusionsgeschwindigkeiten einmal abgesehen, durch eine Betrachtung
über das Volumen verständlich, das ein Meteorit in gasförmigem
Zustande einnehmen würde. Da z. B. Eisen bei 2700° abs. und bei
einem Drucke von einem Millimeter sich gegenüber dem festen Zu-
stande gemäß der Avogadro'schen Regel um das 24millionenfache
ausdehnen würde, so berechnet sich das Volumen des Prambach-
kirchner Steines unter denselben Bedingungen zu rund 11.000 Kubik-
metern. Wieviel Masse durch die „Gebläsewirkung" der Moleküle
verflüchtigt wurde, entzieht sich unserer Beurteilung; nimmt man
aber an, daß sie ungefähr der Masse des Restkörpers entspricht, so
geben diese Zahlen einen Anhaltspunkt für die räumliche Größe der
ganzen Meteorerscheinung, die natürlich durch die Vermischung mit
der Luft noch gewaltig gesteigert wird.
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
155
Die Wärmeleitung spielt bei diesem Prozeß keine Rolle. Nur
eine äußerst dünne Schicht der Oberfläche befindet sich in glühen-
dem Zustande, da die erhitzte Materie sofort nach allen Seiten ab-
getriftet und fortgerissen wird. Das Innere behält die Temperatur
bei, die es beim Eindringen in die Atmosphäre hatte und die wegen
der Sonnenstrahlung etwa bei 0° C liegt.
Die häufig beobachtete Änderung der Farbe, die von einem
strahlenden Grün oder Blau nach Rot umzuschlagen pflegt, ver-
suchte A. Wegener durch die Annahme zu erklären, daß nicht die
meteorische Materie, sondern die atmosphärischen Gase das Leuch-
ten hervorbringen; der Farbwechsel sollte danach nur den Über-
gang von der Wasserstoff- zur Stickstoffsphäre in etwa 70 km
Höhe anzeigen. Diese Theorie ist nicht mehr haltbar; ihr wider-
sprechen die Beobachtungstatsachen, abgesehen davon, daß die Zu-
sammensetzung der Atmosphäre in der erwähnten Art heute sehr
fraglich geworden ist. Spektralaufnahmen von Meteoren zeigen
nämlich nicht die empfindliche Balmerserie des Wasserstoffs, son-
dern die Metallinien der verdampften Materie des Meteors. Es ist
gerade in diesem Zusammenhang wichtig zu bemerken, daß die
Untersuchung des vorliegenden Meteoritenfalles ergibt, daß der
Farbwechsel auch erst in Höhen von 10 bis 15 km auftreten kann;
er ist darauf zurückzuführen, daß die Heftigkeit der Energie-
umwandlung sich mit abnehmender Geschwindigkeit verringert, wo-
durch das Intensitätsmaximum der Strahlung eine Verschiebung
von Blau nach Rot erfährt.
Der Hemmungspunkt.
Vor der Besprechung der Schallphänomene möge hier eine Be-
merkung über die Natur des Hemmungspunktes Platz finden.
Gewöhnlich wird jeder Endpunkt einer Meteorbahn kurz als
Hemmungspunkt bezeichnet. Das ist sicher nicht richtig, da man
im wesentlichen zwei Fälle zu unterscheiden hat. Zunächst möge
ein kleineres Meteor betrachtet werden, das zwar als „Feuerkugel"
eine gewaltige Lichtwirkung hervorrufen kann, aber als Masse doch
so klein ist, daß es noch in den höheren Schichten der Atmosphäre
und bei großen Geschwindigkeiten verdampft. Dann liegt die
folgende Annahme über diesen Vorgang nahe: Hatte das Meteor eine
stabile Lage im Fluge inne, wie es ja häufig bei Meteorsteinen be-
obachtet wird, so wird es wie diese notwendig zu einer Scheibe ge-
formt, hinter der auf kurze Strecke ein absolutes Vakuum herrscht.
Ist dann die Vergasung der Frontseite so weit fortgeschritten, daß
die Schmelzzone bis zur Rückseite durchgedrungen ist, so wird ein
156
J. Schadler und J. Rosenhagen,
explosionsartiges Verdampfen des Restkörpers in dasVakuum hinein
erfolgen, das als Zersprühen beobachtet wird und den auffälligen
Endpunkt einer Meteorbahn bildet.
Bevor wir den anderen Fall betrachten, möge mit Hilfe von
Abb. 25 das Entstehen der sogenannten Kopfwellen bei Geschwindig-
keiten, die größer als die Schallgeschwindigkeit sind, erläutert
intervall von A nach C bewegt, kann die von A ausgehende Er-
regung der Luft sich nur mit Schallgeschwindigkeit kugelförmig
bis D oder E ausbreiten. Dasselbe gilt für jeden anderen Punkt A'
der Bahn, so daß die gemeinsame Wellenfläche aller Einzel-
erregungen den Meteoriten als kegelförmige Umhüllung begleitet,
die als besonders heftige Schallwelle, als sogenannter Geschoßknall
wahrgenommen wird.
Ist das Meteor groß genug, um als fester Körper bis zum Erd-
boden durchzudringen, so wird seine Geschwindigkeit schließlich
bis zu jenem kritischen Wert verzögert, der der Schallgeschwin-
digkeit bei etwa 2500° entspricht. Dann löst sich die erste
Kopfwelle ab, was bei einer Geschwindigkeit von etwa 800 bis
1000 m/sec geschieht. Hierdurch ist der Hemmungspunkt definiert.
Diese „Explosionswelle", so genannt, weil auch bei großen
Explosionen derartige Anfangsgeschwindigkeiten der atmosphäri-
schen Druckfortpflanzung beobachtet werden, nimmt alsbald ge-
wöhnliche Schallgeschwindigkeit an. Es ist zu vermuten, daß in dem
Augenblick, in dem das Meteor den Hemmungspunkt erreicht, das
Verlöschen erfolgt. Die Lage des Hemmungspunktes müßte sich
demnach aus mehreren Sichtbeobachtungen des letzten Bahnteiles
ergeben; es wird aber verständlich sein, daß bei dem Prambach-
kirchner Meteoritenfall die Fernbeobachtungen nur die Höhe liefern
können und daß die geographischen Koordinaten der Projektion des
Hemmungspunktes sich bei weitem sicherer aus den Richtungs-
beobachtungen des Doppelknalles, aus den nachgemessenen Zeit-
intervallen: Ende des Lichtscheines — Doppelknall, und aus dem
Neigungswinkel des Einschußkanales ermitteln lassen. Mit diesen
Argumenten konnte die Lage des Hemmungspunktes recht sicher
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
157
bestimmt werden. Es ergab sich: Höhe = 6km, }. =13° 55'.3,
cp = + 48° 20'.3. Das entspricht einem Punkte etwa 5 km nord-
nordwestlich vom Fundort, dessen nähere Umgebung mit den
Schallbeobachtungen und der Bahn des Meteoriten in der letzten
Flugphase in Abb. 26 wiedergegeben ist.
Die Schallphänomene.
Eine ausführliche Beschreibung der akustischen Beobachtungen
ist an anderem Orte (S. 102 u. 133) gegeben. Die zeitliche Aufeinander-
folge war also, vom Ende der Lichterscheinung aus gerechnet, für den
Beobachterl: Detonationen nach 26, bzw. 27—28 Sekunden; Beginn
der Fallgeräusche nach 34, Ende nach 38 Sekunden (Aufschlag). Aus
diesen Wahrnehmungen ergibt sich folgendes Bild: Nach der Ab-
lösung der Explosionswelle am Hemmungspunkt und nach erfolgter
Abkühlung des Meteoriten entsteht sogleich eine neue Kopfwelle. In-
zwischen ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Explosionswelle
auf Schallgeschwindigkeit herabgegangen ; sie wird nun vom Meteor
überholt. Ist auch der Meteorstein so weit verzögert, daß sich die
neue Kopfwelle oder „Geschoßwelle" bei Schallgeschwindigkeit ab-
lösen kann, so folgen im letzten Abschnitt Geschoß welle, Explosions-
welle und die im Fluge dauernd erzeugten Fallgeräusche auf-
einander. Aus der Tatsache, daß die beiden Detonationswellen nur
etwa 1 %Sekunden aufeinander folgten, d. h. also in einem räum-
lichen Abstand von etwa 500 m, ist zu schließen, daß die Geschwin-
digkeit des Steines nach dem Hemmungspunkt sehr schnell bis zu
einem Wert vermindert wurde, der bis zum Schluß wegen des
dauernd einwirkenden Luftwiderstandes sich ziemlich gleich blieb,
worüber später noch eine Bemerkung folgen wird. Der direkte Ab-
stand des Hemmungspunktes vom Beobachter 1 folgt mit dem Inter-
vall: Ende der Lichterscheinung — zweiter Knall zu etwa 9 km,
während er sich aus der nach mehreren anderen Kriterien abgeleite-
ten Lage des Hemmungspunktes zu etwa 8 km ergibt. Es 1st zu be-
achten, daß die Intervalle zwischen den einzelnen Schallerscheinun-
gen recht zuverlässig sind; nur der erste Wert, die seit dem Ver-
löschen des Lichtscheines verflossene Zeit, mag etwas ungenau sein.
Von einigen Beobachtern wurde nur eine einfache Detonation
gehört. Auch sie wurden mit in die Abb. 26 über die Schallbeob-
achtungen in der Nähe des Fundortes des Meteoriten aufgenommen.
Interessant ist die Feststellung, daß die Fallgeräusche erst ganz
am Schluß, vermutlich erst während der letzten 5 oder 6 km der
Fallbahn jedenfalls hinter dem Hemmungspunkt entstanden sind.
Dafür sprechen nämlich folgende drei Beobachtungen; zwischen
158
J. Schadler und J. Rosenhagen,
©
91
km
Owv Wahrnehmungen
©—
©==
H• Projektion aes
p{ fun dort des M
Abb. 26. Das engere Fallgebiet mit den Schallwahrnehmungen.
den Detonationen und den Fallgeräuschen lag eine Pause von 6—8
Sekunden, ferner schloß sich der Aufschlag unmittelbar an die letz-
teren an, und schließlich lassen die Richtungen, aus denen sie gehört
wurden, nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig. hatte sogar
den Eindruck, daß das „Rollen" über ihn hinwegginge.
Tabelle 9 enthält alles Wesentliche über die Schallwahrneh-
mungen und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Die Rückfragen
sind noch einmal wiedergegeben, um einen gewissen Eindruck der
Vertrauenswürdigkeit zu vermitteln. Die Tabellen 10 und 11 sind
Auszüge aus der ersten. Sie sind nach dem direkten Abstand D
des Beobachters vom Hemmungspunkt bzw. nach seiner Entfer-
nung d von der Projektion des Hemmungspunktes geordnet. Die
Zeitspanne tx zwischen der Lichtwahrnehmung und der Detonation
zeigt die zu erwartende Abhängigkeit von D. Auffallend ist nur, daß
die durch den Quotienten D/t ausgedrückte „Schallgeschwindigkeit"
bei allen nach den Angaben der Beobachter nachgemessenen
Werten zu klein ausfällt. Die Abweichungen bei 1 und 2 sind ohne
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
159
weiteres verständlich, wenn man bedenkt, daß das Intervall tx nicht
auf die Sekunde genau festgestellt werden kann. Bei 3 und 8 lassen
sie sich dadurch erklären, daß die Schallstrahlen nicht geradlinig
verliefen, was zum Teil durch die Temperaturverhältnisse dieses
Tages hervorgerufen worden sein mag. Es herrschte ruhiges Hoch-
druckwetter, welches um diese Jahreszeit das Auftreten von Inver-
sionen zu begünstigen pflegt. Tatsächlich war es in 1500—2000 m
Seehöhe last eben so warm wie in der Niederung, entgegen dem
normalem Temperaturverlauf mit der Höhe.
Bezüglich Tabelle 11, die deutlich die Zunahme von T mit der
Entfernung zeigt, ist zu bemerken, daß eine ähnliche Erscheinung
bei jedem Gewitter auftritt.
Eine äußere Hörbarkeitszone, wie sie bei großen Explosionen
und auch gelegentlich bei detonierenden Meteoren beobachtet wird,
ließ sich nicht nachweisen, da die größte Entfernung, auf die noch
Geräusche wahrgenommen werden, nur etwa 35 km beträgt.
Tabelle 9.
Akustische Beobachtungen.
Nr. t Ort d Detonationen Fallgeräusche Rf
ti Art a *2 Art T a
1 Obergallsbach 5 25—30 s Dk N 35—40 s S,A 4—5 s N S
2 Obergallsbach 5 25—30 s Dk SO 40-45 s S,A — NW S
3 Linz 25 1—ll/2m Dk w anschl. R 5—8 s — S
7 Marsbach 16 — — — 15—20 s R 30—40 s — S
8 Spielleiten 20 90—100s K. so 90—100 s R 60—70s SO s
9 Obernberg 25 — Dk — 90*) s R 2m — s
19 Obergallsbach 5 — Dk — 35—40 s S, A 4—5 s — s
20 Obergallsbach 5 — Dk NNW anschl. R, A 10s — Gd
21 Obergallsbach 5 — Dk NNW anschl. R,A 10s — Gd
22 Prambachkirchen 3 — K 0 — R — N-SO Gd
26 Weinzierlbruck 3 7s K SO — R 3s SO Gd
27 Weinzierlbruck 3 — — — 10—12 s R lm SO Gd
28 Gmeinholz 1 — K sw — R — — Gd
29 Gmeinholz 1 — K SSO — R — — Gd
30 Gmeinholz 1 — K sw — R — — Gd
32 Groß-Gerstdoppel 8 — — — — S — NO Gd
33 Holzwiesen 10 — — — — S — N —
35 Aschach a. d. D. 7 30—35 s 3K W: — S 20s W: —
43 Mitterstroheim 4 — _ — — s 2m NW F
44 Schnellersdorf 1 — Dk s — — — — F
66 St. Johann a. W. 25 — K — 30—40 s R lm — s
67 Ried i. Traunkr. 35 — — — — R — N —
84 Wallern 13 — K N — S — — —
85 Partenstein a. d. M. 10 35—40 s Dk SW
91 Hinzenbach 6 2m K
*) Nach erster brieflicher Mitteilung 137 Sekunden.
160 J. Schadler und J. Rosenhagen,
Tabelle 10, Tabelle IX.
Wahrnehmungen des Dauer der
Doppelknalles. Fallgeräusche.
Nr» D k D/ti Rf
26 672 7s w m/sec Gd
1 8 25—30 s 290 V S
2 8 25—30 s 290 » S
35 9 30—35 s 330 » —
85 17 35—40*) s 450 » —
8 22 90—100 s 230 V s
3 26 90s 290 n s
*) 60—80 schnelle Schritte.
Legende:
D Entf. d. Beob. vom Hemmungspunkt
d Entf. d. Beob. von der Proj. d. Hemmungsp.
T Dauer der Fallgeräusche
ti Zeitintervall Lichtersch. bis Detonation
Í2 Zeitintervall Lichtersch. bis Fallgeräusch
s Sekunden
m Minuten
a Himmelsrichtung (Azimut)
Rf Rückfrage; (Abkürzungen unter Rf siehe
Legende zu Tabelle 7).
Nr. d T Rf
1 5 4—5 s S
! 2 5 4—5 s S
19 5 4—5 s s
20 5 10 s Gd
21 5 10 s Gd
7 16 30—40 s S
8 20 60—70 s S
3 25 5—8s s
9 25 120 s s
66 25 60s s
Dk Doppelknall
K einfache Detonation
3K dreifache Detonation
K mehrere knallartige
Geräusche
A Aufschlag
R Rollen und Donnern
S Sausen
Die Bahnkrümmung und der Luftwiderstand.
Über die Ursache der gekrümmten Meteorbahnen schreibt der
Astronom Olbers schon im Jahre 1837: „Gewiß kann der Wider-
stand der verdichteten Luft, besonders wenn die Feuerkugeln keine
regelmäßige Kugeln sind, sondern mehr eine abgeplattete, unregel-
mäßige Gestalt haben, wohl eine wellenförmige, schlängelnde, auf
und ab und auch seitwärts gekrümmte Bahn bewirken. . Schia-
parelli bemerkt hierzu in seinem Buch über die Theorie der Stern-
schnuppen: „Zuweilen kommt es vor, daß die Bahnlinie sich der-
artig krümmt, daß ihre scheinbare Richtung sich um einen sehr be-
trächtlichen Winkel ändert, welcher sogar 180° erreichen kann."
Keine der bisher beobachteten Bahnanomalien reicht an die des
Prambachkirchner Meteoritenfalles heran, bei dem die Drehung der
Flugrichtung fast 240° beträgt. Während die von den beiden Ver-
fassern erwähnten Krümmungen die Bahnen von Sternschnuppen
und Feuerkugeln in großen Höhen betreffen, wie sie von einem ein-
zelnen Beobachter am Himmel festgestellt werden konnten, handelt
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
161
es sich in unserem Falle um ein Ereignis, das sich bis in die Tropo-
sphäre hinein fortsetzte. Wie auf den Seiten 147 u. 148 ausgeführt
wurde, wurde die ungewöhnliche Bahnform von sechs unabhän-
gigen Zeugen beobachtet und konnte aus ihren Angaben wider-
spruchsfrei rekonstruiert werden.
Die vom Meteorstein beschriebene Raumkurve verlief folgender-
maßen: Die ursprüngliche Form bewirkte eine der Schwere ent-
gegengesetzte Ablenkung der Bahn, wobei die Neigung sich von
17° auf 8° verringerte. In einer Höhe von etwa 14 km löste sich im
weiteren Verlauf des Fluges ein kleines Stück ab; dieser Vorgang
erfolgte nicht, wie es sonst häufig beobachtet wird, explosionsartig,
sondern geschah allmählich, denn keiner der drei Beobachter be-
merkte eine plötzliche Ablenkung der beiden Teile von der Bewe-
gungsrichtung; nach 14 erschien das Meteor zunächst biskuitförmig,
also schon in einer zweiteiligen Form, aus der sich dann das zweite,
wesentlich kleinere Teilchen bildete; die kleinere Masse erlitt
größere Verzögerung, so blieb das abgelöste Teilchen zurück. Aus
den Beobachtungen ist also zu schließen, daß auf den Hauptkörper
kein heftiger Rückstoß und keine Rotation ausgeübt wurde, dann
hätte man das kleinere Stück nach irgendeiner Richtung senkrecht
zur Bahn davonfliegen sehen müssen. Der Meteorit stellte sich nur
durch die veränderten Strömungs- und Widerstandsverhältnisse
anders gegen die Flugnormalebene ein, wodurch, wie schon wieder-
holt erwähnt wurde, eine „Segelwirkung" und damit die Bahn-
krümmung entstand. Als Beweis für die Ursache dieser Erscheinung
kann auch die Lage des Steines im Einschußkanal gelten, die wegen
der Verletzung durch einen Spatenstich eindeutig bestimmt werden
konnte. Hält man den Stein so, daß die verletzte Stelle nach oben
weist, so folgt neben der Bestätigung, daß die Brustseite in Über-
einstimmung mit der Aussage der Finder auch zum Schluß „Front-
seite" war, die interessante Feststellung, daß der Stein während des
Kurvenfluges diejenige Lage innehatte, die zur Erzeugung der Segel-
wirkung notwendig war (vgl. Abb. 13).
Die Kraft, die den Meteorstein aus seiner Bahn ablenkte, läßt
sich aus seinem Gewicht M, dem Krümmungsradius der Bahn R und
seiner Geschwindigkeit V abschätzen, wenn man berücksichtigt, daß
die ablenkende Komponente wegen der Neigung der Vorderseite um
10° bis 12° etwa einem Fünftel des frontalen Widerstandes W ent-
spricht. Dann gilt die Beziehung:
-iw = MV2/R.
5 '
Um den Widerstand W pro Quadratzentimeter zu erhalten, hat
man durch den Hauptquerschnitt des Steines, der 125 cm2 beträgt,
Jahrbuch des Ober Österreich i sehen Musealvereines. 86. Band. 11
162
J. Schadler und J. Rosenhagen,
zu dividieren; dieser Wert möge außer für den Hemmungspunkt
(R = 5 km) noch für einen anderen Bahnpunkt berechnet werden,
für den V = 10 km/sec und R = 10 km ist. Er wird nicht weit hinter
dem Bezugspunkt B liegen und sei hier mit C bezeichnet. Man er-
hält mit dem abgerundeten Wert für das Gewicht M = 2000 g die
folgenden Werte:
Bahnpunkt C : W' = 100 kg/cm2 (V = 10 km/sec) ;
Hemmungspunkt: W'= 2kg/cm2 (V = 1 km/sec).
Ein Vergleich dieser Werte mit einer empirischen Formel hat
natürlich nur für den Bereich der ballistischen Geschwindigkeiten
einen Sinn ; dennoch wird es sich zeigen, daß auch bei Extrapolation
auf 10 km/sec eine der Größenordnung nach bemerkenswerte Über-
einstimmung mit den oben abgeleiteten Zahlen besteht. Die Wider-
standsformel für Geschosse lautet allgemein bei isothermen Ver-
hältnissen:
W' = i^FK(V).
i ist der sogenannte Formkoeffizient, der meistens gleich 1 gesetzt
wird ; p ist der Luftdruck in mm in der Schicht, in der das Geschoß
sich bewegt, wobei der Einfluß von Temperaturdifferenzen vernach-
lässigt wurde und K (V) eine empirisch zu bestimmende Funktion
der Geschwindigkeit. Nach neueren Versuchen von Crantz und
v. Eberhard14) nähert sich K (V) bei zunehmender Geschwindigkeit
asymptotisch einem Grenzwert, der für Zylindergeschosse gleich
10,3.106 ist und nur für Geschwindigkeiten bis zu 1300m/sec nach-
geprüft werden konnte. Mit diesem Wert sollen die ballistischen
Widerstände für die beiden Bahnpunkte C und H berechnet werden.
Die Höhe von C ist etwa 12 km, der Luftdruck dementsprechend
100mm; für den Hemmungspunkt ist p = 350mm. Es folgt dann:
Bahnpunkt C : W' = 130 kg/cm2 (V = 10 km/sec) ;
Hemmungspunkt: W'= 5 kg/cm2 (V = 1 km/sec).
Nach Erreichen des Hemmungspunktes fiel der Meteorstein in
einer gewöhnlichen Geschoßbahn herab und drang unter einem
Winkel von 60° 30—35 cm in zähen Lehmboden ein. Die am Schluß
wahrscheinlich konstante Fallgeschwindigkeit blieb weit unter
330 m/sec, nach den akustischen Beobachtungen zu urteilen, und lag
vermutlich zwischen 200 und 250 m/sec, da auch Geschosse ziemlich
unabhängig von Anfangsgeschwindigkeit, Kaliber und Abschuß-
winkel mit dieser Geschwindigkeit am Ziel auftreffen. Um auf em-
pirischem Wege einen Anhaltspunkt für die Endgeschwindigkeit zu
") Handbuch der Experimentalphysik Band IV, 3, S. 528.
Der Meteorsteinfall von Prambachkirchen.
168
erlangen, wurden auf demselben Boden, auf dem der Meteorit nieder-
gegangen war, Rammversuche unternommen. Es zeigte sich, daß
eine Energie von 680 mkg genügte, um den Einschußkanal nach
Profil und Tiefe nachzubilden. Damit folgt die Endgeschwindigkeit
zu 84 m/sec, ein Wert, der zweifellos zu niedrig ist, da sonst das
Zeitintervall zwischen dem Ende der Lichterscheinung und dem Auf-
schlag unmöglich 38 Sekunden hätte betragen können. Das Miß-
lingen dieses Experimentes ist dadurch zu erklären, daß der Wider-
stand des Bodens sich in unberechenbarer Weise mit der Aufprall-
geschwindigkeit ändert, eine Erscheinung, die auch der Ballistik
wohlbekannt ist.
Der Prambachkirchner Meteorsteinfall war von mannigfachen
physikalischen Erscheinungen begleitet, die sich in optischer und aku-
stischer Hinsicht kaum von denen anderer größerer Meteorfälle unter-
scheiden. Ungewöhnlich ist aber die geringe Höhe des Hemmungs-
punktes, die sonst nur ganz selten erreicht wird und auf den flachen
Neigungswinkel der Bahn zurückzuführen sein wird. Aus der Sta-
tistik der Meteore folgt nämlich, daß der Hemmungspunkt umso
niedriger liegt, je kleiner der Winkel ist, unter dem sie in die At-
mosphäre eindringen. Eine Sonderstellung nimmt dieser Meteorit
jedenfalls bezüglich seiner atmosphärischen Bahn ein, da bisher eine
derartige Form noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen wurde.
Zusammenfassung.
Als kosmisches Gestein bietet der Meteorstein von
Prambachkirchen wenig neue Tatsachen. Er ist ein Hypersthen-
Olivin-Chondrit vom Typus Baroti und gehört daher der am
häufigsten vorkommenden Gruppe der Steinmeteorite an. Auch die
kosmische Bahn, welche, scheinbar aus dem Sternbild des
Wassermanns kommend, hyperbolisch und fast in der Ebene der
Ekliptik verläuft, bietet wenig Auffallendes. Der Stein hat die Erde
von rückwärts überholt. Die meisten Großmeteore zeigen ähnliche
astronomische Verhältnisse. Die hyperbolische Bahn weist auf Her-
kunft aus dem interstellaren Raum hin. Die atmosphärische
Bahn konnte dank den Mitteilungen zahlreicher Beobachter weit-
gehend aufgeklärt werden. Es gelang erstmalig, eine starke spiralige
Krümmung einer Meteorbahn nachzuweisen. Der Stein trat etwa
über dem westlichen Oberitalien in die Gashülle der Erde ein; über-
flog die Hohen Tauern in etwa 50 km Höhe und überquerte unter
Verringerung der Bahnneigung von 17° auf 8° das mittlere Ober-
österreich. Südlich von Wels trennte sich in etwa 14 km Höhe ein
Ii*
164 Scbadler u. Rosenhagen, Meteorsteinfall1 von Prambac'hkirchen.
Stück ab (Teilungspunkt). Die Flugrichtung erfuhr eine Ablenkung
um 240°. Der Hemmungspunkt lag in nur 6 km Höhe.
Dieser interessante Flugverlauf konnte mit den Formände-
rungen des Steines in gute Übereinstimmung gebracht werden.
In den ersten Flugphasen bis zum Teilungspunkt wurde die scheiben-
förmige Grundgestalt geformt. Die Teilung bewirkte ein Kippen
des Steines und eine Störung im Druck- und Strömungszustand des
innersten Teiles der Kopfwelle. Diese Ereignisse haben sich im
Oberflächenrelief (Rillenüberschneidung) abgeprägt. Als Gesamt-
substanzverlust auf dem Luftweg wird eine Menge von etwa 1 g je
Flugkilometer und je Quadratzentimeter des Hauptquerschnitts
wahrscheinlich gemacht.