— 377 — 1. Allgemeine militärische Lage. Die um die Mitte Mai des Jahres 1916 aus der Südtirolerfront angesetzte Offensive war anfänglich von großen Erfolgen begleitet. Sie hatte die Italiener der Freiheit des Handelns beraubt und sie gezwungen, zur Abwehr starke Kräfte von der Jsonzosront abzuziehen. Als daher der russische General B r u s s i l o w in den ersten Junitagen am nördlichen Kriegsschauplatze seinen Großangriff gegen den Raum von L u ck begann, kam ihnen diese Entlastung sehr gelegen. Die österr.-uug. Heeresleitung aber war gezwungen, bedeutende Kräfte aus der Tirolerfront nach Norden zu verschieben, um dem russischen Anstürme Halt zu gebieten. Diese Truppenabgabe war nebst anderen operativen Rücksichten die Ursache der Einstellung der Tiroleroffensive. Es gelang zwar mit Hilfe des deutschen Bundesgenossen, den russischen Stoß zum Stehen zu bringen, doch hatten die not ¬ wendigen Gegenmaßregeln und die Festigung der neuen Front alle bisher zur Verfügung gestandenen Kräfte aufgebraucht. In dieser Zwangslage konnte die Jsonzosront nur mit den allernotwendigsten Kräften dotiert werden, während die Tirolerfront gezwungen war, mit einer verhältnismäßig sehr geringen Truppenzahl durchzuhalten. Dort stellten daher die im Sommer und Herbst unter großer Kraftentfaltung der Italiener beginnenden Kämpfe nicht nur sehr große moralische uud physische Anforderungen an die Verteidiger, sondern forderten auch schwere Blutsopfer. Das durch die Truppeuabgaben an die Nordfront zu Gunsten der Italiener verschobene Kräfteverhältnis und das Bestreben, die an der Tirolerfront durch die Maioffensive erlittene Scharte auszuwetzen, lockte sie, baldigst einen militärischen Erfolg zu erringen, um die erheblich verminderte Kriegsstimmung im Heere und im Hinterlande zu heben und das bei den Bundesgenossen gesunkene Ansehen der italienischen Armee wiederherzustellen. So setzen sie bereits anfangs August zur 6. Jsonzoschlacht an, konnten aber trotz unmenschlicher Anstrengungen nur die durch Verrat möglich gewordene Einnahme von G ö r z als Erfolg buchen. ' Auch in der bald darauf beginnenden 7. Jsonzoschlacht blieb ihnen jeder nennenswerte Erfolg versagt. Während sie an der Karstfront mit aller Kraft anrannten, blieben sie aber an der Tirolersront nicht untätig. Hiebei leitete sie auch das Bestreben, die österr.-uug. Heeresleitung von der Abgabe von Kräften an die Jsonzosront zu hindern, und vielleicht an der Gebirgsfront einen Erfolg zu erzielen, den sie bisher am Jsonzo nicht erreichen konnten. Dies war die allgemeine militärische Lage im August 1916. Im folgenden sollen die in dieser Zeit im Räume Cosmagon — Rotte sich entspinnenden. Kämpfe geschildert werden, bei denen Kaiserjäger zwar mit erheblichen Verlusten, aber mit gewohnter Standhastigkeit und Tapferkeit die von übermächtiger Artillerie eingeleiteten, von der an Zahl weitüberlegenen italienischen Infanterie geführten Angriffe trotz der schwierigen Gefechts-- Verhältnisse, trotz der Ungunst des beginnenden Hochgebirgswinters in schweren Kampftagen erfolgreich abschlugen.