Vom stillen Heldentum eines Volkes. Von Oberstleutnant d. R. Rudolf Pfersmann von Eichthal, damals k. u. k. Major und Generalstabschef der Tiroler Landesverteidigung. *) /Eiserne Notwendigkeit zwang die österreichisch-ungarische Heeresleitung August J9^ den letzten Mann und die letzte Patrone zur Entscheidung in Galizien und Serbien heranzuziehen. Gleich den übrigen Grenzgebieten der Monarchie mußten daher auch die an das Königreich Italien stoßenden Provinzen (Tirol, Kärnten, Krain, Küstenland) fast völlig schutzlos gelassen werden, trotzdem schon wenige Tage nach Kriegsaus¬ bruch unzweifelhafte Anzeichen vorlagen, daß Italien die Verlegenheit des Bundes¬ genossen auszunützen beabsichtige, um sich in den Besitz der heißersehnten „Unerlösten Gebiete" zu setzen. Einem in der Schnelligkeit aufgestellten „Kommando General der Kavallerie Rohr" wurde die Aufgabe übertragen, mit Hilfe der wenigen an der Südwestgrenze stehenden Landsturmbataillone eine Grenzverteidigung gegen Italien zu organisieren. Das Kommando Rohr tat alles Menschenmögliche, um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Aber sie war schlechthin unerfüllbar. Aus nichts ist eben nichts zu machen. Ohne Offiziere, Mannschaften und Pferde, ohne Gewehre, Kanonen und Munition, ohne das Tausenderlei, dessen eine moderne Armee bedarf, ist heutzutage eine Verteidigung nicht aus dem Boden zu stampfen. Gegen die unaufhörlichen Hilferufe des Kommandos Rohr aber blieb die österreichisch-ungarische Heeresleitung taub, solange Italien nicht tatsächlich losschlug. Denn auf den wirklichen Kriegs¬ schauplätzen (Galizien und Serbien) stand die Sache schlecht. In dieser mehr als kritischen Lage — jede Nacht konnte den Einbruch der italienischen Armeen in die unverteidigten Grenzgebiete bringen — schritt das Kommando der Tiroler Landesverteidigung in Innsbruck (Feld- marschalleutnant von Können-HorLk) zur Selbsthilfe. Ohne weiter auf Unterstützung von oben zu rechnen, organisierte es schon in den kritischen Augusttagen ganz nach den althistorischen Mustern des Maxi¬ milianischen „Elfjährigen Landlibells" und Andreas Hofers Erhebung von anno Neun ein „Tiroler Volksaufgebot". Jeder Tiroler und Vorarlberger, Mann, Weib und Kind, sollte, wenn der Alarmruf erscholl, seine ererbte Waffe ergreifen und sich dem eindringenden Welschen entgegenwerfen. Da Italien aber damals seine „große Stunde", in der es die heißbegehrten Grenzgebiete fast kampflos hätte erringen können, ungenützt ließ, fand die Tiroler Landesverteidigung Zeit zu immer größerer Entfaltung. Im Laufe des winters *9 ^/*5 organisierte sie zunächst aus den verschieden¬ artigsten Hinterlandsformationen mit Hilfe von zusammengebettelten Gewehren verschiedener Modelle, Monturen und ausrangierten Salutgeschützen eine Anzahl von Landsturmbataillonen und Batterien letzten Aufgebotes und schweißte sie zu einem fragwürdigen „Tiroler-Korps" zusammen. Es war eine Sisyphusarbeit. Denn jedesmal, wenn das Korps halbwegs verwendbar dastand, riß die Heeresleitung in höchster Not die neugeschaffenen „Truppen" dieses Korps dem Tiroler Komman- l) Aus des Verfassers noch ungedrucktem Werke „Die Tiroler Landesverteidigung im Weltkriege".