Deutsche Offensive aus Ostpreußen über denNarew auf Siedlec 11 italienischen Truppen seien erst so spät zu erwarten, daß zunächst keine Änderung in der Stärke der Ostarmee eintreten könne, wahrscheinlich aber werde eine Verstärkung für den Osten nach Eintreffen der Italiener möglich sein. Im übrigen habe er in Aussicht genommen, ein Korps zu¬ nächst zurückzuhalten, um es bei Bedarf sogleich auch gegen Osten ein¬ zusetzen, und zwei Reservedivisionen zu örtlicher Verwendung im Osten bereitzustellen. Eine planmäßige Verstärkung der Ostarmee sei aber erst vom 1. April 1915 an möglich. Soweit gibt der Schriftwechsel der beiden Generalstabschefs Auf¬ schluß. Über die letzte Begegnung zwischen Moltke und Conrad am 12. Mai 1914 in Karlsbad sind wir nur durch Conrads Aufzeichnungen unter¬ richtet1). In ihnen ist von einer deutschen Offensive aus Ostpreußen bei dieser Gelegenheit nichts erwähnt. Wohl aber hat Conrad wiederum darauf gedrängt, „daß deutscherseits für den russischen Kriegsschau¬ platz etwas mehr geschähe, als bis jetzt beabsichtigt ist". Moltke habe „12 Divisionen — vielleicht etwas mehr — östlich der unteren Weichsel" zugesagt. Dann habe Conrad auf die Möglichkeit einer russischen Offen¬ sive von Warschau durch Posen2) auf Berlin hingewiesen und zu Moltke gesagt: „Ich gebe Ihnen zu bedenken, was geschehen könnte, wenn wir in eine ungünstige Situation gerieten. Dann hat Rußland den Weg frei." Moltke wollte machen, was er könne, und habe auf den Ausbau der deutschen Weichselfestungen hingewiesen, um die Russen aufzuhalten. Als man sich trennte, hat Conrad geäußert: „Also mindestens sechs Wochen müssen wir unseren Rücken herhalten gegen Rußland." Alles in allem fällt es auf, daß im schriftlichen wie im mündlichen Verkehr der beiden Generalstäbe — soweit wir Nachrichten darüber haben — seit dem Briefe Schemuas vom Mai 1912 der Gedanke des deutschen Vorstoßes aus Ostpreußen „gegen den Narew", wie über¬ haupt die Vereinbarung von 1909 gar nicht mehr erwähnt wird, und daß Conrad selbst auch im Jänner 1913 wiederum nur vom „Binden" der russischen Kräfte gesprochen und im Oktober auf Verstärkung der deutschen Kräfte gedrängt hat, „damit wir dort nicht ohne Chance an unserem Vorhaben einer ehesten Offensive festhalten können". Ebenso auffallend ist, daß Waldersee, der gerade seit 1912 Moltkes erster Be- 1) Conrad, III, S. 669. 2) Bei Conrad heißt es „Preußen", was aber offenbar ein Druckfehler ist. Die Unterredung wurde unter vier Augen geführt.