5° Meiner Überzeugung nach hängt die Frage, ob Italien am Kriege teilnimmt oder neutral bleibt, nicht wirklich von der Kompensation ab, sondern hauptsächlich von der hiesigen Beurteilung der ganzen europäischen Situation und von militärischen Erwägungen. Wir könnten daher riskieren, in der Kompensationsfrage weittragende Engagements einzugehen, ohne vielleicht den Zweck, die militärische Kooperation Italiens, zu erreichen. Nachdem wir ferner über das Kompensationsobjekt offenbar nicht im klaren sind und doch nicht im voraus eine Kompensation fixieren können, insolange wir selbst noch nicht wissen, was wir be¬ kommen, können wir meines Erachtens äußerstenfalls nur noch einen Schritt weitergehen und erklären, daß wir nach Abschluß des — lokalisierten oder allgemeinen — Krieges bereit sind, Italien im Sinne des Artikels VII des Dreibundvertrages eine adäquate Kom¬ pensation einzuräumen, falls wir selbst Territorien auf dem Balkan, sei es definitiv, sei es in einer die italienische Okkupation des Dode- kanes übersteigenden Dauer, okkupieren sollten und falls Italien seine Bundespflichten exakt erfüllt. 62 Graf Berchtold an die k. u. k. Botschafter in Berlin, London, Petersburg, Paris und Rom Telegramm W i e n , den 31. Juli 1914 Chiffr. 7 Uhr p. m. Adresse: 1. Graf Szôgyény in Berlin, Nr. 305, 2. Graf Mensdorff in London, Nr. 191, 3. Graf Szápáry in Petersburg, Nr. 205, 4. Graf Szécsen in Paris, Nr. 181, 5. Herr von Mérey in Rom, Nr. 911. 1—3 und 5 Graf Szécsen telegraphiert mir unterm 30. d.M.: »Serbien. Hatte heute lange Unterredung mit Herrn Viviani, der sich friedlich und versöhnlich äußerte und meine eingehenden Ausfüh¬ rungen über Haltung Serbiens, die Ursachen, warum wir Antwort Herrn Pasic' nicht akzeptieren konnten, sehr aufmerksam anhörte. Seine Hauptthese war, man wisse jetzt nicht, was wir wollen, und so sei jeder Vermittlung der Weg versperrt. Ich antwortete, wir hätten Serbien unsere Forderungen sehr deutlich mitgeteilt, nachdem sie nicht erfüllt wurden, sei aber der Kriegszustand eingetreten.