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Die Viehhandelsverbände
in der deutschen Kriegswirtschaft*
Von
Dr. August Skalweit
Professor der Staatswissenschaften an der Universität Gießen
I. Die Entstehung der Viehhandelsverbände
und ihr Aufgabenkreis
a) Die Gründung der Viehhandelsverbände
Die Viehhandelsverbände oder die ihre Aufgaben ausfüh-
renden Stellen haben die Bestimmung, den Ankauf, den Absatz
und die Preise des Schlachtviehs zu regeln. Seit dem Frühjahr
1916 besitzen sie eine Art Viehhandeis-Monopol, indem ihrer Ver-
mittlung der gesamte Umsatz mit Schlachtvieh unterstellt ist.
Ursprünglich war ihre Aufgabe als eine sehr viel engere
gedacht gewesen.
Im November '1915 waren Höchstpreise für Schlachtschweine
festgesetzt worden. Das war gegen den Widerspruch weiter Kreise
geschehen, die daraus unerwünschte Folgen für die Erzeu-
gung und den Absatz befürchteten. Den Rindern gegenüber hatte
man sich zu der gleichen Maßnahme nicht entschließen können.
Kamen doch bei den Rindern außer lokalen Preisunterschieden
noch die großen Verschiedenheiten in der Qualität hinzu, die
einer einheitlichen Preisregelung widerstrebten.
Gleichwohl ging es nicht an, auf dem Rindermarkte die Dinge
ruhig weiterlaufen zu lassen. Auch hier drängte die Entwicklung
zu einem staatlichen Eingreifen. Der Rinderauftrieb nahm so
zu, daß für die Aufrechterhaltung der Rinderbestände die schwer-
sten Befürchtungen gehegt werden mußten. Zum Teil waren es
wirtschaftliche Gründe, die den Landwirt zur Verminderung seiner
Rindviehbestände veranlaßten. Die Rauhfutterernte des Jahres
1915 war mißraten. Die Einfuhr von Ersatzfuttermitteln aus
dem Auslande war nicht möglich. Die Milchpreise stiegen nicht
* Dieses Heft ergänzt sich mit einem im Druck befindlichen Hefte über
die öffentliche Bewirtschaftung des Fleisches zu einer Gesamtdarstellung
über Vieh und Fleisch in der Kriegswirtschaft.
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in dem gleichen Verhältnis wie die erhöhten Produktionskosten.
Wurde schon aus diesen Gründen der Viehhalter zum Abstoßen
von Rindvieh veranlaßt, so wurde der Anreiz dazu noch durch
die hohen Preise vermehrt, die für die Rinder als Schlachtvieh
eine höhere Verwertung versprachen. Die im ' Frieden selten
gesehene Erscheinung eines Steigens der Preise gleichzeitig mit
verstärktem Angebot ward zum Ereignis. Natürliche und künst-
lich geschaffene Ursachen bildeten den Grund dafür. Infolge
des knapper werdenden Schweineangebots seit der Höchst-
preisfestsetzung vom November 1915 mußte sich die Nach-
frage nach Rindfleisch vermehren. Insbesondere konnte die
Heeresverwaltung ihren Bedarf nicht den gestiegenen Preisen ent-
sprechend einschränken. Sie mußte kaufen, mochte es kosten, was
es wollte. Die Spekulation bemächtigte sich der Lage. Da die
Rinderpreise in unerschütterlicher Stetigkeit zunahmen, wurde
der Rinderhandel zu einem Spekulativgeschäft, mit dem sich viel
Geld verdienen ließ, und es warfen sich auf ihn Leute, die sich
vorher niemals damit beschäftigt hatten. So kam alles zusammen,
die Preise weiter in die Höhe zu treiben. Die Gefahr für die
deutsche Rinderhaltung wuchs, tragende Kühe und schlacht-
unreifes Vieh wurden in steigendem Maße zur Schlachtbank
getrieben.
Im Anhang haben wir aus den amtlichen Preisnotierungen
des Frankfurter Schlachtviehmarktes eine Zusammenstellung der
Preise und Auftriebszahlen von Rindern und Schweinen wieder-
gegeben. Daraus ist zu entnehmen, daß der wöchentliche Rinder- auftrieb im Jahre 1914 sich im Durchschnitt auf 1339 Rinder belaufen hatte. In der ersten Hälfte des Jahres 1915 hatte sich
diese Zahl auf durchschnittlich 1563 Rinder erhöht. Doch dann
begann die Steigerung sehr viel stärker zu werden.
Der wöchentliche Rinderauftrieb in Frankfurt a. M. betrug
durchschnittlich
im Juli 1916: 1895 Rinder
r „ August 2236 .. : , .
„ September „ 2156 „
„ Oktober 2404
„ November „ 2469 „
„ Dezember 2982
im Durchschnitt der ersten 4 Wochen des
‘ ' Januar 1916 3361 „
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Demnach war der Rinderauftrieb auf das Zweieinhalbfache
des normalen Standes im Laufe des Krieges gestiegen. So
konnte es nicht weitergehen. Aber was sollte geschehen? Ob-
wohl man den Grund für die verstärkte Abschlachtung des Rind-
viehs in den gesteigerten Preisen sah — diese waren Ende Januar
1816- mehr als doppelt so hoch wie im Jahre 1914 —, so konnte
man sich doch nicht zur Festsetzung von Höchstpreisen entschließen.
In einer am 7. Januar 1916 unter dem Vorsitz des Landwirt-
schaftsministers abgehaltenen Sitzung der preußischen Landwirt-
schaftskammern wurden „allgemeine Höchstpreise für Rindvieh ein-
stimmig nicht für durchführbar angesehen". Man suchte daher
nach einem anderen Wege, um einen Einfluß auf die Preisbil-
dung zu bekommen, und indem man sich bewußt oder unbewußt
die Jndustriekartelle zum Vorbild nahm, kam man auf den Ge-
danken, den Viehhandel in territoriale, unter Staatsaufsicht
stehende Zwangssyndikate zusammenzufassen, von deren regeln-
der und kontrollierender Tätigkeit man eine Gesundung der ge-
samten Verhältnisse auf dem Rindermarkte erhoffte. Es war
damals gerade die Zeit, wo die Versorgung der Bevölkerung unter
den Spekulationen und Preistreibereien des sogenannten wilden
Handels litt. In der Annahme, daß hier auch bei dem Vieh-
handel die Wurzel des Übels säße, glaubte man allein schon da-
durch, daß man den Viehhandel konzessionspflichtig machte, Besse-
rung schaffen zu können. Nur solche Personen sollten fortan mit
Vieh handeln dürfen, die Mitglieder des Syndikats waren und
denen durch ihre Aufnahme bestätigt war, daß sie schon vor dem
Kriege Viehhandel betrieben hatten und sich eines guten Leu-
mundes erfreuten. Es war weiter vorgesehen, die Geschäfts-
führung dieser zum Viehhandel zugelassenen Personen zu über-
wachen. Dazu wurde eine Buchführung nach bestimmtem Muster
vorgeschrieben und verlangt, daß bei jedem Kaufgeschäft soge-
nannte Schlußscheine mit Angabe der Gattung, des Gewichts
und des bezahlten Preises des Tieres ausgestellt und der Über-
wachungsstelle eingesandt werden sollten.
So entstanden die Viehhandelsverbände.
Im Februar 1916 wurde in den preußischen Provinzen je
ein Diehhandelsverband, gewöhnlich mit dem Sitze in der Pro-
vinzialhauptstadt, gegründet; nur die Provinz Hessen-Nassau er-
hielt aus örtlichen Gründen zwei Verbände, für jeden der beiden
Regierungsbezirke einen (in Cassel und Frankfurt a. M.). Als
Hauptorgan des Verbandes wurde von der Aufsichtsbehörde ein
Vorstand bestellt und ehrenamtlich mit der Führung der Geschäfte
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des Verbandes betraut. AIs zweites Organ war noch ein Betraf
vorgesehen, dessen Einfluß ans die Verbandstätigkeit indes so
gering geblieben ist, daß wir ihn nur nebenbei erwähnen wollen.
Das gleiche gilt von der Mitgliederversammlung. Der Vorstand
besteht aus einem Vorsitzenden und gewöhnlich sechs Mitgliedern.
Zum Vorsitzenden wurde ein höherer Staatsbeamter ernannt,'die
Ernennung der übrigen Mitglieder, die sich gewöhnlich je zur
Hälfte aus Landwirten und Viehhändlern zusammensetzen, erfolgte
auf Vorschlag der Landwirtschafts- und Handelskammern. Es ist
demnach zu beachten, daß den Vertretern der Landwirtschaft im
Vorstande ein gleich großer Einfluß zugebilligt wurde wie den
eigentlichen Viehhändlern. Dieser Vorgang ist Wohl darauf zu-
rückzuführen, daß ursprünglich beabsichtigt war, nicht reine Vieh-
handelsverbände zu gründen, sondern „Verbände der Vieh-Züchter
und -Händler". Doch erwies sich diese Zusammensetzung des Vor-
standes als recht glücklich. Die Erzeugerkreise wurden durch selbst-
tätige Mitwirkung an der Organisation interessiert, und mancher
Widerstand, der sich den Viehhandelsverbänden in der ersten Zeit
entgegenstellte, wurde dadurch leichter überwunden. Auch sollte
es sich zeigen, daß die früher vielfach als unüberbrückbar geltenden
Gegensätze zwischen dem Viehhandel und dem Vieherzeuger tat-
sächlich nicht so groß waren, daß eine Zusammenarbeit bei einer
einigermaßen geschickten Leitung durch den Vorsitzenden unmög-
lich gewesen wäre.
Die Hauptaufgaben und Befugnisse des Viehhandelsverban-
des werden im Paragraph 2 der für die preußischen Verbände
aufgestellten Satzung folgendermaßen gekennzeichnet:
„Der Verband überwacht und regelt die Beschaffung von
Vieh in der Provinz und dessen Absatz.
Er ist mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde befugt, die
zu zahlenden Preise festzusetzen und Bestimmungen über die
beim Weiterverkauf zulässigen Aufschläge zu treffen.
Die Verbandsmitglieder sind an die Einhaltung der fest-
gesetzten Preise gebunden."
Als Vieh im Sinne der Satzung gelten: Rinder, Schafe und
Schweine, und zwar nicht nur solche, die zur Schlachtung bestimmt
sind, sondern mit Ausnahme von Ferkeln und kleinen Läufer-
schweinen auch Zucht- und Nutzvieh. Obwohl die eigentliche Auf-
gabe der Viehhandelsverbände in der Regelung des Schlachtvieh-
handels lag, so verbot es sich doch, den Handel mit Zucht- und
Nutzvieh ganz.frei zu lassen, weil sonst befürchtet werden mußte,
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daß Schlachtvieh als Zuchtvieh ausgegeben und der Kontrolle
entzogen worden wäre.
Der Hauptnachdruck des angeführten Paragraphen 2 der
Satzung lag zunächst auf der Ü b e r w a ch u n g und Rege-
lung des Viehhandels. Daß der Verband Handelsgeschäfte auf
eigene Rechnung machte, war zwar nicht ausgeschlossen, jedoch zu-
nächst nicht vorgesehen. Man glaubte vielmehr ohne wesentliche
Beschränkung des Handels, soweit er syndiziert war, auszu-
kommen. Die Mitglieder des Verbandes erhielten vom Vorstande
eine Ausweiskarte, die sie bei jedem Viehhandelsgeschäft ohne
Aufforderung vorzulegen hatten, um ihre Berechtigung zum
Kaufe nachzuweisen. Die Polizeiorgane erhielten Auftrag, zu
überwachen, daß niemand außer den Verbandsmitgliedern Vieh
kaufte, und die Eisenbahnstationen wurden angewiesen, nur In-
habern von Ausweiskarten die Verfrachtung von Vieh zu gestatten.
Auch von der Befugnis der Viehhandelsverbände, die Preise fest-
zusetzen und die Handelszuschläge zu bestimmen, machte mach
zunächst keinen Gebrauch. Für Schweine bestanden die von
Reichs wegen bestimmten Höchstpreise, im übrigen aber glaubte
man, sich damit begnügen zu können, auf Grund der eingesandten
Verkaufsanzeigen die Preisbildung zu überwachen.
Die preußischen Viehhandelsverbände wurden alsbald nach
ihrer Gründung in einem Zentralviehhandelsverbande in Berlin
zusammengeschlossen. Die Absicht, von der man dabei geleitet
wurde, ging dahin, ein einheitliches Vorgehen der Viehhandels-
verbände in den wichtigsten Fragen zu ermöglichen. Es wurde
bestimmt, daß der Zentralviehhandelsverband die Tätigkeit der
ihm angeschlossenen Verbände bei der Regelung der Beschaffung,
des Absatzes und der Preise von lebendem Vieh überwachen solle.
Insbesondere ist er befugt, Richtlinien für die satzungsmäßige
Tätigkeit der ihm angeschlossenen Verbände aufzustellen und
diese zu gemeinsamer Arbeit zusammenzufassen. Dem die Ge-
schäfte führenden-Vorstande steht ein Beirat zur Seite, der sich
aus je einem Vertreter der angeschlossenen Verbände, ferner
aus vier Landwirten, zwei Viehhändlern, zwei Schlächtern und
vier Vertretern von Städten zusammensetzt. Der Beirat ist über
wichtigere Fragen der Organisation und des Absatzes und der
. Beschaffung von Vieh und über die Grundzüge der Preisrege-
lung zu hören. Es war vorgesehen, daß auch nichtpreußische
Viehhandelsverbände dem Zentralviehhandelsverbande beitreten
könnten. Sachsen, Oldenburg und Anhalt haben davon Gebrauch
gemacht.
In den anderen deutschen Bundesstaaten wurden gleichzeitig
oder etwas später ähnliche Organisationen geschaffen. Entweder
in der Weise, daß das preußische Vorbild völlig oder mit einigen
Abweichungen nachgeahmt wurde, oder indem, wie z. B. in
Bayern und Württemberg, amtliche Stellen geschaffen wurden,
die mit den gleichen Aufgaben, wie sie dem Vorstande der Vieh-
hKndelsverbände übertragen waren, betraut wurden. Einige
kleinere Bundesstaaten haben sich den benachbarten größeren Ver-
bänden angeschlossen, so Braunschweig, Lübeck und Bremen. Der
Regierungsbezirk Hohenzollern ist mit Württemberg verbunden
worden. Die Thüringischen Staaten sind zu einem einheitlichen
Viehhandelsverbande vereinigt.
Auf die Einzelheiten der in den Bundesstaaten geschaffenen
Organisationen wollen wir nicht eingehen. Lediglich auf Würt-
temberg möge noch hingewiesen werden, einmal, weil hier früher
als in Preußen eine Regelung des Viehhandels geschaffen wurde,
und zweitens, weil der Ausgangspunkt dazu ein anderer war.
Die Höchstpreisverordnung für Schlachtschweine und Schweine-
fleisch vom 4. November 1915 hatte bekanntlich die Lücke gehabt,
daß solche Käufer von Schlachtschweinen nicht an die Höchstpreise
gebunden waren, die das Fleisch und Fett der geschlachteten Tiere
nicht unmittelbar in rohem Zustande zum Verkauf brachten. Das
galt vor allem für die Aufkäufer der Konservenfabriken und der
Heeresverwaltung, die, weil sie in der Lage waren, höhere Preise
anzulegen, dem Frischfleisch verkaufenden Metzger den Markt
verdarben. Die in Württemberg sehr unangenehm verspürte
Wirkung war daher, daß nicht nur der Schweineauftrieb sehr stark
nachließ, sondern daß auch Schweine in verstärktem Maße außer
Landes gingen. Um diesem Übelstande zu begegnen, wurde durch
eine Verfügung des Württembergischen Ministeriums des In-
nern vom 10. Dezember 1916 eine besondere Landeszentral-
behörde, die „Württembergische Fleischversorgungsstelle", ge-
gründet und bestimmt, daß nach nichtwürttembergischen Orten
in Zukunft nur solche Schweine ausgeführt werden dürften, für
die von dieser Behörde auf Grund von „Versandscheinen" dazu
die ausdrückliche Erlaubnis erteilt worden war. Am 15. Januar
1916 wurde der Versandscheinzwang auch auf Großvieh ausge-
dehnt, weil die zugleich mit der Steigerung der Preise zuneh-
mende Rinderausfuhr „den Grundstock einer der wertvollsten
Bestandteile des württembergischen Volksvermögens, den Vieh-
stand, zu schädigen drohte". Aus diesen Anfängen, die zunächst
nur auf eine Ausfuhrüberwachung ausgegangen waren, ent-
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wickelte sich dann im Februar 1916 die weitere, den gesamten
Verkehr mit Vieh und Fleisch erfassende Organisation. Der Vieh-
handel wurde konzessionspflichtig gemacht und einer weitgehenden
Überwachung durch die Fleischversorgungsstelle, insbesondere hin-
sichtlich der Ankauf- und Absatzgebiete, des Weiterverkaufs, der
Buchführung, der Anzeigen über die abgeschlossenen Geschäfte und
der Preise unterstellt.*)
l>) Die Aufgaben der Viehhandelsverbände
Die im Februar 1916 von den Viehhandelsverbänden auf-
genommene Tätigkeit sollte sich, wie schon erwähnt, zunächst in
sehr beschränkten Grenzen bewegen. Von den eigentlichen Macht-
mitteln, die ihnen satzungsgemäß gegeben waren, der selbständigen
Preisregelung und Beschaffung des Viehs, sollte kein Gebrauch
gemacht, sondern erst abgewartet werden, welchen Erfolg die Aus-
schaltung des wilden Handels und die Überwachung des legiti-
mierten Handels haben würden.
Die in dieser Hinsicht gehegten Hoffnungen haben sich nicht
erfüllt. Zwar konnte einigen skrupellosen Geschäftsleuten, ins-
besondere solchen, die erst während des Krieges sich auf den Vieh-
handel geworfen hatten, das Handwerk gelegt werden; daß aber
dadurch die allgemeine Marktlage verbessert worden wäre, trat
äußerlich nicht in die Erscheinung. Auch von irgendeiner Wirkung
der Ankaufsanzeigen, der sogenannten Schlußscheine, auf die
Preisbildung war nichts zu merken. Überhaupt kam den Schluß-
scheinen in der Praxis nicht entfernt der Wert zu, den man sich
vorher von ihnen versprochen hatte. Bei den Käufen von
Schweinen ließ sich mit ihrer Hilfe wenigstens noch feststellen,
ob die bestehenden Höchstpreise überschritten worden waren,
vorausgesetzt, daß die Scheine richtig ausgefüllt wurden. Bei
den anderen Tiergattungen aber, für die Höchstpreise nicht galten,
hatten die gemachten Angaben lediglich ein theoretisches In-
teresse. Im übrigen änderten sie nichts daran, daß die Preise
für Rinder, Kälber und Schafe unentwegt weiterstiegen.
Bei alledem mußte die erste Tätigkeit der Viehhandelsver-
bände höchst unerfreulich sein. Es war eine kümmerliche Schreib-
stubenarbeit, deren einziger Erfolg darin bestand, mit einem
reichen Aufwands von Schreibwerk ein dürftiges Material für
Strafanzeigen zu sammeln. Jeden Morgen brachte die Post zu
*) Vergl. Junget, Die Regelung der Fleischversorgung in Württem-
berg. Stuttgart ISIS.
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Hunderten die von Händlern eingesandten Schlußscheine. Sie
wurden nachgeprüft, eingeordnet, registriert, ein großer Teil
war gewöhnlich falsch oder unvollständig ausgefüllt und mußte
den Ausstellern zurückgesandt werden. Jede zuverlässige Kon-
trolle fehlte darüber, daß sie vollzählig waren, d. h. ob sie auch
der Gesamtzahl der tatsächlich gemachten Kaufabschlüsse ent-
sprachen. Also nicht einmal statistischer Wert konnte den Schluß-
scheinen zugesprochen werden. Die Händler mußten aber den
Eindruck gewinnen, daß ihnen die Beiträge, die sie bei ihrer Auf-
nahme in den Verband zu zahlen hatten, abgefordert worden
waren, um ein ebenso teures wie überflüssiges Bureau zu unter-
halten. Ein Haufen Formulare war ihnen in die Hand gesteckt
worden, ohne daß sie den damit verbundenen Zweck zu erkennen
vermochten. Mit einer Unmenge von Schreibwerk und Porto-
kosten wurden sie belastet, die Geschäftsführung wurde ihnen auf
Schritt und Tritt erschwert, ohne daß an den bisherigen Markt-
verhältnissen wesentliches geändert worden wäre.
Schon nach den ersten Wochen müßten die Viehhandelsver-
bände erkennen, daß sie sich zur völligen Unfruchtbarkeit verur-
teilen würden, wenn sie nicht zu einer aktiven Viehhandelspolitik
übergingen.
Der erste Schritt, der in dieser Richtung getan wurde, war
die Einführung von Rinderhöchstpreisen, die Mitte März erfolgte.
Die Rinderpreise waren bis Mitte März auf eine Höhe gestiegen,
daß auf den Schlachtviehmärkten die amtlichen Preisnotierungen
eingestellt werden mußten, weil man sich scheute, die gezahlten
Phantasiepreise der Öffentlichkeit bekanntzugeben. Es lag eine
gewisse Ironie darin, daß ausgerechnet die erste Tat der Vieh-
handelsverbände darin bestand, Rinderhöchstpreise einzuführen,
um deren Vermeidung willen sie eigentlich gegründet worden
waren. Zugleich damit wurden Bestimmungen über die zulässige
Höhe des den Händlern beim Weiterverkauf von Rindern und
Schweinen zustehenden Handelsgewinns getroffen. In dieser
Hinsicht hatten sich nämlich die Friedensbegriffe so völlig ver-
schoben, daß ein Eingreifen unbedingt erforderlich war. Hatte int
Frieden der Handelsgewinn für das Stück Großvieh im Durch-
schnitt 10 bis 20 Mark betragen, so war es seit Ende des Jahres
1916 keine Seltenheit mehr, daß bei einem einzigen Rinde 100 bis
200 M- vom Händler verdient wurden. Dem Verfasser ist aus
seiner damaligen eigenen Tätigkeit als Piehhandelsverbands-
Vorsitzendem ein Fall in Erinnerung geblieben, in dem zwei
Rinder mit einem Reingewinn vop 458 Mark verkauft wordep
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waren; - von der beabsichtigten Strafanzeige mußte indes Abstand
genommen werden, weil Sachverständige erklärten, daß ein über-
mäßiger Gewinn im Sinne des § 5 der Bekanntmachung gegen
übermäßiger Preissteigerung vom 23. Juli 1915 nach der zur
Zeit herrschenden Marktlage nicht vorläge.
Im April 1916 wurden die Schweine- und Rinderhöchstpreise
durch solche für Kälber und Schafe ergänzt und zugleich auch für
diese Tiergattungen die zulässigen Handelszuschläge bestimmt.
Es blieb nur noch übrig, von der letzten und in ihrer
Wirkung am tiefsten einschneidenden Befugnis Gebrauch zu
machen und auch die Beschaffung und den Absatz des Schlacht-
viehs in die eigene Betätigung der Viehhandelsverbände einzu-
beziehen. Die Festsetzung der Rinderhöchstpreise sollte dazu
den Anlaß geben. Wie zu erwarten war, nahm das Angebot auf
dem Rindermarkte nach Erlaß der Höchstpreise ab. Der vorher
übermäßig starke Auftrieb war unnatürlich gewesen. Er war zu-
letzt nicht mehr auf das Bedürfnis des Landwirts zurückzuführen,
Vieh abzustoßen, sondern erklärte sich vielmehr aus den Phantasie-
Preisen, die auch solche Tiere aus den Ställen lockten, deren
Weiterhaltung -wünschenswert gewesen wäre. Sobald dieser An-
reiz fortfiel und zugleich auch die hohen Gewinnmöglichkeiten für
die Händler durch die Festsetzung fester Handelszuschläge be-
schnitten wurden, hörte wie mit einem Schlagader Rinderauftrieb
fast völlig auf. Die Markte zeigten eine gähnende Leere. In
Cöln sank der Auftrieb an Großvieh, der bis dahin ungefähr
1200 bis 1800 Tiere betragen hatte, plötzlich auf 200 Stück herab.
In Frankfurt wurden nur 300 Stück aufgetrieben, in Berlin
400 usw. Das waren so geringe Zahlen, daß die gesamte Fleisch-
versorgung in Frage gestellt wurde. Auch den Anforderungen der
Heeresverwaltung war nicht mehr gerecht zu werden, obwohl die
damals in schweren Kämpfen stehenden Truppen unbedingt kräf-
tiger Fleischrationen bedurften.
Unter diesen Eindrücken entstand der Plan einer grundsätz-
lichen Regelung der Fleischversorgung für das ganze Reichsgebiet.
In der R e i chs f I e i sch st e l I e wurde Ende März 1916 eine
Zentralstelle geschaffen, die die Aufgabe erhielt, die Fleischversor-
gung und die Ausbringung -von Vieh und Fleisch im Reichsgebiet
zu regeln. Auf Grund der früheren Schlachtungsziffern wurden die
von den einzelnen Bundesstaaten aufzubringenden Schlachtvieh-
mengen kontingentiert und die Zentralbehörden mit der Auf-
bringung und Unterverteilung beauftragt. Die gegebenen
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Organe, deren sich die Zentralbehörden zur Ausführung dieser
Aufgabe bedienten, waren die Viehhandelsverbände.
Einige wenige Viehhandelsverbände, so der westpreußische
und der hannoversche Viehhandelsverband, waren schon unmittel-
bar vor der Gründung der Reichssleischstelle von sich aus zu der
Beschaffung des Viehs in eigener Verwaltung übergegangen.
Die anderen Viehhandelsverbände mußten diesem Beispiel Wohl
oder übel folgen, als im April die Heeresverwaltung mit dringen-
den Schlachtviehforderungen herantrat, die auf einem anderen
Wege als durch eine von den Viehhandelsverbänden organisierte
Aufbringung nicht zu erfüllen waren.
Der Kreis schließt sich. Die Viehhandelsverbände, die ur-
sprünglich in der Absicht geschaffen worden waren, in höchst
schonender Weise die Schlachtvieh-Marktverhältnisse regelnd zu
beeinflussen, hatten ihren Wirkungsbereich bis zur denkbar
höchsten Spitze, bis zum Viehhandelsmonopol ausgedehnt. Der
Zwang der Verhältnisse hatte ihnen eine Aufgabe zugewiesen, mit
der an Größe nur die Reichsgetreidebewirtschaftung zu ver-
gleichen war.
II. Die Vieh be sch affung und Viehverteilung
durch die Viehhandelsverbände
a) Unter Benutzung des Handels
Die Ausführung des Viehankaufs und Absatzes in eigener
Verwaltung stellte die Viehhandelsverbände vor eine neue Auf-
gabe. Ihre bisherige Tätigkeit hatte in der Hauptsache darin
bestanden, den unter ihrer Aufsicht stehenden Viehhandel zu über-
wachen, nicht aber ihn selber zu betreiben. Nun mußten sie das
Viehgeschäft ausführen, und zwar für den Bereich einer ganzen
Provinz oder eines Bundesstaates, also in einem Umfange, für
den es in der Privatwirtschaft kein Vorbild gab. Durch die
besondere Art des Geschäftes mußten die Schwierigkeiten erhöht
werden. Es gibt kaum einen Handelszweig, der komplizierter
wäre als der Viehhandel. Ist auf den meisten anderen
Gebieten des Produktengroßhandels im Laufe der letzten
Jahrzehnte das alte Lokogeschäft überwunden und durch den be-
quemeren Handel nach Mustern oder Typen ersetzt worden, so ent-
zieht sich der Viehhandel der Möglichkeit jeglicher Typisierung.
Das liegt in der Natur der Ware. Es handelt sich um ein Ge-
schäft mit lebenden Wesen von unterschiedlichen Individual-
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Eigenschaften. Es läßt sich nicht mit 1000 Rindern umgehen wie
etwa mit 1000 Sack Roggen. Es scheint überflüssig, das aus-
zusprechen, doch muß immer wieder darauf hingewiesen werden,
weil es von Nichtfachleuten allzu leicht vergessen wird. Dazu
kommt die mit dem Viehhandel verbundene Verlustgefahr und
vor allem die Schwierigkeiten der Geldbeschaffung, da dieses
Geschäft, ganz dem Charakter des alten Lokohandels entsprechend,
Zug um Zug zu erfolgen pflegt. Es handelt sich demnach bei
der Monopolisierung des Viehhandels um eine Aufgabe, wie sie
selbst dem mit Recht oder mit Unrecht berühmten deutschen
Organisationstalent schwerer nicht gestellt werden konnte. Zu
ihrer Lösung fehlte es den Viehhandelsverbänden zunächst an
allem. Sie verfügten weder über das nötige Geld, noch über die
dazu erforderlichen Organe. Wie haben sie sich geholfen?
Es blieben nur zwei Wege gangbar: Die Viehhandelsver-
bände besorgten die Beschaffung und den Absatz des Viehs in
eigener Regie, oder aber sie wälzten sie auf die Kommunalver-
bände, die Kreise, ab, und behielten sich selber nur die rechnungs-
mäßige Verteilung vor.
Die Mehrzahl der Verbände hat den ersteren Weg ein-
geschlagen. Naturgemäß ließ sich die eigene Regie aber nicht
in dem Maße straff zentralisieren wie etwa bei einer Groß-
handelsfirma. Ganz abgesehen davon, daß dazu die Mittel ge-
fehlt hätten, wäre es auch bedenklich gewesen, die Händler ganz
auszuschalten. Der Handel hatte bisher eine wichtige volkswirt-
schaftliche Aufgabe geleistet; es lag daher kein Grund vor, ihn
in einer Stunde zu beseitigen, in der eingearbeitete Kräfte
dringend gebraucht wurden. Außerdem besaßen die Viehhandels-
verbände nicht die nötige Sachkunde, dieses schwierige Geschäft,
das gelernt sein wollte, ohne Hilfe zu meistern. Es mußte daher
eine Form gefunden werden, den Handel unter Benutzung seiner
Kräfte, feiner Sachkenntnis und seines Kapitals in den Dienst
der Aufgabe zu stellen.
Man ist gewöhnlich so vorgegangen, daß die zum Vieh-
handelsverbande zugelassenen Händler unter Einhaltung der
geltenden Vorschriften und Preisbestimmungen das Schlachtvieh
vom Landwirt oder Mäster nach wie vor einkaufen dürfen.
Doch wird ihnen für den Verkauf die Pflicht auferlegt, das
erhandelte Vieh nur an die zuständige Abnahmestelle des Vieh-
handelsverbandes abzuführen. Vergütet erhalten sie den Ein-
standspreis des Viehs zuzüglich der Auslagen für Eisenbahn-
fracht und eines nach dem Stallpreise des Tieres prozentual be-
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messenen Handelszuschlages. Die Händler wirken somit als Auf-
käufer des Viehhandelsverbandes, doch sind sie nicht etwa seine
Kommissionäre. Sie kaufen vom Landwirt das Vieh auf eigene
Rechnung und auf die Gefahr hin, daß ihnen, falls sie es zu teuer
erstanden haben, vom Viehhandelsverbande ein niedrigerer Preis
bezahlt wird. In das Eigentum des Viehhandelsverbandes geht
das Tier erst in dem Augenblick über, wo es von ihm an der
Abnahmestelle abgenommen wird. Die Abnahme' erfolgt gewöhn-
lich an einem oder zwei Tagen der Woche. Um eine vorherige
Verfügung zu ermöglichen, sind die aufkaufenden Händler an-
gewiesen, Zahl und Art der Tiere, die sie abliefern wollen, vor-
her anzumelden. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, Vieh auch
an anderen Orten als an den regelmäßigen Abnahmestellen ab-
nehmen zn können, so daß unter Umständen unnötige Transporte
erspart werden, ein Verfahren, das sich besonders bei der
Schweineverfrachtung im Hochsommer gut bewährt hat.
Die Geschäfte der Abnahmestelle pflegen von einem oder zwei
Vertrauensleuten des Viehhandelsverbandes geführt zu werden,
von Beruf Viehhändler, die sich als vertrauenswürdig und zuver-
lässig erwiesen haben. Sie sind Kommissionäre des Viehhandels-
verbandes und erhalten für ihre Tätigkeit prozentual bemessene
Provisionssätze vom Umsätze. Die von ihnen zu bewältigende
Arbeit ist außerordentlich schwierig und verantwortungsreich. Sie
haben das Vieh auf seine Güte hin zu prüfen, zur. Kontrolle nach-
zuwiegen, den Aufkäufern einen richtigen Preis zu machen und die
Kaufsumme sofort auszuzahlen. Schließlich müssen sie das ein-
gekaufte Vieh verladen und nach Anweisung der Geschäftsstelle
des Viehhandelsverbandes an die Bedarfsstellen versenden.
Diese Form der Organisation hat sich im allgemeinen gut
bewährt. Der Händlerstand hat sich wohl oder übel in die neue
Lage gefunden. Über alles Erwarten schnell haben sich die Ver-
trauensleute in ihre Aufgabe eingearbeitet. Da alte persönliche
und geschäftliche Beziehungen sie mit den aufkaufenden Händ-
lern verbinden, so kommt es nur selten zu Reibungen. Die
Lieferung, Abnahme und Versendung wickeln sich glatt und ohne
größeren Zeitverlust ab. In der Regel befindet sich das Vieh,
das morgens aus dem Stalle des Landwirts kommt, mittags oder
nachmittags schon auf der Bahn zum letzten Empfänger.
Die belieferten Stellen erhalten das Vieh nach Möglichkeit
in geschlossenen Sammeltransporten zu vorher genau festgelegten
Terminen. Gleichzeitig bekommen sie eine Gewichtsliste von den
an der Abnahmestelle mit Ohrmarken gezeichneten Tieren. Die
weitere Rechnungslegung vollzieht sich entweder in der Weise,
daß die Vertrauensleute unmittelbar mit den belieferten Stellen
abrechnen, oder aber auf dem Umwege über die Geschäftsstelle des
Viehhandelsverbandes. Das letzte Verfahren verdient den Vor-
zug, weil so am besten eine sicher wirkende Überwachung der Ver-
trauensleute, eine einwandfreie Rechnungslegung und eine zu-
verlässige Buchführung gewährleistet sind. Natürlich darf dadurch
nicht die Ausfertigung der Rechnungen verzögert werden, weil
sonst die belieferten Kommunalverbände bei der Feststellung der
Preise, die sie wiederum ihren Abnehmern machen müssen, in
Verlegenheit kommen. Bekanntlich hat es hierin bei dem einen
oder anderen Viehhandelsverbande anfänglich gehapert, woraus
dann beiden Teilen große Unannehmlichkeiten erwuchsen. Nicht
selten mußten die belieferten Stellen wochenlang auf ihre Rech-
nungen warten. So wird von einem Viehhandelsverbande erzählt,
daß er sich von dem belieferten Kommunalverbande die Empfangs-
listen geben lassen mußte, um auf dieser Grundlage nachträglich
seine Rechnungen aufzustellen. Inzwischen ist bei den Vieh-
handelsverbänden die Rechnungslegung so vervollkommnet
worden, daß in dieser Hinsicht Anlaß zu Klagen kaum noch vor-
handen sein dürfte.
Die Geschäftsstellen der Viehhandelsverbände werden kauf-
männisch geleitet und haben sich zu kaufmännischen Betrieben
großen Umfanges entwickelt. Je nach der Größe des ver-
walteten Gebietes bemißt sich der Umsatz, der entsprechend dem
hohen Werte des gehandelten Produktes bei den größeren Vieh-
handelsverbänden in die Hunderte von Millionen Mark geht.
In einigen größeren Provinzen sahen sich die Viehhandels-
derbände veranlaßt, zwischen der Hauptgeschäftsstelle und den Ab-
nahmestellen der Vertrauensleute noch einige Bezirkseinkaufs-
stellen einzuschieben. Das geschah, weil man von einer Zentral-
stelle aus die Geschäfte nicht ordnungsmäßig bewältigen zu
können vermeinte. Doch muß durch die Einschiebung jeder
Zwischenstelle, die ja nicht kostenlos arbeitet und gewöhnlich durch
einen Provisionsanteil entschädigt wird, die Aufbringung des
Viehs verteuert werden. Aus diesem Grunde ist daher, wenn es
irgend möglich ist, die ohne Zwischenglieder durchgeführte
Zentralisation vorzuziehen?
Einzelne Viehhandelsverbände haben die Einrichtung ge-
troffen, daß sie das eigentliche 'Viehhandelsgeschäft, anstatt es in
eigener Verwaltung auszuführen, einer oder mehreren Vieh-
handelsfirmen übertragen haben. Der damit verbundene Vorteil
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besteht in der Abschiebung des rein handelsmäßigen Betriebes
und der damit verbundenen Verlustgefahr an dem berufsmäßigen
Handel. Doch ist damit auch notwendigerweise eine Verteuerung
der Viehbeschaffung verbunden, da diese Handelsfirmen nicht so
billig zu arbeiten Pflegen wie die eigene Verwaltung, zumal eine
eigene Verbandsgeschäftsstelle zur Erledigung der übrigen Auf-
gaben dan-eben nicht überflüssig wird. Unbedingt abzulehnen ist,
daß die Vertreter solcher im Auftrage des Viehhandelsverbandes
arbeitenden Firmen zugleich Mitglieder des Vorstandes sind, weil
dadurch private Geschäftsinteressen auf die Beschlüsse des Vor-
standes Einfluß gewinnen können. Der ehrenamtliche Charakter
des Vorstandes muß auf das peinlichste gewahrt werden. Wer
im Auftrage des Viehhandelsverbandes Geschäfte macht, sei -es in
der eben erwähnten Weise oder sei es als Vertrauensmann, darf
nicht gleichzeitig im Vorstände sitzen.
Eine Frage, die die Verbände bei der Organisierung der
Viehaufbringung auf das regste beschäftigt hat, war die, ob man
neben den Viehhändlern auch die Metzger zulassen sollte. Bekannt-
lich ist das Viehhandelsgeschäft in Deutschland zum großen Teil,
besonders für die örtliche Versorgung der kleinen Gemeinden und
Mittelstädte/unter Ausschließung des Handels unmittelbar von
den Schlächtern selber besorgt worden.
Für die, weitere Zulassung der Schlächter sprach die Er-
wägung, daß diese Form -der unmittelbaren Selbstversorgung die
vielerorts hergebrachte war und mit den geringsten Spesen
arbeitete. Doch stand dem entgegen, daß die Kontrolle des selbst-
kaufenden Schlächters außerordentlich schwierig war. Der eigent-
liche Sinn der Fleischverbrauchsregelung ist der, daß ohne Bevor-
zugung irgendwelcher Bevölkerungsteile eine gleichmäßige Zu-
teilung erfolgt. Die Zulassung der Metzger zum Ankauf für
eigene Schlachtung konnte eine Durchbrechung des Systems zur
Folge haben. Denn selbst wenn man den Ankauf des Metzgers
an die in jedem Einzelfalle zu erteilende und amtlich bescheinigte
Genehmigung band, so war, um Unregelmäßigkeiten zu ver-
hindern, -eine so scharfe Überwachung erforderlich, daß -ein Zweifel
daran, ob dazu die überlasteten -Gemeinde- und Polizeiorgane im-
stande wären, nicht von der Hand zu weisen war. Außerdem
mußte damit gerechnet werden, daß die unmittelbar beim Land-
wirt kaufenden Metzger sich die besten und schwersten Stücke aus-
suchten und damit sich und ihren Kunden Vorteile verschafften.
Gleichwohl haben sehr viele Verbände den Einkauf der
Metzger auf Grund von Ermächtigungsbescheinigungen zugelassen,
15
die von den Kommunalverbänden nach Maßgabe des ihnen zu-
stehenden Schlachtungskontingentes ausgestellt werden. Die damit
in Bayern gemachten Erfahrungen haben neuerdings zu einer
Ausschließung der Metzger vom Ankauf geführt. Nicht nur, daß
sich die angeführten Mißstände gezeigt haben, es hat sich
auch herausgestellt, daß die Metzger sich des verbotenen Voran-
kaufs schuldig machten und die Höchstpreise überschritten, indem
sie den vorgeschriebenen Abzug von 6 Prozent des Gewichtes bei
gefütterten Tieren unterließen. Außerdem sind trotz aller amt-
lichen Überwachung seitens der Schlächter Möhrschlachtungen vor-
genommen worden.
In dem früher vom Verfasser geleiteten Verbände wurden die
Schlächter, obwohl die damit verbundenen Härten und Nachteile
nicht verkannt wurden, grundsätzlich vom eigenen Viehankauf aus-
geschlossen. Um indes den Landmetzgern nicht zuzumuten, das
Vieh, das sie unmittelbar vom Nachbarn hätten kaufen können,
auf dem Umwege über die Kreissammelstelle zu beziehen, wurden
die Vertrauensleute beauftragt, die Zuteilung des Viehs an die
Landgemeinden in der Weise vorzunehmen, daß sie von den an-
gemeldeten Tieren entsprechende Stücke den Landgemeinden auf
dem Papier zuteilten. - Im übrigen aber ging die Form der Ab-
rechnung ganz in der sonst üblichen Form vor sich, so daß die
Kontrolle durch den V-iehhandelsverband gewahrt blieb. Leider
ließ sich dies Verfahren nicht immer auch auf Großvieh anwenden,
weil bei diesem die Klassifizierung vorgehen mußte, die nur auf
den Sammelstellen erfolgen konnte.
b) Durch die Kommunalverbände
Grundsätzlich verschieden von der geschilderten Organisations-
form ist die Viehbeschaffnug unter Benutzung behördlicher Stellen
der Kommunalverbände. Man hat diese Form als die nach dem
Kommunalisierungsprinzip geregelte Viehbeschaffung bezeichnet.
Ihre Ausführung vollzieht sich in der Weise, daß der Mehhandels-
verband nach einem bestimmten Schlüssel die ihm auferlegten Vieh-
lieferungen auf die Kommunalverbände umlögt und ihnen die
weitere Aufbringung des Viehes überläßt. Die Kommunalver-
bände sind dann angewiesen, die Unterverteilung an die Gemein-
den ihres Bezirkes vorzunehmen und soweit sie Überschußkreise
sind, das übrige Vieh an die vom Viehhandelsverbande genannten
Stellen weiterzuleiten.
16
Die Verbandsvertrauensleute sind demnach bet diesem Vor-
gang ausgeschaltet. Natürlich steht es den Kommunalverbänden
frei, ihrerseits einen Vertrauensmann zu bestellen, was sie auch
sehr häufig zu tun pflegen, weil ihnen zur eigenen Ausführung
die geschäftliche Sachkunde fehlt. Doch geschieht das durchaus nicht
immer. Manche Kreisverwaltungen haben besondere Abnahme-
Kommissionen bestellt, denen gewöhnlich der Kreistierarzt an-
gehört, und diese mit der Abnahme des Viehs beauftragt.
Auch die Stellungnahme der die Viehbeschasfung selbst aus-
führenden Kommunalverbände den Händlern gegenüber ist eine
verschiedene. Die meisten benutzen die im Kreise angesessenen
Händler als Aufkäufer, ganz in der Weise, wie es die Viehhandels-
verbände zu tun pflegen. Andere schalten dagegen den Vieh-
handel ganz aus und lassen das Vieh durch Gemeindeorgane aus-
bringen. Das ist z. B. in Elsaß-Lothringen geschehen, wo in jeder
Gemeinde eine Ortsviehkaufskommission eingesetzt ist, die das
Schlachtvieh aussucht und an die in jedem Kreise unter Leitung
des Kreistierarztes bestehende Kreisabnahmekommission weiter-
liefert. Hier ist also die Kommunalisierung ganz rein durchge-
führt. Vom Landwirt bis zum letzten Empfänger ist der Handel
ausgeschaltet. Übrigens steht Elsaß-Lothringen in dieser Hinsicht
nicht etwa allein.
Diese Organisationsform hat auf den ersten Blick viel Be-
stechendes. Einmal ist der Zwischenhandel völlig beseitigt. Die
Viehbeschaffung verbilligt sich infolgedessen um einen Teil der
von den Händlern und Vertrauensleuten gemachten Zwischen-
gewinne. Weiter spricht dafür die Tatsache, daß der Handel in
seiner jetzigen beschränkten Verfassung unschwer durch Organe
der öffentlichen Hand ersetzt werden kann. Ist ja doch dem
Handel gerade das genommen, worin der Hauptteil seiner Wesens-
art besteht: die Bestimmung des Preises der Ware. Auch das'
Aufsuchen und die Auswahl des Viehs kommen in allen den
Fällen in Fortfall, in denen die Herausgabe des Viehs nicht
freiwillig erfolgt, sondern erzwungen werden muß. Geschieht das
aber — und bei der bestehenden Schlachtviehknappheit ist das
nicht selten der Fall — dann ist ohnehin und auch für die nach
dem Handelsprinzip organisierten Viehhandelsverbände die be-
hördliche Mitwirkung der Kommunalverbände erforderlich. Dem
an die Abnahmestelle liefernden Händler bleibt nichts weiter zu
tun, als die Tiere heranzuführen. Aus einem Organ des Han-
dels ist der Händler — wenn man so sagen will — zu einem
Organ des Transportgewerbes geworden.
17
Die Kommunalisierung des Viehhandels läßt sich demnach
sehr leicht ausführen und entspricht, wie wir angedeutet haben,
auch bis zu einem gewissen Grade den gegebenen Verhältnissen.
Gleichwohl läßt sich aber diese Organisationsform nicht generell
als die bessere bezeichnen. Es wurde schon erwähnt, daß es durch-
aus nicht erwünscht sein kann, einen ganzen Handelszweig, der im
Frieden wichtige wirtschaftliche Aufgaben erfüllte, im Kriege
völlig lahmzulegen. Mag er auch unter den bestehenden abnormen
Verhältnissen entbehrt werden können, so ist er doch in der kom-
menden Friedenszeit nicht zu missen. Je weniger härt die Ein-
griffe in die überlieferte Wirtschaftsordnung sind, um so leichter
wird sich später der erwünschte Übergang zur Friedenswirtschaft
vollziehen. Aus der Tatsache, daß der Viehhandel ein Handels-
zweig ist, der erst in jüngster Vergangenheit sich Zu seiner Be-
deutung entwickelt hat, den Schluß ziehen zu wollen, daß er über-
flüssig sei, bedeutet eine Verkennung der wirtschaftlichen Bedürf-
nisse, wie sie sich aus der Entwicklung der neuzeitlichen Verkehrs-
wirtschaft ergeben haben. Die Zeiten, wo der Schlachtviehbedarf
in der Hauptsache aus der näheren Nachbarschaft gedeckt werden
konnte, sind endgültig vorbei. Wenn es sich auch nicht leugnen
läßt, daß der Viehhandel in mancher Hinsicht reformbedürftig ist
und es kein Schade wäre, wenn ein Teil seiner Mitglieder von
der Bildfläche verschwände, so wäre es doch kurzsichtig, wollte man
übersehen, daß er eine wichtige mnd notwendige volkswirtschaft-
liche Aufgabe erfüllt. Macht man den Viehhandel jetzt tot, so
muß er im Frieden wieder neu geschaffen werden.
Es kommt aber hinzu, daß der Viehhandel auch unter den
jetzigen Verhältnissen in mancher Hinsicht Besseres leistet, als es
die das Vieh beschaffenden Kommunalverbände vermögen. Der
Kommunalverband muß bei der Auswahl der Schlachttiere nöt-
wendig mit einem gewissen Schematismus arbeiten. Ihm wird
nach einem rohen Schlüssel eine bestimmte Stückzahl Tiere zur
Lieferung aufgegeben, die Tiere müssen herbei, koste es, was es
wolle. Gewaltsame Eingriffe in die Viehställe sind unvermeid-
bar. Die. Viehhalter sind der Gemeindekommission auf Gnade
oder Ungnade ausgeliefert. Ungerechtigkeiten und Reibungen
sind unvermeidbar.
Im Vergleich dazu arbeitet die Hand des Viehhändlers leich-
ter. Mag seine Überredungskunst auch noch so groß sein, so wird
er doch dem Viehhalter nur solche Tiere abschwatzen können, die
dieser wirklich zur Not entbehren kann. Das Herausholen des
vr. Skalweit, MchhandelsverbSnde.
Viehs vollzieht sich daher i» einer mehr den Bedürfnissen der
Viehhaltung entsprechenden Weise. Außerdem haben die Vieh-
handelsverbände, deren Wirkungsbereich sich nicht aus einen ein-
zelnen Kommunalverband beschränkt, es in der Hand, auf die
örtlichen wirtschaftlichen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Das
Abstoßen des Viehs pflegt in den einzelnen Wirtschaftsgebieten zu
verschiedenen Zeiten stattzufinden. Rindviehzucht treibende Kreise
liefern Schlachttiere zu anderen Jahreszeiten als Kreise mit vor-
wiegender Abmelkwirtschaft, die Weidewirtschaft wiederum wird am
vorteilhaftesten die Schlachttiere nach Beendigung des Weideganges
abstoßen. Der einzelne Kommunalverband ist gewöhnlich nicht in
der Lage, auf alle diese Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Da-
gegen wird der die Aufbringung des Viehs selbst ausführende
Viehhandelsverband innerhalb seines großen Gebietes einen
Ausgleich treffen und die einzelnen Kreise ihren vorherrschen-
den Wirtschaftsbedingungen entsprechend zeitlich verschieden stark
für die Viehlieferung heranziehen können. Die eingesessenen
Händler kennen eines jeden Bauern Viehstand und können von
jedem Stück sagen, wann es am vorteilhaftesten zur Schlachtung
abgenommen wird. Arbeiten sie mit ihrem Vertrauensmann
Hand in Hand, so hat dieser schon wochenlang vorher einen Über-
blick darüber, auf welchen Auftrieb er in seinem Bezirke rechnen
kann. Er wird davon die Geschäftsstelle seines Verbandes unter-
richten, die dementsprechend ihre Verfügungen treffen wird. Die
gesamte Viehbeschaffung bewegt sich zwangloser und mehr in den
natürlichen Bahnen. Nur wenn ganz besonders starke Vieh-
lieferungen verlangt werden, wird er zur Aushebung von Vieh
mit Hilfe der Kommunalverbände schreiten müssen. Doch sollte
das die ultima ratio sein, die angewandt wird, wenn alle anderen
Mittel nicht mehr verschlagen.
Tatsächlich sind denn auch die Erfolge der nach dem Kommu-
nalisierungsprinzip organisierten Viehhandelsverbände durchaus
nicht immer sehr glücklich. Weder der Landwirt, noch die beliefer-
ten Stellen find recht damit zufrieden. Die Diehanlieferung ist
unregelmäßig, der Geschäftsgang schleppend. In den belieferten
Städten wird über die Güte des Viehs geklagt, und das ist auch
ganz erklärlich, da der Kommunalegoismus dazu führen muß,
die besten und schwersten Stücke zu behalten und nur die ge-
ringeren abzugeben. Der Verfasser hat drei Viehhandelsverbände
näher kennen gelernt, darunter war einer, der die Kommunali-
sierung durchgeführt hatte. Seine Leistungsfähigkeit war unver-
gleichlich weniger gut als die der anderen beiden Verbände. Es
19
wäre natürlich gewagt, dieses aus einem Einzelfall gewonnene
Urteil verallgemeinern 31t wollen, doch sprechen immerhin die
eben gemachten Erwägungen gegen dieses System.
Neben den beiden beschriebenen Organisationsformen ist noch
eine dritte möglich, die beide miteinander verbindet. Diese Ver-
bindung kann eine rein mechanische sein, indem innerhalb eines
Verbandsbezirkes beide Formen nebeneinander zur Verwendung
kommen, wie das z. B. in der Provinz Hannover der Fall ist, wo
den Kommunalverbänden vom Viehhandelsverbande freigestellt
wurde, ob sie sich dem geltenden Prinzip des Viehhandelsverban-
des anschließen odey, unter Ausschluß des Handels die Auf-
bringung des Viehes allein in die Hand nehmen wollten. Die
Verbindung wird zu einer organischen, wenn dem Handel einer-
seits, und den Kommunalverbänden andererseits verschiedene
Funktionen der Viehbeschaffung übertragen werden. Diese letzte
Einrichtung finden Wir z. B. in Bayern und Württemberg. Dort
ist die Beschaffung des Viehs für die Heeresverwaltung, für die
auswärtigen Bedarfsverbände und für diejenigen Kommunal-
verbände, deren Bedarf, wie das bei den größeren Städten zu-
trifft, eine Zufuhr von weit her nötig macht, in der Geschäfts-
abteilung der Fleischversorgungsstelle zentralisiert. Die Auf-
bringung des Viehs für diese Zwecke vollzieht sich in ganz ähn-
licher Weise, wie wir es bei den nach dem Handelsprinzip orga-
nisierten Viehhandelsverbänden kennen gelernt haben, durch
Kommissionäre und durch die zum Viehhandel zugelassenen Händ-
ler. Dagegen versorgt sich die große Zahl aller der Kommunal-
verbände, die dazu genügend Vieh haben, für den eigenen Bedarf
selbst. Sie bedienen sich dazu entweder des konzessionierten
Handels oder der Metzger, denen Einkaufsermächtignngen aus-
gestellt werden.
Dieses System paßt sich ohne Zweifel den Friedensverhält-
nissen und damit den gegebenen Bedürfnissen insofern an, als
von jeher der Ausfuhr treibende und die großen Städte versor-
gende Handel andere Wege einzuschlagen gewohnt war, als die
sich selbst oder aus der näheren Nachbarschaft versorgenden klei-
neren Gemeinden zu gehen pflegten. Es wird am -ehesten an-
gewandt werden können in Gebieten, die wie Bayern und Würt-
temberg vorwiegend aus Viehüberschußkreisen bestehen; die weni-
gen T-iere, die von den Kommunalverbänden für die eigene
Fleischversorgung beansprucht werden, spielen im Vergleich zu den
Viehmengen, -die aus den Kreisen an die Bedarfsstellen hinaus-
gehen, eine so geringe Rolle, daß die kommende Versorgung
' 2*
20
nicht schwer ins Gewicht fällt. Gleichwohl hat Bayern beschlossen,
vom 1. Mai 1917 ab die Selbstversorgung der Kommunalverbände
abzuschaffen, weil die sich aus ihr ergebenden Übelstände, die vor
allem in einer verhältnismäßigen Überversorgung der betreffen-
den Verbände bestanden, sich als unerträglich herausgestellt haben.
Immerhin darf bei der Beurteilung der Organisationsformen
der Viehhandelsverbände niemals übersehen werden, daß sie sich
den besonderen örtlichen Verhältnissen anpassen müssen. Vieh-
reiche Gebiete müssen anders organisiert sein, als vieharme,
solche mit wenigen großen Städten anders, als solche mit dichter
städtischer Bevölkerung, und auch darauf kommt es an, ob die
Siedlungsweise eine kleinbäuerliche ist, oder ob der Großgrund-
besitz vorherrscht. Allgemein gültige Regeln lassen sich daher nur
in bedingter Weise aufstellen.
Daraus erklärt sich auch in der Hauptsache das Viel der
nebeneinander vorkommenden Organisationsformen. Es gibt
kaum zwei Verbände, die eine ganz gleiche Verfassung hätten.
Zum Teil hängt das auch mit ihrer Entstehung zusammen. Ohne
Vorbild und der Eingebung des Augenblicks folgend, mußte sich
jeder Verband seine eigene Einrichtung geben. Die ■ Aufgabe
besteht darin, mit möglichst geringem Aufwand das höchste Maß
der Leistung zu erzielen, und das wird am besten durch diejenige
Organisationsform erreicht, die sich möglichst zwanglos den be-
sonderen Bedürfnissen anpaßt.
Ebensoviel aber, oder — vielleicht kann man sagen — noch
mehr wird es auf die Art der Leitung des Verbandes ankommen,
auf die Entschlußfähigkeit und das wirtschaftliche Verständnis des
Vorsitzenden, auf die Einsicht und das Verantwortungsgefühl des
Vorstandes, auf die Arbeitsfreudigkeit und die Geschicklichkeit der
Geschäftsführung und ihrer Organe. Die Viehhandelsverbände
sind Selbstverwaltungskörper, sie leisten umso mehr, je besser der
Geist ist, der sie beseelt.
c) Die Beschaffung von Zuchtvieh
Die eigentliche Aufgabe der Viehhandelsverbände besteht
in der Beschaffung von Schlachtvieh. Den Verkehr mit Zuchtvieh
haben sie, wie schon erwähnt, dem freien Handel überlassen und
nur einer Überwachung unterzogen, um Schiebungen vorzubeugen.
Wenn trotzdem von ihnen noch Zucht- und Nutzvieh beschafft
worden ist, so geschah dies nur in bescheidenem Rahmen und
lediglich zu ganz besonderen Zwecken.
So sah sich eine größere Anzahl von Viehhandelsverbänden
veranlaßt, als im Sommer 1916 die Beschaffung von Milchkühen
für die Landwirte immer schwieriger wurde, auch ihrerseits mit-
zuwirken, um diesem Mangel entgegenzutreten. Im Aus- und
Inlands haben sie Milchkühe gekauft und an die Landwirte zum
Einstandspreise wieder abgegeben. Der Brandenburg-Berliner
Viehhandelsverband ist sogar soweit gegangen, für jede Kuh
einen Zuschlag von 100 Mark aus eigenen Mitteln zu zahlen.
Besonders glückliche Erfahrungen sind damit nicht gemacht worden.
Die Möglichkeit, Milchvieh zu bekommen, war auch für die Vieh-
handelsverbände gering, und bei der damaligen Marktlage ge-
stalteten sich die Preise so ungünstig, daß sich die Landwirte nur
schwer zu größeren Bestellungen entschließen konnten. '
Anders verhält es sich mit den Bemühungen der Viehhandels-
verbände, ihnen angeliefertes Vieh, das noch nicht schlachtreif war,
vor dem Weiterverkauf auf einen höheren Stand der Mästung zu
bringen; insbesondere pflegen an den Heeresvieh-Sammelstellen
zu leicht befundene Tiere zurückgewiesen zu werden. Solches Vieh
wird von den einzelnen Verbänden an Landwirte, die die dazu
nötigen Futter- oder Weidegelegenheit haben, käuflich oder auf
Grund von Mastverträgen abgegeben. Es kommt auch vor, daß
besondere eigene Anlagen dazu geschaffen worden find, wie von der
Württembergischen Fleischversorgungsstelle die Schlacht- und Nutz-
vieh-Sammelstelle in Laupheim. Der dadurch bewirkte Nutzen
kann groß sein. Nicht nur, daß das Vieh auf einen größeren
Schlachtwert gebracht und damit die Fleischerzeugung gesteigert
wird, es werden auch die wenigen noch vorhandenen Futterquellen
besser ausgenützt und die Düngererzeugung vermehrt. Aber für
das große Ganze darf man diese Aktion nicht überschätzen, weil
es sich im Vergleiche zu der großen Menge des Schlachtviehs
immer nur um verschwindend kleine Mengen handeln kann.
In diesem Zusammenhange müssen die M a st Vertrags-
schweine genannt werden. Es bestand zunächst vielfach der
Mißstand, daß diese Schweine der Verfügung der Viehhandelsver-
bände entzogen und von den Mastorganisationen unter Umgehung
der Viehhandelsverbände unmittelbar an die Vertragskontrahenten
geliefert wurden. Zwar erhielt der Viehhandelsverband von den
Lieferungen Mitteilung, aber seine Dispositionen wurden dadurch
bedeutend erschwert. Nunmehr haben die Viehhandelsverbände es
Wohl meistens erreicht, daß sie'die gemästeten Tiere selber abrufen.
Einen großen Fortschritt würde es natürlich bedeuten, wenn an
die Viehhandelsverbände das gesamte Verfahren von dem ersten
22
Vertragsschluß an übergeleitet würde. Es ist nicht einzusehen,
warum für diese Aufgabe, die ohne Schwierigkeit nebenher von
den Viehhandelsverbänden ausgeführt werden könnte, besondere
Organisationen nötig sein sollen.
III. Die Finanzierung der Viehhandels-
verbände
a) Die Beschaffung des Betriebskapitals und die Provision
der Vertrauensleute
AIs die Viehhandelsverbände die eigene Viehbeschaffung be-
gannen, stand ihnen ein Betriebskapital nicht zur Verfügung.
Nicht einmal Bankkredit konnten sie immer aufnehmen, weil dazu
eine Bürgschaft seitens öffentlicher Körperschaften nötig gewesen
wäre, die häufig versagt wurde.
Es ist Wohl selbst in der Kriegswirtschaft ohne Vorbild, daß
ein Milliardenunternehmen, wie es die Viehbeschaffung im Deut-
schen Reiche darstellt, fast völlig ohne eigene Geldmittel aufge-
nommen werden mußte. Diese Tatsache sollte für die ganze Art
der Finanzierung und Geschäftsregelung der Viehhandelsver-
bände von nachhaltigem Einfluß wenden.
Die Viehhandelsverbände waren auf Vorschüsse angewiesen
Zum Teil wurden diese von belieferten Bedarfsstellen, wie der
Zentralstelle für die Heeresverpflegung und einigen größeren
Kommunalverbänden nach Maßgabe der diesen Stellen wöchent-
lich zu liefernden Viehmengen gewährt. Die ganze übrige Finan-
zierung blieb den Viehhandelsverbänden überlassen. Sie wurde
von denjenigen Viehhandelsverbänden, die die Viehbeschaffung
kommunalisierten, auf die Kommunalverbände abgewälzt, und
gewiß wird diese Absicht mit dazu beigetragen haben, bei einigen
Verbänden diese Organisationsform einzuführen. Die übrigen
Viehhandelsverbände aber — und das war die Mehrzahl —
mußten die Hilfe des Privatkapitals in Anspruch nehmen.
Diese Hilfe konnte nur beim Viehhandel ,gefunden werden
und zwar in der Weise, daß man ihn am Geschäfte des Vieh-
handelsverbandes interessierte. Gewöhnlich wurden die Kom-
missionäre, die Vertrauensleute des Viehhandelsverbandes, auch
seine Geldgeber. Doch nicht in der Weise, daß sie dem Vieh-
handelsverbande eine bestimmte Summe liehen, sondern indem
sie das Geld für die Tiere, die -sie an den Verbands-Abnahme-
23
stellen abnahmen und dem Viehhandelsgebrauche entsprechend
sofort bezahlten, für den Viehhandelsverband vorlegten. Sie er-
hielten das Geld zurück, sobald der Verband es von seinen Ab-
nehmern wieder eingezogen hatte. Der Viehhandelsverband
arbeitete demnach ständig mit dem Gelde seiner Vertrauensleute.
Bei den hohen Werten der gehandelten Ware — man mache sich
klar, daß nur 100 bis 120 Rinder einen Wert von 100 000 Mark dar-
stellen — war das eine große Hilfeleistring. Sie konnte nicht ohne
Opfer erkauft werden. Die Höhe der den Vertrarlensleuten zu
gewährenden Provision mußte danach bemessen werden.
Anfangs bekamen die Vertrauensleute gewöhnlich eine Pro-
vision von 1, auch 1^ v. H. des Umsatzes, unter Zugrundelegung
des dem Landwirt oder Master gezahlten Stallpreises. Das war
ein hoher Satz und brachte vielfach Vertrarlensleuten mit einem
großen Umsatz so hohe Bruttoeinnahmen, daß sich die öffentliche
Meinung darüber stark erregte.
Die Viehhandelsverbände waren daher bemüht, die Pro-
vision herunterzudrücken. Das war aber. nur möglich, wenn es
gelang, die von den Vertranensleuten übernommene Zinslast zu
erleichtern. Das ist einmal dadurch erreicht worden, daß die be-
lieferten Stellen zur schnellen Begleichung der Forderungen des
Viehhandelsverbandes veranlaßt wurden. Nicht selten ließen
die belieferten Kommunalverbände wochenlang ihre Schuld an-
stehen. Der vom Verfasser geleitete Viehhandelsverband billigte
„ daher bei sofortiger Barzahlung einen Abzug von 1 v. H. der
Kaufsumme zu. Gleichwohl konnte die umgehende Zahlung hier
und da nicht durchgesetzt werden, so daß z. B. einem größeren
Kommunalverbande, als er mehrere hunderttausend Mark schuldig
geblieben war, die Einstellung der Lieferungen angedroht werden
mußte. Im Laufe der Zeit ist das besser geworden. Die beliefer-
- len Kommunalverbände, die sich anfangs den Viehhandelsver-
bänden gegenüber nicht selten ablehnend verhielten, haben ein-
gesehen, daß auch sie an der Leistungsfähigkeit des Viehhandelsver-
bandes interessiert sind, und haben sich zu einer schnellen Erfüllung
ihrer Verpflichtungen bereitgefundcn.
Die zweite Möglichkeit, den Vertrauensleuten das voraus-
logte Geld schnell wieder zurückzuzahlen, bestand darin, daß die
Viehhandelsverbände aus den nach und nach von ihnen ange-
sammelten Überschüssen ein Betriebskapital in die Hand bekamen,
das sie zu gleichen Zwecken verwenden konnten. Mit der Zeit
wurde es daher möglich, die Vorschüsse mehr und mehr abzustoßen
und die Zeitspanne, für die die Vertrauensleute Geld vorlegen
mußten, zu verkürzen.
Damit war der Augenblick gekommen, die Provision herab-
zusetzen, und zwar wurde sie in einer großen Zahl von Vieh-
handelsverbänden, insbesondere auch von den dem Preußischen
Zentralviehhandelsverbande angeschlossenen, auf y2 v. H. er-
mäßigt. Einzelne Verbände sind noch weitergegangen. Der
rheinische Vieh-handelsverband gibt seinen Vertrauensleuten nur
s^v. H. des Umsatzes und daneben eine feste Monatssumme Von
300 Mark. Noch weniger gewährt die Bayerische Fleischversor-
gungsstelle. Sie hat die Entlohnung ihrer Kommissionäre in der
Weise geregelt, daß sie ihnen neben einem festen Grundgehalt von
300 bis 600 Mark eine Provision von nur 1 vom Tausend zu-
billigt; außerdem wird noch eine kleine Entschädigung für Spesen
gewährt. Der in Bayern erreichte Erfolg ist der gewesen, daß
z. B. ein Vertrauensmann, der vorher bei einem Monatsumsatz
von 1 Million Mark 10 000 Mark monatliche Einnahme hatte, sich
jetzt nur noch auf 1500 Mark monatlich steht. Nun ist zwar die
Annahme eines Monatsumsatzes von 1 Million Mark sehr hoch
gegriffen — -die -große Mehrzahl der Vertrauensleute wird, ihn
nicht -erreichen — aber immerhin werden diejenigen Viehhandels-
verbände, die % v. H. Provision geben, in jedem einzelnen Falle
nachprüfen müssen, ob nicht eine Herabsetzung gerechtfertigt ist.
Doch ist dabei eine gewisse Zurückhaltung geboten. Von der
Güte und zuverlässigen Arbeit der Vertrauensleute hängt der
geregelte Gang der gesamten Viehlieferung ab. Nimmt man
ihnen den Anreiz eines ausreichenden Verdienstes, so kann die
Leistungsfähigkeit des Ganzen beeinträchtigt werden. Bei der
Beurteilung der Gewinnhöhe muß auch berücksichtigt werden, daß
die Vertrauensmänner gewöhnlich Großhändler sind, die auch in
Friedenszeiten mit großen Summen zu rechnen pflegten. Außer-
dem stellen die Einnahmen aus den Provisionen nicht einen Rein-
gewinn dar, sondern es sind in ihnen die gesamten Unkosten
der Vertrauensleute für die Geschäftsführung enthalten, Im
Zweifelsfalle läßt sich aber wohl annehmen, daß eine Provision
überall dort zu hoch ist, wo sie y2t>. übersteigt. Leider gibt es
noch immer einige wenige Viehhandelsverbände, wo das der
Fall ist.
Wiederholt ist erwogen worden, ob man die Vertrauensleute,
statt sie durch Umsatzprovisionen zu entschädigen, auf feste Ein-
künfte setzen solle. Die Ausführung dieser Absicht würde den
Wünschen weiter Kreise entsprechen. Doch möchte sie nicht unbe-
25
deutlich sein. Die Vertrauensleute sind von Haus aus Geschäfts-
leute und als solche gewöhnt, daß ihr Gewinn von den Erfolgen
ihrer Leistungen abhängt. Eine feste Besoldung würde daher
nicht in dem Maße wie die jetzige Regelung einen Anreiz zur
tüchtigen und ordnungsmäßigen Geschäftsführung zu geben im-
stande sein. Ob eine große Ersparnis damit verbunden sein
würde, bleibt gleichfalls fraglich. Jetzt übernimmt der Vertrauens-
mann die Haftung für die gesamte mit seiner Tätigkeit zu-
sammenhängende Verlustgefahr. Bei einer festen Entlohnung
müßte der Viehhandelsverband diesen Teil des Risikos über-
nehmen. Und wer schließlich sollte die Finanzierung durchführen,
die ganz ohne die Mithilfe der Vertrauensleute auch heute noch
nicht möglich ist?
st) Die Handelszuschläge der aufkaufenden Händler
Obwohl die Handelszuschläge der aufkaufenden Händler mit
der Finanzierung der Viehhandelsverbände nur mittelbar zu tun
haben, sollen sie doch in diesem Zusammenhang der Vollständig-
keit halber gleich behandelt werden.
Über die Art der Mithilfe der Händler bei der Vieh-
beschaffung ist schon gesprochen worden. Sie sind nicht Kom-
missionäre des Viehhandelsverbandes, sondern kaufen auf eigene
Rechnung und Gefahr das Vieh beim Landwirt oder Mäster auf
und führen es den Abnahmestellen des Viehhandelsverbandes zu.
Da die zu zahlenden Viehpreise gesetzlich festgelegt sind, haben
sie auf die Preisbildung keinen Einfluß mehr.
Auch die Handelszuschläge sind fest normiert. Sie betrugen
anfangs für Rinder, Schweine und Schafe gewöhnlich 3 v. H.
Später sind sie meistens auf 2 v. H. herabgesetzt worden. In einigen
wenigen Bezirken ist man noch tiefer hinuntergegangen. Bei
Kälbern ist von jeher ein höherer Zuschlag gewährt worden, weil
ihre Beibringung im Vergleich zu ihren Preisen verhältnismäßig
große Unkosten macht. Die Zuschläge für Kälber betrugen 6, auch
6 v. H. und sind dann auf 4 v. H. ■ ermäßigt worden. Die all-
gemeine Erniedrigung der Handelszuschläge fand statt, weil es sich
herausstellte, daß das den Händlern noch belassene Risiko geringer
war, als man vorher angenommen hatte. Man glaubte daher,
daß der niedrigere Satz ausreichte, umlerne entsprechende Gegen-
leistung darzustellen.
Bei der Beurteilung der gerechtfertigten Höhe der Handels-
zuschläge darf man die örtlichen Verhältnisse nicht außer Acht
26
lassen. Wo die Wege- und Eisenbahnverhältnisse günstig und
die Siedelung eine dichte ist, ist die Mühewaltung des auskaufen-
den Viehhändlers verhältnismäßig einfach. Anderorts kann sie
dagegen recht groß sein. Man denke nur an die Schwierigkeiten
der Viehbeschaffung im Hochgebirge! In manchen Gegenden hat
es sich daher als notwendig herausgestellt, dem Händler außer der
Eisenbahnfracht die übrigen Transportkosten zu vergüten. Da-
gegen wird eine Ermäßigung des Zuschlages eintreten
können, wenn das zur Schlachtung gekaufte Tier am Stand-
orte verbleibt. Es kann in solchen Fällen — nnd vereinzelt ge-
schieht das auch — der Zuschlag bis auf die Hälfte des Normal-
satzes erniedrigt werden.
Ebenfalls wird eine Herabsetzung des Handelszuschlages statt-
finden können, wenn Tiere enteignet oder von Organen der
Kömmunalverbände zur Schlachtung bestimmt werden, so daß
der Händler das Vieh nicht mehr aufzusuchen, sondern nur noch
an die Abnahmestelle heranzuführen hat.
Der Reingewinn des Händlers kann bei gleicher Höhe des
Zuschlages sehr verschieden sein, je nach der Zahl der Tiere, die er
zusammen in einem Transport herbeischafft. Handelt es sich um
Sammellieferungen, etwa in der Weise, daß aus einem großen
Stalle oder aus mehreren Ställen eines Dorfes eine größere Anzahl
Tiere zusammen geliefert werden, so ist der Gewinn verhältnis-
mäßig hoch. Ein krasser Fall dieser Art liegt z. B. vor, wenn
ganze Schafherden auf einmal zum Verkauf gelangen. Muß da-
gegen jedes Schlachttier womöglich einzeln geholt und angetrieben
werden, so stellen die Handelszuschläge eine durchaus mäßige Be-
zahlung dar. Eine Staffelung der Zuschläge nach Maßgabe der
auf einmal gelieferten Stückzahl wäre daher sehr erwünscht, doch
ist sie praktisch nicht recht durchführbar. Sie würde Veranlassung
zu unerwünschten Schiebungen geben. Weiter ist zu beachten, daß
bei der bestehenden Viehknappheit ein Anreiz dazu gegeben sein
muß, auch aus denr kleinsten und letzten Stall das Schlachtvieh,
herauszuholen. Die Zuschläge müssen daher wohl oder übel so
benressen sein, daß auch die unter den ungünstigsten Verhältnissen
zu beschaffenden Tiere an die Abnahmestellen des Viehhandelsver-
bandes gelangen. In dieser Hinsicht haben gerade die ganz
kleinen Händler wertvolle Dienste geleistet und sind deshalb nicht
zu entbehren. Eine allzu niedrige Ansetzung der Handelszuschlägc
müßte aber ihre Mitarbeit in Frage stellen. Wo sie nicht mit-
wirken, hat es sich meistens gezeigt, daß die Viehanlieferung z»
wünschen übrig ließ. Insbesondere wird bei den Viehhandelsvep
27
bänden, die unter Ausschluß des Viehhandels die Viehbeschaffung
durch die Kommunalverbände besorgen, darüber geklagt, daß vor
allem das Kleinvieh nicht genügend erfaßt würde.
Zu erwägen wäre, ob man dem Händler statt eines nach dem
Werte des Tieres prozentual bemessenen Zuschlages eine Ent-
lohnung zu festen Stücksätzen gewähren solle. Mit Recht wird
man sagen können, daß es für den Grad der Mühewaltung des
Händlers gleichgültig bleibt, ob er ein hochwertiges oder ein -ge-
ringes Tier herbeischafft. Im Gegenteil macht nicht selten gerade der
Antrieb geringer, -in ihrer Gesundheit geschwächter Tiere beson-
ders viel Arbeit, benötigt womöglich einen Transport auf der
Achse unmittelbar -vom Stalle aus. Im Interesse unserer Vieh-
haltung muß aber viel daran gelegen sein, daß gerade solche Tiere
ans den Ställen heraus und zur Schlachtbank kommen.
Man erkennt, daß es bei den Handelszuschlägen der auf-
kaufenden Händler noch manche ungelöste Frage gibt. Es wird
daher angezeigt sein, daß -der Gegenstand einer Nachprüfung un-
terzogen -und eine Bemessung gefunden wird, die eine gerechte
und dem Allgemeininteress-e entsprechende Entlohnung des auf-
kaufenden Händlers gewährleistet.
c) Die Gebühren des Viehhandelsverbandeö
Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die Viehhandels-
verbände bei der Übernahme der Viehbeschaffung über kein eigenes
Betriebskapital verfügten. Es war daher nicht mehr als berech-
tigte Vorsicht, wenn sie die Gebühr in einer solchen Höhe erhoben,
daß sie gegen Rückschläge gesichert waren. Sie besaßen keinerlei
Erfahrung, welche Verlustgefahr mit dem Geschäfte verbunden sein
würde. Sie mußten auch wünschen, ein eigenes Betriebskapital
zu sammeln, um aus den Händen ihrer Geldgeber herauszu-
kommen. Die preußischen Viehhandelsverbände -hatten sich dahin
geeinigt, einen Gesamtzuschlag von 7 v. H. zu erheben. Dieser
Zuschlag wird dem Stallpreise des Tieres zugeschlagen und ent-
hält den dem aufkaufenden Händler gewährten Handelszuschlag
und die dem Vertrauensmann zustehende Provision. Der ge-
samte Rest verbleibt dem Viehhandelsverbande als solchem. Die
süddeutschen Staaten nehmen sämtlich weniger als 7 v. H. Nur
für die Lieferung an die Heeresverwaltung erheben auch sie den
Satz von 7 v. H., was berechtigt sein -mag, weil hier erhöhte An-
forderungen gestellt werden. In dem früher von dem Verfasser
geleiteten Verbände wurde schon im Sommer 1916 bei der Lie-
28
r ' " ' • ' ].
ferung «an Kommunalverbände der Gebührensatz auf 4 bis 6 v. H.
herabgesetzt, einschließlich der vom Viehhandelsverbande getrage-
nen Versicherung gegen Transportschäden und Gewährsmängel.
Gleichwohl konnten noch Überschüsse gemacht werden.
Manchen Viehhandelsverbänden kommt allerdings nicht der
ganze, nach Abzug der Zuschläge für den aufkaufenden Händler
und den Vertrauensmann verbleibende Rest zu gute, weil sie
zwischen die Geschäftsstelle und den Vertrauensmann Einkaufs-
stellen eingeschoben haben, wie Bezirkseinkaufsstellen, Händler-
gruppen usw., denen ebenfalls eine Provision, und zwar in be-
trächtlicher Höhe, zu zahlen ist. Dem wird man aber entgegenhalten
können, daß andere und selbst ganz große Viehhandelsverbände
ohne diese verteuernden Zwischenstellen auskommen, und daß wohl
ein Organisationsfehler vorliegen muß, wenn durch solche^ ent-
behrlichen Zwischenglieder die Unkosten gesteigert werden.
Einige Viehhandelsverbände geben von ihren Einnahmen
einen Anteil an die Kommunalverbände dx. Wo diese die Vieh-
beschaffung ohne Hilfe des Viehhandelsverbandes selber besorgen,
ist das ganz berechtigt, wenn auch diese Vergütung in manchen
Fällen als recht hoch erscheint. Im übrigen aber entbehrt eine
Zuweisung an die Vieh abgebenden Kommunalverbände jeder
Begründung, es sei denn, daß ihre Hilfe bei einer Beschlagnahme
oder Feststellung schlachtreifen Viehs in Anspruch genommen
wird. Doch wird in diesen letzten Fällen die Entschädigung billiger-
weise aus einer Kürzung des für den aufkaufenden Händler be-
stimmten Handelszuschlages bestritten werden müssen.
Ganz anders liegen natürlich die Dinge, wenn seitens des
Viehhandelsverbandes den belieferten Kommunalverbänden
für die von ihnen vorzunehmende Unterverteilung eine Ver-
gütung gewährt wird. Doch handelt es sich dann, bei Lichte be-
sehen, um nichts anderes als einen Gebührennachlaß, der, so er-
wünscht er sein mag, an sich mit den eigentlichen Verpflichtungen
des Viehhandelsverbandes nichts zu tun hat.
Worin bestehen eigentlich die Unkosten eines zweckmäßig
organisierten Viehhandelsverbandes?
. Erstens in den Unkosten für die Geschäftsstelle. Sie sind im
Vergleich zu dem Umsatz gering. Hoch gerechnet mögen sie etwa
% v. H. des Umsatzes ausmachen. Nimmt man nämlich bei einem
größeren Viehhandelsverbande einen Jahresumsatz von 100 Milli-
onen Mark an, so läßt sich für 260 000 Mark schon ein recht an-
ständiges Bureau unterhalten, zumal die Arbeit des Vorsitzenden
und des Vorstandes eine ehrenamtliche ist. 'Bei kleineren Der-
29
bänden, wo der Umsatz geringer ist, sind auch die Kosten für die
Geschäftsstelle entsprechend niedriger.
Zweitens tragen Pie Viehhandelsverbände vielfach die Kosten
für die Versicherung gegen Transportschäden und Gewährs-
mängel. Sie betragen nicht ganz % v. H. der gezahlten Stall-
preise. Doch haben nicht alle Verbände diese Verpflichtung über-
nommen. Manche erheben für die Versicherung vom Landwirt
sowohl wie vom Empfänger noch eine besondere Gebühr, bei der
womöglich noch ein Extragewinn gemacht wird.
Drittens können den Viehhandelsverbänden Unkosten an den
Abnahmestellen entstehen. Sie sind besonders hoch an den Heeres-
viehsammelstellen, wofür, wie schon erwähnt, auch eine besondere
Vergütung berechtigt erscheint. Doch im übrigen werden die
Hauptkosten, die sich an den Sammelstellen für die Verladung
be§. Viehs ergeben, von den Vertrauensleuten getragen. Die für
die Abnahmestellen erforderlichen ersten Anlagekosten sind in-
zwischen gewöhnlich abgeschrieben worden, so daß neue Ausgaben
beträchtlicher Art kaum noch erwachsen. Dieser Teil der Unkosten
wird daher mit weiterem % v. H. des Umsatzes zu veran-
schlagen sein.
Viertens endlich müssen die Viehhandelsverbände noch eine
Rücklage für unvorhergesehene Fälle, für die Ansammlung eines
Reservefonds usw. machen. Sie braucht nicht sehr hoch- zu sein,
weil die Lieferungsbedingungen, wie wir noch sehen werden, so
beschaffen sind, daß das Hauptrisiko auf den Empfänger abge-
wälzt wird. Vor der Transportgefahr schützt die Viehhandels-
bände die Versicherung. Immerhin wollen wir hierfür noch
% v. H. des Umsatzes rechnen.
Demnach wird die Gesamthöhe der vom Viehhandelsverbande
als solchem in Zukunft zu erhebenden Gebühren einschließlich Ver-
sicherung 2 v. H. des Umsatzes nicht zu übersteigen brauchen.
Das würde bedeuten, daß die Provision einschließlich der Zuschläge
für den aufkaufenden Händler und den Vertrauensmann bei
Lieferung von Rindern, Schweinen und Schafen nicht mehr als
4 bis 5 v. H., bei Kälbern nicht mehr als 7 v. H. betragen würde.
Der preußische Zentralviehhandelsverband hat bereits mit
Rücksicht auf die Steigerung des Umsatzes, die die Erhöhung der
Fleischration auf 600 Gramm im April 1917 zur Folge gehabt hat,
die Provision gleichmäßig für alle Tiergattungen auf 5y2 v. H.
ermäßigt. Im übrigen wird, nachdem nunmehr die ersten Jahres-
bilanzen der Viehhandelsverbände vorliegen, die ganze Provisions-
frage von den beteiligten Stellen grundsätzlich geprüft werden.
30
d) Die Überschüsse der Viehhandelsverbände und ihre Verwendung
Nach den gemachten Ansführungen ist es nicht verwunderlich,
daß die Viehhandelsverbände erhebliche Überschüsse erzielt haben.
Sie sind zwar nicht so hoch, wie in der öffentlichen Meinung
häufig geglaubt wird, aber immerhin machen sie insgesamt eine
Summe aus, die, Wenn sie in Friedenszeiten durch eine Steuer
hätte aufgebracht werden müssen, eingehende Erörterungen her-
vorgerufen haben würde.
Die Überschüsse sind bei den einzelnen Verbänden ganz ver-
schieden hoch. Das erklärt sich nicht nur daraus, daß die Größe
des Umsatzes nicht die gleiche ist, sondern hängt auch von der Höhe
der erhobenen Gebühren und vor allem von der Organisations-
form der Viehhandelsverbände ab. Verbände, die den Kommu-
nalverbänden die Viehbeschaffung überwiesen haben, haben ihnen
zugleich auch den Hauptteil der Einnahmen überlassen müssen.
Statt der Viehhandelsverbände haben dann die Kommunalver-
bände die Überschüsse gemacht. Ähnliches gilt von Viehhandels-
verbänden, die zwischen der Geschäftsstelle und den Vertrauens-
leuten Zwischenstellen eingeschoben haben; ein guter Teil des
Gewinnes ist dann an diesen Stellen hängen geblieben. Bei der
Wahl der Organisationsform ist häufig der Gesichtspunkt ber
bestmöglichen Wirtschaftlichkeit nicht genügend beobachtet wor-
den. Die Viehhandelsverbände haben aber die Pflicht, nicht nur
gut, sondern auch billig zu wirtschaften.
Zu Beginn der Tätigkeit der Viehhandelsverbände wurde
in der öffentlichen Meinung nicht selten angenommen, daß die
Überschüsse der Viehhandelsverbände einzelnen Privatpersonen
oder einer Gruppe von solchen zugute kämen. Das ist natürlich
nicht der Fall. Die freie Verfügung über ihre Überschüsse ist den
Viehhandelsverbänden entzogen. In den süddeutschen Staaten,
wo die Aufgaben der Viehhandelsverbände von amtlichen Stellen
ausgeführt werden, wird ohne weiteres über sie bestimmt. Bei den
sich selbst verwaltenden Viehhandelsverbänden ist die Art der Ver-
wendung von amtlicher Genehmigung abhängig gemacht worden.
Doch fragt es sich, ob die Erzielung von Überschüssen sich
überhaupt rechtfertigen läßt.
Anfangs war es durchaus berechtigt, daß. diejenigen Vieh-
handelsverbände, die die Viehbeschaffung in eigener Verwaltung
ausführten, aus den Gebühren ein Betriebskapital zu sammeln
sich bemühten. Nachdem das nunmehr geschehen ist, werden
31
andere Gründe ins Feld geführt werden müssen, um eine Über»
schußwirtschaft erforderlich erscheinen zu lassen.
Es ist als wünschenswert bezeichnet worden, für kommende
Zeiten ein Kapital zum Wiederaufbau der durch den Krieg mit-
genommenen Viehzucht zur Verfügung zu haben. Ohne Frage
ist dieser Wunsch durchaus zu verstehen, und soweit schon jetzt
von einzelnen Viehhandelsverbän-den ein Teil ihrer Überschüsse
angelegt worden ist, ist er auch meistens in dieser Weise, verwandt
worden. Überhaupt besteht die Neigung dazu, die Überschüsse für
solche Zwecke nutzbar zu machen. Gewiß kann dadurch Nützliches
geschaffen werden, aber es leuchtet nicht ohne weiteres ein, ob es
den Anforderungen der Billigkeit entspricht, einseitig der land-
wirtschaftlichen Erzeugung ein Kapital zuzuwenden, das auf
Kosten der Verbraucher angesammelt worden ist. Nun wird ja
ohne Frage die Hebung der Viehzucht am letzten Ende auch den
Verbrauchern zustatten kommen, doch wird dagegen eingewandt,
die Landwirtschaft habe an den ungewöhnlich hohen Viehpreisen
so viel verdient, daß sie mit eigenen Mitteln die Hebung der Vieh-
zucht bewerkstelligen könne. Diese Art, die Berechtigung der
Überschußwirtschaft zu begründen, kann daher nicht dazu beitragen,
den irrt Kriege groß gewordenen Gegensatz zwischen Stadt und
Land zu mildern. Wenn schon Überschüsse gemacht werden, sollten
sie so verwandt werden, daß sie nicht nur den Erzeugern, sondern
auch den Verbrauchern unmittelbar zugute kommen, wie das z. B.
durch Anlage von Wurstereien, Gefrier- und Kühlhäusern,
Knochen-Entfettungseinrichtungen usw. möglich ist. Von ein-
zelnen Verbänden, insbesondere in Württemberg, ist das auch
schon geschehen, aber die Fälle solcher Verwendung sind noch ver-
einzelt.
Es ist auch wohl gesagt worden, für den Verbraucher sei es
ziemlich gleichgültig, ob der Vtehhandelsverband 1 v. H. mehr
oder weniger erhebe. 1 v. H. auf den Viehpreis geschlagen mache,
auf den Fleischpreis umgerechnet, eine Verteuerung von nur
2 Pfennigen für das Pfund Fleisch im Kleinverkauf aus. Das,
schlüge für den Einzelhaushalt doch nicht zu Buche. Dieser Auf-
fassung muß mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden.
Die Viehhandelsverbände bewirtschaften ein öffentliches Gut und
sind für jeden Pfennig, der erhoben wird, der Allgemeinheit ver-
antwortlich. Es muß peinlich genau gerechnet werden, andern-
falls gerät man auf eine schiefe Ebene, auf der es kein Halten
mehr gibt. Zudem handelt es sich ja nicht nur um 1 v. H.,
um die nach unserer Berechnung die Provision sich in Zukunft
32
ermäßigen ließe. Die infolgedessen mögliche Verbilligung des
Fleischpreises ist immerhin so beträchtlich, daß sie, wenn zugleich
die Spannung zwischen Viehpreis und Fleischpreis auf das ge-
naueste berechnet wind, für den Verbraucher sehr Wohl fühlbar
werden kann. Jede Überhöhung der Provision wirkt wie eine
Schlachtsteuer, auf deren Abschaffung unsere Väter so stolz waren.
Wenn demnach keine anderen Gründe für die Notwendigkeit
von Überschüssen vorgebracht werden können, dann wird es besser \
sein, ganz auf sie zu verzichten und nicht mehr zu fordern, als zur
Deckung der laufenden Unkosten nötig ist. Daß ein solcher Ver-
zicht den Viehhandelsverbänden schmerzlich sein wird, ist durchaus
verständlich. Nicht nur, weil es sich angenehm aus einem vollen
Topfe wirtschaften läßt, sondern auch weil die Möglichkeit, für
allerlei nützliche Unternehmungen Geld zur Verfügung stellen zu
können, außerordentlich reizvoll ist. Doch muß das erste Ziel der
Viehhandelsverbände darin bestehen, die ihnen als Organe der
öffentlichen Kriegswirtschaft gestellten Aufgaben mit möglichst ge-
ringen Unkosten zu erfüllen. Die Lebenshaltung ist so teuer ge-
worden, daß jede, auch die kleinste Verbilligung, dringend gefor-
dert werden muß. Im Gegensatz zu den.Brotpreisen waren bisher
die Fleischpr-eise in Deutschland höher als bei irgend einem der
kriegführenden Gegner. Die Viehhandelsverbände müssen eine
Ehre darin suchen, alles dazu beizutragen, daß die deutsche
Fleischwirtschaft den gleichen guten Ruf erhält wie die Reichs-
getreidebewirtschaftung.
IV. Die Preispolitik der Viehhandelsverbände
a) Die Einstandspreise
Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die bei Gründung
der Viehhandelsverbände bestehende Hoffnung, lediglich durch
eine Überwachung des Diehhandels zu einer Preisregelung auf
dem Rindermarkte zu kommen, sich nicht erfüllte. Hatten noch
Anfang Januar in Frankfurt a. M. vollfleischige, ausgemästete
Kühe höchsten Schlachtwertes 64 bis 70 Mark für den Zentner
Lebendgewicht gekostet, so betrug Ende Februar der Preis 124 bis
135 Mark, also fast das Doppelte. Doch war damit keineswegs
der Höhepunkt erreicht. In den beiden ersten Märzwochen wurden
die amtlichen Preisnotierungen eingestellt, weil man Bedenken
trug, die Preise zu veröffentlichen; es sollen damals bis zu
200 Mark gefordert und bezahlt worden sein.
33
Der Glaube, die Preise auf andere Weise als durch Höchst-
preise beeinflussen zu können, war ad absurdum geführt. Man
kam um Rinderhöchstpreise nicht herum. Doch ließen sie sich nicht
in der einfachen Weise, wie es bei den Schweinehöchstpreisen mög-
lich war, nach der Höhe des Gewichts staffeln. Der Schlachtwert
der Rinder richtet sich weniger nach dem Gewicht, als nach der
qualitativen Beschaffenheit. Eine alte, nur aus Haut und
Knochen bestehende Kuh kann ein recht hohes Gewicht haben und
ist doch nur den vierten Teil eines gut ausgemästeten Schlacht-
rindes wert. Zwischen diesen beiden Grenzfällen sind noch mehrere
Gradunterschiede möglich. Nun ließen sich natürlich nicht alle
Qualitätsunterschiede in ein Höchstpreisschema einpressen, doch
versuchte man wenigstens, die krassesten Gegensätze zu berück-
sichtigen. Während man von den Schweinehöchstpreisen den
Stallpreis und die Staffelung nach Gewicht übernahm, fügte man
außerdem noch eine Gliederung nach Qualitätsklassen hinzu. Die
ersten nach diesen Grundsätzen im März geschaffenen preußischen
Rinderhöchstpreise, die von den meisten anderen Bundesstaaten
übernommen wurden, sahen folgendermaßen aus:
Als Stallhöchstpreise für den Zentner Lebendgewicht wurden
festgesetzt:
Gewicht des Tieres Zentner Vollfleischige Mastochsen (bis zu 6 Jahre alt) Bullen, Färsen (noch nicht gekalbt) Höchstpreis für den Zentner Mark Kühe und alte Ochsen Höchstpreis für den Zentner Mark
11 und mehr 100 90
10 bis 11 95 85
9 „ 10 90 80
8 „ 9 . 85 75
7 „ 8 80 70
6 „ 7 75 65
5 „ 6 70 60
4 „ 5 65 55
3 „ 4 60 —
Maßgebend ist das Lebendgewicht, nüchtern gewogen (12 Stunden
futterfrei) oder gefüttert gewogen, abzüglich 6 Prozent.
Diese Höchstpreise litten an zwei Mängeln: einmal war die
Berücksichtigung der Güteunterschiede durch nur zwei Qualitäts-
klassen unzureichend, und zweitens mußte diö Staffelung nach
Di'. -Sfaltueit, Viehhandelsverbünde.
3
84
Gewicht eine Benachteiligung der leichten, aber in ihrem Schlacht-
wert doch guten Tiere zur Folge haben. Man hat daher Lies
System nach beiden Richtungen hin zu verbessern gesucht. Im
Sommer 1916 wurden die Qualitätsklassen vermehrt und die
Gewichtsstaffelung abgeändert oder ganz aufgehoben. Das be-
deutete ohne Frage eine Verbesserung. Doch erregte vielfach und
insbesondere in Süddeutschland die gleichzeitig in Preußen vor-
genommene Erhöhung der Preise um etwa 10 v. H. Widerspruch.
Außerdem wurden für bestausgemästete Tiere, sogenannte „Fett-
träger", besondere Prämien von 10 Mark für den Zentner Le-
bendgewicht bewilligt, so daß also für beste Tiere der hohe Preis
von 120 Mark festgesetzt wurde. Diese Erhöhung der Rinder-
preise wurde von einigen Bundesstaaten nicht mitgemacht. Die
im März festgesetzten Preise waren im Vergleich zu der unmittel-
bar vorher herrschenden Marktlage zwar nicht hoch gewesen, aber
sie erhoben sich immerhin im Vergleich zu den Preisen des Januar
1916 um etwa 25 v. H. und im Vergleich zu den Friedenspreisen
um über die Hälfte. Im Oktober 1916. sind daher auf Veran-
lassung des Präsidenten des Kriegsernährungsamts die Preise
wieder um 5 Mark gesenkt worden.
Am 1. Januar 1917 zeigten die Rinderpreise in Deutschland
solendes Bild: . ; j
Preußen (mit Ausnahme des Regierungsbezirks Hohen-
zollern), K g r. Sachsen, Mecklenburg-Schwer in,
Mecklenburg-Strelitz, 'Braunschweig, Old en-
burg, Anhalt, Schaumburg-Lippe, Lippe-Det-
mold, Wald eck und die Thüringischen Staaten
hatten die gleichen und zwar folgende Preise für den Zentner
Lebendgewicht: ;
Klasse AI (bestausgemästete Tiere, Fetträger) 116 M-
Klasse A (ausgemästete oder vollfleischige Ochsen
und Kühe bis zu 7 Jahren, ausge-
mästete oder vollfleischige Bullen bis
5 Jahren und ausgemästete oder voll-
fleischige Färsen) . . . . . . . 105 M.
Klasse B (ausgemästete oder vollfleischige Ochsen
und Kühe über 7 Jahre, ausgemästete
oder vollfleischige Bullen über 6
Jahre, angefleischte Ochsen, Kühe,
Bullen und Färsen jeden Alters):
35
über 10 Zentner 95 M.
„ 81/2—IO „ 90 M.
.. 7—81/2 „ 85 M.
„ 51/2—7 80 M.
bis zu 514 70 M.
Klasse C (gering gemästete Rinder einschließlich
Fresser) ..................................66 M.
Klasse D (minderwertige Rinder jeden Gewichts
und Alters) angemessene Preise.
In den übrigen Bundesstaaten sind die Preise niedriger. In
Bayern betragen die Höchstpreise:
a) für gefleischtes Schlachtvieh, Ochsen, Bullen,
Rinder............................................105 M.
für Kühe.......................................90 M.
b) für fleischbares Vieh (Wurstvieh).................66 M.
Doch darf in Bayern für bestausgemästete Ochsen höchsten
Schlachtwertes im Lebendgewicht von mindestens 10 Zentnern,
für Bullen, vollfleischig, höchsten Schlachtwertes, im Lebendgewicht
von mindestens 10 Zentnern, und für Kalbinnen, ausgemästet,
höchsten Schlachtwertes, der Höchstpreis 110 Mark, für bestaus-
gemästete Kühe höchsten Schlachtwertes bis zu 7 Jahren 96 Mark
betragen.
Wir finden also auch m Bayern eine Art Fettträgerprämie,
wenn auch in geringerer Höhe. Baden, Württemberg und Elsaß-
Lothringen haben ganz davon abgesehen. Hessen gewährt sie nur
dann, wenn das amtlich festgestellte Schlachtgewicht mindestens
54 v. H. des bezahlten Lebendgewichts beträgt.
Bekanntlich ist im Frühjahr 1917 mit Wirkung vom l.JuIi
eine abermalige Senkung der Rinderpreise vorgenommen worden,
und zwar um den beträchtlichen Satz von etwa 20 v. H. und unter
völliger Beseitigung der Fett-Träger-Prämien. Diese neue Preis-
regelung ist von Reichswegen erfolgt, so daß vom 1. Juli 1917 ab
für das ganze Reich die gleichen Rinderpreise Geltung haben. Es
sei hinzugefügt, daß zugleich auch die Schweinepreise, jedoch schon
mit Wirkung vom 1. Mai ab, um etwa 20 bis 26 v. H. herab-
gesetzt wurden. Die Höchstpreise für Kälber und Schafe, die von
den Viehhandelsverbänden ebenfalls bald nach Festsetzung der
Rinderhöchstpreise irrt Frühjahr 1916 eingeführt werden mußten,
sind vorerst noch nicht Gleichmäßig für das ganze Reich bestimmt.
3'
36
Wir können auf die Betrachtung der bei diesen Tiergattungen be-
folgten Preispolitik verzichten, weil ihre Bedeutung als Schlacht-
tiere im Vergleich zu den Rindern und Schweinen nur gering ist.
Das Verdienst der Viehhandelsverbände um die Preispolitik
besteht darin, daß sie schnell entschlossen dem weiteren Ansteigen
der nicht unter Reichshöchstpreisen stehenden Tiergattungen einen
Damm gesetzt und außerdem einen Weg erprobt haben, der gang-
bar war, um eine Aufgabe zu bewältigen, deren Lösung noch
Anfang des Jahres 1916 von vielen Sachkennern für unmöglich
gehalten wurde. Wenn die zunächst eingeführten Preise auch sehr
hoch waren, so darf man daraus doch keine allzu schweren Vor-
würfe ableiten. Die Viehhandelsverbände hatten die undankbare
Aufgabe, in einer Zeit größter Schlachtviehknappheit Heer und
Zivilbevölkerung regelmäßig mit Vieh zu versorgen. Wichen die
von ihnen festgesetzten Preise allzu sehr von der inzwischen im
freien Verkehr entstandenen Preisbildung ab, so war zu befürchten,
daß die Viehbeschaffung noch mehr erschwert, ja unmöglich gemacht
werden würde. Wichtiger als die Preisfrage war für die Vieh-
handelsverbände zunächst die Erfüllung ihrer Lieferüngspflichten.
Noch ein weiterer, höherer Gesichtspunkt war für ihre Preispolitik
mitbestimmend. Die Rinderställe waren in dem halben Jahre vor
der administrativ geregelten Viehbeschaffung ausgeplündert
worden. Die Viehhandelsverbände glaubten daher alles daran
setzen zu müssen, zur Nachzucht anzuregen. Der beste Anreiz dazu
waren aber gute Preise. Dieser Politik haben wir es zu danken,
daß wir in dem knappen Frühjahr und Sommer 1917 in dem
Rinderbestande eine Fleischreserve zur Verfügung haben, mit
deren Hilfe sich die Fleischration auf den doppelten Satz erhöhen
ließ.
Es ist vielfach von den Viehhandelsverbänden verlangt worden,
auch für Zucht- und Nutzvieh eine Preisregelung durchzuführen.
Der Anlaß dazu lag nahe. Waren doch die Preise so stark gestiegen,
daß die Fortführung der auf den Ankauf von solchem Vieh ange-
wiesenen Wirtschaften gefährdet wurde. Gleichwohl haben die
Viehhandelsverbände sich aller Eingriffe auf diesem Gebiete ent-
halten, da man der Ansicht war, daß diesen Tieren gegenüber,
deren Preise sich lediglich nach den Jndividual-Eigenschaften des
einzelnen Tieres bemessen lassen, Höchstpreise entweder versagen
oder eine schädliche Wirkung auf die Nachzucht haben müßten.
Bayern ist dagegen in dieser Richtung vorgegangen. Die dort ge-
machten Erfahrungen haben aber zur Nachahmung keine Ver-
anlassung geben können.
37
b) Die Lieferungspreise
Wir haben bisher nur die Preisregelung besprochen, soweit sie
die Festsetzung von Stallhöchstpreisen betraf. Diese sind aber von
denjenigen Preisen, die der letzte Empfänger zu zahlen hat, sehr
weit verschieden. Es müssen zu den Stallpreisen noch hinzuge-
rechnet werden die vom Viehhandelsverbande erhobenen Zaschläge,
die Transportkosten und die Gewichtsverluste, die auf dem Wege
vom Stall bis zum Empfänger entstehen.
Sind die Zuschläge der Viehhandelsverbände ein für allemal
festgelegt, so haben die beiden anderen Posten die für den Emp-
fänger unangenehme Eigenschaft, daß sie sich nicht mit Bestimmt-
heit vorher berechnen lassen. Die Transportkosten wechseln mit
der Entfernung, und für den unterwegs eintretenden Gewichts-
verlust fehlt überhaupt jede Möglichkeit einer vorherigen Bestim-
mung. Dadurch wird für den Empfänger ein Moment der Unsicher-
heit in die Preisbildung getragen.
Die Viehhandelsverbände pflegen ja nicht den Empfänger zu
einem Preise zu beliefern, der erst am Empfangsort gemacht wird,
sowie es früher beim freien Handel üblich gewesen war, sondern
sie berechnen den,Stallpreis zuzüglich Provisionen und lassen für
alles übrige den Empfänger aufkommen. Genau betrachtet, be-
treibt demnach der Viehhandelsverband nicht selber den Handel,
sondern vermittelt ihn nur, indem er das nötige Bindeglied
zwischen Erzeuger und Empfänger bildet. Der Empfänger hat
auch kein Recht, gegen den geforderten Preis Einspruch zu erheben,
es sei denn, daß offensichtlich Unregelmäßigkeiten vorliegen. Der
Viehhandelsverband liefert die Tiere, wie der Fachäusdruck heißt
„tel quel", d. h. unter Ausschluß jeglicher Berechtigung des
Käufers, die Ware, die ihm besorgt ist, zu beanstanden.
Diese Bedingungen sind für den Empfänger hart. Insbeson-
dere hat die Höhe des Gewichtsverlustes immer wieder Anlaß zu Be-
schwerden gegeben. Die Empfänger haben Einspruch dagegen er-
hoben, daß das „im Dunkel des Stalles" festgestellte Lebendgewicht
für ihren Einkaufspreis maßgebend sein solle. Auch die Art der
Klassifizierung, wie sie die Beauftragten des Viehhandelsverbandes
vornehmen, hat sie häufig nicht befriedigt.
Selbstverständlich haben die Viehhandelsverbände weder den
Wunsch noch ein Interesse daran, die von ihnen abgenommenen
Tiere höher zu bewerten, als es billig ist. Soweit es im Rahmen
der Lieferungsbedingungen möglich war, haben sie sich bemüht,
alles zu tun, um den berechtigten Wünschen des Empfängers ent-
38
gegenzukommen. Um die Gewichtsverluste hinabzudrücken, haben
sie Maßnahmen getroffen, die ein Wiegen der Tiere im über-
fütterten Zustande verhindern sollen, indem an den Abnähme-'
stellen das angegebene Stallgewicht durch Nachwiegen kontrolliert
wird. Da es nicht möglich ist, mit Sicherheit festzustellen, ob die
Tiere nüchtern oder gefüttert auf die Wage gestellt werden, wird
grundsätzlich ein Gewichtsabzug von 6 v. H. vorgenommen. Für
die Klassifizierung des Rindviehs sind unparteiische Kommissionen
eingesetzt worden, um Schiebungen zu vermeiden. Bei dem vom
Verfasser früher geleiteten Verbände hat es sich gut bewährt, daß
bei der Abnahme des Viehs auf den Abnahmestellen Vertreter
der belieferten Kommunalverbände hinzugezogen werden.
Gleichwohl haben die Differenzen zwischen den belieferten
Kommunalverbänden und den Viehhandelsverbänden nicht auf-
gehört und werden bei der bisherigen Art der Belieferung auch
nicht aufhören. Das Vieh präsentiert sich an den Abnahmestellen
des Verbandes in einer anderen Verfassung als nach überstandenem
Transport an der Rampe des Empfängers. Notwendig müssen
selbst bei ganz unparteiischer Beurteilung an beiden Stellen die
Ansichten über die Richtigkeit der vorgenommenen Klassifizierung
auseinandergehen. Auch wird sich die Tatsache, ob ein Tier bei der
Abnahme überfüttert war, mit Sicherheit erst nach längerem
Transport beim Empfänger feststellen lassen. Aber selbst dann,
wenn alles in bester Ordnung ist, bleibt für den belieferten
Kommunalverband die Unannehmlichkeit bestehen, daß für die
einzelnen Tiere selbst bei gleichem Schlachtwert ein verschieden
hoher Preis bezahlt werden muß. Sie sind daher nicht imstande,
mit festen Preisen zu rechnen, woran ihnen außerordentlich viel
liegen muß, weil sie ja wieder die Tiere an ihre Käufer abgeben
müssen.
Es ist daher erwogen worden, ein Abnahmeverfahren einzu-
führen, das die Preisfestsetzung an die Rampe des Empfängers
verlegt. Von Interesse mag es sein, daß die im März 1916
von den Viehhandelsverbänden für Schweine festgelegten
Handelszuschläge voraussetzten, daß der Gewichtsverlust dem
Verkäufer zur Last fiel. Der Handelszuschlag war dement-
sprechend hoch und betrug 12 bis 17 v. H. des Stallpreises. Dieses
Verfahren wurde dann aber aufgegeben, als die Viehhandels-
verbände die Viehlieferung selber übernahmen, und zwar geschah
das auch auf Veranlassung der belieferten Kommunalverbände, die
die Berechtigung dieser hohen Zuschläge nicht verstanden, vermut-
lich, weil sie nicht recht erfaßt hatten, daß diese hohen Sätze im
39
Gegensatz zu den Zuschlägen für Rinder auch den Gewichtsverlust
enthielten. Freilich mag es auch vorgekommen sein, daß hier und
da Biehhandelsverbände den Fehler begingen, zwar die hohen Zu-
schläge zu fordern, ohne aber die daran ursprünglich geknüpften
Bedingungen zu übernehmen.
Erst seit dem Herbst 1916 ist wieder damit begonnen worden,
die Abnahme auf ähnlicher Grundlage einzurichten. Damit vor-
angegangen ist die Heeresverwaltung, indem sie die Abnahme nach
„Sammelstellen-Gewicht" einführte. Danach wird das Gewicht
erst an der Heeres-Diehsammelstelle festgestellt, und um dem in-
zwischen eingetretenen Gewichtsverlust gerecht zu werden, wird ein
prozentualer Aufschlag hinzugeschlagen; das sich so ergebende Ge-
wicht wird als das Stallgewicht angenommen und der Preis-
berechnung zugrunde gelegt. Selbstverständlich wird von
der Abnahmekommission auch die von den Viehhandelsverbänden
vorgenommene Klassifizierung einer Nachprüfung unterzogen,
und falls Überschätzungen vorliegen, korrigiert.
Ohne Frage ist das eine saubere und glatte Art der Ab-
nahme. Der Empfänger erhälü das Vieh zu einem Preise, den
er selbst mitbestimmt hat, so daß den meisten bisherigen
Klagen über Schädigungen durch Gewichtsverlust, falsche Kassi-
sizierung usw. der Boden entzogen wird. Aber auch der Vieh-
handelsverband kann damit zufrieden sein. Es wird ihm zwar
die Verlustgefahr für den Fall auferlegt, daß seine Vertrauens-
leute das Vieh schlecht abgenommen haben, aber andererseits
steigert sich sein Gewinn, je besser seine Auskäufer und Ver-
trauensleute daraufhin geschult sind, das Vieh nach seinem Gewichte
und nach seinem Werte richtig einzuschätzen.
Es erhebt sich die Frage, ob dieses Verfahren auch bei Liefe-
rungen an Kommunalverbände durchzuführen ist. Für größere
Abnehmer, wie Großstädte, wäre es ohne Frage möglich. Tatsäch-
lich ist das auch schon vereinzelt geschehen. Freilich ist insofern die
Abrechnung nicht ganz so einfach wie an den Heeressammelstellen,
als den Kommunalverbänden die Eisenbahnfracht berechnet wer-
den muß, während bei Heeresvieh dafür nichts verauslagt zu
werden braucht. Doch ließe sich auch in dieser Hinsicht dadurch
eine Vereinfachung bewirken, daß gewisse tarifarisch festzusetzende
Durchschnittssätze an die Stelle der bisher üblichen Einzelberech-
nung träten.
Für kleinere Abnehmer ließe sich eine solche Form der Abnahme
kaum durchführen. Liegt es doch auf der Hand, daß ein in dieser
Weise mit großen Durchschnittssätzen rechnendes Verfahren nur bei
41)
großen Umsätzen anwendbar ist. Außerdem muß ein Vertreter des
Viehhandelsverbandes bei der Abnahme stets anwesend sein, weil
selbstverständlich diese nicht allein dem Empfänger überlassen
bleiben kann. Alles das schließt sich bei kleineren Viehsendungen
aus, die wöchentlich nur aus einigen Dutzend,Tieren bestehen. Doch
wäre es möglich, auch hier insofern eine Änderung einzuführen,
daß solchen Abnehmern gegenüber statt des Stallgewichts das Ge-
wicht an der Rampe der Verbandsabnahmestelle berechnet würde.
Selbstverständlich müßte dann ebenfalls ein gewisser, wenn auch
verhältnismäßig niedriger Gewichtsverlust-Zuschlag gemacht
werden.
Zurzeit schweben Erwägungen, ob sich in dieser oder in ähn-
licher Weise die Lieferungsbedingungen der Viehhandelsverbände
verbessern lassen. Es steht wohl außer Zweifel, daß dadurch viel
Konsliktsstoff beseitigt und das ganze Geschäft auf eine bessere
Grundlage gestellt werden könnte.
Schluß
Unsere Ausführungen haben gezeigt, daß die Viehhandels-
verbände — so viel auch im einzelnen noch zu verbessern sein
mag — ihre unter ganz besonders schwierigen Umständen über-
nommene Aufgabe gelöst haben. Es ist erreicht worden, daß die
Versorgung mit Schlachtvieh in den Grenzen des Möglichen und
unter Vermeidung von Preissteigerungen, wie sie bei der Bei-
behaltung des freien Handels die unausbleibliche Folge gewesen
wären, für Heer und Zivilbevölkerung sichergestellt worden
ist. Die Mißstimmung, die zu Beginn ihrer Tätigkeit den Vieh-
handelsvevbänden gegenüber herrschte, kann heute auch als fast
überwunden gelten.
Manches, was die Viehhandelsverbände unter dem Zwange der
Verhältnisse geschaffen Haben, hat sich als so nützlich erwiesen, daß
es in die Friedenszeit hinübergenommen werden wird. Zum
erstenmal haben die Behörden und alle daran Beteiligten einen
klaren Einblick in diesen bisher so undurchsichtigen Zweig unserer
Volkswirtschaft gewonnen. Das wird eine günstige Wirkung auf
die gesamte zukünftige Schlachtvieherzeugung und Fleisch-
versorgung in Deutschland haben. Viele der bisher herrschenden
Mißstände werden leichter als früher beseitigt werden können.
Dauernd an der Zwangswirtschaft festzuhalten, wird dagegen
wohl niemandes Wunsch sein. Sie ist in der Kriegszeit und für die
41
Kriegszeit geschaffen worden, und sie kann wieder aufgegeben wer-
den, wenn die ungewöhnlichen Verhältnisse, die sie nötig machten,
wieder beseitigt sein werden. Freilich wird man nur allmählich ab-
bauen können. Solange die bestehende Viehknappheit herrscht, ist an
eine Auflösung der Viehhandelsverbände nicht zu denken. Ihr
Bestehen ist die notwendige Voraussetzung für eine unter Schonung
der Viehbestände gleichmäßige Schlachtviehzuteilung. Das gilt vor
allem für das Rindvieh, das für seine Nachzucht eine längere Schon-
zeit nötig haben wird. Am ehesten wird bei den Schweinen ein
Abbau möglich sein, sobald die verstopften Futterquellen wieder
reichlich fließen. Doch wird auch hier Vorsicht geboten sein. Hebt
man die Höchstpreise auf, so werden selbst bei gesteigerter Er-
zeugung die Preise wieder in die Höhe schnellen, da das Angebot
an Rindfleisch noch lange knapp bleiben wird. Beseitigt man aber
die Zwangswirtschaft und läßt man die Höchstpreise bestehen, so
werden die Schweine nicht ausreichend an die großen Verbrauchs-
stätten gelangen. Man wird daher gut tun, die Viehhandels-
verbände unter allmählicher Erhöhung der Fleischrationen und
unter gleichzeitigem Abbau der Preise solange bestehen zu-lassen,
bis annähernd der normale Friedensstand wieder erreicht ist.
Möge uns recht bald die Sonne dieses Tages leuchten!
pf. Skalweit, Viehhandelsverbände. i f
Anlage
Preise und Auftrieb von Rindern in Frankfurt (Main)
(zusammengestellt nach den amtlichen Notierungen am
Schlachtviehhof zu Frankfurt (Main))
1914—1916.
Dalum Preise für 1 Je gew Vollfleischige ausgemästete Kühe höchsten Schlachtwertes ntner Lebend- icht vollfleischige Schweine 60—100 kg Wochen- Rindvieh insgesamt Austrieb Schweine insgesamt
5. Januar 1914 45—48 56V2—58 1247 3579
12. 43—46 55-58 1526 4221
19. „ 44—47 54V2-57 1430 4491
26. „ 44—47 52V2—55 1340 4355
2. Februar „ 44-47 53-55 1309 3690
9. „ 43-47 5272—55 1193 3796
16. 43—47 50—53 1404 4196
23. 43—46 50—53 1283 4213
2. Mürz 43—46 50 — 521/2 1268 4076
9. 43—46 49—52 1264 3669
16. „ 42—45 49—52 1371 4055
23. 42—45 48—51 1423 3967
30. — 45-50 1247 4686
6. April 41—44 48—50 1727 4536
14 41-44 46-50 949 3657
20. 41—45 46—49 1206 3665
27. „ 40—44 45—49 1524 4161
4. Mai „ 39—43 4672-49 1462 3695
11. 40—45 45—48 1219 4307
19. „ 40—44 47—50 940 3626
25. „ 40—44 4572- 4872 1646 4352
2. Juni 39—43 45—48 939 4197
8. „ 40-44 45—48 1390 3610
15 „ 40—44 44—47 1470 4363
22. „ 38—42 46-4872 1485 4043
29 40—45 45-47 1090 4352
6. Juli „ 41—46 46-4872 1109 3975
13. „ „ 39—44 46-4772 1551 4376
20. „ . „ 39—44 44—47 1355 4507
27. 40—45 46—50 1169 3939
17. August „ 43—47 56-59 1390 1635
24. „ 43-48 47—50 1470 3945
31. 40-45 48—51 1459 3171
7. September,, 40-45 46—49 941 • 3957
14. ” " 40-45 45—48 1336 4049
Datum Preise für 1 Ze gew vollfleischige ausgemästete Kühe höchsten Schlachtwertes ntuer Lebend- icht vollfleischige Schweine 60—100 kg Wochen- Nindvieh insgesamt Austrieb Schweine insgesamt
23. Sept. 1914 40—45 45-48 976 3630
28. H 38—43 50—53 1643 3106
7. Oktober u 44—48 65—571/2 1151 3326
14. „ — ca CO L 0 CO 1030 5311
19. — 62—64 1332 2556
26. — 59—62 1160 4154
2. November —_ 59-62 1129 3605
9. — 57V2—60 1476 4045
16. 43-46 57—59 1766 3661
23. 44—47 56-58 1396 3954
30. 44—47 54-57 1866 4029
7. Dezember 43—46 58—60 1673 3823
14. 43—47 57 V2—60 1674 3365
21. 42-47 571/2—60 1756 4587
28, „ „ 44—46 60—62 604 2534
4. Januar 1915 44—48 66—87 Vs 1235 3239
11. 44—43 65—67V2 1547 4567
19. 44—48 67—70 1553 3770
25. 45—50 68—70 1226 3927
1. Februar 43—48 70—73 1490 4044
8. 44—50 80 -82Vs 1379 3695
15. „ 44-49 LO 00 L Cd CO 1669 6136
22. 43—47 82—85 1513 4725
1. März 44—49 85—86 1300 4144
8. 44—49 84—86 1385 3600
15. 46—52 85—90 1533 4263
22. „ 48—52. 671/2—90 1723 3610
29. „ 50—54 95—971/2 1574 1744
7. April 51—56 95—100 723 2172
12. „ 51—56 95—100 1665 3056
19. „ 51—56 100—105 1914 2541
26. 52-58 100-105 1645 2391
3. Mai 55—60 IOO—IO71/2 1590 2662
10 55—60 110—114 1505 2306
17. 58—65 110—118 1666 2202 .
25. 56-61 118—125 1344 1587
31. 56-61 125—130 1637 1441
7. Juni 62—67 125—130 1540 1708
14. „ 58—62 123—1271/2 2213 1555
21. „ 59-63 I23—I2714 1773 1432
28. n 56—62 118-123 2121
5. Juli 58-64 118—122% 1496 1691
12. 58—64 118—123 2119 1427
19. 58—62 H714—I22 2036 1881
26. tt 62—65 120—125 1927 1536
44
Datum Preise für 1 Ze gew vollfleischige ausgemästete Kühe höchsten Schlachtwertes ntner Lebend- icht vollfleischige Schweine 80—160 kg Wocheu- Rindvieh insgesamt Auftrieb Schweine insgesamt
2. August 1915 60-64 130—133 2263 1486
9. 56—62 135—140 2465 1714
16. 56-62 156—140 2313 2130
23. n „ 56—62 141—148 2030 2064
30. 60—67 150—156 2094 1532
6. September „ 60—67 144—153 2118 .1966
13. 62-67 148—152V2 2009 1365
20. 60-66 145 — 152V2 2456 1347
27. 60-66 145—152 2040 1416
4. Oktober „ 60—66 140 — 150 2097 1451
11. 60-66 144—148 2739 1262
13. 60—66 137-145 2403 1267
25. 53-64 137—145 2370 1273
1. November,, 63—69 135—140 2289 1666
6. 69-66 112-125 2669 1597
15. „ „ 60—66 Höchstpreise 2499 505
22. „ n 63 -69 - „ 2251 551
29. 63-69 2437 756
6. Dezember „ 61—67 3045 537
13. 64—69 2921 779
20. 64—69 3342 958
27. „ 63-67 - 2618 633
Datum Preise für 1 Zentner Lebendgewicht vollfleischige, aus- gemästete Kühe höchst. Schlachtwert. Aust Rindvieh insgesamt 4ieb Schweine insgesamt
3. Januar 1916 64—70 2959 306
10. 64—72 3209 447
,17. „ „ 74—80 3763 633
24. „ „ 74—60 3472 369
31. „ „ 95—100 1502 491
7. Februar ,, 95—110 741 239
14. „ „ 95—110 1022 630
21. „ tt 100—124 650 155
28. ,, 124—136 666 79
6. März \ Preisnoüerung hat 711 275
13. „ ,, / nicht stattgefunden 867 —
20 „ ,, Höchstpreise 306 —
27 ,, „ 165 —
3. April „ „ 250 —
10. - * 179
Druck von A. Sehdel & Sie. m. 6. H., Berlin SW 61,