:
WmÈÊÈÊf,
ÖSTERREICH- UNGARNS
LETZTER KRIEG
1914-1918
HERAUSGEGEBEN VOM ÖSTERREICHISCHEN
BUNDESMINISTERIUM FÜR LANDESVERTEIDIGUNG
UND VOM KRIEGSARCHIV
SECHSTER BAND
DAS KRIEGSJAHR 1917
19 3 6
VERLAG DER MILITÄRWISSENSCHAFTLICHEN MITTEILUNGEN
WIEN
DAS KRIEGSJAHR 1917
UNTER DER LEITUNG VON
EDMUND GLAISE-HORSTENAU
BEARBEITET VON
EDUARD CZEGKA, FRITZ FRANEK, WALTHER HEYDENDORFF,
RUDOLF KISZLING, CARL KLUMPNER, ERNST WISSHAUPT
UND GEORG ZÖBL
MIT 36 BEILAGEN
19 3 6
VERLAG DER MILITÄRWISSENSCHAFTLICHEN MITTEILUNGEN
WIEN
OÖLB LINZ
X35311 6
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten
Copyright 1930
by Verlag der Militär wissenschaftlichen Mitteilungen in Wien
Einbandzeichnung von Rudolf Junk in Wien
Druck: Augustinus-Druckerei, Klosterneuburg
VORWORT ZUM < SECHSTEN BANDE
Der vorliegende sechste Band des amtlichen Kriegswerkes „Öster-
reich-Ungarns letzter Krieg 1914—1918" behandelt die Begebenheiten
des wohl sehr kämpfeireichen, aber noch entscheidungslosen Kriegs-
jahres 1917. Da diesmal im Gegensatz zu bisher die Ereignisse eines
Kriegsjahres bloß in einem Bande geschildert werden, mußten aus
Raumgründen manche weniger belangreiche Kampfhandlungen sehr
knapp zusammengefaßt werden.
Die einzelnen Abschnitte wurden von folgenden Mitarbeitern ver-
faßt:
„Die Entwicklung der ösrt.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916" vom
Obstlt.d. BH. Dr. F rane k, mit Beiträgen über Heer- und Kampf-
führung vom GM. d. R. Zöbl und vom Staatsarchivar Mjr. a. D.
Dr. Czegka und über „Conrads Sturz und die neue Heeresleitung"
vom Generalstaatsarchivar Obst. a. D., Dr. h.c. Glaise-Horstenau;
„Winter und Frühlingsanfang 1917" vom Archivsekretär Mjr. a. D.
Wisshaupt (Ostfront), GM. d. R. Zöbl (Südwestfront), Obstlt. d. BH.
Klumpner (Balkan), Hof rat Obst. a. D. K i s z 1 i n g (Westfront und
große Führerentschlüsse) ;
„Die Mai- und Junischlachten im Südwesten" vom GM. d. R. Zöbl
(Zehnte Isonzoschlacht) und Mjr. d.R. Heydendorff (Die Juni-
schlacht in den Sieben Gemeinden);
„Der letzte Russenansturm" und „Die Wiedereroberung von Ost-
galizien", beide vom Archivsekretär Mjr. a. D. Wisshaupt;
„Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz"
vom Staatsarchivar Mjr. a.D. Dr. Czegka, mit einer „Rückschau auf
den Krieg im Osten im Sommer 1917" vom Hof rat Kiszling;
„Das militärische Weltbild im Frühjahr und Sommer 1917" vom
Generalstaatsarchivar Dr.h.c. Glaise-Horstenau;
„Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront" vom GM. d. R.
Zöbl;
„Die Herbstoffensive gegen Italien" vom Hofrat Obst. a. D. Kisz-
1 i n g, die hierin enthaltenen Novemberkämpfe der Tiroler Heeresgruppe
VI
Vorwort
FM. Gomad vom Mjr. a.D. Heydendorff, das Kapitel „Die Kämpfe
um die Dauerstellung im Dezember" vom GM. d. R. Zöbl;
„Der Ausklang das KriegsJahres 1917" vom Staatsarchivar Mjr.a.D.
Dr. Czegka (Osten), Hofrat Kiszling (Wes/tfront), Obstlt. d.BH.
Klumpner (Orient) und „Der Rückblick auf das Kriegsjahr 1917"
vom Gener alstaatsarcihivar Dr. h. c* G1 a i s e - H o r s t e n a u.
In gleicher Weise wie bisher haben am Zustandekommen des Ban-
des verdienstvoll mitgewirkt: GO. d. R. S arkotic-Lovcen, Gen. d. R.
Ing. Ratzenhof e r, GM. d.R. Spannocchi, Generalstaatsarchivar
Univ.-Prof. Dr. Bittner, Hofrat d. R. Obst. a. D. E h ni, Hofratd. R.^
Rtm. a. D. S a cken, Obst. d. R. Reiner, Regierungsrat Obstlt. a. D.
Martinec und Wirkl. Amtsrat Mjr. a. D. Pibl. Gen. d. R. Ing. R at-
zenhofer muß überdies noch als Verlagsleiter besonders hervor-
gehoben werden.
Eine sehr wertvolle, außerordentlich dankenswerte Förderung er-
fuhr der Band durch den Bundeskanzler und Bundesminister für Lan-
desverteidigung Dr. Schuschnigg, den Staatssekretär für Landes-
verteidigung Gdl. Zehner, den ersten Sektionschef GdK. Brantner
und den Chef des Generalstabes FML. Jan sa. Schließlich sei den
ehemaligen höheren Führern, die diesmal in besonders großer Zahl
zur Durchsicht der Entwürfe gebeten wurden, für ihre Mühewaltung
der wärmiste Dank gesagt.
Wien, im Juli 1936.
Der Leiter der kriegsge Schicht- Der Direktor
liehen Abteilung des Kriegsarchivs des österreichischen Kriegsarchivs
KISZLING
Dr. h. c. GLAISE-HORSTENAU
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Vorwort zum VI. Band..................... V
Verzeichnis der Abkürzungen...................XVII
Die Kriegspläne für das Kriegsjahr 1917
Die entscheidenden Beschlüsse bei den Mittelmächten....................3
Der Operationsentwurf des Feldmarschalls Conrad................3
Der uneingeschränkte Unterseebootkrieg ..............6
Die nächsten Entschlüsse für den Landkrieg......................8
Pläne und Konferenzen bei der Entente . ..............11
Der Kriegsrat im November 1916 zu Chantilly..........11
Wandlungen der russischen Angriffspläne............12
Die militärische Lage Italiens .................15
Balkanpläne der Entente..................18
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
Die Erfahrungen aus der Heer- und Kampfführung...........23
Der Krieg im Gebirge...................23
Die Kampfweise im Manövriergelände.............29
Das Verteidigungsverfahren an der russischen Front......29
Die Abwehr am Isonzo................37
Wieder aufleben des Bewegungskrieges..............40
Die Winter arbeit.....................42
Wandlungen im Aufbau und im Gefüge der Armee..........45
Die Menschenbewegung im Jahre 1916.............45
Veränderungen bei den Fußtruppen und bei der Reiterei.......49
Artillerieausbau und industrielle Entwicklung..........57
Die Entwicklung der Luftwaffe und der technischen Truppen .... 63
Conrads Sturz und die neue Heeresleitung............68
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Begebenheiten auf dem russisch-rumänischen Kriegstheater........75
Die Ostfront bis zum Ausbruch der Märzrevolution in Rußland .... 75
Die Lage der Heeresgruppe Mackensen...........75
Die Ereignisse in Siebenbürgen und ita den Waldkarpathen ... 76
Die Lage am Südteil der Heeresfront Prinz Leopold von Bayern . . 82
Vili
Inhaltsverzeichnis
Seite
Der Sturz des Zarentums..................87
Der Zustand des russischen Heeres.............93
Die Ereignisse an der Ostfront nach Ausbruch der russischen Revolution 94
Die Erstürmung des Brückenkopfes von Tobol........97
Beginn der Friedenspropaganda..............99
Pläne der russischen Führung...............101
Der Südwesten im ersten Jahresdrittel 1917.............104
Die Maßnahmen der österreichisch-ungarischen Führung.......104
Die Ereignisse bei der 5. Armee................111
Begebenheiten in Kärnten und in Tirol.............116
Die Tätigkeit der Italiener..................118
Die Ereignisse in Frankreich und auf dem Balkan...........120
Winter und Frühjahr 1917 an der Westfront...........120
Der Balkan bis Ende Mai 1917................122
Der Winter in Albanien................122
Die Frühjahrsschlachten in Mazedonien...........125
Der serbische Aufstand im Moravagebiet..........127
Die großen Führerentschlüsse bis anfangs Mai*..........128
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Die zehnte Isonzoschlacht (12. Mai bis 5. Juni) ............133
Vorbereitungen bei Feind und Freund.............133
Der italienische Angriffsplan...............133
Das Bereitstellen der k. u. k. 5. Armee............135
Der erste Waffengang (12. bis 20. Mai).............139
Der Großangriff der Görzer Armee............139
Die Kämpfe im Becken von Görz.............146
Der Nebenangriff der italienischen 3. Armee.........149
Der Ausklang des ersten Teiles der Schlacht (17. bis 20. Mai) . . 152
Der zweite Waffengang (23. bis 28. Mai)............160
Der Hauptangriff der Armee Aosta.............160
Der letzte Angriff der Görzer Armee (23. bis 26. Mai).....171
Der Gegenangriff (28. Mai bis 5. Juni)............175
Rückblick......................181
Die Junischlacht in den Sieben Gemeinden..............185
Italienische Vorbereitungen..................185
Maßnahmen der Heeresgruppe FM. Conrad............187
Kampfraum und Kräftevergleich................191
Die Ortigaraschlacht (9. bis 29. Juni 1917) ...........193
Der italienische Angriff am 10. und 11. Juni.........193
Der Gegenangriff des k. u. k. III. Korps am 15. Juni......196
Die Erneuerung des italienischen Ansturmes (18. und 19. Juni) . . . 200
Die Wiedereroberung des Mt. Ortigara am 25. Juni......203
Ergebnisse und Auswirkung...............207
Inhaltsverzeichnis
IX
Der letzte Russenansturm
Seite
Begebenheiten im Mai und Juni..................213
Niedergang des russischen Angriffswillens............213
Fortsetzung der Friedenspropaganda im Mai.........213
Der weitere Verfall des russischen Heeres..........216
Das Ende der Friedenspropaganda.............219
Der Sommeroffensive entgegen (Juni 1917)...........221
Versuche zur Wiederbelebung des russischen Kampfgeistes......221
Die Lage in Ostgalizien vor dem russischen Angriff (Juni 1917) . 226
Die Untätigkeit der Verbündeten Rußlands............231
Die Begebenheiten an der Westfront............231
Die Ereignisse auf dem Balkan und im nahen Orient......233
Die Doppelschlacht bei Koniuchy—Zborów und beiBrze±any (29. Juni bis 3. Juli) 236
Der Beginn des großen russischen Angriffes (29. und 30. Juni) .... 236
Der Durchbruch der Russen im Abschnitte Zloczów (1. bis 3. Juli) . . 244
Der Abwehrsieg der Südarmee (1. bis 3. Juli)..........253
Stocken des russischen Angriffes gegen die Südarmee und den Abschnitt
Zloczów (4. bis 8. Juli).................258
Die Schlacht bei Stanislau—Kalusz (6. bis 16. Juli)...........261
Einleitung der Angriffe der 8. Russenarmee (6. und 7. Juli)......261
Der Verlust der Jutrena gòra (8. bis 9. Juli)...........265
Das Vordringen der Russen bis Kalusz (10. bis 13. Juli).......271
Das Ende des Russenangriffes in Galizien (14. bis 16. Juli).....279
Tätigkeit der Russen an den Nachbarfronten.............282
Scheinangriffe in den Grenzbergen Ostsiebenbürgens, in den Waldkarpathen
und in Wolhynien (Ende Juni bis Mitte Juli).........282
Der Mißerfolg der Russenoffensive auf Wilna...........285
Die Rückeroberung von Ostgalizien
Die Durchbruchsschlacht bei Zborów................289
Operationsplan und Angriffsvorbereitungen............289
Einsturz der Russenfront zwischen Sereth und Strypa (19. bis 21. Juli) . . 294
Die Verfolgung bis an den Zbrucz (22. bis 25. Juli)..........301
Verfolgungskämpfe des Abschnittes Zloczów und der Südarmee . . . . 301
Der Beginn des Vormarsches der k. u. k. 3. Armee.........309
Die Fortsetzung der Verfolgung bis zum Monatsende........310
Die Südarmee vom 26. bis zum 29. Juli...........310
Verfolgungskämpfe der k. u. k. 3. Armee zwischen dem Dniester und
dem Pruth (26. bis 31. Juli).............315
Der Vorstoß aus den Karpathen..................316
Der Vormarsch der k. u. k. 7. Armee bis an die Moldawa und an den Cze-
remosz (24. bis 30. Juli).................316
X
Inhaltsverzeichnis
Seite
Die Kämpfe bis zur Wiedereroberung von Czernowitz (31. Juli bis 5. August) 323
Die Befreiung der Bukowina (Ende Juli bis Mitte August)......323
Pläne und Befehle...................323
Die Vormarschpläne der k. u. k. 7. Armee..........325
Der Abschluß der Kämpfe in Ostgalizien..............330
Das Ringen der Südarmee um die Zbruczlinie (29. Juli bis Mitte August) . 330
Wiederaufnahme des Stellungskrieges am Zbrucz..........333
Die letzten Schlachten auf dem Rumänischen Kriegsschauplatz
Die Offensive des neuerstarkten Rumänenheeres............339
Der russisch-rumänische Operationsplan und die Maßnahmen der Mittel-
mächte .......................339
Die Angriffe über den Sereth und gegen die Ostgrenze Siebenbürgens . . 346
Die Artillerieschlacht bei Namoloaça (22. bis 25. Juli).....346
Der Einbruch der Armee Averescu in das Sovejabecken (22. bis
29. Juli)....................348
Ein neuer Angriffsplan der Mittelmächte . . . ..........358
Die letzten Tage vor der Offensive der Mittelmächte........362
Die Gegenoffensive der Mittelmächte . ...............366
Die Schlacht bei Focsani (6. bis 13. August) ............366
Die Schlacht im Ojtozgebiet (8. bis 13. August)..........374
Entschlüsse und Pläne der hohen Führung..........382
Weitere Kämpfe um die Zugänge in die westliche Moldau......383
Neuerlicher Vorstoß der Armee Eben und Abzug der Rumänen aus
dem Sovejabecken (14. bis 18. August).........383
Der Doppelangriff der Armee Eben und der Gruppe Gerok (19. bis
22. August)...................388
Letzter Vorstoß der Armee Eben und Abbruch der Offensive
(22. August bis Anfang September)...........391
Vorstoßversuche aus der Bukowina während des Monats August .... 394
Kämpfe der Armee Kövess und Pläne der Führung.......394
' Die Eroberung der Höhe Dol±ok durch die 3. Armee (27. August) . 400
Der Ausklang der Sommerschlachten im Osten............401
Die Endkämpfe der Heeresfront Erzherzog Joseph an der Moldaufront
(September 1917)...................401
Vorstoß der Armee Averescu gegen die Gruppe Gerok.....401
Verzicht auf die Eroberung der Moldau...........405
Übergang zum Stellungskrieg im Osten.............407
Rückschau auf den Krieg im Osten im Sommer 1917.........408
Das militärpolitische Weltbild im Frühjahr und Sommer 1917
. Bruch der Vereinigten Staaten von Nordamerika mit den Mittelmächten . 415
Kaiser Karls Friedens ver suche................417
Österreich-Ungarn in den militärischen Plänen der Entente......424
Inhaltsverzeichnis
XI
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
Seite
Die elfte Isonzoschlacht....................431
Die Vorboten des neuen Ringens................431
Der Angriffsplan der Italiener..............431
Maßnahmen der öst.-ung. Führung.............433
Der erste Ansturm der Italiener (18. bis 21. August)........438
Der Durchbruch auf der Hochfläche von Bainsizza-Heiligengeist (21. und
22. August).....................450
Der Befehl zur Preisgabe der Hochfläche von Bainsizza-Heiligengeist 455
Das Überwinden der Krise...............458
Der Anprall der Italiener an die neue Verteidigungsfront .... 464
Der Ausgang der Schlacht..................468
Wechselnde Entschlüsse der italienischen Heeresleitung.....468
Die Verschärfung der Kämpfe um den Mt. S. Gabriele......472
Der Gegenangriff des k. u. k. XXIII. Korps an der Küste .... 475
Fortgesetztes Ringen um den Mt. S. Gabriele.........478
Rückblick........................483
Die Ereignisse in Tirol und in Kärnten im Sommer 1917.........487
Die Herbstofiensive gegen Italien
Die Vorbereitungen......................493
Das Entstehen der Idee und des Angriffsplanes..........493
Der Aufmarsch......................500
Die Heeresgruppe Boroevic von Mitte September bis zum Beginn der
Offensive......................505
Die Begebenheiten in Tirol und in Kärnten von Anfang September bis
zum 24. Oktober...................508
Die hohe italienische Führung zwischen der elften und der zwölften
Isonzoschlacht....................513
Die italienischen Verteidigungsstellungen.............518
Die Angriffsbefehle....................520
Die zwölfte Isonzoschlacht (24. bis 27. Oktober)............524
Die Duirchbrüche bei Flitsch und Tolmein............524
Der erste Schlachttag ..................524
Die Vollendung des Durchbruches (25. und 26. Oktober).....536
Cadornas Entschluß zum Rückzug...............545
Das Zurückwerfen der italienischen Nachhuten am 27. Oktober . . . . 550
Die Verfolgungskämpfe der Armee Below..........550
Die Ereignisse bei der Heeresgruppe Boroevic...........554
Das Ergebnis der zwölften Isonzoschlacht............557
XII
Inhaltsverzeichnis
Seite
Die Schlacht bei Codroipo-Latisana (28. Oktober bis 1. November).....562
Der Wettlauf zum Tagliamento................562
Absichten und Befehle.................562
Der Rückzug der Italiener in den Karnischen und Julischen Alpen
am 28. und 29. Oktober...............566
Durchbruch durch die italienische Front am Torre (28. Oktober) . . 569
Fortsetzung der Verfolgung in der Ebene am 29. Oktober .... 574
Versuch eines Abschneidens der italienischen 3. Armee........578
Entschlüsse und Befehle für den 30. Oktober.........578
Der Vorstoß auf Codroipo und Laitisana (30. und 31. Oktober) . . . 581
Der Ausklang der Schlacht................590
Das Erzwingen des Überganges über den Tagliamento..........593
Vordringen der 10. Armee und der Gruppen Krauss und Stein bis an den
Tagliamento (30. Oktober bis 1. November).........593
Die Entwirrung der Lage bei der Heeresgruppe Boroevic (1. Nov.) . 598
Der Vorstoß über den Tagliamento...............600
Die Maßnahmen der hohen Führung bei Freund und Feind .... 600
Der gewaltsame Flußübergang bei Cornino und Pinzano (2. bis 4. Nov.) 605
Die Übergangsversuche der Heeresgruppe Boroevic zwischen dem 2.
und dem 4. November...............609
Die Verfolgung bis zum Piave und in den Dolomiten (5. bis 10. November) . . 611
Maßnahmen der hohen Führung................611
Die Verfolgung bis an den unteren Piave............616
Vom Tagliamento bis zur Livenza (5. bis 7. November).....616
Die Gefangennahme der 36. und der 63. italienischen Division . . 621
Von der Livenza zum unteren Piave (8. bis 10. November) .... 622
Das Eingreifen der Heeresgruppe Conrad............626
Die italienische 4. Armee im Cadore............626
Die Vorbereitungen zur Offensive bei der Heeresgruppe Conrad . . 629
Die Verfolgung in den Dolomiten (4. bis 10. November) .... 632
Der Vorstoß gegen den Raum westlich vom Piave...........640
Entschlüsse und Befehle der Verbündeten............640
Abwehrmaßnahmen der Italiener...............644
Das Nachstoßen der k. u. k. 11. Armee auf der Hochfläche von Asiago (10.
bis 16. November 1917).................646
Der Rückzug des Nordflügels der italienischen 1. Armee.....646
Die Bereitstellung der k. u. k. 11. Armee...........647
Der erste Ansturm auf die Hochfläche von Asiago (10. bis 16. Nov.) 650
Der Vorstoß zwischen Brenta und Piave.............657
Die beiderseitigen Kräfteaufgebote und ihre Aufgaben......657
Der erste Angriff gegen den Mt. Grappa (14. bis 18. November) . 661
Der Übergangsversuch am Piave................667
Systematische Fortsetzung der Angriffe gegen die Randberge.....669
Anordnungen der hohen Führung.............669
Angriffe der Verbündeten in der zweiten Novemberhälfte .... 671
Die Einstellung der Offensive.................676
Inihalts Verzeichnis
XIII
Seite
Die Kämpfe um die Dauerstellung im Dezember............679
Die Eroberung des Melettamassivs...............679
Ziele und Maßnahmen der Heeresgruppe FM. Conrad......679
Die Vernichtung der italienischen 29. Division........683
Die Dezemberkämpfe im Grappagebirge.............688
Die Eroberung des Col della Beretta und des Mt. Spinuccia .... 688
Die Erstürmung des Mt. Asolone..............693
Der Ausklang der Dezemberkämpfe..............695
Betrachtungen........................700
Vor- und Nachteile der Vorrückungsstreifen...........700
Die Wiederverlegung des Schwergewichtes auf den Nordflügel .... 704
Das Zusammenwirken der Südwestfront mit der Heeresgruppe Conrad . . 706
Die Einstellung der Offensive und ihr Ergebnis..........710
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
Der Osten im letzten Jahresviertel 1917...............717
Weiterer Verfall der Staatsgewalt und des Heeres in Rußland.....717
Ereignisse bei den Heeresfronten Erzherzog Joseph und Prinz Leopold
(Oktober bis Mitte November) ..............721
Der Novemberumsturz in Rußland und seine Auswirkung.......727
Die Waffenstillstandsverhandlungen..............732
Der Vertrag von Brest-Litowsk..............732
Der Vertrag von Foesani................733
Zwischen Krieg und Frieden (Mitte November bis Ende Dezember) . . 737
Die Westfront im letzten Jahresdrittel 1917.............742
Der Orient im zweiten Halbjahr 1917................746
Die Begebenheiten in Albanien und in Mazedonien.........746
Die Türkei im zweiten Halbjahr 1917.............753
Rückblick auf das Kriegs jähr 1917.................755
Anhang...........................762
Personen Verzeichnis und Verzeichnis der öst.-ung. und der
verbündeten Truppen verbände
Personenverzeichnis......................773
Verzeichnis der öst.-ung. Truppenverbände..............781
Verzeichnis der deutschen Truppenverbände.............788
Verzeichnis der bulgarischen Truppenverbände............790
Verzeichnis der türkischen Truppenverbände.............790
Ergänzungen und Berichtigungen zu den ersten sechs Bänden.......791
BEILAGENVERZEICHNIS
Beilage
Die Kriegslage in Europa zu Land und zur See am 1. Februar 1917..........1
Die öst.-ung. Wehrmacht um die Jahreswende 1916-17..................2
Die Ostfront zwischen dem Pripiatj und der Donaumündung. Lage am 1. März 1917 3
Nebenskizze: Die Erstürmung des Brückenkopfes von Tobol am 3. April 1917 3
Lage auf dem südwestlichen Kriegsschauplatz am 1. April 1917......4
Kräfteverteilung nach der Evidenz des AOK. vom 1. April 1917 .... 4
Lage auf dem JBalkan anfangs Mai 1917...............5
Kriegsgliederungen für das Frühjahr 1917..............6
Die 10. Isonzoschlacht......................7
Lage am 12. Mai 1917 . ...................7
Lage am 5. Juni 1917....................7
Erster Teil der 10. Isonzoschlacht.................8
Aufstellung der Batterien bei Beginn der Schlacht...........8
Lage am 14. Mai und Einsatz der italienischen Kräfte........8
Der Großangriff der ital. 3. Armee in der 10. Isonzoschlacht. 23 bis 28. Mai 1917 . 9
Angriffsgruppierung und Hauptangriffsrichtungen der Italiener.....9
Lage im Abschnitt III am 23. Mai, 4h nachmittags.........9
24. Mai; 25. Mai vormittags; 25. Mai abends............9
Der Gegenangriff. 4. Juni morgens...............9
Lage auf dem Ostflügel der k. u. k. 4. Armee am 15. Juni 1917 (Skizze a) . . 10
Die Ortigara-Schlacht......................10
Lage am 10. Juni 1917 früh und der italienische Angriff an diesem Tage
(Skizze b)......................10
Lage am 19. Juni 1917 früh und der italienische Angriff an diesem Tage
(Skizze c)......................10
Der öst.-ung. Gegenangriff am 25. Juni 1917 nachts (Skizze d) .... 10
Laufbild der Eisenbahntruppentransporte Jänner bis Juli 1917.......11
Der Aufmarsch bei Zloczów im Juli 1917.............11
Lage bei der Heeresgruppe Böhm-Ermolli Ende Juni 1917.........12
Kriegsgliederung für den russisch-rumänischen Kriegsschauplatz im Sommer 1917 13
Die Schlacht bei Konkichy—Zborów und bei Brze£any vom 1. bis 3. Juli 1917 . . 14
Die Schlacht bei Stanislau—Kalusz vom 8. bis 13. Juli 1917........15
Der Verlust der Jutrena gora am 8. Juli 1917...........15
Der Einbruch der Russen bei Kalusz am 11. Juli 1917........15
Beilagenverzeichnis XV
Beilage
Der Durchbruch bei Zborów. 19. bis 21. Juli 1917............16
Die Offensive der Verbündeten in Ostgalizien und in der Bukowina. 21. Juli bis
8. August 1917.......................17
Die Lage auf dem rumänischen Kriegsschauplatz am 22. Juli 1917 (Skizze 1) . . 18
Der Einbruch der Armee Averescu in das Sovejabecken (Skizze 2)......18
Die Schlachten bei Focçani und im Ojtozgebiet vom 6. bis 18. August 1917
(Skizze 3)........................18
Die Schlachten bei Focçani und im Ojtozgebiet vom 19. August bis Mitte Septem-
ber 1917 (Skizze 4).....................18
Die 11. Isonzoschlacht......................19
Bereitstellung und Kriegsgliederung der Streitkräfte am 18. August 1917 . 19
Raumverluste im Laufe der elf Isonzoschlachten..........19
Die 11. Isonzoschlacht......................20
Aufstellung der Artillerie auf dem Schlachtfelde zwischen Tolmein und der
Wippach zu Beginn der Schlacht..............20
Der Rückzug auf den Hochflächen von Bainsizza Heiligengeist.....20
De;r Mt. S. Gabriele ....................20
Der Gegenangriff des XXIII. Korps. 4. und 5. September 1917.....20
Laufbild der Eisenbahn-Truppentransporte vom I.August bis 31. Dezember 1917 21
Die Lage am Isonzo am 24. Oktober 1917 knapp vor Beginn des Angriffes ... 22
Kriegsgliederung der an der Südwestfront stehenden Streitkräfte zu Beginn der
Herbstoffensive 1917....................23
Angriffspläne der Verbündeten und die durch Fliegerauf nahmen ermittelten italie-
nischen Stellungen.....................24
Landschaftsbilder bedeutsamer Kampfräume der Isonzofront........25
Das Becken von Flitsch...................25
Das Becken von Tolmein...................25
Die Hermada.......................25
Die zwölfte Isonzoschlacht. Die Durchbruchsangriffe bei Flitsch und Tolmein
am 24. Oktober 1917....................26
Die zwölfte Isonzoschlacht. Ereignisse am 25., 26. und 27. Oktober 1917 ... 27
Verfolgung der Italiener durch die Verbündeten am 28. und 29. Oktober 1917 . 28
Die Schlacht bei Codroipo—Latisana. 30. und 31. Oktober 1917.......28
Das Erzwingen des Überganges über den Tagliamento. 30. Oktober bis 4. Novem-
ber 1917 ........................29
Die Ereignisse bei Cornino vom 31. Oktober bis 3. November 1917 .... 29
Die Verfolgung bis zum Piave und in den Dolomiten. 5. bis 10. November 1917 . 30
Der Vorstoß gegen den Raum westlich vom Piave. 11. bis 18. November 1917 . 31
Lage der Verbündeten zwischen Asiago und dem Piave am 25. Nov. 1917 . 31
XVI
Beilagenverzeichnis
Beilage
Landschaftsbilder der zwischen Asiago und dem Piave gelegenen Kampfräume . 32
Der Ostteil der Hochfläche der Sieben Gemeinden..........32
Der Gebirgsstock des Mt. Grappa von Osten her gesehen.......32
Der Gebirgsstock des Mt. Grappa von Westen her gesehen......32
Die Kämpfe um die Dauerstellung im Dezember 1917..........33
Die Eroberung des Melettamassivs am 4. und 5. Dezember 1917.....33
Die Kämpfe im Grappagebiet vom 11. bis 21. Dezember 1917......33
Die Eroberung des Col del Rosso am 23. Dezember 1917........33
Die Lage im Südwesten am 26. Dezember 1917...........33
Die Ostfront südlich vom Pripiatj am 1. Oktober 1917..........34
Die Ostfront südlich vom Pripiatj am 31. Dezember 1917.........34
Die Balkanfront Ende Dezember 1917................35
Kämpfe der 20. Gebirgsbrigade (Ohrida-Division). 8. September bis 21. Ok-
tober 1917......................35
Lage in der Türkei zu Ende des Jähret 1917..............35
Zeittafel der Feldzüge und der wichtigsten Schlachten des Kriegsjahres 1917 . . 36-
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN
AOK. = Armeeoberkommando
ArtGen., ArtKmdt., ArtKmdo. = Artillerie-
general (-kommandant, -kommando)
Baon. = Bataillon
Bers = Bersaglieri
BrBaon., BrKomp. = Brückenbataillon
(-kompagnie)
Bt. = Batterie
d. = deutsch
D., Div. = Division
Det. = Detachement
Div.-Gen. = Divisionsgeneral (franz.,
rum.)
DionsKav. = Divisionskavallerie
DOHL. = Deutsche Oberste Heeresleitung
DR., HR., UR. = Dragoner- (Husaren-,
Ulanen-) regiment
F = Feld
FABrig., HFABrig., RFABrig. = Feld-
(Honvéd-, Reserve- Feld-) artillerie-
brigade
FHR., FHD., FHBt. = Feldhaubitzregiment
(-division, -batterie)
finn. = finnisch
F JB. == Feldjägerbataillon
FKR., FKD., FKBt. = Feldkanonenregi-
ment (-division, -batterie)
FlakBt., Flakzug = F1 iegerabwehrkanonen-
batterie (-zug)
Flakn. = Fliegerabwehrkanone
FliegKomp., FliegAbtlg. = Fliegerkom-
pagnie (-abteilung [deutsch])
FM. = Feldmarschall
FML. = Feldmarschall eutnant
Frw = Freiwilligen
FsAR., FsABaon., FsAKomp., FsADet. =
Festungsartillerieregiment (-bataillon,
-kompagnie, -detachement)
FZM. = Feldzeugmeister
Gb = Gebirgs
GbAR. = Gebirgsartillerieregiment
GbBrig. = Gebirgsbrigade
GbSchR. = Gebirgsschützenregiment
GdA., Gdl., GdK. = General der Artil-
lerie (Infanterie, Kavallerie)
GendR., GendBaon., GendSchwd. = Gen-
darmerieregiment (-bataillon, -Schwa-
dron)
GFM. = Generalfeldmarschall
GID., GKD., GKosD., GSchD. = Garde-
infanterie- (kavallerie-, -kosaken-,
-schützen-) division (deutsch, russ.)
Gen. = General
GLt. = Generalleutnant (deutsch, ital.,
russ.)
GO. = Generaloberst
GrzJBaon, GrzJKomp. = Grenzjäger-
bataillon (-kompagnie)
GW. = Granatwerfer
H = Honvéd
HaBrig., HaR. = Halbbrigade, Halbregi-
ment
Hb = Haubitze
HGbAAbtlg. = Honvédgebirgsartillerie-
abteilung
HHR., HHD. = Honvédhusarenregiment
(-division)
HID., HIBrig., HIR. = Honvédinfanterie-
division (-brigade, -regiment)
HochgbKomp. = Hochgebirgskompagnie
ID., IBrig., IR., IBaon. = Infanteriedivi-
sion (-brigade, -regiment, -bataillon)
IGesch. = Infanteriegeschütz
JB., RJB. = Jäger-(Reservejäger-)bataillon
(deutsch)
kauk. = kaukasisch
KavSchD. = Kavallerieschützendivision
KD., KBrig. = Kavalleriedivisioni (-brigade)
KJBrig., KJR., KJB. = Kaiser jägerbrigade,
-Regiment, Bataillon der Tiroler Kai-
serjäger
Kn = Kanone
KosD. = Kosakendivision
XVIII
Verzeichnis der Abkürzungen
KSchD., KSchBrig., KSchR.,KSchArtKmdo.
= Kaiserschützendivision (-brigade,
-regiment, -artilleriekommando)
L = Landwehr
LD., LBrig. = Land weh r div isiion (-brigade)
Xst — Landsturm
Lst AKomp. — LandsturmartilLeriekom-
pagnie
LstSAbtlgt. = L and sturmsap peur abt eilung
LstHusBrig., LstHusR., LstHusD. = Land-
sturmhusarenbrigade (-regiment, -di-
vision)
Ma = Marsch
MG., MG Ab tig., MGKomp. = Maschinen-
gewehr (-abtetrlung, -kompagnie
[deutsch] )
Mjr. = Major
Ms = Mörser
MW = Minenwerfer
Obst. — Oberst
Obstlt. = Oberstleutnant
PB. = Pionierbataillon
Pos — Positions
R = Reserve
RD. = Reservedivision (deutsch)
RdfBrig., RdfBaon. = Radfahrbrigade
(-bataillon)
RFKR., HRFKR. = Reserve-(Honvéd-
reserve-)feldkanonenregiment
RFHR., HRFHR. == Reserve-(Honvéd-
res er V e - ) f eldh au b it z regi ment
RIBrig., R1R. = Reserveinfanteriebrigade
(-regiment)
rt.AAbtlg. — reitende Artillerieabteilung
rt.DSchD. = reitende Dalmatiner Schützen-
division
rt.SchR. = reitendes Schützenregiment
rt.TKSchD. = reitende Tiroler Kaiser-
s chütz endivis io n
rum. = rumänisch
SB. = Sappeurb at aillon
SchD., SchBrig., SchR., SchBaon. = Schüt-
zendivision (-brigade, -regiment,
bataillon)
SchSchBrig. — Schießschulbrigade
Schwd. = Schwadron
sFAR., sHFAR., sHRFAR., sRFAR. =
schweres (Honvéd-, Honvédreserve-,
Reserve-) Feldartillerieregiment
sFHD. = schwere Feldhaubitzdivisiion
sHbBt. = schwere Haubitzbatterie
sib. = sibirisch
Stawka = russische Oberste Heereslei-
tung
StSchAbtlg. = Standschützenabteilung
turk. = turkestanisch
Bei den Truppen sind die 1918 gültigen Bezeichnungen angewendet.
DIE KRIEGSPLÄNE
FÜR DAS KRIEGS JAHR 1917
VI
1
Die entscheidenden Beschlüsse bei den Mittelmächten
Hiezu Beilage 1
Der Operationsentwurf des Feldmarschalls Conrad
Die grundsätzliche Auffassung, die der öst.-ung. Generalstabschef
FM. Freih. v. Conrad zu Beginn des Jahres 1917 über die Fortführung
des Krieges hegte, geht aus einem Satze hervor, den eine von ihm um
den 10. Jänner dieses Jahres schon in seinem neuen Hauptquartier Baden
bei Wien (Bd. V, S. 724) verfaßte Denkschrift enthält. ,,Da der Krieg",
schreibt der Feldmarschall, „in den Kämpfen dieses Frühjahres zur Ent-
scheidung drängen wird, ist die äußerste Steigerung aller eigenen
Machtmittel (personell, materiell) für diesen Zeitraum erforderlich —
also nicht mehr im Sinne einer noch sehr langen Dauer des Krieges;
denn fällt die Entscheidung im Frühjahr zu unsern Ungunsten, dann ist
kaum mehr auf eine Wendung; durch jene Kräfte zu rechnen, welche uns
überhaupt noch verfügbar bleiben werden." Und an anderer Stelle dieser
Denkschrift vermerkt Conrad, daß von den Mittelmächten jetzt sozu-
sagen die „letzte Karte" ausgespielt werde. Über die Art, wie diese
letzte Karte ausgespielt werden sollte, gab sich der stets tatentschlossene
Feldherr keinem Zweifel hin. Ein Abwarten der sicherlich in Aussicht
stehenden Entente offensive lasse „dem Gegner die Zeit, den Angriff in
dem ihm günstigsten Moment, an der ihm günstigsten Stelle und mit der
ihm größtmöglichen Machtentfaltung zu führen". Es gäbe keine andere
Lösung, als dem Feinde im Angriff zuvorzukommen und ihm dadurch
alle Vorteile vorwegzunehmen, die ihm ein Abwarten sichern müßte.
Über die Front, wo diese Entscheidung gesucht werden sollte, hatte
sich Conrad in der Stunde, da er seine Denkschrift niederschrieb, noch
kein abschließendes Urteil gebildet. Er dachte an die italienische Front,
aber auch an Ostgalizien, wo vielleicht einem neuen russischen Angriff
zuvorgekommen werden konnte, auffälligerweise aber nicht, an die
Westfront, obgleich er auch die ihrer Vollendung entgegengehenden
deutschen Neuformationen mit in Rechnung zog.
Neben den Vorbereitungen für einen groß angelegten Angriff wollte
der Feldmarschall auch den uneingeschränkten Tauchbootkrieg ein-
l*
4
Die Kriegspläne für das Kriegs jähr 1917
setzen sehen. „Bei der Entschlossenheit, mit welcher England gewillt ist,
den Krieg bis zum äußersten zu führen", läßt sich der Feldmarschall
vernehmen, „erübrigt sich nur, auch das Mittel des U-Bootkrieges mit
aller Rücksichtslosigkeit anzuwenden — trotz der diplomatischerseits
geltend gemachten Besorgnis, es würden dann auch Amerika, Holland,
Dänemark usw. usw. den Krieg an uns erklären . . , U-Bootkrieg und
eine Aktion zu Land sind die einzigen Mittel, die wir haben, den Krieg
für uns günstig zu wenden, ehe unsere Kräfte aufgebraucht sind und ehe
die Entente mit erdrückender Übermacht gemeinsam über uns herfällt."
Wenn auch in dieser lediglich für die Operationsabteilung bestimm-
ten Denkschrift über die Front, an der die „Aktion zu Land" stattzufin-
den hätte, noch nichts gesagt ist, so ist es doch kaum zu bezweifeln, daß
Conrad von Haus aus den italienischen Kriegsschauplatz vor Augen
hatte. In Kenntnis der Besprechungen, die am 6. und am 7. Jänner zwi-
schen den Heeresleitungen der Entente zu Rom abgehalten worden waren,
rechnete er mit einem gleichzeitigen Angriff der Feinde an der franzö-
sisch-italienischen und an der russisch-rumänischen Front, wobei er es
wegen des Zustandes der Truppen wohl für möglich hielt, daß der
Angriff an der erstgenannten jenem an der zweitgenannten Front vor-
ausgehen werde. In einem Nebenangriff der Entente auf dem Balkan
erblickte der Feldmarschall lediglich eine nicht unwillkommene Schwä-
chung ihrer Hauptkräfte.
Daß in den weiten Räumen des Ostens dem Feinde noch ein grö-
ßerer Erfolg winken könnte, hielt Conrad für wenig wahrscheinlich. Die
Verhältnisse an der Westfront erklärte er, als er später seine Auffassun-
gen der deutschen Heeresleitung mitteilte, nicht genügend überblicken
zu können. Von den beiden Druckstellen des Feindes, die für die öst.-
ung. Kriegführung in Betracht kamen, Lemberg und Triest, schien ihm
die zweitgenannte jedenfalls die viel gefährlichere zu sein, wie über-
haupt nach seiner Ansicht die Kriegslage auf dem Karst weitaus am ge-
spanntesten war. Wohl hatte hier der Verteidiger in neun für ihn wie
für den Angreifer gleich ruhmreichen Schlachten gegen eine bis zuletzt
gewaltige Übermacht an Mann und Gerät standzuhalten vermocht. Aber
das Schicksal von Triest mochte doch allmählich bedenklich werden. Ein
Durchbruch des Feindes im Görzischen würde in das Abwehrgelände der
Mittelmächte an empfindlichster Stelle eine Bresche schlagen und böte
der feindlichen Übermacht in einem Bewegungskrieg Gelegenheit, ihre
Kräfte in verderblichster Weise zu entfalten. Die Italiener zählten schon
für sich allein 750.000 Feuergewehre; ihnen konnten aber von ihren
Geplante Zweifrontenoffensive gegen Italien
5
Alliierten noch erhebliche Verstärkungen an Mann und Kriegsgerät
zugesandt werden.
Mit solchen Erwägungen stellte sich bei Conrad von selbst die
bestimmte Auffassung ein, gegen keinen anderen Feind als die Italiener
zum Gegenschlag auszuholen,. Ein solcher Gegenschlag schien ihm um so
mehr geboten zu sein, als die öst.-ung. Südwestfront bei der Machtent-
wicklung des Feindes auf jeden Fall so große Verstärkungen an Truppen
und Kriegsmaterial erheischte, daß es schon deshalb zweckmäßig sein
mochte, gleich ganze Arbeit zu leisten, statt Angriffe an anderen
Fronten durch jenen Kräftebedarf zu schwächen.
An der Ausarbeitung des Planes für die vom Feldmarschall beab-
sichtigte Offensive hatten Obstlt. Schneller, der Italienreferent der Ope-
rationsabteilung, und FML. Metzger Anteil. Die Stärke des italienischen
Heeres wurde in diesem Entwürfe mit rund 60 Divisionen beziffert,
denen im Augenblick 29 öst.-ung. Divisionen gegenüberstanden. Da man
es bei einer Offensive nicht für erforderlich hielt, die Zahl der eigenen
Divisionen bis zu jener des Feindes zu erhöhen, weil — abgesehen von
dem höher eingeschätzten Kampfwert deutscher und öst.-ung. Truppen
— dem Angreifer der Vorteil des Masseneinsatzes in den selbstgewähl-
ten Richtungen zufiel, wollte man sich mit 45 Divisionen begnügen. Von
den daher noch nötigen Divisionen sollten 1'3 deutsche sein; die drei von
der Ostfront heranzuführenden öst.-ung. Divisionen sollten gleichfalls
durch deutsche Truppen abgelöst werden.
Das hervorstechendste Merkmal des Conradschen Planes war, daß
er die Offensive diesmal aus zwei Fronten vorsah: aus Tirol und dem
Küstenlande. Entgegen den Plänen, die der Maioffensive 1916 (Bd. III,
S. 585 ff.) schließlich zugrunde gelegt waren, sollte diesmal dem An-
griff aus Südtirol ein solcher der küstenländischen Front mit einem
Vorsprung von höchstens einer Woche vorausgehen. Dieser Angriff hatte
den Feind „durch Kämpfe großen Stiles festzuhalten, seine Aufmerk-
samkeit von Tirol abzulenken, seine Linien zu durchbrechen und, wenn
möglich, die ganze Julisehe Front ins Wanken zu bringen". Als geeignet-
sten Angriffspunkt bezeichnete Conrad den Raum um Tolmein, der
schon bei Friedensübungen seine Aufmerksamkeit gefesselt hatte. Von
hier aus hätten unter deutscher Führung sechs Divisionen, darunter
fünf deutsche, den Angriff einzuleiten und die ganze Isonzofront vor-
wärts zu reißen.
Der Hauptangriff war aus gleichen Gründen wie das Jahr zuvor
aus der strategisch sicherlich wirkungsvollsten Richtung, aus Südtirol,
6
Die Kriegspläne für das Kriegs jähr 1917
gedacht. Er sollte zwischen Astico und Brenta unternommen werden.
Die Angriffskräfte wären wieder in zwei Staffeln zu gliedern gewesen,
in eine aus zwölf gebirgstüchtigen öst.-ung. Divisionen bestehende Stoß-
staffel und eine zweite, die aus sechs besonders beweglichen deutsehen
Divisionen zu bestehen gehabt hätte. Den Oberbefehl über den Vorstoß
aus Südtirol sollte auf jeden Fall ein öst.-ung. General (Erzherzog Eugen)
führen. Deutschen Befehlshabern war je ein Armeekommando in Tirol
und bei Tolmein zugedacht. Auf eindringlichsten Wunsch hätte dem
Bundesgenossen gegebenenfalls auch das Heeresgruppenkommando an
der Isonzofront überlassen werden können.
Der uneingeschränkte Unterseebootkrieg
Während im öst.-ung. Hauptquartier diese Pläne entworfen wurden,
war in Deutschland eine für alle Vierbundgenossen äußerst schicksals-
schwere Entscheidung gefallen. Deutschland hatte sich, zunächst ohne
den Verbündeten zu verständigen, entschlossen, die zweite der von Con-
rad für die Kriegführung 1917 aufgeworfenen Grundforderungen, die
Verwirklichung des uneingeschränkten U-Bootkrieges, zu erfüllen.
Daß ein großer Teil der öffentlichen Meinung im Reiche auf diesen
Entschluß hindrängte, ist im V. Bande (S. 715) schon angedeutet worden.
Als vor Weihnachten 1916 über die Abweisung des Friedensanbotes der
Mittelmächte kein Zweifel mehr bestehen konnte, war es für die DOHL.
ein feststehender Entschluß, daß nunmehr auch von jenem schärfsten
Kampfmittel entschiedener Gebrauch gemacht werden müsse1). Sie
stützte sich dabei auf ein Gutachten, das der Chef des Admiralstabes,
Adm. v. Holtzendorff, am 22. Dezember erstattet hatte. Der Admiral-
stab berechnete, daß England, wenn monatlich nur 600.000 Tonnen an
Handelsschiffen vernichtet würden, in fünf bis sechs Monaten auf die
Knie gezwungen wäre — allerdings unter der Voraussetzung, daß der
uneingeschränkte Tauchbootkrieg schon am 1. Februar einsetze. Der
deutsche Reichskanzler Dr. v. Bethmann-Hollweg war innerlich gegen
die Vorschläge der Heeresleitung eingestellt, unterwarf sich aber in der
Besprechung, die am 9. Jänner in Pleß stattfand, der vom GFM. v. Hin-
denburg und vom Gdl. Ludeindorff gestellten Forderung. Schon in den
nächsten Tagen gingen die U-Boote mit versiegelten Befehlen in See.
i) Bethmann-Hollweg, Erinnerungen und Betrachtungen (Berlin 1921),
II, 129 ff. und 260 ff.
Bedenken des Kaisers Karl gegen den U-Bootkrieg
7
Kaiser Karl und sein neuer Außenminister Graf Czernin verfolgten,
ohne zunächst Bestimmtes zu erfahren, diese Vorgänge mit großer Sorge.
Sie glaubten nicht an die kriegsentscheidende Wirkung der U-Bootwaffe
und fürchteten die Rückwirkung auf Nordamerika, dessen Eingreifen in
den Krieg für sie die sichere Niederlage bedeutete1). Nach verschie-
denen, in Berlin ausgestreckten Fühlern, erschienen am 20. Jänner der
Unterstaatssekretär Zimmermann und der Admiral Holtzendorff in
Wien, um in zwei Sitzungen, deren erste der Kaiser leitete, das Wiener
Kabinett nachträglich für dein uneingeschränkten U-Bootkrieg zu ge-
winnen. FM. Conrad und Großadmiral Haus2) sprachen sich für die
deutschen Forderungen aus, der Kaiser, Czernin und die beiden Mini-
sterpräsidenten Graf Clam3) und Graf Tisza waren im Grunde ihres
Herzens gegen sie. Zimmermann warf das schwerwiegende Argument in
die Waagschale, daß ohne das neue Kampfmittel sogar die Behauptung
der Westfront fraglich sein würde, — ein Argument, das Czernin zu
starkem Einlenken veranlaß te. Der Kaiser wandte sich trotzdem noch
in einem Handschreiben an seinen deutschen Verbündeten. Ohne daß
er es wußte, erwuchs ihm im Grafen Bernstorff, dem deutschen Bot-
schafter in Washington, in zwölfter Stunde ein eifriger Verbündeter.
Bernstorff gab zu bedenken, daß Wilson entschlossen sei, seine Friedens-
vermittlung fortzusetzen. Deutschland ließ jedoch den amerikanischen
Präsidenten zwar seine Friedensbedingungen in allgemeinen Umrissen
wissen, bedauerte aber gleichzeitig, daß der an die längst ausgefah-
renen U-Boote erlassene Befehl schon aus technischen Gründen nicht
mehr widerrufen werden könne. Der Rubikon war, wie Bethmann-Holl-
weg nach dem Kriege niederschrieb, bereits überschritten.
Der von Czernin vorübergehend erwogene Gedanke, dem uneinge-
schränkten U-Bootkriege fernzubleiben, wurde sehr rasch fallen ge-
lassen. So erhielten auch die öst.-ung. Tauchboote, zwölf an der Zahl,
die entsprechenden Aufträge. Die Sperrgebiete um Europa nach der
Verlautbarung für den 1. Februar 1917 zeigt die Beilage 1.
*) Czernin, Im Weltkriege (Berlin 1919), 2. Aufl., 152 ff. — Werkmann,
Deutschland als Verbündeter (Berlin 1932), 107 ff. — Glaise-Hor stenau,
Österreich-Ungarns Politik in den Kriegsjahren 1914 bis 1917 (Schwarte, Der
große Krieg 1914—1918, V, 327 ff.). — Glaise-Horstenau, Die Katastrophe —
Die Zertrümmerung Österreich-Ungarns und das Werden der Nachfolgestaaten (Wien
1929), 90 ff.
2) Kriegsarchiv (Marinearchiv), Österreich-Ungarns Seekrieg 1914—1918
(Wien 1933), 341.
3) Nachfolger Koerbers als Chef der österreichischen Regierung.
8
Die Kriegspläne für das Kriegs jähr 1917
Die Regierung der Vereinigten Staaten beantwortete die Erklärung
des uneingeschränkten U-Bootkrieges x) am 3. Februar mit dem Abbruch
der diplomatischen Beziehungen zu Deutschland. Wilson begann seinen
Kreuzzug gegen die absolutistischen Mächte im Hohenzollernreich. Die
sachlichen Folgen waren fürs erste gering, da Amerika schon bisher die
Ententemächte aufs reichste mit Geld und Kriegsgerät aller Art sowie
mit sonstigen Nahrungs- und Rohstoffen versorgt hatte. Die Möglich-
keit, daß die Union in die Reihe der Feindstaaten abschwenken könnte,
war aber in bedenklichem Maße größer geworden.
Die nächsten Entschlüsse für den Landkrieg
Zugleich mit dem Entschluß zum uneingeschränkten Tauchboot-
krieg rang sich die DOHL. aber auch zu einem außerordentlich schwer-
wiegenden Plane für die Kriegführung zu Lande durch. Sie verzichtete,
wenigstens fürs erste, auf eine größere Angriffshanidlung und war zu-
nächst lediglich darauf bedacht, sich Verfügungstruppen sicherzustellen.
Wo der Feind an der Westfront den zu erwartenden Frühjahrsangriff
ansetzen werde, konnte im Jänner noch nicht wahrgenommen werden;
alle Frontteile erschienen mehr oder weniger bedroht. Man konnte
daher jetzt keinen Abschnitt schwächen, um einen anderen möglichst
stark zu machen. Eine Abhilfe bot aber die Zurücknahme des gegen
Compiègne weit vorragenden Bogens in die zwischen Arras und Sois-
sons schon hergestellte kurze Sehnen-(„Siegfried")Stellung. Dies er-
möglichte ausgiebige Truppenersparnis und machte hier allenfalls schon
im Gange befindliche feindliche Angriffsvorbereitungen unwirksam.
Trotz des zu erwartenden ungünstigen Eindruckes — nur Männer von
dem ungeheuren Ansehen Hindenburgs und Ludendorffs konnten sich
solches erlauben — befahl die DOHL. am 4. Februar, nach gründlicher,
alle Maßnahmen geheimhaltender Vorbereitung, die etwa fünf Wochen
währen mochte, den Rückmarsch in die Siegfriedstellung anzutreten2).
1) Wegen ihres kleinen Aktionsradius konnten sich die k. u. k. Tauchboote außer-
halb der Adria nur wenig betätigen. Die deutsche Marine verfügte am 1. Februar 1917
über 111 seetüchtige U-Boote, die bis Juni auf 132 vermehrt wurden. Hievon hatten
32 in Pola und in Cattaro ihre Stützpunkte. Mehrere von ihnen führten auf Grund
eines Übereinkommens die öst.-ung. Kriegsflagge. Am 1. Februar waren in der Nord-
see allerdings nur 64, in der Adria bloß 4 deutsche Tauchboote kampfbereit. Vgl.
M i c h e 1 s e n, Der Ubootkrieg 1914—1918 (Leipzig 1925), 48 f.
2) Kühl, Der Weltkrieg 1914/18 (Berlin 1929), II, 59 ff.
Die Besprechungen in Pleß Ende Jänner 1917
9
In solcher Lage war es nicht zu wundern, daß der öst.-ung.
Gstbsobstlt. Schneller, als er am 23. Jäniner in Pleß die Vorschläge Con-
rads für eine gemeinsame Offensive gegen Italien erstattete, zwar auf
keine unbedingte Ablehnung stieß, aber auch keine Zustimmung erntete.
Die DOHL. erklärte, sich erst nach Abwehr der für den März im
Westen erwarteten Eintenteoffensive über ihre nächsten Absichten aus-
sprechen zu können.
Als Conrad wenige Tage später, am 25., in Begleitung des Kaisers
in Pleß erschien, empfing er die gleichen Eindrücke wie Obstlt. Schnel-
ler. Die Ausführungen der deutschen Generale blieben nicht ohne Ein-
druck auf ihn. Am 27. nach Baden zurückgekehrt, ließ er vier Tage
später das Heeresgruppenkommando Tirol dennoch wissen, daß „unter
gewissen Voraussetzungen, die von der Entwicklung der Gesamtlage
abhängen", der Entschluß gefaßt werden könnte, „Italien erneuert an-
zugreifen. In diesem Falle würde wieder ein Stoß mit sehr starken
Kräften aus Südtirol, frühestens in der ersten Maihälfte geführt wer-
den". Hiefür sollten die erforderlichen materiellen Vorbereitungen ein-
geleitet werden. Die der Heeresleitung unmittelbar unterstehenden zwei
Armeen am Isonzo und in Kärnten wurden lediglich angewiesen, alles für
die Behauptung ihrer Stellungen vorzusorgen. Damit aber hatte Conrad
die Hoffnung keineswegs aufgegeben, daß es ihm doch noch gelingen
werde, den von ihm geplanten Schlag gegen Italien zu führen. Der Ge-
danke, die Entscheidung bis auf weiteres den U-Booten auf hoher See
allein zu überlassen, lag dem entschlußfrohen, tatkräftigen Feldherrn
allzu ferne.
Wie aus den vorstehenden Ausführungen entnommen werden kann,
hielt die DOHL., wohl nicht in voller Übereinstimmung mit FM. Con-
rad, die Kräfte der beiden verbündeten Kaiserreiche für nicht aus-
reichend, um schon im Frühjahr an der West- oder an der Südwestfront
zum Angriff zu schreiten. Ganz gewiß gebot aber das Kräfteverhältnis
im Osten1), wo die Verbündeten fast immer doppelter Überlegenheit
x) Stärkeverhältnis am 1. Februar 1917 an der Ostfront:
411/2 öst.-ung., 78 deutsche, 5 türkische, 4 bulgarische Infanteriedivisionen,
11 öst.-ung., 1 bulgarische, 11 deutsche Kavalleriedivisionen, Summe 1281/2 Infanterie-
und 23 Kavalleriedivisionen mit rund 1,050.000 Gewehren (Karabinern).
216 russische und 15 rumänische Infanteriedivisionen (davon 47 russische und
9 rumänische in Neuaufstellung), 40 russische und 2 (in Reorganisierung befind-
liche) rumänische Kavalleriedivisionen, Summe 231 Infanterie- und 42 Kavallerie-
divisionen mit rund 2 Millionen Feuergewehren.
Im Kaukasus standen von den Russen 15 Infanterie- und 11 Kavalleriedivisionen.
10
Die Kriegspläne für das Kriegs jähr 1917
gegenüberstanden, das weitere Verharren in der Dauerstellung. Gleiches
hatte auf dem Balkan zu geschehen, da GFM. Hindenburg einem Vor-
schlag der Bulgaren, mit deutschen Verstärkungen zur Wegnahme von
Saloniki vorzustoßen, nicht nähertrat. Schließlich hatte auch die Türkei
lediglich ihren Landbesitz zu verteidigen1).
Eine „große strategische Bereitstellung" nannte Hindenburg diesen
völligen Verzicht auf jede angriffsweise Kriegführung zu Land. Das
Schicksal der Mittelmächte mußte zunächst der jedweder Einschränkung
üb erhobenen Tätigkeit der Unterseeboote überantwortet bleiben. Der
Schwerpunkt des Krieges war hiemit auf das Meer verlegt2).
Ende Jänner kam den Mittelmächten die beunruhigende Nachricht zu,
Franzosen und Italiener hätten die Absicht, die Schweiz zu überrumpeln
und über sie hinweg nach Deutschland oder nach Westtirol vorzustoßen.
FM. Conrad ließ sogleich alle Möglichkeiten prüfen, um gegebenen-
falls der Eidgenossenschaft beizustehen. Als bestes Mittel erschien ihm
die rasche Durchführung der von ihm angeregten Offensive gegen
Italien. Er war jedoch auch bereit, die Schweiz unmittelbar, zunächst
mit schwerer Artillerie, zu unterstützen. Auf die von Conrad dem
Schweizer Oberbefehlshaber Oberst-Korpskommandanten Sprecher v.
Bernegg mitgeteilten Gesichtspunkte gab dieser dem k. u. k. Militär-
attaché in Bern gegenüber der Anschauung Ausdruck, daß im Falle eines
Angriffes der Entente auf die Schweiz ihm die Franzosen als die ge-
fährlicheren Feinde erschienen. Diesen entgegenzutreten, müßte er soviel
Truppen wie nur möglich, etwa 21 Brigaden, einsetzen. Gegen Italien
würde nur so viel stehen bleiben, wie zur Rückendeckung der genannten
Hauptkräfte nötig wäre, etwa drei Brigaden3). Die Verteidigung der
Südfront würde in diesem Falle unter Preisgabe des Kantons Tessin
über die Pässe St. Gotthard, Splügen und Bernina zum Wormserjoch
gelegt werden. Die Behauptung des letztgenannten, nahe der Tiroler
Grenze gelegenen Überganges bliebe den Streitkräften Österreich-Un-
garns überlassen.
1) Hindenburg, Aus meinem Leben (Leipzig 1920), 225 ff.
2) Volkmann, Der große Krieg 1914—1918 (Berlin 1922), 124. — Stege-
mann, Geschichte des Krieges (IV, Stuttgart 1921), 307 ff.
3) Das mobilisierte Schweizer Heer zählte 6 Infanteriedivisionen zu je 3 Bri-
gaden, 4 Kavalleriebrigaden, 6 Landwehrbrigaden, Festungsbesatzungen und Armee-
truppen, insgesamt 257 Bataillone, 14 Radfahrkompagnien, 80 Eskadronen, 105 Bat-
terien und 15 Geniebataillone [Bordeaux, La Suisse dans la guerre mondiale
(1914—1919), (Paris 1931), 31].
Plan für einen gleichzeitigen Generalansturm
11
Pläne und Konferenzen bei der Entente
Der Kriegsrat im November 1916 zu Chantilly
Schon anfangs November 1916 hatten die militärischen Führer der
Entente erkennen müssen, daß das Ergebnis des Jahres keineswegs ihren
ursprünglich hochgespannten Erwartungen entsprach. Diese Enttäu-
schung, dann die Sorge vor einer Verschärfung des deutschen U-Boot-
krieges sowie die noch immer unentschiedene Haltung Nordamerikas
und Griechenlands, vor allem aber die wachsenden inneren Schwierig-
keiten Rußlands waren der Gründe genug, um das Erzwingen der Ent-
scheidung im Jahre 1917 ratsam erscheinen zu lassen.
Zur Vereinbarung des hiezu nötigen Kriegsplanes versammelten
sich der französische Generalissimus Joffre, der englische Reichsgeneral-
stabschef Sir William Robertson, der Oberbefehlshaber der britischen
Truppen FM. Sir Douglas Haig, GLt. nob. Porro als Vertreter Italiens,
der Russe Gen. Palitzyn, dann je ein Vertreter Belgiens, Rumäniens und
Serbiens am 15. und 16. November im französischen Hauptquartier zu
Chantilly. Man beschloß, die alliierten Heere auf allen europäischen
Kriegsschauplätzen zur gleichen Zeit und auf möglichst breiter Front
angreifen zu lassen. Um den Gegnern auf alle Fälle zuvorzukommen,
sollte der Generalansturm möglichst gleichzeitig schon in der ersten
Februarhälfte 1917 beginnen. Bei dieser anzustrebenden Gleichzeitigkeit
war ein Spielraum von drei Wochen zugestanden.
Im besonderen wurde noch festgesetzt, daß Bulgarien durch einen
Zangenangriff des auf 23 Divisionen zu verstärkenden Orientheeres und
der von Norden her vorstoßenden Russen und Rumänen niederzuwerfen
sei. In jenen Tagen — den Deutschen war eben der Durchbruch durch
das Vulkangebirge gelungen (Bd. V, S. 523 ff.) — mochte allerdings
noch niemand geahnt haben, welch traurigem Schicksal das rumänische
Heer entgegenging. Im übrigen wollte man minder wichtige Abschnitte
zugunsten der Hauptkampfplätze nur mit den unumgänglich nötigen
Kräften bedenken. Auch sicherten sich die Konferenzteilnehmer neuer-
lich gegenseitige Hilfe für den Fall zu, daß eine-der Mächte vom Feinde
angegriffen werden würde. Hiezu hatten die Generalstäbe Frankreichs,
Englands und Italiens die Möglichkeit rascher Truppenverschiebungen
schon jetzt zu studieren1).
1) O eh m ich en, Essai sur la doctrine de guerre des coalitions (Paris 1927),
133 ff.
12
Die Kriegspläne für das Kriegsjahr 1917
Der zu Chantilly beschlossene, sehr einfach erscheinende Kriegsplan
machte aber doch noch eine Reihe von S ander Verhandlungen nötig,
durch die die ursprünglichen Absichten nicht unerheblich abgeändert
wurden — fürs erste in Frankreich selbst. Hier wurde der Höchstkom-
mandierende, Gen. Joffre, Mitte Dezember durch den Gen. Nivelle
ersetzt, der sich bei Verdun eben frischen Siegeslorbeer erworben hatte.
Im Gegensatz zu Joffre, der eine Fortsetzung des Angriffes an der
Somme geplant hatte, wo die durch die Sommerschlacht 1916 erzeugten
Einbuchtungen in der deutschen Front zu umfassenden Angriffen auf
beiden Ufern einluden, steckte sich Nivelle höhere Ziele. Er plante
den ganzen, zwischen Arras und Reims nach Südwesten vorspringenden
Bogen der Deutschen von Westein und von Süden umfassend zu be-
stürmen und zu zerdrücken, wobei das Schwergewicht an die Aisne1
gelegt werden sollte. Dies bedingte aber eine Verschiebung des An-
griffsbeginnes auf den April1). Es darf hier schon darauf hingewiesen
werden, daß der Angriff Nivelles gerade in jenem Räume erfolgen
sollte, in dem die Deutschen ein Rückverlegen ihrer Front in Aussicht
genommen hatten.
Wandlungen der russischen Angriffspläne
Sehr angriffslustig zeigte sich, trotz der bisher erlittenen unge-
heuren Einbußen von viereinhalb Millionen Mann an Toten, Gefangenen
und dauernd untauglich gewordenen Verwundeten2), das Zarenreich.
Es wollte sich bei Einsatz einer möglichst großen Truppenzahl und mit
reichlichem Kriegsgerät an dem vereinbarten Generalangriff der alliier-
ten Staaten beteiligen. Die bis Ende 1916 bereits erfolgte Vermehrung
der Infanteriedivisionen (von Nr. 128 bis Nr. 138) konnte, dem Vor-
haben nur förderlich sein. Überdies beschloß Gen. Gurko, der Stellver-
treter des erkrankten Gemeralstabschefs Gen. Alexe je w, vom Jänner 1917
an alle Divisionen, mit Ausnahme der Garde, von 16 auf 12 Bataillone
umzustellen, wodurch die Aufstellung von 62 neuen Divisionen — aller-
dings zunächst ohne Artillerie — möglich wurde. Da es aber an Offizie-
ren und Unteroffizieren fehlte, war diese Maßnahme für das Gefüge der
Truppen von großem Nachteil ; es sollte noch verderbliche Folgen haben3).
!) P a 1 a t,' L'année d'angoisse 1917 (Paris 1927), 15 ff.
2) Gurko, Rußland 1914—1917. Erinnerungen an Krieg und Revolution
(Berlin 1921), 117.
s) Knox, With the Russian Army 1914—1917 (New York 1921), II, 532 f.
Die Beschlüsse von Mohilew
13
Zur weiteren Entschlußfassung traten Ende Dezember im Haupt-
quartier zu Mohilew der Zar und Gen. Gurko mit den Befehlshabern
der drei russischen Fronten zusammen; hiebe i ergaben sich wesentliche
Meinungsverschiedenheiten. Die Befehlshaber der Nord- und der West-
front, die Generale Rußki und Ewert, trugen, im Gegensatz zu ihrem
Verhalten im Jahre 1916, viel Tatenfreudigkeit zur Schau. Sie forderten,
daß die entscheidenden Kriegshandlungen nördlich vom Polesie zu
führen seien. Rußki wünschte von Riga aus nach Süden vorzustoßen.
Ewert glaubte mit einem von Smorgon auf Wilna geführten Haupt-
angriff der Sache am besten nützen zu können. An der Südwestfront
wollte Brussilow auf dem kürzesten Wege gegen Lemberg angreifen1).
Verfolgte somit jeder Frontkommandant seine Sonderziele, so waren
sie sich doch darin einig, daß die Offensive nicht vor Ende April oder
Anfang Mai beginnen könne. Für den gleichen Zeitpunkt nahm man
auch die Verstärkung der rumänischen Front durch etwa 20 Divisionen
in Aussicht, da man hoffte, die hiezu nötigen Bahnausgestaltungen bis
dahin beendet zu haben.
Anders die Stawka; Zar und Stabschef waren zunächst gewillt, im
Sinne der Beschlüsse von Chantilly noch im Winter an der rumänischen
Front den Angriff gegen Bulgarien losbrechen zu lassen, der eben
weitere Kräfte zurollten. Da die Frontkommandanten dagegen Einspra-
che erhoben, einigte man sich schließlich zu einem Mittelding. Kam der
Angriff der Westmächte tatsächlich im Februar zustande, so wollte man
bei jeder Heeresfront den Gegner durch Unternehmungen fesseln, die
Hauptangriffe, insbesondere gegen Bulgarien, aber auf das Frühjahr
verschieben. Bis dahin hoffte man auch in der Beschaffung des Kriegs-
gerätes um einen großen Schritt vorwärtsgekommen zu sein und die im
Gange befindliche Heeresvermehrung durchgeführt zu haben2).
Die Beschlüsse von Mohilew blieben nicht unwidersprochen. Sowohl
der sich wieder seiner ursprünglichen Ansicht besinnende Gen. Ewert
wie der in der Krim zur Erholung weilende Gen. Alexe je w trugen Be-
denken gegen eine Verwendung der Masse des Zarenheeres in Rumä-
nien, weil sich Deutschland dann auf die von Reserven entblößte rus-
sische Front werfen konnte. Nach der Meinung Alexejews war der
Hauptangriff auf Lemberg und auf Máramaros-Sziget zu führen, indes
sich die Nordfront, die anfangs Jänner bei Riga eben einen vereinzelten
1) Mémoires du Général Brous s ilo v. Guerre 1914—1918 (In französischer
Sprache, Paris 1920), 240.
2) Gurko, 172.
14
Die Kriegspläne für das Kriegsjahr 1917
und ergebnislos gebliebenen Teilangriff unternommen hatte (Bd. V,
S. 591), mit einem Nebenangriff zu begnügen gehabt hätte1).
Die besonderen Verhältnisse Rußlands ließen eine neue Konferenz
der Alliierten nötig erscheinen. Ende Jänner 1917 versammelten sich
die militärischen Vertreter Frankreichs, Englands und Italiens sowie
der Kronprinz Carol von Rumänien samt dem Ministerpräsidenten Bra-
tianu in Petersburg. Trotz der begreiflichen Forderung Rumäniens nach
baldiger Offensive gegen Bulgarien kam man — wenn man auch die
Notwendigkeit eines gleichzeitigen Angriffes auf allen Fronten neuer-
lich betonte — zu keinem endgültigen Beschluß. Die Rumänen gewannen
sogar den Eindruck, daß für die Stawka der Sereth nur eine Vorposi-
tion bedeutete, der Hauptwiderstand aber am Pruth, vielleicht sogar am
Dniester gedacht war2). Auch der die Offensive gegen Bulgarien be-
treibende französische Gen. de Castelnau berichtete, daß von den Russen
am Sereth kaum mehr als ein Scheinunternehmen zu erwarten sei.
Schließlich verfaßte Gurko einen vom Zaren am 9. Feber genehmig-
ten Kompromißvorschlag, in dem auch Alexejews Ratschläge berück-
sichtigt wurden. An der rumänischen Front, der auch noch im Jänner
Verstärkungen zuflössen, hatten zunächst die Nachschubschwierigkeiten
überwunden und das niedergebrochene rumänische Heer reorganisiert
und ausgebildet zu werden. Als Auftakt zur allgemeinen Frühjahrs-
offensive sollte dann an der rumänischen Front angegriffen und die
Dobrudscha erobert werden. Ferner sah der Plan Gurkos eine Verstär-
kung der Südwest- und der Nordfront der Russen vor. Brussilow hatte
den Hauptangriff auf Lemberg und Nebenangriffe in der Richtung
auf Sokal und Máramaros-Sziget zu führen. Das Nordheer Rußkis sollte
sich dagegen auf einen Hilfsangriff beschränken, während bei der
Heeresgruppe Ewert lediglich kleinere Unternehmungen zur Fesselung
des Gegners vorgesehen waren3).
So schien anfangs Februar Rußland alles in die Wege geleitet zu
haben, um mit voller Kraft an die neuen Kriegsaufgaben herangehen zu
können. Die voraussichtlichen Verluste während der kommenden Früh-
jahrs- und Sommerkämpfe berechnete man mit 500.000 Mann in jedem
Monat, für die ruhigeren Wintermonate mit je 150.000 Streitern. Zur
1) Zajontschkowskij, Der Feldzug des Jahres 1917 (in russischer
Sprache, Moskau 1923), 29 ff.
2) Kiritzesco, La Roumanie dans la Guerre Mondiale 1916—1919 (Paris
1934), 288 f.
3) Zajontschkowskij, Feldzug 1917, 31.
Innere Schwierigkeiten Italiens
15
Deckung dieses ungeheuren Abganges verfügte man über zwei Millionen
Mann, die zur Zeit in den Ersatztruppenteilen ausgebildet wurden. Im
Frühjahr wollte man auch die Neunzehnjährigen ausheben. Mit diesen
Ersätzen und mit dem monatlichen Zugang an wiedergenesenen Kran-
ken und Verwundeten hoffte die russische Heeresleitung, den Abgang
decken zu können.
Allerdings liefen um diese Zeit in den Kreisen der Duma und der
russischen Gesellschaft Gerüchte um, daß sich etwa zwei Millionen
fahnenflüchtiger Soldaten daheim in den Dörfern versteckt hielten1).
Auch flackerten hier und dort Aufstände und Streiks auf, und Mit-
glieder der Petersburger Konferenz hatten den Eindruck gewonnen,
daß Rußland zu einer entscheidenden Kraftäußerung überhaupt nicht
mehr fähig sein werde. Aber die leitenden politischen und militärischen
Stellen schienen noch nicht zu ahnen, daß im Zarenreiche der Umsturz
knapp vor der Türe stehe.
Die militärische Lage Italiens
In Italien sah man Ende 1916 dem neuen Jahre mit Sorge ent-
gegen. Die großen Opfer, die der Krieg bis jetzt gefordert hatte, stan-
den nicht im Einklang mit den bescheidenen Erfolgen. Bloß in Görz
hatten die italienischein Truppen die Trikolore aufzupflanzen vermocht.
Die Städte Triest und Trient, die Operationsziele des italienischen Hee-
res, lagen noch immer hinter der öst.-ung. Front, und die Bindungen,
die man 1915 in London eingegangen war, wurden von einem Teil des
Volkes, namentlich von einer Gruppe der Sozialisten, mitunter schon
als drückende Fessel empfunden.
So war die Stimmung im apenninischen Königreich gedrückt. Gegen
Ende 1916 kam es in verschiedenen Städten Italiens zu Kundgebungen
gegen den Krieg. Vor allem waren es die Sozialisten, die sich bedenken-
los für den Friedensschluß einsetzten, insbesondere nach Bekanntwerden
des Friedensangebotes der Mittelmächte. In der Kammer kam es zu
offenen Angriffen gegen die Kriegsparteien. „Dieser andauernde Feld-
zug gegen den Krieg, dem dile Regierung nicht zu steuern vermochte,
war Gift für die moralischen Energien und übte seine schädliche Wir-
kung auf das Heer2)." Im Gegensatz hiezu wurde die italienische Kriegs-
leitung nimmer müde, die üblen Geister zu bannen, die Stimmung im
1) Gurko, 117.
2) G e 1 o s o, Le battaglie di Gorizia e della Bainsizza (Rom 1929), 120.
16
Diie Kriegspläne für das Kriegs jähr 1917
Heere aufzurichten und mit dem Ziele, im kommenden Jahre den Krieg
siegreich zu beenden, alle Kräfte und Mittel ein letztesmal aufzubieten.
Gemäß den Beschlüssen von Chantilly sollte sich auch das italieni-
sche Heer für den im Monat Februar zu unternehmenden Generalangriff
bereitstellen. Doch in Italien schwankte der Wille, den Krieg ver-
einbarungsgemäß zu führen, nicht unerheblich. Da wurde anfangs Jän-
ner 1917 eine neue Konferenz der Staatsmänner und Generalstabschefs
der Ententemächte nach Rom einberufen. Offenbar sollte die Eintracht
der Alliierten den Italienern recht sinnfällig vor Augen geführt und die
öffentliche Meinung im Lande aufgerichtet werden. Auch galt es, die
Kriegsziele zu überprüfen.
Unter den Konferenzteilnehmern befand sich auch Lloyd-George,
ein Mann beweglichen Geistes, der seit Dezember 1916 die Geschicke
Großbritanniens als Premierminister lenkte. Er griff gerne auch in mili-
tärische Fragen ein; so bezeichnete er — wie seinen Denkwürdigkeiten zu
entnehmen ist — die Konferenz zu Chantilly als „eine reine Komödie"
und die bisherige Kriegführung als „talentlos"1). In Rom überraschte
er die Ratsversammlung mit der neuen Idee einer gemeinsamen Offen-
sive der Franzosen, Engländer und Italiener durch die Julischen Alpen
auf Laibach und Wien, durch die das alte Kaiserreich niedergeworfen
werden sollte 2).
GLt. conte Cadorna nahm diese Anregung mit Freuden auf. Er ar-
beitete einen Operationsentwurf aus, in dem er der Meinung Ausdruck
verlieh, daß schon durch die Eroberung von Triest oder besser noch der
Julischen Alpen (worunter er offenbar den Raum zwischen Triglav und
Krainer Schneeberg verstand), die Savelinie bedroht und das Donau-
reich in eine ernste Krise versetzt werden würde. Für die Offensive ver-
langte er eine Unterstützung durch wenigstens 300 englisch-französische
schwere Geschütze sowie durch mindestens acht Infanteriedivisionen.
Die Generalstäbe der Westmächte, die ihre Kriegspläne nach den
Richtlinien Nivelles schon geschmiedet hatten, ließen sich aber in der
festen Überzeugung, daß die Kriegsentscheidung auf Frankreichs Boden
erkämpft werden müsse, nicht dazu bewegen, so namhafte Kräfte für
einen Kriegsschauplatz abzugeben, den sie als nachgeordnet betrachteten.
Sie wären bestenfalls zur Beistellung der 300 Geschütze bereit gewesen,
jedoch nur bis Anfang April,, weil man dann den mittlerweile auf diesen
Zeitpunkt verschobenen Hauptangriff gegen Deutschland durchzuführen
!) Lloyd-George, War Memoirs (London 1933), II, 658.
2) Robertson, Soldaten und Staatsmänner 1914—1918 (Berlin 1927), 400 f.
Verstärkung des Grenzschutzes in der Schweiz
17
gedachte. Dies paßte jedoch Cadorna nicht, weil er an der italienischen
Front Kriegshandlungen großen Stils vor dem April für nicht durch-
führbar hielt, und ihm die Zeitspanne für den Einsäte der erbetenen
schweren Artillerie als zu kurz erschien.
Die italienische Heeresleitung stellte nunmehr ihre Offensivpläne
zurück. Verdrossenheit wegen des raschen Zerflatterns der von Lloyd-
George erweckten Hoffnungen war nicht allein die Ursache. Das Über-
wiegen des Verteidigungsgedankens scheint vielmehr durch Nachrichten
hervorgerufen worden zu sein, die über eine geplante gemeinsame Offen-
sive Österreich-Ungarns und Deutschlands gegen Italien beim Höchst-
kommando zu Udine eingelaufen waren. Ob diese Meldungen mit den
von Conrad am 23. Jänner an Hmdenburg gestellten Anträgen (S. 9)
irgend einen Zusammenhang hatten, kann nicht festgestellt werden.
Jedenfalls ist aber die anfangs Februar in GLt. Cadorna erwachende
Besorgnis bemerkenswert, „daß der Gegner im Frühjahr die Strafexpe-
dition" — so nannte man die Südtiroler Offensive des Jahres 1916 —
„erneuern würde, und diesmal nicht allein mit öst.-ung., sondern auch
mit deutschen Kräften, und zwar gleichzeitig von Tirol heraus und über
den Isonzo"1).
Zu dieser Zeit kam der neue französische Oberbefehlshaber, Gen.
Nivelle, nach Udine. Cadorna legte ihm dar, daß das italienische Heer
einem übermächtigen Angriff- der beiden Mittelmächte nicht gewachsen
wäre. Auf Grund dieser Rücksprache wurden im Sinne der Konferenz
von Chantilly die ersten Vorbereitungen für eine etwaige Verschiebung
englisch-französischer Truppen nach Oberitalien getroffen, der später
noch eine bedeutsame Rolle zufallen sollte.
Im Dezember 1916 hatte die Ententefeldherren überdies die Frage
beschäftigt, wie einem deutschen Durchmarsche durch die Schweiz —
sei es gegen Frankreich oder gegen Italien — zu begegnen wäre. Es
ist jedenfalls auffallend, daß ungefähr um die gleiche Zeit in beiden
feindlichen Lagern Gerüchte über bevorstehende Verletzungen der
Schweizer Neutralität durch die kriegführenden Parteien aufflackerten.
Cadorna beschloß hierauf, die an der Schweizergrenze stehenden Siche-
rungen zu verstärken, wozu im Februar eine Brigade und einige Rad-
fahrerbataillone nach Como verschoben wurden2). Die französische Hee-
resleitung plante, bei aufsteigender Gefahr an der Schweizer Westgrenze
Kräfte zu versammeln und trat auch mit Bern in Verbindung. Diese
1) Cadorna, La guerra alla fronte italiana. Neudruqk. (Mailand 1934), 343.
2) Ministero della guerra, Brigate di fanteria (Rom 1926), Vili, 87.
VI 2
18
Die Kriegspläne für das Kriegs jähr 1917
Fühlungnahme von beiden Seiten (S. 10) beunruhigte nun auch die Eid-
genossenschaft; sie verstärkte ihren Grenzschute, der nach der allge^
meinen Mobilisierung im August 1914 (250.000 Mann) allmählich auf
30.000 Streiter herabgesetzt worden war1), durch die am 16. Jänner 1917
verfügten Einberufungen auf 86.000 Mann. Die Schweiz war eben festen
Willens, sich mit der Waffe in der Hand gegen den zu wenden, der
zuerst ihre Neutralität verletzen würde, mochte dieser Angriff von wel-
cher Seite immer erfolgen. Die Gefahr ging aber vorüber. Die Erhal-
tung der Neutralität der Schweiz lag nicht weniger im Interesse der
Entente als in jenem des Vierbundes.
Über alle diese Besprechungen und Maßnahmen berichtete Cadorna
dem Ministerpräsidenten. Über die gegenseitige Hilfeleistung sei man.
grundsätzlich wohl einer Meinung; für den Augenblick seien jedoch
keine Beschlüsse für eine tatsächliche Zusendung von Truppen und
Artillerie gefaßt worden. Gen. Nivelle sei der Meinung, daß, wenn
Italien in Bedrängnis gerate, eine vom französischen und vom eng-
lischen Heer an der deutschen Westfront sofort aufzunehmende Offensive
die Entlastung bringen würde. Es sei gegenwärtig auch noch sehr fraglich,
ob England die von Lloyd-George in Aussicht gestellte Artillerie bei-
stellen werde. So werde Italien aller Voraussicht nach den Krieg an
seiner Front allein fortführen müssen.
Trotzdem gab Cadorna den Gedanken an eine Beteiligung Italiens
an der zu Chantilly vereinbarten Generaloffensive nicht auf. Er schrieb
nach Rom: „Bei der hohen Bedeutung der Kriegshandlungen, die im
laufenden Jahre aller Wahrscheinlichkeit nach entscheidend sein wer-
den, müssen wir all unsere Tatkraft aufwenden und alle Hilfsquellen
ausschöpfen,... um den Sieg an unsere Fahnen zu heften2)." In der
Tat wurden die Zurüstungen eifrigst fortgesetzt. Einen fest umrissenen
Angriffsplan gab es im Februar 1917 beim italienischen Oberkommando
aber noch nicht.
Balkanpläne der Entente
Nicht besser stand es auf dem Balkan. Hier waren zunächst die
Franzosen darauf bedacht, den immer mehr unter der Bedrohung durch
feindliche Unterseeboote leidenden Nachschub zu bessern. Sie forderten
1) Bordeaux, 90 f. — Kühl, Weltkrieg, II, 74.
2) Cadorna, La guerra, 349.
Konferenzen zu London und Rom
19
die Italiener auf, in Tarent eine Zwischenbasis zu errichten, von der
aus die Mannschafts- und Materialtransporte an die griechische Küste
nach Santi Quaranta und dann auf einer von französischen Baukräften
zu erbauenden Etappenstraße über Korea nach Florina geführt werden
solltenx).
Um die Frage der Verstärkung des Orientheeres zu bereinigen>
tagte am 26. Dezember 1916 eine Konferenz zu London. Hier prallten
die Gegensätze zwischen England und Frankreich hart aufeinander. Die
Franzosen, die bis Anfang Jänner 1917 zwei Divisionen als Verstärkung
nach Saloniki gelangen ließen, forderten von England die gleiche
Opferbereitschaft. Lloyd-George sah jedoch die Interessen Englands
durch eine Offensive im Irak und an der Palästinafront besser gewahrt
als durch einen neuen Balkanfeldzug. Er beantragte deshalb die Räu-
mung von Monastir und das Zurückführen der Truppen in eine näher
an Saloniki gelegene, günstige Verteidigungsstellung.
Da man in London über diese Streitfrage nicht ins reine kam,
blieb die endgültige Schlichtung der anfangs Jänner in Rom tagenden
Konferenz vorbehalten. England fand hier seine Ansichten durch Italien,
Frankreich die seinigen durch Rußland, Serbien und Rumänien unter-
stützt. Lloyd-George wiederholte seinen Antrag, Monastir aufzugeben
und auf eine große Balkanoffensive zu verzichten. Dagegen sprachen die
zu erwartenden Rückwirkungen auf die Serben und die Griechen sowie
die dann eintretende Gefährdung der neuen in der Nähe der Front ver-
laufenden Etappenlinie.
Das Ergebnis der beiden Konferenzen war schließlich für den Bal-
kan recht dürftig. Die Front in Mazedonien war zu behaupten; die Fran-
zosen versprachen noch weitere zwei Divisionen dorthin abzusenden,
da England und Italien jedwede Truppenabgabe ablehnten. Der bei den
Engländern nur wenig beliebte Gen. Sarrail behielt zwar vorläufig noch
sein Kommando bei, gewann jedoch dem englischen Gen. Milne gegen-
über nur wenig an Einfluß. Bis anfangs Februar wußte Sarrail nur so
viel, daß eine gemeinsame Offensive der Entente an allen Fronten ge-
plant sei; einen strikten Angriffsbefehl hatte er aber noch nicht in
Händen. Seinem englischen Untergebenen, dem Gen. Milne, war aber
von London schon der gemessene Auftrag zugekommen, sich lediglich
auf die reine Verteidigung zu beschränken2).
i-) Lar eher, La grande guerre dans les Balkans (Paris 1929), 179; 188.
2) D e y g a s, L'armée d'orient dans la guerre mondiale (Paris 1932), 141. —
Lar cher, 193.
2*
20
Die Kriegspläne für das Kriegsjahr 1917
Faßt man das Ergebnis der um die Jahreswende 1916/17 auf beiden
Seiten außerordentlich regen Verhandlungs- und Beratungstätigkeit zu-
sammen, so ergibt sich, daß sich Deutschland für die reine Abwehr auf
dem Lande und für die Offensive mit U-Booten zur See entschlossen
hatte1). Da seine drei Bundesgenossen im hohen Maße von Deutschland
abhängig waren, war dessen Entschluß auch für sie bestimmend. Die
Ententemächte wollten, da sich der allgemeine Angriff im Februar als
undurchführbar erwiesen hatte, im April an allen Fronten anstürmen.
Ein fester Wille hiezu bestand anfangs Februar aber nur bei den West-
mächten. Es wird in einem späteren Kapitel noch zu erörtern sein,
welche Beweggründe und Ereignisse ein noch weiteres Auseinander-
flattern des geplanten Generalangriffes der Entente bewirkten.
!) Kühl, Weltkrieg, II, 54.
DIE ENTWICKLUNG
DER ÖST.-UNG. WEHRMACHT
IM JAHRE 1916
Die Erfahrungen aus der Heer- und der Kampfführung
Der Krieg im Gebirge
Als das an Ereignissen überreiche Kriegsjahr 1916 zu Ende ge-
gangen war, ohne eine Entscheidung gebracht zu haben, mochten zahl-
reiche hohe Führerstellen des k. u. k. Heeres die abgelaufenen Feldzugs-
phasen einer Überprüfung unterzogen haben, um festzustellen, welche
Leitgedanken der Kriegführung und welche Arten der hiebei angewen-
deten Kampf methoden sich bewährt hatten; wo das Gegenteil eingetreten
war, mußte nach Neuem Ausschau gehalten werden.
Von den beiden Hauptkriegsschauplätzen, auf denen öst.-ung. Ar-
meen fochten, hatte der eine, der südwestliche, eine durchwegs im
Gebirge oder über schwierigen Karstboden verlaufende Front. Auch an
der Ostfront lagen die Kampfstellungen zwischen dem Panthyrpaß und
den Karpathenausläufern nordwestlich von Focsani im hohen Wald-
gebirge. Es ist daher verständlich, daß man sich sehr eingehend mit
der Kriegführung im Gebirge befaßte. Dies schon deshalb, weil nach
dem Vorhaben Conrads die Entscheidung im Jahre 1917 zunächst im
Südwesten gesucht werden sollte. Hier war und blieb das Hauptpro-
blem immer, wie man am raschesten und am sichersten aus dem Gebirge
in die venezianische Ebene gelangen könnte; hiebei sollte noch ange-
strebt werden, daß dieser Stoß in operativ wirksamer Richtung erfolge.
Die ursprüngliche Idee Conrads für die Frühjahrsoffensive 1916
gegen Italien war ein doppelseitiger Angriff aus Südtirol heraus und
über den Isonzo hinweg gewesen. An der Richtigkeit dieses Planes gab
es keine Zweifel. Deshalb entwarf die I-Gruppe des k. u. k. AOK. auch
den Angriffsplan für 1917, wie im vorhergehenden Abschnitt erörtert
wurde, wieder nach diesem Grundgedanken. Aus Mangel an Kräften
hatte man sich 1916 aber bloß mit dem Angriff aus einer Richtung be-
scheiden müssen. Er wurde von den Hochflächen von Lavarone und
Folgaria in südöstlicher Richtung angesetzt, weil man sich hievon mit
Recht eine entscheidende Wirkung versprach. Dieser Stoß gelangte
jedoch in der Zeit, ehe der mächtige Verbündete Italiens, das Zaren-
reich, die Einstellung des Angriffes erzwang, nicht bis in die Ebene.
Die verschiedenen Ursachen dafür, daß der Stoß in drei Wochen die
nicht viel mehr als 20 km breite Gebirgszone nicht zu durchdringen
24
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
vermochte, sind im IV. Bande eingebend erörtert worden und sollen in
ihren Kernpunkten nochmals angeführt werden.
Als anfangs Februar 1916 der von FM. Conrad seit langem gehegte,
außerordentlich kühne Plan zur Offensive aus Südtirol zum Entschlüsse
reifte, wurde die Masse der zum Angriff erwählten Heereskörper vom
russischen Kriegsschauplatze und von der Isonzofront geholt, ferner
wurden auch zwei angriffsgeübte Gebirgsdivisionen vom Balkan heran-
geführt. Die Kriegserfahrung, die Technik der Kampfführung und nicht
zuletzt die seelische Kraft dieser Truppen waren zur Zeit recht ver-
schieden. Die Mehrzahl war an Angriffshandlungen nicht mehr gewöhnt.
Es wirkte daher günstig, daß diese Truppen Gelegenheit fanden, durch
mehrere Wochen ihre Kenntnisse in der Gefechtsführung aufzufrischen
und im besonderen den Kampf im Gebirge zu lernen und zu üben. Die
Aufgaben, die ihnen bevorstanden, waren allerdings ganz ungewöhn-
licher Art. Eine Schlacht größten Stiles sollte nun im Hochgebirge ge-
schlagen werden. Es galt aber nicht allein einen etwa 2000 m hohen und
rund 20 km breiten Bergwall zu überwinden, sondern auch eine Zone
stärkster, schon im Frieden angelegter, mit Panzerwerken gespickter
Befestigungen zu durchbrechen. Nur mit einer sehr mächtigen Artillerie,
vor allem mit Hilfe der unübertroffenen 30.5 cm-Mörser, deren Ge-
schosse die starken Betondecken der bekannten italienischen Panzer-
werke zu durchschlagen vermochten, war ein derartigeis Unternehmen
möglich. Der Plan Conrads war denn auch erst spruchreif geworden,
als dank der außerordentlichen Leistungsfähigkeit der Kriegsindustrie
eine große Zahl dieser Mörser sowie auch mehrere 38 cm- und 42 cm-
Haubitzen, ferner eine reiche Menge an Schießbedarf aller Kaliber zur
Verfügung standen.
Bezeichnend für die Vorbereitung dieser Schlacht war, daß der
Aufmarsch der Artillerie zunächst vollkommen unabhängig von der
Infanterieführung und um mehrere Wochen früher als der Aufmarsch
der Infanterie eingeleitet und durchgeführt wurde. Dies war nur mög-
lich, weil auf den Hochflächen von Folgaria und Lavarone, die
gewissermaßen das Sprungbrett für die Offensive bildeten, in den
österreichischen Befestigungen ein verläßlicher Schutz für den Artil-
lerieaufmarsch gegeben war. Die Gruppierung der Artillerie wurde
bemerkenswert nahe der vordersten Linie meisterhaft durchgeführt. Die
Aufstellung gestattete jederzeit, Massenfeuer auf diesen oder jenen
Punkt der Angriffsfelder der beiden, den Stoßkeil bildenden Mittel-
korps XX und III zu legen.
J.
Rückschau auf die Offensive aus Südtirol 1916
25
In dem ersten und grundlegenden Plan für die Offensive hatte
der Sinn einer Durchbruchsschlacht in vollkommenster, auf Tiefenwir-
kung abzielender Form Ausdruck gefunden. Die Streitkräfte wurden
in zwei Armeen geteilt. Eine erste, größere und mit starker Artillerie
versehene Armee sollte die feindliche Front vollständig durchstoßen;
eine zweite Armee sollte nachmarschieren;, um dann hinter der bezwun-
genen feindlichen Front, hier also in der Ebene, vollkräftig zur Wir-
kung zu kommen. Dieser gewiß ungewöhnliche Gedanke fand nicht
ungeteilten Beifall. Er ist dennoch höchst bemerkenswert und kehrt
später nicht allein in neuen Plänen Conrads, sondern auch in ähnlicher
Form bei anderen Heerführern wieder, so beim Angriff der Westmächte
gegen die deutsche Front an der Aisne im Frühjahr 1917, bei dem Gen.
Nivelle hinter den Durchbruchskräften eine Verfolgungsarmee mit sehr
starker Reiterei bereit hielt.
Auf eine Überraschung des Feindes, die bei der Anlage der Süd-
tiroler Offensive natürlich angestrebt wurde, konnte, je länger der
Beginn des Angriffes wegen der hohen Schneelage im Gebirge hinaus-
geschoben wurde, immer weniger gerechnet werden. Wenn das durch
die Unbill des Wetters erzwungene Zuwarten immerhin auch dem Feinde
zugute kam, so gestattete diese Zeit doch den Angreifern, sich auf ihr
Vorhaben sorgfältigst vorzubereiten, um den voraussichtlichen stärkeren
Widerstand der Italiener durch eine desto gewaltigere Kraftentfaltung
zu brechen. Denn der Anblick der feindlichen Panzerwerke — einzelne
waren mit freiem Auge deutlich sichtbar — übte jetzt einen um so
tieferen Eindruck aus, als Berichte über die Schlacht bei Verdun (Dou-
aumont und Vaux) die Schwere des Kampfes um solche Befestigungen
ahnen ließen. Mochten auch die Artilleristen selbstbewußt versichern,
daß sie die sperrenden Bollwerke der Italiener gründlich in Trümmer
schlagen würden, so hielten die zum ersten Angriffe ausersehenen Infan-
terie- und Sappeurtruppen es doch für geboten, Übungen mit den Mit-
teln des Festungskrieges, also mit Sturmleitern, Wurfbrücken, Spreng-
röhren u. dgl. m. vorzunehmen.
So wurde ein planvolles Angriffsverfahren ausgearbeitet, um den
Verlauf der Offensive zu einer schwungvollen Kriegshandlung zu ge-
stalten. Die Befestigungszonen des Feindes sollten nunmehr nachein-
ander und abschnittsweise zermürbt und durchbrochen werden. Man
war sich darüber klar, daß die Ziele der ersten Phase innerhalb jener
Grenzen zu liegen hätten, die der äußerste Wirkungsbereich der weit-
tragenden schweren Geschütze bezeichnete. Dann sollte stehen geblieben
26
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
und der Aufmarsch der Artillerie zur zweiten Kampfphase abgewartet
werden. Die Kampfhandlung der Infanterie wurde im stärksten Maße
an jene ihrer Schwesterwaffe gefesselt. Der Gedanke wurde vorherr-
schend, die mächtige Artillerie, über die man endlich einmal verfügen
konnte, zur vollen Geltung zu bringen und der Infanterie vermeidbare
Opfer zu ersparen. Ein Menschenleben ist mehr wert, als zehn der
schwersten Bomben, so lautete die Schlagzeile in einem zu dieser Zeit
gegebenen Befehl. Ferner wurden die Unterführer darauf aufmerksam
gemacht, daß nur derjenige auf Anerkennung und Auszeichnung rech-
nen könne, der mit möglichst geringen Opfern sein Ziel erreichte.
Das Zusammenwirken der beiden Hauptwaffen war geradezu
musterhaft vorbereitet worden. Ein dichtes Netz verläßlicher Draht-
verbindungen vermittelte den Verkehr zwischen den Befehlsstellen ver-
schiedener Ordnung. Es war ermöglicht, daß auch die Führer kleiner
Infanterieangriffsgruppen in steter Verbindung nicht allein mit den
nächsten Batterien standen, sondern auch mit den höheren Artillerie-
führern und deren zahlreichen Beobachtern, die das Schlachtfeld in
allen Richtungen überblickten. Dies förderte die Gefechtsführung außer-
ordentlich. Mehr als anderswo entschied im Gebirge der Besitz ein-
zelner von der Natur gegebener oder von Menschenhand geschaffener
Stützpunkte über das Schicksal ausgedehnter Räume im Umkreis. Solche
Stützpfeiler der feindlichen Front bildeten denn auch nacheinander
Ziele des Angriffes, und es genügte ein Anruf des an Ort und Stelle
befehlenden Infanterieführers an die Artillerie, um in wenigen Minuten
ein Massenfeuer auf sie auszulösen. Durch dieses exakte Zusammenspiel
blieben die Verluste der Angreifer in der Tat sehr gering.
Soweit der Ertrag der schweren Artillerie reichte, ging es ganz
den Erwartungen gemäß vorwärts. Das planmäßige Angriffsverfahren
bewährte sich vorzüglich. Als man jedoch an die Ertragsgrenze der An-
griffsartillerie kam, drängte sich gebieterisch eine schwerwiegende Frage
auf. Der Feind hatte beim Zusammenbrechen seiner ersten Verteidigungs-
zone ungeheure Verluste erlitten, fast alle Geschütze verloren und war
zumeist nicht imstande, in den hinteren Stellungen Halt zu machen.
Sollte man nun stehen bleiben, um das Vorkommen der schweren Artil-
lerie abzuwarten? Oder sollte man sogleich nachstürmen, um die nächste
Bergstellung des Feindes im raschen Zugriff, also ohne Unterstützung
durch die fahrende Artillerie, in Besitz zu nehmen? Das Für und Wider
beschäftigte in diesen Tagen und Stunden lebhaft die höheren Führer.
Indessen konnte der Antrieb zu raschem Handeln nur von unten aus-
Ursachen der Ergebnislosigkeit der Angriffe im Jahre 1916
27
gehen, von den feindnahen Truppenführern. Einige griffen schneidig
zu und hatten unerwartet großen Erfolg. Andere zögerten und ver-
säumten die gleich günstige Gelegenheit. Sie versuchten nicht, sich über
jene Anordnungen hinwegzusetzen, die zu Beginn der Schlacht gegeben
worden waren. Auch die früher erwähnten allgemeinen Mahnungen zur
Schonung der Infanterie wirkten hemmend. Die Kriegshandlung mußte
den erwünschten Schwung verlieren. Als man später kühnes Zupacken
im kleinen mit der bisherigen Planmäßigkeit im großen zu verbinden
suchte, wozu kleinere Abteilungen weit über das jeweilige Tagesziel
hinausstoßen und wichtige Punkte in Besitz nehmen sollten, fruchtete
dieses von ungefähr befohlene Aushilfsmittel nur wenig.
So geschah e;s, daß gerade in der Mitte der Angriffsfront, dort, wo
der Durchbruchskeil am schärfsten sein sollte, ein Stillstand eintrat,
während seitwärts, besonders links des Keiles, durch kühnes Zugreifen
der Durchbruch in nicht vorausgesehenem Maße erweitert wurde.
Wegen der großen Ausbauchung trat hier Not an Kräften ein, und damit
kam dann auch die Kampfhandlung zum Stillstand. Alle Versuche der
höheren Führung, die Schranken, die gegen unbedachtes Vorstürmen
vormals aufgerichtet worden waren, nun zu entfernen, schlugen fehl.
Der eingetretene Zeitverlust war nicht mehr einzubringen.
Bei den Kämpfen um die letzte italienische Stellung vor der Ebene
tauchte auch zum ersten Male die allerdings noch nicht scharf aus-
gesprochene Idee eines Durchbruches im Tale auf, und zwar dort, wo
sich südöstlich von Arsiero das Asticotai schon zur Ebene zu erweitern
beginnt (Bd. IV, S. 331). Diese hier vielleicht etwas spät angesetzten
Angriffe sowie jene, die die übrigen Pfeiler der vom Feinde südlich
von Arsiero neu gebildeten Front erschüttern sòllten, drangen nicht
durch. An diesem, in höchst wechselvollen Kämpfen erfolgtem Aus-
klingen der großangelegten Kriegshandlung erkannte man, daß eine
neue Durchbruchsschlacht ins Werk gesetzt werden müsse. Wegen der
Ereignisse an der Ostfront kam es aber nicht mehr zu diesem Zeit und
frische Kräfte heischenden Vorhaben.
Für das Frühjahr 1917 bestand der schon erwähnte Plan (S. 5),
den Stoß von der Hochfläche der Sieben Gemeinden gegen die Ebene
zu wiederholen. Zum Durchstoßen der zwischen Astico und Brenta
gleichfalls etwa 20 km tiefen Gebirgszone wurden zwölf Divisionen im
ersten und sechs im zweiten als nötig erachtet. Diese Anordnung
der Kräfte mag eine Stütze auch in den Erfahrungen gefunden haben,
die man aus den Gebirgskämpfen am Südrande Siebenbürgens ge-
28
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
wonncn hatte. Hier war beim zweiten Versuche das schmale Vulkan-
gebirge durch einen sehr gründlich vorbereiteten Durchbruchs angriff
glatt durchstoßen worden, worauf der vorderen Angriffsstaffel ein
großer Kavalleriekörper folgte. In Südtirol sollten an Stelle des Reiter-
geschwaders sechs besonders marschtüchtige Divisionen treten, denen
die Erweiterung des von der Stoßstaffel erkämpften Durchbruchs-
erfolges zufiel.
Die Kampfmethode, die das Korps Krafft im Rotenturmpaß beim
Durchbohren des breiten Fogaraser Gebirges angewendet hatte, mag
für den vorerwähnten Plan zum raschen Erreichen der venetianischen
Ebene wenig nachahmenswert erschienen sein. Wohl hatte sich das
Korps Krafft aus eigenem bis in die walachische Ebene durchgearbeitet
und hiebei in erstaunlich hohem Maße seine Gefechtskraft bewahrt;
es hatte hiezu aber mehr als sechs Wochen benötigt. So viel Zeit durfte
man im Südwesten, wo der Italiener seine Truppen außerordentlich
rasch verschieben konnte, niemals in Rechnung stellen.
In seinem Angriffsentwurf für das Jahr 1917 machte FM. Conrad
des weiteren einen sehr bemerkenswerten Hinweis auf jenen Punkt, wo
die italienische Isonzo front am besten und wirkungskräftigsten durch-
brochen werden könnte: aus dem Räume um Tolmein. Dieser Frontteil
sollte dann im Herbst 1917 noch zu besonderer Bedeutung kommen.
Für die Führung des Krieges an der Gebirgsfront im Südwesten
blieb man somit den schon im Frieden gehegten und im Jahre 1916
teilweise verwirklichten Gedankengängen treu. Wohl hatte 1917, weil
die DOHL. eine Mitwirkung deutscher Divisionen abgelehnt hatte, der
Plan einer Offensive zunächst keine Aussicht auf Durchführung. Die
leitenden Gedanken lebten aber fort, um zu einem späteren Zeitpunkt
in die Tat umgesetzt zu werden.
Was das Kampf verfahren zur Durchführung dieser operativen An-
griffspläne anbelangt, war man zur Erkenntnis gelangt, daß nur solche
Angriffe im Gebirge Aussicht auf Gelingen hatten, die von starken,
durch Artillerie vorzüglich unterstützten Kräften auf schmaler Front
ausgeführt wurden, um in einem Zuge das feindliche Stellungsnetz
zu durchstoßen. In den Auffassungen über die Verteidigung von Ge-
birgsstellungen hatte das Kriegs jähr 1916 keine Änderungen gebracht.
Im Fels- und Gletschergebiet der Hochalpen, wo man nicht allein
mit Menschen, sondern ständig mit den Naturgewalten im Streite lag,
hatten die Verteidiger mit der wachsenden Erfahrung gelernt, unter
ausgiebiger Mithilfe der Technik die Abwehranlagen, Unterkünfte und
Leitgedanken für die Abwehr
29
Versorgungseinrichtungen zu verbessern (Vgl. Bd. III, S. 361 ff.; Bd. V,
S. 698 ff.). Da Spreng- und Bohrarbeiten zumeist die einzigen Mittel
waren, um dem Gestein di,e notwendigen Deckungen und Schutzräume
abzugewinnen, war es naheliegend, daß Freund und Feind auch im
Kampfe um beherrschende Bergspitzen gern auf gewaltige Minenspren-
gungen griffen (Bd. IV, S. 207 ff., Bd. V, S. 689 ff.).
Die Kampfweise im Manövriergelände
Das Verteidigungsverjahren an der russischen Front
Fast zur gleichen Zeit, als die öst.-ung. Truppen in den Bergen Süd-
tirols unter den schwierigsten Verhältnissen die Gewalt ihres Angriffes
erwiesen, sollten sie im Osten, auf dem meist ein sehr gutes Manövrier-
gelände bietenden russischen Kriegsschauplatz, die Probe bestehen,
ob sie die zweite Grundform des Kampfes, die Verteidigung, ebenso
sicher beherrschten. Es ist schon gezeigt worden (Bd. IV, S. 123 ff.), wie
Führung und Truppe seit Ende 1915 trachteten, aus den verflossenen
Kämpfen die Lehren für die Abwehr künftiger Angriffe abzuleiten.
Zu Beginn des Jahres 1916, in der Neujahrsschlacht, war östlich
von Czernowitz und an der Strypa ein voller Abwehrsieg errungen wor-
den (Bd. IV, S.27ff.). Das seither geübte Verfahren beruhte in der
Hauptsache darauf, den Angreifer im Sperrfeuer, das die Artillerie vor
die Hinderniszone legte, dann im Flankenfeuer der Maschinengewehre
und am Widerstande der starken Grabenbesatzung sowie letzten Endes
im Handgemenge zerschellen zu lassen. Brach der Feind über die erste,
die Hauptwiderstandslinie, vor, so sollte er in einer nächsten Linie und
an Querriegeln, die ein Ausbreiten nach der Seite zu verhindern hatten,
erneute Gegenwehr der Verteidiger finden und von diesen mit Hilfe
eingreifender Reserven zurückgeschlagen werden.
Widerstandskräftige Vorfeldstellungen, die die Wucht eines feind-
lichen Ansturmes vor der ersten Linie hätten mäßigen können, besaß
dieses Abwehrsystem nicht. Die vielfach üblichen, in oder vor das Hin-
dernis vorgeschobenen Feldwachen konnten höchstens in ruhigen Zeiten
gegen eine Überrumpelung schützen.
Als die Offensive Brussilows den im Osten fast zum Dauerzustand
gewordenen Stellungskrieg unterbrach, war es für die Truppe wie für
die Führung des öst.-ung. Ostheeres eine gleich schmerzliche Über-
30
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
raschung, daß der Feind bei Luck und bei Okna über die in monate-
langer, mühevoller Arbeit ausgebauten „Dauerstellungen" einfach hin-
wegstürmte. Alle vorbedachten Maßnahmen und Einrichtungen erwiesen
sich als ungenügend, ja manche hatten statt Nutzen nur Schaden gebracht.
Die Zuversicht der Kampfer auf die eigene Kraft sowie das Vertrauen
zur Führung erlitten eine schwere Einbuße. Die Ursachen, die das Unr
glück verschuldeten und erklärlich machten, sind bereits eingehend
dargelegt worden (Bd. IV, S. 410 ff. und 464 ff.).
Der in der zweiten Junihälfte von den Verbündeten unternommene
Versuch, dem Feinde im Bogen westlich von Luck mit einem Angriff
entgegenzutreten, mußte bald aufgegeben werden, denn die geschwächte
und innerlich erschütterte 4. Armee konnte naturgemäß keine Schlag-
kraft mehr entwickeln. Aber auch die neu herangeführten, zumeist deut-
schen Divisionen, die die 4. Armee vorreißen sollten, hatten sich nach
zwei Wochen festgerannt. Der Russe erwies sich nicht nur als ein
Meister zähen Widerstandes, er war vielmehr ernsthaft entschlossen.,
die so aussichtsvoll begonnene Offensive bis zur Vernichtung des Geg-
ners fortzusetzen. Die Stawka verfolgte dieses Ziel weiterhin mit un-
beugsamer Beharrlichkeit. Immer wieder strömten den südlich vom
Pripiatj fechtenden Armeen des Zaren frische Streitkräfte zu. Bis in
den Oktober hinein mußten die Verbündeten in Wolhynien wie in Gali-
zien durchschnittlich um Beginn und Mitte eines jeden Monates je einem
russischen Gewaltsturm, der sich in Haupt- und Nebenangriffe teilte,
die Stirne bieten.
Dank einem untrüglichen, zuverlässigen Nachrichtenmittel, den mit-
gelesenen Funksprüchen des Feindes, blieben seine Absichten und Zu-
rüstungen den Heerführern der zwei Kaiserreiche nicht verborgen. Der
Feind deckte damit selbst, wie noch in keinem Kriege, stets im vor-
hinein seine Pläne auf und gewährte seinen Gegnern die Gunst, zeit-
gerecht ihre Vorsorgen zu treffen. Trotzdem blieben den Mittelmächten
in den Abwehrschlachten im Juli und August weitere, bittere Rück-
schläge und unliebsame Überraschungen nicht erspart. Unter dem harten
Zugriff der Russen ging Stück für Stück des über den Winter auf-
gerichteten Walles verloren. Nach dem Durchbruch bei Tlumacz mußte
auch die Südarmee ihre bisher ruhmvoll behaupteten Gräben räumen.
Der Feind fand jeweils geschickt die schwachen Frontstellen der Ver-
teidiger heraus und warf sie dort zurück; mitunter gelang ihm dies
auch ohne diese kluge Wahl des Angriffspunktes durch die Wucht
seines Anpralles allein.
Das Angriffsverfahren der Russen
31
Dem Angriffsverfahren, das auf französischen Anschauungen fußte,
blieb der Russe treu. Unter Verzicht auf jede Überraschung schaufelte
sich seine Infanterie tagelang vor der Einbruchsstelle ihre Wabengräben,
sammelte sich darin während der Artillerievorbereitung und brach dann
in dichten Sturmwellen vor. Im Verlauf eines Großkampfes wagte der
Feind manchmal auch den Versuch, die Stürmer Überfalls artig, ohne
das verräterische, vorbereitende Geschützfeuer, vorstürzen zu lassen.
Es war anscheinend gleichfalls Gedankengut aus dem Schatze der En-
tentefeldherren, wenn man sich im Hochsommer der Kavalleriemassen
erinnerte und sie jetzt knapp hinter der vorbreehenden Infanterie über-
raschend nachsetzen ließ (Bd. IV, S. 480 und 562; Bd. V, S. 138). Ge-
legenheiten, das Übergewicht an Reiterei auch im großen Stile zur
Geltung zu bringen, übersah Brussilow1) (Bd. IV, S. 414); die dem
IV. Kavalleriekorps im Juni gestellte Aufgabe, über die Dauerstellung
des Gegners hinweg in dessen Rücken vorzustoßen, scheiterte unter er-
heblichen Einbußen der Russen (Bd. IV, S.367, 392 und 394).
In dem Bestreben, einen kriegsentscheidenden Erfolg über die Mit-
telmächte zu erringen, der sich ungeachtet aller Opfer und aller Teil-
erfolge nicht einstellen wollte, steigerte die russische Führung in kaum
verhehltem Ingrimm beständig das Machtaufgebot an Streitern2) und
Kampfmitteln. Der Zuschub modernen Kriegsgerätes jeglicher Art aus
den Rüststätten der Ententeländer machte sich auf den russischen
Schlachtfeldern fühlbar. In den Herbstschlachten gebrauchten die Rus-
sen Gasgeschosse und schwere Minen in reichem Ausmaße, entfalteten
in der Luft eine auffallend rege Tätigkeit und gönnten sich schließlich
ein Artilleriefeuer von einer Wucht und Dauer, das nach dem Urteil
deutscher Führer dem im Westen üblichen kaum mehr nachstand. Die
militärische Denkungsart der Westmächte, die eine Sommeschlacht ent-
fesselt hatte, führte auch die Russen vor Kowel und Wladimir-Wolynski
zur Materialschlacht gewaltiger Prägung.
Da der Feind seine Stoßrichtungen im allgemeinen beibehielt und
seine Durchbruch s versuche fast regelmäßig an den gleichen Abschnitten
wiederholte, lernten auch die Verteidiger von Schlacht zu Schlacht, den
Angreifern immer wirksamer zu begegnen. Die Oberste Führung der
Mittelmächte konnte in der Hauptsache nur für die Zufuhr von Reser-
ven und möglichst großer Mengen von Schießbedarf und sonstiger
1) Diak o w, Brussilow und seine Reiter (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1933, 9 ff.)-
2) Am 16. September 1916 griffen auf gleicher Frontbreite wie am 4. Juni bereits,
doppelt so viel russische Verbände gegen die 4. Armee an (Bd. V, 401).
32
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
Kriegsmittel Vorsorgen. Nach dem starken, empfindlichen Ausfall an
Streitern, den die Tage von Luck und Okna verursacht hatten, wurde
die Aufgabe sehr schwer, die unausgesetzt kräfteverzehrende Abwehr
stets durch frische Verstärkungen aufrecht zu erhalten. Die im August
geschaffene einheitliche Befehlsführung Hindenburgs, später des GFM.
Prinz Leopold von Bayern, die schließlich von der Ostsee bis an die
Karpathen reichte, gestattete, von einer Stelle aus möglichst sparsam
mit den Reserven zu verfügen. An Bahnknoten versammelte Kraftgrup-
pen, die bei Bedarf an bedrohte Abschnitte geworfen wurden, mußten
durch schnelles Eintreffen im letzten Augenblick ersetzen, was man der
Front von Haus aus nicht dauernd als Rückhalt geben konnte.
Der Abwehrkampf drehte sich, bis wieder die Winterruhe eintrat,
um feldmäßig befestigte Stellungen. Geworfene Truppen eines Front-
teiles wie zum Rückzug genötigte Nachbarn klammerten sich entweder
an die nächste, dahinter vorbereitete, oft nur angedeutete Wehranlage
oder sie schufen sich eine solche in dem neubesetzten, zum Widerstande
geeigneten Gelände abschnitt. Ebenso wurde dem Feinde im Gegen-
angriff abgewonnener Boden sofort in den Befestigungslauf einbezogen.
Auch weiterhin wurde ein starker, durchlaufender Schützengraben mit
vorgelegtem Hindernis und Vorfeldsicherungen angelegt, und getrachtet,
durch Querverbindungen ein bis zwei verteidigungsfähige Linien anzu-
sehließen. Es entstand wieder das herkömmliche Grabennetz, das in
dem leicht zu bearbeitenden Boden verhältnismäßig rasch ausgehoben
werden konnte. Wurde die Wehranlage endgültig behauptet, so entstand
von selbst wieder die „Dauerstellung". Manchmal erklärte die Führung,
um ihren Willen nach entschlossener hartnäckigster Abwehr kund zu
tun und ihn auf die Truppe zu übertragen, eine eben erreichte Linie
ausdrücklich als Dauerstellung (Bd. IV, S. 545, Bd. V, S. 161), wenn-
gleich die meisten Einrichtungen, die man unter diesem Begriff zusam-
menfaßte, vor allem die viel Arbeitszeit erfordernden Kunstbauten, erst
zu schaffen waren.
Für die Infanterie sowie für die gleich ihr zu Fuß fechtende Kaval-
lerie wurde—wie auf den anderen Kriegsschauplätzen — das Maschinen-
gewehr die ausschlaggebende Ab wehr waffe. Im Nahkampf, zum Ver-
teidigen und Säubern der Gräben war die Handgranate das wirksamste
Mittel. Durchbrach der Feind die vorderste Linie, dann hatte die Infan-
terie des Abschnittes ihren Wert zu erweisen. Jetzt wurde der Raum
hinter dem Hauptgraben das bedeutungsvolle Gebiet, in dem die Führer
der untersten Einheiten das wogende Gefecht zu leiten hatten und durch
Erfahrungen aus den Sommerschlachten 1916
33
einen beherzten, raschen Entschluß auch oft erfolgreich zu gestalten
vermochten. Hier galt es, die augenblickliche Schwäche des in ein
unübersichtliches Grabengewirr eingedrungenen Feindes auszunützen,
ihn an den Querriegeln und nächsten Widerstandsbauten aufzufangen
und durch einen schnellen Gegenstoß zurückzuschlagen. Gelang dies
nicht, so sollte der Einbruch von der Stellungsbesatzung und ihren
unmittelbaren Reserven wenigstens verläßlich eingedämmt werden. Denn
nu,r unter dieser Voraussetzung konnte die mittlere oder hohe Führung,
ohne Kräfte zu verzetteln, den immer wieder eingeschärften Grundsatz
befolgen, die Lage durch einen einheitlich angesetzten, kraftvollen
Gegenangriff der Eingreiftruppen wiederherzustellen.
In der ursprünglichen Kampfform der Reiterwaffe, in der Attacke,
aufzutreten, was der Feind mehrmals versuchte, war der öst.-ung. Ka-
vallerie nicht vergönnt. Ihre Regimenter, deren Pferdestand immer
mehr zusammenschmolz, wurden aber nach wie vor gern als bewegliche
Reserve verwendet.
Der Hauptanteil an einer aussichtsvollen, und erfolgreichen Abwehr
fiel, gleich wie im Gebirge so auch im Manövriergelände, in wachsen-
dem Maße der Artillerie zu. Die Mittelmächte durften die lebende Kraft
nicht so vergeuden, wie das über scheinbar unermeßliche Menschen-
massen verfügende Rußland, das seiner geduldigen Infanterie noch
immer die schwersten Blutopfer zumutete. Aus dieser Erwägung mußten
den Verbündeten um so mehr die schweren Maschinenwaffen, Minen-
werfer und Geschütze als Gerüst des Widerstandes dienen, abgesehen
davon, daß auch der Feind stets mehr auf die rein brutale Gewalt des
Materials verfiel.
In dem Maße, als die öst.-ung. Truppen durch eine zunehmende
Zahl deutscher Divisionen gestützt und verstärkt wurden, gewann vor
allem die abstoßende Feuerkraft der Ostfront. Denn die deutschen Ver-
bände waren mit Geschützen — auch solchen schweren Kalibers — und.
mit wirksamen Minenwerfern sehr gut ausgestattet und verfügten stets
über ungleich reichlicheren Schießbedarf. Im günstigsten Falle ver-
mochte das rechtzeitig einsetzende, zusammengefaßte Vernichtungsfeuer
der Abwehrwaffen ein Angriffsvorhaben schon im Keime zu ersticken.
Von dem übermäßigen Gebrauch flankierender Sperrfeuerbatterien, in
die man allzu großes Vertrauen gesetzt hatte, kam man ab. Allmählich
ging man dazu über, das Sperrfeuer frontal abzugeben. Aus den Juni-
und Julikämpfen ergab sich des weitern die Lehre, für die zum Gegen-
angriff bestimmten Reserven auch Batterien aufzusparen.
vi
3
34
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
Der Wandel, den die Standfestigkeit der Verbündeten südlich vom
Pripiatj durchmachte, drückte sich augenfällig darin aus, daß nach der
planmäßigen Zurücknahme der Armee Gdl. Gf. v. Bothmer an der Front
kein Rückschlag mehr eintrat, und die im Herbste folgenden Abwehr-
kämpfe, gleich den Isonzoschlachten, zu stehenden Schlachten wurden.
Dem Feinde mochte wohl noch unter riesigen Anstrengungen und großen
Opfern örtlich irgendwo das Einbeulen der ersten Linie gelingen; Truppe
und Führung waren gewohnt, einem solchen Zwischenfall keine über-
große Bedeutung mehr beizumessen, und verstanden sich geschickt dar-
auf, ihn durch einen Gegenschlag rasch zu beseitigen. Die Verteidigung
wurde in einem beweglicheren Geiste geführt. Als der gewaltige An-
sturm des Zarenheeres im Spätherbst verebbte, war die Front der Ver-
bündeten von der Ostsee bis an die Karpathen wieder in einen starren,
undurchdringlichen Panzer gehüllt.
Nachträgliche, kriegsgeschichtliche Forschung hat in dem Streben,
die Katastrophe von Luck und Okna aufzuklären, neben andern Ursachen
und Fehlern auch auf das „starre Abwehrverfahren", das bereits unzeit-
gemäß gewesen sei, verwiesen (vgl. Bd. IV, S. 412; Bd. V, S. 724). Die
Erscheinung, daß sich andere Frontabschnitte, die entweder gleichzeitig
oder später von den Russen nicht minder heftig angepackt wurden, er-
folgreich behaupteten, noch mehr aber die Überlegung, daß die Front
südlich vom Pripiatj schließlich nach fünf Monaten schwersten Ringens
keine neue Abwehrform hervorgebracht hatte, sondern im Grunde ge-
nommen noch immer bei der starren Verteidigung verharrte, regen zu
einer neuerlichen Überprüfung dieser Frage an. Das Ergebnis kann,
wenn man der Wahrheit die Ehre geben will, doch nur lauten: nicht das
Verteidigungs verfahren an sich war unzweckmäßig und veraltet, son-
dern trotz der vielen vorhandenen Abwehrlinien und Stellungen hat
weder die Truppe unter dem überwältigendem Drucke des Feindes des-
sen ersten Einbruch zu begrenzen noch die höhere Führung mit ihren
Reserven die Russen aufzufangen und zurückzuwerfen vermocht. Nicht
das System, sondern Geist und Nerven haben versagt. Sobald die Front-
truppen, durch ausreichende schlagkräftige und kampfesfreudige Ver-
bände mitgerissen und durch genügende technische Mittel gestützt, das
Vertrauen auf die eigene Leistungsfähigkeit und in die Führung wieder
gewonnen hatten, wurde auch die Verteidigung im guten Sinne des Wor-
tes „starr". Der Feind prallte davor ab, obgleich die Wucht seiner An-
stürme später im Vergleich zum Juni beträchtlich stärker geworden war.
Auch der Verlauf des Sommer- und Herbstfeldzuges im Osten bewies
Die Anfänge der elastischen Verteidigung
35
letzten Endes nur, daß dem innern Werte und dem ernsten Willen der
Kämpfer sowie einer überlegten, festentschlossenen und zielsicheren
Führung ausschlaggebende Bedeutung zukamen.
Inzwischen waren im Westen aus den Erfahrungen der bis tief in
den November hinein währenden Schlacht an der Somme für eine zweck-
mäßigere Abwehr neue Ideen erwachsen, die darin gipfelten, die Ver-
teidigung nicht mehr an die starre Linie zu fesseln, sondern in eine
befestigte Fläche zu verlegen. Die vorderste Linie, die dem Trommelfeuer
sehr leicht erlag, und auf deren Behaupten daher kein besonderer Wert
gelegt wurde, konnte dünn besetzt werden, man klammerte sich lieber
an Gräben, Stützpunkte und Flankierungsanlagen des Zwischengeländes
und sah die Hauptstärke der Abwehr in den selbsttätig einsetzenden
Gegenstößen. Falls diese nicht durchdrangen, wurde ein planmäßig an-
gelegter Gegenangriff notwendig3). Solche Grundsätze rangen sich
zunächst im Westen durch, wurden dort 1917 weitergebildet und er-
langten im letzten Kriegs jähr eine scharf ausgeprägte Form. Von die-
ser „elastischen Verteidigung" war man aber Ende 1916 im Osten noch
weit entfernt. Hier hatte zunächst nur eine Auffassung des neuen Ver-
fahrens unter dem Einfluß der deutschen Befehlsstellen, denen die neuen
Ideen ja näher lagen, fast unmerklich Eingang gefunden und war noch
durch den Kampferfolg selbst gerechtfertigt worden : durch Gegen-
schlag war anfänglicher Bodenverlust in der Regel hereinzubringen. Im
allgemeinen wurde aber auf dem russischen Kriegsschauplatz die starke
erste Linie, in der der Hauptwiderstand zu leisten war, nicht nur im
Jahre 1917 beibehalten, sondern überhaupt nicht aufgegeben, war Ende
1916 bereits wieder vorhanden, man war an sie gebunden und konnte
das ganze Stellungssystem nicht mehr neu anlegen oder umbauen.
Als nun im Winter 1917 die geänderten Ansichten zuerst durch
Vorschriften der DOHL. an der Front verbreitet wurden, konnte die
erwünschte größere Tiefengliederung nur beim Vervollständigen des
Zwischen- und Hintergeländes durch Stützpunkte und Maschinengewehr-
nester sowie im Gruppieren der Maschinenwaffen und der Reserven
berücksichtigt werden. Die Führer aller Grade, namentlich aber jene
1) Um unnütze Blutopfer zu vermeiden, mahnte die DOHL. gegen Ende 1916,
verlorene Stellungsteile nicht bloß wegen der Waffenehre um jeden Preis zurück-
zuerobern, sondern Gegenstöße nur dann anzusetzen, wenn sie durch die taktische
Lage gerechtfertigt seien. Eine Riegel- oder Sehnenstellung konnte ja für die
Abwehr gleich gut, selbst günstiger sein, als ein früher einmal im Kampfe erreichter
und nur deshalb festgehaltener Grabenzug (Bd. V, 581).
3*
36
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
der höheren Befehlsverbände, hatten sich das Wesen der beweglichen
Verteidigung geistig zu eigen zu machen. Vorne, auf die untersten
Kampfeinheiten, wirkte sich die Neuerung, praktisch betrachtet, kaum
aus. Der zugewiesene Platz war wie bisher nachdrücklich zu behaupten
und durfte ohne Befehl nicht verlassen werden. So blieb im Osten die
starre Verteidigung, nur den zeitgemäßen Bedürfnissen angepaßt und
in eine bessere Form gebracht, weiterhin in Geltung.
Obwohl die militärische Leitung der Verbündeten im Sommer 1916
mehrmals versucht hatte, selbst zur Offensive überzugehen, kam es zu
keiner großzügigen, raumgreifenden Angriffshandlung. Die Gegenoffen-
sive Linsingens blieb nur ein kurzes Zwischenspiel. Die Absicht, dem
Feldzug durch einen Offensivstoß, der beiderseits vom Dniester los-
brechen sollte, eine günstige Wendung zu geben, konnte nicht verwirk-
licht werden. Kaum hatten die beiden Obersten Heeresleitungen für
derlei Zwecke mühsam einige Verfügungstruppen aufgebracht, so muß-
ten sie an bedrohte Frontabschnitte zum Auffangen eines Russenstoßes
abgelenkt werden. Das russische Riesenreich mit seiner gewaltigen
Heeresmacht schrieb unbeirrt das Gesetz des Handelns vor. Ansätze der
k. u. k. 7. Armee, mit bescheidenen Mitteln aus den Karpathen heraus
vorzugehen, wirkten sich kaum aus. Schließlich zog der neue Kriegs-
schauplatz in Siebenbürgen die Reserven der Obersten Führung an sich.
Die Kriegführung der Verbündeten gegen Rußland war 1916 ein
System von Aushilfen. Es gelang damit aber, die strategischen Pläne
des Feindes zu vereiteln, dem ein Durchbruch großen Stiles und der
Übergang zum Bewegungskrieg vorgeschwebt hatte.
Im Rahmen der großen Abwehrschlachten, aus den besonderen Be-
dürfnissen des Stellungskrieges heraus, entwickelten die Verbündeten in
der zweiten Hälfte 1916 für Angriffshandlungen mit begrenzten Zielen
ein neues, verfeinertes Verfahren. Der Wandel vollzog sich zuerst bei
der Artillerie und der Minienwerferwaffe, indem man die Wirkungs-
möglichkeiten dieser schweren Waffen in Verbindung mit dem Kampf-
gas nach einem wohldurchdachten Plane voll ausschöpfte, um der Infan-
ten e viel ausgiebiger die Wege zu ebnen, als es bisher üblich war. Als
erstes Beispiel eines Angriffes, bei dem ein neuartiger, klug berechneter
Feuerplan den unter deutscher Leitung stehenden Angreifern zum Siege
verhalf, kann die Eroberung des Brückenkopfes von Zarecze (18. Sep-
tember 1916) gelten (Bd. V, S.410). Aber auch die. Infanterie mußte
dazulernen. Das reich verstrickte Grabennetz, das auf Freund- und
Feindesseite das Gelände durchschnitt, bot die Gelegenheit, darauf nach
Das Entstehen der Sturmtruppen 37
dea von den Deutschen im Westen gewonnenen Erfahrungen eine eigene
Angriffstaktik aufzubauen. Diese erforderte Eigenschaften und Ge-
schicklichkeiten, die von der Masse der nur flüchtig ausgebildeten
Kämpfer nicht zu verlangen waren. Man schuf daher besonders vor-
geschulte „Sturm-" oder „Stoßtrupps" und verband ihr Auftreten im
Kampfe aufs engste mit der Tätigkeit der übrigen Waffen. Ein solcher
neuartiger Angriff lief wie ein Uhrwerk ab. Alle Kampfmittel wurden,
ihrer Eigenart entsprechend, in genau abgestimmter Zeit- und Reihen-
folge zur vollen Wirkung gebracht. Erst des sturmreif geschossenen
Bollwerkes hatten sich die Angreifer, denen manchmal auch eigens vor-
gebildete technische Abteilungen beigegeben waren, zu bemächtigen.
Wurde ein solches Unternehmen in größerem Maßstab ausgeführt, so
dienten die Sturmtruppen der übrigen Infanterie als leitende Bahn-
brecher. Das Verfahren erforderte allerdings viel Zeit für Erkundungen
und sonstige Vorarbeiten, für das Beschaffen des meist verhältnismäßig
großen Aufwandes an Kriegsgerät und endlich für das Einüben der Trup-
pen. Dafür aber boten derartige Angriffe, die den Gipfel der Plan-
mäßigkeit darstellten, auch die fast sichere Gewähr des Erfolges. Neben
kleinen Unternehmen, in denen die neuausgebildeten Stürmer die ersten
Proben ihres Könnens ablegten, gehören in diese Reihe die am 1. No-
vember 1916 erfolgte Wegnahme des Russennestes von Witoniez (Bd. V,
S.460), dann im Jahre 1917 die Rückeroberung der Höhe Magyaros
und als Glanzstück die Bezwingung des Brückenkopfes von Tobol. Die
beiden letztgenannten Ereignisse werden noch behandelt werden.
Die Abwehr am Isonzo
Einigermaßen anders als im Osten entwickelten sich die Dinge im
Küstenlande, das — zumindest südlich von Görz — schon wegen seines
Wegereichtums auch als Manövriergelände angesprochen werden kann.
Zwar oblagen auch hier die Truppen den ganzen Winter von 1915
auf 1916 über und "dann noch bis zum August dem Stellungsbau, der
hier wie im Hochgebirge mit Bohrmaschinen und Sprengwerkzeugen
erfolgte; aber diese Arbeiten vollzogen sich stets unter der scharfen
Drohung eines feindlichen Vorstoßes. Auch hatten die Isonzo Verteidiger
bis zum Beginn der schweren Kämpfe im August 1916 schon fünf
Schlachten schlagen müssen. Der kriegerische Geist war daher auf den
blutgetränkten Feldern bei Görz und auf der Karsthochfläche von Co-
men noch nicht durch abstumpfende Maulwurfs arbeit verdrängt.
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Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
Als dann in der zweiten Jahreshälfte 1916 die schweren Schlachten
— die sechste bis neunte — entbrannten, waren auch diese, gleich den
früheren, mehr weniger ortgebundene Kämpfe, in denen sich der Ver-
teidiger der stets zahlreicher und heftiger werdenden Anstürme der
Italiener erwehren mußte.. Wienn es nun in dem heißen, hartnäckigen
Ringen dazukam, daß am Ende einer Schlacht Teile des Geländes in
Feindeshand verblieben, so hatten solche Einbußen doch niemals eine
tiefer greifende Wirkung im Gefolge. Selbst die größten Ergebnisse
übermächtiger Anstürme des Feindes, wie die Eroberung von Görz,
liefen am Ende nur auf einige im Vergleich zu anderen Kriegsschau-
plätzen geringfügige Frontverlegungen hinaus.
Die Formen der Abwehr hatten hier unter dem Einfluß des Karsit-
geländes und der zahlenmäßigen Überlegenheit des Feindes ihre eigene
besondere Entwicklung genommen. Die starre Verteidigung war vom
Anfang an nicht so gänzlich starr gewesen. Man gab zwar keinen Fuß-
breit Bodens ohne zwingende Notwendigkeit preis und kämpfte auch
hier nachdrücklich um eine, um die vorderste Linie. Man war aber nie-
mals dazugekommen, sie besonders stark auszugestalten. Dafür hatte
das Gelände auf Schritt und Tritt natürliche Anklammerungsmöglich-
keiten dargeboten, die nur um ein geringes mangelhafter waren als
die schlecht ausgebauten Kampfanlagen. Dadurch war ganz von selbst
eine beweglichere Art der Abwehr entstanden, ein Kampf, der nicht
so sehr in Linien als auf mehr oder weniger tiefen Flächen geführt
wurde. Diese Elastizität der Kampfführung hatte jedoch keineswegs
gehindert, daß die Behauptung der vordersten Kampflinie nach wie vor
erstes und oberstes Ziel blieb.
Gleichwohl hatte man hier früher als anderswo erkannt, daß eine
Linie zur Verteidigung nicht genüge, daß man Stellungen haben müsse,
die die Führung des Kampfes in tiefen Zonen ermöglichten. Allein da
sprach der spröde Karstboden ein gewichtiges Wort mit. Was an ande-
ren Orten in wenigen Nächten geschaffen werden konnte, erforderte
hier Monate schwerster, für die meisten Truppen ungewohnter, sehr
ermüdender und lästiger Arbeit.
So kam es, daß man eigentlich seit Beginn des italienischen Krie-
ges niemals dazu gelangt war, in einer regelrechten ,,Stellung" zu
kämpfen. Fast ein Jahr lang hatten die Truppen an Steinriegeln oder
in „angekratzten" Gräben gefochten und in bescheidenen Unterständen,
in Dolinen, unfertigen Kavernen oder natürlichen Höhlen notdürftigen
Schutz vor Wetterunbill und feindlichem Massenfeuer gefunden.
Erfahrungen aus den Herbstschlacliten am Isonzo
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Gab es bis zur ersten großen Schlacht des Jahres 1916, der sechsten
Isonzoschlacht, überall wenigstens einen durchlaufenden Graben, viel-
fach sogar schon zweite, sogenannte ,,I b''-Linien, so sahen sich die
Kämpfer nach dem Verluste der Stellungen von Podgora, Doberdò und
S. Michele wieder in vielen Frontabschnitten sozusagen im blanken
Karst, bestenfalls hinter Steinbrustwehren oder in seichten Gräben,
geschützt von einem Hindernis einfachster Art. Die mühevolle Arbeit
des Stellungsbaues begann wieder von vorne und konnte kaum Nen-
nenswertes vollbracht haben, als schon Mitte September der siebente
italienische Ansturm abgewehrt werden mußte. Trotzdem hatte das ge-
wohnte Abwehrverfahren, allerdings unter schweren Verlusten, auch
diesmal vollen Erfolg, obgleich der Feind mit gewaltigem Aufwand an
Artillerie und Minenwerfern wuchtiger und nachhaltiger als früher
angriff. Wo immer er in die Stellung eindrang, warfen ihn spätestens
Gegenstöße von Brigade- oder Divisionsreserven wieder zurück.
Freilich verursachte diese Kampfweisc jetzt einen bedeutenden
Menschenverbrauch, den zu vermindern größere Tiefengliederung ver-
langt wurde. Aber dazu hätte wenigstens das Gerippe einer „Stellung"
gehört. Davon war man jedoch — obgleich durch rastlose Arbeit schon
manches geschaffen worden war — noch weit entfernt und daher auch
die Tiefengliederung noch nicht durchgeführt, als Anfang Oktober die
achte Schlacht entbrannte. Nach heißem Ringen kam auch sie an einer
Linie zum Stehen, in der es wieder nur bescheidene Steinriegel, Kaver-
nenanbrüche und höchst selten halbwegs ausgebaute Stützpunkte mit
fertigen Kavernen gab. An diesem Zustande konnte bis zu der schon
Ende Oktober beginnenden neunten Isonzoschlacht nichts Entscheidendes
geändert werden, trotzdem die Truppe mit Aufgebot aller Kraft den
Ausbau der Stellungen betrieb.
Vor der neunten Schlacht hatte man auf dem Nordrande der Karst-
hochfläche von Comen den Versuch einer Verminderung der Besatzung
im vordersten Stellungsbereich gemacht, um nicht zu viele Menschen-
leben dem verheerenden Vorbereitungsfeuer der italienischen Artillerie
zu opfern und um zu der schon oft vorgeschlagenen stärkeren Tiefen-
gliederung zu kommen. Doch der Versuch mißglückte. Fast wäre es
zu einem Zerreißen der Front gekommen. Nur durch aufopferndes Ein-
greifen der spärlichen Reserven, die hiebei einen ungewöhnlich hohen
Blutzoll entrichten mußten, konnte die Front — allerdings mit einer
tiefen Einbeulung — schließlich doch behauptet werden. Die mit schmerz-
lichen Opfern erkaufte Erfahrung ergab, daß in der Besetzung der
40
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
vordersten Kampflinie ebeti unter jenes Maß an Truppen nicht herunter-
gegangen werden dürfe, das die Möglichkeit rechtzeitigen Eingreifens
der Reserven gewährleistet.
Kein Wunder, daß auch nach der neunten Schlacht eine neuartige,
auf elastischem Kampfverfahren beruhende Abwehr, wie sie im Westen
schon festere Formen anzunehmen begann, am Isonzo noch nicht Wur-
zeln faßte. Das von den Italienern angestrebte Operationsziel Triest
war viel zu nahe, um solche nicht ungefährliche Versuche zuzulassen.
So wurde in der langen Kampfpause von Mitte November 1916 bis
in das nächste Frühjahr an der ganzen Isonzofront doch der Bau von
durchlaufenden zweiten und dritten (Ib- und Ic-)Linien betrieben.
Dank der jetzt schon zahlreicher vorhandenen Bohrmaschinen schuf
man zahlreiche Kavernen. Dann verteilte man Maschinengewehre,
Minenwerfer, Infanteriegeschütze zusammen mit den Kompagnie- und
Bataillonsreserven im Gelände, das dadurch zum „befestigten Zwi-
schengelände" wurde; im übrigen blieb man aber entschlossen, die Linie
der vordersten Kavernen so wie bisher auf das nachdrücklichste zu
verteidigen.
Wiederaufleben des Bewegungskrieges
Auf den Kriegsschauplätzen, die nach ihrer Bodenbeschaffenheit
den Bewegungskrieg begünstigten, war das öst.-ung. Heer im Jahre 1916
bis in den Herbst hinein in die Fesseln der Abwehr geschlagen. Da
brachte der Beitritt Rumäniens zum Feindbund überraschenderweise
wenigstens auf einem Teile der langen Ostfront eine Änderung: im
großen Becken von Siebenbürgen und in der walachischen Ebene. Hier
kam es im letzten Viertel des Jahres 1916 zu einer förmlichen „Renais-
sance des Bewegungskrieges". Hiebei - spielte sich die Gegenoffensive
der Armeen Falkenhayn und Arz ungefähr in den gleichen Formen ab,
wie die ersten Kriegshandlungen gegen Rußland im Sommer 1914.
Der ganze Plan zur Verteidigung Siebenbürgens war auf Beweglich-
keit eingestellt. Schon in der ersten Phase dieses Feldzuges, als die
Deckungstruppen der k. u. k. 1. Armee schrittweise gegen die befestigte
Maros—Kokellinie zurückwichen, nützten sie manche Gelegenheit aus,
um dem oft zaghaft vorrückenden Feinde Abbruch zu tun. Die Los-
gelöstheit von den Fesseln des Stellungskrieges, der für wagemutige An-
griffshandlungen wenig Möglichkeiten bot, wurde hiebei von den
Der Bewegungskrieg auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
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öst.-ung. Truppen wohltuend empfunden. Hier schwand plötzlich die
Sorge um mangelnde Tuchfühlung oder gar um ungeschützte Flanken.
Die Ursachen hiefür waren die den Unterschied an Kämpferzahl
wettmachende Überlegenheit der Verbündeten an Kriegserfahrung, ihre
reichere Ausstattung mit schwerer Artillerie, mit Maschinengewehren
und Verbindungsgerät, lauter Kriegsmittel, die den Rumänen abgingen.
Die lockeren Fronten gestatteten den öst.-ung. und deutschen Divisio-
nen, ihre ungleich größere operative und taktische Wendigkeit voll
und ganz zur Wirkung zu bringen.
Bei der Gegenoffensive der Verbündeten fand die überlegene Füh-
rungskunst ein ganz besonders reiches Feld der Betätigung. Nicht nur
Durchbrüche durch Stellungsfronten, sondern Umfassungen und weit-
ausholende Umgehungen zwangen den Feind, der jetzt auch offene
Flanken bot, zum Rückzug. Die Schlachten und Gefechte waren von
kurzer Dauer und, da sich daran schnelle und ausgreifende Verfol*-
gungsmärsche anschlössen, auch von entscheidenden Ergebnissen. Es
waren — wenn man die Schlachten des Jahres 1916 an allen anderen
Fronten zum Vergleich nimmt — verhältnismäßig leichte Siege, die in
Siebenbürgen erfochten wurden.
Nach den schon ungleich schwierigeren Durchbruchskämpfen am
Südwall der Siebenbürger Randgebirge fand der Bewegungskrieg in der
Walachei in ähnlicher Form und bei rasch abnehmender Widerstands-
kraft der Rumänen seine Fortsetzung. Er wurde, was Marschleistungen
und Vielgestaltigkeit der Kriegshandlungen anbelangt, kaum von der
großen Offensive 1915 gegen Rußland erreicht. Er erbrachte für die
Verbündeten aber auch keine neuen Lehren. Die Rumänen waren es,
die hier eine allerdings furchtbar harte Schule des Krieges durchzu-
machen gezwungen waren.
Faßt man alle vorangegangenen Ausführungen zusammen, so er-
hellt, daß als Ergebnis der Kämpfe des Jahres 1916 sowohl in opera-
tiver wie in taktischer Beziehung noch keine Ideen aufgetaucht waren,
die das Bisherige abänderten. Im Angriffsverfahren fing die Sturm-
ausbildung an, erhöhte Bedeutung zu gewinnen. In der Abwehrtaktik
begannen die Gedanken an eine Raumverteidigung nach Geltung zu
ringen, ohne schon grundlegend neue Formen hervorzubringen. Eine
Beeinflussung der bisherigen Kampfformen für Angriff und Abwehr
erfolgte eher noch durch organisatorische Neuerungen, durch die groß-
zügige Ausgestaltung der Artillerie, des Maschinengewehr-, des Minen-
werfer- und des Flugwesens.
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Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
Die Winterarbeit
Als die rauhe Jahreszeit auf dem östlichen Kriegsschauplätze den
ungewöhnlich wechselvollen Kämpfen des Jahres 1916 ein Ende setzte,
brach für die Verbündeten; eine Zeit fleißiger Arbeit an. Der Ausbau
der Stellungen, der in den Pausen zwischen den Abwehrschlachten nicht
in dem wünschenswerten Ausmaße hatte erfolgen können, wurde eifrigst
fortgesetzt. Diese Tätigkeit war der Truppe, die nun bereits vor dem
dritten Kriegswinter stand, nicht mehr ungewohnt; sie besaß darin schon
großes Geschick. An Stelle der vielfach gekünstelten, ja übertriebenen
Ausstattung des Kampfgrabens, die trotz allen Müh- und Zeitaufwandes
unter einer ernsthaften Beschießung in nichts zerstob, trat nunmehr
dauerhafte Zweckmäßigkeit. Die Hauptwiderstandslinie, der mit ge-
flochtenen Hürden oder mit Holz ausgekleidete, ziemlich breite und
mehr als mannstiefe erste Graben, war durch die üblichen Schulter-
wehren (Traversen) abgeteilt. Er erhielt feindwärts an der Sohle einen
Auftritt für die Schützen, die nicht mehr durch Schießscharten, sondern
einfach „über Bank" zu feuern hatten. Die Schrapnelldächer waren
schon im Frühjahr 1916 beseitigt worden. Vom Feinde aus besehen,
sollte keine Aufschüttung den Verlauf verraten oder als Ziel dienen
können. Der Erdaushub war daher zu verstreuen. Wo Grundwasser oder
Sumpf das Ausheben eines Grabens ausschlössen, mußte allerdings ein
Wall hochgebaut werden. Für Maschinengewehre, GrabcAgeschütze und
Minenwerfer sowie für deren Bedienungsleute legte man schußsichere
Deckungen an. Angestrebt wurde, solche Unterstände nach und nach
auch für die übrige Besatzung, dann für die nächsten Reserven her-
zustellen, um während des feindlichen Trommelfeuers Verluste mög-
lichst auszuschalten, Auch die Stellungsbatterien hatten zum Schutze
ihrer Beobachter, Geschütze, Schießvorräte und Bedienungen in gleicher
Weise vorzusorgen. Bergmännisch in die Erde getriebene „Fuchslöcher"
waren in Wolhynien wegen des vorherrschenden Sumpfbodens nur in
beschränktem Maße ausführbar. Bei der Anlage wurde darauf gesehen,
daß solche Unter schlupf e den sich darin Verbergenden nicht zur Falle
werden konnten. In der vordersten Linie wurden nunmehr Fuchslöcher
verpönt. Beton und Eisenschienen waren das bewährteste und gebräuch-
lichste Mittel, um Bauten selbst gegen schweren Beschuß widerstands-
fähig zu machen; entsprechend getarnt, konnten sie mindestens teilweise
auch über der Erde ausgeführt werden.
Richtlinien für den Stellungsbau
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Eine zweite, 150—400 m entfernte und manchmal auch eine dritte
Linie machten zusammen mit dazwischen und dahinter verteilten Stütz-
punkten die befestigte Zone der ersten Stellung aus. Mehrere Kilometer
dahinter wurde eine zweite Stellung im Gelände ausgemittelt und,
soweit Arbeitskräfte dazu verfügbar waren, an den wichtigsten Stellen
in einfacher Weise ausgebaut. Der Abstand von der ersten Stellung
mußte so bemessen sein, daß beide Wehranlagen durch die Artillerie
des Feindes nicht gleichzeitig niederzukämpfen waren.
Ein äußerst wirksames Kampfmittel, dessen sich Freund und Feind
immer mehr bedienten, waren Gift- und Reizgase. Über deren Ver-
wendbarkeit wurde die Truppe unterrichtet, wichtiger war noch die
Belehrung über die drohenden Gefahren und deren Abwehr. Ende Ok-
tober 1916 führte die öst.-ung. Heeresverwaltung an der Ostfront einen
Gasschutzdienst ein, der am Isonzo schon längere Zeit bestand. Feld-
wetterstationen hatten die atmosphärischen Verhältnisse ständig zu be-
obachten, ob sie einen feindlichen Gasangriff begünstigen oder nicht,
um zeitgerecht warnen zu können. Alarmvorsorgen wurden getroffen
und Gasmasken zum Schutze der Truppen ausgegeben. é
Neben allen Maßnahmen, die die unmittelbare, praktische Kampf-
bereitschaft der Front förderten, galt es, sich geistig für das nächste
Kriegs jähr zu rüsten. Nach der schroffen Abweisung, die dem Friedens-
schritte der Mittelmächte vom Feindbund widerfahren war, mußte für
das Frühjahr 1917 mit einer allgemeinen Offensive der feindlichen
Heere, mithin auch des russischen an der Ostfront, gerechnet werden.
Der deutsche Oberbefehl, dem der größte Teil der öst.-ung. Divi-
sionen unterstellt war — nur mehr die zwei Armeen der Heeresfront
Erzherzog Joseph waren am Jahresausgang an die k. u. k. Heeresleitung
gewiesen — wie nicht minder die starke Vermengung der verbündeten
Truppen1), der mittleren und hohen Kommandostellen brachten es mit
sich, daß Führungsgrundsätze und taktische Ansichten des stärkeren
Bundesgenossen sich immer mehr durchsetzten. Um einheitliche Auf-
1) An der Ostfront (Heeresgruppe Mackensen bis einschließlich Heeresgruppe
Linsingen) hatten stehen
am 1. November 1916 am 1. März 1917
Österreich-Ungarn 41 ID., 1H/2 KD. 40i/2 ID., 11 KD.
Deutschland 37i/2 „ 51/2 35 „ 2 „
Bulgarien 4 „ 1 „ 4 „ 1 „
Türkei 4 _ 5 _
Summe :
861/2 ID., 18 KD.
841/s ID., 14 KD.
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Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
fassungen zum Gemeingut werden zu lassen, wurden gemeinsame Offi-
zier skur se ins Leben gerufen. Dem gleichen Zwecke, dann dem Vertiefen
des gegenseitigen Verstehens diente der Austausch von Offizieren ein-
zelner Dienststellen bis zum Kompagnie führer herab. Die erste Unter-
weisung im Sturmwesen empfingen öst.-ung. Offiziere und Mannschaften
seit November 1916 in mehreren Lehrvorführungen an der deutschen
Westfront. Zu gleicher Zeit stellte das Oberkommando Ost zunächst bei
den deutschen Verbänden schon Lehrtruppen für diesen neuen Aus-
bildungszweig auf; die öst.-ung. Befehlsstellen folgten bald diesem Bei-
spiel. Im Frühjahr 1917 bildeten sich die k. u. k. Armeekommandos
schon selbständige Sturmbataillone. Die Divisionen konnten, wenn nicht
gerade ein fertig geschulter, vereinter Lehrgang verfügbar war, die
früher ausgebildeten Sturmtrupps, die grundsätzlich wieder zu ihren
Regimentern traten, für besondere Unternehmungen in Kompagnien zu-
sammenfassen. Die bisherigen „Jagdkommandos" wurden nunmehr als
entbehrlich aufgelassen.
Deutscher Einfluß erstreckte sich auch auf die weitere Schulung der
in den Armeebereichen einlangenden Ersatzmannschaften1). Da sie aus
der Heimat nur ungenügende Vorkenntnisse mitbrachten, wurde schon
seit geraumer Zeit je eine Marschbataillonsreihe in Divisionsausbildungs-
gruppen gesammelt. Hier hatte der Kämpfernachschub, bevor er den
Frontregimentern zufloß, durch mehrere Monate unter straffer Mannes-
zucht stramm zu exerzieren und kriegsmäßig zu üben.
Vielfach dienten deutsche Kampfvorschriften und Lehrbehelfe, so
zunächst für den neuen Gaskampf und Sturmdienst, zur allgemeinen
Richtschnur. Daneben standen öst.-ung., manchmal den deutschen wider-
sprechende Weisungen in Kraft; überdies gaben viele öst.-ung. Komman-
dos aus ihrem Gesichtskreis und für ihren Befehlsbereich noch weitere
Anleitungen heraus. Um bei dieser verwirrenden Schriftenflut, die sich
auf die Front ergoß, wieder einheitliche Auffassungen zu verbreiten,
ließ das k. u. k. AOK. seit der Jahreswende eine ganze Reihe neu verfaß-
ter Vorschriften erscheinen, in denen die bisherigen Lehren, Erfahrungen
und Neuerungen niedergelegt wurden. Der militärischen Lage des Donau-
reiches und dem Kriegsverlauf entsprechend, fanden der Stellungskampf
und die Abwehrschlacht eine gründliche Behandlung. Solche Vorschriften
lehnten sich bewußt stärker an die deutschen Bestimmungen an.
!) Ludendorff, Meine Kriegserinnerungen 1914—1918 (Berlin 1919 und
1920), 186. — Bernhard i, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben (Berlin 1927),
449 ff. — L i t z m a n n, Lebenserinnerungen (Berlin 1921), II, 131.
Zweckmäßige Ausnützung der Winterruhe
45
Ähnlich wie im Osten diente auch an der Isonzo fr ont die während
des Winters eingetretene Kampfpause dem zweckmäßigeren Ausgestal-
ten der Abwehr (S. 40) sowie der eingehenden Schulung der Streiter
und ihrer Ersätze.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß diesmal die Winter-
periode in jeder Hinsicht bedeutend besser ausgenützt wurde als der
gleiche Zeitraum 1915—16. Damals hatte man fast nur gebaut, aber
bei Offizier und Mann die Fortbildung im wahren Soldatenberuf ver-
nachlässigt und dadurch das taktische Geschick der Truppe, ihre Wen-
digkeit in der Hand der Führer, verkümmern lassen. Jetzt wurden alle
Grade des Heeres zu reger Mitarbeit eingespannt, Theorie und Praxis,
kriegsgerechte Feldübungen und strammer Drill kamen in gleicher
Weise zu ihrem Rechte.
So war man im Lager der zwei Kaisermächte eifrigst am Werke,
um völlig gewappnet auf den Plan treten zu können, wenn der Feind
das blutige Würfelspiel um die Kriegsentscheidung im Frühjahre 1917
von neuem beginnen würde.
Wandlungen im Aufbau und im Gefüge der Armee
Hiezu Beilage 2
Die Menschenbewegung im Jahre 1916
Auch im dritten Kriegs jähre hatten die Ereignisse auf den Schlacht-
feldern und nicht zuletzt auch die Wandlungen der Kampfweise entschei-
denden Einfluß auf die organisatorische Verfassung der Wehrmacht.
Aus den Kämpfen des Jahres 1915 war die Armee schließlich neu ge-
stärkt hervorgegangen1), und das Frühjahr 1916 hatte sie in einer Ent-
wicklung gesehen, die in vieler Hinsicht aussichtsreich genannt werden
durfte. Anfangs Mai verfügten die meisten Divisionen über ihren vollen
Kämpferstand von 10.000 bis 12.000 Feuergewehren, viele überschrit-
ten ihn sogar erheblich. Insgesamt zählte die Streitmacht der Monarchie
um 150 Bataillone mehr als zu Kriegsbeginn, weiters dreimal so viele
Maschinengewehre, doppelt so viele Geschütze, und auch die lange Zeit
so gefahrvolle Not an Munition (Bd. IV, S. 100) war, wenn nicht be-
hoben, so doch bedeutend gemildert worden. Dabei ging die Rüstungs-
1) Vgl. Bd. IV, 90 ff., weiters F r a n e k, Die Entwicklung der öst.-ung. Wehr-
macht in den ersten zwei Kriegsjahren (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1933, 15 und 98 ff.).
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Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
industrie, die an diesem Aufschwünge großen Anteil hatte, erst dem
Höhepunkt ihrer Schaffenskraft entgegen.
Wohl trübte ein Schatten dies verheißungsvolle Bild: schon waren
die Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Reiches sicht-
bar geworden. Hatte es doch an mannigfachen Rohstoffen und vor
allem an Menschen zu mangeln begonnen ! Aber selbst in dieser Hinsicht
schien keine unmittelbare Gefahr zu drohen. Schon seit dem Herbst 1915
waren die Abgänge geringer als die regelmäßig eintreffenden Ersätze.
Wenn es dabei blieb, konnte die Ersatzleistung bis weit ins Jahr 1917
hinein als gesichert gelten.
Gerade in diesem Punkte nahmen aber die Dinge im Jahre 1916
eine höchst bedrohliche Wendung'. Mit einem Schlage warf die Brussi-
lowoffensive alle Berechnungen und Pläne über den Haufen. Binnen
wenigen Wochen büßte die Nordostfront mehr als 300.000 Kämpfer,
fast die Hälfte ihres Feuergewehrstandes, ein, und auch die heftigst
hin und her wogenden Kämpfe der folgenden Monate forderten nicht
geringe Opfer1). Im Juli 1916 betrug die Einbuße durch Tod, Verwun-
dung, Krankheit und Gefangenschaft 167.000 Kämpfer, im August
noch immer 138.000. Regimenter, die anfangs Juni 4000 und mehr
Feuergewehre gezählt hatten, standen wochenlang mit einem Drittel
ihres Standes in schwerstem Kampfe. Alsbald verschwanden aus der
Kriegsgliederung die überzähligen (V., VI. usw.) Feldbataillone sowie
eine erhebliche Zahl von Landsturminfanteriebataillonen. Aber sowohl
sie als auch die Marschformationen, die im Armeebereiche noch ein paar
Wochen hätten geschult werden sollen, und nun vorzeitig in den Kampf
geworfen wurden, reichten bei weitem nicht aus, um alle Lücken in den
Reihen der Truppenkörper zu füllen. Nur zu bald waren auch sie ver-
braucht, und der Ruf nach Ersätzen erscholl wi&der so dringlich, wie es
seit den schweren Tagen des Karpathenwmters nicht mehr der Fall
gewesen war. Mit den fünf Reihen von Marschbataillonen, die nach
einem sorgfältig erstellten Ersatzprogramme von Juni bis zum Jahres-
ende vorgesehen waren2), war keinesfalls auszukommen. Denn die
eiligst herbeigeführten Ersätze — im Juni zogen die „zweiundzwanzig-
sten", im Juli eine Reihe von außertourlichen und im August die ,,drei-
undzwanzigsten" Marschbataillone ins Feld — wurden gar schnell von
dem Wirbel der kräftezehrenden Schlachten verschlungen. Wenigstens
!) Die gesamten Abgänge des Jahres 1916 siehe Beilage 2, Tabelle 1.
2) Schon von Ende 1915 an folgten die Marschbataillone einander nach je sechs
Wochen.
Rückgang der blutigen Verluste
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die am meisten Not leidenden Truppenkörper mußten im November
noch einmal „außertourliche" Marschbataillone erhalten.
An der Südwestfront nahm zwar die gesamte Menschenbewegung
ungeachtet der schwersten Kämpfe stets einen viel weniger stürmischen
Verlauf, doch stieg der Kraftverbrauch im Jahre 1916 auch hier schon
sehr erheblich an. Mehr als ein Drittel der gesamten Abgänge entfiel
jetzt schon auf diesen Teil des Kriegstheaters1). Eine erfreuliche Aus-
nahme von dieser Entwicklung des Menschenverbrauches bildete nur
nach wie vor die Balkanfront und — erstaunlicherweise — auch der
neue rumänische Kriegsschauplatz, dessen reichbewegte Geschehnisse,
aus dem Blickfeld des Kraftverbrauches gesehen, zu einer Episode ohne
größere Bedeutung wurden.
Wie in den vorausgegangenen Zeitabschnitten war auch im Jahre
1916 die Zusammensetzung der Verluste auf den verschiedenen Kriegs-
schauplätzen nicht gleich2). Nach wie vor überwogen im Süden die blu-
tigen Verluste, im Norden hingegen die Abgänge an Gefangenen; doch
ging deren Anteil an den gesamten Abgängen ständig zurück (von
35.4 v. H. im Jahre 1914 auf 28.9 v. II. im Jahre 1915 und auf 24.9 v. H.
im Jahre 1916) und selbst die großen Einbußen an Gefangenen während
der Kämpfe im Sommer 19163) vermochten daran nichts zu ändern,
ein Beweis dafür, daß es sich hier um ein einmaliges, wenngleich
schwerwiegendes Unglück handelte.
Noch deutlicher sprach sich ein erfreulicher Rückgang bei den blu-
tigen Verlusten aus; von je 1000 Männern, die aus den Reihen der
Kämpfer ausschieden, waren nur mehr 53 gefallen und 237 verwundet,
während dieser Anteil im Jahre 1915 noch 84 Gefallene und 296 Ver-
wundete, im Jahre 1914 sogar 109 Gefallene und 365 Verwundete be-
tragen hatte. Eine sichtliche Zunahme erfuhr nur die Zahl der wegen
Erkrankungen aus der Kampffront Scheidenden.
Im großen betrachtet, kann man d.aher sicherlich von einer befrie-
digenden Wandlung der Verlustbewegung sprechen, die ohne Zweifel
als Ausdruck zunehmender Kriegserfahrung sowie einer Kampfweise zu
!) Gegen 13.7 v. H. im Jahre 1915.
2) Vgl. Bd. IV, 87. Im Jahre 1916 betrugen die blutigen Verluste im Nordosten
27.2 v.H., im Südwesten 32.5 v. H., die Abgänge an Gefangenen jedoch im Nordosten
35.4 v. H. und im Südwesten 18.0 v. H. der Gesamtverluste der betreffenden Front.
3) Sie betrugen im Juni, dem Monate mit der größten Gefangenenziffer des
ganzen Krieges, auf dem russischen Kriegsschauplatze nicht weniger als 58 v. H. der
gesamten Abgänge.
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Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
werten war, die es gelernt hatte, weit mehr als früher mit Menschen-
kräften zu sparen.
Aber trotz solch erfreulicher Besserung betrug doch die Gesamt-
zahl aller Abgänge der Armeen im Jahre 1916 noch immer 34.000 Offi-
ziere und 1,716.000 Mann, und es stellte wahrlich keine leichte Aufgabe
für die Heimat dar, den Kraftzustrom für die Armee in diesem Um-
fange dauernd im Fluß zu erhalten. Für Ersätze und Neuformationen
waren in diesem Jahre nahe an 2.2 Millionen Männer aufzubringen.
Wenngleich hiezu 34.000 Offiziere und 938.000 Mann zur Verfügung
standen, die von ihrer Verwundung oder Erkrankung genesen waren
und zum zweiten oder öfteren Male ins Feld zurückkehrten, so mußten
doch mehr als noch einmal so viele Männer neu aus den Kraftreserven
der Heimat geholt werden.
Schon hatte man hiezu die meisten Jahrgänge zweimal, manche ein
drittes Mal gemustert, und im Mai die 18jährigen (Geburtsjahrgang
1898) einberufen. Auf diese Art wurden im Jahre 1916 dem Kriegs-
dienste noch rund 1,400.000 Männer zugeführt; aber nun waren die
Menschenreserven der Monarchie nahezu erschöpft. Das hatten die
letzten Musterungen, die nur mehr sehr bescheidene Ergebnisse brach-
ten, höchst eindringlich gezeigt. Lange Zeit schien es keinen anderen
Ausweg mehr zu geben, als die Landsturmpflicht auf die 17jährigen
und auf die 51- bis 55jährigen auszudehnen. Dagegen sprachen jedoch
gewichtige Gründe. Abgesehen von dem bedenklichen Eindruck, den
ein solcher Schritt bei Freund und Feind hervorgerufen hätte, konnte
man der endlich in mächtigem Aufschwung begriffenen Kriegswirt-
schaft keine erheblichen Arbeitskräfte mehr entziehen, ohne ihre Lei-
stungsfähigkeit ernstlich zu gefährden.
Glücklicherweise gelang es jedoch, auch ohne solch gefährliche
Eingriffe, noch einmal, die Standes- und Ersatzkrise wenigstens notdürf-
tig und für den Augenblick zu überwinden. Seit dem September nahmen
die Verluste im Nordosten wieder ein erträglicheres Maß an. Die außer-
tourliehen Marschbataillone brachten gleichfalls Erleichterung, und
gegen Jahresende zählten die meisten Divisionen schon wieder 8000 bis
10.000 Feuergewehre, im Südwesten sogar noch mehr.
Der bedeutende Kraftzustrom aus der Heimat kam übrigens keines-
wegs mehr völlig den Ständen der mit dem Gewehre im Schützengraben
stehenden Infanteriekompagnien zugute. Die vielen, stark vermehrten
Kampfmittel aller Art, der unvermeidlich anwachsende Führungs-, Er-
haltungs- und Versorgungsapparat und nicht zuletzt auch zahlreiche
Die Kräfteverteilung auf die drei Kriegsschauplätze 49
Ausbildungskurse zogen immer mehr Menschen an sich, so daß der Stand
an Kämpfern mit dem Femergewehre, den Infanteristen im engeren Sinne,
im Durchschnitte des Jahres 1916 nur ungefähr ein Drittel, im Dezem-
ber sogar nur ein Viertel des Verpflegsstandes ausmachte. Dabei ist
noch gar nicht in Betracht gezogen, daß schon längst mannigfache
Hilfsdienste im Armee- und Etappenbereiche von nichtmilitärischen
Kräften oder von Kriegsgefangenen ausgeführt wurden. Um die Jahres-
wende 1916/17 waren es beispielsweise bei einem Gesamtverpflegsstande
von 3,353.000 Köpfen schon 45.000 nicht dienstpflichtige Zivilarbeiter
und 301.000 Kriegsgefangene.
Auch in der Kräfteverteilung der Monarchie zwischen den verschie-
denen Schauplätzen ihres Kriegstheaters trat eine bedeutsame Verschie-
bung ein. Der Isonzo wurde zur öst.-ung. Hauptfront und zog immer
größere Teile des gesamten Kraftaufgebotes an sich. Während anfangs
1916 bei einem Gesamtstande von 979.000 Feuergewehren und Reitern
568.000 auf die Nordostfront, 281.000 auf die Südwestfront und 130.000
auf die Balkanfront kamen, standen zu Ende des Jahres von insgesamt
852.000 Gewehren und Reitern nur mehr 452.000 im Osten (trotz Er-
weiterung dieser Front um den rumänischen Kriegsschauplatz), 74.000
an der Balkanfront sowie in den besetzten Gebieten und in Festungen,
jedoch schon 328.000 an der Kampffront im Südwesten.
Veränderungen bei den Fußtruppen und bei der
Reiterei
Unter diesen durch Knappheit der Mittel gekennzeichneten Um-
ständen konnte auch im Jahre 1916 von einem entschiedeneren Ausbau
der Fußtruppen keine Rede sein. Ihre organisatorische Entwicklung
war bis zur Jahreswende 1915/16 vornehmlich durch Gelegenheits-
schöpfungen zum Ausdruck gekommen, die jedoch in ihrer Gesamtheit
immerhin einen nicht zu unterschätzenden Kraftzuwachs gebracht
hatten1). Eine manchmal vielleicht zu rege Neigung mancher Stellen zu
improvisierten Neuschöpfungen war schließlich vom AOK. eingedämmt
und dafür eine beschränktere Aufbauarbeit schon in die Richtung zu-
künftiger Organisationsabsichten gelenkt worden.
Großzügige Reorganisationspläne beschäftigten allerdings die in
Betracht kommenden Stellen, Heeresleitung und Kriegsministerium, seit
!) Vgl. Bd. IV, 90 ff., weiters Franek, 101 ff.
VI
4
50
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
langem. Nach diesen Plänen, die 1916 schon bis in alle Einzelheiten aus-
gearbeitet waren, sollte die öst.-ung. Wehrmacht künftighin aus 66 In-
fanteriedivisionen, 12 Kavallerie divi sionen und 28 Gebirgsbrigaden
bestehen, überdies noch 22 Landsturminfanteriedivisionen und 14 Land-
sturmbrigaden aufstellen1). Nun stellten diese Pläne zunächst wohl nur
Vorarbeiten für eine erst nach Kriegsende durchzuführende großzügige
Heeresreform dar, da schon wegen der gespannten Entwicklung der
Ersatzlage die Kriegszeit einer tiefgreifenden Neuordnung nicht günstig
zu sein schien. Dessenungeachtet war aber doch schon bis zum Frühjahr
1916 manches geschehen, was wenigstens mittelbar zur Verwirklichung
dieses Programmes beitrug2), und auch im weiteren Verlaufe des Jahres
konnten bei aller Not an Mann einige wichtige, zu dauerndem Bestand
ausersehene Verbände gebildet werden; so die Infanterieregimenter 105
bis 109 3), ein fünftes bh. Infanterieregiment und das Honvédinfanterie-
regiment Nr. 33. Auch die, Notwendigkeit, in Siebenbürgen rasch eine
neue Front aufzubauen, führte zu wertvollen Neusichöpfungen, wie die
Formierung von fünf neuen Brigaden, Nr. 141 bis 145, die allerdings
zum Teil nur eine neue Zusammenfassung schon bestehender Einheiten
darstellte. Übrigens kam es in der Entwicklungsphase, die von der zwei-
ten Hälfte 1916 bis weit in das Jahr 1917 reichte, viel mehr darauf an,
das organisatorisch Erreichte festzuhalten4), als umfangreiche Neuauf-
stellungen durchzuführen; man begnügte sich daher, die Pläne für den
künftigen Heere sausbau wenigstens bei der Lösung zahlreicher orga-
nisatorischen Einzelfragen zu berücksichtigen 5).
In mancher Hinsicht konnten bei den Fußtruppen sogar Rückbil-
dungen nicht vermieden werden; die Krafteinbußen auf dem russischen
Kriegsschauplatze waren am Ende doch nicht mehr völlig ersetzbar.
Im Dezember zählte die gesamte Wehrmacht um 45 Bataillone weniger
x) Über die beabsichtigte Gliederung der öst.-ung. Wehrmacht nach den da-
maligen Ausbauplänen des AOK. sieh'e Beilage 2, Tabelle 2.
2) Vgl. Bd. IV, Beilage 4, Tabelle 5.
3) Die Regimenter 108 und 109 wurden um die Jahreswende 1916/17 wieder
aufgelöst.
4) Über den organisatorischen Stand der öst.-ung. Wehrmacht um die Jahres-
wende 1916/17 siehe Beilage 2, Tabellen 3 bis 6. Vgl. damit Bd. IV, Beilage 4, Ta-
bellen 5, 7, 8 und 9.
6) Beispielsweise erhielten die neuen HonvédinfanterLeregimenter meist Num-
mern über 300, weil künftig die gemeinsamen Heeresregimenter von 1, die k. k. Schüt-
zenregimenter von 200 und die k. u. Honvédinfanterieregimenter von 300 an aufwärts
bezeichnet werden sollten.
Die Freiwilligentruppen
51
als im Mai (984 gegen 1029). Die meisten „überzähligen" Feldbataillone
der Infanterieregimenter sowie nicht weniger als 36 von 200 Land-
Sturminfanteriebataillonen waren aus der Kriegsgliederung verschwunden.
Auch das Freiwilligenwesen hatte den Höhepunkt seiner Entwick-
lung bereits überschritten. Wohl bildeten die vorhandenen Verbände
auch weiterhin wertvolle und willkommene Hilfe, vor allem die nun
in 29 Bataillone und 21 Kompagnien gegliederten Tiroler und Vorarl-
berger Standschützen sowie die alpenländisehen freiwilligen Schützen-
regimenter (zusammen neun Bataillone). Im Osten waren sogar den
Bukowinaer und den ukrainischen Freiwilligen noch fünf Siebenbürger
freiwillige Streifkompagnien, das sogenannte „Tigerbataillon", zugesellt
worden. Aber alle diese Verbände verfügten über keine oder nur sehr
geringfügige Reserven; bei der überaus gespannten Lage des Ersatz,-
wesens konnte natürlich nicht daran gedacht werden, die Freiwilligen-
truppen auf vollem Stande zu erhalten oder gar auszubauen. Der größte
Freiwilligenverband, die Polenlegion, schied übrigens im Zusammen-
hang mit der politischen Entwicklung der Polenfrage im Herbst gänz-
lich aus der Einflußsphäre der öst.-ung. Wehrmacht aus.
Während also der Verlauf der Ereignisse im Jahre 1916 einen
organisatorischen Ausbau der Fußtruppen nicht begünstigte, führte die
Entwicklung d;er neuen Kampf formen zu ganz erheblichen Wandlungen
ihres inneren Gefüges. Neue Infanterieformationen fielen, nicht ihrem
Umfange nach, sondern wegen ihrer Bedeutung, für besondere Dienste
ins Gewicht. Dazu gehörten vor allem die an der Südwestfront aufge-
stellten Sondertruppen für den Krieg im Hochgebirge: die „Hochge-
birgskompagnien", die für besondere Unternehmungen, für Kampf und
Aufklärung, für Führer- und Rettungsdienste bestimmt waren, sowie
„Bergführerabteilungen", Sammeleinheiten der erfahrensten und geübte-
sten Alpinisten, die zu besonders schwierigen hochalpinen Unterneh-
mungen sowie zur Leitung und Durchführung von alpintechnischen
und Bergungsarbeiten herangezogen wurden1).
Eine andere Neuerung, die bald berufen sein sollte, zum ent-
scheidenden Träger einer neuen Kampfweise zu werden, waren die
x) Ende 1916 gab es acht Hochgebirgskompagnien, bestehend aus je drei Infan-
teriezügen, einem MG-Zug, einem technischen Schwärm, zwei Telephonpatrouillen
und einzelnen Bergführerpatrouillen, weiters 12 „Bergführerabteilungen", die 120O
der erfahrensten Alpinisten, zu „Bergführern" ernannte Offiziere und Soldaten, ver-
einigten. In den ersten Monaten des Jahres 1917 erhöhte sich ihre Zahl auf 95 Offi-
ziere und 1900 Mann in 13 Abteilungen.
4*
52
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
„Sturmbataillone" oder „Sturmtrupplehrbataillone". Nach Beispielen der
deutschen Westfront sollten sie vorerst hauptsächlich als Schuleinheiten
wirken und im Laufe des Winters für jede Infanteriekompagnie eine bis
zwei Sturmpatrouillen in der Führung des Nahkampfes mit den modern-
sten Mitteln ausbilden; doch man dachte auch schon daran, die
Sturmbataillone gegebenenfalls als Ganzes zur Durchführung schwie-
riger Angriffe heranzuziehen. Schließlich wurde in der zweiten Hälfte
1916 auch die Grenzjägertruppe in Albanien von sechs Kompagnien
auf ebensoviel Bataillone ausgebaut.
Noch wichtiger vielleicht als diese bei Jahreswende 1916 zum Teil
erst im Werden begriffenen Schöpfungen war jedoch die Wandlung,
welche in der inneren Gliederung der Fußtruppen vor sich ging. Eben
hatten Maschiniengewehr und Handgranate begonnen, dem Gewehr und
dem Bajonett den alten Rang als wichtigste Waffen der Infanterie ent-
scheidend streitig zu machen. Die Vermehrung der Maschinengewehre
war endlich in schnellerem Tempo vor sich gegangen. Seit Kriegsbieginn
waren für diesen Zweck — die notwendigen Ersätze mitinbegriffen —
2384 Maschinengewehrabteilungen aus der Heimat ins Feld gesendet
worden, davon 1496, weit mehr als die Hälfte, allein im Jahre 1916.
Ende Oktober besaß jedes Bataillon seine Maschinengewehrkompagnie
zu vier Gewehren; man schritt sogleich daran, sie auf acht Gewehre zu
verstärken, und durfte hoffen, diesem Ziele in kurzer Frist nahe zu
kommen, weil die Steyrwerke nun schon monatlich rund 850 Maschinen-
gewehre lieferten.
Bedeutendes Ansehen als wichtigstes Nahkampfmittel erwarb sich
die Handgranate, besonders seit die deutschen Muster der „Stiel-" und
der „Eihandgranaten" vorlagen, welche trotz größter Wirkung so leicht
von Gewicht waren, daß geübte Werfer sie bis zu 50 Meter weit werfen
konnten. Zwar mußten sich die öst.-ung. Truppen noch geraume Zeit
mit den schweren kukuruzförmigen „Zeitzünder-" und den „Rohrhand-
granaten" behelfen und manche Schlacht im Jahre 1917 mit ihnen aus-
fechten. Es wurde jedoch mit großem Nachdruck die Erzeugung der
neuen Muster betrieben, mit denen die Handgranate zu einem ausge-
sprochenen Angriffsmittel wurde und, als Hauptwaffe der eben im
Entstehen begriffenen Sturmtruppen, mithelfen sollte, das Wesen des
Infanterienahkampfes weitgehend zu verändern.
Eine nicht weniger tief greifende Wandlung bewirkte die im mo-
dernen Kampfe gewonnene Erkenntnis, daß die Infanterie in schwieri-
gen Lagen, in denen die Hilfe der Artillerie unsicher war oder zu spät
Infanteriegeschütz und Minenwerfer
53
kam, im eigenen Bereiche Kampfmittel brauchte, um feindlichen Wider-
stand brechen oder plötzlich auftauchenden Gefahren wirksam begegnen
zu können. Diesem Zwecke sollten Infanteriegeschütze, Minenwerfer
und Granatwerfer dienen, die in den unmittelbaren Verband der Infan-
terie traten. Bis zur Jahreswende kamen 310 Züge mit dem kleinen
37 mm-Infanteriegeschütz an die Front, so daß zu dieser Zeit jedes
Regiment und die selbständigen Bataillone mindestens eine Infanterie-
geschützabteilung besaßen. Es bestand die Absicht, die Regimenter mit
zwei solchen Zügen auszustatten.
Die neue Waffe fand bei der Truppe indes nur geteilte Aufnahme.
Wohl begrüßte man allgemein die Einführung eines Kampfmittels, das
die Wirkung der Artillerie ergänzen konnte, erwartete aber von dem
kleinen Geschütze zumeist Leistungen wie Zerstörung von Deckungen,
von betonierten Beobachtungs- und Maschinenge wehrständen u. dgl. m.,
zu denen es nicht befähigt war. Mit einer nur „gelegentlichen" Ver-
wendung der Infanteriegeschütze, zu der es überdies im Stellungskriege
nur selten kommen konnte, fand sich die Truppe nicht leicht ab. Fast
alle Berichte gipfelten in dem Wunsche nach größerer Wirkung, größe-
rem Kaliber und größerer Schußweite, Forderungen, die ohne Erhöhung
des Gewichtes nicht erfüllt werden konnten. Einzelne Verbesserungen an
Konstruktion, Organisation und Munition1) vermochten daran nichts zu
ändern. Das schwierige Problem der Infanteriegeschütze trat indessen
bald weit in den Hintergrund gegenüber einer anderen Sorge, die viel
dringender geworden war, die Frage der Minenwerfer.
Das Minenwerferwesen hatte sich in der öst.-ung. Armee in den
ersten zwei Kriegsjahren nur wenig entwickelt. Noch im Frühjahr 1916
gab es bloß ein leichtes Muster, das eines 9 cm-Minenwerfers, in
nennenswerter Anzahl bei der Infanterie. Die vorhandenen größeren
Minenwerfer spielten der Zahl nach so gut wie keine Rolle; ihre Lei-
stungsfähigkeit war überdies gering. Da begann sich, vornehmlich an
der Südwestfront, eine von Monat zu Monat zunehmende Überlegenheit
des Feindes an schweren Minenwerfern auszusprechen, die (als Luft-
minen wer fer) nicht leicht entdeckt und — da es ja noch immer an Steil-
feuergeschützen mangelte —• nur schwer bekämpft werden konnten.
Allenthalben stand man unter dem Eindruck der gewaltigen moralischen
1) Durchwegs abgelehnt wurde die ursprünglich gewählte Fortbringung auf
Karren mit Hundezug; sie bewährte sich nirgends, am schlechtesten im Gebirge.
Später richtete man die Infanteriegeschützabteilungen so ein, daß das Material ent-
weder von Männern oder von Tragtieren getragen wurde.
54
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
und zerstörenden Wirkung dieser Waffe, ihrer für damalige Begriffe
ganz ungewöhnlichen Wurfweite von 1300 Metern *) und der großen
Zahl, in der sie beim Feind in den Kampf eingriff. Wenn auch die
Schätzungen übertrieben waren, die von 8000 schweren Minenwerfern
bei den Italienern allein an der Isonzofront sprachen2), so wurde doch
kaum jemals die Überlegenheit des Feindes an Waffen drückender emp-
funden, und noch nie war das Verlangen nach einem gleichwertigen
Kampfmittel so heftig aus den Reihen der Truppen erklungen wie eben
der Ruf nach schweren Minenwerfern.
Die Heeresleitung hatte die Bedeutung der Minenwerfer- und über-
haupt der Nahkampf mittelfrage früh erkannt und sich schon seit dem
Sommer entschiedener mit einer Massenerzeugung dieser Waffe be-
faßt; doch hatte es lange an befriedigenden Mustern, besonders ;an
solchen für einen schweren Minenwerfer gefehlt. Schließlich wurde im
Herbst ein großer Ausbauplan für diese Waffen beschlossen3). Bei
dessen Durchführung wurde auch von der bisher üblichen Einteilung
der Minenwerfer abgegangen. Leichte Minenwerfer und Granatwerfer
gingen in der Infanterie auf, mittlere und schwere Minenwerfer traten
von den Sappeuren, zu denen sie bisher gehörten, in den Verband der
Artillerie über.
Solch kräftige Ausbaupläne, die immerhin die Erzeugung von rund
900 leichten, 1200 mittleren und 1100 schweren Minenwerfern erforder-
ten, entsprachen durchaus den Wünschen aller Truppen, die — beson-
ders am Isonzo — schwer unter der Übermacht der Minenwerfer des
Feindes litten. Es währte freilich noch geraume Zeit, bis die guten Ab-
sichten zur Wirklichkeit wurden. Ende 1916 standen neben 83 Zügen
des 12 cm- und 100 Zügen des 22 cm-Minenwerfers nur leichte Minen-
werfer und Granatwerfer in größerer Anzahl an der Front.
Eine weitere wertvolle Ausgestaltung erfuhr die Infanterie in
*) Zu dieser Zeit erreichten die öst.-ung. Minenwerfertypen nur Wurfweiten
von 300 bis 600 Meter.
2) Das AOK. schätzte Mitte Oktober die Zahl der beim Feinde im Kampf
stehenden Minenwerfer auf 2400, davon die Hälfte schwere; auf die Isonzofront
dürften nach der gleichen Schätzung höchstens 800 schwere italienische Minenwerfer
entfallen sein.
3) Jedes Infanterieregiment erhielt einen Minenwerfer- und einen Granatwerfer-
schwarm (zwei 9 cm-MW. und zwei tragbare GW.), weiters jede Infanteriedivision
vier Züge zu je zwei 12 cm-LuftMW. und ebensoviele schwere 22 cm-MW. Eine
namhafte Reserve — etwa so viel als alle Regimenter und Divisionen zusammen —
sollte es dem AOK. ermöglichen, diese wirksame Waffe nach Bedarf einzusetzen.
Die technischen Infanteriekompagnien
55
technischer Hinsicht durch den Ausbau der für die vielen technischen
Aufgaben längst nicht mehr ausreichenden Pionierabteilungen dieser
Waffe zu „technischen Infanteriekompagnien". Den „technischen Infan-
teriezügen", deren jedes Regiment so viele aufstellte, als es Bataillone
besaß, wurden überdies ein „Infanteriekampfmittelzug x) und ein „Infan-
terietelephonzug" angegliedert. So wurde auch das Verbindungswesen,
das bisher bei der Infanterie einigermaßen zersplittert auf der Ausrü-
stung der Unterabteilungen mit dem Fernsprechgerät aufgebaut war,
einheitlich zusammengefaßt2).
Alle diese Einführungen und Änderungen, so geringfügig sie teil-
weise auch scheinen mochten, hatten im Laufe des Jahres 1916 in der
Gesamtheit doch das Wesen der Königin der Waffen von Grund auf
verändert. Schritt für Schritt wich ihre seit Jahrhunderten bewahrte
Einheitlichkeit und Gleichförmigkeit einer reicheren und verschieden-
artigen Gliederung. Ihre Einheiten waren im Begriffe, zu kleinen Ver-
bänden gemischter Waffen zu werden, eine Wandlung, die sich in der
Nachkriegszeit fortsetzen sollte.
Auch an dem rein äußerlichen Bilde der Truppen gingen das
zweite und das dritte Kriegsjahr nicht spurlos vorüber. Das „hecht-
graue" Soldatenkleid war nun schon überall durch ein „feldgrünes"
ersetzt, die ursprüngliche Gleichartigkeit irl Farbe, Schnitt und Ausfüh-
rung — und leider auch in Güte der Stoffe — einer größeren Mannig-
faltigkeit gewichen. Verschwunden waren auch die langen Hosen und
die schmalen Bänder, die sie an den Knöcheln umschlossen („Hosen-
spangen"); alles trug Kniehosen und die bei sämtlichen Nationen gleich
beliebten Wickelgamaschen. Ebenso war der Kalbfelltornister schon über-
all durch den zwar unschönen, aber geräumigeren Rucksack verdrängt.
Noch ein gut Stück einstiger Buntheit der öst.-ung. Armee ging in
diesem Jahre fast ganz verloren; teils aus Gründen der schnellen Er-
zeugung, teils wegen Mangels an den feinen kostbaren Tuchsorten wur-
den die Feldkleider fast nur mehr ohne „Kragenaufschläge" geliefert.
Immer seltener begegnete man den traditionellen „Regimentsfarben",
die selbst von den Offizieren vielfach nur in ganz schmalen Streifen
getragen wurden.
*•) In ihm waren die leichten Minenwerfer- und Granatwerferschwärme sowie
zwei Scheinwerferschwärme vereinigt.
2) Die Infanterietelephonzüge setzten sich aus je einem Telephonschwarm für
das Regimentskommando und für jedes Bataillon sowie aus einem Meldereiter-
schwarm zusammen.
56
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
Noch war der Stahlhelm — selbst zu Jahresende — ein seltener,
meist nur bei Sturmformationen vorhandener Ausrüstungsgegenstand.
Seine allgemeine Einführung, schon lange als unabweislich erkannt, war
jedoch durch Erzeugungsschwierigkeiten gehemmt gewesen und begann
erst entschiedenere Fortschritte zu machen, als man sich auf Drängen
» der k. u. k. Heeresleitung zur Großerzeugung des vorzüglichen deutschen
Modells in österreichischen Werkstätten entschloß. Um die Jahreswende
1916/17 durfte man hoffen, daß bis Ende des Monats März schon
400.000, bis Ende des Monats Juli schon mehr als IV2 Millionen Stahl-
helme bei den Truppen sein würden.
Der Kavallerie war die Bahn ihrer Entwicklung schon seit der
ersten Kriegszeit durch das veränderte Wesen des Krieges und durch
den Mangel an Pferden unabwendbar vorgezeichnet. Auch im zweiten
und im angehenden dritten Kriegs jähre boten sich ihr keine echten
Reiteraufgaben, in denen sie ihre altbewährte Eigenart hätte zur Gel-
tung bringen können. Selbst wenn erfolgversprechende Gelegenheiten
für ihren Einsatz zu winken schienen, wie es auf dem rumänischen
Kriegsschauplatze der Fall war, wo tatsächlich viereinhalb öst.-ung. Ka-
valleriedivisionen herangezogen worden waren, führten die Ereignisse
sie wieder in den ortgebundenen mühsamen Infanteriekampf, größten-
teils sogar ins Gebirge.
Kein Wunder, daß die Reiterei, als es für den Ausbau der Artillerie
an Pferden fehlte, wieder ein gutes Stück Weges weiter zur Angleichung
an die Infanterie gedrängt wurde. Schon im Frühjahr 1916 sahen sich
die Kavallerieregimenter auf vier Schwadronen zu je 110 Reitern ver-
mindert; hingegen waren bei jeder Kavalleriedivision zwei bis drei
Schützendivisionen in Bataillonsstärke formiert, die Maschinengewehre
vermehrt und Infanteriegeschütze eingeteilt worden. Immer entschie-
dener rückte die Kampfkraft der Kavalleriedivisionen auf die Seite der
zu Fuß formierten Einheiten, immer rascher vollzog sich diese Wand-
lung. Schon im September des Jahres 1916 mußten die Kavallerieregi-
menter ihre Reiterabteilungen auf eine Division beschränken und ihre
Fußabteilungen auf eine volle Schützendivision erweitern1). Aber auch
dabei sollte es nicht mehr lange bleiben. Die Tage der Reiterei waren
gezählt.
*) Die Anzahl der Schwadronen war sowohl bei den Reiter- als auch bei den
Schützendivisionen verschieden und wechselnd. In der Gesamtzahl der Reiterschwa-
dronen änderte sich jedoch durch die neue Gliederung zunächst noch nichts gegen-
über dem Stande vom Mai 1916.
Ausbauplan für die Artillerie
57
Artiii e rieausbau und industrielle Entwicklung
Am ansehnlichsten war in den ersten zwei Kriegs jähren der Ausbau
der Feld- und der Gebirgsartillerie fortgeschritten. Die anfangs 1915
angebahnte großzügige Neuordnung ging nun mit schnellen Schritten
der Vollendung entgegen. Ende 1916 konnte jede Infanteriedivision
schon über ein Feldkanonen-, ein Feldhaubitz- und ein schweres Feld-
artillerieregiment verfügen, und, wenn auch da oder dort eine Batterie
fehlte, oder Batterien noch nicht die volle Zahl von Geschützen besaßen,
so kamen doch durchschnittlich fast 60 Geschütze auf eine Division. Die
ursprünglichen Pläne hatten sogar eine gewisse Erweiterung erfahren,
da Fliegerabwehrkanonen-(„Flak-")batterien und die Minenwerferbatte-
rien als 5. und 6. Batterien den Feldkanonenregimentern angegliedert
wurden. Auch mit der Aufstellung von Gebirgsartillerieregimentern für
die beiden Landwehren hatte man schon begonnen1).
Der großen Neuordnung des Artilleriewesens lag der Gedanke zu
Grunde, daß vor allem die Infanteriedivision ausgiebig mit Artillerie
ausgestattet werden müsse, damit sie alle an sie herantretenden Auf-
gaben aus eigener Kraft durchführen könne. Reiche Erfahrungen der
ersten zwei Kriegs jähre bestätigten die Richtigkeit dieser leitenden Idee.
Hatte man anfangs den Divisionen nur einen Teil der zu schaffenden
schweren Feldartillerie geben und daneben auch die Korps mit schweren
Haubitzen und Kanonen ausrüsten wollen2), so wurde auf Grund der
Kriegserfahrung der Gedanke an eine Korpsartillerie bald gänzlich
zu Gunsten einer Verstärkung der Divisionsartillerie fallen gelassen.
Es hat sich gezeigt, daß die Infanterie nie genug Artillerie zur Seite
hatte, Artillerie, deren Wirkung nie groß genug sein konnte. Zumal das
Steilfeuer gewann so überragende Wertschätzung, daß man beschloß, die
schweren Feldartillerieregimenter entgegen den ursprünglichen Plänen
aus drei schweren Feldhaubitzbatterien und nur einer 10.4 cm-Kanonen-
batterie zu bilden. Da inzwischen die Zahl der leichten Feldhaubitzen
1) Über den Gesamtstand der Artillerie zu Ende 1916 siehe Beilage 2,
Tabelle 5. Am Ausbau der Artillerie hatte die ganzen Jahre über der bei der
Heeresleitung eingeteilte Gstbsobst. Pflug hervorragenden Anteil.
2) Bei Kriegsbeginn bestanden nur Ansätze einer schweren Feldartillerie in den
14 schweren Feldhaubitzdivisionen. Die ersten Pläne gingen dahin, die Infanterie-
divisionen mit je einer 15 cm-Feldhaubitz- und einer 10.4 cm-Kanonenbatterie zu
versehen und den Korps die gleiche Zahl von schweren Batterien für jede ihrer
Divisionen zu geben. Vgl. Bd. II, 18.
58
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
vervierfacht worden war, gab es jetzt — die Gebirgsartillerie nicht ein-
gerechnet — schon doppelt so viel Haubitzen wie Kanonen, sicherlich
eine bedeutende Wandlung gegen Kriegsbeginn, wo erst auf drei Kanonen
eine Haubitze gekommen war. Schon wurden Stimmen laut, die solch
starkes Überwiegen des Steilfeuers nicht für jeden Fall gut hießen.
Nicht weniger dringend als die Vermehrung des Steilfeuers wur-
de von allen Seiten eine Erhöhung der Schußweiten gefordert, ein Ver-
langen, dem weit schwieriger entsprochen werden konnte. Erst ganz neu
konstruierte Geschütze, die bei der Festungsartillerie eingeführt wurden,
hatten größere Schußweiten.
Baute sich die Organisation der gesamten leichten und schweren
Feldartillerie sowie der Gebirgsartillerie gänzlich auf der Führungsein-
heit der Infanteriedivision auf, so stellte die schwere und die schwerste
Artillerie ein Mittel in der Hand der obersten Führung dar, um je
nach Bedarf eine mächtige Artilleriekraft auf jenen Teilen des Schlacht-
feldes vereinigen zu können, wo es die Lage erforderte..
Den Rahmen für die Verwendung der schweren Artillerie bildete
die Festungsartillerie. Ihre Gliederung hatte von Haus aus neben einer
größeren Zahl von Besatzungskömpagnien in den festen Plätzen, der
„Festungsartillerie" im engeren Sinne des Wortes, auch noch „Angriffs-
kompagnien" gekannt, die die schweren Batterien des Feldheeres be-
dienten. Die meisten der dabei in Verwendung tretenden Geschütze waren
allerdings veraltet, und lange Zeit besaßen eigentlich nur die 30.5 cm-
Mörser, in den ersten zwei Kriegs jahrein der Zahl nach verdoppelt,
wirkliche Bedeutung. Daran änderte nur wenig, daß es im Mai 1916
schein 420 schwere mobile Geschütze bei der Festungsartillerie gab;
denn noch immer überwog altes Material, das ja mitunter gute Dienste
leistete, im großen ganzen jedoch den modernen Anforderungen nicht
entsprach.
Inzwischen waren aber einige neue, äußerst leistungsfähige und wir-
kungsvolle schwere Geschütze konstruiert und erprobt worden1), so daß
!) Bei Kriegsausbruch war — außer den leichten Geschützen — eine 42 cm-
Haubitze mit Schußweite 12.7 km, Fortbringung mit Autozug, in Konstruktion. Im
Jahre 1916 standen für die Großerzeugung bereit:
eine 15 cm-Haubitze M. 15 mit 11.5 km Schußweite
eine 15 cm-Kanone M. 15 mit 18.3 km Schußweite
eine 38 cm-Haubitze, mit 16 km Schußweite
eine 24 cm-Kanone mit 26 km Schußweite,
sämtliche mit Autozug fortzubringen.
Die schwere Artillerie des Feldheeres
59
die Heeresleitung nun auch an den Ausbau der schweren Artillerie
schreiten konnte. Die vorliegenden Modelle hätten schon damals eine
vollständige Motorisierung der ganzen schweren Artillerie ermöglicht,
und es fehlte nicht an gewichtigen Stimmen, die diese Neuerung auch
verlangten. Mannigfache Erfahrungen veranlaß ten jedoch zu einer ge-
wissen Zurückhaltung in dieser Frage. Nicht nur im Gebirge, wie im
Lovcengebiete und in vielen Teilen Kärntens und Tirols, sondern auch
auf dem nordöstlichen Kriegsschauplatze war es vorgekommen, daß mo-
torisierte Batterien nicht hatten fortgebracht werden können. Aus Wol-
hynien mußten 30.5 cm- und 42 cm-Batterien abgeschoben werden, weil
sie dort selbst auf Reichsstraßen nicht vorwärts kamen. Unter solchen
Umständen konnte die Heeresleitung nicht darauf verzichten, in ihre
Artilleriereserve, die Festungsartillerie, auch einige mit Pferden be-
spannte Batterien aufzunehmen.
So wurde denn im Sommer 1916 ein großzügiger Plan für die völ-
lige Erneuerung der mobilen Festungsartillerie aufgestellt, die nunmehr
120Batterien der modernsten schweren Geschütze umfassen sollte1).
Damit schien sich eine schon seit langem begonnene Wandlung der schwe-
ren Artillerie zur beweglichen Waffe der Vollendung zuzuwenden. Bald
sollte der Begriff „Festungsartillerie", der ja nicht mehr zutraf, fallen
und der Bezeichnung „schwere Artillerie" weichen.
Zu Ende des Jahres 1916 war die Ausführung dieser großen Pläne
allerdings erst wenig über die ersten Anfänge gediehen. Viel zu spärlich
für den dringenden Wunsch der Truppen kam beispielsweise das Haupt-
geschütz, die neue 15 cm-Haubitze, an die Front. Allein der Ausbau der
Artillerie hing stets auf das engste mit der Leistungsfähigkeit der Indu-
strie zusammen, und so viel auch schon geschehen war, um die Waffe
zu verstärken, die Anforderungen waren immer noch größer. Auch jetzt
blieb die industrielle und organisatorische Arbeit nicht auf die schwere
'Artillerie allein beschränkt. Denn wenn die Feld- und Gebirgsartillerie
i) Der Plan des AOK. für den Ausbau der Festungsartillerie sah die Ein-
stellung folgender Batterien vor:
16 Batterien zu 4 Gesch. 15 cm-Haubitzen M. 15 (motorisiert)
8 Batterien zu 4 Gesch. 15 cm-Kanonen M. 14 (mit Pferden bespannt)
16 Batterien zu 4 Gesch. 15 cm-Kanonen M. 15 (motorisiert)
8 Batterien zu 4 Gesch. 10.4 cm-Kanonen M. 14 (mit Pferden bespannt)
48 Batterien zu 2 Gesch. 30.5 cm-Mörser M. 11 (motorisiert)
8 Batterien zu 2 Gesch. 38 cm-Haubitzen (motorisiert)
8 Batterien zu 2 Gesch. 24 cm-Kanonen (motorisiert)
8 Batterien zu 2 Gesch. 42 cm-Haubitzen (motorisiert)
60
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
auch im Westen fast fertig aufgebaut war, so galt es doch, dauernd für
den Ersatz unbrauchbar gewordenen oder verloren gegangenen Geräts x)
zu sorgen. Und da schließlich die artilleristische Rüstung allmählich in
Einklang gebracht werden mußte mit der schon erwähnten, für die Zu-
kunft geplanten Gesamtorganisation der Wehrmacht, so war das Artille-
rieprogramm der Heeresleitung noch weit von der Vollendung entfernt.
Wenn man berücksichtigt, daß auch die Erneuerung des leichten Feld-
kanonenmate,rials nicht mehr lange aufgeschoben werden konnte2), so
umfaßte der gesamte Bedarf für die Reorganisation der Artillerie nicht
weniger als 13.300 Geschütze (davon 520 schwere), von denen um die
Jahreswende 1916/17 erst 5000 (davon 90 schwere) vorhanden waren.
Die öst.-ung. Heeresleitung besaß genug trübe Erfahrungen, um zu
wissen, daß sie Rüstungsforderungen, die nicht jetzt unter dem Zwange
des Krieges durchgesetzt wurden, im künftigen Frieden wohl kaum er-
reichen werde. Aber auch von dieser Erkenntnis abgesehen, durfte sie
nicht säumen, alle Kräfte der Monarchie, um deren Bestand es doch
ging, bis aufs äußerste anzuspannen. Je mehr der Strom menschlicher
Kräfte zu versiegen drohte, desto mehr mußten Maschinen an ihre Stelle
treten, und es mußten deshalb die industriellen Kräfte zur höchsten
Leistung gesteigert werden.
Die Kriegsindustrie der Donaumonarchie hatte im Verlauf des
zweiten Kriegsjahres einen gewaltigen Aufschwung erfahren und strebte
um die Jahreswende in allen Zweigen machtvoll dem Höchstmaß ihrer
Leistungsfähigkeit zu. So stieg die Halbjahreserzeugung von 1914 bis
zum zweiten Halbjahr 1916:
Gesamterzeugnis
seit Kriegsbeginn
an Geschützrohren (einschl. Rohlinge) von 240 auf 3.554 9.462
an Lafetten von 148 auf 1.900 .......... 6.998
an Maschinengewehren (einschl. ausländischer Typen) von
1.087 auf 3.912.............. 11,102
an Gewehren von 149.000 auf 630.000 ........ 2,252.000
1) Im Juni erreichte die Zahl unbrauchbarer Geschütze eine solche Höhe, daß
vorübergehend alle Neu aufstell ungen und Umbewaffnungen eingestellt werden muß-
ten, um die Ersätze leisten zu können.
2) Die 8 cm-Feldkanone M 5/8 war zwar ein modernes Geschütz, ihre Leistung
entsprach aber doch — besonders hinsichtlich der Schußweite — nicht den steigen-
den "Anforderungen. Die Einführung einer neuen Feldkanone war im Jahrei 1916
noch nicht spruchreif, wurde aber in das große, auf weite Sicht berechnete Bestell-
programm des AOK. schon einbezogen.
Industrieller Aufschwung
61
Ende 1916 konnten monatlich 850 Maschinengewehre, 100.000 Ge-
wehre und 500 Geschütze, darunter fast die Hälfte Steilfeuergeschütze,
hergestellt werden. Für das kommende Jahr sahen die Lieferprogramme
noch wesentliche Steigerungen vor,. Der Kreis der Erzeugungsstätten war
erweitert und zu den Skodawerken, den Steyrwerken und dem Arsenal
wurden seit 1915 auch die Böhlerwerke und seit 1916 die Eisenwerke
Witkowitz und Resica sowie die ungarische Kanonenfabrik zu Arbeiten
für den Kriegsbedarf herangezogen.
So begrüßenswert es war, daß die bisher recht fühlbare Unzuläng-
lichkeit der industriellen Kräfte der Monarchie aufgehört hatte, ein
Hemmnis für den Ausbau der Wehrmacht zu bilden, so durfte sich die
Heeresleitung doch keineswegs damit zufrieden geben. Ein Ende des
Krieges war nicht abzusehen. Den Feinden stand die Wirtschaft der
ganzen Welt zur Beschaffung von Kriegsgerät zur Verfügung. Schon
hatte der Krieg begonnen, zum Materialkrieg, zum Krieg der Maschinen
zu werden. Wer in dieser Entwicklung zurückblieb, mußte unterliegen.
Sicherlich ließ sich noch weit mehr als bisher aus der Industrie her-
ausholen, wenn man sie durch langfristige Aufträge zu größeren Investi-
tionen ermunterte. Die Heeresleitung hatte es jedoch nicht leicht, diese
Auffassung zur Geltung zu bringen. Ende 1916 hatte z.B. das oben ge-
schilderte Ausbauprogramm der Artillerie (S. 59) noch nicht die Zustim-
mung der Regierungen gefunden, weil es 1.3 Milliarden Kronen kostete.
Der industrielle Aufschwung dieser Zeit ist umso bemerkenswerter,
als ihm die äußerst gespannte Rohstofflage nicht geringe Hemmnisse be-
reitete. Einem monatlichem Kupferbedarf von 3000 bis 5000 Tonnen stand
nur eine Deckung von 2000 bis 3000 Tonnen gegenüber, obgleich die
Metallzentrale schon 70 v. H. der Kupfervorräte aller Art aus der Pri-
vatwirtschaft herausgeholt hatte. Selbst so sinnfällige Eingriffe wie
die Abnahme von Kirchenglocken, Kupferdächern und Blitzableitern lie-
ferten bis Ende 1916 nur 6400 Tonnen Kupfer und ließen in der Folge
höchstens noch die Aufbringung von weiteren 7300 Tonnen erhoffen;
letzten Endes doch recht bescheidene Ergebnisse gegenüber den Mengen
des Bedarfes. An Blei wurde monatlich nur wenig mehr als die Hälfte
der erforderlichen Menge gewonnen. Selbst die Gewinnung von Eisen
und Stahl sowie von Manganerzen erreichte bei weitem nicht die not-
wendige Höhe. Um den Nickelbedarf zu decken, entschloß man sich
nach längerem Zögern endlich doch, die Nickelmünzen durch solche aus
Eisen zu ersetzen. Im Winter 1916/17 begann schließlich auch schon
Knappheit an Kohle fühlbar zu werden. Wirkte sich der Mangel vorerst
62
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
noch nicht in der Industrie, sondern nur in den privaten Haushalten aus,
so war doch wieder ein neuer empfindlicher Punkt der blockierten
Kriegswirtschaft zu Tage getreten.
Immerhin war es bisher noch immer gelungen, durch Ausbeutung
der Metallvorkommen Serbiens und Polens, durch verschiedene Aushil-
fen und nicht zuletzt durch die Unterstützung, die der wirtschaftlich
ungleich stärkere deutsche Bundesgenosse geliehen hatte, die ärgste Not
zu überwinden.
Empfindlicher als in der Waffenerzeugung machte sich die Knapp-
heit an Rohstoffen bei der Munitionserzeugung fühlbar, wo die Beschaf-
fung der erforderlichen Mengen von Pulver und Sprengstoffen trotz
Errichtung neuer Fabriken nach wie vor auf bedeutende Hemmungen
stieß. Auch konnte die Schwierigkeit noch immer nicht überwunden
werden, daß die Erzeugung nicht nur an sich gesteigert, sondern auch
gleichzeitig auf neue Munitionssorten für die neuen Geschütze um-
gestellt werden mußte. Erst mit der fortschreitenden Erneuerung des
Geschützmaterials trat darin eine Erleichterung gegenüber dem Zustand
von 1915 ein, in welchem Jahre für 29 Geschütztypen 100 verschiedene
Munitionssorten hatten erzeugt werden müssen.
Anfangs 1916 war die Munitionslage dank der vorausgegangenen
größeren' Kampfpause so günstig gewesen, wie nie vorher, und für die
Offensive in Tirol waren sehr ansehnliche Munitionsmengen bereitge-
stellt x) worden, die freilich dann auch aufgingen. Bedarf und Verbrauch
an Munition wuchsen nach der Wendung, die die Ereignisse im Norden
nahmen, noch mehr an. Anfang Juli forderten beispielsweise die Armeen
im Nordosten an einem Tage Munitionsmengen an, die das acht- bis
vierzehnfache einer Tagesleistung der gesamten Munitionsindustrie aus-
machten.
Diese hatte zum Unterschied von der sonstigen Rüstungsindustrie
den im Jahre 1915 genommenen Aufschwung nicht im gleichen Tempo
fortzusetzen vermocht. Sie erzeugte im Sommer des Jahres 1916 wohl
durchschnittlich 255.000 Artilleriegeschosse und mehr als 26 Millionen
Infanteriepatronen in jeder Woche, erreichte damit jedoch nicht einmal
die bescheidene Mindestforderung, die die Heeresleitung schon ein Jahr
zuvor gestellt hatte, geschweige denn die Mengen, die dem tatsächlichen
Bedarfe entsprochen hätten. Sehr gegen ihren Willen sah sich daher die
Heeresleitung immer wieder gezwungen, den Truppen Sparsamkeit mit
1) Bis Ende März 1916 schob die Heeresleitung der 11. Armee etwa 613.000 Schuß
für Geschütze bis 10 cm und 54.000 Schuß für Geschütze über 10 cm Kaliber zu.
Die Munitionserzeugung
63
Munition aufzuerlegen, zu einer Zeit, wo der Artilleriekampf überall
schon im Zeichen der Massenwirkung stand.
Man ließ, besonders als auch Rumänien an die Seite unserer Feinde
trat, kein Mittel unversucht, die Munitionserzeugung, vor allem die für
die neuen Geschütze, zu steigern, so weit es nur ging; aber der Mangel
an Rohstoffen und die Leistungsfähigkeit der Industrie setzten diesem
Wollen seine Grenzen. Nur wenig mehr als die Hälfte einer neuen, auf
eine Wochenleistung von 800.000 Artilleriegeschoßen hinauslaufenden
Anforderung der Heeresleitung konnte in der zweiten Jahreshälfte er-
füllt werden. Nach wie vor überstieg in den schweren Herbstkämpfen
sowohl im Nordosten als auch an der Südwestfront nur allzuoft der
Munitionsverbrauch die tägliche Erzeugung, ohne daß deshalb Ver-
schwendung getrieben worden wäre.
Die Entwicklung der Luftwaffe und der technischen
Truppen
Nicht geringe Mühe bereitete es der öst.-ung. Heeresleitung, dem
großartigen Aufschwung zu folgen, den das Flugwesen im Jahre 1916
allenthalben nahm. Auch dabei spielte ebensosehr die Leistungsfähigkeit
der Industrie wie das Dahinschwinden der Menschenreserven eine be-
deutende Rolle. Es war sicherlich eine höchst anerkennenswerte Leistung,
daß die Produktion im Jahre 1916 auf mehr als 1000 komplette Flug-
zeuge und 500 Reservemotoren gesteigert werden konnte1), daß man in
der nächsten Zeit auf eine weitere Steigerung bis auf das Fünffache der
ursprünglichen Produktion hoffen konnte und daß man auf diese Art
mit der Aufstellung von zweieinhalb neuen Fliegerkompagnien in jedem
Monate rechnen durfte.
Zu Anfang 1916 hatte das AOK. den Ausbau der Luftfahrtruppe
auf 48 Kompagnien, und zwar für 24 Korps und für 8 Armeen je eine
Kompagnie mit Aufklärungsflugzeugen, für die Armeen überdies je
zwei Kompagnien mit Großkampfflugzeugen in Aussicht genommen2).
Noch war dieses Programm zur Jahreswende erst zu drei Vierteln
*) Von Kriegsbeginn bis Ende 1915 waren insgesamt 408 Motoren und 512 Flug-
zeuggestelle erzeugt worden. Vgl. Madarász, Die k. u. k. Luftfahrtruppen im
Weltkrieg (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1928, Sonderheft Luftflotten).
2) Solange eine geeignete Type von Großkampfflugzeugen noch nicht vorlag,
sollten auch diese Kompagnien mit leichten Flugzeugen ausgestattet werden.
64
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
erfüllt, — es gab um diese Zeit 37 Fliegerkompagnien — als es auch
schon durch die Entwicklung des Flugwesens bei den Feinden überholt
war und erweitert werden mußte. Zum Glück hatte die Industrie bereits
eine Leistungskraft gewonnen, auf Grund derer das Kriegsministerium
die Vermehrung der Fliegerkompagnien auf 68 und überdies die Auf-
stellung von drei Großkampfgeschwadern bis Ende 1917 zusagen konnte.
Die Abwehr der immer zahlreicher und tätiger werdenden feind-
lichen Flieger wurde durch Errichtung der Fliegerabwehrkanonenbatte-
rien (Flakbt.) als fünfte Batterien der Feldkanonenregimenter in die
Hände der Artillerie gelegt1). Die Leistungen der verschiedenen Ge-
schütztypen, die dabei verwendet wurden, ließen jedoch noch lange Zeit
viel zu wünschen übrig.
Französische Luftangriffe auf deutsche Städte hatten die Aufmerk-
samkeit auf das Problem des Heimat-Luftschutzes gelenkt. Solche An-
griffe auf industrielle Anlagen und auf sonstige lebenswichtige Zentren
waren weniger wegen des möglichen Sachschadens gefährlich, als wegen
des Massenschrecks, den sie bei der Bevölkerung hervorrufen konnten.
Um solche Angriffe wenigstens zeitgerecht zu erkennen, wurde vorerst
an der Südwestfront und in dem dahinter gelegenen Heimatgebiete ein
genau geregelter Flugbeobachtungs- und Meldedienst eingerichtet, der
aus mehreren parallel zur Front verlaufenden Linien von Flugwachen
und Flughauptposten bestand. Die letzte dieser Linien erstreckte sich
von Kniittelfeld über Stainz und Leibnitz nach Radkersburg. Wichtige
Räume sollten überdies noch durch eine besondere Flugbeobachtung ge-
schützt werden, so Wien, Wiener-Neustadt, Preßburg—Magyar Ovár,
Graz und Steinamanger. Das Gebiet der Monarchie war übrigens bisher
von solchen Angriffen verschont geblieben.
Soweit es die gespannte Lage des Ersatzwesens zuließ, wurden auch
die technischen Truppen entsprechend den stets zunehmenden techni-
schen Anforderungen des Krieges ausgebaut und dabei zugleich den
Plänen für die zukünftige Ausgestaltung der Wehrmacht Rechnung ge-
tragen; diesen zufolge war ein Ausbau auf 18 Sappeurbataillone mit
119 Kompagnien, dann auf 14 Pionierbataillone mit 56 und auf 2 Brücken-
bataillone mit sechs Kompagnien in Aussicht genommen. Um die Jahres-
wende 1916/17 war dieses Ziel nicht nur im Wesen erreicht, sondern
1) Die Flakbt. wurden aus den bis Ende 1916 an die Front gelangten etwa
60 Flakzügen gebildet. Nur einige Züge aus russischen Geschützen sowie die auf
Kraftwagen montierten Flakbatterien blieben selbständig zur Verfügung der Armee-
kommandos.
Leistungen der Telegraphentruppen und der Bahnen
65
zum Teil sogar überschritten1), ungerechnet mannigfache Spezialabtei-
lungen, die von Sappeuren aufgestellt und bedient wurden, wie die
zahlreichen Abteilungen für die Erzeugung von elektrischem Lieht- und
Kraftstrom, dann für den Betrieb von Gesteinsbohrern, Ventilatoren,
Pumpen und anderen technischen Anlagen.
Desgleichen hatten die Einrichtungen, die der Nachrichtenüber-
mittlung dienten, einen Stand erreicht, der zumindest im Bereiche
der mittleren und höheren Führung allen Ansprüchen gewachsen war.
Im Jahre 1916 erhielten auch die Brigadekommandos eigene Brigade-
telephonabteilungen.
Größere Schwierigkeiten bereitete freilich die Verbindung im eigent-
lichen Kampfbereiche sowie zwischen Infanterie und Artillerie, weil hier
die Fernsprechleitungen stark unter der Wirkung des feindlichen Mas-
senfeuers litten und der Fernsprecher gerade in den entscheidendsten
Augenblicken versagte. Da vollbrachten wohl die braven Truppentele-
phonisten, die die zerschossenen Drähte im schwersten Feuer wiederher-
zustellen hatten, sowie die Meldeläufer, die, wenn alles andere versagte,
ja immer das letzte Auskunftsmittel bildeten, wahre, nicht hoch genug
zu schätzende Heldentaten. Sehr rasch lebten sich bei den Kampftruppen
optische und akustische Signalmittel, wie verschiedenfarbige Leuchtrake-
ten und aus besonderen Leuchtpistolen abzugebende Leuchtschüsse, ein,
welche vornehmlich zur Verbindung zwischen Infanterie und Artillerie
gute Dienste leisteten.
Unvermindert hielt die entscheidende Bedeutung an, welche dem
Verkehrswesen schon seit Kriegsbeginn zugefallen war. In den schick-
salhaften Kämpfen zur Eindämmung der Brussilowoffensive erwies sich
der unschätzbare Wert des in harter Arbeit erweiterten galizisch-polni-
schen Bahnnetzes sowie der zu einem leistungsfähigen Bahnknoten aus-
gebauten Anlagen von Kowel2). Es ist kaum auszudenken, wie sich das
Heranführen der Kräfte zur Gegenoffensive ohne diese Einrichtungen
gestaltet hätte. Sie waren in der Tat das Rückgrat der Ostfront geworden.
Wesentliche Neuerungen brachte das Jahr 1916 indessen für das
Verkehrswesen nicht. Die 1915 begonnenen Arbeiten wurden fortgesetzt.
!) Es gab um diese Zeit 108 Sappeurkompagnien und 15 in der Regel zu den
gleichen Aufgaben wie diese verwendbare Landsturmsappeurabteilungen, weiters
1 Sappeurspezialbataillon für den Gaskampf, dann 60 Pionierkompagnien. Der Ba-
taillonsverband war bei Sappeuren und Pionieren fast überall aufgelöst.
2) Vgl. Ratzenhof er, Das Rückgrat der Dauerfront im Osten (Mil. wis s.
Mitt., Wien, Jhrg. 1932, 974 ff.).
VI
5
66
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
Der Ausbruch des rumänischen Krieges erforderte zuerst die Räumung
und die — übrigens nicht sehr nachhaltig durchgeführte — Zerstörung
von 650 km siebenbürgischer Bahnlinien, die nach dem siegreichen Vor-
marsche ebenso wie etwa 540 km rumänischer Bahnen rasch wieder
instandgesetzt und in Betrieb genommen werden mußten. Hiezu wurde
im neubesetzten Gebiete als dritte k. u. k. Militärbahnbehörde das
„Heeresbahnkommando Südost" eingerichtet.
Im übrigen gewannen Feld-, Roll- und Seilbahnen in dem Maße
an Bedeutung, als größere Frontteile einen stabilen Charakter annah-
men. Am dichtesten war das Netz der für den unmittelbaren Front-
nachschub bestimmten Feld- und Rollbahnen im Norden. Sie wurden
gemischt mit Rollbahnlokomotiven und Triebwagen betrieben. Am besten
bewährten sich die Feldbahn-Generatorenzüge, die aber nur in geringer
Anzahl vorhanden waren. Der Feldbahn-Generato renbetrieb wurde seit
Dezember 1916 von Durazzo aus vorgetrieben und sollte auf dem alba-
nischen Kriegsschauplatz ganz besondere Bedeutung erlangen. Einzelne
Feldbahnen, z. B. die Strecke Wochein—Feistritz—Zlatorogg, wurden
elektrifiziert, Die normalspurige Kraftwagenbahn Duttoule—Comen be-
hielt ihre hohe Bedeutung für die Versorgung der Karstkämpfer. Ge-
radezu eine Lebensbedingung für die Stellungen im Hochgebirge bildeten
die Seilbahnen, die sowohl an Zahl als auch an Leistungsfähigkeit zu-
nahmen. Um die Jahreswende 1916/17 standen etwa 1200 km Förder-
seile in Betrieb.
Im großen und ganzen war es also eine recht schwierige Lage, in
der die Wehrmacht der Donaumonarchie den Jahreswechsel 1916/17 er-
lebte. Sie ging schließlich allen Hemmnissen und Gefahren zum Trotz
nach der Zahl der Einheiten im allgemeinen ungeschmälert aus einer
der gefährlich,sten Krisen hervor. Daß manche Improvisation ver-
schwand, bedeutete kaum eine ernste Schwächung und wurde jedenfalls
bei weitem wettgemacht durch den Ausbau vor allem der Artillerie.
Es war sicherlich ein günstiger Ausblick, daß dieser Aufstieg dank der
dem Höhepunkte ihrer Leistungskraft zustrebenden Industrie sich noch
in voller fortschreitender Bewegung zu befinden schien.
In Wirklichkeit war man freilich den Grenzen der Entfaltungs-
fähigkeit schon beinahe ebenso nahe gekommen, wie bei der Heranzie-
hung der Menschenreserven zum Kriegsdienste. Die Erschöpfung der
Menschenkräfte aber war das zweite Merkmal der La,ge.
Alle diese so schwer wiegenden Fragen traten so recht deutlich in
Erscheinung, als anläßlich der Schaffung des gemeinsamen Oberbefehles,
Der Menschenverbrauch im Heere
67
die DOHL. auch Einfluß auf die Anspannung aller Kräfte zur Stei-
gerung der Machtmittel der öst.-ung. Armee zu nehmen suchte. Nicht
ohne neidvolle Entsagung nahm man in Te sehen zur Kenntnis, daß der
Bundesgenosse in der zweiten Jahreshälfte 1916 binnen wenigen Mo-
naten 33 neue Divisionen aufzustellen vermochte, sowie, daß seine In-
dustrie in allen Rüstungszweigen nicht nur das Vierfache der öst.-ung.
Produktion lieferte1), sondern auch im Begriffe stand, im Dienste des
„Hindenburgprogramms" ihre Leistung im kommenden Jahre zu ver-
doppeln und zu verdreifachen.
Die wirtschaftlichen Grundlagen der Monarchie waren eben doch
viel zu verschieden von denen des Reiches, als daß man mit ähnlichen
Ausmaßen hätte rechnen dürfe,n. Die öst.-ung. Heeresleitung hatte wahr-
lich alles getan, was in ihrer Macht stand, um die industriellen Kräfte
der Monarchie zu steigern und in den Dienst des Krieges zu stellen.
Aber bei allem Willen, in diesem Streben nicht zu erlahmen, durfte man
sich in Teschen doch keiner Täuschung darüber hingeben und auch
den Bundesgenossen nicht im Unklaren lassen, daß künftighin weder
eine Angleichung der industriellen Leistungsfähigkeit an die des Deut-
schen Reiches, noch die Bildung neuer Kampftruppen in größerem Um-
fange möglich sein werde. Bis Ende 1916 waren schon 7.5 Millionen
Männer, 67 v. H. aller im wehrpflichtigen Alter von 18 bis 50 Jahren
stehenden, zu den Waffen gerufen worden. Davon waren etwa 700.000
gefallen und ihren Verwundungen oder Krankheiten erlegen, 600.000
undienstbar geworden, 1,500.000 in Kriegsgefangenschaft geraten, zu-
sammen 2.8 Millionen Männer, mit denen als Kämpfer nicht mehr
gerechnet werden konnte. Es war unzweifelhaft, daß künftig neue Wege
beschritten werden müßten, um der Armee noch möglichst lange die
notwendigen Ersätze zu sichern. Diese Aufgabe — ebenso schwierig wie
wichtig — sollte bald eine neue, besondere Zentralstelle, den „Chef
des Ersatzwesens für die gesamte bewaffnete Macht" erfordern. Über
die Gründe ihrer Aufstellung wird an anderer Stelle noch einiges zu
sagen sein.
Mit den aufgebotenen Kräften hatte die Heeresleitung, soweit es
der fast immer die meisten Kräfte verbrauchende Ersatzbedarf zuließ,
1) Beispielsweise hatte Deutschland bis September 1916 887 schwere Batterien
aufgestellt, wir 182; die Monatsleistung der Industrie betrug im Sommer 1916 dort
160 schwere Geschütze, 5500 Minen werf er, 29.000 Tonnen Stacheldraht, — bei uns
43 schwere Geschütze, 45 Minenwerfer, 3000 Tonnen Stacheldraht. An Munition
wurden in Deutschland täglich 250.000, bei uns 60.000 Artilleriegeschosse erzeugt.
5*
68
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
auch für den Ausbau der Wehrmacht das Mögliche geschaffen, die
Kampftruppen vermehrt1), ihre Kampfmittel vervielfacht und erneuert
sowie seit Kriegsbeginn immerhin 22 neue Divisionen aufstellen können.
Auf eine Fortsetzung dieses Ausbaues im Jahre 1917 mußte jedoch ver-
zichtet werden. Dazu zwang nicht nur die allgemeine Knappheit der
Menschenreserven, sondern ebenso sehr ein längst schwer empfundener
Mangel an Berufsoffizieren und an „längerdienenden" Unteroffizieren.
Wenn im kommenden Jahre trotzdem eine Neuordnung des Heerwesens
der Monarchie notwendig werden sollte, die auch eine Vermehrung
der Infanterietruppenkörper und der höheren Verbände in sich schloß,
so konnte sie nur durch Verschiebungen in deren innerer Zusammen-
setzung erfolgen, aber keinesfalls auf Grund wirklicher Verstärkungen.
Um so mehr war es nötig, daß künftig Menschen — und nicht
minder Pferde — durch Maschinen ersetzt würden. Die österreichisch-
ungarische Rüstungsindustrie war jedoch im Hinblicke auf die Hem-
mungen staatsfinanzieller Natur sowie auf dem Gebiete der Beschaffung
von Rohstoffen und Arbeitskräften nur mehr beschränkter Steigerung
ihrer Leistungskraft fähig.
Trotz all dieser Sorgen durfte man aber doch auch nicht ohne
Zuversicht dem beginnenden Jahr 1917 entgegensehen. An Streiterzahl
würde die Armee in der bestehenden Stärke voraussichtlich erhalten
bleiben, an Kampfmitteln sogar noch verstärkt werden können.
Conrads Sturz und die neue Heeresleitung
Im ersten Halbjahr der Regierung Kaiser Karls kam es auch zu
grundlegenden Veränderungen in der Besetzung der höchsten militä-
rischen Posten des Reiches. Diese Veränderungen setzten mit der persön-
lichen Übernahme des Armeeoberkommandos durch den neuen Obersten
Kriegsherrn ein (Bd. V, S. 723). FM. Erzherzog Friedrich, der seit Be-
ginn des Krieges an der Spitze der Heeresleitung gestanden war (Bd. I,
S. 58), wurde nun zum „Stellvertreter des Armeeoberkommandanten"
x) Die Infanterie war wohl vom Höhepunkt ihres Standes, der Ende Juni 1916
— ungerechnet die Marsch-, Etappenbataillone, Besatzungstruppen, Standschützen und
Freiwilligenformationen — 1030 Bataillone betragen hatte (gegen 927 bei Kriegs-
beginn) wieder auf 984 zurückgegangen. Hingegen war die Artillerie von 559 auf
1241 Batterien, waren die technischen Truppen von 126 auf 183 Kompagnien und
die Kraftwagenkolonnen von 41 auf 217 vermehrt wurden. Nur die Reiterschwadronen
(von 425 auf 311) und die Trainstaffel (von 927 auf 858) hatten wegen des großen
Pferdebedarfes der Artillerie vermindert werden müssen.
Die neuen Männer um den jungen Kaiser
69
bestimmt, schon am 11. Februar 1917 aber „zur Disposition" gestellt.
Unmittelbar nach der Thronbesteigung hatte sich der Herrscher auch
von den beiden greisen Generaladjutanten seines Vorgängers getrennt,
den Generalobersten Graf Paar und F reih. v. Bolfras. An ihre Stelle
traten der schon von einem schweren Leiden befallene FML. Ritt. v.
Marterer, der zugleich die Leitung der kaiserlichen Militärkanzlei über-
nahm, und der lediglich zu Hofdiensten berufene GM. Prinz Lobkowitz.
Als Stellvertreter wurde dem FML. Marterer der dem Kaiser seit län-
gerer Zeit nahestehende Gstbsobst. Freih. Zeidler-Daublebsky v. Sterneck
beigegeben.
Die Heeresleitung übersiedelte zu Anfang Jänner 1917 vonTeschen,
wo sie seit dem ereignisreichen November 1914 geweilt hatte, in die
alte Kurstadt Baden bei Wien. Der Kaiser wohnte abwechselnd in der
bürgerlichen Enge des Badener „Kaiserhauses" oder in dem eine Viertel-
stunde Autofahrt entfernten Schlosse Laxenburg. Der junge Herrscher
widmete von Anbeginn einen großen Teil seiner Zeit der Bereisung seines
Reiches und vor allem der Fronten, wo er immer und überall durch die
ihm eigene Schlichtheit und Menschlichkeit zu wirken wußte. Eine seiner
ersten Frontreisen galt dem geliebten, nunmehr amtlich so benannten
,,Edelweißkorps", das sich, vom GdK. Fürst Schönburg befehligt, nach
wie vor in den alten Stellungen auf der Hochfläche von Folgaria be-
fand. Erzherzog Eugen, der am 15. Jänner für Verdienste im Kriege
gegen Italien das Großkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens erhal-
ten hatte, bat bei diesem Frontbesuche des Kaisers, dieselbe Dekoration
anzulegen, die ihm als Ordenssouverän ohnehin zukam (IV. Bd., S.356).
Die Zusammenarbeit mit dem Chef des Generalstabes, FM. Conrad,
gestaltete sich vom ersten Augenblick an ziemlich schwierig. Der junge
Kaiser hatte den Ehrgeiz, die Zügel selbst zu führen, und wurde in
diesem Streben von seiner näheren Umgebung bestärkt. Immer wieder
mußte es Conrad in kleineren und größeren Dingen erfahren, daß gegen
ihn entschieden wurde; nicht selten sah er sich durch kaiserliche Be-
fehle vor vollendete Tatsachen gestellt. Darunter litt der selbstherrliche
Sinn des Generalstabschefs ganz außerordentlich. Der Feldmarschall
hielt gegenüber seinem jungen Allerhöchsten Herrn mit Äußerungen
tiefer Verstimmung nicht zurück, was wieder die schon längst bestehende
Abneigung des Kaisers gegenüber Conrad noch vertiefte. Diesen persön-
lichen Gegensätzen, an denen auch private Gründe Anteil hatten, gesell-
ten sich tiefgehende sachliche Meinungsverschiedenheiten bei, die auf die
Dauer unüberbrückbar waren, und beim Kaiser wohl auch Bedenken,
70
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
die mit der von ihm sehr bald eingeleiteten Friedenspolitik zusammen-
hingen und ihm die Trennung von dem mit dem Kriegsausbruch
eng verknüpften Generalstabschef für zweckmäßig erscheinen lassen
mochten1). Die Kluft zwischen dem 29jährigen Herrscher und seinem
65jährigen ersten militärischen Berater wurde jedenfalls von Tag zu Tag
breiter, so daß Zumindestens die einigermaßen Eingeweihten in keiner
Weise überrascht waren, als am 27. Februar 1917 Conrads Sturz voll-
zogene Tatsache wurde. Der Feldmarschall war im ersten Augenblick
geneigt, jede Weiterverwendung abzulehnen. Auf ausdrücklichen, schrift-
lichen Wunsch des Kaisers trat er jedoch, mit dem Großkreuz des
Theresienordens ausgezeichnet, an die Spitze der Heeresgruppe in Tirol,
was auf die Italiener den von der öst.-ung. Heeresleitung gewünschten
Eindruck für die nächste Zeit nicht verfehlte. Am letzten Februartage
des Jahres 1917 verließ FM. Conrad in aller Stille die Heeresleitung,
der seine starke Persönlichkeit durch zweieinhalb Jahre den Stempel
ihrer Eigenart aufgedrückt hatte.
An Conrads Stelle wurde, nachdem vorübergehend auch an die
Berufung des FML. Alfred Krauss gedacht worden war, der Gdl. Arz
v. Straussenburg zum Chef des Generalstabes ernannt2). Arz hatte zu
Kriegsbeginn während der Schlacht bei Komarow das Kommando der
15. ID. übernommen, erhielt dann den Befehl über das VI. Korps, an
dessen Spitze er sich bei Limanowa und auf dem Siegeszuge von Gorlice
bis Brest-Litowsk hervorragend bewährte. Beim Ausbruch des Krieges
gegen Rumänien fiel ihm die Aufgabe zu, die Verteidigung seiner
siebenbürgischen Heimat einzuleiten. In dem darauffolgenden Feldzug
legte Arz neuerlich Proben seiner Tüchtigkeit als hoher Truppenführer
ab. Auch beim deutschen Bundesgenossen hatte er sich großes Ansehen
zu erwerben gewußt. Das Verhältnis zwischen ihm und der DOHL. blieb
denn auch, mindestens so weit die persönlichen Beziehungen in Betracht
kamen, bis zum Kriegsende durchaus ungetrübt.
Schon bei der Antrittsmeldung des neuen Generalstabschefs sprach
der Kaiser den Wunsch aus, statt des FML. Metzger den Gstbsobsit.
Freih. v. Waldstätten an der Spitze der Operationsabteilung wissen zu
1) Über die Vorgänge beim Sturz Conrads vgl. vor allem C r a m o n, Bundes-
genosse, 98 ff. — Nowak, Der Weg zur Katastrophe (Quellenmäßig belegte Aus-
gabe, Berlin 1926), 203 ff. — Werkmann, 89 ff.; dazu von Zeitungsaufsätzen:
Glaise-Horstenau, FM. Conrad (Neues Wiener Tagblatt vom 11. Novem-
ber 1924).
2) Arz, Zur Geschichte des Großen Krieges 1914—1918 (Wien, 1924), 123 ff.
Personalveränderungen in der Heeresleitung
71
wollen. Waldstätten war während der Südtiroler Offensive Korpsgene-
ralstabschef des Kaisers gewesen und besaß von daher dessen beson-
deres Vertrauen. FML. Metzger, den Conrad seit langem gerne als
seinen Nachfolger gesehen hätte, übernahm Ende März die Führung der
bei Tolmein verschanzten 1. Division.
Auch sonst traten bei der Heeresleitung auf Wunsch des Kaisers
tiefgreifende Änderungen ein. Obst. v. Hranilovic wurde als Leiter der
Nachrichtenabteilung durch Gstbsobstlt. Ronge ersetzt. An der Spitze
der Quartiermeisterabteilung stand seit Dezember 1916 an Stelle des
zum österreichischen Ernährungsminister ernannten Gstbsobst. Höfer der
Gstbsobst. Ritt. v. Zeynek, der einstige Generalstabschef des GO. Freih.
v. Pflanzer-Baltin. Die Führung des Kriegspressequartiers trat GM. Ritt,
v. Hoen, nunmehr Direktor des Kriegsarchivs, an den Gstbsobst. Eisner-
Bubna ab. Die seit Kriegsbeginn bei der Heeresleitung eingeteilten front-
tauglichen Offiziere, zumal die des Generalstabes, wurden mit geringen
Ausnahmen durch fronterfahrene Kameraden ersetzt, wobei man der
von Tisza immer wieder geforderten „Parität" zwischen den beiden
Staaten sorgsam Rechnung trug.
Sowohl die Heeresleitung wie übrigens noch mehr das gemeinsame
Kriegsministerium, zu dessen Leitung im April 1917 an Stelle des zum
Kommandanten der 10. Armee ernannten GO. Freih. v. Krobatin der
Gdl. Edi. v. Stöger-Steiner berufen wurde, schwollen im Laufe der Zeit
nach Pflichtenkreis und Personenzahl ganz gewaltig an. Dies erklärt sich
nicht bloß aus der Zunehmeinden Ausdehnung des Kriegsgeschehens,
sondern auch aus dem täglich größer werdenden Mangel an Kämpfern
und Kriegsmitteln. In einer Zeit, in der die Ersatzlage außerordentlich
gespannt war und die Ausgabe jedes Geschosses, jedes Bekleidungs-
stückes u. dgl. zu einem Verteilungsproblem wurde, mußte naturgemäß
auch die Zahl der Organe gewaltig anwachsen, in deren Händen die Ver-
sorgung des Heeres mit Mann und Gerät lag. Diese kaum vermeidbare,
bei allen Heeren gleichartige Entwicklung griff selbstverständlich auch
auf die höheren Kommandos der Front und vor allem auf die Etappe über
— gewiß nicht zum Vorteil des moralischen Gefüges der Armee. Front-
scheue, Geschäftemacher und verwandte Kriegserscheinungen fanden in
dem schier unübersehbaren Verwaltungsapparat der Wehrmacht vielerlei
Unterschlupf und erregten, ähnlich wie die Kriegsgewinner der Heimat,
den Zorn der hungernden und darbenden Kämpfer an der Front. Der
Krieg zeigte eben auch auf diesem Gebiete schon mancherlei Zeichen
der Entartung.
72
Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht im Jahre 1916
Für die gemeinsame Überwachung und Durchführung des Men-
schenersatzes an der Front wurde eine eigene Zentralstelle geschaffen,
der „Chef des Ersatzwesens" (S. 67). Diese Schöpfung, von Conrad nicht
ohne Mißbehagen anerkannt, war vornehmlich dem Einfluß des ungari-
schen Ministerpräsidenten Tisza zuzuschreiben, der seit Kriegsbeginn
immer wieder wahrnehmen zu müssen glaubte, daß der westliche Staat
der Monarchie gegenüber Ungarn in der Beistellung von Kämpfern und
in der Größe der Blutopfer zurückstünde. Gleichfalls auf Wunsch Tiszas
wurde zum „Chef des Ersatzwesens", der seinen Sitz in Wien nahm, der
bisherige Honvédminister GO. Freih. v. Hazai bestellt, während FML.
Szurmay dessen Nachfolgerschaft im ungarischen Kabinett übernahm.
Die Zusammenarbeit mit den Bundesgenossen auf dem Schlachtfeld
war durch die Vereinbarungen über die Oberste Kriegsleitung (Bd. V,
S. 267 und 723) geregelt. Sie wurde technisch nach wie vor durch Ver-
bindungsoffiziere bewerkstelligt. Bei der öst.-ung. Heeresleitung wirkte
seit Jänner 1915 GM. v. Cramon als deutscher Militärbevollmächtigter,
dem sich später Obst. Tantiloff als Vertreter Bulgariens und GM. Pertew
Pascha als Beauftragter der türkischen Heeresleitung beigesellt hatten.
Von den öst.-ung. Militärbevollmächtigten bei den Bundesgenossen
trat insbesondere der in Konstantinopel wirkende GM. Pomiankowski
durch den Umfang seines Tätigkeitsfeldes hervor. Sachlich gilt es wohl
auch für die letzten Kriegsjahre, daß bei der Entschlußfassung zu ge-
meinsamen Kriegshandlungen dort, wo ausschließlich militärische Er-
wägungen sprachen, das Einvernehmen unter den Verbündeten in der
Regel nicht allzu schwer herzustellen war. Einschneidende Schwierig-
keiten ergaben sich meist erst dann, wenn die politischen und wirt-
schaftlichen Interessen und Wege irgendwie auseinandergingen, was
mit zunehmender Kriegsdauer allerdings immer häufiger vorkam.
Alles in allem war es keine geringe Last, welche die für die Krieg-
führung verantwortlichen Männer in Österreich-Ungarn im Frühjahr 1917
auf ihre Schultern zu nehmen hatten. Zumal der junge Kaiser und König
hatte von Anbeginn schwer daran zu tragen. Kam doch bei ihm noch
ein immer stärker wirkender, tragischer Pflichtenkonflikt hinzu! Einer-
seits hatte er als oberster Befehlshaber der im Felde stehenden Armeen
nach wie vor alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die dem unverrückbar
gebliebenen Ziele einer Niederwerfung der Feinde dienten. Anderseits
unterlag er als Friedensbringer, der er aus tiefstem Gewissen heraus sein
wollte, außen- und innenpolitisch zahlreichen Hemmungen, denen ein
nur auf den Krieg eingestellter Fürst nicht ausgesetzt gewesen wäre.
Begebenheiten auf dem russisch-rumänischen
Kriegstheater
Die Ostfront bis zum Ausbruch der Märzrevolution
in Rußland
Hiezu Beilagen 1 und 3
Die Lage der Heeresgruppe Mackensen
Gegen Mitte Jänner des Jahres 1917 hatte die aus der bulgarischen
3.Armee, der Donau- und der 9.Armee der Deutschen bestehende Hee-
resgruppe GFM. v. Mackensen an der unteren Donau, am Sereth und an
der Putna Dauerstellungen bezogen (Bd. V, S.623). Ihr gegenüber stan-
den die 4. und die 6. Armee der Russen sowie die stark hergenommene
rumänische 2. Armee auf dem Nordufer dieser Flüsse. Der nicht mehr
widerstandsfähige Großteil des rumänischen Heeres war hinter der
Front in den Raum um Jassy zurückgenommen worden und sollte durch
französische Offiziere neu gebildet und geschult werden, während die
Russen die Etappe in der Moldau einzurichten hatten, um im Früh-
jahr gemeinsam mit dem Orientheere der Alliierten zum Ajtigriff gegen
Bulgarien schreiten zu können (S. 14).
Anfangs Jänner waren das russische XXX. Korps (71. und 80. ID.)
bei der 4. Armee und das XXIX. Korps (1. SchD. und 3. kauk. SchD.)
bei der 6. Armee eingetroffen. Weitere russische Kräfte wurden im Laufe
des Winters in die Moldau nachgeschoben, und zwar das XLIV. Korps
(57. ID. und 111. ID.) aus dem Bereiche der russischen Heeresmitte
(Westfront) zur rumänischen 2. Armee und das XLV. Korps (122. und
126. ID.) von den Heeresreserven Brussilows zur 9. Armee, die anfangs
Jänner der rumänischen Front angegliedert worden war. Dazu wurde
bei jedem russischen Korps eine neue Division aufgestellt (S. 12),
so daß die Streitmacht der Russen an der rumänischen Front bis zum
Monat März auf insgesamt rund 50 Infanteriedivisionen angewachsen
war. Ferner befanden sich auf diesem Kriegsschauplatze noch 13 Reiter-
divisionen der Russen. Die in der Kampffront verbliebene rumänische
2. Armee zählte um diese Zeit 6 Infanteriedivisionen, die in Neuauf-
stellung begriffene rumänische 1. Armee 9 Infanterie- und 2 Kavallerie-
divisionen.
76
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Demgegenüber hatte die DOHL. nach der Eroberung der Walachei
alle entbehrlichen deutschen Kräfte aus Rumänien an die Westfront
abgezogen (Bd. V, S. 621). Außer den bereits genannten deutschen Trup-
penverbänden (11. bayr. ID., Kavalleriekorps GLt. Gf. v. Schmettow,
41. ID.) rollten innerhalb der Heeresgruppe Mackensen noch der Stab
der deutschen 301. ID., das Generalkommando LIV und der Stab des
Korps GLt. Krafft v. Dellmensingen anfangs des Jahres 1917 ab. Die
bulgarische Komb. ID. traf anfangs Februar am Nordflügel der Donau-
armee ein, die dafür die deutsche 217. ID. als Heeresgruppenreserve
hinter den Nordflügel der 9. Armee zu entsenden hatte. Die in der
Mitte der 9. Armee am Sereth anfangs Februar eingesetzte k. u.k. 7. KD.
(20. KBrig.), GM. Gf. Marenzi, mit der ihr zugeteilten k. u. k. 144. IBrig.
und die deutsche 109. ID. bildeten nach dem Abgange des General-
kommandos LIV die Gruppe GM. Schaer. Die öst.-ung. 11. KBrig.
fand in der Etappe Verwendung. Am Nordflügel der deutschen 9. Armee
wurden die öst.-ung. 73. ID. und die deutsche Alpenkorpsdivision zu einer
Gruppe unter GLt. Sontag (bisheriges Korps Krafft) zusammengefaßt.
An der ganzen Front der Heeresgruppe Mackensen herrschte seit
Mitte Jänner Waffenruhe. Als gegen Ende dieses Monats die Neben-
arme des Sereth und die Sümpfe im Donaudelta zufroren und über-
schritten werden konnten, setzte eine rege Patrouillentätigkeit ein, die
den ganzen Winter über anhielt, bis mit dem Nahen des Frühlings Tau-
wetter eintrat und mit ihm Hochwasser und Überschwemmungen wie-
derum jede Kampftätigkeit unmöglich machten. Ende März wurde die
für den westlichen Kriegsschauplatz bestimmte Alpenkorpsdivision aus
der Front der Gruppe Sontag herausgezogen und durch die deutsche
217. ID. ersetzt. Die abgekämpfte deutsche 212. ID. traf jetzt von der
Westfront hinter der 9. Armee als neue Heeresgruppenreserve ein. Die
Kampfeinheiten der Donauflottille, die in Turnu-Severin und in Budapest
überwintert hatten, dampften auf der Donau stromabwärts nach Hirsova.
Einige Monitoren wurden nach Bräila und nach Mäcin vorgezogen.
Die Ereignisse in Siebenbürgen und, in den Waldkarpathen
Auf dem rechten Flügel der Heeresfront GO. Erzherzog Joseph gin-
gen die Kämpfe um die Mitte des Monates Jänner auch nach dem Ein-
stellen des Angriffes der Gruppe Gdl. v. Gerok noch weiter. Die inneren
Flügel der rumänischen 2. Armee und der russischen 9. Armee unter-
Rege Kampftätigkeit bei der Gruppe Gerok
77
nahmen eine Reihe von Vorstößen, um den Raum zwischen den Berg-
tälern Oituzu und Susita, durch den ein Einbruch in die Serethebene
möglich war, verläßlich zu verriegeln.
So sah sich die Gruppe FML. Chev. de Ruiz (deutsche 218. ID.,
k. u. k. 1. KD.) vom 14. bis zum 17. Jänner zwischen Susita und Casinu
wiederholt von russischen und rumänischen Kräften angegriffen. Am
19. vormittags brachen die Angriffswogen des Feindes noch einmal
gegen den linken Flügel der deutschen 218. ID. sowie gegen die mittler-
weile im Casinutal angelangte k. u.k. 8.GbBrig. vor. Der Feind führte
stellenweise vier Angriffe hintereinander, die aber alle unter schweren
Verlusten zusammenbrachen. Vor der Gruppe GLt. Sunkel (bisheriges
XXXIX. RKorps) mäßigten die Russen inzwischen ihren Druck an den
Zugängen zum Ojtozpaß. Vom 20. Jänner an wurde in diesem Abschnitt
die deutsche 187. ID. durch die von Lugos herangeholte 70. HID. ab-
gelöst und nach Kézdivásárhely zurückgenommen, um auf den west-
lichen Kriegsschauplatz geführt zu werden. Bei strenger Kälte trat um
die Monatswende im Berecker Gebirge Ruhe ein.
Aber vSchon anfangs Februar steigerte der Feind seine Artillerie-
tätigkeit vor der Gruppe Gerok. Russische Flieger bewarfen die Stel-
lungen der deutschen 218. ID. im Susitatal mit Bomben. Am 7. mußte
östlich des Casinutales ein feindlicher Vorstoß von der Artillerie der
k. u. k. l.KD. abgewehrt werden. Auch FML. v. Sorsich, der erst vor
wenigen Tagen den Befehl über die zwischen dem Casinu- und dem
Slanictale stehenden Truppen (8.GbBrig., 71. ID., verstärkt durch ein
deutsches Landsturmregiment, und 70. HID.) übernommen hatte, sah
seinen linken Flügel durch vorfühlende Erkundungsabteilungen des
Feindes beunruhigt. Ein rumänischer Oberst, der mit seinem Adjutan-
ten im Abschnitt der deutschen 218. ID. übergegangen war, brachte die
Nachricht, daß die Russen die durch die Abgabe deutscher Truppen
eingetretene Schwächung unserer Front erkannt hätten und wieder an-
greifenwollten. Der Schlag werde für den 13. Februar von der russischen
9. und der rumänischen 2. Armee vorbereitet.
Die Möglichkeit, daß die Armee Gdl. Letschitzki gegen die Ost-
front von Siebenbürgen noch Angriffe versuchen werde, vermochte
dem GO. Erzherzog Joseph vorübergehend Besorgnisse einzuflößen und
ihn zu veranlassen, die in der Csik befindliche 15. bayr. RIBrig. (RIR. 18)
der zum Teil aus weniger zuverlässigen ungarländischen Rumänen be-
stehenden 70. HID. zu überweisen. Da der Südflügel der Heeresfront
nunmehr von jeglicher Reserve entblößt war, trat die k. u. k. Heeres-
78
Winter und Frühjahrsanfang 1917
leitung am 8. Februar an die DOHL. mit dem Ersuchen heran, die zum
baldigen Abtransport bestimmte deutsche 187. ID. wieder freizugeben.
Gdl. Ludendorff glaubte nicht daran, daß die Russen noch fähig wären,
im Winter durch das unwirtliche Gebirge einen großen Angriff zu
führen. Immerhin erklärte er sich bereit, die Infanterie der deutschen
187. ID. noch kurze Zeit bei Kézdivásárhely zu belassen, verlangte aber,
daß diese Division durch andere Reserven bald ersetzt werde, weil sie
an der Westfront nicht entbehrt werden könne. Gleichzeitig schlug
Gdl. Ludendorff der k. u. k. Heeresleitung vor, die von der Heeres-
gruppe des GO. v. Linsingen an den Isonzo abrollende k. u.k. 7. ID.
vorübergehend nach Siebenbürgen abzuzweigen, falls es der Heeresfront
Erzherzog Joseph unmöglich wäre, aus eigenen Kräften vorzusorgen.
Dazu erklärte sich aber der Erzherzog mit dem Hinweis auf die ge-
schwächten Gefechtsstände seiner Divisionen außerstande. Da es über-
dies fraglich war, ob man bei den schwierigen Verkehrsverhältnissen
rechtzeitig Reserven an die Ostfront Siebenbürgens werde heranbringen
können, sah die Lage recht bedrohlich aus.
Am 17. Februar unternahmen die Russen nach kräftiger Artillerie-
vorbereitung einen Vorstoß gegen den linken Flügel der Gruppe Sorsich.
Die Russen wurden abgeschlagen und enthielten sich jedes weiteren
ernstlichen Angriff s ver suche s gegen die Gruppe Gerok. Noch im Februar
fuhr die deutsche 187. ID. nach dem Westen ab.
Bei der k. u. k. 1. Armee ruhten auch im Winter die Stellungskämpfe
im Csik- und im Gyergyogebirge nicht völlig. Die Grenzhöhen vom
Mt. Nemira bis zum Mt. Fältueanu, die Pässe von Gyirnes, Békás und
Tölgyes waren die Ausgangspunkte zahlreicher Scharmützel, sofern nicht
der Winter sein Recht forderte und Frost und Schneefall alle Patrouil-
lengänge sowie jegliche Artillerietätigkeit unterbanden.
Gdl. v. Arz nützte die Zeit verhältnismäßiger Ruhe aus, um die
vermischten Verbände innerhalb seiner Armee allmählich zu ordnen.
Schon anfangs Jänner kehrte die 73.HIBrig. vom Südflügel der 7. Armee
zu ihrer Stammdivision, der 37. HID., zurück. Auch wurden die beim
XI. Korps eingeteilten Reiter der 10. KD. um diese Zeit zur 1. Armee
herangezogen und zur Sicherung des unwegsamen Geländes nördlich
des Gyimespasses verwendet. Die bisher in Reserve befindliche 3. KD.
trat in den Abschnitt von Bélbor am äußersten Nordflügel des k. u. k.
XXI. Korps in die Front. Von Ende Jänner an wurde die 31. ID.,
GM. Lieb, dem XXI. Korps zugeführt und dafür die 10. bayr. ID. an
die 2. Armee abgegeben.
Neuregelung der Befehlsverhältnisse an der Karpathenfront 79
Auch die Befehlsverhältnisse innerhalb der 1. Armee wurden nun-
mehr neu geregelt. Gdl. Litzmann (Generalkmdo. des XXXX. RKorps),
der bisher im Gyergogebirge das k. u. k. XXI. Korps mit den dazu-
gestoßenen deutschen Unterstützungen geführt hatte, übernahm den
Befehl über den rechten Armeeflügel in der Csik, bestehend aus dem
k. u. k. VI. Korps (deutsche 225. ID., 39. HID., 24. ID.), aus der durch
die k. u. 16. LstlBrig. (Reste der 61. HID.) verstärkten 8.bayr. RD. und
aus der 10. Kavalleriedivision. Die den Nordflügel der 1. Armee bilden-
den Truppen, 72. ID., 31. ID., 37. HID. und 3. KD., wurden zum
XXI. Korps, FML. Freih. v. Lütgendorf, vereinigt. Ende Februar wurde
auf Wunsch des GO. Erzherzog Joseph und mit Zustimmung der DOHL.
die Gruppe Gerok (Generalkmdo. des deutschen XXIV. RKorps) der
1. Armee unmittelbar unterstellt und das VIII. Korpskmdo., F2M. Ritt,
v. Benigni, von der 3. Armee nach Bereczk geführt, wo es innerhalb der
Gruppe Gerok den Befehl über die bisherige Gruppe Sorsich am Ojtez-
paß übernahm.
Die Eingliederung der Gruppe Gerok in die 1. Armee war jetzt
möglich geworden, weil der bisherige Armeekommandant, Gdl. Arz, der
rangjünger als der Gdl. Gerok war (Bd. V, S. 517), am 27. Februar vom
Kaiser Karl nach Baden berufen worden war, um, wie schon erwähnt
(S. 70), an Stelle des FM. Conrad die Dienstgeschäfte des Chefs des
Generalstabes zu übernehmen. An Stelle des Gdl. Arz ernannte der
Kaiser den bisherigen Führer der 11. Armee, GO. Rohr, zum Komman-
danten der 1. Armee. Rohr traf am 4. März in Székely-Udvarhely, dem
Hauptquartier des 1. Armeekmdos., ein.
Bei der k. u. k. 7. Armee in den Waldkarpathen wurden Mitte Jänner
nach dem Einsatz der 51. HID. am Südflügel des XI. Korps die 24. IBrig.
und der Stab der 12. ID., FML. Edi. v. Hinke, aus dem Abschnitt südlich
von Dorna Watra und Jacobeny verschoben. FML. Hinke übernahm an
Stelle des GM. Edi. v. Leiter den Befehl über die am Nordflügel des
Korps Habermann kämpfenden Truppen, die 23. IBrig. und die Brigade
Obst. Papp mit den als Ersatz für die 10. KD. eingesetzten Reitern der
5. Honvédkavalleriedivision. Die im Nordabschnitt des XI. Korps ste-
hende 8. KD. wurde dem Südflügel des von FZM. v. Scheuchenstuel be-
fehligten k. u. k. I. Korps angegliedert.
Am 27. Jänner um Mittag griff die Armee Letschitzki mit zwei
Divisionen, der 78. und der 65. des XXVI. Korps, nach einer heftigen
Feuervorbereitung beiderseits der Straße Valeputna—Jacobeny den
schon so oft bestürmten Nordflügel des k. u. k. XI. Korps an. In dichten
80
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Wellen stürzte sich der Feind durch den Mestecänescipaß auf den Ab-
schnitt des Eisenbahntunnels und drückte die Gruppe FML. Hinke fast
bis an die Straße im Tal der Goldenen Bistri tz zurück. Unter Einsatz
aller am Nordflügel des XI. Korps vorhandenen Kräfte gelang es dem
FML. Edi. v. Habermann, den Einbruch des Feindes auf dem Südhang der
Berge abzudämmen. Bei der Abwehr erlitten besonders die Brigade Papp,
die 5.HKD. und die Infanterieregimenter 57 und 100 schwere Verluste.
Am 29. und am 30. Jänner suchte das russische XXVI. Korps aufs
neue gegen Jacobeny durchzubrechen. Auf den Höhen nordwestlich des
Mestecänescipasses blieben die Angriffe im Sperrfeuer der gutgeleiteten
öst.-ung. Batterien liegen. Südöstlich des Passes vermochten die in Mas-
sen anrennenden Russen der Gruppe FML. Hinke abermals Gelände zu
entreißen. Die vom Verteidiger versuchten Gegenangriffe scheiterten.
Das 7. Armeekmdo. sandte den Kommandanten der deutschen 1. ID.,
GM. Paschen, mit fünf Bataillonen seiner Division in den Nordabschnitt
des XI. Korps und erteilte dem deutschen General die Weisung, die
alten Stellungen am Mestecänescipaß zurückzuerobern. GM. Paschen ließ
jedoch schon am 31. Jänner das 7. Armeekmdo. wissen, daß er mit den
vorhandenen Kräften lediglich den linken Flügel des XI. Korps stützen
könne, und bat um weitere Verstärkungen. Nun trat GO. v. Kövess an
die k. u. k'. Heeresleitung mit dem Ansuchen heran, der 7. Armee eine
frische Division zu überweisen. Er begründete seine dringliche Bitte
damit, daß der gefährdete Verteidigungsabschnitt bei Jacobeny andau-
ernd starke Kräfte beanspruche, es fehle daher auf der weitausgedehn-
ten Front der 7. Armee an einer Reserve, die auch für die erfolgreiche
Abwehr der im Frühjahr zu erwartenden Offensive der Russen erfor-
derlich sei. Das XI. Korps müsse seine ursprüngliche Stellung zurück-
erobern, weil der Feind die Straße im Bistritztal beherrsche. Nach dem
Abschluß des Unternehmens würde das 7. Armeekmdo. eine Reserve
freimachen und die ihr vorübergehend überwiesene Division der k. u. k.
Heeresleitung wieder zurückstellen.
Erzherzog Joseph, der am 26. Jänner seinen Standort von Legesvár
nach Maros Vásárhely verlegt hatte, schloß sich dem Ansuchen des
7. Armeekmdos. an, zumal es ihm an der ganzen Heeresfront ebenfalls
an einer Reserve gebrach. Indes auch die k. u. k. Heeresleitung hatte an
der Ostfront keine Reserve verfügbar. Auf ihre Bitte an die DOHL., die
aus der Gruppe Gerok herausgelöste deutsche 187. ID. wieder freizu-
geben, erhielt sie den schon vorher erwähnten Bescheid, daß auf den
Abtransport dieser Division nicht verzichtet werden könne (S. 78); doch
Wechselvolle Gefechte auf dem Mestecänescipaß
81
werde GFM. Mackensen die 76. RD. in der ersten Märzhälfte bei Ploesci
bereitstellen, um sie erforderlichenfalls nach Siebenbürgen entsenden zu
können. Nun sollte sich die Heeresfront Erzherzog Joseph selbst eine
Reserve bilden, die nach Meinung der k. u. k. Heeresleitung dem Süd-
flügel der 1. Armee zu entnehmen war. Demgegenüber führte GO. Erz-
herzog Joseph in einem am 3. Februar der k. u. k. Heeresleitung vor-
gelegten Bericht aus, daß es bei den schwachen Gefechtsständen kaum
möglich sein werde, der 1. Armee Kräfte zu entnehmen. Alle ihre Trup-
penkörper hätten bei dem strengen Winterwetter in ihren notdürftigen
Deckungen erhebliche Krankenabgänge zu verzeichnen. Die hinter der
Front vorhandenen Marschformationen seien noch nicht einreihungsfähig,
die Vervollständigung der Stellungen dürfe nicht durch Truppenabgaben
verzögert werden. Auch müßten die am Südflügel der 1. Armee in
Feindeshand gefallenen Höhen zurückerobert werden. Die Vorbereitun-
gen zu diesem Unternehmen, die ebenso dringlich wären, wie die Rück-
eroberung der Mestecänescistellung, würden bereits getroffen.
So blieb dem GO. Kövess nichts anderes übrig, als mit den eigenen
Mitteln den Angriff bei Jacobeny vorzubereiten. Dazu ließ er die dem
Nordflügel des XI. Korps zugeteilten Reiter der S.HKD. durch die
6. KD. ersetzen, während die abgekämpfte 24. IBrig. der deutschen
l.ID, als Ersatz für ihre Truppenaushilfen zur Verfügung gestellt
wurde. GM. v. Puchalski, der neuernannte Kommandant der 12. ID., über-
nahm vorübergehend den Befehl über den Südflügel des Karpathenkorps.
Am 12. Februar griffen bei Jacobeny ostpreußische Grenadiere der
l.ID., das Bataillon III/56 der k.u. k. 12. ID. sowie Teile des IR. 157
der deutschen 117. ID. unter der Führung des GM. Paschen an und ent-
rissen dem Feinde auf dem Mestecänescipaß einen Teil der alten Stel-
lungen des k. u. k. XI. Korps !). Wirkungsvolles Artilleriefeuer verhalf
zum Gelingen des sorgfältig vorbereiteten Unternehmens. Die Russen
verloren 1200 Gefangene, 12 Maschinengewehre und 6 Minenwerfer.
Allerdings vermochten die Angreifer den Feind nicht vom Ostausgang
des Eisenbahntunnels zu vertreiben. In zweitägigem Ringen behauptete
jedoch die Gruppe GM. Paschen ihren Geländegewinn wider heftige
Gegenstöße der Russen.
Am 27. Februar, nach Zuweisung von Schießbedarf für die Artil-
lerie, wurde der Angriff fortgesetzt. Wiederum eroberte die Gruppe
GM. Paschen auf den Höhen nordöstlich von Jacobeny Grabenstücke der
*■) G o 11 b e r g, Das Grenadier-Regiment Kronprinz Nr. 1 im Weltkrieg (Olden-
burg/Berlin 1929), 62 ff.
VI 6
82
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Russen. Sie brachte mehr als 1300 Gefangene ein, erreichte nahezu alle
früheren Stellungen des XI. Korps und schlug in ihren neuen Linien eine
Reihe von Gegenstößen ab. Nur der Stützpunkt am Ostausgang des
Eisenbahntunnels, von ostpreußischen Grenadieren erstürmt, mußte
neuerlich geräumt werden. Am l.März versuchte der Feind die am
Mestecänescipaß verlorenen Stellungen zurückzuerobern. Noch einmal
rannte das XXVI. Russenkorps in dichten Wellen gegen den Nordflügel
des Korps Habermann an, zerschellte aber an dem wirksamen Abwehr-
feuer unserer Artillerie.
Während die zermürbenden Stellungskämpfe bei Jacobeny ent-
brannten, unternahm die 64. ID. des russischen XVIII. Korps der Armee
GdK. Kaledin bei Kirlibaba nur ganz vereinzelte Entlastungsvorstöße
mit schwächeren Kräften. Hier glückte den Sturmtrupps der k. u. k.
59. ID., gleichwie jenen des Karpathenkorps auf dem Gebirgswall zwi-
schen dem Prislopsattel und dem Smotrecrücken mancher Überfall auf
die russischen Vortruppen. Gegen die Mitte des deutschen XXV. RKorps
rafften sich Truppen des russischen XI. Korps am 24. Februar nach
langer Artillerievorbereitung zu einem stärkeren Angriff auf dem Tar-
tarenpaß auf und drangen vorübergehend in einzelne Grabenstücke der
k. u. k. 34. ID. ein. Am nächsten Tag brachen neue Angriffsversuche der
Russen schon im Sperrfeuer unserer Artillerie zusammen.
Abgesehen von diesen Gefechten waren an der Heeresfront GO. Erz-
herzog Joseph während des ganzen Winters keine besonderen Kampf-
handlungen zu verzeichnen. Aber dieser Krieg ohne größere Kämpfe
verbrauchte dennoch unverhältnismäßig viele Menschen durch Krank-
heiten und durch Verluste bei Patrouillengängen. Der Winter war hart,
im Gebirge herrschte im Februar eine grimmige Kälte bis zu 29° Cel-
sius; Erfrierungsfälle waren nicht selten. Auf den Höhen hatte die
Truppe viel zu leiden. Die Verpflegung war im Verhältnis zu den ge-
forderten Anstrengungen knapp. Zuweilen wurde die Versorgung der
Streiter in den höchstgelegenen Abschnitten wegen Schneeverwehungen
sogar unmöglich. Recht schwierig gestalteten sich die Verhältnisse auch
im März, als die Schmelzwasser zu Tal brausten und die Zugangswege
zu den Stellungen in Sumpf verwandelten.
Die Lage am Südteil der Heeresfront Prinz Leopold von Bayern
An der langen Front vom Pantyrpaß bis zum Pripiatj standen die
ersten Monate des Jahres 1917 ebenfalls im Zeichen des Stellungskrie-
Begebenheiten auf beiden Dniesterufern
88
ges. Die Gefechtstätigkeit beschränkte sich auch hier im großen ganzen
auf gelegentliche Kanonaden, auf kleine Patrouillenunternehmen zu Er-
kundungs- und Zerstörungszwecken sowie auf eine mehr oder minder
rege Arbeit der Flieger.
Im Verteidigungsabschnitt der 3. Armee, zwischen den Karpathen
und dem Dniester, herrschte im Jänner winterliche Ruhe. Zuweilen
stießen Patrouillen der k. u. k. 5. ID. aus den Höhenstellungen in das
Quelltal der Bystrzyca Solotwiñska herunter und hoben dort russische
Posten aus. Eine Stoßabteilung des HIR. 28 der 42. HID. durchwatete
am 20. Februar die Bystrzyca Solotwiñska und erstürmte den von rus-
sischen Vortruppen besetzten Ort Lachowce. Besonders unternehmungs-
lustig zeigten sich die Stoßtrupps der Gruppe FML. v. Hadfy (21. SchD.
und 48. RD.) bei Stanislau und bei Jezupol. In diesen Abschnitten kam
es im Verlaufe des Winters zu zahlreichen Scharmützeln im Zwischen-
gelände. Auch die Russen blieben nicht müßig. Ihre Jagdkommandos
waren sehr tätig und griffen wiederholt die Feldwachen des k. u. k.
XIII. Korps (42. HID. und 36. ID.) bei Solotwina und bei Bohorodczany
an. Überaus rege waren die Erkundungsabteilungen der Russen auf dem
Südflügel ihrer 7. Armee. Hier waren Stanislau und die Frontstrecke
Jezupol—Halicz vom Februar an der Ausgangspunkt ihrer Unterneh-
mungen. Auch die Kanonaden der russischen Artillerie lebten in diesen
Abschnitten wiederholt auf. Gdl. Schtscherbatschew rüstete vielleicht zu
einem Angriff auf den Nordflügel der k. u.k. 3. Armee. Diese besaß
auf ihrer langen Front außer der im Räume von Kalusz in Neuaufstel-
lung begriffenen 15. ID. und den Reitern der 2. KD. am Südufer des
Dniester keine Reserve. Anfangs März ließ der Heeresgruppenkomman-
dant, GO. v. Böhm-Ermolli, die 21. SchD. im Abschnitt von Stanislau
durch die nun wieder verwendungsbereite 15. ID. und Ende des Monats
die 48. RD. durch die zuerst genannte Division ablösen. Die 48. RD. ge-
langte als Heeresgruppenreserve hinter den Nordflügel der 3. Armee,
während die Reiter der 2. KD. bei Rozniatow hinter der Armeemitte zu
versammeln waren.
Bei der Südarmee wurde am 28. Jänner das zwischen der Nara-
jówka und der ZlotaLipa eingesetzte türkische XV. Korps (deutsche
36. RD., 19. und 20. ID. der Türken) von Truppen des sib. VII. Korps
angefallen. Die Russen vermochten in die Stellungen der Türken
einzudringen, doch gelang es dem Verteidiger, den eingebrochenen
Feind aus den Gräben zu werfen. Von Mitte Februar an kam es an
der Narajówka und an der Zlota Lipa bei Brzezany zu lebhaften
6*
84
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Stellungskämpfen. Starke Erkundungsabteilungen der Russen stießen
des öfteren gegen die Vorpostenstellungen des türkischen XV. und des
k. u. k. XXV. Korps (bisheriges Korps FML. Hofmann) vor. Auch im
März hielten diese Vorfeldkämpfe an. Russische Ferngeschütze began-
nen Brze£any zu beschießen. Die Stadt wurde auch von russischen Flie-
gern mit Bomben heimgesucht, was unsere Flieger mit Überfällen auf
Podhajce und auf Kozowa vergalten. Bei Lipnica dolna unternahmen die
Russen in der Nacht auf den 14. März gegen die Stellungen der 36. RD.
einen wirkungslosen Gasangriff. Zugleich mit dem Abblasen von Gas
setzte ein lebhaftes Feuer der russischen Artillerie ein. Die feindliche
Infanterie blieb jedoch in ihren Gräben. Es schien, als ob die Russen im
Frühjahr wiederum bei Brze£any angreifen wollten, um sich den Weg
nach Lemberg zu öffnen. Die Stoßtrupps des XXVII. RKorps (deutsche
119. ID., 75. RD., 53. RD.) entfalteten an der Narajówka, jene des
k. u. k. XXV. Korps (54. und 55. ID.) an der ZlotaLipa eine rege Tätig-
keit, um die Kräfteverteilung der Russen festzustellen.
Verschiedene Truppenverschiebungen und Ablösungen innerhalb
der Sü-darmee dienten außerdem dem Zwecke, eine deutsche Division
als Reserve auszuscheiden und den Verteidigungsabschnitt von Brzeáany
durch deutsche Truppen zu verstärken. Dem k. u. k. XXV. Korps wurde
der ganze Abschnitt von der Höhe Lysonia bis Koniuchy überwiesen
und die freigewordene 38. HID. an den südlichen Armeeflügel ver-
schoben. Diese Division und zwei bayrische Landsturmregimenter wur-
den am Südflügel des XXVII. RKorps eingesetzt. Dafür gab dieses
Korps die deutsche 119. ID. und die 75. RD. ab. Die Letztgenannte
kam als Armee reserve nach Rohatyn und Bursztyn; die 119. ID. wurde
bei Brzeèany in die Front zwischen dem türkischen XV. und dem k. u. k.
XXV. Korps eingeschoben.
Der k. u. k. 2. Armee wurden von Ende Jänner an die Truppen der
10. bayr. ID. allmählich zugeschoben und am Südflügel des k. u. k.
V.Korps an Stelle der nach Siebenbürgen abrollenden 31. ID. eingesetzt
(S. 79). Ende Februar ging das noch beim XVIII. Korps befindliche
k. k. LstIR. 1 der l.LstlBrig. zur 5. Armee an den Isonzo ab. Im Ab-
schnitt Zloczów flammten inzwischen lebhafte Stellungskämpfe auf. Am
10. Februar drang eine Abteilung des XVII. Korps der 11. Russenarmee
nördlich der Straße Zborów—Zloczów in die Gräben der deutschen
195. ID. ein, wurde aber alsbald hinausgeworfen. In der Nacht auf
den 13. sprengten die Russen bei Zwyzyn einen Minenstollen, vermoch-
ten sich aber in den beschädigten Gräben der 33. ID. nicht festzusetzen.
Geringe Kampftätigkeit bei der 2. Armee
85
Am 14. brachten Stoßtrupps der deutschen 197. ID. an der Bahn Zlo-
czów—Tarnopol aus der russischen Stellung fast 300 Gefangene ein.
Ein größeres Sturmtruppunternehmen bei Zwyzin, ausgeführt »am
22. Februar von Stoßtrupps der k. u. k. Infanterieregimenter 12 und 83
und des deutschen RIR. 233, führte zu einem vollen Erfolg; der Feind
mußte mehr als 300 Gefangene sowie zwei Maschinengewehre in den
Händen der Angreifer lassen. Am 12. März gelang es bei Hukalowce
den Stoßtrupps der deutschen 195. ID., nach wirksamer Vorbereitung
durch Artillerie- und Minenwerferfeuer im kühnen Anlauf überraschend
in die feindliche Stellung einzudringen und mit 250 Gefangenen zurück-
zukehren. Wiederholt mußten in den Verteidigungsabschnitten Zloczów
und Brody aber auch Erkundungsabteilungen der Russen abgewiesen
werden. Russische Flieger bewarfen die Stellungen der 106. LstlD. west-
lich von Brody mit Bomben, die deutschen und die öst.-ung. Kampf-
geschwader antworteten mit gleichem gegen Radziwilow.
Die Gruppe Gdl. v. Eben (Abschnitt Zloczów) hatte bis Mitte März
die Truppen der deutschen 195. ID. mit dem Stabe der deutschen
197. ID. als Heeresfrontreserve aus der Front herauszulösen.. Der Nord-
flügel der Gruppe Eben erhielt dafür zwei Bataillone des k. u.k.
IX. Korps und ein deutsches Jägerbataillon zugewiesen. Bei Podhoroe
war überdies eine zusammengesetzte Division aus fünf deutschen Batail-
lonen und aus drei Batterien des k. u. k. V. Korps zusammenzuziehen.
Ende März wurde dem k. u. k. XVIII. Korps die abgekämpfte deutsche
15. LD. von der Westfront als Ersatz für die dem südwestlichen Kriegs-
schauplatze zugedachte 106. LstlD. zugeführt.
Im Bereiche der Heeresgruppe Linsingen blieb die Lage in den
Wintermonaten im großen und ganzen unverändert. Die Kampftätigkeit
beschränkte sich am oberen Styr und am Stochod wie in den Verteidi-
gungsabschnitten Ostgaliziens auf Artillerie- und Minenwerferfeuer, auf
Feldwachkämpfe und auf kleinere Unternehmungen der Jagdkomman-
dos im Vorfelde, wobei die öst.-ung: und die deutschen Sturmtrupps
meist die Oberhand hatten und die angriffslustigeren waren.
Die Mitte des Abschnittes Lipa (Generalkmdo. des deutschen
XXII. RKorps, GdK. Eugen v. Falkenhayn) wurde seit Mitte Jänner als
Abschnitt Buzany (deutsche 22. ID. mit zugeteilter halber 20. HID.) be-
zeichnet. Mitte Februar traf die zweite Brigade der 20. HID., die 81. HI-
Brig., von der 5. Armee ein. Ein Regiment dieser Brigade wurde mit
der Stammdivision im Abschnitt Buzany vereinigt, das andere der deut-
schen 215. ID. überwiesen. Die 7. ID. ging an den Isonzo ab.
86
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Bei der k. u. k. 4. Armee wurde Mitte Jänner das LIR. 429 der deut-
schen 10. LD. aus der Front des Korps FML. Szurmay (öst.-ung. 11. ID.,
deutsche 10. LD.) herausgelöst und an Steüe des nach Mit.au abrollen-
den RIR. 106 als neue Heeresfrontreserve ausgeschieden. Am 10. Februar
übernahm FML. Lukas den Befehl über dieses Korps, das die Num-
mer XXIV erhielt. FML. Szurmay wurde an Stelle des zum Chef des
Ersatzwesens (S. 72) ernannten GO. Hazai Honvédminister. Gdl. Kfitek
übernahm am 26. Jänner den Befehl über das k. u. k. X. Korps (2. ID.,
halbe 13.SchD.), das bisher zum Abschnitt Luga (Generalkmdo. des
deutschen VI. Korps, Gdl. Riemann) gehört hatte und nunmehr dem
4. Armeekmdo. unmittelbar unterstellt wurde. Anfangs März erfolgte
auf Wunsch des Oberkommandos Ost bei der 4. Armee ein Kommando-
wechsel. GO. Tersztyánszky wurde wegen Gegensätzlichkeiten mit dem
Heeresgruppenkommando Linsingen durch den GO. Freih. v. Kirchbach
ersetzt und übernahm an dessen Stelle den Befehl über die k.u.k. 3. Armee.
In zahlreichen kleinen Gefechten maßen sich auch im Bereiche der
k. u. k. 4. Armee die öst.-ung. und die deutschen Sturmabteilungen mit
den Vortruppen der Russen. So gelang es am 26. Februar der deutschen
224. ID. bei Swiniuchy, nach einer Minensprengung in den zerstörten
feindlichen Graben einzudringen. Weiter nördlich bei Bubnow schlugen
sich wiederholt Patrouillen der k. u. k. 11. ID. mit feindlichen Streifab-
teilungen herum. Am 18. Februar versuchte der Russe vergeblich, ein
Grabenstück der 11. ID. durch eine Minensprengung zu nehmen. Im
Abschnitt nördlich von Szelwow überfielen des öfteren Stoßtrupps der
13.SchD. und der 2. ID. russische Feldwachen und wiesen feindliche
Jagdkommandos ab. Auch bei dem verstärkten deutschen VIII. Korps
(15. und 16. ID. der Deutschen, k. u. k. 29. ID.) am obersten Stochod
wurden wiederholt russische Vorposten ausgehoben. Am 2. März abends
gelang es Stoßtrupps der 29. und der 16. ID., nach wirksamer Vor-
bereitung durch Artillerie- und Minenwerferfeuer, in kühnem Anlauf
westlich von Woronczyn auf mehr als zwei Kilometer Breite und
einem Kilometer Tiefe in die feindlichen Stellungen einzudringen und
nach gründlicher Zerstörung der russischen Gräben mit mehr als
100 Gefangenen und vier Maschinengewehren zurückzukehren. Am
14. März brachten bei Witoniez Stoßtrupps des k. u. k. IR. 94 aus der
russischen Stellung neuerdings Gefangene und vier Maschinengewehre
als Beute ein.
Im Abschnitt Kowel (Generalkmdo. LV, GdK. v. Bernhardi) ent-
flammten bald an der Bahnlinie Luck—Kowel, bald bei Mielnica und
Kleinkrieg in Wolhynien
87
weiter den S tocho d abwärts kleine Kämpfe im Vorfeld. Den Stoßtrupps
der deutschen 92. ID. sowie jenen der k. u. k. 4. ID. und der 26. und
45. SchD. glückte mancher Handstreich auf die russischen Vortruppen
und Feldwachstellungen. Im Monat März wurde die deutsche 92. ID.
am Südflügel des k. u. k. II. Korps durch die im Bereiche der Armee-
gruppe Bernhardi neuaufgestellte sächsische 45. LD. ersetzt und als
Heeresfrontreserve nach Wladimir-Wolyñski verlegt.
An diesem Kleinkrieg im Vorfeld waren auch die k. k. 26. SchBrig.
und das k. u. k. XII.Korps (35. ID.) im Bereiche der Heeresgruppe GO.
v. Woyrsch an der Szczara sowie das k. u. k. IR. 63 der 35. ID. im Ver-
bände der deutschen Armeeabteilung Gdl. Freih. v. Scheffer-Boyadel an
der Bieriezina beteiligt.
Bei Riga entflammte Ende Jänner eine neue Schlacht (S. 14). An
der Aa schritt der linke Flügel der deutschen 8. Armee, GdA. v. Scholtz,
mit Verstärkungen vom Stochod am 23. zum Angriff, um die anfangs
des Monats verlorenen Stellungen zurückzuerobern. Das Ringen endete
am 3. Februar trotz heftiger Gegenstöße der russischen 12. Armee, Gdl.
Dimitriew, mit einem Erfolg für die Deutschen.
Der Sturz des Zar en turns
Seit im Anfang des Jahres 1917 die Vorstöße Letschitzkis bei Jaco-
beny und die Versuche Dimitriews, auf Mit au vorzudringen, gescheitert
waren, rafften sich die Russen zu keinem größeren Angriff gegen die
Wehrstellung der verbündeten Mittelmächte mehr auf. Wohl hätten
ursprünglich im Februar die russische 5. Armee bei Dünaburg, die 10.
bei Smorgon und die 7. bei Stanislau zur Entlastung der alliierten West-
mächte angreifen sollen. Aber die den verschiedenen Abschnitten von
der Stawka anbefohlenen kurzen Schläge wurden nicht ausgeführt, weil
die Alliierten selbst mit den Vorbereitungen nicht fertig geworden
waren und ihre Generaloffensive auf den April hinausschieben mußten.
Als Zeitpunkt für den Beginn des allgemeinen Angriffs des russischen
Heeres hatte die Stawka den l.Mai vorgesehen (S. 13). Sie hoffte, bis
dahin mit den Angriffsvorbereitungen fertig zu werden. Schon im März
war der Großteil der in Neuaufstellung begriffenen 62 Divisionen vor-
handen. Das russische Heer war jetzt auf 2800 Bataillone und auf
1277 Schwadronen angewachsen und hatte damit seinen Höchststand
seit Kriegsbeginn erreicht. An der Front hatte sich bis zum Jänner 1917
88
Winter und Frühjahrsanfang 1917
die Zahl der Geschütze auf 5459 leichte und 1946 schwere vermehrt.
Munition war reichlich vorhanden, an Gewehren gab es neben russischen
auch österreichische, japanische und französische. In den Vereinigten
Staaten waren große Bestellungen an Kriegsgerät gemacht worden; an
Maschinengewehren waren bei den Armeen im Felde insgesamt 15.000
vorhanden, die Neuaufstellung von Batterien und von 100 Maschinen-
gewehrkompagnien war beabsichtigt. Aus England und Frankreich •
trafen zahlreiche Flugzeuge ein, aus Frankreich überdies Artillerie-
instruktoren1).
Rußlands Wirtschaftslage war allerdings eine sehr schwierige ge-
worden. Das Transportwesen war in Unordnung geraten; es fehlte an
Kohle. Die Arbeiterschaft war kriegsmüde, die Propaganda gegen den
Krieg, gegen die alte Ordnung im Zarenreiche hatte an Stärke zuge-
nommen. An der Front sah es wohl besser aus, aber auch dort begann
sich bereits eine tiefgehende Wandlung zu vollziehen.
Mitte Februar legte der Kommandant der russischen Nordfront,
Gdl. Rußki, der Stawka einen Bericht vor, in dem es hieß, daß der gute
Geist der Truppe im Schwinden und aus dem kaiserlichen Heere eine
„Miliz" geworden sei. Bei einem Angriff an der Nordfront im Jän-
ner 1917 hatte sich die 4. Spezialdivision geweigert, die Schützengräben
zu verlassen. Schlimme Zeichen der Auflehnung wurden vom VII. sib.
Korps an der Südwestfront gemeldet. Schon vollzog sich an der Front
von Riga bis Reni, hier zögernd, dort drängender, der gärende Riesen-
prozeß der Auflösung als natürliche Folge der furchtbaren Anstrenr-
gungen, die dem russischen Heere in unzähligen Schlachten zugemutet
worden waren.
Es kann hier nicht unternommen werden, alle Ursachen und Ver-
anlassungen darzulegen, die Rußland zur Katastrophe des Jahres 1917
führten. Das russische Heer hatte unter den Siegesschlägen der ver*-
bündeten Mittelmächte im Sommer 1915 schwere Wunden erhalten. Zu
der Tatsache der Niederlagen selbst kamen ihre Auswirkungen, die sich
vom Sommer 1915 an im Volke und Staate bemerkbar machten. Das
Leben der breiten Masse des russischen Volkes war bisher in der Heimat
vom Kriege noch nicht unmittelbar berührt gewesen; bisher hatten nur
die fremdstämmigen Grenzvölker im Westen unter den Schrecken des
Krieges zu leiden gehabt. Nun aber überschwemmten Millionen zwangs-
weise angesiedelter Flüchtlinge ganz Rußland. Sie trugen die Kunde
von den Ereignissen an der Front in die entlegentsten, bisher künstlich
i) K n o X, II, 510 ff.
Die Ursachen der russischen Revolution
89
von allen ungünstigen Nachrichten abgesperrten Orte und brachten so
zugleich mit ihrem namenlosen Elende den Keim der Unzufriedenheit
und der Auflehnung gegen die Regierung, die dieses Unglück nicht
hatte verhindern können. Den Generalen wurde Unfähigkeit und der
Verwaltung, namentlich der des Heeres, Mißwirtschaft bei der Ver-
sorgung der Truppe mit Waffen und Munition vorgeworfen. Im Volke
begann es zu gären, man verlangte von dem verhaßten absolutistischen
Regiment freiheitliche Zugeständnisse. Der Ruf nach einem verantwort-
lichen Ministerium wurde immer häufiger, die gesellschaftlichen Kräfte
gerieten in Bewegung, und es mußte ihnen Gelegenheit zur Betätigung
gegeben werden. Es entstanden Organisationen, die die veraltete Büro-
kratie unterstützten, überwachten oder ersetzten und damit die Axt
an den morschen Baum des Verwaltungsapparates legten.
Um die Leistungsfähigkeit der Kriegsindustrie zu steigern, wurde
neben dem Kriegsministerium ein „Sonderausschuß" für die Versorgung
des Heeres gebildet, in dejn Vertreter der Industrie und der Selbstver-
waltung sowie Mitglieder der Duma bestimmenden Einfluß gewannen.
Die ,,Kriegsindustriekomitees" waren mit Vertretern der Arbeiterschaft
durchsetzt, der Landschafts- und Städtebund betätigte sich in der Für-
sorge für die Kranken und Verwundeten. Alle diese Körperschaften
arbeiteten mit finanzieller Unterstützung aus Staatsmitteln, benützten
diese Gelder aber auch zur Organisierung ihrer Kräfte gegen den Staat.
Sie wurden der Zufluchtsort für die unendliche Schar der Drücke-
berger, sie bildeten die Kanäle, durch die die revolutionäre Propaganda
den Weg zur Truppe fand.
Die Offensive im Sommer 1916 brachte unter schweren Blutopfern
Raumgewinn, änderte aber an der Kriegslage nichts; sie gewann zwar
Rumänien für die Verbündeten und rettete Italien, aber nicht Rußland,
das sich für die Entente verblutete. Die Mobilisierung der Kriegsindu-
strie mit Hilfe der gesellschaftlichen Kräfte hatte das kriegsmüde Volk
und das Land dem versprochenen Siege nicht näher gebracht. Dazu
kam im Herbst 1916 die Enttäuschung über Rumänien. Erbittert wurde
der Kampf der politischen Richtungen um die Macht im Staate fort-
gesetzt. Er verzehrte die Kräfte, statt sie gegen den äußeren Feind zu-
sammenzufassen und zu verstärken. Zündstoff hatte die schwache
Staatsleitung mit ihrer erwiesenen Unfähigkeit in reichlichem Maße
geliefert. Bürgerliche Imperialisten standen in schärfster Opposition zu
den Friedensfühlern, die die Regierung Stürmer zu den Mittelmächten
ausgestreckt hatte. Im November wurde das konservative Ministerium
90
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Stürmer gestürzt (V. Bd., S. 717). Der Mangel an Nahrungsmitteln in
den Städten lieferte willkommene Agitationsmittel zur Aufhetzung
des städtischen Proletariats. Die Redner der äußersten Linken übten
schärfste Kritik an den Maßnahmen der Regierung, wandten sich gegen
die aussichtslose Fortsetzung des Krieges und verlangten die Beseitigung
der reaktionären Herrschaft des Zaren und seiner Generale.
Um die Reformbewegungen nicht aus der Hand zu verlieren und
um einer Machtergreifung durch die Radikalen vorzubeugen, machten
sich die bürgerliche Mitte und die gemäßigten Sozialisten zum Sprach-
rohr weitgehender Wünsche. Auf der anderen Seite ließen die Vertreter
der Reaktion den Zaren nicht aus den Händen. Der englische Bot-
schafter Sir George Buchanan erhob dagegen wiederholt Vorstellungen;
er legte noch Ende Jänner dem Zaren eine Änderung seiner Politik nahe.
Der Zar konnte sich aber zu Reformen nicht entschließen. Er wurde
auch aus dem Großen Hauptquartier gewarnt; denn das Heer hatte
bereits das Vertrauen zur kaiserlichen Regierung verloren. Die Heimat-
briefe der Soldaten waren angefüllt mit Äußerungen über die „deutsche"
Zarin. Die Soldaten würden nicht mehr kämpfen, wenn die Anarchie
im Innern des Reiches zunehme. Die Ermordung des einflußreichen
Wundermönches Rasputin am 30. Dezember und das Unterbleiben einer
Verfolgung der Mörder warf ein Schlaglicht auf die ungesunden Ver-
hältnisse am Zarenhofe. Die Gärung des Jahres 1915 war Ende 1916
schon zu einer ausgesprochen aufrührerischen Stimmung geworden,
die jeden Augenblick zur Revolution führen konnte.
Zu Beginn des Jahres 1917 nahmen die Teuerungsunruhen in den
russischen Großstädten überhand; Hunger quälte das Land. In den
ersten Märztagen traten in Petersburg die Arbeiter in den Ausstand. Ein
Teil der Petersburger Garnison weigerte sich, auf die Streikenden zu
schießen. Der Dumapräsident Rodsjanko ersuchte den Zaren um die
Bildung einer neuen Regierung. Als Antwort vertagte Nikolaus II. am
10. März die Duma, worauf diese am 12. beschloß, den kaiserlichen
Befehl zu mißachten und beisammenzubleiben. Am gleichen Tage noch
wurde ein „Provisorischer Ausschuß zur Aufrechterhaltung der Ord-
nung" gebildet, in dem Rodsjanko, Gutschkow, Miljukow und Kerenski
die führenden Männer waren. Gleichzeitig trat neben diesem proviso-
rischen Exekutivkomitee der vertagten Duma ein „Provisorischer Voll-
zugsausschuß der Sowjets und Arbeiterdeputierten" zusammen. Die
überwiegende Mehrheit der Petersburger Garnison ging zu den Revo-
lutionären über. Vergebens suchte das Dumakomitée durch Befehle
Die Abdankung des Zaren
91
und Aufrufe den Aufstand der Truppen einzudämmen und den Gehor-
sam wiederherzustellen. Die Soldaten verließen ihre Kasernen, sie ent-
waffneten die Offiziere, beteiligten sich an den Kämpfen auf den
Straßen und verbrüderten sich mit dem Volke. Vertreter der einzelnen
Truppenkörper wurden in den Sowjet entsendet, der von nun an den
Namen: „Rat der Arbeiter- und Soldatendelegierten" tragen sollte.
Am 14. März wurde unter Vorsitz Sokolows die gemeinsame Sitzung
der Arbeiter- und Soldatendelegierten eröffnet und der Beschluß ge-
faßt, daß die Petersburger Garnison in politischen Fragen lediglich dem
Sowjet unterstehe; der „Militärkommission der Duma" sei nur soweit
zu gehorchen, als deren Anordnungen nicht im Widerspruch zu den
Beschlüssen der Sowjets stünden. Außerdem wurde vereinbart, bei allen
Truppeneinheiten Vertreter in den Rat der Arbeiterdelegierten zu wäh-
len. Ferner wurde unter anderem zum Beschlüsse erhoben, daß die Sol-
daten außerhalb des Dienstes in ihrem politischen, bürgerlichen und pri-
vaten Leben dieselben Rechte genießen sollten wie alle übrigen Bürger x).
In der Nacht auf den 15. März teilte Gdl. Rußki, in dessen Haupt-
quartier in Pskow sich Nikolaus II. befand, im Auftrage des Zaren dem
Dumapräsidenten Rodsjanko mit, daß der Kaiser die Absicht habe,
Rodsjanko die Bildung eines den gesetzgebenden Körperschaften ver-
antwortlichen Ministeriums zu übertragen. Aber die Sowjets und die
Linke der Duma forderten bereits die Absetzung des Zaren und die
Ernennung seines Bruders, des Großfürsten Michael Alexandrowitsch,
zum Regenten für den unmündigen Zarewitsch. Der Dumapräsident
Rodsjanko erklärte daher dem Zaren, daß seine Vorschläge jetzt nicht
mehr genügten und daß es um die Dynastie gehe. Die russische Oberste
Heeresleitung in Mohilew, wo Gdl. Alexejew anfangs März seinen
Dienst als Chef des Generalstabes vom GdK. Gurko wieder übernom-
men hatte, war der Ansicht, daß nur die Abdankung des Zaren Ruß-
land vor dem Untergange retten könne. Am 15. März telegraphierte
Alexejew den Oberbefehlshabern der Fronten, daß nach Mitteilung des
Dumapräsidenten Rodsjanko die Einwilligung des Zaren zur Einführung
eines parlamentarischen Ministeriums die Volksleidenschaften kaum
mehr zurückhalten würde. Der Krieg könne zum siegreichen Ende füh-
ren, wenn gemäß den Forderungen der Duma der Zar zugunsten seines
Sohnes auf den Thron verzichte und der Großfürst Michael Alexandro-
witsch die Regentschaft übernehme. Die Generale Brussilow und E wert
1) Smilg-Benario, Der Zusammenbruch der Zarenmonarchie (Wien 1927),
209 ff.
92
Winter und Frühjahrsanfang 1917
sowie Sacharow, der Gehilfe des die rumänische Front befehligenden
Königs Ferdinand von Rumänien, meldeten unter Bekundung ihrer
unwandelbaren Ergebenheit und Liebe für Thron und Vaterland, daß
es für den Zaren geboten wäre, der geschaffenen Lage Rechnung zu
tragen, den Beschluß der Duma entgegenzunehmen und abzudanken;
Auch der Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch sprach sich für die Ab-
dankung des Zaren aus. Gdl. Alexejew gab die Telegramme an den
Kaiser weiter und bat ihn, dem allgemeinen Wunsche zu entsprechen.
Nachdem Gdl. Rußki dem Zaren in Pskow den Inhalt seines Gespräches
mit Rodsjanko und die Stellungnahme seines höchsten Generals vor-
getragen hatte, dankte der Zar für sich und seinen Sohn, von dem er
sich nicht trennen wollte, zugunsten seines Bruders, des Großfürsten
Michael Alexandrowitsch, ab. Vor seiner Abdankung ernannte er noch
den Fürsten Lwow zum Ministerpräsidenten im neuen Kabinett und den
Großfürsten Nikolai Nikola je witsch zum Höchstkommandierenden.
In die „provisorische" Regierung, die sich nach der Abdankung
des Zaren unter dem Präsidium des Fürsten Lwow bildete, traten Mil-
jukow als Außenminister und Gutschkow als Kriegs- und Marineminister
ein. Miljukow verkündete noch am 15. März die Thronentsagung des
Zaren; er bewog aber auch den Großfürsten Michael Alexandrowitsch
zum Verzicht. Die neuen Machthaber Rußlands befürworteten eine Poli-
tik des bedingungslosen Zusammengehens mit Frankreich und England;
sie waren bereit, die abgeschlossenen Bündnisverträge heilig zu halten
und riefen das russische Volk und die Armee zum Kampfe gegen die
„reaktionäre Macht der Mittelmächte" auf. England, Frankreich und
Italien beeilten sich, am 25. März die revolutionäre russische Regierung
anzuerkennen und ließen das schwache, nicht mehr bündnisfähige Zaren-
tum und damit auch den bis zuletzt bündnistreuen Zaren fallen.
An der Front nahm der dem Einfluß der radikalen Elemente rasch
erliegende neue Kriegsminister Gutschkow noch im Monat März zahl-
reiche Änderungen vor. Mehrere Armeekommandanten, siebenundzwan-
zig Korpskommandanten und viele Divisionäre wurden ihrer Stellung
enthoben. GdK. Kaledin, der Kommandant der 8. Armee, und Gdl.
Letschitzki, der Kommandant der 9. Armee, verzichteten auf ihre Posten.
GLt. Klembowski, der Gehilfe Alexejews, und der Generalquartiermei-
ster Lukomski schieden aus der Obersten Heeresleitung. Gdl. Rußki blieb
Oberbefehlshaber der Nordfront, GdK. Brussilow an der Spitze der Süd-
westfront, GdK. Gurko bekam die Führung der Westfront. An der kau-
kasischen Front wurde Gdl. Judenitsch Befehlshaber. Die vom Zaren
Alexejew wird Höchstkommandierender
93
verfügte Betrauung des Großfürsten Nikolaus Nikolajewitsch mit dem
Oberbefehl wurde von der provisorischen Regierung widerrufen, Gdl.
Alexejew von den Heeresfront- und Armeekommandanten zum Höchst-
kommandierenden gewählt. Gegen seine Wahl sprach sich der Präsi-
dent der Reichsduma Rodsjanko aus, der den GdK. Brussilow für den
Posten des Höchstkommandierenden empfahl. Doch wurde Alexejews
Wahl von der Provisorischen Regierung bestätigt1).
Der Zustand des russischen Heeres
Als Gdl. Alexejew nach dem Sturze des Zaren den Dienst als
Höchstkommandierender übernahm, traten die verheerenden Wirkungen
der Revolution im russischen Heere schon erschreckend zutage. Die
im Inneren des Reiches stehenden zahlreichen Ersatztruppen meuterten.
Die Offiziere wurden verjagt. Die Baltische Kriegsflotte hatte sich den
Revolutionären angeschlossen. An der Front erschienen Sowjetabord-
nungen und besuchten sogar die Schützengräben zur „Aufklärung"; alle
Truppenkörper wählten Soldatenräte. Die Todesstrafe wurde im Heere
abgeschafft, ein großer Teil der Infanterie gehorchte nicht mehr, nur
die Artillerie und die Kavallerie blieben noch halbwegs verläßlich.
Auch die wirtschaftliche Lage des russischen Heeres hatte sich, seit
dem Ausbruche der Revolution verschlechtert. In der Rüstungsindustrie
waren durch die Streiks schwere Schäden eingetreten. In der Etappe
herrschte große Unordnung. Die Eisenbahnstationen waren mit Güter-
zügen verstopft. Die Lokomotiven waren ohne Kohle. Die Armeen
hatten mit großen Verpflegsschwierigkeiten zu kämpfen. Die Zuschübe
an Kriegsgerät stockten. Die neuaufgestellten Batterien und die Fuhr-
werke der neuen Divisionen konnten nicht bespannt werden, weil sich
die Bauern in den Dörfern wegen des Frühjahrsanbaues weigerten, die
Pferde für das Heer beizustellen.
In der Stawka herrschte tiefe Niedergeschlagenheit. Man fragte
sich zunächst, ob nicht der Gegner die jetzige Schwäche des Heeres
i) K n o X, II, 553 ff. — G u r k o, 198 ff. — Z a j o n t s c h k o w s k i j, Feldzug
1917, 39 ff. — Fir a'n-tz, Rußland auf dem Wege zur Katastrophe (Berlin 1926). —
Spannocchi, Das Ende des Kaiserlich Russischen Heeres (Wien 1932), 38 ff. —
Paléologue, Am Zarenhofe während des Weltkrieges (München 1926), II, 384 ff.
— Die Februarrevolution 1917. Dokumente der Stawka, des Höchstkommandierenden
und des Stabes der Oberkommandanten der Armeen der Nordfront (in russ. Sprache,
Krassnij Archiv).
94
Winter und Frühjahrsanfang 1917
zu einem Schlage gegen Rußland ausnützen werde. Unter dem Einfluß
der meuternden Baltischen Flotte nahm die Ordnung zumal an der
Nordfront rasch ab. Gdl. Rußki besorgte, daß die Deutschen Riga
angreifen und vielleicht im Rücken der Nordfront an der baltischen
Küste Truppen landen würden, um auf Petersburg vorzustoßen. Er ver-
stärkte daher die schwachen Besatzungen auf den Inseln Dago und Ösel
sowie am Moonsund durch Teile des in Finnland stehenden XLII. Korps.
Dazu forderte er noch zum Schutze der Nordflanke des Heeres vier
Korps von der Stawka. Der Höchstkommandierende, Gdl. Alexejew,
erteilte hierauf am 22. März der Westfront zunächst den Befehl, zwei
Divisionen, die 112. und die 132. ID., nach Riga zu entsenden.
Am selben Tage eröffnete der Kriegsminister Gutschkow, daß ein
Ersatz der Mannschaftsabgänge bei den Feldarmeen durch die Ersatz-
truppen nicht vor drei bis vier Monaten möglich sein werde. Alexejew
verkannte nicht, daß sich unter diesen trostlosen Zuständen das russische
Heer bis zum Sommer auf die reine Verteidigung werde beschränken
müssen. In seinen Berichten, die er Ende März der provisorischen
Regierung vorlegte, verwies er mit eindringlichen Worten auf das
Drängen der Alliierten, die Mitte April zum Angriff schreiten wollten.
Rußland werde sich diesem Angriff auch im Mai nicht anschließen
können. Es gäbe jetzt, angesichts der Gefahr eines deutschen Vor-
stoßes,, nur die einzige Aufgabe, Reserven hinter den Fronten bereitzu-
halten. Alexejew beschwor die Provisorische Regierung, mit den strengsten
Mitteln die Ordnung im Volke, im Heere und in der Flotte wieder her-
zustellen. Die Deutschen würden binnen wenigen Monaten bis nach
Petersburg vordringen, wenn die Anarchie im Innern des Landes zu-
nehme. Das wäre dann „das Ende des Krieges, das deutsche Joch, der
Bürgerkrieg !"'1).
Die Ereignisse an der Ostfront nach Ausbruch der
russischen Revolution
Die Lage der Mittelmächte war unmittelbar vor dem Ausbruch der
russischen Revolution zwar nicht so bedrohlich wie zu Ende August 1916,
aber sie war immerhin ernst genug. Die Front im Osten stand wohl
gesichert, aber nennenswerte Kräfte konnte sie weder nach dem west-
1) Die Stawka und das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (in russ.
Sprache, Krassnij Archiv, XXIX, 34 ££). — Z a j o n t s c h k o w s k i j, Feldzug 1917,
29 ff. und 41 ff.
Teilweise Waffenruhe an der Ostfront
95
liehen noch nach dem südwestlichen Kriegsschauplatz abgeben, um dort
eine Offensive zu ermöglichen. Die Stimmung in der Heimat war nach
dem Hungerwinter 1916/17 schlechter geworden. Dazu kam der Bruch
der Vereinigten Staaten von Amerika mit Deutschland. In diese schwere
Zeit fiel im März die Revolution in Rußland. In welchem Um-
fange dieses weltgeschichtliche Ereignis eine Schwächung der Kampf-
fähigkeit des russischen Heeres und damit eine wesentliche Entlastung
für die Mittelmächte bringen würde, war in den ersten Tagen aber noch
nicht zu übersehen.
Um sich Klarheit über die Zustände beim Feinde zu verschaffen,
entfalteten die öst.-ung. und die deutschen Sturmtrupps an der ganzen
lang-gestreckten Front von Riga bis zum Schwarzen Meere eine rege
Tätigkeit. Das Verhalten der Russen war verschieden. Am 15. März, an
dem Miljukow die Abdankung des Zaren verkündete, stiegen rote Fah-
nen aus den Schützengräben der Russen. Die Muschiks verließen viel-
fach ihre Gräben und winkten zum Gegner hinüber. An vielen Stellen
der Front enthielten sie sich von diesem Zeitpunkt an aller Feind-
seligkeiten und suchten Verhandlungen anzuknüpfen. Abordnungen
kamen zu unseren Gräben herüber. Ganz offenherzig sprachen die rus-
sischen Soldaten über die Verhältnisse hinter ihren Linien; sie erzählten,
sie würden ihre Offiziere absetzen und Soldatenräte wählen. Mit ihrer
neuen Regierung waren sie im allgemeinen einverstanden, sie erklärten
aber, nicht mehr angreifen zu wollen, und schlugen ihren Gegnern
vor, es ebenso zu machen,, damit auf diese Weise der Krieg am schnell-
sten beendet werde. An anderen Stellen wieder verhielten sich die
Russen nach wie vor feindselig, namentlich ihre Artillerie, wenn sie
von französischen und englischen Offizieren befehligt wurde. Die Artil-
lerie zog sich allerdings dadurch nicht selten die Feindschaft der im
Graben stehenden Infanterie zu.
So waren an der Ostfront im Monat März Zustände besonderer Art
eingetreten. An vielen Stellen herrschte völlige Waffenruhe, an anderen
•wieder gab es Artilleriezweikämpfe, Gasschießen, Gas- und Flieger-
angriffe. Die öst.-ung. und die deutschen Truppen führten in diesen
Wochen eine Reihe schon seit langem zur Verbesserung der Front sorg-
fältig vorbereiteter Unternehmen durch.
So wurde am 8. März an der Ostgrenze Siebenbürgens im Ver-
teidigungsabschnitt der k. u. k. 1. Armee und der Gruppe Gdl. Litzmann
der Höhenkamm Magyaros in einer Ausdehnung von vier Kilometern
den Russen entrissen. Teile der 39. HID., der 24. ID., der deutschen
96
Winter und Frühjahrsanfang 1917
225.1D. und der 8. bayr. RD. waren an diesem siegreichen Gefechte
unter der Führung des Kommandanten der 39. HID., GM. v. Breit,
beteiligt. Ungefähr 1000 Gefangene, 17 Maschinengewehre und 5 Minen-
werfer mußte die 49. ID. des XXIV. Russenkorps in den Händen der
Angreifer lassen1). Ein schwächlicher Gegenangriff der Russen, am
9. früh unternommen, blieb schon im Sperrfeuer unserer treffsicher
schießenden Artillerie liegen.
Zwei Wochen später, am 23. März, gelang es Teilen der k. u. k.
24. ID., den 1343 m hohen Grenzkamm Sólyomtár zu nehmen. Aber-
mals wurden 500 Gefangene und ein Maschinengewehr als Beute ein-
gebracht. Am 27. verbesserte auch die deutsche 225. ID. südlich vom
Uztal durch die Erstürmung deß Mt. Farcu ihre Stellungen,. Vergeblich
mühte sich die russische 49. ID. unterdessen, in zweimaligem Ansturm
am 26. und am 27. die Höhe Magyaros der 39. HID. wieder zu ent-
reißen. Auch die Versuche der Russen, am 26. die Höhe Sólyomtár und
am 1. April den Mt. Farcu zurückzugewinnen, endeten dank dem Ab-
wehrfeuer unserer Artillerie mit einem Mißerfolg des Feindes.
Auf dem rechten Flügel der k. u. k. 7. Armee drangen am 30. März
Stoßtrupps der 12. ID. bei Jacobeny in die russischen Stellungen ein
und kehrten mit 100 Gefangenen zurück. Am selben Tage stieß bei
Kirlibaba ein Jagdkommando der 59. ID. erfolgreich in die russischen
Gräben. Auch' bei allen übrigen öst.-ung. und deutschen Armeen der
Heeresgruppen Böhm-Ermolli und Linsingen wurden im Monat März
und bis in den April hinein zahlreiche Stoßtruppsunternehmen ausge-
führt, besonders in den Kampfabschnitten bei Stanislau, Brzezany, Zbo-
rów, Brody sowie östlich von Wladimir-Wolynski und Kowel. Besondere
Erwähnung verdient ein erfolgreiches Unternehmen im Befehlsbereiche
der deutschen Armeeabteilung Gdl. Scheffer-Boyadel bei Zabieriezina
an der Bieriezina. Hier überrannten am 21. März Teile des k. u. k. IR. 63
und Truppen des deutschen XVII. RKorps nach mächtiger Artillerie-
vorbereitung die vorderste russische Linie in einer Breite von vier Kilo-
metern und stießen dann noch zwei Kilometer tief bis in die zweite
feindliche Stellung vor. Mehr als 220 Gefangene, zwei Revolverkano-
nen, sechs Maschinengewehre und einige Minenwerfer verlor die über-
raschte ll.sib. SchD. der 10. Russenarmee bei diesem Kampfe. Aber alle
diese Zusammenstöße waren gleichsam nur das Vorspiel zu der schweren
Katastrophe, die das III. Korps der russischen 3. Armee bei Tobol am
Stochod anfangs April ereilte.
i) Litzmann, II, 149 f.
Vorbereitungen zum Angriff auf Tobol
97
Die Erstürmung des Brückenkopfes von üoboi
Hiezu Nebenskizze auf Beilage 3
Preußische Landwehr, öst.-ung. und bayerische Reiter des Kaval-
leriekorps GdK. Freih. v. Hauer (deutsche l.LD., k. u. k. 9. KD., bayr.
KD.) hatten im August 1916 den Russen das Überschreiten des Stachods
bei Tobol nicht zu verwehren vermocht (Bd. V, S. 592). Für den Som-
mer 1917 mußte damit gerechnet werden, daß der Feind einen neuen
Stoß ai^f Kowel durch einen Angriff aus dem Brückenkopf von Tobol
begleiten würde, um so die Stochodfront von Norden aufzurollen. Dies
bedeutete mindestens die dauernde Bindung starker Kräfte vor dem
russischen Ausfallstor und für die entscheidenden Kampftage mög-
licherweise eine Zersplitterung der wenigen verfügbaren Heeresreserven.
GO. Linsingen beabsichtigte daher schon seit dem Herbst 1916, den
Brückenkopf wieder zu nehmen. Dazu sollte das Korps Hauer durch
zwölf Bataillone, durch Artillerie und Minenwerfer verstärkt werden.
Zu Beginn des Jahres 1917 mußten aber die schon weit gediehenen
Vorarbeiten für das Unternehmen unterbrochen werden, weil die
russischen Angriffe bei Riga, die Verwendung eines großen Teiles der
für Tobol bestimmten deutschen, Truppen an der Aa nötig machten.
Erst im Februar konnten die Vorbereitungen für den Angriff wieder
aufgenommen werden und in diesem Monat trafen auch die Verstär-
kungen ein, zwei Regimenter der deutschen 86. ID., ein Regiment der
deutschen 91. ID. sowie Teile der k. k. 26. SchD. und der deutschen
92. Division. Dazu waren 78 deutsche und 18 öst.-ung. Batterien, rund
300 Geschütze, und ungefähr 100 Minenwerfer verfügbar. GdK. Hauer
entschloß sich, zunächst den südlichen Teil des mehr als zwölf Kilo-
meter breiten Brückenkopfes und dann erst den nördlichen Teil an-
zugreifen. Er legte auch besonderes Gewicht darauf, einen Zeitpunkt
für den Angriff zu wählen, in dem der Stochod und sein Anland durch
das Hochwasser unüberschreitbar würden. Am 28.Februar fiel Tauwetter
ein. Nun setzte GdK. Hauer den 4. März als Angriffstag fest. Da aber
der 3. wieder starke Kälte brachte, faßte GdK. Hauer den Entschluß,
den Angriff noch aufzuschieben und auf das Frühjahrswetter zu warten.
Den Russen waren indessen die Angriffsvorbereitungen des Gegners
nicht verborgen geblieben. Sie unternahmen am 27. März auf die Stel-
lungen der deutschen l.LD. und der k. u. k. 9. KD. bei Borowna einen
Gasangriff, verbunden mit einem Gasschießen ihrer Artillerie. Die Gas-
VI 7
98
Winter und Frühjahrsanfang 1917
masken gewährten völligen Schutz. Ein Vorstoß der russischen Infan-
terie erfolgte nicht.
Am 28. März trat endlich im Stochod das lang erwartete Hoch-
wasser ein. Nun erteilte GdK. Hauer deim Kommandanten der deutschen
l.LD., Gdl. v. Jacobi, den Befehl, am nächsten Tag den Angriff auf
den von Truppen des russischen III. Korps besetzten Brückenkopf von
Tobol durchzuführen. Das Unternehmen mußte aber wegen eines Was-
sereinbruches in die Bereitschaftsgräben der 1. LD. noch einmal ver-
schoben werden und wurde schließlich für den 3. April festgesetzt.
Gdl. Lesch, der Kommandant der 3. Russenarmee, erwog noch am
29. März, ob er nicht den Brückenkopf räumen solle. Der Führer des
russischen III. Korps war dagegen, weil der Brückenkopf starke Kräfte
des Gegners fessele. Auch fühlte sich der russische Korpskommandant
stark genug, um dem drohenden Ansturm zu widerstehen. Er hatte den
Großteil der 5. SchD. und Teile der 27. und der 75. ID., insgesamt
171/2 Bataillone, im Brückenkopf stehen und verfügte außerdem noch
auf dem rechten Stochodufer über I2V2 Bataillone als Reserve.
In der Nacht auf den 3. April trat der Stochod über die Ufer, das
Hochwasser riß einen Teil der Brücken weg. Um 6h früh begann das
Artilleriefeuer der Gruppe Jacobi. Die Telephon- und Befehlsstellen,
die Lagerräume der Reserven und die Batteriestellungen der Russen
wurden mit Gas- und Sprenggranaten beschossen. Um 7h 30 vorm.
setzte das Wirkungsschießen ein. Die russischen Wälle, auf dem Sumpf-
boden aufgesetzt, wurden durch das Feuer niedergerissen; das Hoch-
wasser ergoß sich in die Gräben. Auch die Brücken und die Laufstege
über den Stochod wurden, sofern sie nicht schon von den Fluten des
Flusses fortgerissen waren, vom Feuer erfaßt, das sechs Stunden lang
auf den Brückenkopf niederhagelte.
Um lh*2 nachm. trat die Hauptstoßgruppe —- die verstärkte
deutsche 172. IBrig. — unter der Führung des Gdl. Jacobi zum Angriff
gegen den südlichen Teil der Brückenkopfes an. Im ersten Sturmanlauf
wurde die Mitte der russischen 5. SchD. durchbrochen; dann wurden
deren beide Flügel im Rücken gefaßt. Um 4h 20 nachm. brach die nörd-
liche Stoßgruppe (vier 'deutsche Landwehrbataillone und das österrei-
chische Bataillon I/SchR. 10) zum Angriff vor, der völlig glückte. Rudka
Czerwiszcze und Tobol wurden genommen. Die Russen fluteten, aus
ihren zerschlagenen Gräben unter dem Feuer unserer Artillerie an den
hochgehenden Stochod zurück. Um 7h abends, der Mond stand bereits
am Himmel, stießen bei Stare Czerwiszcze auch schwere Reiter und
Angriffsverbot Hindenburgs für die Ostfront
99
Ulanen der bayr. KD., teilweise bis zur Brust in Wasser und Schlamm
des Sumpfes versinkend, an den Stochod vor, wo die Russen um 10h30
nachts ihre letzte Brücke bei Rudka Czerwiszcze sprengten.
Nur Trümmer des russischen III. Korps hatten sich auf das rechte
Ufer des Stochod zu retten vermocht; viele Russen ertranken bei der
Flucht im Flusse. Mehr als 12.000 Streiter hatte die Armee Lesch ver-
loren, davon waren über 9000 den Siegern als Gefangene in die Hände
gefallen, die Beute betrug 15 Geschütze und 200 Maschinengewehre1).
Beginn der Friedenspropaganda
Der öst.-ung. und der deutsche amtliche Heeresbericht beschränk-
ten sich darauf, diesen glänzenden Erfolg mit möglichst zurückhaltenden
Worten zu verzeichnen, um — wie der deutsche Reichskanzler Beth-
mann-Hollweg die DOHL. ersucht hatte — Friedensaussichten nicht
zu stören. Hierauf verbot GFM. Hindenburg, der Ende Februar sein
Hauptquartier von Pleß nach Bad Kreuznach hinter die Westfront ver-
legt hatte, weiterhin jedes größere Unternehmen an der Ostfront. Das
deutsche Auswärtige Amt hatte durch seine Vertreter mit Auslands-
agenten der neuen Machthaber Rußlands Unterhandlungen angeknüpft,
während der junge Kaiser Karl nach neuen Wegen Ausschau hielt, um
zu einem Verständigungsfrieden zu gelangen. Der öst.-ung. Außenmini-
ster und der deutsche Reichskanzler standen sehr unter dem Eindruck
der russischen Revolution. Beide befürchteten gleiches für ihre Länder.
Anderseits erweckte der Umsturz in Rußland die Hoffnung, mit diesem
Reiche zu einem Sonderfrieden zu kommen. Alles sollte daher vermie-
den werden, was im russischen Heere den Kampfgeist hätte neu er-
wecken können. Die öst.-ung. und die deutschen Truppen an der Ostfront
erhielten von ihren Heeresleitungen ganz bestimmte Verhaltungsvor-
schriften. Grundsatz war, jede Feindseligkeit mit einem entsprechenden
militärischen Gegenunternehmen zu vergelten, im übrigen aber die
Russen ungestört zu lassen.
Die DOHL. hatte wohl um Mitte April erwogen, an der Ostfront
mit den Streitkräften des GFM. Prinzen Leopold von Bayern einen
1) Suhrmann, Geschichte des Landwehr-Infanterie-Regiments Nr. 31 im
Weltkriege (Oldenburg-Berlin 1928), 273 ff. — Bruchmüller, Die deutsche
Artillerie in den Durchbruchsschlachten des Weltkrieges (Berlin 1921), 53 ff. —
Zajontschkowskij, Feldzug 1917, 47 ff.
100
Winter und Frühjahrsanfang 1917
schlagartigen Angriff durchführen zu lassen. Doch diesem Plane stand
die Unzulänglichkeit der verfügbaren Kräfte ebenso entgegen wie die
Abneigung des Reichskanzlers gegen jedwede Reizung der Russen. Zur
selben Zeit lagen allerdings auch keine Anzeichen für einen bevor-
stehenden russischen Ansturm vor. Aber es mußten noch immer 43 öst.-
ung., rund 80 deutsche, 3 bulgarische und 5 türkische Divisionen im
Osten belassen werden, damit man gegen alle Fälle gerüstet war. Die
DOHL. und die k. u. k. Heeresleitung organisierten noch im Monat April
bei den Heeresgruppen Prinz Leopold von Bayern, Erzherzog Joseph
und Mackensen eine einheitliche Friedenspropaganda. Sie sollte, von
Schützengraben zu Schützengraben arbeitend, die innere Zersetzung des
russischen Heeres vollenden1).
Österreichische, ungarische und deutsche Zeitungen, Flugblätter
und Aufrufe wurden nun den Russen übermittelt, um sie zu Waffenstill-
standsverhandlungen bereit zumachen. Diese Propaganda von Schützen-
graben zu Schützengraben verfehlte jedoch im allgemeinen ihren Zweck.
Wohl wurde es auf der ganzen Front von Riga bis zum Schwarzen
Meere allmählich friedlicher, und während der russischen Ostern um
die Mitte des Monats April ruhten die Feindseligkeiten fast völlig. Rus-
sische Soldatenabordnungen besuchten unsere Gräben. Dies gab unserem
Nachrichtendienst die willkommene Gelegenheit, die Evidenz über die
gegenüberstehenden feindlichen Truppen zu überprüfen und richtig-
zustellen. Es fehlte aber auch nicht an Verbrüderungsversuchen, die
allerdings von unseren Befehlsstellen mit großer Strenge verboten wur-
den, um ein Übergreifen der revolutionären Ideen auf die k. u. k. Trup-
pen zu verhindern2). Dieser höchst eigenartige Zustand, halb Krieg,
halb Waffenstillstand, löste überhaupt bei den niederen Kommandos
ein Gefühl der Unklarheit und der Unsicherheit aus, namentlich bei
solchen mit Truppen slawischer Nationalität. Doch trotz aller geäußer-
ten Bedenken bestand man höheren Ortes auf der Fortsetzung der
Frontpropaganda.
So entspannen sich an verschiedenen Stellen von Dolmetschern ge-
führte Gespräche. Es wurde den Russen eröffnet, wenn sie Verhandlun-
gen zu pflegen wünschten, sollten sie Parlamentäre entsenden. Aber es
1) Arz, 151 f.
2) Ebenso wie Kaiser Karl (vgl. Werkmann, Deutschland als Verbündeter,
109 f.) hatte auch Gdl. Ludendorff wegen der etwaigen Rückwirkung auf die eigenen
Truppen gegen die Frontpropaganda anfangs ernste Bedenken (Mitteilung an den
damaligen Gstbshptm. v. Glaise).
Entschluß der Stawka zum Angriff im Mai
101
gelang bis anfangs Mai nirgends, offizielle Waffenstillstandsverhand-
lungen anzuknüpfen. Noch hatte die russische Führung die Gewalt nicht
völlig verloren, russische und an die Front entsandte englische Offiziere
versuchten allerorts, den unerwünschten Verkehr zwischen den beider-
seitigen Fronten zu verhindern.
Pläne der russischen Führung
Die Stawka hatte sich anfangs April entschlossen, schon Mitte Mai
zum Angriff zu schreiten. Die Überlegung, daß die Gegner dem rus-
sischen Heere im Angriff zuvorkommen könnten, und daß ihm, wenn
es bis zum Sommer in der Abwehr verharrte, der Kampf nicht erspart
bleiben werde, führte die Stawka zu diesem geänderten Beschluß. Die
Heeresfrontkommandanten, Brussilow und der an die Stelle Ewerts ge-
tretene Gurko, schlössen sich den Anschauungen der Stawka an. Auch
Gen. Sacharow, der Gehilfe des Königs Ferdinand von Rumänien, sprach
sich für einen baldigen Angriff aus. Alexejew unterrichtete hierauf den
Kriegsminister Gutschkow von den neuen Beschlüssen der Stawka und
legte dar, daß Rußland trotz der schwierigen Lage kein Recht habe,
bis zum Sommer untätig zu bleiben. Die Niederlage bei Tobol habe
klar gezeigt, daß die russischen Truppen in der Verteidigung keinen
hohen Kampfwert mehr besäßen. Die Schwierigkeiten des Transport-
wesens erlauben Rußland keine raschen Truppenverschiebungen; solche
seien aber für eine erfolgreiche Verteidigung unerläßlich. Ein sichtbarer
Erfolg, durch einen Angriff errungen, werde den Kriegswillen aufs neue
entfachen und sei auch ein willkommenes Mittel, die Truppe dem ver-
derblichen Einfluß der revolutionären Propaganda zu entziehen. Auch
dürfe man nicht die Alliierten die ganze Last des Angriffes allein
tragen lassen. Wenn Rußland erst im Sommer von den Deutschein
angegriffen werden würde, dann könnten die bis dahin erschöpften
Alliierten das Land nicht mehr durch eine kraftvolle Entlastungsof fen-
sive unterstützen.
Nur der Oberbefehlshaber der Nordfront, Gdl. Rußki, war anderer
Meinung. Er erklärte, daß man dem russischen Heere so lange keinen
Angriff zumuten dürfe, als nicht die Ersätze an Streitern eingetroffen
wären und der Nachschub an Verpflegung und Kriegsgerät wieder in
Ordnung sei. Er war auch der Sorge wegen eines Angriffes der Deutschen
auf Riga sowie wegen einer Landung ihrer Truppen an den Küsten des
102
Winter und Frühjahrsanfang 1917
baltischen Meeres nicht ledig geworden, seitdem er die Nachricht über
die kräftesparende Frontverkürzung im Westen (S. 8) und über die
Neuaufstellung von 13 deutschen Divisionen erhalten hatte. Gen. Rußki
meldete der Stawka, die Deutschen werden vielleicht 40 Divisionen
zusammenziehen, um sich den Weg nach Petersburg zu bahnen. Es sei
daher geboten, den ganzen russischen Angriffsplan überhaupt umzu-
stellen. Das Schwergewicht der Operationen sei auf den nördlichen
russischen Heeresflügel zu verlegen und der Schutz der Nordflanke
einer ganzen Armee zu übertragen.
Demgegenüber wollte Gen. Alexejew den Hauptstoß in der Rich-
tung auf Lemberg führen und lehnte, dem einmal gefaßten Plane
getreu, eine weitere Verstärkung der Nordfront auf Kosten der Süd-
westfront ab. Hier müßten — so antwortete er dem Gen. Rußki — auf
alle Fälle starke Reserven bereitgehalten werden, um sie in die Moldau
verschieben zu können, wenn Rumänien nicht mehr an der Seite Ruß-
lands weiterkämpfen wolle. Die Nordfront mit ihren 500 Bataillonen
und 420.000 Streitern hingegen hielt der Höchstkommandierende für
stark genug, um einem nur 250 Bataillone und 200.000 Mann starken
Gegner standhalten zu können. Er befahl, das XLII. Korps in Finnland
durch zehn Bataillone und eine Kavalleriedivision von der kaukasischen
Front zu verstärken. Überdies erhielt Gen. Rußki das Recht, zum Schutze
der Küste bei Riga auch jene Truppen zu verwenden, die zur Reserve des
Höchstkommandierenden gehörten; auch wurde ihm die Flotte im bal-
tischen Meere unterstellt. Die Schwarze Meerflotte hatte sich bereit-
zuhalten, um den linken Flügel der rumänischen Front zu unterstützen.
Alexejew gab sich der Hoffnung hin, daß sich der Zustand des
russischen Heeres bis Mitte Mai gebessert haben werde. Um diese Zeit
wollte er dann auf allen Fronten den Angriff beginnen. Als Ziele wur-
den der Nordfront Mitau, der Westfront Wilna gesetzt.
An der Südwestfront wollte Brussilow auf dem kürzesten Wege
gegen Lemberg vorstoßen. Sein Plan ging dahin, mit dem linken Flügel
der 11. Armee aus der Front beiderseits von Zborów über Zloczów
und Gliniany vorzugehen. Zudem beabsichtigte er, mit dem rechten
Flügel der 11. Armee einen Angriff von Brody aus die Bahnlinie entlang
zu führen. Der ihm schon seit Ende Dezember unterstellten Besonderen
Armee wies er die Aufgabe zu, während des Angriffes auf Lemberg
den gegenüberstehenden Gegner festzuhalten, um ihn an Truppenver-
schiebungen zu hindern. Mit dem linken Flügel sollte die Besondere
Armee auf Milatyn und auf Sokal, mit dem rechten gegen Wladimir-
Angriffsplan der Russen
103
Wolynski vorstoßen. Die 7. Armee hatte mit ihrem rechten Flügel
aus der Front Baranówka—Potutory—Mieczyszczów über Brze£any und
Bóbrka ebenfalls auf Lemberg vorzudringen und die Verbindungen des
Gegners mit Westgalizien und in die Karpathen zu bedrohen. Zugleich
hatte die 7. Armee mit .ihrem linken Flügel zwei Ablenkungsangriffe zu
führen, den einen südlich von Mieczyszczów und den anderen auf Halicz,
welcher Ort erobert werden sollte.
Während der Offensive auf Lemberg hatte die 8. Russenarmee
gegen die Karpathen zu sichern. Auch sie sollte zum Angriff schreiten,
mit ihren Hauptstreitkräften auf der Paßstraße von Körösmezö auf Má-
ramaros-Sziget und mit schwächeren Kräften auf dem Pantyrpaß und
von Szybeny aus mit Umgehung der Czornahora auf Ruszpolyana.
Gdl. Alexejew war nicht einverstanden damit, daß Brussilow an
mehreren Punkten gleichzeitig angreifen wolle und empfahl ihm, an
der gewählten Hauptstoßrichtung möglichst starke Kräfte aufzubieten.
Demgegenüber erklärte Brussilow, daß ihm nach den Erfahrungen der
Sommeroffensive 1916 ein Angriff auf der ganzen Front als der beste
Weg zum Erfolg erscheine.
Mit halbem Herzen und nagendem Zweifel in der Brust, ob die
moralischen Kräfte des russischen Heeres noch zur offensiven Führung
des Krieges reichen würden, sahen die Befehlshaber der russischen
Heeresfronten dem Angriffsbeginn entgegen. Gen. Brussilow meldete am
24. April, daß trotz aller Anstrengungen der Zersetzung der Armee
durch die revolutionäre Propaganda noch nicht Einhalt getan werden
konnte. Gen. Gurko war der Ansicht, daß es besser wäre, auf den An-
griff der Westfront gegen Wilna zu verzichten, als ihn mit unzureichen-
den Kräften durchzuführen. Gen. Rußki hatte inzwischen neuerdings
eine Verstärkung des nördlichen russischen Heeresflügels gefordert und
schließlich den Höchstko,mmandier enden von der Notwendigkeit der
Verlegung einer ganzen Armee in den Raum zwischen Riga und Re val
zu überzeugen vermocht, obwohl über eine Landungsoperation der
Deutschen hinter der Nordfront keine sicheren Nachrichten vorlagen.
Schweren Herzens entschloß sich der Höchstkommandierende am
22. April, eine Umstellung der Kräfte vorzunehmen. Brussilow hatte das
in Luck als Heeresfrontreserve stehende I. Korps (22., 24., 161. ID.) und
Gurko den Stab der 1. Armee mit dem XXXVII. Korps (120. ID.) an die
Nordfront abzugeben. Aus diesen Truppen verbänden sowie aus der
121., d£r 135. ID. und der 4. DonKosD. wurde in Livland und Estland
eine neue 1. Armee zur Verteidigung der Zugangswege nach Petersburg
104
Winter und Frühjahrsanfang 1917
gebildet. Die Westfront wurde nach Norden bis zur Düna und nach
Süden bis zumPripiatj verlängert und an Stelle der bisherigen 1. Armee,
deren noch verbliebene Truppen zum Teil zur 5. Armee, zum Teil zur
10. traten, die neugebildete 3. Armee (X., XX., XXXV. Korps) südlich
der Düna eingesetzt. Die letztgenannte Armee hatte die Wege nach
Polock zu decken. Die Truppen der früheren 3. Armee, deren Komman-
dant, Gdl. Lesch, nach der Niederlage bei Tobel abgesetzt worden war,
traten zur 2. Armee der Westfront und zur Besonderen Armee der
Südwestfront über1)..
Bis Anfang Mai hatte sich die Lage im Osten noch keineswegs ge-
klärt. Die russischen Heerführer schmiedeten wohl Angriffspläne, aber
es war noch ganz ungewiß, ob die Truppen die Befehle hiezu auch
ausführen würden. Dagegen standen die Mittelmächte in fast unvermin-
derter Stärke völlig kriegsbereit da. Sie betrieben aber eine Tätigkeit,
die dem Wesen des Krieges zuwiderlief. Sie hatten es wohl erreicht,
daß die Russen während des Ansturmes der alliierten Armeen im
Westen und auf dem Balkan Ruhe hielten. Die Russen zum Abschluß
eines Waffenstillstandes zu bewegen, war ihnen jedoch bisnun nicht
geglückt. Dazu mochte — wie schon vorhin erwähnt — manchen Kom-
mandanten öst.-ung. Truppen mit solcher Mannschaft, die innerlich
nicht mehr fest zum Reiche stand, das unheimliche Gefühl beschlichen
haben, daß das Gift der Zersetzung auch in den eigenen Reihen Ein-
gang finden könnte.
Die in der Front stehenden rumänischen Regimenter verhielten sich
gegen unsere Friedenspropaganda völlig unzugänglich.
Der Südwesten im ersten Jahresdrittel 1917
Hiezu Beilage 4
Die Maßnahmen der österreichisch-ungarischen
Führung
Der von der k. u. k. Heeresleitung gemäß den Weisungen Conrads
zu Beginn des Jahres 1917 neuerlich entworfene Plan für eine entschei-
dungsuchende Offensive gegen Italien (S. 5) übte auf die tatsächlichen
Maßnahmen zur Stärkung der Abwehrfront im Südwesten keinen Ein-
fluß aus. Denn schon wenige Tage, nachdem die Konferenz der Entente-
!) Zajontschkowskij, Feldzug 1917, 44 ff.
Weisungen an die Armee im Südwesten
105
mächte in Rom stattgefunden hatte, erfuhr man vom Vorhaben der
Feinde (S. 4). Der nunmehr von der Nachrichtenabteilung des Ober-
kommandos für alle Fronten einheitlich geleitete Nachrichtendienst mel-
dete zugleich mancherlei über die rasch wachsende Aufrüstung des
italienischen Heeres. Es gab also kaum einen Zweifel, daß man eine neue
mächtige Offensive Italiens ztu erwarten habe, und einige Anzeichen
sprachen dafür, daß diese Ende Februar oder anfangs März, mehr oder
weniger gleichzeitig mit jener der Franzosen und Engländer an der
Westfront, losbrechen dürfte.
In Berücksichtigung dieser drohenden Gefahr sprach FM. Conrad
Ende Jänner die Vermutung aus, „daß die Italiener diesmal ihren An-
griff nicht nur auf den Raum zwischen Saleano und dem Meere, son-
dern auch im Raum nördlich davon (Piava—Tolmein) führen" dürften.
GO. v. Boroevic bestritt diese Anschauung nicht, er blieb aber weiterhin
der festen Überzeugung, daß „der feindliche Hauptangriff zweifellos
wieder auf der Karsthochfläche südlich der Wippach" stattfinden werde.
Bald nach diesem Meinungsaustausch horchte man am 6. Februar Funk-
sprüche ab, die zwischen Rom und Petersburg gewechselt wurden. Sie
vervollständigten das Bild über die Absichten der Feinde. Nun konnte
man nahezu mit Sicherheit damit rechnen, daß der Angriff der Fran-
zosen a,n der Westfront nicht vor Ende März und jener der Italiener,
die sich — wie man jetzt erfuhr — verpflichteten, binnen drei Wochen
zu folgen, kaum vor Mitte April beginnen werde. Von Rußland hörte
man allerdings nicht mehr, als daß es hoffe, Ende April bereit zu sein.
Diese vom Radiohorchdienst aufgefangenen Depeschen waren äußerst
wertvoll, denn nun brauchte man in den nächsten Wochen keine Störung
der in Gang befindlichen Abwehrmaßnahmen zu besorgen. Die drei
Führer an der Südwestfront wurden dementsprechend angewiesen.
Im besonderen wurde das Heeresgruppenkommando Erzherzog Eugen
verständigt, daß die eigenerseits in Aussicht gestellte Offensive in abseh-
barer Zeit nicht werde ausgeführt werden. Die hiefür eingeleiteten Maß-
nahmen seien aber fortzusetzen, wobei auftauchenden Gerüchten von
eigenen Angriffsabsichten nicht entgegenzutreten wäre. Die 10. Armee
bekam den Befehl, in der bisher geübten Tätigkeit fortzufahren. Die
5. Armee allein erhielt ausführlichere Weisungen. FM. Conrad schrieb
den Entwurf und Kaiser Karl unterfertigte zum erstenmal als Armee-
oberkommandant einen operativen Befehl. Darin hieß es: „Nach wie vor
muß als großes Ziel vor Augen bleiben, daß die zur Abwehr der ita-
lienischen Hauptanstrengungen berufene 5. Armee in die zu erwartenden
106
Winter und Frühjahrsanfang 1917
schweren Frühjahrskämpfe mit standesstarken, möglichst ausgeruhten
Verbänden, in vollendeten Verteidigungsanlagen und in jeder Beziehung
gründlichst vorbereitet eintreten soll. Das Armeekommando wird die
Erreichung dieses Zieles vor allem dadurch zu fördern haben, daß die
Entspannung der Lage ausgenützt wird, um Truppen aus dem Feuer-
bereiche herauszunehmen und in der Ablösung nach einem bis Ende
März reichenden Plane vorzugehen, der eine ausgiebige Retablierung
und Ausbildung mehrerer höherer Verbände ermöglicht." Dann wieder-
holte Conrad, auf die letzte Meinungsäußerung des GO. Boroevic über
die vermutete Stoßrichtung des Feindes eingehend, daß „bei selbstver-
ständlicher Voraussetzung des italienischen Hauptangriffes im unteren
Isonzogebiet, angesichts der zunehmenden Kraftentfaltung des italie-
nischen Heeres, mit einer Erweiterung des feindlichen Angriffes nach
Norden hin, also mit einem verstärkten Druck gegen die Räume von
Piava und Tolmein, gerechnet werden muß". Ein Erfolg des Feindes
bei Piava würde, wenn er gegen Südosten übergreife, Einfluß auf die
Lage östlich von Görz gewinnen. Zur Eroberung des Brückenkopfes
von Tolmein könne sich der Italiener aus politischen Gründen verlockt
sehen. Die Heeresleitung sei gegenwärtig nicht imstande, jene Räume
durch neue Kräfte zu schützen. Es sei also notwendig, daß das Armee-
kommando Vorkehrungen treffe, wenn auch nur, um nötigenfalls im
Räume von Tolmein eine stärkere Artillerie rasch in Stellung bringen
zu können. Ein Teil der künftighin der Armee noch zurollenden Bat-
terien müsse dorthin dirigiert werden. Die Entscheidung darüber, wann
eine stärkere Reserve für den Nordabschnitt bereitzustellen sein werde,
bleibe dem Armeekommando überlassen.
Ferner wurde GO. Boroevic in Kenntnis gesetzt, daß die demnächst
nördlich von Triest eintreffende 7. ID. als Reserve der Heeresleitung
zu gelten habe. Das Armeekommando könne zwar diese Division, eben-
so wie es mit der 41. HID. geschehen war, in den Rundlauf der Ab-
lösungen einbeziehen, doch müßten dann immer wieder zwei Divisionen
an der Südbahn als Reserve der Heeresleitung bereitstehen. Diese Be-
schränkung des Verfügungsrechtes mochte dem GO. Boroevic wenig
zusagen. Die Heeresleitung sah sich aber zu der Maßnahme genötigt,
weil ihr anderswie keine Heeresreserven zu Gebote standen. Waren
doch im Gegensatz zu anderen Heeren während des letzten Jahres —
von fünf für den rumänischen Kriegsschauplatz bestimmten Brigaden
abgesehen (S. 50) — keine neuen Heereskörper aufgestellt worden; auch
war das Freimachen von Kräften aus anderen Frontabschnitten nicht
Endgültiges Aufgeben des Offensivgedankens bei den Mittelmächten 107
leicht. Die Heeresgruppe in Tirol war nicht nur ausgeschöpft, sondern
sie bedurfte sogar in naher Zeit, sobald der strenge Winter vorbei sein
werde, der Verstärkung. Auch aus der 10. Armee in Kärnten war nichts
mehr herauszuholen. Ebenso wenig vermochte man dem Balkankriegs-
schauplatz irgend eine Kraft zu entziehen. Hier trat sogar der Fall ein,
daß anfangs März das IR. 102 von der Isonzofront eiligst nach Belgrad
zum dortigen Generalgouvernement gefahren werden mußte, weil süd-
westlich von Nis eine Aufstandsbewegung ausgebrochen war. Allerdings
konnte das Regiment binnen vierzehn Tagen wieder zurückgesendet
werden. Es blieb somit nur die Ostfront, aus der im Dezember die
41. HID. und in der zweiten Hälfte des Februar die 7. ID. herausgelöst
und nach dem Südwesten verlegt worden waren. Bei ihrem weiteren
Bemühen konnte die Heeresleitung wieder nur nach Kräften der Ost-
front Ausschau halten.
Am 25. Februar gab GFM. Hindenburg, dem jetzt die hohe Ver-
antwortung der Obersten Kriegsleitung zustand, schriftlich nach Baden
bekannt, daß die Südwestfront vorläufig in der Verteidigung zu ver-
bleiben habe. Damit entfielen etwa noch vorhandene Beweggründe zur
Verstärkung des Südwestens auf Kosten der Ostfront, die die gleiche
Aufgabe hatte. Die erbetenen kleineren Abgaben für die Südwestfront
wurden genehmigt. So gelangte das k. k. LstIR. 1 zur 5. Armee und das
F JB. 31 zur 10. Armee. Wegen der Überweisung noch einer ganzen
Infanteriedivision sowie einer Gebirgsbrigade gab es aber Schwierig-
keiten. Der Generalfeldmarschall gab zu bedenken, daß von der Heeres-
gruppe Mackensen schon zwei türkische Divisionen nach Trans jordanien
hatten abgezogen werden müssen; daher sei es nicht zulässig, dieser
Heeresgruppe noch weitere nennenswerte Kräfte zu entnehmen. Auch
die Heeresfront Erzherzog Joseph, die ohnedies sehr gestreckt sei, dürfe
nach Meinung des Feldmarschalls nicht geschwächt werden. Die Hee-
resfront des Prinzen Leopold von Bayern hinwieder müsse wegen des
starken Zurüstens der Russen darauf bedacht sein, die Festigkeit der
polnisch-galizi sehen Front zu gewährleisten und ähnlichen Gefahren
wie im Jahre 1916 vorzubeugen.
Das Abschätzen der für jeden der drei Hauptkriegsschauplätze er-
forderlichen Abwehrkräfte war eben wegen der sowohl im Westen als
im Südwesten wie auch im Osten der Zahl nach sehr großen Über-
legenheit der Feinde (siehe Tabelle auf Beilage 1) eine schwer lösbare
Aufgabe. Von den gesamten öst.-ung. Streitkräften, die, in 71 Infanterie-
divisionen und 13 selbständige Brigaden gegliedert, rund 780.000 Feuer-
108
Winter und Frühjahrsanfang 1917
gewehre und 7200 Geschütze zählten, standen zu Frühjahrsbeginn etwa
zwei Fünftel an der Südwestfront, nicht ganz drei Fünftel im Osten,
der Rest, etwa ein Fünfzehntel, an der Balkanfront (S. 49).
Die Ende Februar bei der k. u. k. Heeresleitung vorgenommenen
Veränderungen wirkten sich mittelbar auch auf die Südwestfront aus.
FM. Conrad hatte in Bozen den Befehl über die Heeresgruppe in Tirol
zu übernehmen, die von nun an seinen Namen führte. Zum General-
stabschef der Heeresgruppe wurde GM. Richard Müller ernannt. FML.
Alfred Krauss wurde Kommandant des I.Korps. FM. Erzherzog Eugen
kehrte nach einjähriger Abwesenheit nach Marburg zurück, wo das
„Kommando der Südwestfront" am 16. März wieder errichtet wurde.
Dem Erzherzog wurde jetzt GM. Konopicky als Generalstabschef bei-
gegeben. Das Tätigkeitsfeld des wiedererstandenen Kommandos warum
einiges beschränkter als in der ersten Zeit seines Bestehens. Auch die
10. Armee wechselte den Führer. An die Stelle des mit der Armeefüh-
rung betrauten FML. Scotti trat am 12. April GO. Freih. v. Krobatin,
der seit Kriegsbeginn die schwere Amtslast des Kriegsministers getragen
hatte. Der bisherige Befehlshaber des XV. Korps, Gdl. Stöger-Steiner,
wurde Kriegsminister (S. 71). An seine Stelle als Korpskommandant trat
FML. Scotti. Bei der 10. Armee, bei der die Divisionen und Brigaden bis-
nun dem Armeekommando unmittelbar unterstellt waren, übernahm am
26. April Gdl. Erzherzog Peter Ferdinand, der seit September 1914 kein
Kommando mehr geführt hatte, den Befehl über die östliche Hälfte der
Armee (93. ID. und 59. GbBrig.). Am gleichen Tage stellte das k. u. k.
AOK. das an der russischen Front entbehrlich gewordene IV. Korps-
kmdo., FML. v. Hordt, der 10. Armee zur Verfügung und wurden ihm
dort anfangs Mai die im Westabschnitt stehenden Divisionen 92 und 94
unterstellt. Unverändert blieb der Führerstab der 5. Armee; doch
wurde zur einheitlichen Leitung der auf der Karsthochfläche angehäuf-
ten Abwehrkräfte ein neues, das „Abschnittskommando III" in Sesana
aufgestellt und dem bisherigen Führer des XVI. Korps, FZM. Wurm,
übertragen. Das Kommando des XVI. Korps übernahm FML. Králicek.
Mitte März fand die Oberste Kriegsleitung die Möglichkeit, eine
Division der Westfront zu entnehmen, um sie an der Ostfront zur Ab-
lösung einer öst.-ung. Division einzusetzen. Auf diese Art konnte in den
ersten Tagen des April die 106. LstlD. bei der 5. Armee eintreffen.
Ferner wurden nun auch noch die Feldjägerbataillone 17 und 25 bei
der k.u.k. 25. ID. herausgelöst und zur 10. Armee gefahren. Gegen
die Abgabe einer ganzen Gebirgsbrigade aus den Ostkarpathen nach
Ausstattung der Isonzofront mit Artillerie
109
Tirol gab es aber noch immer Bedenken. Die Oberste Kriegsleitung
empfahl, an deren Stelle die österreichischen Teile der in Lublin untätig
stehenden polnischen Legion zu beanspruchen. Dies erschien der öst.-ung.
Heeresleitung aber nicht genehm, da damit der strittigen militär-
politischen Frage über die Gestaltung Polens und dessen Heeres vor-
gegriffen worden wäre. Schließlich wurde in der zweiten Hälfte April
anstatt der gewünschten Gebirgsbrigade die k. k. 26. SchBrig. aus dem
Bereiche „Ober Ost" genommen und nach Tirol gebracht, wo nach ein-
getretener Schneeschmelze feindliche Unternehmungen um so eher
erwartet werden mußten, als die Italiener in bedeutender Übermacht
gegenüberstanden und nach neueren Nachrichten Vorbereitungen für
einen Angriff trafen.
Als nun die Generaloffensive der Verbandmächte, wie noch er-
örtert werden wird, am 9. April mit dem Großangriff der Engländer
bei Arras begann, mochte man den Ansturm der Italiener für Ende
April erwarten.
Das öst.-ung. AOK. gab die ihm von Kreuznach aus mitge-
teilten wesentlichen Merkmale des englischen Angriffsverfahrens dem
GO. Boroevic bekannt, da man annehmen konnte, daß die Italiener ein
ähnliches Verfahren anwenden mochten. Als kennzeichnende Erschei-
nungen des Angriffes wurden genannt : vorhergehende Luftangriffe
größten Stils; drei bis fünf Tage Wirkungsschießen, dann sechs bisacht
Stunden Trommelfeuer, auch auf die hinteren Linien und Beobachtungs-
stellen; Massenverwendung schwerer Minen und Gasgeschosse, diese
namentlich gegen Batterien nahe der Front. Ferner wurde berichtet,
man habe die betrübliche Erfahrung gemacht, daß die Abwehrartillerie
mit ihrer Munition gespart und dadurch manchenorts den Zeitpunkt zur
größten Kraftentfaltung versäumt hätte. Auch daß die Verteidigung der
nötigen Tiefe entbehrte, wäre von erheblichem Nachteil gewesen.
Zugunsten der Artillerie am Isonzo hatte die Heeresleitung aus-
reichende Vorsorgen getroffen. Der Armee waren im Laufe des Winters
15 leichte und 5 schwere Feldbatterien sowie mehrere schwere und
schwerste Batterien der Festungsartillerie zugewiesen worden (Beilage 6).
Dem GO. Boroevic wurde lediglich aufgetragen, außerhalb der Kampf-
zone eine starke, bewegliche Artilleriegruppe bereitzuhalten. Der Schieß-
bedarf wurde nach den Erfahrungen an der Westfront vermehrt,
so daß im Armeebereich zur Verfügung standen: 2450 Schuß für jede
Feldkanone, 1770 Schuß für jede Feldhaubitze, 710 und 1580 Schuß für
jede schwere Feldhaubitze älterer und neuer Erzeugung, endlich 730
110
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Schuß für jede schwere Feldkanone. Man berechnete, daß diese Ge-
schoßmenge für eine zwanzigtägige Schlacht ausreichen werde.
Die Befestigungen boten nach einem Berichte des Armeekommandos
im Abschnitt des voraussichtlichen feindlichen Angriffes zwischen Sal-
cano und dem Meere in der ersten Stellung (I) ein System wechselnd
starker, durchaus guter Anlagen. Der Schaffung schußsicherer Unter-
stände (Kavernen) war die größte Bedeutung beigemessen worden. Man
hatte hierin so bedeutende Fortschritte erzielt, daß in allen Abschnitten
bei rechtzeitigem Heranführen der Reserven mit deren vollständiger,
gesicherter Unterbringung gerechnet werden konnte. Der Bau der zwei-
ten Stellung (II) war hingegen im April noch sehr im Rückstand. Ihr
war keine nennenswerte Widerstandskraft zuzusprechen. Es mangelte zu
ihrer Herstellung an geschulten Arbeitskräften.
Der Bericht hob hervor, daß die auf der Hochfläche von Comen
gelegenen Befestigungen im Bereiche des VII. Korps am stärksten seien.
Allerdings hätten die Verteidigungseinrichtungen der Front östlich vom
Fajtihrib bis Kostanjevica nur einen Kilometer Tiefe und könnten daher
von der feindlichen Artillerie in allen Linien gleichzeitig bekämpft wer-
den. Auf einen halben bis anderthalb Kilometer hinter der letzten Linie
dieser ersten Stellung lag hier, gleichfalls im wirksamen Geschützertrag
des Feindes, als hinterste vorbereitete Verteidigungslinie die erst angefan-
gene zweite Stellung. In der Front des XXIII. Korps war der Abschnitt
von Kostanjevica bis zur Senke von Jamiano sehr schwach. Besonderen
Schwierigkeiten begegnete anscheinend der Anschluß an den inneren
Flügeln der beiden Korps. Im Bereiche des XVI. Korps vor Görz waren
die teilweise gut ausgebauten Linien der ersten Stellung wegen der
Bodenbeschaffenheit zumeist gegen Wetter und Geschoßwirkung weni-
ger widerstandsfähig. Dies galt auch für die in Angriff genommene,
drei bis vier Kilometer dahinter liegende zweite Stellung.
Seit dem Rücktritt Conrads neigte die Heeresleitung, nun mit dem
Kommando der Südwestfront und jenem der 5. Armee vollständig gleich-
gestimmt, der Anschauung zu, daß die italienische Offensive gegen den
Südabschnitt der Isonzofront gerichtet sein werde. Im Zusammenhange
mit dem gegebenen Werturteil über die Befestigungen dieses Abschnittes
wurde Mitte April, also kurz vor dem voraussichtlichen Zeitpunkt der
Eröffnung des feindlichen Angriffes, die Lage geprüft und versucht, die
mögliche Entwicklung der bevorstehenden Schlacht zu ergründen. In
Baden nahm man an, daß die Italiener imstande wären, mit ihren er-
heblich vermehrten Infanterie- und Artilleriekräften „die ganze Front
Erwägungen über mögliche Angriffe der Italiener
111
zwischen Salcano und dem Meere" anzugreifen. Ein tiefgegliederter
Stoß sei am Nordteil des Hochlandes von Comen, gegen das VII. Korps,
am wirkungsvollsten, aber auch am schwierigsten, denn gerade dort stehe
der Feind von den öst.-ung. Linien am weitesten ab. Nach seinem bis-
herigen Tun zu urteilen, sei es daher wahrscheinlicher, daß er einen
starken Stoß gegen den empfindlichen Frontteil Kostanjevica—Jamiano
richten werde. Nach den Erfahrungen aus den früheren Isonzoschlach-
ten und auch aus jenen der letzten Tage an der Westfront müsse trotz
aller getroffenen Vorsorgen mit Einbrüchen auf mehrere Kilometer
Tiefe gerechnet werden. Dennoch dürfe die Zuversicht nicht leiden,
selbst wenn die feindliche Offensive möglicherweise erst in der Linie
Trijesnek—Hermada zum Stehen gebracht werden könne. Dies sei
allerdings die äußerste Grenze. Gäbe es dann keine Reserven mehr, so
wäre Triest gefährdet.
Solche Überlegungen veranlaßten den neuen Chef des Generalstabes,
Gdl. Arz, am 14. April die Oberste Kriegsleitung zu ersuchen, sie möge
dafür sorgen, daß an der Ostfront zwei öst.-ung. Divisionen bereitge-
stellt würden, die im Falle gebieterischer Notwendigkeit ohne Zeitver-
lust an den Isonzo gefahren werden könnten. In der Antwort machte
Gdl. Ludendorff geltend, daß aus dem Osten bereits vier öst.-ung. Divi-
sionen an die italienische Front und vier deutsche Divisionen an dio
Westfront o,hne Ersatz abgegeben worden seien. Die DOHL. sei nun-
mehr wegen der schweren Kämpfe in Frankreich genötigt, abgekämpfte
Truppen gegen vollwertige der Ostfront auszutauschen. Um diese Front
nicht allzu sehr zu schwächen, wäre ein ähnlicher Austausch zwischen
Osten und Südwesten in Aussicht zu nehmen, also erst nach Beginn der
Schlacht am Isonzo angezeigt. Das Kommando „Ober Ost" mache sich
anheischig, für ein solches Verfahren das k. u. k. X. Korps bereitzuhalten.
Im äußersten Bedarfsfalle gedenke Ludendorff überdies, das deutsche
Alpenkorps an die Südwestfront zu werfen.
Die Ereignisse bei der 5. Armee
Nach der neunten Isonzoschlacht hatte die Spannung auf der Karst-
hochfläche noch eine Zeit hindurch angehalten. Wenige Tage, nachdem
das Kampfgetöse verklungen war, lösten die Italiener ihre vorderen
Truppen ab, und es schien, daß sie sich durch langsames Vorschieben
von Sappen und Laufgräben zu einem neuen Angriff bereit machten.
112
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Angaben von Gefangenen und Überläufern ließen vermuten, daß ein
solcher im Abschnitte ¿wischen der Wippach und dem Meere um den
20. November herum bevorstehe. Aber ein Unternehmen, das am 19.
von Stoßtrupps des VII. Korps südlich Biglia zur Aufklärung durch-
geführt wurde, überraschte sichtlich den Feind und bewies, daß er
nicht angriffsbereit sei. Seine emsige Tätigkeit galt vielmehr der Ab-
wehr, und» schon Ende November hatte er in den zuletzt gewonnenen
Landstreifen eine geschlossene Kette von Schützengräben aufgeworfen,
die den öst.-ung. Stellungen auf etwa 800m gegenüberlagen. Diese „Re-
spektdistanz" war nur an der Wippach geringer. So ging man in einen
Zeitlauf des Stillstandes über, der fast ein halbes Jahr dauern sollte.
Im Niemandsland spielten sich in der Folge Patrouillenkämpfe ab.
Mit Befriedigung konnte der Führer des VII. Korps, FML. v. Schariczer,
in einem zu Ende des Jahres erstatteten allgemeinen Bericht hervor-
heben: „Versuche des Gegners, unsere vor der Front befindlichen Feld-
wachen zu vertreiben, so insbesondere am 28. und 30. November und
mehrmals in der ersten Dezemberwoche, sind ausnahmslos von der
braven Infanterie abgewiesen worden. Die aufmerksame, energische
Tätigkeit unserer Artillerie hat ferner zur Folge, daß die Italiener sich
bei Tag nicht mehr zu zeigen wagen und ihre Angriffslust sichtlich
einbüßen." Gleich zuversichtlich berichteten die benachbarten Korps.
Selbstverständlich waren die k. u. k. Truppen nicht minder als der
Feind am Werke, die Widerstandskraft der Stellungen zu erhöhen. Die
im Laufe des Winters und bis Mitte Mai erzielten Fortschritte im
Stellungsbau an der Isonzofront zeigt die Beilage 7.
Mit Bedacht wurde darauf gesehen, daß die im Feuerbereich stehen-
den Truppen zeitweise durch Reserven abgelöst wurden, um sie auf-
zufrischen, gelegentlich zu schulen und den soldatischen Geist zu
beleben. Sicherlich konnten damit nicht alle Schäden ferngehalten wer-
den, die im Laufe eines langen und harten Stellungskrieges die Manns-
zucht beeinträchtigt hatten. Klagen hierüber wurden von manchen
Unterführern einige Male nicht ohne Grund ausgesprochen. Ungeachtet
solcher Einzelfälle, die vor allem in Fahnenflucht bestanden, blieben
aber die Zersetzungserscheinungen völlig gebannt, die. zu dieser Zeit
nicht allein im russischen Heere, sondern auch in Frankreich und Italien
wahrzunehmen waren. Auf eine von der Heeresleitung anfangs April
gestellte Anfrage über etwa auftretende zersetzende Einflüsse auf den
Geist und die Stimmung der Truppe lauteten die Antworten aller Führer
des Südwestens aus voller Überzeugung verneinend.
Stärke und Verluste der 5. Armee
113
Trotz der in der Monarchie immer mehr fühlbar werdenden Knapp-
heit an waffenfähigen Männern blieb der Zufluß an Ersatzmannschaft
(Marschformationen) groß genug, um die Truppenkörper aufzufüllen
und auf vollem Kriegsstand zu erhalten. Einige Bataillone konnten sogar
im Laufe des Winters fünfte und sechste Kompagnien errichten. Da
ferner im Laufe der langwährenden Zeit des Stillstandes der Zufluß
die Abgänge überwog, ergab sich ein Überschuß an ausgebildeten
Marschformationen. Die Gefechtsstärke der Infanterie der 5. Armee
stieg in derZeit vom 1.Jänner bisl.Mai von 125.000 auf 156.000Feuer-
gewehre ; die Stärke der Marschformationen wuchs auf 70.000 Mann an1).
Dabei waren die Verluste verhältnismäßig groß. In den bezeichneten
vier Monaten zählte man 2844 Tote, 12.540 Verwundete, 371 Vermißte
und nicht weniger als 52.270 Kranke. Diese hohe Zahl an Kranken gibt
Zeugnis, daß die Rüstigkeit der Mannschaften im Abnehmen begriffen
war, was zum Teil auch auf Mängel in der Verpflegung zurückgeführt
werden muß.
Die beträchtlichen blutigen Verluste, die sich auf die einzelnen Tage
des genannten Zeitabschnittes ziemlich gleichmäßig verteilten, waren
größtenteils durch das Artilleriefeuer hervorgerufen, das trotz der ein-
getretenen Kampfpause Tag für Tag über das erstarrte Schlachtfeld
rollte. Bezeichnend hiefür ist ein Bericht, den GO. Boroevic im Jänner
der Heeresleitung erstattete. Diese hatte die Armee angewiesen, die
41. HID. in nächster Zeit nicht in der Front einzusetzen, weil deren
Truppen mit der Eigenart der Kampfführung im Karstgelände noch
nicht vertraut seien. Daraufhin antwortete Boroevic, daß gerade jene
Truppen, die von anderen Kriegsschauplätzen kämen, schon frühzeitig
eingesetzt werden müßten, damit sie sich in die eigentümlichen Kampf-
verhältnisse einlebten, denn das Geschütz- und Minenwerferfeuer er-
reiche am Isonzo eine Heftigkeit, die im Osten unbekannt sei. Er fügte
hinzu: „Viele von der Ostfront hiehergelangte Offiziere gehen so weit,
zu behaupten, daß das russische Trommelfeuer dem hiesigen normalen
Artilleriefeuer gleiche." Mochte dieser Vergleich auch nicht in allem
zutreffen, so gewährt er dennoch annähernd einen Begriff, wie der
in den Tagesmeldungen dieser Zeit oftmals wiederkehrende Satz: „Nor-
males Artilleriefeuer" zu deuten ist, und was sich am Isonzo zutrug,
wenn es hieß: „Trotz ungünstiger Witterung herrscht sehr lebhafte
*) Vom 1. Jänner 1917 an wurden die einreihungsfähigen Marschtruppen nicht
mehr in den Feuergewehrstand eingerechnet. Dadurch erklärt sich die Differenz zu
den im Bd. V, S. 683, Anm. 3, mitgeteilten Zahlen.
VI 8
114
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Gefechtstätigkeit" — oder, so wie am 12. Jänner: „Bei guter Sicht ist
das feindliche Feuer außerordentlich lebhaft, die Italiener schießen
schwere Gasgranaten; ihre Flugzeuge kreuzen über das Schlachtfeld,
eines wurde im Luftgefecht abgeschossen."
Zu größeren Infanteriekämpfen kam es in den ersten vier Mona-
ten des Jahres allerdings nicht. Hingegen wurden kleine Unternehmen,
die den Zweck hatten, den Kampfgeist der Truppen wachzuhalten, den
Verlauf der Stellungen ¡zu bessern und Gefangene einzubringen, wieder-
holt durchgeführt. So stießen am 18. Jänner Sturmtrupps der 28. ID.
gegen den Fajtihrib vor, wobei 150 Italiener in Gefangenschaft fielen.
Eine Woche später brachen Jagdkommandos des SchR. 20 in eine feind-
liche Vorstellung südöstlich von Görz ein und holten sich 100 Gefangene
und drei Maschinengewehre. In den letzten Jännertagen glückten den
Sturmtrupps der Regimenter 91 und 71 sowie des k. k. LstlR. 2 ähnliche
Unternehmen bei Görz und bei Kostanjevica; man zählte 200 Gefangene.
Trotz der seit Anfang Februar schärfer gewordenen Kälte stießen am
7. Teile des IR. 86 bei Tolmein mit Erfolg vor. In der Nacht auf den
10. gab es eine ganze Reihe kleiner Angriffe, durch die mehrere feind-
liche Grabenstücke erobert, 650 Italiener gefangen und zehn Maschinen-
gewehre erbeutet wurden. Hiebei taten Abteilungen des IR. 87 das ihre
bei Salcano, solche des IR. 41 und des k. k. LstlR. 22 an der Wippach,
schließlich solche des SchR. 23 und des k. k. LstlBaons. IV/39 bei Görz.
Den größten Anteil an diesen Unternehmen hatte das Bataillon III/85,
das allein italienische Stellungen in der Ausdehnung von 1000 Schritten
beim Bahnhof von Görz erstürmte. Um den eroberten Graben wurde
dann in den nächsten Tagen erbittert gekämpft, wobei sich auch das
Bataillon IV/SchR. 37 auszeichnete, das noch 300 Gefangene einbrachte.
Sturmtrupps des Bataillons IV/80 hatten am 11. Februar Erfolge beim
Mrzlivrh. An diesen Tagen gab es auch sehr rege beiderseitige Flie-
gertätigkeit mit zahlreichen Bombenwürfen und Luftgefechten.
Auch die Italiener waren in Kleinkämpfen rührig. Sie stießen des
öfteren an verschiedenen Stellen vor, wobei es ihnen mitunter gelang,
die Verteidiger zu überraschen. Ein dauernder Gewinn, der offenbar
auch gar nicht gewollt war, war ihnen freilich nirgends gegönnt. In
den nächsten Wochen, bis etwa Mitte März, kehrt dann in den Lage-
meldungen der bekannte Satz: „Normales Artilleriefeuer" öfters wieder.
Erfolgreiche Patrouillenunternehmen gab es am 1. März bei Tolmein
(IR. 80), am 3. bei Görz (IR. 24 und SchR. 20) sowie am 8. bei Ko-
stanjevica (HIR. 32).
Stellungskämpfe am Isonzo
115
Am 12. und am 13. März unternahmen die Italiener auf der Karst-
hochfläche bei Kostanjevica anscheinend einen Probeangriff, indem sie
zunächst ihre sichtlich stark angewachsene Artillerie und zahlreiche
neue Minenwerfer spielen ließen und dann mit der Infanterie vorstießen.
Bei Jamiano drang eine Abteilung in die Stellung der 7. ID. ein. Sie
mußte aber den Graben vor dem Gegenstoß der eingreifenden Reserven
alsbald wieder räumen. Die Geschütze setzten danach ihr sehr lebhaftes
Feuer noch einige Tage zornig fort, um später wieder in ein planmäßi-
ges Eisschießen und Zerstören bestimmter Örtlichkeiten des Anlandes
überzugehen. Bei dieser Gelegenheit wurde zum ersten Male die An-
wesenheit mehrerer sehr weittragender 15 cm-Kanonen festgestellt, die,
nach dem Merkzeichen der aufgelesenen Geschoßsprengstücke zu urtei-
len, englischer Herkunft gewesen sein mochten.
Während des um die Mitte März herrschenden Schönwetter s war die
Fliegertätigkeit wieder sehr rege. Es kam wiederholt z,u Luftkämpfen.
Italienische Flugzeuggeschwader belegten vornehmlich Nabresina mit
Bomben; die öst.-ung. Flieger übten Vergeltung über den Standorten der
feindlichen Kommandos. Man hatte zu dieser Zeit erfahren, daß der
Führer der 2. Armee sein Stabsquartier von Cormons nach (Dividale ver-
legt habe, und daß in Cormons das Kommando der „Zona di Gorizia"
errichtet worden sei.
In den letzten Märztagen stieg die Gefechtstätigkeit, insbesondere
auf der Karsthochfläche, wieder an. Feindliche Vorstöße im Räume
von Kostanjevica wurden glatt abgewiesen. Ein am 26. abends durch
die Artillerie gut vorbereitetes Unternehmen des Bataillons 11/100 bei
Biglia an der Wippach gelang hingegen vortrefflich. Die schneidigen
Schlesier und Nordmährer eroberten eine feindliche Vorstellung, nah-
men 500 Italiener gefangen, erbeuteten zwölf Maschinengewehre sowie
drei Minenwerfer und trotzten -auch in den nächsten Tagen allen Ver-
suchen des Feindes, die Stellung zurückzugewinnen. Ein Vorstoß von
Sturmtrupps des Bataillons IV/64 westlich von Jamiano brachte wieder
einige Dutzend Gefangene ein. Ebenso glückten in den nächsten Tagen
den Sturmtrupps des VII. Korps mehrere kleine Unternehmen, durch
die der Feind immer wieder aufgeschreckt, aber auch herausgefordert
wurde, seine Artillerie in lebhafte Tätigkeit zu setzen. Die Verluste der
5. Armee im März betrugen 762 Tote, 3692 Verwundete, 12.525 Kranke
und 95 Vermißte.
Anfangs April setzten wegen des herrschenden Sturmes und Regens
auch diese Kleingefechte aus. Merkwürdigerweise hielt die Ruhe auch
8*
116
Winter und Frühjahrsanfang 1917
nach dem Eintreten besseren Wetters und dann bis in die ersten Mai-
tage an. Nur ein einziges Unternehmen am 12. April, ausgeführt durch
Abteilungen der 14. ID., bei dem 150 Italiener gefangen wurden, ist
zu verzeichnen. Die Kämpfe ,in der Luft waren in diesem Monat um so
lebhafter, als beide Gegner sich bemühten, Einblick in die feindlichen
Maßnahmen zu gewinnen. Die Italiener warfen Bomben auf Triest. Ein
Gegenangriff auf Venedig wurde auf Befehl des Kaisers unterlassen.
Begebenheiten in Kärnten und in Tirol
Am Oberlauf des Isonzo, in Kärnten und in Tirol verging der
Winter stiller als im Vorjahre. Offenbar war die im ersten Kriegswinter
noch sprühende Angriffslust der Italiener im Erlöschen. Auf Seiten der
öst.-ung. Truppen gab es hinwieder keinen Anlaß, aus den selbstgewähl-
ten Stellungen herauszutreten, vor denen der Feind sich in mehr oder
weniger großem Abstand ruhig verhielt. Die von der Heeresleitung im
Jänner gehegten Offensivpläne waren nur dem Führer in Tirol ange-
deutet worden, der daraufhin lediglich Pläne vorbereitete, sichtbare
Maßnahmen aber, die das Vorhaben hätten verraten können, unterließ.
Bei der' 10. Armee ist nur ein Gefecht erwähnenswert, das am
14. Februar von Teilen des F JB. 30 beim Lahner joch (10 km westlich
vom Plöckenpaß) mit dem Einbringen von 40 Gefangenen und einiger
Beute endete. Bei der Heeresgruppe in Tirol lagen die Brennpunkte der
gegenseitigen Bekämpfung kleiner Gruppen auf dem Pasubio, an meh-
reren Stellen der Hochflächen, in der ValSug;ana und im Gebiete des
Rollepasses sowie in der Gegend des Mt. Sief. Im Suganertale überfielen
am 12. Februar Teile des Bataillons X/14 eine feindliche Stellung und
brachten 90 Gefangene ein1). Am selben Tage unternahm im Tonale-
gebiet das Reservebataillon II/37 einen Überfall, der zur Gefangen-
nahme von zwei Dutzend Alpini führte.
In der ersten Märzwoche rührten sich die Italiener in den Fassaner
Alpen plötzlich stärker. Bei gleichzeitiger lebhafter Beschießung des
ganzen Frontabschnittes zwischen der Marmolata und dem Colbricon
griffen sie die C. di Coistabella überraschend an und setzten sich in den
Besitz dieses 2738 m hohen Gipfels. Die Verteidiger verloren über
50 Mann, zwei Maschinengewehre und ein Geschütz. Ein bald darauf
!) Ehn 1, Das X. Bataillon des oberösterreichischen IR. Ernst Ludwig Groß-
herzog von Hessen und bei Rhein Nr. 14 (Wien 1932), 56 f.
Kleinkrieg im Gebirge
117
gegen die C. di Bocche geführter Angriff der Italiener wurde hingegen
glatt abgewiesen; ebenso ein Überfall gegen den Colbricon. Wieder auf-
kommendes Schlechtwetter verhinderte die zur Wiedereroberung des
Costabella eingeleiteten Maßnahmen. So konnte erst am 16. März zum
Gegenangriff geschritten und der schneebedeckte Berggipfel zurück-
gewonnen werden. Die Einbuße des Feindes war seltsamerweise unsern
vor einigen Tagen erlittenen Verlusten vollkommen gleich.
An dem oft umstrittenen Mt. Sief ließen die Italiener am 6. März,
ähnlich wie im Vorjahre unter dem Col di Lana, eine gewaltige Mine
springen. Aber der Anschlag ging diesmal fehl. Der aufgerissene
Sprengtrichter öffnete eine Kluft zwischen den beiden Stellungen und
hinderte die bereitgestellten Angriffstruppen, die sogleich unter heftiges
Artilleriefeuer genommen wurden, an der Ausführung ihres Vorhabens1).
In der zweiten Märzwoche tobten Frühlings-stürme. Warme und kalte
Luftströmungen mengten sich und peitschten Regen und Schnee einher.
In diesen Tagen gingen im Hochgebirge zahlreiche Lawinen nieder,
und der weiße Tod kam häufig zu seinem Rechte. In Kärnten wurde
der Kommandant der 57. GbBrig., GM. Freih. v. Henneberg, am 8. März
unweit von Dellach im Gailtal beim Abgehen der Stellungen ver-
schüttet und einige Tage später mit zerschmettertem Haupt aufge-
funden. Der Frühlingsbeginn zeigte sich in den Bergen durch neue
Schneefälle und Lawinengänge an, die wieder zahlreiche Opfer for-
derten. Dies führte zu einem vollständigen Stillstand der Gefechtshand-
lungen. In den ersten Apriltagen steigerten sich die traurigen Verluste
durch Schneestürze. Am 3. April, dem bösesten Tag, gab es in Kärnten
und TiroLüber 200 Verschüttete.
Am 12. März übernahm FM. Conrad in Bozen das Heeresgruppen-
kommando. Im Angesichte der von ihm so geliebten Berge Tirols, die
Italien dem Stammlande entreißen wollte, stellte sich beim Feldmar-
schall um so lebhafter der Wunsch nach Vergeltung ein. Gerade bei
seinem Eintreffen in Tirol ging die Kunde von der Umwälzung in Ruß-
land durch die Welt. Da griff der Marschall zur Feder und schrieb
dem neuen Oberkommando, er halte es für wahrscheinlich, daß Ruß-
lands Heer nun der Desorganisation verfallen und zu keinen größeren
Kriegshandlungen mehr fähig sein werde. Daher würden namhafte
eigene Kräfte im Osten frei, und die von ihm im Jänner vorgeschlagene
Offensive gegen Italien könne nun durchgeführt werden. Allein, die
Dinge waren noch lange nicht so weit gediehen.
!) Schern fil, Col di Lana (Bregenz 1935), 315.
118
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Die Tätigkeit der Italiener
Im Laufe des Februars wurden in Italien Stimmen laut, die eine
gegnerische Offensive vom Isonzo her verkündeten. Die Heeresleitung
ließ daher die an der Südtiroler Front in Reserve bereitgehaltenen
schweren Artilleriegruppen an die Julische Front fahren und wies zu-
gleich die 2. und die 3. Armee an, nicht einen Fußbreit Bodens preis-
zugeben.
Zu Beginn des Monats März sprach sich Gen. Cadorna mit aller
Bestimmtheit darüber aus, daß er von jeder angriffsweisen Kriegshand-
lung abstehen müsse, insolange als die Mittelmächte nicht durch das
französisch-englische und das russisch-rumänische Heer angegriffen und
gefesselt sein würden, und dadurch die Italien drohenden Gefahren
gebannt wären. Diese Erklärung erweckte im Lager der Westmächte
Argwohn. Gen. Nivelle stellte am 21. März an das französische Kriegs-
ministerium die Forderung, daß es im Wege einer diplomatischen Inter-
vention bei der italienischen Regierung auf Gen. Cadorna einen Druck
ausübe, damit er sich an die seinerzeit getroffenen Vereinbarungen halte,
denn „die Offensive des italienischen Heeres sei unerläßlich, sowohl für
das Gelingen der ganzen gemeinsamen Kriegshandlung als auch für
Italien selbst"1).
Dieses Mahnen war schon gar nicht geeignet, die Bedenken der
italienischen Heeresleitung zu zerstreuen. Gerade im März traten Er-
eignisse ein, die nicht allein in Italien, sondern auch in Frankreich und
England beklemmend wirkten: der Ausbruch der russischen Revolution
und der fast zur selben Zeit erfolgte Abmarsch der Deutschen aus
einem vorspringenden Stellungsbogen in die kürzere SeJinenstellung,
wovon später noch die Rede sein wird. Die Westmächte sahen sich ge-
nötigt, den Beginn ihrer Offensive zu verschieben.
Cadorna hielt es nun für höchst wahrscheinlich, daß freigewordene
deutsche Schlagkräfte dem öst.-ung. Heer zu einem gemeinsamen An-
griff gegen Italien beitreten würden. Ein immer wieder auftauchendes
Gerücht von einem bevorstehenden Durchmarsch der Deutschen durch
die Schweiz, das auf die im Jänner 1917 neuerlich erfolgte teilweise
Mobilisierung der Eidgenossenschaft zurückzuführen sein mag (S. 78),
1) de Ci vr i eux, Pages de vérité. L'offensive de 1917 et le commandement
du général Nivelle (Paris 1919), 124. — Alberti, L'azione militare italiana nella
guerra mondiale (Rom 1924), 70 ff.
Entschluß Cadornas zum Großangriff am Isonzo
119
sowie die Nachricht, daß GO. Conrad die Führung in Tirol übernom-
men habe, verstärkten die Befürchtungen vor dem Rückenangriff. Daher
wurden an der italienisch-schweizerischen Grenze neue Verschanzungen
aufgeworfen und besetzt, weiters gegenüber von Südtirol und im Räume
zwischen Vicenza, Monselice und Padua vier Divisionen bereitgestellt.
In den politischen Kreisen der Hauptstadt wiederholte sich das unwür-
dige Schauspiel, das im vergangenen Jahr während der Südtiroler Of-
fensive namentlich von den Sozialisten aufgeführt worden war. Cadorna
mußte nach Rom eilen, um die Geängstigten zu beruhigen.
Ende März kam der Generalstabschef des englischen Heeres, Gen.
Robertson, nach Italien. Cadorna drang in ihn, eine unmittelbare Unter-
stützung auch für den Fall notgedrungener Abwehr zu erwirken. Aber
er erhielt die gleiche Antwort, wie einige Wochen früher vom Gen.
Nivelle1). Erst im April, als dann auch Gen. Foch im Auftrage des
neuen französischen Kriegsministers Painlevé ins italienische Haupt-
quartier kam, wurde eine Vereinbarung getroffen, derzufolge Italien
16 englische 15 cm-Haubitzbatterien und 35 französische schwere Ge-
schütze erhielt.
Um indessen für jeden Fall gewappnet zu sein, stellte sich die
italienische Heeresleitung in den ersten Apriltagen eine allgemeine Re-
serve in der Stärke von zehn Divisionen bereit, die sie vornehmlich den
Armeen am Isonzo entnahm. Zugleich wurde die Front auf der Hoch-
fläche der Sieben Gemeinden abermals verstärkt. Erst als Mitte April
die Heere der Westmächte gegen die deutsche Front anrannten, atmete
man in Italien erleichtert auf. Gleichzeitig scheint dem italienischen Ge-
neralstab auch von anderer Seite die Sorge wegen eines österreichisch-
deutschen Angriffes genommen worden zu sein. Nunmehr, am 19. April,
gab das italienische Höchstkommando Weisungen für den nächsten
Großangriff am Isonzo. Es sollten aber noch Wochen vergehen, ehe der
Kampf begann.
Für diese neue Offensive stand das italienische Heer zahlenmäßig
stärker da, als im Jahre vorher. Im Laufe des Winters waren 151 neue
Bataillone aufgestellt worden, von denen 96 zur Bildung von acht neuen
Divisionen verwendet wurden. Die Artillerie erfuhr eine Vermehrung
um 52 leichte, 166 schwere und 44 Gebirgsbatterien. Die Zahl der
schwersten Geschütze stieg vom Mai 1916 bis Mai 1917 von 1180 auf
2100. Zahlreiche Maschinengewehre und großkalibrige Minenwerfer
kamen hinzu.
x) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 352.
120
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Mit diesem sehr erheblichen Zuwachs an Einheiten ging allerdings
nach übereinstimmenden italienischen Quellen ein Absinken des inneren
Wertes der Truppen einher. „Ihr moralischer Halt konnte kaum als
mittelmäßig bezeichnet werden1)." Dieses Sinken äußerte sich zunächst
durch eine wachsende Zahl an Drückebergern und Überläufern. Dann
kam es im März bei einem Truppenkörper und anfangs Mai bei einer
Brigade zu offenen Gehorsamsverweigerungen. Die Heeresleitung griff
nun mit fester Hand ein, um einer verderblichen Ausbreitung dieser
Zersetzungserscheinungen zu steuern. Dennoch müssen diese wenigen
Fälle als Vorboten jener Krise angesehen werden, von der das italie-
nische Heer im Herbst 1917 befallen werden sollte. Zur Schlacht im
Mai traten die Truppen noch in guter moralischer Verfassung an.
Die Ereignisse in Frankreich und auf dem Balkan
Winter und Frühjahr 1917 an der Westfront
Hiezu Beilage 1
Während sich die Kampf tätigkeit auf dem französischen Kriegs-
schauplatz im Februar und im März in mäßigen Grenzen hielt, herrschte
hinter der Front regste Tätigkeit. Zwischen Arras und Soissons be-
reiteten die Deutschen durch Ausbau der Siegfriedstellung und durch
planmäßige Zerstörung der vor ihr gelegenen Straßen, Bahnen, Ort-
schaften, kurz all dessen, was dem Feinde nützlich sein konnte, ihren
Rückzug vor. Auf der Gegenseite rüsteten die beiden Westmächte zur
Offensive. Um die Tätigkeiten des französischen und des englischen
Heeres in Übereinstimmung zu bringen, traten die Führer am 26. Fe-
bruar in Calais zu einer Beratung zusammen. Den beiden Minister-
präsidenten Briand und Lloyd-George glückte es, die Bedenken des
englischen Oberkommandos gegen eine Unterstellung des britischen
Heeres unter französischen Oberbefehl zu überwinden. Der Generalis-
simus Nivelle erhielt die Befugnis, die Operationen der englischen und
der französischen Angriffsarmeien in Einklang zu bringen. Die Englän-
der sollten anfangs April von Arras gegen Cambrai angreifen, indes
die Franzosen etwas später über die Aisne hinweg durch die deutschen
Stellungen nach Norden vorbrechen wollten.
!) Baj Macario, Kuk—611—Yodice—M.Santo (Mailand 1933), 32.
Beginn der Offensive der Westmächte
121
Schon Ende Februar berichtete der englische Nachrichtendienst
über einen bevorstehenden Rückzug des deutschen Heeres aus dem
gegen Compiègne vorspringenden Stellungsbogen. Nivelle wollte daran
aber nicht glauben. Im übrigen vertröstete er die Engländer am 6. März
damit, die gemeinsame Offensive sei derart angelegt, daß selbst bei einem
Rückzüge der Deutschen in die durch Flieger festgestellte hintere Stel-
lung diese sowohl vom englischen als auch vom französischen Angriffs-
raume her aufgerollt werden würde1).
Am 16. März waren die Deutschen im ganzen Abschnitt zwischen
Arras und Soissons verschwunden. Drei Viertel der Front, die angegrif-
fen hätte werden sollen, waren jetzt ausgeschaltet; nur an den äußer-
sten Flügeln der Stoßgruppen blieb der Angriff noch ausführbar. Es
mußte ein neuer Entschluß gefaßt werden, dies um so mehr, als der
Umsturz in Rußland und das Widerstreben Cadornas gegen ein gleich-
zeitiges Losschlagen die Gesamtlage der Entente sehr erheblich ver-
ändert hatte. Wohl erklärten die Vereinigten Staaten von Amerika am
6. April an Deutschland den Krieg, aber auf eine Hilfe durch das erst in
Bildung begriffene Heer der Union war noch lange nicht zu rechnen.
Mitte März vollzog sich in Frankreich auch ein Regierungswechsel,
Dem Ministerpräsidenten Briand folgte Ribot, der Painlevé als Kriegs-
minister in sein Kabinett berief. Dieser forderte von Nivelle, die ge-
änderte militärische Lage zu berücksichtigen. Auch erhoben Politiker
Einsprache gegen die bevorstehende Offensive, die ihnen keinen Erfolg
verhieß. Bei einem Kriegsrat zu Compiègne, der unter dem Vorsitz des
Präsidenten der Republik abgehalten wurde, mußte Nivelle seinen An-
griffsplan sogar gegen die Zweifel der Heeresgruppenkommandanten
verteidigen. Doch nichts vermochte Nivelles Zuversicht zu erschüttern.
Nachdem sein Demissionsangebot abgelehnt worden war, bestimmte er,
daß die Engländer — wie geplant — am 9. April mit dem Infanterie-
angriff zu beginnen hätten. Der Hauptangriff der Franzosen wurde
für den 16. April anberaumt.
Dem Ansturm der 1. und der 2. Armee der Briten war ein be-
trächtlicher Anfangserfolg beschieden, hauptsächlich deshalb, weil die
deutschen Reserven zu weit zurückgehalten worden waren. Um die
Front vor einem Durchbruch zu bewahren, wurden die deutschen Divi-
sionen östlich und nordöstlich von Arras planmäßig um etwa fünf Kilo-
meter zurückgenommen. Hier festigte sich der deutsche Widerstand
sehr rasch. Drei weitere im April und anfangs Mai unternommene An-
x) Churchill, Weltkrisis 1916—18 (Wien 1928), I, 267.
122
Winter und Frühjahrsanfang 1917
griffe konnten fast ohne weitere Raumeinbuße abgeschlagen werden.
Die Franzosen hatten eine ganz gewaltige Heeresmacht aufgeboten.
Die 6. und die 5. Armee in vorderer Linie, die 10. Armee und zwei Ka-
valleriekorps dahinter zur Ausbeutung des von Nivelle als sicher er-
warteten Durchbruches und überdies die 1. Armee als Heeresreserve
standen an der Aisne bereit, um zwischen Soissons und Reims die
deutsche Front zu durchstoßen. Von den Deutschen, die aus dem
zurückgenommenen Frontbogen die ausgesparte 1. Armee vor Reims
zwischen der 7. und der 3. Armee eingesetzt hatten, waren in klarer
Erkenntnis der hier drohenden Gefahr alle Maßnahmen zur Abwehr
getroffen worden.
Nach zehntägiger artilleristischer Feuervorbereitung schritten die
Franzosen am 16. April zum Sturm. Doch schon am Abend des zweiten
Schlachttages war das Schicksal des Durchbruchsangriffes entschieden:
er war mißlungen. Nun mußte sich Nivelle, der versprochen hatte, es
nicht mehr wie an der Somme zu einer kräftezehrenden Dauerschlacht
kommen zu lassen, doch zur Führung von Teilangriffen entschließen.
Sie setzten Ende April ein und wurden im Mai mehrfach erneuert;
doch nirgends war ihnen ein entscheidender Erfolg beschert. Die
Schlacht war für die Franzosen endgültig verloren1).
Dieser Mißerfolg, der die Franzosen im April und im Mai 61.000
Tote gekostet hatte, erschütterte die Stellung Nivelles. Am 15. Mai
wurde er durch den erst jüngst zum Chef des Generalstabes ernannten
Gen.Pétain ersetzt, dessen Generalstabschef Gen. Foch wurde2). Pétain
trat ein schweres Erbe an; das innere Gefüge des französischen Heeres
begann sich bedenklich zu lockern.
Der Balkanbis Ende Mai 1917
Hiezu Beilage 5
Der Winter in Albanien
In Albanien stand nach wie vor das vom Gdl. Trollmann befeh-
ligte XIX. Korps. Dessen 47. ID., GM. Ritt. v. Weiss-Tihanyi, hielt mit
der 14. GbBrig. die Vojusafront und sicherte mit Teilen weiter im
Osten den Raum beiderseits des Osum. Noch weiter östlich sperrten
1) Kühl, Weltkrieg, II, 83 ff.
2) Pal at, 379.
Das Kräfteverhältnis in Albanien
123
albanische Freischaren unter ihrem Führer Salih Butka die von Korea
nach Westen und nach Süden führenden Wege. Die zweite Gebirgs-
brigade dieser Division, die 20., stand in dem außerordentlich armen
Gebirgsland südöstlich von Elbasan; sie hatte zwei Bataillone bis an
den Abschnitt zwischen Ohrida- und Maliksee vorgeschoben. Die
20. GbBrig. hielt Verbindung zum Westflügel der bulgarisch-deutschen
Front, zur Gruppe des deutschen Obst. Thierry, der mit der bulga-
rischen 3.KBrig., einem österreichischen Landsturmbataillon und zwei
öst.-ung. Gebirgsbatterien die Landenge zwischen dem Ohrida- und
dem Prespas'ee sperrte. Den Küstenschutz an der Adria versahen die
gleichfalls zur 47. ID. gehörende 211. LstlBrig. und die dem XIX. Korps-
kmdo. unmittelbar unterstellte Gruppe Obsit. Babic.
Den öst.-ung. Truppen stand an der Vojusa das italienische Expedi-
tionskorps (verstärkte 38. ID.) gegenüber. Korea hielt eine französische
Brigade besetzt. Im Räume zwischen den albanischen Seen sicherten
Teile der französischen 156. ID. den Westflügel des Orientheeres des
Gen. Sarrail.
Sarrail sah sich anfangs Jänner veranlaßt, diesem seinem Westflügel
mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden. Veranlassung hiezu war die Notwen-
digkeit, die neue, von Santi Quaranti über Korea laufende Etappenlinie zu
sichern, dann die Absicht, die durch das Seengebiet nach Griechenland
führende Verbindung der Mittelmächte zu unterbinden. Hiezu wurde
die neu angekommene französische 76. ID. in diesen Raum gelenkt. Da
auch die Italiener ihr Expeditionskorps durch eine Infanterie- und eine
Territorialbrigade sowie durch einige Batterien verstärkten, verschob
sich das Kräfteverhältnis zu Ungunsten des k. u. k. XIX. Korps, das sich
wegen der kaum behebbaren Nachschubschwierigkeiten und der schlech-
ten Gesundheitsverhältnisse ohnehin in einer recht schwierigen Lage
befand. Die Verstärkung durch ein Landsturmbataillon fiel nicht ins
Gewicht. Um wenigstens die Feuerkraft an der Landfront zu erhöhen,
wurden die im Küstenschutze stehenden Gebirgsbatterien durch Ge-
schütze der Festung Skodra (Skutari) ersetzt und den Gebirgsbrigaden
zugewiesen.
Schon bald nacfi Neujahr machte sich der verstärkte Druck der
Franzosen in Südalbanien fühlbar. Ihre vom 10. bis zum 14. Jänner
gegen die Ceravastellung südlich vom Ohridasee geführten Angriffe
konnten aber von der 20. GbBrig. mit Unterstützung der Gruppe Thierry
abgewiesen werden. Nur die am Südufer des Ohridasees sich erhebende
Klosterhöhe mußte französischen Kolonialtruppen überlassen werden.
124
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Von Ende Jänner an flammte in den Bergen westlich von Korea
der Kleinkrieg auf, da die Franzosen die diese Stadt ständig bedrohen-
den Albaner zurückzuwerfen trachteten. Die durch ein Grenz jäger-
bataillon abgelösten und nach Süden verschobenen Banden Salih Butkas
vermochten aber noch immer südwestlich von Korea beim Passe Cafa
Kjarit die nach Liaskovik führende feindliche Nachschubstraße zu
unterbinden. Als Mitte Februar die französische 76. ID. eingriff, muß-
ten die sich wacker wehrenden Albaner schließlich weichen. Damit riß
auch die Verbindung mit Griechenland ab. Die k. u. k. Heeresleitung
löste deshalb die von einem deutschen Offizier in Pogradec geleitete
Stelle zur Unterstützung der den Mittelmächten günstig gesinnten grie-
chischen Freischaren auf. Die auf die Vergewaltigung Griechenlands
abzielenden Bestrebungen der Entente hatten hiemit einen neuen Erfolg
zu verzeichnen.
Die durch neugebildete Banden verstärkten Albanerkompagnien
stießen aber wieder gegen Korea vor und vermochten sich nach wech-
selvollen Gefechten im April schließlich auf den Höhen von Moskopolje
zu behaupten1). Dahinter sicherte die noch verstärkte Ostgruppe der
14. GbBrig. die im Räume zwischen den Flüssen Tomorica und Devoli
g,egen Gramsi führenden Wege. Diese nunmehr als Gruppe 1/47 bezeich-
nete Ostgruppe wurde jetzt vom Obst. v. Spaics geführt und unterstand
unmittelbar dem Kommando der 47. Division. Die 20. GbBrig. samt der
jetzt vom Obst. Böttner befehligten, an die Cerava vorgeschobenen
Gruppe wurde angewiesen, gegen einen etwaigen Angriff überlegener
Feinde wenigstens den Kamiarücken und die Enge bei Pogradec zu be-
haupten. Mit der Gruppe Thierry war eine wechselseitige Unterstützung
vereinbart worden. Um die Befehlgebung bei der 47. ID. zu erleichtern,
wurde sie der Sorge um den Küstenschutz enthoben. Die beiden Küsten-
schutzgruppen traten unter das neugebildete Küstenabschnittskommando
Albanien, GM. v. Eckhardt. Die 211. LstlBrig. wurde Korpsreserve.
Der Einspruch Italiens gegen die Besetzung albanischen Gebietes
durch französische Truppen veranlaß te die französische 76. ID., ihre
Angriffe gegen die 20. GbBrig. einzustellen. Die Division wandte sich
hierauf anfangs März gegen die Landenge zwischen dem Ohrida- und
dem Prespasee in der Absicht, von hier aus den Westflügel der bul-
garisch-deutschen Front zu bedrohen und dadurch die geplante Weg-
nahme der Monastir im Norden umgebenden Höhen zu erleichtern.
Ihre Angriffe begannen am 12. März und erreichten am 18. und am
1) V e i t h, Der Feldzug in Albanien (Schwarte, V, 532).
Französische Angriffe in Südostalbanien
125
23. März die größte Stärke. Nach Einsatz mehrerer türkischer Batail-
lone und einer Gebirgsbatterie vermochte Obst. Thierry seine Stellung
völlig zu behaupten. Die öst.-ung. Einheiten hatten an der Abwehr ver-
dienstvoll mitgewirkt. Auch nördlich von Monastir konnten die Kämpfe
am 27. März durch einen Gegenangriff deutscher Bataillone — von dem
Verlust der die Stadt beherrschenden Höhe A 1248 abgesehen — er-
folgreich abgeschlossen werden.
Anfangs April begrenzte das XIX. Korpskmdo. den Befehlsbereich
der 47. ID. durch eine über die Gebirgsrücken Mali Siloves und Tomor
sowie durch das Osumtal verlaufende Linie; die östlich davon stehenden
Truppen hatten die Gruppe I/XIX des FML. v. Gerhauser zu bilden.
Die Frühjahrsschlachten in Mazedonien
An der mazedonischen Front war der Winter ohne besondere Er-
eignisse verlaufen. Mit Frühjahrsanfang mußten aber die Bulgaren und
die Deutschen eines feindlichen Ansturmes gewärtig sein. Sie durften
ihm mit Zuversicht entgegensehen, weil ein gleichzeitiges Eingreifen
russisch-rumänischer Heeresteile von Norden her wegen des Umsturzes
in Rußland wenig wahrscheinlich war. Dies und die Unlust Englands
und Italiens, für französische Balkaninteressen neue Opfer zu bringen,
sowie die Erschöpfung der Serben hinderten Sarrail, seine zahlenmäßige
Überlegenheit einem großen, entscheidenden Schlage nutzbar zu machen.
Deshalb besaß auch sein ursprünglicher, nach der Konferenz von Chan-
tilly (S. 11) gefaßter Plan, die gegnerische Front durch Teil vorstoße
zu erschüttern und im Falle eines Erfolges mit der Heeresreserve ent-
weder durch die Engen von Rüpel oder Demirkapija auf Sofia vorzu-
dringen, nur mehr wenig Gegenwartswert. Das Orientheer mußte sich
gemäß der Ende Februar zu Calais festgelegten Richtlinien damit be-
gnügen, möglichst viele Kräfte der Mittelmächte zugunsten der West-
front zu binden. Gen. Sarrail hoffte, dies durch eine Bedrohung der im
Vardartale führenden Verbindungen der Bulgaren, etwa in den Richtun-
gen auf Negotin und auf Gradsko, am zweckmäßigsten erreichen zu
können.
Als der Beginn der großen Offensive im Westen festgesetzt wor-
den war, erhielt auch Sarrail den Auftrag, am 15. April loszuschlagen.
Mithin schien — wenn schon die Russen ausfielen, und Italien noch
immer Zurückhaltung übte — wenigstens zwischen der West- und der
126
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Balkanfront eine Übereinstimmung der Kampfhandlungen möglich zu
werden; doch auch das Orientheer vermochte aus verschiedenen Ur-
sachen den Stichtag nicht einzuhalten. Der als Ablenkungsangriff ge-
dachte Vorstoß zweier britischer Divisionen zwischen Dojransee und
Vardar, dem ein durch Seestreitkräfte unterstütztes Nebenunternehmen
zwischen dem Tahinosee und dem Meere vorangegangen war, konnte
erst am 25. April losbrechen. Er erzielte bloß einen Anfangserfolg und
blieb — weil unausgenützt — ohne Einfluß auf den Verlauf der Schlacht
der Hauptkräfte. Diese griffen mit der aus Franzosen und Venizelisten
zusammengesetzten Vardargruppe am 5., mit der aus Serben, Fran-
zosen, Italienern und Russen bestehenden Cernagruppe wegen des an-
dauernden Schneetreibens sogar erst am 9. Mai an1). Bis dahin hatte
ein Großteil des englischen Erfolges gegenüber bulgarischen Gegen-
angriffen wieder aufgegeben werden müssen. Wohl aber vermochten die
inneren Flügel der Vardargruppe und der serbischen 2. Armee einen
kleinen Raumgewinn zu erringen.
Der Schwung der nach längerem Artilleriefeuer am 9. Mai zum
Angriff antretenden Cernagruppe wurde durch die ungünstigen Nach-
richten über den Verlauf der Ententeoffensive in Frankreich sehr be-
einträchtigt. Sogar die bisher ungeschmälerte Angriffslust der Serben
ließ zu wünschen übrig, da auf sie die enge Verbindung mit den kriegs-
müden Russen nicht ohne Einfluß geblieben war. Auch wirkten die stets
sinkenden Kampfstände der Serben auf ihre Stimmung niederdrückend.
Die zur Auffüllung in Aussicht gestellten 12.000 öst.-ung. Gefangenen
slawischer Nationalität trafen erst Mitte Mai in Saloniki ein. Kein Wun-
der, daß es der jetzt unter dem Oberbefehl des GdA. Scholz stehenden
bulgarisch-deutschen Heeresgruppe, die außer starker deutscher Artil-
lerie und Sondertruppen nur 24 deutsche Bataillone in ihren Reihen
zählte, ohne nennenswerte Raumeinbuße glückte, den Ansturm abzu-
wehren. Am 23. Mai brach Sarrail die ergebnislos gebliebene Schlacht
ab. Auch in den albanischen Seenengen war ein am 8. Mai vorgetragener
französischer Angriff vor den öst.-ung. und bulgarischen Stellungen
zerschellt.
Das jetzt als XVI. Korps bezeichnete italienische Expeditionskorps
begnügte sich damit, seine Front nach Osten bis Herseg südlich von
Korea auszudehnen und dadurch die Lücke zum französischen West-
flügel zu schließen. Die Italiener schoben aber auch Kräfte über die
!) Großer Generalstab, Der große Krieg Serbiens zur Befreiung der
Serben, Kroaten und Slowenen (Belgrad 1924), XXII, 220 ff.
Mißerfolg der Offensive des Orientheeres
127
griechische Grenze nach Süden vor und besetzten, ohne auf Widerstand
zu stoßen, die Stadt Janina.
Der serbische Aufstand im M or avagebiet
Hiezu Übersichtskarte des südöstlichen Kriegsschauplatzes,
Beilage 2 des I. Bandes
Nach der Eroberung Serbiens durch die Verbündeten im Spät-
herbst 1915 war die Befriedung des Landes, besonders die des gebir-
gigen und bewaldeten Südteiles, nicht völlig durchgeführt worden. So
kam es, daß sich namentlich in dem Südostserbien umfassenden bulga-
rischen Verwaltungsgebiet, wo die Internierung der zurückgebliebenen
wehrfähigen Männer unterlassen worden war, Banden bilden konnten.
Als nach der Kriegserklärung Rumäniens die Besatzungstruppen ge-
schwächt worden waren, nahm die Tätigkeit der Banden wesentlich zu.
Sie erhielt einen besonderen Antrieb, als von Saloniki aus ein Auf-
stand vorbereitet wurde, der mit der Frühjahrsoffensive des Orient-
heeres zugleich losbrechen sollte. Da die Bulgaren zu Anfang 1917
die Assentierung der kriegsdiensttauglichen Serben ausschrieben, er-
hoben sich die serbischen Freischaren schon Ende Februar. Etwa
1000 Aufständische überfielen und vernichteten in Kursumlje eine
bulgarische Kompagnie, schlugen Entsatztruppen bei Prokuplje zurück
und drangen gegen Nis vor. Nun wandten sich die Bulgaren an das
k. u. k. Militär-Generalgouvernement in Belgrad um Hilfe1).
Der Generalgouverneur, Gdl. Freih. v. Rhemen, bot alle ihm zur
Verfügung stehenden Streitkräfte zur Niederwerfung des an seiner Be-
reichsgrenze entflammten Aufstandes auf. Es waren dies drei Marsch-
kompagnien der nach Serbien verlegten Ersatzbataillone, ferner zwölf
Streifkompagnien, ein Gendarmeriebataillon, eine Batterie und ein aus
Eisenbahnsicherungen gebildetes Landsturmbataillon. Da dies nicht aus-
reichend schien, lenkte das AOK. von der Isonzofront noch das
IR. 102 (zwei Bataillone) und eine Gebirgsbatterie, aus Bosnien das
Grenzjägerbataillo,n III, ein Feldgendarmerie- und ein Etappenba.taillon
nach Serbien. Alle diese Kräfte (5100 Gewehre, 40 Maschinengewehre
und 12 Geschütze) wurden unter Befehl des beim Militär-Generalgou-
vernement eingeteilten Obstlt. v. Jármy gestellt.
1) Kerchnawe, Bandenkrieg und Bandenbekämpfung im serbischen Okku-
pationsgebiete (Mil.-wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1929, 20 ff., 185 ff.).
128
Winter und Frühjahrsanfang 1917
Der erste Schlag wurde, von Brus ausgehend, gegen Blace geführt.
Am 15. März eroberte die Streitmacht Jármys, den gleichfalls vor-
rückenden Bulgaren um ein bis zwei Tage vorauseilend, die Stadt Kur-
sumlje, Nun wurde ein Kesseltreiben gegen die im Gebirge östlich von
Raska sich herumtreibenden Komiten unternommen. Am 18. März war
das ganze westliche Besatzungsgebiet der Bulgaren von den Aufständi-
schen gesäubert. Die Ruhe war, allerdings nur vorübergehend, herge-
stellt. Das IR. 102, das sich hier besonders bewährt hatte, wurde wieder
an den Isonzo zurückgeführt.
Die großen Führerentschlüsse bis anfangs Mai
Die von den Ententemächten in den Konferenzen von Chantilly,
Rom, Petersburg und Calais vereinbarte Generaloffensive an allen Fron-
ten war nicht zustande gekommen. Der Sturz des Zarentums hatte in
Rußland eine völlig neue Lage geschaffen. Das Heer war zur Stunde
unfähig, zum Angriff zu schreiten. Damit war die ganze Ostfront der
Entente lahmgelegt. Italien hatte sich bisnun abwartend verhalten. Wohl
hatte Cadorna am 19. April, als er annehmen durfte, daß alle deutschen
Reserven durch die englisch-französischen Angriff e in Frankreich ge-
bunden wären und daher ein österreichisch-deutscher Flankenstoß aus
Tirol nicht zu befürchten sei, den Entschluß zum neuerlichen Ansturm
gegen die öst.-ung. Isonzofront gefaßt. Doch der erst für Mitte Mai
angesetzte Angriff wurde der seinerzeit vereinbarten Gleichzeitigkeit
der Kriegshandlungen, auch bei Einrechnung des zugestandenen Spiel-
raumes von drei Wochen, nicht gerecht. Auch die Leistungen des viel-
sprachigen Orientheeres Sarrails entsprachen nicht den Erwartungen der
Westmächte. Es war wohl mit seinen Hauptstoßgruppen am 5. und am
9. Mai losgebrochen; von dem ganzen Unternehmen, das Angriffe an
verschiedenen Frontabschnitten ohne ausgesprochene Schwerpunktbil-
dung vorsah, konnte jedoch ein durchschlagender Erfolg nicht erhofft
werden.
Lediglich die Franzosen und die Engländer hatten an den getrof-
fenen Vereinbarungen festgehalten und waren Mitte April zum Angriff
ges-chritten. Über Anfangserfolge waren sie aber im wesentlichen nicht
hinausgekommen. Der erstrebte Durchbruch war mißglückt. Die bis zum
Unterlauf der Maas reichenden Ziele lagen noch weit hinter der deut-
schen Front.
Die Konferenz zu Paris
129
Um aus dieser schwierigen Lage einen Ausweg zu finden, traten
die Staatsmänner und Heerführer Englands und Frankreichs am 4. Mai
in Paris zu einer Beratung zusammen. Die Konferenz wurde noch um-
düstert durch die Sorgen, die die unerwartet großen Erfolge der deut-
schen Tauchboote bereiteten.
In klarer Erkenntnis der vorhin skizzierten Kriegslage beschlossen
die Konferenzteilnehmer, trotz aller obwaltenden Schwierigkeiten die
Angriffe an der Westfront doch fortzusetzen, um bei den Deutschen
nicht den Eindruck eines .von ihnen errungenen Abwehrsieges aufkom-
men zu lassen. Allerdings reichten die Mittel für eine neuerliche große
Offensive nicht mehr aus. Aber durch Teilangriffe sollten die Reserven
des Gegners gefesselt und seine Fronttruppen zermürbt werden. Damit
hofften die Führer der Westmächte, die kritische Zeit bis zum Ein-
treffen der amerikanischen Armee zu überstehen. Sie verhehlten sich
allerdings nicht, daß bis dahin noch Monate verstreichen würden. Ob
dann die nötigen Schiffe für den Transport noch vorhanden sein wür-
den, stehe dahin,.
Nicht ohne schwere Sorgen hatte der französische Generalissimus
Nivelle, dessen Stellung schon stark erschüttert war, der diesmal vor-
nehmlich von den Engländern geforderten Erneuerung der Angriffe zu-
gestimmt. Der französischen Heeresleitung waren die Anzeichen einer
tiefgehenden Gärung im Franzosenheere nicht entgangen, die durch die
schweren Verluste in der Aprilschlacht und durch die Enttäuschung
über das Ausbleiben des als sicher verheißenen Sieges in den Regimen-
tern hervorgerufen worden war. Schwere Stunden standen Frankreich
bevor. Die Engländer hinwieder beschlossen, das Schwergewicht nach
Flandern zu verlegen, um sich in den Besitz der belgischen Küste zu
setzen, die den Deutschen als Stützpunkt für ihre U-Boote und als Aus-
gangsstelle für ihre Luftangriffe gegen England diente. So währte es
noch Wochen, ehe die Heere der Westmächte zu neuen Angriffen anzu-
treten vermochten.
Das deutsche Westheer durfte mit stolzer Genugtuung auf die öst-
lich von Arras und an der Aisne erfochtenen Abwehr erfolge blicken.
Hiebei waren allerdings alle bereitgehaltenen Verfügmigstruppen einge-
setzt worden. Als der Deutsche Kronprinz, ohne von den Disziplinwidrig-
keiten im französischen Heere Kenntnis erlangt zu haben, den Antrag
stellte, dem errungenen Siege einen Gegenangriff folgen zu lassen,
mußte die DOHL. unter Hinweis auf den Mangel an schlagbereiten
Kräften ablehnen.
vi
9
130
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Der deutsche Abwehrsieg war nur möglich geworden, weil die
Russen Ruhe gehalten hatten. Obst. Hoffmann, der Stabschef des Ober-
befehlshabers Ost, hielt, wie er am 17. April bei einer Besprechung zu
Kreuznach meldete, die Moral und die Kampfkraft des russischen
Heeres durch die Revolution wohl stark erschüttert. Gegen einen An-
griff der Verbündeten würde es sich jedoch wehren. Die deutschen mili-
tärischen Führer meinten nun, die Zersetzung durch einen Angriff be-
schleunigen zu können. Die im Osten stehenden Kräfte reichten hiefür
aber nicht aus, und Reserven standen der DOHL. — wie schon erwähnt
— nicht zur Verfügung. Ein großer Angriff mußte daher unterbleiben.
Dies lag auch ganz im Sinne der deutschen politischen Leitung.
Sie hatte die seit langem im stillen ersehnte russische Revolution be-
grüßt, weil sie hoffen zu können glaubte, daß Rußland bald aus der
Reihe der Feindmächte ausscheiden werde. Nun besorgte sie, ein Angriff
werde die Zersetzung des russischen Heeres eher aufhalten als fördern;
daher sollte Rußland überhaupt nicht gereizt, sondern auf gütlichem
Wege friedensgeneigt gemacht werden. Dieser Ansicht neigte auch
Kaiser Karl zu, wie er dem deutschen Bevollmächtigten, GM. Cramon,
gelegentlich einer Audienz am 26. April eröffnete1).
Die Oberste Kriegsleitung der Verbündeten war daher anfangs Mai
der Ansicht, daß keine Nötigung bestünde, von dem gefaßten Plane>
das Schwergewicht der Kriegführung auf das Meer zu verlegen, abzu-
gehen. Sie wurde darin durch die Leistungen der Tauchboote, denen die
Rolle einer Ausfallstruppe aus der großen belagerten Festung zufiel,,
noch bestärkt. In der Tat hatten die U-Boote in den ersten drei Mona-
ten ihres uneingeschränkten Wirkens die erhoffte Vernichtung von je
600.000t feindlichen Schiffsraumes im Monat noch überboten. Im Fe-
bruar wurden 781.000, im März 885.000 und im April sogar 1,091.000
Tonnen versenkt2). Erst bis der Tauchbootkrieg die Ernährungs- und
Versorgungsschwierigkeiten der Feinde erheblich vergrößert, und wenn
ihre Heere sich durch fruchtlose Angriffe müde gerungen haben wür-
den, dann mochte man an entscheidender Stelle zum Gegenschlage aus-
holen. Bis dahin erwarteten die Heere der Mittelmächte in voller Zu-
versicht die nächsten Anstürme ihrer Feinde.
!) Cramon, Unser österreichisch-ungarischer Bundesgenosse im Weltkriege,.
2. Auflage (Berlin 1922), 118.
2) Kühl, Weltkrieg, II, 155.
DIE MAI-UND JUNISCHLACHTEN
IM SÜDWESTEN
9*
Die zehnte Isonzoschlacht
(12. Mai bis 5. Juni)
Vorbereitungen bei Feind und Freund
Hiezu Beilage 7
Der italienische Angriff soplan
Die bedeutende Vermehrung der Kräfte gestattete der italienischen
Heeresleitung im Jahre 1917 am Isonzo einen erheblich größeren Ein*
sate an Truppen und Gerät als zu den bisher unternommenen Offen-
siven. Hingegen war die strategische Lage des italienischen Heeres seit
Mai 1916 viel ungünstiger als zuvor, da es ihm trotz mehrerer Versuche
nicht gelungen war, die feste Sperrmauer auf den Hochflächen von
Arsiero und Asiago wiederzugewinnen, die vormals einen sicheren
Rückenschutz geboten hatte. Die Heeresleitung sah sich weiterhin ge-
nötigt, beträchtliche Kräfte dauernd vor Südtirol festzulegen, und die-
jenigen, die vorschlugen, noch vor der im Frühjahr geplanten großen
Isonzoschlacht den drohend vor Thiene und Bassano stehenden Gegner
anzugreifen, um ihn in die Enge von Rovereto zurückzutreiben, fanden
zustimmendes Verständnis. So wurden denn zwei Pläne nebeneinander
erwogen: einer für die Hauptoffensive am Isonzo, ein zweiter für einen
Angriff gegen Südtirol. Jener gewann in den am 19. April von der
Heeresleitung erlassenen Weisungen bestimmte Form. Dieser sah einen
Zangenangriff gegen die Eckpfeiler der Südtiroler Hochlandstellung
vor, einerseits gegen den mächtigen Col santo, anderseits gegen den Ge-
birgsstock, der im Mt. Kempel gipfelt. Dieser Plan wurde zu einem
späteren Zeitpunkt als die zehnte Isonzoschlacht ins Werk gesetzt.
An der Isonzofront hatten die Italiener schon im März einen ersten
Schritt zu der in Aussicht genommenen Entscheidungsschlacht getan.
Die Heeresleitung hatte das VI. und das VIII. Korps, ferner die 12. ID.
und das in Reserve gehaltene XXIV. Korps von der 2. Armee abge-
trennt und unter der Bezeichnung ,,Zona di Gorizia" dem GLt. Capello
unterstellt. Dieser General war willensstark, aber auch eigenwillig.
Nach der Eroberung von Görz, die ihm dem Ruhmestitel „Sieger von
Görz" eingetragen hatte, war er wegen Unbotmäßigkeit gemaßregelt
worden. Nun kam Capello durch die Berufung zum Führer einer Armee
wieder zu Ehren. Im April wurde auch das II. Korps in die ,,Zona di
134
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Gorizia" einbezogen, hingegen der Befehlsbereich der verkleinerten
2. Armee nordwärts über das an der Kärntner Grenze stehende und bis-
her „Karnische Gruppe" genannte XII. Korps ausgedehnt. Es standen
somit von der Adria bis zur Wippach die 3. Armee, GLt. duca d'Aosta,
dann die „Görzer Armee", wie die Zona di Gorizia weiterhin bezeich-
net werden wird, bis zur Ortschaft Ajba (bei Canale) und von da bis
zum Piaveursprung beim Mt. Peralba die 2. Armee, GLt. Piacentini.
Weiter westlich und um Tirol herum blieben die Befehlsbereiche der 4.,
der 6. und der 1. Armee unberührt.
Der Heeresleitung: standen anfangs Mai 59 Divisionskommandos x)
mit 110 Infanteriebrigaden, 21 Bersaglieriregimentern, 4 selbständigen
Bersaglieribataillonen, 88 Alpinibataillonen und etlichen Finanzwach-
hataillonen zur Verfügung. Ferner gab es vier Kavallerie di visionen. Ins-
gesamt zählte man rund 850 Bataillone2), 8200 Maschinengewehre,
3000 leichte und 2100 schwere Geschütze 3), dazu die von England und
Frankreich geliehenen schweren Batterien; endlich noch 1500 groß-
kalibrige Minenwerfer.
Etwa die Hälfte der genannten Streitkräfte sollte an der genannten
Entscheidungsschlacht teilnehmen, die diesmal nicht allein zwischen dem
Meere und Görz entbrennen, sondern ebensoweit nach Norden bis über
Ganale hinausgreifen, also einen Raum von 50 km Breite in ihre Fessel
schlagen sollte. Der 3. Armee mit 16 Divisionen (186 Bataillonen) war
die Hauptaufgabe zugewiesen, nämlich der entscheidende Durchbruch
mit dem ersten Ziele Trsteli und Hermada. Daneben hatte die Görzer
Armee die Aufgabe, sich mit 12 Divisionen (146 Bataillonen) der Linie
Kuk A 611—Mt. Santo—Mt. S. Gabriele—Mt. S. Marco zu bemächtigen.
Als Heeresreserve waren bereitgestellt: 40 Bataillone, 8 Schwadronen
und 6 Batterien im Friaul, ferner noch 30 Bataillone, die während
der Schlacht von der Tiroler Front an den Isonzo gefahren wurden.
Als Stichtag für den Beginn der Schlacht wurde der 7. Mai festgesetzt.
*■) In der Reihe der Divisionskommandos waren die Ziffern 39, 40, 41 und 42
ausgelassen; hingegen gab es eine 60., 61., 62. und 63. ID. Die drei Brigaden
starke 35. ID. focht in Mazedonien; die 38. ID. stand mit zwei Brigaden, einem
Bersaglieriregiment und einem Kavallerieregiment in Südalbanien.
2) Nicht mitinbegriffen sind eine stattliche Reihe von Territorialmilizbataillonen
und zahlreiche Marschbataillone. Die Mehrzahl der Infanteriebataillone zählte zu
dieser Zeit drei Infanterie- und eine Maschinengewehrkompagnie, diese zu sechs;
Gewehren.
3) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 342.
Der Angriffsplan Cadornas
135
Gemäß den Weisungen vom 19. April hatte di;e Kriegshandlung in
drei Phasen vor sich zu gehen. Zunächst sollte ein mächtiges Geschütz-
feuer an der ganzen Front einsetzen, dann die Armee Capello nach kür-
zerem Vernichtungsfeuer überraschend zum Angriff vorbrechen und
zuletzt die; 3. Armee zum entscheidenden Schlag ausholen. Durch dieses
Verfahren sollte der Gegner irregeführt unid dazu verleitet werden,
seine Reserven in falsche Richtung zu lenken. Zur Vervielfältigung der
Artilleriewirkung wurde eine Anzahl von schweren, aber gut beweg-
lichen und gesondert gruppierten Batterien zu einem eigenartigen Wech-
selspiel angewiesen. In der ersten Phase der Schlacht hatten 53 solcher
Batterien der Görzer Armee und 18 der 3. Armee bei ihren Armeen
zu wirken. Zur zweiten Phase hatte sich die Gruppe der 3. Armee rasch
in die Zone von Görz zu verschieben und dort einzugreifen. Zur dritten,
der entscheidenden Phase, sollte dann die genannte Artilleriegruppe
zurückkehren, und zugleich auch jene der Armee von Görz an die
3. Armee überstellt werden.
Durch dieses sinnreiche, aber auch sehr gekünstelte, die gesamte
Handlung in enge Schranken zwängende MänöVer1) sollten bei der
Armee Capello anfänglich 988 Geschütze u^nd rund 400 Minenwerfer,,
hingegen bei der 3. Armee in der entscheidenden letzten Phase nicht
weniger als 47 schwerste, 733 schwere und 470 leichte Geschütze sowie
584 Minenwerfer in Wirkung treten2).
Das Bereitstellen der k.u.k. 5. Armee
Als der April zu, Ende ging, war die Zeit gekommen, in der man
jeden Tag auf den Großangriff der Italiener gefaßt sein mußte. Wohl-
gerüstet stand die 5. Armee abwehrbereit. Noch niemals hatte GO. v. Bo-
roevic ein so mächtiges Werkzeug zur Verfügung gehabt.
Die vom Hochgebirgsstock des Krn bis zur Adriaküste in einer
Länge von 64 km sich erstreckende Armeefront war in vier große Ab-
schnitte geteilt. Der Abschnitt I war mit seinem Nordende auf den
Felsen des Krn verankert. Südwärts fielen die Stellunigen schroff ins
Isonzotal ab; sie überquerten zweimal den Fluß und bildeten dadurch
den Brückenkopf von Tolmein. Dann zogen sie am Ostufer des Isonzo
hin. Bei der Ortschaft Auzza an der Mündung des Avscekbaches fand
!) Capello, Note di Guerra (Milano 1920) II, 52 f. Hier unterzieht Gen.
Capello dieses Manöver einer sehr scharfen Kritik.
2) Nach Rivista di Artigleria e Genio, Oktoberheft 1933, 1357.
136
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
der 24 km lange Abschnitt I seine südliche Begrenzung. Er war vom
XV. Korps-, FML. Scotti, besetzt, das aus der 50. und der 1. ID. bestand
und insgesamt 19 Infanteriebataillone sowie 40 Batterien zählte.
Südwärts von Auzza folgten die den Abschnitt IIa bildenden Stel-
lungen dem Laufe des westwärts ausgebuchteten Isonzo. Bei Salcano,
wo der Fluß nach einer schaffen Wendung in die Ebene von Görz
tritt, lag die Südgrenze dieses Abschnittes, der 20 km maß und vom
XVII. Korps, FML. v. Fabini, verteidigt wurde. Dieses hatte Ende April
22 Bataillone, wovon 13 dem Landsturm angehörten;, und 42 Batterien.
Kurz vor der Schlacht erhielt FML. Fabini noch fünf Landsturmbatail-
lone zugewiesen. Dennoch mußte der Abschnitt, besonders an seinem
Nordteil, wo die 62. ID. stand, aJLs verhältnismäßig schwach besetzt be-
zeichnet werden. Etwas besser lagen die Dinge auf dessen Südflügel,
der, durch die 57. ID. gebildet, die nördlichen Eckpfeiler des Beckens
von Görz, die Höhen Mt. Santo und Mt. S. Gabriele, festhielt.
Den zwischen Salcano und der Wippach errichteten, 11 km mes-
senden Abschnitt IIb sperrte das kräftige, 35 Infanteriebataillone und
85 Batterien zählende XVI. Korps, dessen Führung im März FML.
Králicek vom FZM. Wurm übernommen hatte. Ungewöhnlich stark be-
messen war die Verteidigung des Abschnittes III, der die Stellungen auf
der Karsthochfläche in sich schloß; in der geschlungenen, rund 19km
langen Front zwischen der Wippach und der Adria waren das
VII. Korps, FML. v. Schariczer, und das XXIII. Korps, FML. Edi. v.
Schenk, eingenistet. Sie bestanden au>s je drei Divisionen und waren
dem Abschnittskmdo. III unterstellt. Der Führer dieses Abschnittes war
FZM. Wurm, dem Obst. Edi. v. Körner als Generajstabschef und Obst.
Janecka als Artillerieführer zur Seite standen. Die Streitmacht auf der
Karsthochfläche betrug 69 Bataillone und 174 Batterien.
Insgesamt standen somit anfangs Mai in der 50 km langen Front
zwischen Auzza und dem Meere, die alsbald zum Schlachtfeld werden
sollte, 126 Bataillone und 301 Batterien. Hinter der Front waren bereit-
gestellt: die 24. LstGbBrig. mit ihren fünf Bataillonen beiTernova, und
die zuletzt eingetroffene, in Wiederaufrüstung begriffene 106. LstlD.
mit 12 Bataillonen und 8 Batterien im Räume südöstlich von Idria;
ferner 4 Divisionen, u.zw.: die 43.SchD., die 16., die 48. und die dem
FZM. Wurm unmittelbar unterstellte 10. ID., auf der Karsthochfläche,
etwa im Dreieck Comen—Sesana—Triest. Die Batterien dieser vier
Divisionen, die zusammen 49 Bataillone zählten, waren vorne in
Stellung.
Lagebeurteilung in Adelsberg
137
Die Anhäufung der Kräfte auf der Karsthochfläche zeigt eindeutig,
daß das Armeekommando vorausschauend annahm, der Feind werde
den Hauptangriff auf dem Südflügel führen. Diese Anschauung war nicht
zuletzt aus den Berichten gewonnen worden, die der Nachrichtendienst
über die Lage der gegenüberstehenden feindlichen Kräfte bot. Man
wußte, daß die italienische 3. Armee im Räume zwischen der Wippach-
mündung und dem Meere zusammengeballt worden war, und daß im
Gebiete von Görz Gen. Capello die Führung einer besonderen Armee
übernommen hatte. Verborgen blieb allerdings die im April erfolgte
Erweiterung des Befehlbereiches Capellos nach Norden bis zur Gegend
von Ronzina (S. 133). Die Kenntnis davon hätte einen Fingerzeig dafür
gegeben, dem Abschnitt IIa erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Die ersten Maitage vergingen in beklemmender Stille; es war die
schwüle Ruhe vor dem aufsteigenden Gewitter. Die Italiener verbargen
sorgfältig die letzten Vorkehrungen und ließen ihre Artillerie möglichst
schweigen. Das regnerische Wetter kam ihnen zustatten. So konnten die
Beobachter keine nennenswerten Änderungen beim Feinde wahrnehmen.
indessen gab es nunmehr Überläufer in reicher Zahl, die nicht
allein den nahen Beginn der Offensive anzeigten, sondern auch anzu-
geben wußten, daß die Schlacht auf verbreiterter Front, also auch im
Gelände weit nördlich von Salcano, vorbereitet werde. Die nach Auf-
klaren des Wetters wieder eifrig ausschauenden Flieger konnten nun
im Gebiete des Kolovrat und der Korada zahlreiche neue Truppen-
und Troßlager feststellen. Am 7. Mai enthüllten sich gegenüber dem
k. u. k. XVII. Korps überdies zahlreiche neue Batterien durch ihr hef-
tiges, besonders gegen die Standorte der Reserven und höheren Kom-
mandos gerichtetes Feuer.
Die Meinung, die der frühere Chef des Generalstabes, FM. Conrad,
schon im Februar ausgesprochen hatte (S. 106), schien sich zu bestätigen.
Am 9. Mai drahtete GO. Boro evie nach Marburg, die deutlicher wer-
dende Bedrohung des XVII. Korps, dem bis jetzt größtenteils nur eine
beobachtende Rolle zugedacht gewesen sei, erheische die Bereitstellung
einer entsprechend starken Armeereserve hinter diesem Korps; die in
dessen Bereich stehende Landsturmbrigade werde nicht genügen. Das
Armeekommando plane daher, um sich vor unliebsamen Überraschun-
gen zu bewahren und den Kampf an der ganzen Front nähren zu kön-
nen, die Bereitstellung einer Division in der Gegend von Ternova. Es
stünden dann an großen Reserven drei Divisionen hinter dem Ab-
schnitt III, eine hinter dem XVI. und eine hinter dem XVII. Korps.
138
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Das seit Ende März zwischen dem 5. Armeekommando und der
Heeresleitung wieder eingeschobene „Kommando der Südwestfront" in
Marburg stimmte dem Vorschlage des GO. Boroevic nicht zu, denn ge-
rade jetzt war ihm von Baden bedeutet worden, daß dem Südwesten
höchstwahrscheinlich keine weiteren Verstärkungen zugeführt werden
könnten. Daher müsse auf genauestes Haushalten mit den Kräften das
allergrößte Gewicht gelegt werden. Erzherzog Eugen ordnete am
10. Mai an, „daß jede Verschiebung der großen Reserven zu unter-
bleiben habe, solange konkrete Anzeichen fehlen, daß die Lage eine
Veränderung erfahren und das Kräfteverhältnis in den einzelnen Ab-
schnitten sich wesentlich verschoben hätte. Dem Bedürfnis, auch den
nördlichen Armeeflügel — wenn die Lage es erfordere — unterstützen
zu können, habe das Kommando der Südwestfront durch Vorziehen der
106. LstlD. in den Kantonierungsraum von Wippach bereits Rechnung
getragen."
Indessen hatte das 5. Armeekmdo. schon einige Vorkehrungen zur
Verstärkung des XVII. Korps eingeleitet. Es hatte die ihm bisher unbe-
schränkt unterstehende k. k. 24. LstGbBrig. dem genannten Korps zur
Verfügung gestellt und von Ternova auf das Hochland von Bainsizza ab-
rücken lassen. Als dann beobachtet wurde, daß der Feind gegenüber von
Auzza am Isonzo Vorbereitungen zu einem Flußübergang treffe, wurde
im besonderen der 62. ID. ein Regiment dieser Brigade zugewiesen. Fer-
ner erhielt das benachbarte XV. Korps den Befehl, an seinem Südflügel
Reserven bereitzuhalten und, wenn nötig, die 62. ID. zu unterstützen.
Eine dritte Maßnahme, das beabsichtigte Herübernehmen von noch
vier Infanteriebataillonen des XV. Korps in den Bereich des XVII.
Korps mußte aber unterbleiben. Denn das zur Ablösung dieser vier
Bataillone bestimmte SchR. 37, das im April auf nachdrücklichen Wunsch
des FML. v. Zeidler wegen Unverläßlichkeit aus der Görzer Front her-
ausgezogen worden war, um dann beim XV. Korps einen voraussicht-
lich weniger gefährdeten Abschnitt zu besetzen, gab neuerlich Grund
zu Beschwerden. Zwei Offiziere und dreizehn Mann dieses dalmati-
nischen Truppenkörpers waren gleich nach Wiedereintritt in die Front
übergelaufen. Es erschien jetzt unerläßlich, das Regiment zur Wieder-
herstellung von Zucht und Ordnung gänzlich auszuscheiden. Die
dem XVII. Korps zugedachten vier Infanteriebataillone mußten beim
XV. Korps verbleiben. Dies und der vorerwähnte Einwand des Kom-
mandos der Südwestfront hatten zur Folge, daß die Absichten des
5. Armeekmdos. nur unvollständig verwirklicht wurden.
Die Ruhe vor dem Sturm
139
Während also die Anzeichen für ein kraftvolles Unternehmen gegen
das XVII. Korps merkbar zunahmen, konnten solche vor dem XVI. Korps
und dem Abschnitt III, trotz: scharfer Beobachtung, nicht wahrgenom-
men werden. Dessenungeachtet hielt Boroevic an der Meinung fest, daß
der feindliche Hauptschlag gegen den südlichen Armeeflügel geplant sei
und in aller Heimlichkeit vorbereitet werde. Diese Überzeugung hielt
ihn davon ab, an die Stelle der 106. LstlD., deren Verschiebung ihm
nicht zugebilligt worden war, eine jener vier Divisionen zu setzen, die
hinter dem Südflügel auf der Karsthochfläche bereit standen. Am
10. Mai trat wieder auffallende Ruhe an der Front ein, die auch am
11. Mai anhielt. Mochten die Italiener zuguterletzt ihr Vorhaben auf-
gegeben oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben haben? Diese
Frage wurde beim 5.Armeekmdo. ernstlich besprochen. Die allgemeine
Kriegslage war auf Seiten der Entente keineswegs günstig. Weder den
Engländern noch den Franzosen war der große Durchbruch an der
Westfront gelungen. Rußland erschien durch die Vorgänge im Innern
geschwächt. Also konnten es sich die Italiener überlegt haben, nun
allein, ohne mittelbare Hilfe ihrer Bundesgenossen, ans Werk zu gehen.
Da, am 12. Mai morgens, lösten sich alle Zweifel. Kaum daß das
erste Licht den Anbruch des Tages verkündete, erscholl an der ganzen
Front von Tolmein .abwärts bis zum Meere lebhafter Kanonendonner,
der alsbald zu unerhörter Heftigkeit anschwoll. Die Schlacht begann.
Der erste Waffengang
(12. bis 20. Mai)
Hiezu Beilage 8
Der Großangriff der Görzer Armee
Der Kommandant der Görzer Armee, GLt. Capello, sah seine Auf-
gabe vornehmlich darin, dem Gegner die nördlichen Eckpfeiler des
Beckens von Görz, die Bergklötze Mt. S. Gabriele und Mt. Santo, zu
entwinden. Dadurch sollte dem VIII. Korps (7., 24. und 48. ID.), das
sein Schwergewicht zunächst ;auf die Eroberung der sanften Höhen öst-
lich von Görz zu legen hatte, ein Eindringen in das Wippachtal ermög-
licht werden. Zur Besitznahme der eben genannten, durch den Dolsattel
geschiedenen Eckpfeiler setzte Capello das VI. Korps (8. und 10. ID.) aus
dem Gebiete von Salcano zum Stirnangriff an. Da nun die Gipfelreihe
Mt. Santo > 682, Vodice >652 und Kuk A 611 einen geschlossenen,
140
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
schwer angreifbaren Gebirgszug bildet, der aber im Norden gegen
Piava stufenweise abfällt, hatte das II. Korps (3., 47. und 60. ID.), aus
dem Brückenkopf von Piava und über Zagora vorstoßend, zuerst den
Kuk und den Vodice, vielleicht auch den Kobilek -c¡>- 627, zu erobern,
um dann dem VI. Korps auf dem Mt. Santo die Hand zu reichen. Die
gewiß schwierige Aufgabe des II. Korps gedachte der Korpsführer
durch ein ausholendes Manöver seines linken Flügels zu erleichtern.
Dazu sollte die kämpf tüchtige, aus Bersaglieri und Alpini zusammen-
gesetzte, 47. Division zwischen Canale und Loga den Isonzo überwinden
und in südlicher Richtung über die Ortschaft Vrh gegen den Jelenik
A 788 kräftig vorstoßen. Einige Tage vor Beginn der Schlacht wünschte
aber Gen. Capello, daß die Kraftausgabe für den gedachten Flanken-
stoß beschränkt werde, weil er irrigerweise wähnte, der Gegner habe
sich vor der Mitte des II. Korps bedeutend verstärkt. Es gab Meinungs-
verschiedenheiten und zuguterletzt trat der Kommandant des II. Korps,
der an der Erfolgsmöglichkeit des nun rein frontalen Angriffes zwei-
felte, von seinem Posten zurück. Er wurde am 13. Mai durch den Gene-
ralstabschef Capellos, den GLt. Badoglio, ersetzt. Dadurch gewann
dieses Korps einen tatkräftigen Führer und zugleich die Handlung bei
Piava an Gewicht, indem der frühere Armeegeneralstabschef seinen
Wünschen nach Verstärkung Geltung zu verschaffen wußte. Das Unter-
nehmen auf dem linken Flügel wurde eingeschränkt. Auch die Aufgabe
des äußersten Südflügels der Görzer Armee, der im allgemeinen im
Einklang mit dem Nordflügel der 3. Armee auf Biglia vordringen sollte,
war zuletzt nicht genau umschrieben.
Außer den genannten Heereseinheiten standen am 12. Mai bereit:
die 53. ID. hinter dem II. Korps, die 11. ID. hinter dem VIII. Korps,
und nordwestlich von Cormons, wo Gen. Capello sein Hauptquartier
hatte, das XXIV. Korps (23. und 49. ID.). Ferner gelangten auch in
den Bereich der Görzer Armee, zunächst noch zur Verfügung der Hee-
resleitung, die drei Brigaden starke 20. ID. und eine Alpinigruppe
sowie die 2. KD., der außer der Reiterei und zwölf Radfahrbataillonen
auch eine Infanteriebrigade unterstand. Gen. Capello verfügte im ganzen
über 146 Infanteriebataillone und 990 Geschütze. Hievon traten anfäng-
lich etwa 70 Bataillone und 550 Geschütze gegen das k. u. k. XVII. Korps
(S. 136) in den Kampf. Der Angreifer war hier dem Verteidiger etwa
dreifach überlegen. Gegen das k. u. k. XVI. Korps setzte Capello zu-
nächst rund 40 Bataillone und 440 Geschütze ein. Die Überlegenheit
war hier nicht sehr erheblich.
Die Lage beim Korps Fabini 141
Die Lage des k. u. k. XVII. Korps war in den zwei Divisions-
abschnitten recht ungleich. Im Bereiche der vom GM. Novak v. Arienti
befehligten 62. ID. lag die sehr schwach besetzte Kampflinie der 205. Lst-
IBrig., Obst. Edi. v. Lewandowski, von Auzza flußabwärts bis Désela—
Britof knapp am Isonzo. Südlich anschließend gab es zwei Stellungen
nahe hintereinander. Die erste Stellung umkränzte die Höhen östlich
von Piava und den Kukrücken auf halbem Hange, um erst bei Vodice
-<¡>- 652 die Kammlinie zu erreichen. Sie war von der 121.IBrig., Obst.
Kouff, besetzt. Ihr gegenüber hatten sich die Italiener schon in den
ersten Kriegswochen ;auf dem Ostufer des Isonzo eingenistet. An Be-
mühungen, den Feind aus dem Brückenkopf zu vertreiben, hatte es nicht
gefehlt. Sie hatten stets mit großen Verlusten geendet und wurden seit
Monaten nicht mehr wiederholt. Jede Bewegung auf dem feindwärts
abfallenden Hang wurde von den Batterien auf der Korada und auf
dem Mt. Sabotino unter Flankenfeuer genommen. Darunter litten auch
die Schanzen und es hatte nicht an Vorschlägen gefehlt, die Haupt-
widerstandslinie auf den Kamm des Kukrückens zu verlegen, wo die
zweite Stellung errichtet war. Allein, dies wäre einer freiwilligen Preis-
gabe eines Geländestreifens gleichgekommen und hätte dem Feinde
den Eintritt ins Isonzo tal abwärts von Piava öffnen können. Das Armee-
kommando hatte sich daher für die Beibehaltung der vorderen Kampf-
linie entschieden.
Von der kahlen Höhe Vodice, die noch im Bereich der 62. ID. lag,
führt eine Bergbrücke in nordöstlicher Richtung zum Hochland Bain-
sizza—Heiligengeist hinüber. Diese Bergbrücke und der Westrand des
genannten Hochlandes war durch Stützpunkte befestigt. Hier hatte das
dem XVII. Korps zuletzt zugewiesene LstlR. 11 Aufstellung genommen.
Südlich von der 62. ID. stand die 57. ID., GM. Edi. v. Hrozny. Ihre
Hauptstellung zog sich auf dem Rücken vom Vodice zum Mt. Santo
hin, überquerte den Dolsattel, über den die Straße aus dem Kessel
von Britof hinab nach Salcano führt, und umrahmte dann den Westhang
des Mt. S. Gabriele. Die Front der 57. ID. war im Nordteil durch die
5. IBrig., Obst. Freih. v. Albori, im Süden durch die 18. IBrig., Oberst
Laxa, gut besetzt.
In dieser Lage nahm das XVII. Korps am 12. Mai den Kampf mit
dem übermächtigen Feind auf. FML. Fabini, der von Chiapovano aus
die Verteidigung leitete, verfügte zunächst nur über das LstlR. 27 als
Reserve. Doch am Abend erfuhr er, daß die 106. LstlD. nach Ternova
vormarschieren werde. Das ungemein heftige feindliche Zerstörungs-
142
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
feuer dauerte die ganze Nacht fort, steigerte sich am 13. und wurde
schließlich am 14. zum Trommelfeuer. Es bedeckte alle Stellungen und
ihr Anland bis weit zurück mit bestimmter Richtung auf die Standorte
der höheren Befehlsstellen. Der Schaden war groß. Vielenorts wurden
die Hindernisse zerstört, die Gräben verschüttet. Auch die Verluste
waren nicht gering. Dennoch vermochte dieser andauernde, zermür-
bende Eisenhagel den harten Willen der todesmutig ausharrenden Ver-
teidiger nicht zu brechen. Die zwar mit hinreichendem Schießbedarf ver-
sehene, aber in diesem Abschnitte nicht sehr zahlreiche Abwehrartillerie
erwiderte das Feuer die ganze Zeit hindurch und brachte dem Feinde
schon Verluste bei, ehe er noch aus den Ausfallsgräben hervorbrach.
Endlich, am 14. Mai zu Mittag, erhob sich die italienische Infanterie.
Schon am ersten Tag der Schlacht hatte GO. Boroevic ;aus der
Heftigkeit und Ausdehnung des italienischen Artilleriefeuers die Breite
des vom Feinde gewählten Angriffsfeldes erkannt. Es gab keinen Zwei-
fel, die außerordentlich große Zahl neuer Batterien, die vom 12. Mai
auf den Bergen vor dem XVII. Korps aufblitzten, konnten dort nicht
allein zu ablenkender Tätigkeit in Stellung gegangen sein. Der General-
oberst bat daher das Kommando der Südwestfront neuerlich, die
106. LstlD. freizugeben, und ordnete ¡am späten Abend, nachdem er
die Zustimmung erhalten hatte, den schon erwähnten Vormarsch aus
der Gegend von Wippach in jene von Ternova an. An Stelle der
106. LstlD. hatte eine Brigade der 43.SchD. von Senosetsch in die leer
gewordenen Unterkünfte bei Wippach und Hl. Kreuz abzurücken. Nach
Durchführung dieser Verschiebungen war am 13. Mai nachts jene Grup-
pierung der großen Reserven erreicht, die das Armeekommando schon
etliche Tage früher in Aussicht genommen und höheren Orts beantragt
hatte (S. 137). Indessen währte das heftige Artilleriefeuer an der Front
zwischen Auzza und dem Meere unablässig Tag und Nacht fort.
Wo wird der Hauptstoß stattfinden? Das war jetzt die Frage. Man
konnte dem Italiener nicht zumuten, daß er in 50 km Breite gleichmäßig
stark anzugreifen beabsichtige. Die Meinung ging dahin, daß das im
Nordabschnitt gegen die Hochfläche von Bainsizza in Gang befindliche
Unternehmen der Ablenkung unserer Kräfte dienen mochte, indessen
der feindliche Hauptschlag wahrscheinlich doch gegen den Südflügel,
Richtung Trie st, geplant sei.
Da am 13. noch kein Infanterie angriff stattfand, konnte an diesem
Tage im Abschnitt III die 9. ID. durch die 16. ordnungsgemäß abgelöst
werden. Darnach standen am 14. Mai die 9., die 10. und die 48.. ID.
Die ersten Anstürme gegen das k. u. k. XVII. Korps
143
sowie eine halbe 43.SchD. in Reserve auf der Karsthochfläche von
Comen—Sesana. Jetzt erhielt das Armeekommando auch die erfreuliche
Mitteilung, daß noch zwei Divisionen vom russischen Kriegsschauplatze
ankommen würden (S. 111). Es waren dies die 24. ID., die auf Ersuchen
des GO. Boroevic ,an der zum Nordflügel heranführenden Bahn bei Pod-
melec unweit von S.Lucia ausgeladen werden sollte, und die 35. ID.,
die mit der Südbahn hinter den Südflügel zu leiten war.
Nach dem zweieinhalbtägigen Feuerorkan entbrannte am 14. Mai
mittags — nur den Bereich des k. u. k. XV. Korps unberührt lassend —
an der ganzen Isonzofront der Kampf der Infanterie.
Aus dem Brückenkopf von Piava brandete der erste tief gegliederte
Angriff der durch Bersaglieri verstärkten 3. Division heran. Zugleich
setzte die Spitzenbrigade der 60. ID. nahe bei Zagora über den Isonzo
und stürmte gegen die Schanzen bei den Ruinen dieser kleinen Ort-
schaft vor. Um die vorspringende Bastion auf der „blutigen" Kote 383
wurde heftig gerungen. Zweimal gelang es den Italienern, in die Grä-
ben einzudringen, aber die heldenmütigen Streiter des ungarländischen
Infanteriebataillons 11/52 vertrieben den Feind immer wieder. Bei Za-
gora rangen die Dalmatiner des IR. 22 gegen große Übermacht; doch
auch sie wichen nicht. So konnte die 62. ID. am Abend melden, daß an
ihrer ganzen Front alle ersten feindlichen Angriffe abgeschlagen seien.
Das nahezu gleichzeitige Unternehmen der italienischen 10. ID.
gegen den Mt. Santo und den Mt. S. Gabriele zerschellte im vortrefflich
geleiteten Abwehrfeuer der Artillerie. Der Feind flutete die Berghänge
gegen Salcano hinab. So lautete denn auch der Nachmittagsbericht der
57. ID. befriedigend. Da schrillte plötzlich die Meldung auf, der Feind
stehe auf dem Mt. Santo. Das Korpskommando alarmierte seine Reser-
ven sowie die 110. LstlBrig. der eben bei Ternova nach ermüdendem
Marsch eingetroffenen 106. LstlD. und ließ sie gegen den Mt. Santo
vorrücken. Doch ehe es noch zum Eingreifen dieser Truppen kam, war
der böse Spuk vorüber. Die Brigade- und Divisionsreserven hatten zu-
gegriffen und noch während der Nacht den Berg zurückerobert. Teile
des durch die Überraschung in Gefangenschaft geratenen k. u. Lst-
IBaons. III/25 wurden befreit.
Dieser aufregenden, aber doch glücklich beendeten Episode war
italienischerseits ein bemerkenswertes Vorspiel vorangegangen. Der
Kommandant der zum Angriff gegen den Mt. Santo angewiesenen Bri-
gade hatte seinerzeit geplant, von Salcano aus ein Regiment frontal
etwa über den zum Kloster führenden Schlangenweg anzusetzen, das
144
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
zweite Regiment aber im Isonzotal nordwärts durchzuziehen, um es
dann zur Überraschung des Gegners, im Gestrüpp des Westhanges
verborgen, zur Höhe aufsteigen zu lassen. Der Vorschlag wurde höhe-
renorts nicht gutgeheißen; aber man gestattete dem Brigadier, ein Ba-
taillon auf dem angegebenen Schleichwege auszusenden1). Es ergab sich
nun, daß gerade nur dieses Bataillon den erwähnten Erfolg heimbrachte,
der ihm dann allerdings aus Mangel an ausreichender Unterstützung
wieder entglitt, indessen alle übrigen, vom italienischen VI. Korps in
der Nacht sowohl gegen den Dolsattel als auch gegen den Mt. S. Ga-
briele erneuerten Angriffe mißlangen. Ein abermaliger, in den Morgen-
stunden des 15. Mai angesetzter Massenstoß gegen die zuletzt genannten
Höhen prallte im Vernichtungsfeuer der Artillerie an der tapferen Ab-
wehr der Steiermärker des IR. 87 und des FJB. 9 derart blutig ab,
daß die Italiener es fortan unterließen, diese Eckpfeiler auf dem Süd-
flügel des XVII. Korps wieder anzutasten.
Hingegen war es dem italienischen II. Korps nach den ersten ver-
geblichen Versuchen schließlich in der Nacht auf den 15. geglückt, die
den Brückenkopf von Piava umschließende Klammer gewaltsam zu
öffnen, mehrere völlig zerschossene Schanzen der Hangstellung bei Za-
gora und Zagomila in hartem Kampfe zu erobern und, sich südwärts
ausbreitend, an die Höhenstellung -<>-535—Kuk A 611—Vodice-<>-652 her-
anzuarbeiten. Von Tagesanbruch an berannte der Feind diese Stellung.
Aber die hier aufgestellten Bataillone der 121. IBrig. ließen nicht locker
und behielten im verbissenen Kampfe, an dem die Artillerie des Ver-
teidigers nicht minder kräftig als die des Feindes mitwirkte, schließlich
doch die Oberhand. Der Großteil der Hangstellung blieb allerdings
endgültig verloren. Nur in ihrem Nordteil leisteten noch immer das
Bataillon II/52 auf der „blutigen" Kote und das k. u. Landsturmbatail-
lon VI/4 bei Globna heldenhaft Widerstand gegen den auch hier
mit Übermacht anstürmenden Feind. In diesen schweren Kämpfen in
der Korpsmitte verblutete die 121. IBrig. zusehends. Zum Ersatz der
hohen Verluste waren frische Kräfte erforderlich. Sie zu beschaffen,
bereitete dem Korpskommando nicht geringe Verlegenheit; denn gleich-
zeitige Ereignisse auf dem Nordflügel übten eine ablenkende Wirkung.
Dort hatte der Feind — den Morgenmeldungen zufolge — bei
Bodrez und Loga den Isonzo überschritten und ging in südlicher Rich-
tung vor. Die Meldung wirkte um so mehr beunruhigend, ,als frühere
Nachrichten besagt hatten, die Italiener planten in diesem Räume ein
!) Baj-Macario, Kuk, 43.
Geglückter Ablenkungsangriff der Italiener
145
großes Unternehmen. In der Tat war es dem Feinde in der Nacht ge-
lungen, eine Brücke zu schlagen, und mit zwei Bataillonen das am Isonzo-
ufer in völlig zerstampften Gräben ausharrende k. k. LstIBaon. III/409
zu überwältigen. Des Morgens griffen die Batterien und Reserven der
205. LstlBrig. sowie Teile des auf dem Hochlandsrand bereitgehaltenen
k. k. LstlR. 11 ein, so daß der Feind sehr rasch zum Stehen gebracht
war; überdies wurde seine Brücke im Granatfeuer zerstört. So war
denn schon am 15. abends die Gefahr gebannt. Aber der erste besorg-
niserregende Eindruck hielt länger an und fand in der Folge dadurch
Nahrung, daß die Italiener noch ein Bataillon übersetzten. Die Über-
schätzung des feindlichen Vorhabens führte dazu, daß auch das k. k.
LstlR. 27 in den vermeintlich bedrohten Raum geleitet wurde, womit
die ganze 24. LstlBrig. ausgespielt war. Auch ein Infanteriebataillon,
das vom XV. Korps herüberkam, wurde hier festgehalten.
Durch diese, dem Feinde geglückte Ablenkung der Kräfte geriet
das Korpskommando, als es sich genötigt sah, die heftig angegriffene
und wirklich bedrohte Korpsmitte zu stützen, in schwere Verlegenheit.
Das Armeekommando war durch die Dringlichkeit der vom Korps ge-
stellten Bitten um Verstärkungen einigermaßen betroffen. Es überließ
ihm schon am 15. morgens die 110. LstlBrig., auf die das Korpskom-
mando allerdings schon selbst gegriffen hatte, um den Mt. Santo zu-
versichtlich zu halten. GO. Boroevic befahl daher, daß das im Idriatal
bei Slap ruhende SchR. 37 auf die Hochfläche von Bainsizza vorzu-
rücken habe und unterstellte zwei Bataillone dieses Regiments nun
dem Korpskommando1). FML. Fabini zog diese beiden Bataillone und
das k.k. LstlR. 31 der vorgenannten Brigade zur Korpsmitte heran.
Ungeachtet der großen Verluste, die die Italiener im Laufe des
14. und 15. erlitten hatten, versuchten sie in der Nacht zum 16. neuer-
lich, sich der „blutigen" Kote und des Kuk—Vodicerückens zu be-
mächtigen. Aber hier wie dort scheiterte ihr Vorhaben. Nun setzte Gen.
Badoglio noch eine Brigade der 53.ID. und Teile der 47. ID. ein. Nach
einem heftigen Trommelfeuer stürzten sich zusammengeballte Kräfte
auf die gerade noch im letzten Augenblicke durch das LstlR. 31 ver-
stärkte 121. IBrig. 2). Die braven Landsturmmänner wehrten sich hel-
denmütig, warfen den an einzelnen Stellen eingebrochenen Feind in
wütendem Handgemenge hinaus, aber schließlich siegte die gewaltige
*) F a b i n i, Die Kämpfe um die Hochfläche von Bainsizza (Mil. wiss. Mitt.,
Wien, Jhrg. 1933, 334 ff.).
2) Die 121. IBrig. bestand zur Hälfte aus Landsturm (siehe Beilage 6).
VI 10
146
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Übermacht der Italiener. Da griff am Nachmittag das herbeigeeilte
k. k. LstlR. 6 ein. Nach einem kurzen, gut zusammengefaßten Feuer-
anfall der Artillerie stürmten die tapferen Egerländer und entrissen
dem Feinde den blutig errungenen Lorbeer. Nur kleine Grabenstücke
nächst -<^535 und -<¡>- 524 blieben in seiner Hand.
Die Einfügung von zwei Regimentern der 106. LstlD. in den Be-
fehlsbereich der 121.IBrig. veranlaßte das Korpskommando, dem Kom-
mandanten dieser Division, GM. Kratky, die Führung der Korpsmitte
zu übertragen. Der Befehlsbereich des GM. Novak-Arien ti wurde auf
die 205. und die 24. LstlBrig. eingeschränkt.
Gegenüber der 57. ID. wiederholte das italienische VI. Korps mit
der 10. und Teilen der 8. ID. die Angriffe gegen den Mt. Santo und die
Sattelstellung bei -<¡>- 503 ; das Unternehmen scheiterte jedoch im wohl-
geleiteten Sperrfeuer der starken Artillerie und an der tapferen Haltung
der verstärkten 5. Brigade.
Die Kämpfe im Becken von Götz
Während die Armee des Gen. Capello in den ersten drei Tagen
der Angriffshandlung auf dem linken Flügel einen allerdings nur be-
scheidenen Erfolg erzielen konnte, war ihr rechter Flügel im Becken
von Görz trotz allen Bemühens nicht um einen Schritt vorwärts gekom-
men. Das hier mit drei verstärkten Divisionen ins Treffen geschickte
VIII. Korps war an der unüberwindlichen Mauer des k. u. k. XVI. Korps
vergeblich angerannt.
Dieses seit Ende März vom Gdl. Králicek befehligte Korps stand
am 12. Mai in fester Haltung abwehrbereit. Den nördlichen Flügel bil-
dete die seit Jahr und Tag vom FML. Zeidler geführte 58. ID., die
aus der 4. und der 5. GbBrig. zusammengesetzt war. Nach den zuletzt
vorgenommenen Ablösungen verfügte die 4. GbBrig., GM. Adalbert v.
Dáni, über je zwei Bataillone des Wiener LstlR. 1 und des Linzer Lst-
lR. 2, ferner über das IBaon. III/85 und das k. k. LstlBaon. 42. Die
5. GbBrig., Oberst Prey, war aus dem IR. 96, dem SchR. 23 und je
einem Bataillon des IR. 28 und des k. k. LstlR. 1 sowie aus dem FJB. 2
zusammengesetzt. Der rechte Flügel der 58. ID. hielt die Bastion von
Sv. Katarina am Fuße des Mt. S. Gabriele, die Mitte stand unweit vom
Görz^r Friedhof bei Grazigna und sperrte in gutgebauten Schanzen auf
der Hohe-<¡>- 174, dann bei Tivoli und auf der Höhe-cJ>-171 das Rosental.
Der linke Flügel war auf der Höhe S. Marco A 227 fest verankert.
Heftige Kämpfe knapp östlich von Görz
147
Südlich des Bahndreieckes von St. Peter, über Sober und über die
Bodenwellen östlich des Vertojbicabaches bis zur Wippach bei Biglia
sich erstreckend, hatte die westungarische 14. ID., GM. v. Szende, vor
etwa Monatsfrist die 43.SchD. abgelöst. Sie war regelmäßig gegliedert
und jetzt durch das LstlR. 22 verstärkt1). Vier ihrer Infanteriebatail-
lone waren so wie drei der 58. ID. als Korpsreserve ausgeschieden.
Es war für das XVI. Korps keine Überraschung, als am 12. Mai
morgens die italienischen Batterien und Minenwerfer die große Kano-
nade eröffneten. Darauf war man schon seit Tagen gefaßt gewesen.
Die Heftigkeit und die Dauer des Eisenhagels, durch den große Teile
der Verschanzungen vollständig zerschlagen und an manchen Stellen
schließlich in ein richtiges Trichterfeld verwandelt wurden, übertraf
allerdings alle Erwartungen. Die mächtige Artillerie des Verteidigers
blieb indessen nicht müßig. Sie hielt die italienische Infanterie nieder,
die sich in den Ausfallsgräben bereitstellte, und es gelang ihr auch, das
feindliche Geschützfeuer zeitweise zu dämpfen. Auf beiden Seiten wer-
den auch Gasgeschosse verwendet.
Geschlossener und gleichzeitiger als gegen das XVII. Korps gingen
am 14. mittags die feindlichen Sturmwellen im Görzer Becken vor. Der
Hauptangriff war gegen die 58. ID. gerichtet; die Absicht des Feindes,
über die Höhe von Sv.Katarina und über S.Marco durchzubrechen, war
unverkennbar. Gegen die Schanzen bei Sv. Katarina rannten zwei Regi-
menter an. Sie erlitten schon im Sperrfeuer schwerste Verluste und
wurden dann gänzlich abgewiesen. Bei Grazigna drangen einzelne Kom-
pagnien durch, doch unterlagen sie dann im Kampfe Mann gegen Mann.
Vier Brigaden griffen die Verteidigungsabschnitte Rosental und S.Marco
an. Hier wie dort wogte grimmiger Kampf bis in die Nacht hinein. Das
SchR. 23 erlitt große Verluste, konnte aber schließlich dem Feinde noch
innerhalb der ersten Kampfzone Halt gebieten. Auf dem Mt. S. Marco
gewannen die Italiener eine Schanze. Bei der 14. ID. wurde nur der
Nordflügel entschieden angegriffen. Die Höhe bei Sober war hier Brenn-
punkt der Handlung. Die Italiener konnten keinen Erfolg erzielen.
Gegenüber den anderen Frontteilen dieser Division zeigte der Feind
nicht den entschlossenen Willen zum Angriff. Er zögerte, weil er offen-
bar die in Aussicht gestellte Einwirkung der Nachbararmee vermißte.
Ein Angriffsversuch aus der Ortschaft Vertojba heraus zersplitterte
schon im Artiii e rie feue r. Gdl. Králicek, der schon im Laufe des Nach-
!) Die LstlR. 1, 2 und 22 gehörten der k. k. 1. LstBrig. an, deren Kommando
zu dieser Zeit ausgeschaltet war.
10*
148
Die Mai- und Junischlachten, im Südwesten
mittags die Korpsreserven näher zur Front marschieren ließ und eine
Verstärkung der 58. ID. auch durch ein Bataillon der 14. ID. vornahm,
erbat sich vom Armeekommando die 86. SchBrig. als neue Korpsreserve.
GO. Boroevic willfahrte dieser Bitte. Die Brigade rückte abends bis
Cernizza vor. An ihrer Stelle gelangte am 15. nachts das Kommando
der 43.SchD. mit der 59. IBrig. in den Raum um Hl. Kreuz.
Am 15. Mai erneuerte der nimmermüde Feind die Angriffe im
Abschnitte zwischen Gramigna und Vertojba. Er vermied es aber, noch-
mals gegen die mächtigen, mit Maschinengewehren gespickten Stellun-
gen ;auf den Bergfüßen des Mt. S. Gabriele vorzugehen, wo die Brigade
Milano übel zugerichtet worden war1). Die Kämpfe im Panowitzer
Wald sowie bei der Höhe -<¡>-171 und um den Mt. S. Marco wurden mit
größter Erbitterung bis zum Abend durchgefochten. In hervorragender
Haltung vereiteltien die bewährten Truppen der 58. ID., unter denen
namentlich das dalmatinische SchR. 23 hervorgehoben zu werden ver-
dient2), alle Anstrengungen des Feindes. Wiederholte feindliche Vor-
stöße gegen den Nordflügel der 14. ID. bei Sober und Vertojba wurden
von Bataillonen der westungarischen Infanterieregimenter 71 und 76,
deren zweites zum Teil dem heutigen Burgenlande entstammte, völlig
abgewiesen.
Wie ¡am Vortage griffen abermals unsere Fliegerkompagnien in
den Erdkampf ein. Sehr unangenehm machten sich aber auch die „Ca-
proni" fühlbar3), die, niedrig kreisend, mit ihren Maschinengewehren
und Bomben namentlich die Batterien angriffen. Die wenigen Flugzeug-
abwehrgeschütze konnten sie nicht verscheuchen. Dieses üble Spiel
wiederholte sich auch in den nächsten Tagen.
Beharrlich versuchte das italienische VIII. Korps am 16. Mai noch
einmal den Durchbruch zu erzwingen. Sieben Brigaden waren auf dem
Angriffsfelde dieses Korps schon in den Kampf getreten. Nun kamen
zwei frische hinzu. Bei Damber, südlich von Sv. Katarina, wurde die
Brigade Emilia eingesetzt. Sie ging mit frischem Mut an die Aufgabe
heran, deren Ausführung ihrer Vorgängerin, der Brigade Milano, so
übel bekommen war. Im schneidigen Anlauf gelang es ihr, das ge-
steckte Ziel teilweise zu erreichen. Aber sie konnte sich des Erfolges
1) Brigate di Fanteria, VI, 203 ££.
2) Das SchR. 23 hatte bereits über 1000 Mann verloren und wurde in der Nacht
durch ein Regiment der 86. SchBrig. abgelöst.
3) Mit „Caproni", dem Namen eines besonderen Doppeldeckers, wurden von
unseren Truppen schlechthin alle italienischen Flugzeuge bezeichnet.
Mißerfolg der Italiener bei Görz
149
nicht lange erfreuen. Das Wiener LstlBaon. IV/39 ging, ungeachtet der
beträchtlichen Übermacht des eingedrungenen Feindes, unverzagt zum
Gegenangriff über und gewann nicht nur die Stellungen zurück, sondern
brachte auch noch 500 Gefangene ein.
In der Mitte des Angriffsfeldes waren die Brennpunkte der Kämpfe
die gleichen wie am Vortage. Die in diesem Räume hinzugekommene
Brigade Cuneo vermochte dem bereits schwächer werdenden Schwung
der anderen vier Brigaden keinen neuen Antrieb zu geben. Die uner-
schütterliche Zähigkeit der öst.-ung. Truppen war nicht zu überwinden.
Auch vor der 14. ID. scheiterten alle Angriffsversuche des Feindes. Als
schließlich am Abend ein letzter Vorstoß beiderseits vom Rosental miß-
lang, mußte das italienische VIII. Korpskommando seine Angriffe ein-
stellen lassen.
Der Nebenangriff der italienischen 3. Armee
Die Armee des Herzogs von Aosta eröffnete am 12. Mai zur selben
Stunde wie die Armee von Görz das Artilleriemassenfeuer, so daß das
Armeekommando in Adelsberg den Eindruck gewann, die Schlacht ent-
brenne an der ganzen Front von Tolmein hinab bis zum Meere. Dieser
Eindruck hielt, da die Italiener ihr Zerstörungswerk fortsetzten, auch
am 13. Mai unvermindert an. Die Schäden an den Befestigungen waren
recht beträchtlich. Hingegen blieben die Verluste in mäßigen Grenzen,
da die Besatzungen nunmehr in den Schutzbauten guten Unterstand
fanden. Stunde um Stunde harrten die alarmbereiten Verteidiger auf
das Zeichen zur Besetzung der Schützengräben, in die unablässig Gra-
naten und Minen einschlugen. Der am meisten gefährdete Teil der
Karstfront war der vorspringende Abschnitt zwischen Hudilog und der
Trigonometerhöhe 208, der unter Kreuzfeuer genommen werden konnte.
Übrigens stand dort der Feind auch sehr nahe und hatte gedeckte Sam-
melräume hinter sich. Man nahm daher an, daß seine Hauptstoßrichtung
etwa von Oppacchiasella auf Lukatic und Selo weisen werde. Als am
14. vormittags das feindliche Zerstörungsfeuer sich auf ein Höchstmaß
steigerte, meldete das Abschnittskommando III, es sei der Auffassung,
daß ein feindlicher Durchbruchsversuch den Fajtirücken entlang sowie
zwischen Hudilog und der Höhe A 208 bevorstehe.
Allein die italienische 3. Armee sollte nach den Weisungen ihrer
Heeresleitung in der zweiten Phase der Schlacht bloß mit dem linken
Flügel entschieden angreifen, um dem rechten Flügel der Armee Capello
150
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
beizustehen. Daher schritt am 14. mittags nur das XI. Korps zum An-
griff, wobei dessen 21. ID. an der Wippach und auf den Hängen zum
Fajtihrib zunächst die am 26. März verlorene Stellung bei der Höhe
> 126 wiedergewinnen wollte (S. 115), während die 22. ID. auf eine Er-
oberung der Höhend 464--c¡>363 abzielte. Die 4. ID. dieses Korps, die
im Winkel vor Kostanjevica stand, sowie die Divisionen des XIII. und
des VII. Korps sollten, um den Gegner zu beunruhigen, mit einzelnen
Bataillonen vorstoßen.
Die Angriffe trafen die 44. SchD., GM. Schönauer, und die 17. ID.,
GM. Ströher. Mit bewundernswertem Gleichmut hatten die Truppen
dieser beiden Divisionen den zweitägigen Eisenhagel über sich ergehen
lassen. Als sich nun am 14. Mai zu Mittag die italienische Infanterie
zum Sturme erhob, traten ihr Söhne der Alpenländer und Magyaren be-
herzt entgegen. Bei der 44. SchD., wo im Kampfabschnitt des Kärntner
GbSchR. 1 ein Teil der Schanzen und der Unterstände durch das Trom-
melfeuer zusammengestürzt war, gelang den Italienern ein Einbruch.
Aber die Verschütteten rafften sich bald wieder auf. Sie vertrieben die
Eindringlinge und verfolgten sie sogar über die vorderste Linie hinweg.
Die zum Nachrücken bereiten hinteren italienischen Angriffsstaffeln
schreckten nun davor zurück, in das vor die öst.-ung. Linien dicht
niederprasselnde Sperrfeuer hineinzugehen. Sie blieben liegen. Dem
gegen die 17. ID. vorgehenden Feind war kein besseres Los beschieden.
Nach einem ersten Angrif'fsversuch, der mißglückte, bearbeitete die
feindliche Artillerie nochmals die Stellungen auf dem östlichen Fajti
hrib und auf der Kote 363, woraufhin sich die schon gelichteten Reihen
der 22. ID. wieder zum Sturme anschickten. Aber auch diesmal schei-
terte ihr Vorhaben, denn die tapferen Magyaren — vor allem jene des
im Brennpunkt des Kampfes stehenden IR. 39 — wichen nicht um
einen Schritt zurück. Schließlich sahen die Angreifer ein, daß sie sich
vergeblich abmühten, und ließen, als es Abend geworden war, von
weiteren Angriffen ab. Gegen die 41. HID. hatten nur einzelne Batail-
lone Teilangriffe unternommen, die glatt abgewiesen wurden.
Ähnliche Vorstöße waren auch bei den Divisionen des k. u. k.
XXIII. Korps verspürt worden, doch der mit äußerster Spannung er-
wartete Großangriff war ausgeblieben. Man war der Meinung, daß der
Feind vor diesem Korps, dank dem außerordentlich wuchtigen Gegen-
feuer der trefflich geleiteten Artillerie, nicht zur Entfaltung seiner
Kräfte gelangt sei und erwartete sein Vorgehen für den kommenden
Morgen. Indessen hielten die Beobachter auch am 15. Mai vergebliche
Die ersten italienischen Anstürme auf der Karsthochfläche
151
Ausschau. Nur kleine feindliche Gruppen traten da und dort aus den
Schützengräben hervor, um eiligst umzukehren, sobald die Artillerie
ihnen einige wohlgezielte Lagen entgegenschickte. Dank der reichen
Ausstattung mit Schießbedarf konnten die feindlichen Sturmgräben zeit-
weise tüchtig beschossen werden. Dadurch — so dachte man — mochte
dem Feinde die Unternehmungslust genommen worden sein.
Das k. u. k. VII. Korps hatte sich hingegen neuer Angriffe zu erweh-
ren, die allerdings weniger entschlossen geführt wurden als am Vortage.
Wieder hämmerten die italienischen Batterien und Minenwerfer mehrere
Stunden auf die Stellungen der 17. ID., während sich Infanterieketten
vorarbeiteten, die dann kühn zum Sturme schritten. An einigen Stellen
kam es zum Handgranatenkampf, auch zum Handgemenge, wobei die
Ungarn die Oberhand behielten. Die Angriffskraft der Italiener war
schon im Erschlaffen. In der Nacht, die diesem vierten Schlachttage
folgte, verstummten Geschütze und Gewehre. In der Dunkelheit tauch-
ten auf dem blutgetränkten Schlachtfeld Gestalten auf, die offenbar
bemüht waren, die zahllosen Schwerverwundeten und Toten aufzulesen
und zu bergen.
Am nächsten Tage rafften sich die Italiener nur noch zu örtlichen
Vorstößen auf. Bei Spacapani an der Wippach versuchten sie zu Mittag
einen Überfall, der von den Schützen der 44. SchD. leicht abgewiesen
wurde. Zur selben Zeit bemerkte man bei der 17. ID., daß der Feind,
kriechend und in kleinen Sprüngen voreilend, sich in den Karstlöchern
vor der Höhe -<¡>- 378 scheinbar zu einem neuen Angriffe sammle. Dieses
Unterfangen wurde durch die angerufenen Batterien sehr bald vereitelt.
Vor dem XXIII. Korps beschränkten sich die Italiener wieder nur auf
einige kleinere Unternehmen, so in der Gegend von Hudilog, die keine
andere Wirkung übten, als unser Geschützfeuer auszulösen. Am späten
Abend erfolgte dann noch eine zweistündige heftige Kanonade gegen
die Front der 16. ID. in der Senke von Jamiano. Der Zweck dieses Tuns
fand keine Erklärung. Von nun an trat auf der ganzen Karsthochfläche
Ruhe ein. Diese durch vermindertes Donnern der Geschütze und kür-
zeres Rasseln der Maschinengewehre gekennzeichnete Pause hielt auch
über die nächsten Tage an.
Die italienische 3. Armee hatte ihre Aufgabe nicht zu erfüllen ver-
mocht. Der erwartete Einfluß des Unternehmens auf den rechten Flügel
der Nachbararmee blieb aus. Wohl aber hinterließ die beim Gegner her-
vorgerufene außerordentlich lebhafte Gegenwirkung, vor allem die
Wucht seines Abwehrfeuers, einen so starken Eindruck beim 3. Armee-
152
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
kommando, daß es der Durchführung des folgenden Hauptangriffes
mit Sorge entgegensah. Der Herzog von Aosta schlug unter diesem Ein-
drucke der Heeresleitung eine Änderung der ursprünglich festgesetzten
Schlachtordnung vor.
Auf Seite der Verteidiger hinwieder fand man nicht bald eine Er-
klärung für das Verhalten des Feindes auf der Karsthochfläche, von
dem man im Anschluß an die zweitägige Artillerievorbereitung anderes
erwartet hatte. Das Gesamtbild, das man sich vordem über den Verlauf
der Schlacht gemacht hatte, erschien völlig verzerrt. GM. Anton Ritt. v.
Pitreich, damals Chef der Operationsabteilung des Armeekommandos
in Adelsberg, berichtet, daß die Nacht zum 16. Mai eine der sorgen-
vollsten der ganzen, langandauernden Schlacht war1).
Die beim k. u. k. XXIII. Korps plangemäß für den 15. Mai fest-
gesetzt gewesene Ablösung der 28. ID. durch die 10. ID. war unter-
blieben. Erst als der Stillstand wider alles Erwarten an der ganzen
Karstfront anhielt, begann am 21. nachts der unerläßlich gewordene
Austausch der genannten Divisionen.
Der Ausklang des ersten Teiles der Schlacht
(17. bis 20. Mai)
Die italienische Heeresleitung sah sich schon am 16. Mai zu einer
Änderung der Schlachtordnung veranlaßt, denn die Ereignisse nahmen
nicht den in den Richtlinien vom 19. April erwarteten Verlauf. Nach
Anschauung des Heerführers schränkte sich die Kriegshandlung der
Görzer Armee zusehends auf das Gebiet Kuk—Mt. Santo ein, wo
das II. Korps einige beachtenswerte Erfolge erzielt hatte, wogegen die
Angriffe im Becken von Görz scheinbar des Nachdruckes entbehrten.
Nun war im Angriffsplan vorgesehen, daß die dritte Phase der Schlacht
ohne Unterbrechung aus der zweiten Phase hervorgehen und sich zu
einer geschlossenen Angriffshandlung entwickeln sollte. Das Versagen
der Mitte vereitelte diesen Plan; der einseitige Angriff der Görzer
Armee mußte in der Folge den Zusammenhang mit jenem der 3. Armee
verlieren. Auf Grund dieser Erwägungen ordnete Cadorna an, daß
Gen. Capello die Angriffe seines linken Flügels zwar noch fortsetzen
solle, sie jedoch mit der Eroberung - des Kuk und des Mt. Santo
oder schon ,,mit dem Erreichen einer günstigen taktischen Lage" zu
*) Pitreich, Die zehnte Isonzoschlacht, (S c h w a r t e, V, 372).
Änderung des italienischen Angriffsplanes
153
beenden habe. Sodann werde der Großangriff an der Front südlich vom
Mt. Santo bis zur Meeresküste durchzuführen sein, wobei die 3. Armee
die vorgeschriebenen Ziele behalten, die Armee des Gen. Capello aber
kraftvoll im Becken von Görz — den Mt. S. Gabriele mitinbegriffen —
neuerlich anzugreifen haben werde. Die ursprünglich vorgesehene Um-
stellung der Artillerie wurde nunmehr in der Weise abgeändert, daß
nicht die um Görz bereitgehaltenen gut beweglichen Batterien (S. 135),
sondern der Großteil der auf dem linken Flügel, beim II. und
beim VI. Korps eingesetzten mittleren und schweren Batterien zur
3. Armee überzutreten hatten1). Als Zeitpunkt für den Beginn der sol-
cherart abgeänderten dritten Phase der Schlacht wurde der 20. Mai
in Aussicht genommen.
Bemerkenswert ist es, daß zu dieser Zeit das 3.Armeekmdo. dem
Gen. Cadorna einen vollständig entgegengesetzten Vorschlag unterbrei-
tete. Der Herzog von Aosta wies unter dem Eindrucke des Mißerfolges
vom 14. und 15. Mai auf die außerordentlichen Schwierigkeiten hin, die
seiner Armee bevorstünden, und empfahl, von der Offensive auf der
Karsthochfläche Abstand zu nehmen. Er machte sich zugleich anhei-
schig, der Armee Capello, die schon Erfolge heimgebracht habe, Kräfte
abzugeben, damit sie die Entscheidung herbeiführe.
Auf Gen. Capello, der wahrscheinlich von dem Antrage des
3. Armeekommandos Kenntnis erhalten und infolgedessen eine Erwei-
terung seiner Ziele auf der Bainsizza in Aussicht genommen hatte,
wirkte der Befehl der Heeresleitung wie ein kalter Wasserstrahl2).
Mißmutig legte er am 17. Mai dem Höchstkommando in Udine dar, daß
die Munition für das vorgezeichnete Angriffsfeld unzureichend sei.
Er müsse sich auf die Eroberung des Kuk und des Mt. Santo be-
schränken und auf eine Erneuerung der Angriffshandlung im Becken
von Görz ebenso verzichten, wie auf die beabsichtigte Erweiterung des
geglückten Ablenkungsunternehmens am linken Flügel, bei Bodrez und
Loga3). Ja, er entschloß sich sogar, die hier schon auf das linke Isonzo-
ufer gelangten Bataillone zurückzurufen.
Es war kein Zufall, daß in diesen Tagen auch auf der anderen
Seite, beim Armeekommando in Adelsberg, eine Änderung in der Auf-
fassung der Lage eintrat. Noch am 16. mittags hatte GO. Boroevic
dem FML. Fabini gedrahtet, er sei über die Vorgänge auf dem Mt. Santo
i-) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 368.
2) Baj-Macario, Kuk, 57.
3) Capello, II, 58 f.
154
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
und auf dem Mt. Kuk sehr erstaunt. Dort sei es aus ungeklärter Ur-
sache schwachem Gegner gelungen, Vorteile zu erringen. Die Reserven
würden nicht zweckmäßig verwendet; die Verbände wären stark durch-
einander geworfen. Das XVII. Korps werde vom Armeekommando
keine Reserven mehr erhalten; es müsse sogar damit rechnen, solche
abzugeben. Aber noch ehe vierundzwanzig Stunden vergangen waren,
sah sich der Armeeführer veranlaßt, dem XVII. Korps ein weiteres
Bataillon des XV. Korps sowie die beiden noch als Armeereserve
zurückbehaltenen Bataillone des SchR. 37 zu unterstellen, und ferner
den Aufstieg der 59. IBrig. (von der 43.SchD.) aus dem Wippachtale
auf das Hochland von Terno va anzuordnen.
Der Grund zu dieser Sinnesänderung lag darin, daß die feindlichen
Angriffe im Görzer Becken am 16. Mai nachmittags merkbar abflauten,
in der Nacht ganz zum Stillstand kamen und des anderen Morgens
nicht wieder auflebten, wogegen die Kämpfe beim XVII. Korps die
ganze Zeit fortdauerten und scheinbar sogar noch an Heftigkeit zu-
nahmen. Auch neuere Nachrichten über die Verteilung der feindlichen
Kräfte scheinen das Armeekommando umgestimmt zu haben.
In der Tat wogte in der Nacht auf den 17. Mai auf dem Kuk-
rücken schwerster Kampf, bei dem die heldenhaften Egerländer des
LstlR. 6 wiederholte Einbrüche in erbittertem Handgemenge abwehrten.
Die Übermacht des Feindes kam immer schärfer zur Geltung. Gegen
die gelichteten Reihen der 121. IBrig., die an dieser Stelle durch das
LstlR, 6 und zuletzt nur noch durch die zwei ersten Bataillone des
SchR. 37 verstärkt worden waren, trat italienischerseits schon die fünfte
Brigade ins Gefecht. Die feindliche Artillerie, besonders jene auf der
Korada, wirkte verheerend in Flanke und Rücken der ganz erschöpften
Verteidiger, und bald nach Mittag besiegelte ein neuer, keine Opfer
scheuender machtvoller feindlicher Stoß das Heldentum der tapferen
Scharen, die trotz argen Wassermangels und dürftiger Verpflegung drei
Tage lang um den Kukrücken gestritten hatten. Indessen war es noch
immer nicht gelungen, den bei Bodrez über den Isonzo gekommenen
Feind, dessen Stärke man allerdings weit überschätzte (S. 145), zurück-
zuwerfen.
Der Verlust der Kukhöhen übte auf die Führung einen starken Ein-
druck. FML. Fabini war sogleich entschlossen, von Vodice aus die Rücken-
linie entlang vorstoßend, die verlorenen Stellungen zurückzugewinnen.
Allein das Armeekommando, dem eine allzu hastige Befehlsgebung
mißfiel, gab dem Korpsführer folgenden Bescheid: „Bei zuverlässiger
Zuführen von Reserven zum Korps Fabini
155
Festhaltung des linken Isonzoufers zwischen Auzza und Désela ist mit
Rücksicht auf den Zustand der dortigen Truppen von weiteren Offen-
sivstößen in diesem Räume abzusehen. Im Gefechtsraume Piava—Kuk
hat als Richtschnur für die Gefechtsführung dortselbst zu gelten, daß
die Linie Désela—östlicher Höhenrand des Rohotp.—Vodice—-<¡>-652
unbedingt zu behaupten sein wird. Wenn sich bis morgen früh die Ver-
hältnisse für die Wiedergewinnung des Kukrückens günstig gestalten
sollten, steht es dem Korpskommando frei, sein Verhalten darnach zu
regeln. Es diene dem Korpskommando zur Kenntnis, daß vor dem
19. Mai früh, wie sich die Verhältnisse auch immer gestalten mögen,
eine weitere Verstärkung nicht erfolgen kann." Inzwischen ordnete das
Armeekommando das Vorziehen der weit hinten im Räume südlich
von Idria aufrüstenden Artilleriebrigade der 106. LstlD. an sowie die
Über Stellung von zwei 15 cm-Haubitzbatterien des Abschnittes III an
das XVII. Korps, und schließlich noch am Abend des 17. Mai den Ab-
marsch der 48. ID. von der Karsthochfläche in den Raum Hl. Kreuz—
Heidenschaft, wo sie sich bereithalten sollte, um gegebenenfalls auf
das Hochland von Ternova weite,rzumar schier en. Da ferner zu dieser
Zeit die ersten Bataillone der für den Nordflügel der Armee bestimm-
ten 24. ID. in Podmelec eintrafen und auf die Hochfläche von Bainsizza
abrückten, ergab sich im Abschnitt IIa — so hieß der Befehlsbereich
des XVII. Korps — eine Anhäufung von Kräften, die bald fünf Divi-
sionen erreichten. Es erschien wünschenswert, die Befehlsverhältnisse neu
zu regeln. Daher entsandte GO. Boroevic das ihm von der Heeresleitung
Ende April zur Verfügung gestellte XXIV. Korpskmdo., Gdl. Lukas,
nach Chiapovano, damit es sich im Bereiche orientieren und später das
Abschnittskommando übernehmen könne.
Seltsamerweise war das Ereignis, das den letzten Anstoß zu den
geschilderten weitreichenden Maßnahmen der öst.-ung. Führung ge-
geben hatte, der Verlust des Kukrückens, aus einer örtlich begrenzten,
ja sogar vereinzelten Angriffshandlung der Italiener hervorgegangen.
An der ganzen übrigen Front war die Görzer Armee am 17. Mai untätig
geblieben. Gen. Capello hatte diesen Tag dem Ordnen und Umstellen
seiner Kräfte gewidmet. Die erfolgreiche Gruppe auf dem Kuk ging
denn auch über die erreichte Kammlinie nicht weiter vor. Infolgedessen
trat abends auch hier Ruhe ein. FML. Fabini unterließ, nach neuerlicher
Aussprache mit dem Armeekommando, den beabsichtigten Gegenangriff.
Dem ganz vereinzelt auf der „blutigen" Kote noch immer ausharren-
den Bataillon 11/52 wurde die Preisgabe dieser Stellung und die
156
Die Mai- und Juni,schlachten im Südwesten
Verstärkung jener bei der Höhe -<¡>- 363 in Paljevo befohlen, von wo die
neue Verteidigungslinie, das Rohottal überquerend, gegen die Höhe
-<$- 652 nordwestlich vom Kobilek zu führen hatte. Die vom Bataillone
zurückgelassenen Patrouillen wußten den Feind am ganzen 18. Mai die
nächtlicherweile vollzogene Räumung zu verschleiern.
Im Becken von Görz, wo der T,ag in auffallender Ruhe verlaufen
war, unternahm nach Einbruch der Dunkelheit eine italienische Brigade
ohne jede Artillerievorbereitung einen überfallsartigen Angriff gegen
den Abschnitt Damber—S.Marco; aber die wachsamen Verteidiger
ließen sich nicht überraschen und wiesen den Feind ab.
Als Ziel für die am 18. Mai mit ganzer Kraft wiederaufzuneh-
mende Kriegshandlung hatte Gen. Capello dem II. Sorps die Eroberung
des Rückens Vodice—Mt. Santo vorgezeichnet. Namentlich der wuchtige
Bergklotz652, der zwischen dem Weiler Vodice und dem Sattel -<¡>-503
emporragt und dessen Bedeutung für die Kampfführung durch einen
Blick in die Karte überzeugend hervortritt, sollte bezwungen werden.
Hiezu wurden neben der 53. ID. noch die von der 47. ID. herüber-
geholte 6. Alpinigruppe im ersten Treffen und die 12. Alpinigruppe da-
hinter bereitgestellt.
Nach einem bei Tagesanbruch unternommenen und vollständig
mißglückten Angriff gegen den Mt. Santo, erfolgte nach vierstündigem
Zerstörungsfeuer gegen 10hvorm. der erste feindliche Sturm bei Vodice
und gegen die Höhe-<¡>-652. Er wurde zurückgeschlagen; einzelne kleine
Abteilungen, die bis in die Verteidigungslinie vordrangen, mußten sich
ergeben. Auch ein zweiter, bald darauf wiederholter Angriff wurde
unter kräftiger Mitwirkung der Artillerie abgewiesen. Die Italiener er-
litten große Verluste, ließen aber dennoch nicht locker und rannten
neuerlich gegen die tapferen Streiter der 106. LstlD. an. Am Nachmit-
tag gelang es ihnen endlich, sich in den Besitz der Kuppe zu setzen..
Ein schneidiger Gegenstoß des k. k. LstlR. 32 warf sie jedoch zurück.
Das Kampfgetümmel dauerte bis tief in die Nacht hinein und endete
mit einem Siege der Verteidiger. Inzwischen hatten die Alpini auch den
Sattel -c¡>- 503 angegriffen. Sie waren an dem heldenhaften Widerstand
des k. k. LstlBaons. 40 abgeprallt.
Indessen war nach beschwerlichem Nachtmarsch die 59. IBrig.
(IR. 24 und 41) bei Ternova eingetroffen. Nur mit Widerstreben wil-
ligte das Armeekommando ein, daß diese Brigade in den Abendstunden
näher an das Gefechtsfeld „zur unbedingten Festhaltung des Raumes
Vodice—Mt. Santo" herangezogen werde. GO. Boroevic mahnte zugleich
Fehlschlagen weiterer Angriffe gegen das XVII. Korps
157
das Korpskommando zu größter Zurückhaltung. Die Lage im Abschnitte
gestatte keine weiteren Experimente. Alles sei daran zu setzen, keinen
Schritt Boden mehr aufgeben zu müssen. Es erscheine zweckmäßiger,
die Kampflinie von Haus aus stark zu besetzen, anstatt durch zu weit
zurückgehaltene Reserven blutige Gegenangriffe zu führen.
Diese Mahnung erschien dem auf dem Schlachtfelde weilenden und
mit der Entwicklung der Lage besser vertrauten Korpskommando nicht
sehr zeitgemäß1). Dessenungeachtet befahl FML. Fabini die Ablösung
der im besprochenen Kampfraum stehenden Truppen durch die 59.IBrig.,
Oberst Kosel. Dieser Austausch konnte gerade noch rechtzeitig durch-
geführt werden. Ein um Mitternacht den Italienern geglückter Einbruch
auf der Höhe -<J>- 652 wurde bereits von dem bukowinaischen IR. 41 im
Gegenangriff ausgeglichen. In dieser Nacht war es endlich auch möglich
geworden, die gelichteten und ermatteten Bataillone der Brigade Obst.
Kouff durch die zweite Brigade der 106. LstlD., die 111. LstlBrig., ab-
zulösen. Die Verluste der zurückgezogenen Einheiten waren außer-
ordentlich hoch. Sie erreichten bei einzelnen Truppenkörpern bis zu
60 v. H. des Gefechtsstandes.
Die nächsten Tage waren wieder von wechselvollen Kämpfen, vor-
nehmlich um den Höhenrücken Vodice—Mt. Santo, erfüllt. Die Aus-
dauer, mit der die Italiener ihr Ziel zu erreichen suchten, verdient nicht
weniger Bewunderung als die Zähigkeit, mit der sich die aus allen
Teilen der Donaumonarchie stammenden Truppen verteidigten. Kaiser
Karl, der am 18. Mai an der Isonzofront weilte, erließ einen Befehl, in
dem es hieß: ,,Heute, während des zehnten Ansturmes der italienischen
Armee, war ich Augenzeuge der Kämpfe, die meine ,Isonzo-Armee'
neuerlich zu bestehen hat. Euch tapfer und mit todesmutiger Zähigkeit
schlagend, daher erfolgreich wie bisher, werdet ihr unter der bewähr-
ten Führung eueres Armeekommandanten und aller erprobten Führer
dem Feinde auch diesmal die Stirne zu bieten wissen. Der herrliche
Geist und die zuversichtliche Stimmung der vielen Truppen, die ich
heute persönlich begrüßen konnte, bürgen mir dafür. Der Herr der
Heerscharen führe meine brave ,Isonzo-Armee' zu Ruhm und Sieg!"
Am 19. Mai vormittags wurde der vor der Vodicehöhe liegende
Feind durch kräftiges Feuer der Verteidigungsbatterien in Schach ge-
halten. Erst nachmittags erhob er sich zum neuen Ansturm. Es war
nicht zu verhindern, daß er in die völlig zerschossene Verteidigungs-
stellung eindrang. So kam es zum schweren Ringen mit Bajonett und
1) F a b i n i, Bainsizza, 348.
158
Die Mai- und Juni schlachten im Südwesten
Handgranaten. Die „Einundvierziger" hielten durch, die Italiener muß-
ten wieder zurück.
Mittags übernahm Gdl. Lukas die Gefechtsleitung im Abschnitt IIa.
Dem XVII. Korpskommando oblag fortan bloß die Führung der beiden
nördlichen Divisionen, der 106. und der 62., während die südliche
57. ID. unmittelbar dem Abschnittskommando unterstellt wurde. Zur
einheitlichen Leitung der Artillerie hatte das Armeekommando den
Oberst Scheucher des Artilleriestabes entsandt. Die 106. FABrig. konnte
nun nach ungemein beschwerlichem Marsch ihre Batterien auf der Bain-
sizza in Stellung bringen.
Im übrigen war es an diesem Tage im ganzen Armeebereiche zu
keinen ernsten Kämpfen gekommen. Es ergaben sich keine Anhalts-
punkte zur Klarstellung der weiteren Absichten des Feindes. Nur so
viel schien sicher, daß die Italiener Verstärkungen gegen den Raum
Höhe -<¡>- 652—Mt. Santo heranführten. Die Ereignisse der letzten Tage
lenkten die Aufmerksamkeit immer wieder auf den Abschnitt IIa. Den
dort aufgetretenen Feind schätzte man auf acht Divisionen. Nichtsdesto-
weniger hielt die Spannung auch im Becken von Görz, wo man eben-
falls acht Divisionen festzustellen glaubte, sowie vor der Karstfront,
vor der etwa vierzehn Divisionen gemeldet wurden, unvermindert an.
Das Armeekommando, dem nunmehr ein neuerlicher feindlicher An-
sturm gegen den Südflügel ,,nicht ausgeschlossen" erschien, berichtete
am 19. Mai nach Marburg und Baden, daß es zur Nährung des Kampfes
auf der Hochfläche von Bainsizza noch die 48. ID., die in der letztver-
gangenen Nacht nach Ternova marschiert war, sowie die soeben
anrollende 24. ID. zur Verfügung habe. Die zwei noch auf der Karsthoch-
fläche von Comen bereitstehenden Eingreifsdivisionen müßten unbedingt
zur Behauptung des Wippachtales und der Karsthochfläche aufgehoben
bleiben. Es wäre daher gut, schon jetzt zu erwägen, was der Isonzo-
armee zugeführt werden könnte, „falls die Schlacht sich sehr in die
Länge zöge". Indessen verfügte GO. Boroevic noch am 19. Mai abends
die Verschiebung der 60. IBrig. (halbe 9. ID.) von der Gegend bei
Comen in jene von Hl. Kreuz, mit der Begründung, daß dadurch die
Brigade näher zum Abschnitt IIa gelange, ohne zugleich ihren Ab-
stand von der Karstfront zu vergrößern. Die angerufene Heeresleitung
traf in den nächsten Tagen in der Tat Vorsorgen zur Verstärkung der
Isonzoarmee.
Am späten Abend erhielt das Kommando in Adelsberg von der
Heeresleitung die auffallende Mitteilung, der italienische Kriegsbericht
Die Verluste in der ersten Schlachtphase
159
vom 19. Mai gebe kund, daß die Italiener bei Loga und Bodrez auf das
westliche Isonzoufer zurückgegangen seien. Der tatsächlich am 18. Mai
nachts erfolgte Rückzug war der Aufmerksamkeit der dort stehenden
Landstürmer entgangen.
Im Laufe der Nacht zum 20. Mai waren endlich alle Batterien der
106. FABrig. auf der Bainsizza aufgefahren. Sie verstärkten die Morgen-
grüße, die ihre Waffengefährten dem Feinde entgegensandten. Dessen-
ungeachtet ließen sich die Italiener von ihrem Vorhaben nicht abhalten,
das diesmal der Eroberung des Mt. Santo galt. Der auf dem westlichen
Berghang hinangeführte Sturmangriff gegen die 5. IBrig. blieb zuerst
im Sperrfeuer stecken; dann raffte sich der zähe Feind wieder auf,
und nun gelang es ihm an mehreren Stellen unweit der Klosterruine,
in die zerschlagenen Verteidigungsstellungen einzudringen. Aber er
konnte sich dort nicht behaupten; denn die Abschnittsreserven kamen
heran und eroberten die Stellung zurück. Bei diesem Gegenangriff
zeichnete sich namentlich das südsteirische LstIBaon. III/26 aus. Gleich
darauf setzte allerdings die feindliche Artillerie wieder mit heftigstem
Vernichtungsfeuer ein, das den tapferen öst.-ung. Bataillonen beträcht-
liche Verluste eintrug. Doch auch unsere Batterien blieben nicht müßig
und unterbanden jede Bewegung des Feindes. Erst als die sinkende Nacht
das Geschützfeuer schwächer werden ließ, versuchten die tapferen Ita-
liener nochmals vorzubrechen, — diesmal an der ganzen Front von
Vodice bis zum Dolsattel. Es war ein Todeslauf, der ihnen schwerste
Opfer kostete. Mit diesem Gefecht schloß der dem Gen. Capello seiner-
zeit vorgeschriebene Großangriff ab. Die nächsten Tage verliefen ver-
hältnismäßig ruhig. Spätere, nach dem 23. Mai wieder auflodernde
Kämpfe im Gebiete des Vodice und Mt. Santo sowie bei Görz, ent-
sprangen jener Nebenaufgabe, die der Görzer Armee in der dritten
Phase der Schlacht zufallen sollte.
Die Italiener hatten sehr große Verluste erlitten. Allein im engen
Kampfraum um Vodice, wo drei Brigaden und zwei Alpinigruppen (zu-
sammen 26 Bataillone) ins Gefecht getreten waren, verloren sie 464 Of-
fiziere und über 11.000 Mann *). Aber auch die Abgänge der öst.-ung.
Truppen waren nicht gering. Das XVII. Korps verlor in der Zeit vom
12. bis zum 20. Mai 1600 Tote, 8370 Verwundete und 2450 Vermißte,
ferner 12 leichte Geschütze und 6 Minenwerfer; beim XVI. Korps
zählte man 860 Tote, 3150 Verwundete und 930 Vermißte; beim Ab-
schnitt III: 770 Tote, 4010 Verwundete und 150 Vermißte.
1) Pinchetti, Isonzo 1917 (Mailand), 94.
160
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Die Verminderung des Gefechtsstandes der Isonzoarmee betrug,
wenn man die in dieser Zeit angefallenen 6500 Kranken hinzurechnet,
beinahe 30.000 Mann. Nun standen bei der Armee noch rund 65.000
Mann in den Marschformationen zur Verfügung. Sie erschienen aber
nicht ausreichend, um die noch bevorstehenden Verluste, die man voraus-
schauend mit 60.000 Köpfen bezifferte, zu ersetzen. Die Heeresleitung
hielt es demnach für notwendig, der Isonzoarmee baldigst neue Kräfte
zuzuführen, und ersuchte am 23. Mai die Oberste Kriegsleitung, noch
zwei Divisionen der Ostfront auszulösen, um sie nach dem Südwesten
überführen zu können. So kamen anfangs Juni die 21. SchD. und etwa
Mitte Juni die 12. ID. zur Isonzo-Armee.
Der zweite Waffengang
(23. bis 28. Mai)
Der Hawptangriff der Armee Aosta
Hiezu Beilage 9
Die italienische Heeresleitung hatte die Einwendungen des Gen. Ca-
pello gegen das Einbeziehen seines rechten Armeeflügels in die Schlacht-
ordnung der dritten Phase anerkennen müssen; denn es war ihr nicht
möglich gewesen, den Schießbedarf für die Görzer Armee in dem aus-
bedungenen Ausmaße zu vermehren (S. 153). Sie entband daher Capello
von der am 16. Mai befohlenen Teilnahme an dem entscheidungsuchen-
den Hauptangriff. Die 3. Armee hatte nun allein mit verstärkter Kraft
zwischen der Wippach und dem Meere anzugreifen. Ihr Führer durfte
jedoch mit gleichzeitigen Ablenkungsangriffen des Nachbarn im Becken
von Görz rechnen, insbesondere mit einer kräftigen unmittelbaren Unter-
stützung durch seine Artillerie. Die beiden Armeekommiandanten sollten
hierüber das Einvernehmen pflegen. Der Herzog von Aosta mochte den
Zeitpunkt für den Beginn der Handlung festsetzen1). Die 3. Armee
wurde bedeutend verstärkt, und zwar bezeichnenderweise durch drei Bri-
gaden, die früher der Görzer Armee zugewiesen worden waren, sowie
durch mehrere Brigaden, die Mitte Mai von der Tiroler Front herüber-
geholt wurden. Außerdem kamen noch zahlreiche mittlere und schwere
Batterien der Armee Capello zu der des Herzogs von Aosta. Dadurch er-
reichte die 3. Armee einen Gefechtsstand von 246 Bataillonen. Die Zahl
!) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 371.
Neuerliches Aufflammen des Großkampfes
161
der Geschütze wird mit 1250, jene der Minenwerfer mit 584 ange-
geben1). Diese ungeheure Masse von Menschen und Mitteln wurde auf
einem Gefechtsfelde von rund 18km Breite eingesetzt!
Das gleichzeitige Unternehmen der Görzer Armee ging über das
Maß eines Ablenkungsunternehmens weit hinaus. Offenbar wollte Gen.
Capello das in der zweiten Phase nicht erreichte Ziel, die Eroberung
des Mt. Santo, nun in letzter Stunde verwirklichen und zugleich auch
dem einmal von der Heeresleitung ausgesprochenen Wunsch nach einem
stärkerem Druck im Görzer Becken Rechnung tragen (S. 153). Die
Kampfhandlung in den bezeichneten Gebieten gewann daher das Merk-
mal sehr ernster Angriffe.
So begann denn am 23. Mai am Isonzo ein Großkampf mit einer
Kraftentfaltung, wie sie diese Front kennen zu lernen bisher noch
niemals Gelegenheit gehabt hatte. Mit einem Schlage war von Piava
bis zum Meere in einer Breite von 40 km die Schlacht entbrannt. Sehr
rasch erfaßte GO. Boroevic die Lage. Schon um 8hvorm. meldete er:
„Mit heutigem Tage scheint der zweite Teil des blutigen Ringens be-
ginnen zu wollen; es dürfte sich diesmal vornehmlich auf der Karst-
hochfläche abspielen." Und in der Tat lenkte die Schlacht nunmehr in
jene Bahn ein, auf der man sie von allem Anfang an erwartet hatte.
Indessen war freilich eine sehr ins Gewicht fallende Verschiebung
der großen Reserven eingetreten. Hinter der Karstfront standen jetzt
nur die 17. IBrig. und die Masse der eben aus der Kampflinie geschie-
denen 28. Division. Das Eintreffen der 35. ID. war erst angekündigt.
Im ersten Treffen standen nach wie vor die sechs Divisionen des VII.
und des XXIII. Korps. Da nach den vorangegangenen Kämpfen erwar-
tet werden konnte, daß das VII. Korps imstande sein werde, aus eigener
Kraft standzuhalten, war dem FML. Schariczer vom Abschnittskom-
mando III bedeutet worden, daß er keinesfalls auf Verstärkungen rech-
nen dürfe. Der Korpsführer bildete sich daraufhin eine Reserve aus
fünf Bataillonen, die er den unterstehenden Divisionen entzog. Das
Urteil über die Widerstandkraft des XXIII. Korps lautete nicht anders.
Dessen Lage war jedoch insoferne schwieriger, als seine Front weit vor-
sprang. Besonders der Abschnitt zwischen Hudilog und der Trigono-
meterhöhe 208, vor dem die Italiener sehr nahe standen und auch die
Möglichkeit hatten, große Kräfte nahe bereitzustellen, galt schon immer
als der gefährdetste der ganzen Karstfront. Dessenungeachtet sah FML.
Schenk, der in den Herbstschlachten des Vorjahres mit seinen Truppen
1) P i n c h e 11 i, 64 und 98.
VI 11
162
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
nicht um einen Schritt zurückgewichen war, dem feindlichen Angriffe
mit voller Zuversicht entgegen. Das Korps hatte drei Divisionen mit
25 Bataillonen in der Front und 8 Bataillone als Korpsreserve ausge-
schieden, 5 von der 10. ID. und 3 von der 7. Division. Es konnte auf
Verstärkung rechnen.
Es war ein Mißgeschick, daß die ursprünglich für den 15. Mai vor-
gesehene, dann aufgeschobene Ablösung der 28. ID. durch die 10. ID.
erst am 21. und 22. nachts erfolgte. Als am Morgen des 23. Mai äußerst
heftiges Geschütz- und Minenwerferfeuer einsetzte, befanden sich noch
zwei Bataillone und das Kommando der 28. ID. im Frontabschnitt, so
daß FML. Schneider Edi. v. Manns-Au die Führung behielt. Auch bei
der 7. ID. war die Ablösung des IR. 37 durch das IR. 38 gerade in der
Nacht auf den 23. Mai erfolgt, in der die italienische Artillerie das
Einleitungsfeuer begann.
Die Beschießung nahm mit jeder Stunde zu und erreichte alsbald
eine auch auf diesem Kriegsschauplatz noch nie gekannte Stärke1).
Unter dem Schutze dieses Feuers arbeitete sich die italienische Infan-
terie vor. Bei Kostanjevica schien es, daß sie schon vormittags zum
Angriff schreiten wolle. Dies löste Sperrfeuer aus. Von Mittag an war
auch die Artillerie des Verteidigers in voller Tätigkeit. Das ganze
Karstland dröhnte und stöhnte im Donner der Geschütze und im Kra-
chen der Geschosse.
Um 4h nachm. erfolgte der Großangriff der Infanterie. Gegen den
rechten Flügel und die Mitte des k. u. k. VII. Korps liefen die 63. und
die 22. ID. Sturm. Ihre Angriffe zerschellten — so wie acht Tage vor-
her — teils im Artillerie- und Maschinengewehrfeuer, teils im erbitter-
ten Flandgranatenkampf. Wo die Italiener in die vorderste Stellung
einzudringen vermochten, so auf der Höhe -<¡^379, wurden sie durch
sofort einsetzenden Gegenstoß zurückgeworfen. Anders bei Kostanjevica.
Hier gelang der verstärkten 4. ID. gegen die 41. HID. ein glatter Durch-
bruch. Die Italiener drangen in den zerschossenen Ort ein und faßten
auf der Kirchhofhöhe festen Fuß. Weiter kamen sie allerdings nicht,
*) Für ein Urteil über die Heftigkeit des Feuers ist neben der mitgeteilten
Anzahl an schweren Waffen auch deren Feuergeschwindigkeit bedeutsam. Der öst.-
ung. Artillerie war auf Grund reicher Erfahrungen vorgeschrieben, daß im „leb-
haften Dauerfeuer" jedes leichte oder mittlere Geschütz 30 bis 40 Schuß in der
Stunde abgeben könne. Die italienische Artillerie dürfte mit der gleichen Feuer-
geschwindigkeit geschossen haben. Demnach mochten während des zehnstündigen
Vorbereitungsfeuers mehr als eine halbe Million Artilleriegeschosse und Minen auf
die öst.-ung. Stellungen 'eingefallen sein.
Italienischer Angriffserfolg gegen das XXIII. Korps
163
denn die Honvéd raffte sich bald wieder auf und begegnete den Ein-
dringlingen durch schneidig geführte Gegenangriffe. Die Kämpfe um
Kostanjevica dauerten bis in die späten Abendstunden an. Erst dann
konnte FML. Schamschula melden, daß der Feind vollständig zurück-
geschlagen und die erste Linie völlig wiedergewonnen sei. Da anzu-
nehmen war, daß der feindliche Durchbruchsversuch wiederholt würde,
stellte FML. Schariczer ein Bataillon der Korpsreserve der 41. HID.
zurück und zwei Bataillone der 17. ID. nordöstlich von Vojscica bereit.
Die Masse der Armee Aosta — das XIII. und das VII. Korps —
hatte sich aber auf das k. u. k. XXIII. Korps gestürzt. Gegen die
25 Frontbataillone dieses Korps gingen im ersten Treffen die 31. ID.
mit. vier Brigaden, die 34., die 33. und die 16. ID. mit je drei sowie
die 45. ID. mit zwei Brigaden vor. Dank dieser gewaltigen Übermacht
gelang es den Italienern, die durch das zehnstündige Vernichtungsfeuer
zermürbten Verteidiger an mehreren Stellen schon im ersten Anlauf zu
überrennen. Der erste Durchschlag erfolgte bei Lukatic, wo das IR. 98
auf dem Südflügel der 10. ID. erst vor wenigen Stunden die ihm frem-
den Stellungen übernommen hatte. Bald darauf durchstieß der Feind
in der Senke von Jamiano den linken Flügel der 7. ID., wo das IR. 38
ebenfalls erst in der vergangenen Nacht das IR. 37 abgelöst hatte. Die
in der Mitte und auf dem rechten Flügel dieser Division fechtenden
drei Bataillone wurden in Flanke und Rücken gefaßt und gefangen. In
beängstigend kurzer Zeit war die ganze Mitte des XXIII. Korps förm-
lich herausgerissen.
Unverzagt eilten indessen die nächsten Reserven vor. Dem 4. Ba-
taillon des so übel weggekommenen IR. 98 gelang es, bei Lukatic die
lb-Linie zurückzugewinnen. Hier deckte es den linken Flügel des böh-
mischen IR. 21, das seinen stark vorspringenden Abschnitt von Hudilog
gegen alle feindlichen Anstürme gehalten hatte. Tollkühn warf sich
bei der 7. ID. das Bataillon 1/68 dem Feind entgegen, der unablässig
durch die geschlagene Bresche vorging. Es gelang diesem schneidig ge-
führten Bataillon, nicht nur die erste Linie zu erreichen, sondern sogar
noch darüber hinauszustoßen, wobei es 700 Gefangene einbrachte. Frei-
lich opferte es sich dabei selbst auf. Das Bataillon zählte nur mehr
100 Streiter. Diese kühne Tat bewirkte aber, daß de* Strom der feind-
lichen Massen in Verwirrung geriet und zeitweilig aufgehalten wurde.
Beim Durchbruch in der Senke von Jamiano war auch der rechte Flügel
der 16. ID., GM. Adalbert v. Kaltenborn, mitgerissen worden. Ein Ba-
taillon und das Kommando des IR. 2 waren in Gefangenschaft geraten.
Ii1
164
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Auch hier griffen die Reserven entschlossen ein, und das 4. Bataillon
des ebengenannten Siebenbürger Regimentes gewann die verlorenen
Stellungen bei Kote 144 wieder zurück. 800 Gefangene blieben in seiner
Hand. Bei Komarje stellte sich indessen das Bataillon 1/38 dem schon
über Jamiano vordringenden Feind entgegen. Die Mitte der 16. ID.
(Bataillone II/2, 1/62, 111/64^) hatte mittlerweile bei Pietra rossa allen
feindlichen Anstürmen getrotzt:. Der linke Flügel, das IR. 31, führte
einen schweren Kampf, weil hier die Artillerieunterstützung infolge
einer Verkettung widriger Umstände ausblieb.
Da das furchtbare feindliche Zerstörungsfeuer alle Drahtverbin-
dungen ¡an der Kampffront zerrissen hatte und auch die Läufer erschla-
gen wurden, blieben das Korpskommando wie auch die Divisionsführer
vornehmlich auf Meldungen der von der Hermada ausschauenden Artil-
leriebeobachter angewiesen. Mit Beginn des italienischen Massensturmes
war die Kampfzone in Staub und Rauch gehüllt. Erst allmählich, dann
aber überhastet und alarmierend langten beim Korpskommando oft sehr
übertriebene Augenblicksbilder ein. So wurde in überstürzender Folge
gemeldet, die Front bei Lukatic sei durchbrochen, die Infanterie weiche
gegen Versic zurück, feindliche Massen strömten nach und ähnliches
mehr. Um 5 h nachm. hieß es, daß der Feind schon die Linie Höhe
235—Jamiano in östlicher Richtung überschreite und eine halbe
Stunde später, daß auch der linke Flügel der 16. ID. durchbrochen sei.
Das Korpskommando hatte schon am Vormittag einen Teil seiner Re-
serven vormarschieren lassen. Nun wies es eiligst der 10. ID. zwei Ba-
taillone, der 7. ID. ein Bataillon zu und gebot den Divisionsführern, die
erste Linie zurückzugewinnen. Aber der Lauf der Ereignisse eilte rascher
als gedacht. Schon schien die Artillerie in den vorderen Stellungen be-
droht zu sein. FML. Schneider-Manns-Au wurde jetzt angewiesen, seine
Reserven zum Schutze der Batterien in den Versicriegel vorzuschieben.
Gleich darauf erhielt GM. Edi. v. Schmid, Führer der 7. ID., den neuer-
lichen Befehl, es werde ihm das IR. 37 unterstellt und zur Pflicht gemacht,
den Feind ¡aus dem Brestovicatal hinauszuwerfen, „mindestens aber die
K-Linie zu halten"1). Die einzigen hinter der Front stehenden größeren
Reserven, die Brigaden der 28. ID., wurden angewiesen, sich bereit-
zustellen, und zwar die 55. IBrig. im Räume östlich von Nabresina, die
56. IBrig. südlich von Comen; überdies ließ das Abschnittskommando III
1) Der Versicriegel lag westlich des gleichnamigen Ortes. Die K-Linie war
die von Kostanjevica nahezu geradlinig über Brestovica dl. zur Hermada führende
Aufnahmsstellung.
Die Gegenmaßnahmen des Verteidigers
165
die 17. IBrig. um eine Wegstunde in den Raum zwischen den beiden
vorgenannten Brigaden vorwärtsrücken.
Indessen war es Abend geworden. Bei Hudilog hielten das hervor-
ragend tapfer fechtende IR. 21 und das Bataillon IV/98 weiterhin allen
Angriffen stand. Das Bataillon 11/11 und ein halbes Bataillon IV/47
lagen im Versicriegel *). Den Kampfabschnitt befehligte Obst. Edi. v.
Lunzer, Kommandant der 20. Brigade. Um etwa 7h drangen die Ita-
liener neuerlich in Lukatic ein. Zur selben Zeit erreichten ihre vorderen
Regimenter die Kuppen -<¡>~ 247, -<¡>241 und23 5 auf der Fornaza west-
lich von Selo, wo sich ihnen zwei Bataillone des IR. 55, zwei des IR. 15
und eines vom IR. 37, allerdings nicht in geschlossener Ordnung, ent-
gegenwarfen. Um diese Kuppen auf der Fornaza wurde bis in die Nacht
hinein gekämpft; doch blieben sie schließlich im Besitz des Feindes.
In der Senke von Jamiano standen das Bataillon 1/38 sowie die ein-
getroffenen Bataillone IV/3 8 und III/15 in der lc-Linie im Kampfe mit
überlegenen feindlichen Kräften. Die Mitte der 16. ID. hielt noch immer
ihre erste Stellung. Indessen war aber der linke Flügel zurückgeworfen
worden. Hier hatte das IR. 31 nach hartem Ringen die Höhe -<¡>-77
schließlich preisgeben müssen. Nur wenige Überlebende dieses braven
sieberibürgischen Regimentes sowie einige Sappeurzüge, die ihren Ka-
meraden beigesprungen waren, fanden sich in der genannten lc-Linie
bei S. Giovanni und beim Nordtunnel wieder, wo drei frische Kompag-
nien, die letzte Reserve der 16. ID., zu ihnen stießen.
Die Nacht senkte sich über das Schlachtfeld. Mit festem Willen
verfolgte FML. Schenk noch immer das Ziel, den eingebrochenen Feind
zurückzuschlagen. Noch um 10*1 nachts befahl er die Bereitstellung aller
Reserven zu einem geschlossenen Gegenangriff rittlings des Weges von
Selo zur Trigonometerhöhe 208. Allein es zeigte sich, daß das Zusam-
menführen der zum Teil schon in den Kampf getretenen und erschöpf-
ten Bataillone auch deswegen nicht möglich war, weil man über die
Lage noch immer kein klares Bild gewinnen konnte. Das IR. 37, das
nach seiner Ablösung weit zurückmarschiert war, traf sehr ermüdet erst
in der Nacht bei Str. Lok va ein. Daher entschied sich das Korpskom-
mando, dem jetzt die Weisung des Abschnittskommandos III zuging,
vor allem den Besitz der Artillerieschutzstellung Kostanjevica—Korite—
Fornaza—Flondar zu sichern und dazu auch die noch in der ersten
Stellung haltenden Teile des Korps in die bezeichnete Linie zurück-
zunehmen. Zur Durchführung des erst um Mitternacht ausgegebenen
1) Vogelsang, Das steirische IR. 47 im Weltkrieg (Graz 1932), 554 ff.
166
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Befehles mußten mehrere Batterien der 7. und der 16. ID. zurückfahren.
Trotz der sehr kurz bemessenen Zeit gelang der Stellungswechsel, so
daß nur vier gesprengte Feldkanonen und zwei Grabenmörser in die
Hände des Feindes fielen.
In dieser Nacht rückte die nunmehr dem XXIII. Korps unterstellte
17. IBrig. nach Vojscica dl. und Birhula vor und die 55. IBrig. hinter die
Hermada heran. Die 56. IBrig. blieb im Räume südlich von Comen
stehen, damit sie sich endlich einmal ausruhen könne. Auf Befehl des
Armeekommandos marschierte ferner die 60. IBrig. von Hl. Kreuz im
Wippachtale wieder auf die Karsthochfläche in den Raum Kopriva und
KrajnaVas zurück. Auch die 48. ID. wurde vom Nordflügel herüber-
gezogen. Zunächst kamen das Divisionskommando und die 12. GbBrig.
von Ternova herunter ins Wippachtal; die 11. GbBrig. sollte folgen. Da
endlich das Eintreffen der 35. ID. in Sankt Daniel angekündigt war,
konnte man den nächsten Ereignissen immerhin wieder mit Beruhigung
entgegensehen. GO. Boroevic legte der Heeresleitung dar, daß man es
,,gegenwärtig mit mindestens 32 feindlichen Divisionen zu tun habe, die
gegen den Südflügel zu immer enger massiert" seien. Diesem Massen-
ansturm habe die Armee bisher standzuhalten gewußt. Die eintreffende
35. ID. stelle die letzte „für die Nährung des Kampfes ab 26. Mai noch
intakte Kraft dar". Von der weiteren Heftigkeit des feindlichen An-
sturmes werde es daher abhängen, inwieweit damit das Auslangen ge-
funden werden könne. Daraufhin bot die Heeresleitung alles auf, um
die schon eingeleitete Überführung von Streitkräften der Ostfront zur
Isonzo,armee zu beschleunigen und das Kommando der Südwestfront
wies die 10. Armee und die Heeresgruppe in Tirol an, Reserven für eine
rasche Abbeförderung bereitzustellen.
Kaum daß das erste Morgengrauen den 24. Mai ankündete, begann
der Kampf von neuem. Er wurde durch das IR. 37 entfesselt, das, dem
um Mitternacht erhaltenen Befehle gehorchend, nun von Selo gegen die
Kuppen auf der Fornaza vorging. Das schon am Vorabend begonnene
Ringen um diese Höhen in der Mitte des XXIII. Korps — es handelte
sich hier nicht um eine befestigte Stellung — entwickelte sich ganz nach
Art eines Begegnunggefechtes, denn auch die Italiener strebten nach
ihrem Besitz, um darüber hinweggehen zu können. Beim ersten Kampf-
akt kamen unsere Truppen dem Feinde zuvor. Noch schwieg die
Artillerie, als die ersten Gefechtsgruppen des IR. 37 in der Dunkelheit
die Bewegung antraten. Ein Bataillonskommandant schilderte sein Er-
lebnis mit wenigen ungeschminkten Sätzen: „Ich führe das Bataillon
Wechselvolles Ringen beim XXIII. Korps
167
persönlich. Vor-<¡>-247 stoßen wir auf Italiener. Kurzes Feuer — begei-
stertes Darauflosgehen meiner Leute. Durchbruch! Mehrere hundert
Italiener werfen die Waffen weg und ergeben sich. Sofortige Aufnahme
der Verfolgung. Kote 241 in Sturm genommen. Italiener ergeben sich.
Meine Leute sind kaum mehr zu zügeln. Sie wollen bis in die gestern
aufgegebene Stellung vorwärts gehen. Ich halte sie zurück, weil wir
weit vorgeprellt sind und keine Verbindung haben. Es ist heller Tag
geworden. Schwere Granaten schlagen um uns ein. Es ist ein Massen-
feuer, wie ich es noch nie erlebt habe. Auch hinter uns bersten die
Geschosse. Wir können uns nicht rühren. Um 7h feindlicher Angriff.
Wir wehren ihn ab. Ich habe nur mehr ein Maschinengewehr. Neuer-
liches Massenfeuer über uns. Es gibt keine Deckungen. Die Mannschaft
verkriecht sich, wird getötet, verwundet. Ich liege mit einigen Leuten
in einem Sprengtrichter auf Kote 241. Eine Granate schlägt ganz knapp
neben mir ein und verschüttet einige Leute. Wir graben sie aus und
verlassen die Grube. Gegen llh läßt das Feuer nach. Ich will die Mann-
schaft sammeln, doch es ist vergeblich. Plötzlich taucht die italienische
Infanterie auf. Es fallen einige Schüsse — ich finde mich in einem ita-
lienischen Lazarett wieder1)."
Zu Mittag waren die vielgenannten Höhen im Besitz des IR. 37.
Zu dieser Zeit stellte sich die 17. IBrig., Oberst Chwostek, bei Selo
zum Vorgehen bereit. Sie hatte in der Früh beim Korpskommando den
Befehl erhalten, mit dem linken Flügel über Höhe-<¡>235 auf Lukatic
durchzustoßen. Als die Brigade die Bewegung antrat, ging eben ein
mörderischer Eisenhagel über die vor ihr liegenden Höhen nieder, und
bald darauf wich das IR. 37 zurück. Jetzt warfen sich die Bataillone
der 17. IBrig. auf den nachdrängenden Feind und eroberten gemeinsam
mit den Resten des genannten Regimentes die Höhe zurück; doch auch
def Feind setzte frische Kräfte in den Kampf, der mit aller Erbitterung
bis zum Abend weitergeführt wurde.
Gleichzeitig mit diesem schweren Ringen um die Korpsmitte gin-
gen scharfe Kämpfe um die Flondarstellung einher. Hier stemmten sich
die sehr gelichteten Reihen der 16. ID. dem Feinde entgegen, der kurz
vor Mittag mit starken Kräften vorging. Zunächst gelang es den Ita-
lienern, in der Furche von J.amiano bis Klarici durchzustoßen. Ein
Gegenangriff, der auf Befehl des Korpskommandos von den Bataillonen
III/bh. 3 der 28. ID. und 1/91 der 17. IBrig. durchgeführt wurde, brachte
den Wiedergewinn der lc-Linie. Nach mehrstündiger Vorbereitung
!) Aus einem vom Gdl. Schenk zur Verfügung gestellten Brief.
168
Die Mai- und Juni schlachten im Südwesten
durch die Artillerie ließen die Italiener am Nachmittag neuerlich Welle
um Welle gegen die ganze Front der 16. ID. vorgehen. Wuchtig war
der Anprall des Feindes, aber auch hart der Widerstand des Verteidigers.
In erbittertem Handgemenge warfen die Bataillone III/2 und IV/77 den
auf der Höhe -<¡>- 146 und bei Flondar eingedrungenen Feind hinaus.
Ein übriges tat die zielsicher schießende Artillerie, die weitere italie-
nische Angriffe vereitelte.
Auf dem rechten Korpsflügel, dessen Führung vormittags der
Kommandant der dort eingesetzten 10. ID., FML. Lischka, vom FML.
Schneider-Manns-Au übernahm, hatte an diesem schweren Kampftage
das IR. 21 bei Hudilog, fest wie ein Fels im Meere, den heranbranden-
den Stürmen des Feindes wieder unbeugsam standgehalten. Erst nach
Einbruch der Dunkelheit wurde Hudilog befehlsgemäß geräumt und der
Hauptwiderstand in den Versicriegel verlegt.
Die Kämpfe dieses Flügels standen im innigen Zusammenhang mit
denen des VII. Korps. Bei diesem war es wieder der Raum um Kostan-
jevica, wo der Feind um jeden Preis durchbrechen wollte. Mit teilweise
frisch herangebrachten Brigaden setzten die Italiener im Laufe des Vor-
mittags vier, sodann, nach neuerlicher Artillerievorbereitung, nachmit-
tags fünf Massenstürme an, die teils im Sperrfeuer, teils in wütenden
Handgranatenkämpfen Mann gegen Mann zusammenbrachen. Kein Ita-
liener vermochte die la-Linie zu betreten. Nicht so hartnäckig waren
neue Angriffe gegen die 17. ID., bei der es nur auf der Höhe-<^378 zum
Handgemenge kam. Andernorts zerschellte der Feind schon im Ab-
wehrfeuer der Artillerie; so auch vor der 44. SchD., die alle Angriffe
glatt zurückwies.
Die Italiener hatten sonach am 24. Mai an der ganzen Front des
Armeeabschnittes III keinen Fortschritt erzielen können. Das Abschnitts-
kommando ermittelte, daß bisnun 40 Regimenter angegriffen hatten, und
rechnete damit, daß der Feind noch über beträchtliche frische Truppen
verfüge. Neue schwere Kämpfe waren vornehmlich beim XXIII. Korps
zu gewärtigen. FZM. Wurm ließ daher den FML. Schariczer wissen,
daß er auch weiterhin mit seinen Kräften allein auskommen müsse,
und wies den FML. Schenk an, ehetunlichst zuerst die 7. ID., die sehr
große Verluste erlitten hatte, herauszuziehen und mit Marschformatio-
nen aufzufüllen. Dasselbe sollte dann auch mit der 16. ID. geschehen.
An größeren Reserven standen noch zur Verfügung: die 60. IBrig., die
in den Raum südlich von Comen vorrückte und in der Nacht mit der
Spitze nach Vale gelangte, ferner von der 28. ID., deren Führung FML.
Erneuerte Durchbruchsversuche der Italiener am 25. Mai
169
Schneider-Manns-Au zu Mittag wieder übernommen hatte, die 56. IBrig.
hinter der Hermada und die noch nicht eingesetzten Teile der 55. IBrig.
in der 2a-Linie am Westfuße der Hermada. Des weiteren war die
12. GbBrig. im Anmarsch nach Comen.
Das beim XXIII. Korps auch in der Nacht fortdauernde lebhafte
Gefecht verhinderte die Auslösung der Reste der 7. Division. Also muß-
ten deren verstreute Truppen noch einen dritten schweren Schlachttag
in der Gefechtslinie überstehen. Die italienische 3. Armee legte vom
25. Mai an das Schwergewicht eindeutig auf den Südflügel. Da sie sich
den Weg zur Hermada sowohl durch Kostanjevica als auch über die
Bastion von Hudilog hinweg nicht hatte öffnen können und auch die
neu errichtete Mauer Versic—Fornaza nicht niederreißen konnte, ver-
suchte sie, ihr Ziel geradeaus über Flondar und Medeazza zu erreichen.
Nördlich der Senke von Jamiano hielten die zwölf Bataillone des
Obst. Chwostek (17. IBrig. und Reste der 7. ID.) den ganzen Tag über
die am Vortage erreichte Linie. Selbst ein nach 4h nachm. gegen den
ganzen Südflügel einheitlich vorbrechender mächtiger Angriff, der zu
einem Durchbruch der Flondarstellung führte, war nördlich des Bresto-
vicatales gescheitert. Als dann an dieser Stelle endlich Ruhe eintrat,
konnten die Trümmer der 7. ID. aus der Front gezogen werden, worauf
um Mitternacht das 9. IDKmdo., GM. Ritt. v. Gruber, den Befehl im
Gefechtsraume von Selo übernahm. Die 7. ID. hatte 190 Offiziere,
5200 Mann und 41 Maschinengewehre verloren.
Auch die 16. ID. hatte tagsüber mehrere Vorstöße abgewehrt. Erst
der vorerwähnte Massenangriff nach 4h nachm. brachte die im drei-
tägigen Kampfe stark gelichteten, aber noch immer erbittert sich weh-
renden Bataillone dieser Division zum Weichen. Da eilten Teile der
28. ID. herbei und warfen sich dem Feinde entgegen. Hiebei zeichnete
sich das Bataillon III/ll ganz besonders aus, indem es die Höhe knapp
westlich von Medeazza zurückeroberte und nicht weniger als 1200 Ge-
fangene einbrachte1). Zugleich lähmte das wuchtig einschlagende Feuer
der Verteidigungsartillerie die Stoßkraft der Italiener, während kühn
eingreifende Infanterieflieger das Vorwärtsgehen ihrer Reserven ver-
zögerten. Bei all dem handelte es sich darum, den Feind so lange auf-
zuhalten, bis sich der vom XXIII. Korpskommando sofort in Aussicht
genommene Gegenangriff geltend machen würde. Allein, noch bevor diese
Absicht verwirklicht werden konnte, brach die Nacht an. FML. Schenk
*) Der Kommandant dieses Bataillons, Hauptmann Stanislaus Wieronski, erhielt
für diese Waffentat das Ritterkreuz des Militär-MariaTheresien-Ordens.
170
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
hatte dem FML. Schneider-Manns-Au die einheitliche Gefechtsführung
aller Truppen (28. ID., 16. ID. und 60. IBrig.) im Abschnitt ¿wischen
dem Brestovicatal und dem Meere aufgetragen und gleichzeitig befohlen :
„Gegenangriff Direktion mit dem rechten Flügel über das Nordende
Brestovica DI.—Klarici. Zweck ist die Wiedergewinnung der lc-Linie.
Äußerstenfalls ist die Hermadastellung unbedingt zu behaupten." Der
Abschnittskommandant FZM. Wurm verfügte den Vormarsch der 12. Gb-
Brig. hinter die 60. IBrig. nach Klane und die Verstärkung der stei-
rischen freiwilligen Schützen, die vom Küstenschutz nach S. Giovanni
gesandt worden waren und dort hervorragend an der Abwehr mit-
gewirkt hatten. Damit waren aber auch alle Mittel erschöpft. Beruhi-
gend wirkte es immerhin, daß am Abend schon sechs Bataillone der
anrollenden 35. ID. bei St. Daniel eingetroffen waren, und daß zwei von
Kärnten kommende Bataillone des IR. 28 bei Prosecco ausluden.
Im Laufe des 26. Mai verdichteten sich die feindlichen Angriffe
wieder auf dem Südflügel der Armee. Am Vormittag rüttelten die Ita-
liener zwar auch an der Front des VII. Korps; doch konnten sie gleich
wie am Vortage nirgends einen Erfolg erzielen. Dasselbe geschah vor
dem Nordflügel des XXIII. Korps, wiewohl dieser einer festgefügten
Stellung entbehrte. Die hier bis 6h nachm. andauernden Kämpfe, bei
denen sich das IR. 91 ganz besonders hervortat, erforderten daher be-
trächtliche Opfer.
Kritisch wurde aber die Lage auf dem Südflügel. Am frühen Mor-
gen war hier der bereits erwähnte, vom FML. Schneider-Manns-Au ein-
geleitete Gegenangriff zur Wiedergewinnung der Flondarstellung in
Fluß gekommen. Er führte zunächst zur neuerlichen Eroberung der
Höhen nördlich von Flondar und westlich von Medeazza, wobei viele
hunderte Gefangene eingebracht wurden. Das IR. 11 erbeutete allein
16 Maschinengewehre und das steirische IR. 47 zeichnete sich nicht
weniger aus1). Bei S.Giovanni hatte der Angriff jedoch nicht durch-
zudringen vermocht.
Die bei Medeazza errungenen Vorteile gingen indessen nachmittags
wieder verloren; denn die Italiener hatten eine gewaltige Übermacht
herangeführt, um im Angesichte der Hermada, ihres heißersehnten
Zieles, nun die Entscheidung zu erzwingen. Im wütenden, hin- und her-
wogenden Kampfe kam schließlich die Schlacht auch hier im freien
Felde zwischen der Flondarstellung und der 2a-Linie, die am Westfuße
der Hermada errichtet war, zum Stehen.
1) V o g e 1 s a n g, 560 ff.
Heranführen von Reserven zum XXIII. Korps
171
Die Ereignisse dieses Tages hatten die Sorge wegen der ferneren
Entwicklung der Schlacht auf dem Südflügel der Armee um ein weiteres
vermehrt. Das Armeekommando hatte zu Mittag dem VII. Korps be-
fohlen, alle noch verfügbaren Reserven dem XXIII. Korps abzugeben.
Dafür sollte das XVI. Korps zwei Bataillone dem VII. Korps überlassen.
Dem Gdl. Lukas wurde aufgetragen, die ll.GbBrig. unter allen Um-
ständen bis spätestens 29. Mai in das Wippachtal abzusenden. Endlich
hatte das XV. Korps sogleich zwei Bataillone zur Abbeförderung an den
Südflügel der Armee auf die Bahn zu setzen. Der Kommandant der
Südwestfront, FM. Erzherzog Eugen, befahl der Heeresgruppe in Tirol,
die bereitgestellten sechs Bataillone, die Infanterieregimenter 73 und 64,
sofort abzusenden. Die Heeresleitung verständigte den GO. Boroevic,
daß die Spitze der nächsten Division schon am 30. eintreffen werde.
Auch mehrere Batterien wurden vom XVI. und vom XV. Korps, die des
zweitgenannten mit der Eisenbahn, zum XXIII. Korps abgesendet.
In Erwartung weiterer schwerer Kämpfe hatte ferner das Kom-
mando der Isonzoarmee die Weisung erlassen, daß angesichts der Not-
wendigkeit, mit den Menschen zu sparen, „blutige Gegenangriffe zur
Gewinnung lokaler Erfolge im offenen Gelände, die infolge der hinläng-
lich erwiesenen feindlichen Übermacht bald wieder illusorisch werden",
zu unterlassen seien. In diesem entscheidenden Ringen verbürge nur der
Kampf in den festgefügten Stellungen Erfolg. Kämpfe im freien Ge-
lände seien daher, wo nur immer angängig, zu vermeiden.
Indessen waren aber auch die Kräfte des Feindes erschöpft. Bereits
in der Nacht auf den 27. Mai ebbte die Gefechtstätigkeit auf der Karst-
hochfläche merklich ab und lebte auch am kommenden Tage — gegen
alles Erwarten — nicht wieder auf. Im Gebiete nördlich von Görz tobte
jedoch die Schlacht weiter.
Der letzte Angriff der Görzer Armee
(23. bis 26. Mai)
Wie bereits erwähnt wurde, ging die gleichzeitig mit dem Massen-
angriff der italienischen 3. Armee angelegte Kriegshandlung der Görzer
Armee weit über das Maß eines Ablenkungsunternehmens hinaus. Es
war also vollkommen zutreffend gewesen, wenn GO. Boroevic am 23.
abends meldete, die Schlacht tobe von der Meeresküste nordwärts bis
über Piava hinaus mit einer Heftigkeit, „wie sie die Isonzofront bisher
noch nicht kennen zu lernen Gelegenheit hatte".
172
Die Mai- und Juni schlachten im Südwesten
Im Becken von Görz setzte der Feind am 23. nachmittags nach
„beispielloser Artillerievorbereitung gegen den ganzen Abschnitt von
Grazignia bis Biglia" zum Massenangriff gegen die 58. ID., insbesondere
gegen die Höhen beiderseits des Rosentales, an. Nur knapp südlich
dieses Tales gelang es ihm, nach mehreren vergeblichen Anstürmen,
schließlich in die erste Linie einzudringen. FML. Zeidler, der auf der
Walstatt am Isonzo wahrlich auf schwere Erlebnisse zurückblicken
konnte, meldete, daß, gemessen an der Stärke des Feuers und an der
Heftigkeit der Angriffe, „der heutige Tag der schwerste seit Beginn
der Schlacht war". Dieser Tag endete mit einem Mißerfolg des italie-
nischen VIII. Korps, das dann am 24. nur ein heftiges Geschützfeuer
unterhielt, um schließlich am 25. Mai ein letztesmal sein Glück zu ver-
suchen. Wieder schwelte über dem Schlachtfelde infolge des von beiden
Seiten unterhaltenen Artillerie- und Minenwerferfeuers ein Gemisch
von Rauch, Staub und Stickgasen, und wieder entstieg der Stätte des
Verderbens ein voller Sieg der Verteidiger. An manchen Stellen mußte
der Feind allerdings erst im erbitterten Nahkampf überwunden werden.
Hiebei hatten sich durch ihr Ausharren und ihren besonderen Opfermut
namentlich das IR. 96, die Schützenregimenter 20 und 22 sowie aber-
mals das Wiener LstIBaon. IV/39 hervorgetan. Mit einem letzten, schon
nach Einbruch der Dunkelheit unternommenen Sturm versuch eines ita-
lienischen Regimentes gegen die heißumstrittenen Schanzen auf der Höhe
-<¡>-171 fand die Schlacht im Görzer Becken für diesmal ein Ende.
Mit nicht geringerer Ausdauer wurde der zweite Teil der Schlacht
im Hochland nördlich von Görz geführt. Dort waren während der zwei-
tägigen Kampfpause vom 21. und 22. Mai die abgekämpften Truppen
der 106. LstlD. herausgezogen worden. Darnach standen in der Mitte
des Abschnittes IIa die 59. IBrig. und daneben die frisch eingesetzte
47. IBrig., Obst. Edi. v. Wieden, die an der Spitze der 24. ID. eingetrof-
fen war. Dahinter waren von der 48. ID. das 11. GbBrigKmdo., Obst.
Fischer v. See, mit dem IR. 79 bereitgestellt, während die 12. GbBrig.
bei Terno va lagerte. Die Artillerie war in den letzten Tagen durch den
Eirisatz der 106. FABrig. und anderer Batterien, im ganzen um 48 leichte,
22 mittlere und 4 schwere Geschütze, vermehrt worden. Obwohl die
Befestigungen in der zuletzt bezogenen Linie bei Vodice und nordwärts
sehr mangelhaft waren, erschien die Lage im Abschnitt gefestigt, so
daß sich das Armeekommando dort von ernsten Sorgen befreit fühlte.
Laut Fliegermeldungen waren die großen Zeltlager hinter dem
Kolovratrücken verschwunden. Bei Piava hatten die Italiener eine vierte
Vergebliche Angriffe der Italiener nördlich von Görz
173
Kriegsbrücke gebaut. Gegenüber dem Nordflügel des XVII. Korps war
vollständige Ruhe eingetreten. Auf dem Kukrücken warfen die Italie-
ner Schanzen auf. Wiewohl man also mit einem Stillhalten beim Feinde
rechnen durfte, mußte man dennoch neuer Angriffe gewärtig sein.
Zugleich zo g jetzt auch FML. Fabini einen großen Gegenangriff gegen
Piava in Erwägung.
Die am 23. Mai vom II. und vom VI. Korps der Italiener wieder
aufgenommenen Angriffe zielten offenbar auf die Eroberung des Rük-
kens Vodice—Mt. Santo ab. Namentlich die Höhe -<¡>- 652, deren große
Bedeutung für die Weiterentwicklung der Kriegshandlung auf der Bain-
sizza auch dem Feinde nicht entging, wurde der Schauplatz heftiger,
wechselvoller Kämpfe. So wie an der ganzen Isonzofront begannen die
neuen Angriffe nach einem mehrstündigen Vorbereitungsfeuer erst
gegen 4h nachmittags. Der in mehreren Linien hintereinander in einer
Breite von nahezu vier Kilometern vorgehende Feind wurde bei Vodice
und beim Sattel -<^503 restlos abgeschlagen. Auf dem Mt. Santo drang
er in die Stellung ein, doch mußte er nach dem Eingreifen von Teilen
der 11. GbBrig. nach blutigem Handgemenge wieder weichen. Am 24. Mai
in den Vormittagsstunden bereiteten sich die Italiener zum neuen An-
griff vor, um dann vornehmlich die Vodicehöhe zu berennen. Sie er-
oberten die kahle Höhe, allein ein Gegenangriff der Gruppe Obst. Fischer
(IR. 45 und Bataillon 1/79) entriß sie ihnen wieder. Am darauffolgenden
Tage in den Abendstunden fand das erbitterte Ringen seine Fortsetzung
und machte den Einsatz von Teilen der Infanterieregimenter 9 und 77
notwendig, wonach der Führer der 24. ID., FML. Urbarz, von GM.
Kratky die Gefechtsleitung in diesem Abschnitt übernahm.
Indessen war es dem Feinde in der Nacht gelungen, in die soge-
nannte Paljevostellung bei der Kote 363 einzudringen. Es erschien fast
unglaublich, daß sich die tapferen Verteidiger dieser vereinzelt vorsprin-
genden Schanze so lange hatten halten können. Nun wurde die schon
vorbereitete Riegelstellung bei Désela besetzt. Am 26. gegen Mitter-
nacht versuchte es der Feind, ohne Artillerievorbereitung die Vodice-
höhe überraschend zu gewinnen. Es gelang ihm nicht. Der neue Tag
brachte einen Stillstand und ermöglichte einige Änderungen in der Auf-
stellung der Truppen. Die 59. IBrig., die mit den Infanterieregimentern
24 und 41 so wacker standgehalten hatte, wurde durch die 48. IBrig.,
GM. Göttlicher, ersetzt, so daß nun die 24. ID. voll eingesetzt war und
mit ihrer Artilleriebrigade, die eben eintraf, die Behauptung des Ab-
schnittes weiterhin gewährleistete.
174
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Am 28. Mai wurden zwei Angriffe gegen die genannte Division ab-
gewiesen. Ebenso wurde der Feind abgeschlagen, der am Vormittag den
Mt. Santo und ein zweitesmal am Abend gleichzeitig auch die Sattel-
höhe -<¡>-503 berannte.
Auf der vielumstrittenen Höhe -<¡>-652 hatte sich ein ganz eigen-
artiges Kampfverfahren herausgebildet. Hierüber weiß Gdl. Fabinix) zu
berichten: „Der Feind stand am westlichen, wir am östlichen Rande.
Unseren Patrouillen gelang es nach wirkungsvollem Vernichtungsfeuer
bei einem Vorstoß unschwer, den Feind von da zu vertreiben; dadurch
wurde feindliches Sperrfeuer vor unsere Patrouillenstellung ausgelöst,
dem bald ein starker Angriff folgte. Unsere Patrouillen wichen rasch
in die Hinterhangstellung aus, und der weitergehende feindliche Angriff
brach in unserem Sperrfeuer zusammen. Dann war die Platte wieder
leer.'4
Ein derart geführtes Gefecht entbrannte auch am 29. nachmittags
und dann wieder am Abend, bis endlich am 30. Mai beide Gegner die
Nutzlosigkeit ihres Beginnens einsahen und fortan auf den Besitz des
kahlen Gipfels verzichteten.
Zur richtigen Würdigung dieser schweren Kämpfe bedarf es eini-
ger erläuternder Worte über die Beschaffenheit des Kampfplatzes. Hier-
über berichtet GM. Pitreich: „Die Hochfläche von Bainsizza, namentlich
aber die umschließenden Höhen, weisen im allgemeinen denselben
Charakter des Geländes auf, wie er im Süden unter dem Namen ,Karst'
zum Begriff geworden ist: meist nackter, kahler, undurchdringlicher
Steinboden. Nur stellenweise fand sich eine dünne Humusschichte vor.
Die Hänge waren ganz kahl oder doch nur dürftig mit Gestrüpp be-
wachsen. Wasserarm und schwer gangbar, waren diese bis zu 1000 m
steil aufragenden, rauhen Felshochflächen von Lom, Kai, Bainsizza und
Ternova mehr oder weniger Wüsteneien, die allein schon durch ihre
Beschaffenheit den Verteidigern die schwersten Mühen und Entbehrun-
gen auferlegten. Bei der weiten Entfernung der Eisenbahnstationen
bildete die Versorgung der Truppe auf diesen unwirtlichen Höhen ein
Problem für sich. Nicht nur der rechtzeitige Zuschub von Kriegsmitteln,
sondern namentlich auch jener von Reserven im Augenblicke der Ge-
fahr vollzog sich unter den größten Schwierigkeiten. Im Vertrauen auf
das Hindernis der Isonzoschlucht vor dem größten Teile der Front,
abseits der direkten Vorrückungslinie auf Triest und Laibach, hatte man
sich bisher bei der Ausgestaltung dieses Raumes für den Großkampf
x) F a b i n i, Bainsizza, 355.
Neugliederung der Korpsverbände
175
auf dürftige Improvisationen beschränkt. So war denn auch von einer
,Stellung' nach modernen Begriffen nicht im entferntesten die Rede.
, Dazu hatte es stets an Mitteln, namentlich personeller Natur, gefehlt.
Man war über das veraltete Liniensystem nicht viel hinausgekommen.
Auf manchen Strecken fehlte selbst ein solches1)." Hieraus mag man
ersehen, welch unendliche Schwierigkeiten den Truppen und Führern
auf dieser Walstatt erwuchsen.
Der Gegenangriff
(28. Mai bis 5. Juni)
Hiezu Beilagen 9 und 7
Die am 27. Mai eingetretene Entspannung ermöglichte ein ruhiges
Abwägen der Lage Die Zählung der bisher vom Feinde in den Kampf
geworfenen Truppenkörper ergab, daß er die Mehrzahl seiner Kräfte
bereits ausgespielt hatte. Vielleicht ging die Schlacht schon ihrem Ende
entgegen. Jedenfalls war die Unterbrechung der feindlichen Angriffe
ein Gewinn; denn nun trafen bei der Isonzoarmee in rascher Folge die
Züge mit den Truppen der 35. ID. ein und in der Nacht auf den 28. Mai
auch die Infanterieregimenter 64 und 73, die aus Tirol kamen.
An Stelle der zuletzt zur Armee gelangten Heereskörper sowie der
12. ID. und der 21. SchD., deren Eintreffen angekündigt war, sollten
auf Befehl der Heeresleitung wenigstens drei abgekämpfte Divisionen
an die Ostfront abgegeben werden. Das Armeekommando plante in die-
sem Zusammenhange eine Umstellung der Kräfte. Das XVII. Korps
sollte fernerhin aus der 21. SchD. und der 106. LstlD. bestehen; die
'62. ID. war der Heeresleitung zur Verfügung zu stellen. Das XXIV.
Korps, dessen Kommandant, Gdl. Lukas, zugleich die Führung über
den ganzen Abschnitt IIa — das XVII. Korps mitinbegriffen — behielt,
sollte die 24. und die 57. ID. in sich schließen. Beim XVI. Korps waren
nur kleine Umstellungen beabsichtigt; die 86. SchBrig. war herauszu-
lösen und mit der 59. IBrig. zu vereinen. Die dadurch, wiederhergestellte
43. SchD. sollte Armeereserve im Wippachtale werden. Das VII. Korps
erlitt keine Veränderung. Hingegen hatte das XXIII. Korps künftighin
aus der 9., der 35. und der 48. ID. zu bestehen. Es hatten darnach die
10., die 12. und die 28. ID. als Armeereserve auf der Karsthochfläche
zu bleiben, während die 7., die 16. und die 62. ID., wieder hergestellt
und mit Marschformationen aufgefüllt, nach dem Osten abgehen sollten.
1) Anton Pitreich, Zehnte Isonzoschlacht, (Schwarte, V, 373).
176
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Am 28. Mai vormittags — in der Ferne läuteten die Pfingstglocken
— flackerte das Gefecht im Karstlande noch einmal auf. Bei Sonnen-
aufgang griff ein bei Kostanjevica „möglicherweise aus Nervosität" be-
gonnenes Artillerie- und Gewehrfeuer bis auf die Truppen bei Medeazza
über. In Erwartung eines Angriffes wnrden Reserven vorgeschoben.
Allein es erfolgten nur einzelne örtliche Vorstöße; darunter ein solcher
von etwa drei Bataillonen gegen S. Giovanni. Der Feind wurde von der
Artillerie rasch erfaßt und vom FrwSchBaon. Marburg IV übel zuge-
richtet. Er büßte über 800 Gefangene ein. Zu Mittag trat dann an der
ganzen Karstfront wieder Ruhe ein. Gefangene sagten aus, daß am
29. Mai der letzte große Angriff folgen werde, und ein vorgefundener
italienischer Befehl ließ gleiches erwarten. Indessen verliefen die näch-
sten Tage, ohne daß es zu großen Kämpfen kam. Die Tätigkeit des
Feindes, die seine Kräfte in einzelnen Vorstößen erschöpfte, schien plan-
los geworden zu sein.
Die italienische Heeresleitung hatte am 28. Mai den Befehl zum
Abbrechen der Offensive gegeben, ,,die tatsächlich schon an der ganzen
Front im Ermatten war"1). Der Befehl schrieb vor, daß der gewon-
nene Vorteil festzuhalten und eine Verbesserung der Ausgangslage für
eine künftige Offensive durch örtliche Unternehmen anzustreben sei.
Als Ziele solcher Unternehmen wurden dem VII. Korps das Erreichen
einer Linie vor der Hermada angegeben, von der aus später die Er-
oberung des Berges in einem einzigen Anlauf erfolgen mochte, und
dem XIII. Korps die Besitznahme der Linei Kostanjevica—Stara Lokva.
Ferner wurde die Eroberung des Mt. Santo empfohlen. Der Gen. Capello
war einigermaßen betroffen, daß die Heeresleitung nunmehr Bestre-
bungen für durchführbar hielt, die im Laufe der großen Kriegshand-
lung nicht hatten verwirklicht werden können. Auch der Herzog von Aosta
hatte ernste Bedenken. Anstatt Pläne für die Durchführung solcher
Unternehmen zu unterbreiten, wurde daher dem Gen. Cadorna vorge-
schlagen, ,,nichts zu tun"2). Die Heeresleitung gab sich damit zufrieden.
Sie befahl nun, daß die Görzer Armee vom I.Juni an die Bezeichnung
„2. Armee" anzunehmen habe, wobei ihr Bereich bis zum Becken von
Tolmein auszudehnen war. Ferner wurde eine Umstellung der Kräfte
verfügt. Die 2. Armee hatte darnach aus dem IV., dem VI., dem XVIII.
und dem XXIV. Korps zu bestehen, die 3. Armee aus den Korps VII,
XI, XIII und XXV. Da diese Armeen je neun Divisionen behielten, er-
*) Pinchetti, 117.
2) Capello, II, 70 f.
Plan für einen Gegenangriff
177
übrigten zur Verfügung der Heeresleitung zehn Divisionen und sieben
Brigaden. Sie sollten in zwei fast gleich, starken Gruppen hinter den
beiden Armeen versammelt werden. Das XII. Korps an der Kärntner
Front wurde der Heeresleitung wieder als „Zona Carnia" (Karnische
Gruppe) unmittelbar unterstellt. Die Kommandos der 10., der 21. und
der 27. ID. und fünf Brigaden sowie mehrere Gruppen schwerer Ar-
tillerie hatten auf die Hochfläche der Sieben Gemeinden abzugehen.
Indessen reifte bei der k. u. k. Isonzoarmee der Entschluß zu einem
kräftigen Gegenangriff auf dem Südflügel. Schon am 26. Mai hatte
FML. Schenk dem Armeekommando gegenüber die Notwendigkeit der
Wiedergewinnung der lc-Liriie betont. In der Begründung hieß es, daß
diese Linie leichter zu behaupten sein werde als die Stellung Kostan-
jevica—Hermada—Duino, weil die Artillerie dort ihre volle Kraft ent-
falten könne, wogegen ihr dies im nahen Vorfeld der Hermada nicht
gut möglich sei. FZM. Wurm stimmte der Darlegung zu, woraufhin das
XXIII. Korpskmdo. einleitende Befehle für den beabsichtigten Angriff
gab. Ein gleichzeitiger, vom Abschnittskommando an die Armeeleitung
erstatteter Bericht betonte Ziel und Zweck des Vorhabens, zu dem
FZM. Wurm vorschlug, die 35. ID. und die 12. GbBrig. einzusetzen.
Unter dem Eindrucke des zu dieser Zeit nördlich vom Mt. Santo wieder
entbrannten Kampfes, der unter anderem auch die befohlene Ablösung
der dort angesetzten 11. GbBrig. vorläufig in Frage stellte, antwortete
GO. Boroevic, daß „bei voller Billigung des Gedankens mit dessen Aus-
führung zugewartet werden müsse, bis Artillerie- und Infanteriekräfte
zur sicheren Durchführung dieses Unternehmens beigestellt werden"
könnten.
Begreiflich war der Wunsch des Korpskommandos, den Gegenstoß
möglichst bald durchzuführen, damit der Feind nicht Gelegenheit hätte,
sich zu verschanzen und frische Kräfte einzusetzen. Sein am 28. Mai
verfaßter und später ergänzter Befehl sah einen planmäßigen, in zwei
Phasen am 1. und am 2. Juni durchzuführenden Angriff vor. Zuerst
sollte die Gruppe FML. Schneider-Manns-Au die Flondarstellung ge-
winnen, dann auch die 9. ID. vorstoßen. Das Armeekommando legte
nicht weniger Gewicht auf eine gründliche Vorbereitung, die ihm aller-
dings erst nach vollständiger Klärung der Lage verbürgt erschien. Des-
halb mußte der Beginn des Gegenangriffes auf den 4. Juni verschoben
werden.
Inzwischen wurden die Verbände umgestellt und geordnet. Die
10. ID. erhielt das IR. 73 zugewiesen. Die 9. ID. entließ die noch in
VI 12
178
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
ihrem Abschnitte verbliebenen Reste der 7. ID. (IR. 37) und stand am
3. Juni mit dem IR. 30 und dem IR. 91 in der Front. Die Gruppe FML.
Schneider-Manns-Au, von der die 16. ID., schon ausgeschieden war, zog
nun auch die Truppen der 28. ID. zur Retablierung hinter die Hermada
zurück und bildete zwei Angriffsgruppen: eine bei Medeazza unter
Befehl des Führers der 12. GbBrig., GM. Prinz Schwarzenberg, mit den
Bataillonen dieser Brigade und zwei Bataillonen des IR. 63 ; die andere
bei S. Giovanni, bestehend aus dem IR.28 (S. 170) und dem Bataillon 1/51,
das die steirischen Schützen ablöste. Die allerdings nicht geschlossene
Masse der 35. ID. blieb zunächst Armeereserve. Der Umgruppierung
und Verstärkung der Artillerie wurde die größte Sorgfalt gewidmet,
um das Gelingen des Vorhabens zu gewährleisten. Für die zweckvolle
Indienststellung der zahlreichen Batterien wurde Obst. Janecka berufen,
der sich als Artillerieführer des Abschnittes III schon große Verdienste
erworben hatte1).
Um die Monatswende nahmen auch die Italiener in Ausführung
der schon erwähnten Befehle der Heeresleitung verschiedene Umstellun-
gen ihrer Kräfte vor. Die Bewegungen waren für die öst.-ung. Artillerie
ein Anreiz, dem Feinde möglichst Schaden zuzufügen. Die italienischen
Batterien hinwider versuchten, dieses Feuer zu dämpfen. So kam es
zeitweise zu lebhaften Kanonaden, die wechselseitig den Anschein er-
weckten, als dienten sie der Vorbereitung neuer Angriffe.
Am 3. Juni wurde die Aufmerksamkeit des Feindes in besonderem
Maße auf das Becken von Görz gelenkt. Dort war bei S. Marco ein
örtlich bedeutsames Grabenstück in Feindeshand geblieben. Der Kom-
mandant des Wiener LstIBaons. IV/39 machte sich erbötig, diese Schan-
zen zurückzuerobern. Die Absicht gelang über alle Maßen gut. Die
Wiener eroberten die Stellung, nahmen 600 Italiener gefangen und er-
beuteten 9 Maschinengewehre2).
Indessen war der im Hermadaabschnitt vorbereitete Angriff reif
zur Durchführung geworden. Zur Ablenkung des Feindes unternahm
zunächst beim VII. Korps die 17. ID. am 3. spät abends einen Vor-
stoß gegen den Fajti hrib. Die tapferen „Neununddreißiger" eroberten
1) Auch in Anerkennung der Tätigkeit als Artillerieführer in der 10. Isonzo-
schlacht wurde dem Obersten Joseph Janecka des: Artilleriestabes das Ritterkreuz
des Militär-Maria Theresien-Ordens (Bd. IV, 277) verliehen.
2) Dèm Bataillonskommandanten, Hauptmann Gustav Sonnewend des IR. 72,
wurde für diese prächtige Waffentat das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-
Ordens zuerkannt.
Erfolgreiche Durchführung des Gegenangriffes
179
den sehr festen italienischen Stützpunkt auf der Trigonometerhöhe 432
und holten sich 350 Gefangene sowie ansehnliche Beute. Vor Tages-
anbruch räumten sie dann die Stellung, um dem vereinten feindlichen
Artilleriefeuer zu entgehen. Am 4. Juni zeitlich früh brach nun der An-
griff der Gruppe FML. Schneider-M,anns-Au los1). Nur 40 Minuten
dauerte die Artillerievorbereitung, aber sie war von solcher Wucht,
daß der Feind zermalmt wurde. Knapp vor 5h früh ging die Infanterie
vor; es waren insgesamt sechs Bataillone im ersten Treffen. Der über-
raschte Feind leistete keinen erheblichen Widerstand, doch wirkte seine
Artillerie sehr verderblich. Schon im ersten Anstürme erreichten die
Bataillone der 12.GbBrig. (IBaon. 1/3, F JB. 21 und bh. FJB. 6) die Flon-
darstellung, während das Prager IR. 28, das einen ausgedehnten An-
griffsraum vor sich hatte und durch stärkere Gegenwirkung des Feindes
gehemmt wurde, seine Aufgabe in zwei Phasen löste. Vormittags setzte
es sich in den Besitz der Höhe-<^110 beim Südtunnel und am Abend,
nach Einbruch der Dunkelheit, eroberte es auch den Nordtunnel, über
den die lc-Linie hinwegging. Damit war die ganze Flondarlinie, das
Ziel des Angriffes der Gruppe Schneider, wiedergewonnen. Der Feind
hatte nicht weniger als 7000 Mann in den Händen der Angreifer lassen
müssen. Erheblich war auch die Beute an Kriegsmaterial. Das seinerzeit
gemaßregelte IR. 28 hatte sich über alle Erwartungen gut geschlagen.
Es hatte in diesem Gefechte fast zwei Drittel seines Gefechtsstandes ge-
opfert: 8 Offiziere und 300 Mann waren tot, 21 Offiziere und 870 Mann
verwundet.
Es war anzunehmen, daß der Feind den Versuch unternehmen
werde, die arge Schlappe wieder gutzumachen. Deswegen wurde die
Masse der 28. ID. in Bereitschaft gehalten. Einzelne, an diesem Tage
von den Italienern unternommene Gegenstöße gewannen zwar keine Be-
deutung, doch der Feind zog, wie man beobachten konnte, von allen
Seiten Kräfte auf das Gefechtsfeld heran. Am 5. Juni beim Morgen-
grauen eröffnete die italienische Artillerie starkes Feuer sowohl auf
die verlorene Flondarstellung als auch besonders heftig auf die Fornaza,
wo sich die 9. ID. bemühte, den hier westwärts vorspringenden Teil der
lc-Linie zu gewinnen. Die Italiener führten des Morgens und auch des
Abends Gegenstöße, durch die wechselvolle Kämpfe hervorgerufen
wurden, die aber weder den Truppen der 9. ID., noch dem Feinde
Gewinn brachten. Hingegen vermochte die 10. ID., bei der nunmehr
1) Dem FML. Schneider EdL v. Manns-Au wurde für die hervorragende Führung
des Gegenangriffes das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens verliehen.
12*
180
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
das Egerländer IR. 73 in die Front getreten war, den ganzen Versic-
Riegel zu besetzen. Die Zahl der seit dem Vortage in Gefangenschaft
geratenen Italiener erhöhte sich auf 10.000 Mann.
In der Nacht auf den 6. Juni wurden in der Flondarstellung die
stark verbrauchten Truppen der 12. GbBrig. durch das IR. 62 der
35. ID. abgelöst. Auf der Fornaza stieß die 9. ID. bald nach Tagwerden
nochmals zur Eroberung der Höhe -<¡>-235 vor; die 1000 eingebrachten
Gefangenen gehörten sonderbarerweise zehn verschiedenen Regimentern
an. Dieser Angriff löste neue Kämpfe aus, bei denen es sich immer
wieder um den Besitz der bekannten Kuppen auf der Fornaza drehte.
Am Abend meldete der Führer dieser Division, GM. Gruber, nach den
Erfahrungen der letzten Tage habe das sehr starke feindliche Artillerie-
feuer bei den Angriffen einen so großen Kräfteverbrauch hervorgerufen,
daß ihre Fortsetzung nicht ratsam sei. Er beantrage daher, sich mit
dem Besitz der Linie -c¡>- 247--c¡>-241 zu begnügen. Das Korpskommando
befahl hierauf, die erreichte Stellung sei, wenn der Auftrag: nicht durch-
geführt werden könne, festzuhalten. Damit war das tagelange grimmige
Ringen auf der Fornaza endgültig abgeschlossen; denn auch die Italie-
ner griffen nicht mehr an.
Als am 5. Juni die Sonne unterging, war die letzte, diesmal jedoch
nicht von den Italienern eingeleitete Phase der großen Schlacht zu Ende.
Der Rückschlag übte auf die italienische Heeresleitung einen nieder-
schmetternden Eindruck ¡aus, der nicht allein durch den Verlust des
unter größten Opfern gewonnenen Geländestreifens hervorgerufen wurde,
sondern viel mehr noch durch die recht bedrückende Erkenntnis, daß
der Geist der Truppe gelitten habe. Hierüber berichtet Gen. Capello:
„Bei diesem Anlasse trat zum ersten Male in großem Ausmaße und in
besorgniserregender Art ein sehr schwer wiegender Fall ein, der klar
aufzeigte, wie weit die Unterhöhlung des Kampfwillens der Truppe
fortgeschritten war. Gegenüber dem feindlichen Angriffe leisteten einige
unserer Einheiten gar keinen Widerstand, im besonderen gingen drei
Regimenter, ohne gekämpft zu haben, zum Feinde über1)." Die Heeres-
leitung wurde durch dieses Ereignis darauf aufmerksam, daß der Geist
der Truppe unter Einflüssen, die vom Hinterlande ausstrahlten, eine
Veränderung erfahren habe, und Gen. Cadorna führte bei der Regie-
rung Klage darüber, daß der Ausbreitung der zerstörenden Propaganda
staatsfeindlicher Parteien so wenig Hemmnisse entgegengestellt würden 2).
1) Capello, II, 62.
2) Cadorna, La Guerra, Neudruck 1934, 379.
Die Verluste bei Freund und Feind
181
Rückblick
Das geschilderte dreiwöchige Ringen übertraf die vorhergegangenen
neun Isonzoschlachten in allen Abmessungen um ein Vielfaches. Im Rah-
men der großen, allgemeinen Offensive, die der Vierverband in schrof-
fer Verneinung des Friedensangebotes der Mittelmächte beschlossen
hatte, hofften die Italiener, heim zehnten Angriff am Isonzo die Kriegs-
entscheidung — koste es, was es wolle — zu erzwingen. Obwohl Ruß-
land sich ohnmächtig zeigte, die seinerzeit getroffenen Vereinbarungen
einzuhalten, und wenngleich die Frühjahrsoffensive der Westmächte
schon als gescheitert angesehen werden konnte, schritt Italien nach eini-
gem Zögern an die Ausführung des gewaltigen Vorhabens.
Sechs Monate hindurch hatte die italienische Heeresleitung alle
Kräfte des Landes aufs höchste angespannt, um den Erfolg verbürgen
zu können. Die ältesten und die jüngsten, bisher nicht verpflichteten
Mannschaftsjahrgänge waren unter die Fahnen gerufen, die Erzeugung
von Kriegsgerät und Schießbedarf mit Hochdruck betrieben worden.
Derart konnte die Heeresleitung bei Belassen namhafter Sicherungs-
truppen in der Flanke und im Rücken nicht weniger als 280.000 Front-
streiter sowie 2200 Geschütze und etwa 1000 Min en werf er in die
Entscheidungsschlacht einsetzen.
Allein, der gewaltige Anlauf, der mit einem Hochlied des Sieges
ausklingen sollte, endete mit einer schweren Enttäuschung. Das An-
griffsheer büßte rund 36.000 Tote und 96.000 Verwundete nebst 27.000
Gefangenen ein und gewann nur einen ganz unbedeutenden Gelände-
streifen. Die k. u. k. Isonzoarmee konnte hingegen einen neuen großen
Abwehrsieg in die Geschichte des öst.-ung. Heeres vermerken, der bei
einem Feuergewehrstand von 165.000 in den Kampf getretenen Strei-
tern mit einer Einbuße von 76.300 Mann erstritten wurde, von denen
7300 durch Tod, 45.000 durch Verwundung und 23.400 durch Ge-
fangenschaft ausgeschieden waren.
Die Mehrzahl der Opfer fiel durch die Wirkung der Artillerie, die
sowohl an Zahl wie an Gattung bedeutend mächtiger war als in den
früheren Isonzoschlachten. Die öst.-ung. Artillerie zählte rund 1400 Ge-
schütze und rund 500 Minen werf er. Sie verschoß die ungeheure Menge
von 37.800 t Munition. Die Italiener mögen wohl noch weit größere
Massen verfeuert haben. Wenn die durch die Verluste gekennzeichnete
Wirkung der öst.-ung. Artillerie bedeutend größer war als die der ita-
lienischen, so wird dies zunächst mit dem Mißverhältnis begründet, das
182
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
sich zwischen dem Angreifer und dem in Deckung liegenden Verteidiger
ergibt. Aber die unübertroffene Leistung der öst.-ung. Batterien mag
wohl auch in der geschickteren Führung, im besseren Schießen und im
tüchtigeren Verhalten begründet sein. In wenigen Sätzen faßte ein Befehl
des Führers ,auf dem Karsthochland die Leistung der Kanoniere zusam-
men: „Übereinstimmend ¡anerkennen und loben die Führer und die In-
fanterie das hervorragende Verhalten und das opfermutige Mitwirken
der braven Artillerie. Tag und Nacht in Bereitschaft und im Kampfe
stehend, gelang es ihr wiederholt, Angriffe schon im Keime zu er-
sticken. Es kam öfters vor, daß Batterien im schweren Kampfe bis zum
letzten Augenblick ausharrten, durch den Gegner überrannt wurden, sich
im Handgranatenkampf des Feindes erwehrten, dann weiter schössen
oder Umgruppierungen in tadelloser Art durchführten, um den Kampf
fortzusetzen. Andere Batterien rissen ihre Geschütze aus der Stellung,
um direkt im Nahkampf schießen zu können."
Es hieße ein altes Loblied wiederholen, wollte man den Opfermut
der öst.-ung. Infanterie neuerlich preisen. In der Schilderung der Kämpfe
wurden nur Fälle besonders rühmenswerter Taten hervorgehoben. Nicht
weniger bewunderungswürdig war aber auch das stumme Heldentum,
das im tagelangen Erdulden des schrecklichen Trommelfeuers erkannt
sein will. Die nach dem überraschend schnell erfolgten Durchbruch auf
dem Südflügel der Armee von mancher Seite aufgeworfene Frage, ob
ein schwachmütiges Versagen der betroffenen Truppen vorliege, wurde
nach eingehender Prüfung der Umstände verneint, obwohl bei diesem
Anlasse über 6000 Mann in Gefangenschaft geraten waren. Jedenfalls
hatte es sich gezeigt, daß die eingreifenden Bataillone der Reserven,
die denselben Truppenkörpern wie die vorne Durchbrochenen ange-
hörten, nicht einen Augenblick zögerten oder gar schwankten, dem
Feinde an den Leib zu rücken. Bezeichnend ist es ferner, daß die Trup-
pen gerade dort, wo die gut ausgebaute, schutzbiete'nde Stellung ver-
loren gegangen war, im offenen Gelände überaus beherzt kämpften
und sich der feindlichen Infanterie weit überlegen zeigten. Der zuletzt
durchgeführte Gegenangriff auf dem Südflügel erbrachte den schla-
genden Beweis hiefür.
Ganz hervorragend verhielten sich auch die Sappeure und die
Pioniere, die, nach monatelanger Arbeit an den Befestigungen für die
Infanterie, dieser auch im Kampfe wiederholt tapfer zur Seite sprangen.
Ebenso verdienen die Leistungen der Verbindungstruppen, die oft in
schwerstem Feuer hinausgehen mußten, um zerstörte Drahtleitungen
Die Kämpfe in der Luft und in der Adria
183
wiederherzustellen, ganz besondere Würdigung. Ferner ist der Fuhr-
werks- und der Kraftwagentrosse zu gedenken, die ohne Ruh und Rast
den Kampftruppen Schießbedarf, Verpflegung und auch Wasser unter
den denkbar schwierigsten Verhältnissen zuführten1).
Über die Tätigkeit der Flieger stehen bemerkenswerte Daten zur
Verfügung. An 14 Flugtagen (einige Tage während der Schlacht konn-
ten die Flugzeuge wegen des ungünstigen Wetters nicht aufsteigen)
wurden mit durchschnittlich 64 Flugzeugen 711 Feindflüge unternom-
men, 210 Luftkämpfe ausgefochten, 10 t Bomben abgeworfen und die
feindliche Infanterie wiederholt mit Maschinengewehren angegriffen. Fer-
ner wurden 22 italienische Flugzeuge abgeschossen und zahlreiche andere
beschädigt. Die eigenen Verluste waren allerdings auch nicht gering.
Auch der Küstenschutz war während der Schlacht lebhaft tätig ge-
wesen. Neben dem erwähnten unmittelbaren Eingreifen der Freiwilligen
Schützen bei S. Giovanni kamen auch die Küstenbatterien wiederholt
zum Wort, indem sie das Annähern italienischer Monitore verhinderten,
die zum Zerstören der Bahnlinie bei Prosecco und Opcina ausgelaufen
waren. Dem damals laut gewordenen Wunsch, daß die k. u. k. Kriegs-
marine von See aus auf dem Südflügel des Schlachtfeldes mitwirken
möge, konnte die Admiralität nicht entsprechen; denn die Küstengewäs-
ser waren durch Seeminen vollständig verseucht. Weit entfernt, in
der südlichen Adria, wo die Feinde eine Unterseebootsperre quer über
die Otrantostraße ausgelegt hatten, fand am 15. Mai ein Seegefecht
einer k. u. k. Kreuzerflottille gegen italienische und englische Schiffs-
einheiten statt, bei dem unsere Kriegsmarine ein neues Lorbeerblatt
in den Kranz ihrer ruhmvollen Vergangenheit setzte2).
Hatten sonach alle Truppen und Waffengattungen . freudig ihren
Beitrag an der Abwehr des weit überlegenen Feindes geleistet und hatte
namentlich die Infanterie große Opfer gebracht, so bestand der Anteil
der höheren Führung an diesem Gelingen zuerst im sorgfältigen Vor-
bereiten und dann im geschickten Leiten der Verteidigung, die ein
Anpassen an die wechselnde Lage erforderte.
!) Die Kraftfahrkompagnien des öst. Bundesheeres begehen im Erinnern an die
Verdienste der ehemaligen Autotruppen um die Isonzoverteidigung am 27. Mai ihren
Gedenktag.
2) Kriegsarchiv (M arinearchiv), Österreich-Ungarns Seekrieg 1914
bis 1918 (Wien 1929/33), 376. Dem kühnen Führer der Flottille, Linienschiffskapitän
Nikolaus Horthy de Nagybánya wurde auch für dieses Unternehmen das Ritterkreuz
des Militär-Maria Theresien-Ordens verliehen.
184
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Für die Heeresleitung war es durchaus nicht leicht gewesen, der
Isonzofront Kräfte zuzuführen, da sie bei solchem Vorhaben stets die
mögliche Entwicklung der Lage an den anderen Fronten in Erwägung
ziehen mußte. Darum hatte sie sich so lange wie möglich das Verfügungs-
recht über zwei im Bereiche der Isonzoarmee bereitgehaltene Divisionen
vorbehalten und auch mit dem Überführen von zwei weiteren Divisio-
nen aus dem Osten bis zuletzt gewartet. Dem Armeekommando in
Adelsberg mochte die erwähnte Beschränkung hinderlich erschienen
sein; sie wurde jedoch zeitgerecht aufgehoben, so daß aus ihr kein
Nachteil entstand. Dagegen war das Eingreifen des Kommandos der
Südwestfront, das seinerseits auf eine Division der Reserven Beschlag
legte, nicht recht begründet und behinderte den Führer am Isonzo in
einem entscheidenden Augenblicke an der beabsichtigten Verstärkung
des Nordflügels. Wäre diese Division um einige Tage früher freigegeben
und gemäß dem Wunsche des Armeekommandos auf dem Hochlande
nördlich Görz bereitgestellt worden, so hätten die Ereignisse im Ge-
biete von Piava möglicherweise einen anderen Verlauf genommen und
nicht jene äußerst beunruhigende Wirkung ausgelöst, die den Armee-
führer bewog, weit mehr Kräfte in den bedrohten Raum zu entsenden,
als ursprünglich vorgesehen worden war. Dies führte zu einer erheb-
lichen Verminderung der hinter dem Südflügel bereitgestellten Reserven.
Als dann auf diesem Flügel ein allerdings unerwartet rascher Ein-
bruch des Feindes erfolgte, entstand hier eine der schwersten Krisen,
die die Isonzoarmee je zu bestehen hatte. Dennoch wußte man auch
diese Krise zu überwinden. So wie das unmittelbar betroffene Korps-
kommando und das Abschnittskommando rasch eingriffen, um der Flut
Herr zu werden, riß auch der Armeeführer die in den Nord,abschnitt
entsandten und dort noch nicht eingesetzten Teile der Armeereserve
an den Südflügel zurück. Im Verein mit den vom Kommando der Süd-
westfront und von der Heeresleitung herangeführten Kräften wurde
dann dem Feinde nicht allein Halt geboten, sondern ihm auch der blutig
errungene Lorbeer wieder entwunden1).
Dem siegreichen Feldherrn, GO. Svetozar Boroevic v. Bojna, wurde
nach Abschluß der Schlacht für „Operationen am Isonzo in den Jahren
1915 bis 1917" das Kommandeurkreuz des Militär-Maria Theresien-
Ordens verliehen.
1) Eine besonders eindrucksvolle Darstellung der Karstkämpfe gewährt neuestens
das belletristische, aber in den Stimmungen durchaus wahrheitsgetreue Buch „Karst" .
von Abel (Salzburg 1934).
Die Gründe für den Angriff der Italiener
185
Die Junischlacht in den Sieben Gemeinden
Hiezu Skizze a der Beilage 10
Italienische Vorbereitungen
Kaum war der Kampflärm der zehnten Isonzoschlacht in den ersten
Junitagen abgeklungen, als schon die italienische Führung zu neuen
Schlägen gegen die Südtiroler Bastion ausholte. Es waren seit langem
erwogene und sorgfältig ausgearbeitete Pläne, die nun zur Ausführung
gelangen sollten (Bd. V, S. 111).
In den oftmals erneuerten Anstürmen im Juni und Juli 1916 war
es den Italienern nicht gelungen, die Truppen der Heeresgruppe Erz-
herzog Eugen aus den nach Einstellung der Offensive bezogenen neuen
Dauerstellungen zwischen Brenta und Etsch zu verdrängen. Die Haupt-
anstrengungen des Feindes hatten den Abwehrlinien auf dem Nordteil
der Hochfläche von Asiago mit dem Ziele Kempelrücken und dem
Räume des Pasubio zur Wiedergewinnung des Col Santo gegolten. Nur
bei Erreichung dieser Ziele war nach Überzeugung Cadornas der
Rücken der am Isonzo angreifenden Streitkräfte gegen Rückschläge,
wie sie das italienische Heer im Mai 1916 getroffen hatten, ausreichend
gesichert. Wenn sich nun im Sommer und Herbst dieses Jahres das
Hauptaugenmerk der italienischen Führung dem Isonzo zuwandte, wo
in vier Schlachten der Versuch gemacht wurde, Raum gegen Triest
zu gewinnen, so war Cadorna trotzdem nach wie vor entschlossen, bei
günstiger Gelegenheit die Angriffe gegen die oben erwähnten Abschnitte
der Südtiroler Front, diesmal jedoch nach sorgfältigster Vorbereitung,
zu erneuern1). In dieser Absicht bestärkten ihn die nicht unbedeutenden
räumlichen Fortschritte, die im August zwischen Görz und dem Meere
erzielt worden waren; denn die Rückenbedrohung durch die öst.-ung.
Streitkräfte in Südtirol mußte um so empfindlicher werden, je mehr
Raum gegen Osten die Italiener am Isonzo gewannen.
Die hartnäckigen Angriffe, die das italienische V. Korps im Sep-
tember und Oktober 1916 gegen die Pasubio Stellungen geführt hatte,
brachten zwar schließlich örtliche Erfolge, aber dem angestrebten Ziele
war der Angreifer dadurch nicht näher gekommen. Der vom Kom-
mando der Truppen der Hochflächen, GLt. Mambretti, sorgfältig vor-
bereitete Angriff zwischen dem Grenzkamm und Asiago mußte wegen
!) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 379.
186
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
des frühzeitigen Wintereinbruches in der ersten Novemberhälfte unter-
bleiben. Die italienische Führung entschloß sich daher, beide Angriffs-
unternehmen i,m späten Frühjahr 1917, nach Abschluß der Schneeschmelze,
durchzuführen. Zuerst sollte die am 1. Dezember 1916 aus den Truppen
des XVIII. Korps im Suganertale und jenen des bisherigen Kommandos
der Hochflächen (XX. und XXII. Korps) gebildete 6. Armee den Angriff
mit dem Ziele Kempelrücken beginnen. In einem späteren Zeitpunkte
hatte der Angriff des nunmehrigen Ostflügels der 1. Armee gegen die
Pasubiostellungen einzusetzen.
Diesem Programm entsprechend erhielt die italienische 6. Armee
von der Mitte des Monates März angefangen die ersten Truppenzu-
schübe, zunächst zwei Alpinigruppen aus dem Kmgebiete. Ein nam-
hafter Teil der für die Kampfhandlung auf der Hochfläche von Asiago
bestimmten Verstärkungen sollte jedoch unter Ausnützung der für
rasche Kräfteverschiebungen günstigen geographischen Lage erst kurz
vor Angriffsbeginn aus dem Friaul herangezogen werden, um sich der-
art die Überraschung des Gegners zu sichern. Wohl wurden aber auch
diese Kräfte wie ein Teil der schweren Angriffsartillerie erst nach Be-
endigung der für die zweite Hälfte des Monates Mai geplanten neuer-
lichen Angriffsschlacht am Isonzo verfügbar.
Anfangs Juni waren für den bevorstehenden Angriff auf der Hoch-
fläche von Asiago zehn Divisionen versammelt und gegen 1500 Feuer-
schlünde in Stellung gebracht1). Die italienische Heeresleitung hatte mit
diesem mächtigen Kräfteaufgebot an der kaum 14 km langen Angriffs-
front ein Höchstausmaß infanteristischer Streitkräfte zusammengezogen,
mit dem die der 6. Armee zur Verfügung gestellten artilleristischen
und materiellen Mittel durchaus Schritt hielten. Diese Kräftezusammen-
fassung berechtigte nach Meinung des italienischen Höchstkommandos
x) Gliederung der italienischen 6. Armee am 10. Juni 1917:
Val Sugana XVIII. Korps (15. und 51. ID.) 29 Bataillone
Nordteil der Hochfläche XX. Korps (52., 29., 10. und 21. ID.) 61 Bataillone
XXII. Korps (13., 25., 27. und 57. ID.) 51 Bataillone
Asiago—Asticotai XXVI. Korps (12. und 30. ID.) 24 Bataillone
Summe 165 Bataillone
Die Kommandos der 10., der 21. und der 27. ID. standen noch Mitte Mai im
Isonzoraum (siehe Beilage 6), jenes der 57. ID. als Neu auf Stellung in der venetia-
nischen Ebene.
Unter den zur 6. Armee gelangten Verbänden befanden sich an Neuformatio-
nen 32 Bataillone (51/2 Brigaden), ferner 12 Bataillone (2 Brigaden), die abgekämpft
vom Isonzo eingelangt waren.
Der Angriffsplan der Italiener
187
bei den überaus sorgfältig getroffenen Angriffsvorbereitungen und der
erhofften Überrumpelung des Gegners zu weitgehenden Erwartungen.
Der Angriff sollte sich nach einem genau vorgezeichneten Plane
vollziehen. Den Hauptstoß hatte das XX. Korps den Nordrand der
Hochfläche von Asiago entlang zu führen; von seinen Kräften war die
nunmehr aus 20 Alpinibataillonen bestehende 52. ID. zum Angriff gegen
den Frontabschnitt Mt. Ortigara—Mt. Campigoletti bestimmt, die 29. ID.
hatte beiderseits des Mt. Forno vorzustoßen. Vom südlich anschließen-
den XXII. Korps sollten die 13. ID. die öst.-ung. Stellungen im Raum
Mt. Zebio—Cra. Zebio, die 25. ID. aber gegen den Mt. Dorole angreifen.
Waren die Breschen geschlagen, sollte sich das XX. Korps des ganzen
Nordrandes der Hochfläche bis zur C. Portule bemächtigen, das XXII.
Korps den Ostsaum der unteren V. Galmarara erreichen1). Für die
Nährung des Stoßes war durch tiefgestaffelte Reserven vorgesorgt;
denn hinter jedem dieser beiden Korps waren je zwei Divisionen der
Reserven bereitgestellt.
Die beiderseits anschließenden Verbände hatten die Hauptangriffs-
gruppe durch begleitende Vorstöße und Täuschungsunternehmen zu
unterstützen, und zwar das XVIII. Korps im Suganertale südlich der
Brenta, das XXVI. Korps über die untere Assa hinweg.
Maßnahmen der Heeresgruppe FM. Conrad
Schon geraume Zeit, bevor das Eintreten der Schneeschmelze grö-
ßere Kampfhandlungen in den Bergen ermöglichte, hatte sich das Hee-
resgruppenkommando in Bozen mit der Wahrscheinlichkeit neuerlicher
italienischer Angriffe gegen Tirol befaßt. Von den hiefür in Betracht
kommenden Abschnitten der Südtiroler Front war es wohl vor allem
der Nordteil der Hochfläche von Asiago, wo auf der Grundlage der
schon im vergangenen Spätherbst wahrgenommenen feindlichen An-
griffsvorbereitungen neue Anstürme zu gewärtigen waren (Bd. V, S. 699).
Tatsächlich lieferten die der öst.-ung. Führung zur Verfügung stehen-
den Nachrichtenquellen bereits seit Anfang April andauernd Hinweise
darauf, daß die italienischen Vorbereitungsmaßnahmen in diesem Räume
wieder in vollem Umfang aufgenommen worden waren.
FM. Conrad hatte kurz nach Übernahme des Kommandos in Tirol
der Überzeugung Ausdruck verliehen, daß die italienische Führung
x) Ministero della guerra, Le Medaglie d'oro (Roma 1926), III (1917),
69/17.
188
Die Mai- und Juni schlachten im Südwesten
ihre an der Tiroler Front stehenden ansehnlichen Kräfte, ein Drittel
des Feldheeres, sicherlich gelegentlich des nächsten Ansturmes im
Isonzoraum zu einem nachdrücklichen Schlag gegen Tirol ansetzen
werde. Zur verläßlichen Abwehr eines nachhaltigen, aus der Tiefe ge-
nährten Angriffes war nach seiner Überzeugung die Zuweisung von
drei Brigaden an die Heeresgruppe erforderlich. Auf derlei Erwägungen
näher einzugehen, schien den vorgesetzten Kommandos in Marburg und
Baden zu diesem Zeitpunkte, mitten im Gebirgswinter, jedoch noch
verfrüht zu sein.
Mitte April wurde es möglich, die aus den Schützenregimentern 14
und 25 bestehende 26. SchBrig. nach Tirol zu bringen; aber Conrad
fand diese Verstärkung nicht für ausreichend und erneuerte bei dieser
Gelegenheit ebenso wie bei einem Besuche des Allerhöchsten Ober-
befehlshabers in Bozen am 22. April seine Bitte, der die k. u. k. Heeres-
leitung aber wegen der Lage am Isonzo und der ungeklärten Verhältnisse
im Osten auch weiterhin nicht entsprechen konnte.
Dieser Zwiespalt der Meinungen zwischen den für die Behauptung
von Tirol verantwortlichen Stellen und der für die Gesamtkriegführung
maßgebenden Heeresleitung ist vollkommen begreiflich. Er nahm im
Laufe der Geschehnisse immer mehr an Schärfe zu, da sich sowohl das
Kommando der Südwestfront als auch die Heeresleitung gegen die stets
drängender werdenden Anforderungen des Heeresgruppenkommandos
ablehnend verhielten.
FM. Conrad, mit seinen geliebten Tiroler Bergen innig verwachsen,
für deren Verteidigung er im Frieden, weit voraus denkend, die Vor-
bedingungen geschaffen hatte, fühlte sich für die Festhaltung des weit
nach Süden vorspringenden Raumes zwischen der Brenta und den Judi-
carien als der wichtigsten Bastion seines Befehlsbereiches ganz besonders
verantwortlich. Er war zudem der schon erwähnten Meinung (S. 117),
der Ausbruch der Revolution in Rußland müsse alsbald die Lage an der
Ostfront so grundlegend ändern, daß einer Verstärkung der Tiroler
Front nichts mehr im Wege stünde, ja, daß sogar die Wiederaufnahme
des Gedankens eines Stoßes aus Tirol heraus in absehbarer Zeit zu er-
wägen sei. Erzherzog Eugen als Befehlshaber der gegen Italien kämpfen-
den Streitkräfte war hingegen von der überragenden Wichtigkeit des
Isonzoraumes voll durchdrungen und mußte daher die an anderen Fron-
ten spärlich verfügbar werdenden Kräfte der 5. Armee zuführen, der
auf jeden Fall in Kürze eine neuerliche schwere Kraftprobe bevorstand.
Das AOK. in Baden endlich, auf das Einvernehmen mit der DOHL. als
Die Lage der Heeresgruppe Conrad im Mai
189
der Obersten Kriegsleitung angewiesen, war gezwungen, den noch ganz
ungeklärten Verhältnissen im Osten Rechnung zu tragen und daher auf
das Anfordern öst.-ung. Kräfte aus dieser Front zunächst zu verzichten.
Zudem teilten die hohen Kommandos in Baden und Marburg die
Überzeugung, daß die der Heeresgruppe FM. Conrad zur Verfügung
stehenden Truppen für die Behauptung Tirols vorerst ausreichen müßten.
In Tirol stand ja — ebenso wie beim Feind — ein Drittel der für den
südwestlichen Kriegsschauplatz verfügbaren Kräfte x). An dieser Beurtei-
lung änderten auch die sich immer mehr verdichtenden Nachrichten
über ein Zusammenziehen starker italienischer Truppen auf der Hoch-
fläche von Asiago nichts. Das Heeresgruppenkommando war daher nach
wie vor auf seine eigenen Reserven angewiesen und mußte zunächst
darauf bedacht sein, für baldige Verstärkung des III. Korps zu sorgen,
gegen das sich der zu erwartende Angriff wohl zuerst richten mochte.
Am 12. Mai brach die zehnte Isonzoschlacht los. Der für die gleiche
Zeit erwartete Angriff gegen Tirol, für den die Jahreszeit noch ver-
früht war, blieb aber aus. Die Lage erfuhr für die Heeresgruppe
Conrad noch eine weitere Entspannung, als einzelne, bisher an der
Tiroler Front eingesetzt gewesene italienische Brigaden nunmehr am
Isonzo ermittelt wurden. Um weitere Verschiebungen in dieser Richtung
möglichst abzubremsen, erhielt Bozen den Befehl, durch erhöhte Tätig-
keit, Scheinangriffe und Täuschungsmaßnahmen den Feind zu binden.
So wurden in den Tagen zwischen dem 19. und dem 24. Mai an
zahlreichen Stellen der Südtiroler Front örtlich begrenzte Stoßtrupp-
unternehmen ausgeführt. In größerem Maßstabe fanden seit längerem
vorbereitete Vorstöße auf dem Pasubio und im Gebiete des Colbricon
statt, die zusammen mit kleinen Unternehmen in der Vallarsa, auf dem
!) Stände am 1. Mai 1917
Feuergew. MG. Geschütze Ersätze Anmerkung
Heeresgruppe Conrad 112.500 1459 1448* 29.000 * 98 Inf.-, 1051 leichte, 299 schwere Gesch.
10. Armee 32.000 250 337 7.000
5. Armee 156.000 1765 1667 70.500
Summe 300.500 3474 3452 106.500
190
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Borcolapaß und bei Laghi, bei Canove und auf dem Civaron (Val Su-
gana) an 700 Gefangene, 10 Maschinengewehre und drei Granatwerfer
einbrachten.
Zu Beginn der zehnten Schlacht hatte die Heeresgruppe Conrad
noch zwei Bataillone zugeschoben erhalten; gegen Ende Mai mußte sie
jedoch Kräfte an die in schwerem Kampf stehende Isonzoarmee ab-
geben. So erhielt sie am 25. und 28. Mai den Befehl, zusammen neun
Bataillone zur 5. Armee abzusenden, die durch abgekämpfte Einheiten
ersetzt werden sollten. Um raschen Abtransport zu ermöglichen, mußte
auf bereitgestellte Reserven gegriffen werden1). Die Heeresgruppe war
nunmehr um ein Bataillon schwächer als zur Zeit der Winterruhe. Diese
Verminderung seiner Kräfte erschien dem Heeresgruppenkommando be-
denklich; denn die Rührigkeit des Feindes auf den Hochflächen der
Sieben Gemeinden, das den mitgehörten feindlichen Funksprüchen zu
entnehmende bedeutende Anwachsen der Verpflegsstände der italie-
nischen 6. Armee, der Einsatz neuer Funkstationen und das Erscheinen
des bisher bei Görz verwendeten XXVI. Korpskommandos, das eben-
falls durch den Abhorchdienst bekannt wurde, konnten nur als An-
zeichen des bevorstehenden Angriffsbeginnes gewertet werden. FM.
Conrad sah sich daher am 3. Juni veranlaßt, nochmals auf die bedroh-
liche Lage in den Sieben Gemeinden hinzuweisen und Verstärkungen
über das Ausmaß der abgegebenen Anzahl von Bataillonen hinaus zu
erbitten, zumal auch der in Aussicht gestellte Ersatz durch abgekämpfte
Einheiten unterblieben war.
Wie berechtigt diese Besorgnisse Conrads waren, beweist die Zu-
sammensetzung der zu dieser Zeit in Südtirol verfügbaren spärlichen
Reserven: bei der 18. ID. (Val Sugana) ein Bataillon, beim III. Korps
(Hochfläche von Asiago) zwei Bataillone; das 11. Armeekommando hatte
sechs und das Heeresgruppenkommando drei Bataillone in Reserve.
Inzwischen war die zehnte Isonzoschlacht zu Ende gegangen. Das
Kommando der Südwestfront war nunmehr in der Lage, bis zum 8. Juni
dem Drängen Conrads nach Verstärkungen, das in den letzten Tagen
wegen der einlangenden Nachrichten über das unmittelbare Bevorstehen
des italienischen Angriffes immer nachhaltiger geworden war, Folge zu
geben. Neun Bataillone wurden nach Tirol verschoben2). Dieser Kraft-
zuwachs ermöglichte es dem Feldmarschall, eine gleiche Anzahl von
!) Es gingen ab: IR. 73 (3), 64 (3), FJB. 23, IBaone, III/57, II/SchR. 36.
2) Es waren dies die Ende April aus Tirol abgegebenen Truppen; nur ge-
langte statt des IR. 73 das IR. 57 zur Heeresgruppe Conrad.
Die Vorboten des italienischen Ansturmes
191
Bataillonen der 11. Armee zuzuweisen, zumal für den äußersten Notfall
der Zufluß von Teilen der einstweilen wegen Fleckfiebers in Kroatien
kontumazierten 73. ID. in Aussicht gestellt worden war.
In artilleristischer Hinsicht war das Möglichste geschehen, um den
bedrohten Frontabschnitt durch Abgaben aus ruhigeren Bereichen der
Heeresgruppe und durch Ausrüstung neuer Batterien zu stärken. Die
Kampfpause in den zum Teil noch im Bergwinter steckenden übrigen
Frontteilen Tirols erleichterte derartige Verschiebungen.
Bis zum 9. Juni ergaben Beobachtung und Nachrichten ein ziemlich
klares Bild über die Absichten des Feindes. Zahlreiche Überläufer
berichteten fast übereinstimmend, daß der Angriff zwischen der Reichs-
grenze und Asiago spätestens am 12. beginnen werde. Umfangreiche
neugeschaffene Zeltlager, große Lagerfeuer, sehr lebhafter nächtlicher
Kraftwagenverkehr hinter der feindlichen Front, das Auffahren und Ein-
schießen zahlreicher neuer Batterien, die am 6. Juni einsetzende italie-
nische Luftsperre, verbunden mit einem Fliegereinbruch nach Trient
und Bozen, waren unverkennbare Anzeichen des Bevorstehenden, die
durch die mitgelesenen Funksprüche ergänzt wurden. Die auf dem glei-
chen Wege ermittelte Ausgabe des italienischen Angriffsbefehles an alle
vier Korpskommandos der 6. Armee ließ den großangelegten Umfang
des Unternehmens erkennen. Vor allem schienen aber die auf dem
Nordteil der Hochfläche von Asiago stehenden Divisionen des k. u. k.
III. Korps, die 6. ID. und die 22. SchD., überaus bedroht zu sein. Die
Hoffnungen der Italiener, den Gegner überraschen zu können, waren
zunichte geworden, weil sie für die Geheimhaltung ihrer Pläne zu wenig
vorgesorgt hatten.
Kampfraum und Kräftevergleich
Die Hochfläche von Asiago steigt an ihrem Nordrande, dem so-
genannten Grenzkamm — hier zog sich die Reichsgrenze hin — zu
ihrer größten Höhe an. Ihr nördlicher Abfall stellt sich, vom Suganertal
aus besehen, vielfach wie eine mehr als 1000 m hohe Felsmauer dar.
Der im Mai 1916 von den öst.-ung. Angreifern gewonnene Ostteil des
Kammes bis zum österreichischen Grenzzwickel der Barricata war bald
darauf im Juni nach hartnäckigen Kämpfen wieder geräumt worden
(Bd. IV, S. 667 ff.). Die Italiener hatten in der Folge die von ihnen be-
setzte C. Maora zu einem mächtigen Bollwerk und Verbindungsknoten
ihrer Front auf der Hochfläche mit jener im Suganertale ausgestaltet..
192
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Zwischen derC.Maora und der 31/2km westlich davon aufragenden
C. Dieci verflacht sich der Grenzkamm zu einer breiten Senke, die durch
den quergelagerten Bergklotz des Mt. Ortigara in zwei Teile getrennt
wird. Über die so entstandenen Einsattelungen, westlich die Porta
Lepozze, östlich die Porta Maora, führen gangbare Querverbindungen
von der Hochfläche zum Suganertale, von denen jedoch die letzt-
genannte, zwischen den Fronten liegend, für die Benützung nicht in
Frage kam.
Die öst.-ung. Abwehrstellung verlief, von Süden kommend, über
den Mt. Campigoletti, auf dem Ostrande der beiden Kuppen des Mt. Or-
tigara zur Porta Maora und, westlich der Val Maora, als „Caldiera-
stellung" gegen den Civaron.
Im Abschnitte Campigoletti meisterhaft ausgebaut, war hingegen
die Stellung auf dem Mt. Ortigara weder taktisch noch technisch auf
der Höhe. Von der C. Maora überhöht, nur auf vom Feinde voll ein-
gesehenen und bestrichenen Zugangswegen erreichbar, litt dieser Stel-
lungsteil unter den schwierigen Zuschubverhältnissen, da er von der
Hochfläche aus über Dosso del Fine versorgt werden mußte. Diese
Nachteile, verbunden mit der eintretenden Notwendigkeit, die Besatzung
abzulösen, hatten eine verhängnisvolle Rückständigkeit des Ausbaues
der Verteidigungsanlagen zur Folge. Schließlich verlief die Abschnitts-
grenze zwischen dem III. Korps und der 18. ID. entgegen allen takti-
schen Grundsätzen auf dem Grenzkamm, so daß an wichtigster Stelle
kein einheitliches Kommando vorhanden war.
Die kahlen, stark verkarsteten Grenzkammhöhen westlich der
C. Maora hatten durch die einjährigen Kämpfe immer mehr den Cha-
rakter eines Trichter- und Schuttfeldes angenommen. Die zahlreichen
größeren und kleineren Dolinen, zum Teil noch schneeerfüllt, spielten
bei den folgenden Kämpfen, ähnlich wie in den Karstschlachten, eine
wichtige Rolle; der meist an der Oberfläche durch Pikrin verfärbte
Schnee war oft das einzige Mittel zur Beschaffung von Trinkwasser.
Kleine Felsstufen boten zwar Deckung, erschwerten aber die Fort-
bewegung.
Der von den Abwehrstellungen bis zum Kempelrücken reichende
kahle Gürtel bannte jeden Verkehr zur Front in die Nachtstunden; im
Gegensatz hiezu fanden die Italiener in der hinter ihren Stellungen vor-
handenen ausgedehnten Waldzone Deckung gegen Sicht für den Verkehr
ihrer Reserven, für die Versammlung größerer Truppenmengen vor
dem Angriff sowie für Freilager.
Das Stärkeverhältnis im Kampfraum
193
Die schwierige Lage des Verteidigers wurde durch das Zahlenver-
hältnis der beiderseitigen Kräfte noch verschärft. Die italienische 6. Ar-
mee trat in dem Räume zwischen dem Grenzkamm und Asiago mit
112 Bataillonen in den Kampf, von denen allerdings vorerst nur ein
Bruchteil eingesetzt wurde. Demgegenüber verfügte der Verteidiger in
den Stellungen zwischen dem Grenzkamm und Asiago am 9. Juni abends
über 21 Bataillone; an Reserven waren insgesamt 14Bataillone bereit-
gestellt, 7y2 Bataillone befanden sich im Anmärsche, so daß zur Abwehr
des Angriffes 42^2 Bataillone, etwas mehr als ein Drittel der Feindes-
stärke, verfügbar waren.
Ähnlich war es um die Verhältnisse der beiderseitigen Artillerie be-
stellt. Die k. u. k. 11. Armee zählte bis zum 15. Juni in jenem Teile ihrer
Front, dem die italienische 6. Armee gegenüberstand, 400 Geschütze,
davon 246 leichte, 48 mittlere, 17 schwere, 65 Stellungsgeschütze und
24 Fliegerabwehrkanonen. Die vorerwähnten 1500 italienischen Feuer-
schlünde (S. 186), bei denen wohl zahlreiche Minenwerferbatterien ein-
gerechnet sind, bedeuteten auch hier eine dreifache Überlegenheit des
Feindes.
Der Kräftevergleich ergibt ein für den Verteidiger noch viel ungün-
stigeres Bild, wenn man den eigentlichen Hauptkampfraum der Schlacht,
den Abschnitt zwischen dem Nordabsturz des Grenzkammes und dem
Mt. Campigoletti in Betracht zieht. In diesem Frontteil waren am
10. Juni früh drei Bataillone der 6. und der 18. ID. eingesetzt, dahinter
drei Bataillone Reserve der 6. Division. Der gegen diesen Abschnitt an-
greifenden italienischen 52. ID. standen zunächst 20 Bataillone zur Ver-
fügung. Die Korpsreserve bestand beim k. u. k. III. Korps für dessen
ganze Front aus drei Bataillonen, das italienische XX. Korps verfügte
allein in dem oben erwähnten Frontteil über zwölf Bataillone der
10. Division.
Die Or tig a raschlacht
(9. bis 29. Juni 1917)
Der italienische Angriff am 10. und 11. Juni
Hiezu Skizze b der Beilage 10
Am 10. Juni, einem trüben und regnerischen Tage, setzte um 5h
früh das italienische Geschütz- und Minenwerferfeuer schlagartig gegen
die ganze Front des k. u. k. III. Korps, Gdl. Ritt. v. Krautwald, ein. Der
VI 13
194
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Stellungszug der 6. ID. und der 22. SchD. stand bald unter besonders
heftigem Zerstörungsfeuer, unter dem die Kampfanlagen und die Hin-
dernisse arg litten. Aber auch die Artilleriestellungen und die Räume
bis weit hinter der Front, die Anmarschwege und die Reservelager
sowie die Standorte der höheren Befehlsstellen wurden heftigst be-
schossen, wobei zum Teil Gasgranaten verwendet wurden.
Der Nordflügel der 6. ID. und der anschließende Südflügel der
18. ID. waren bald stark in Mitleidenschaft gezogen. Während das
FJB. 7 auf dem Mt. Campigoletti in seinen ausgebauten Stellungen hin-
reichend Schutz vor dem Massenfeuer fand, häuften sich beim FJB. 20
auf dem Mt. Ortigara die Verluste. Insbesondere erzielten die italie-
nischen schweren 24- und 40 cm-Minenwerfer (Bd. V, S. 632) äußerst
empfindliche Wirkung.
In den Nachmittagsstunden schritten die Italiener an zahlreichen
Stellen der Front des III. Korps zum Angriffe. Erfolge hatten sie jedoch
nur gegen den Nordflügel aufzuweisen. Hier gelang es den angrei-
fenden Alpinibataillonen unter Ausnützung des Nebels und unter dem
starken Feuerschutze ihrer Artillerie und Minenwerfer über die zwi-
schen den beiderseitigen Stellungen liegende Tiefenfurche bis in die
schußtoten Räume vor den öst.-ung. Linien zu gelangen. In diesen
Sturmstellungen sammelten sich in den Mittagsstunden starke Kräfte
an. Sie versuchten schon nach 2h nachm., in die fast eingeebneten Ab-
wehrstellungen des Abschnittes Ortigara einzudringen. Dem küstenlän-
dischen FJB. 20, das diesen Frontteil mit drei Kompagnien besetzt hielt,
war noch vor Mittag das 3. Bataillon des salzburgischen IR. 59 aus der
Divisionsreserve zur Verstärkung zugewiesen worden. Das Bataillon
mußte sich gruppenweise durch das dichte Sperrfeuer vorarbeiten und
langte erst in den Nachmittagsstunden geschwächt in den Stellungen an,
in denen die Jäger bisnun alle Angriffe abgeschlagen hatten1).
Hartnäckig vorwärtsstrebend, waren indessen Welle auf Welle des
italienischen Angriffsstaffels herangekommen, und die zahlenmäßig be-
deutende Übermacht wurde immer fühlbarer. Schließlich gelang den
Italienern der Einbruch auf der Höhe -<¡>- 2007 ; die Reste des hier stehen-
den Reservebataillons III/37 wurden nach Norden abgedrängt. Dadurch
konnte der Angriff gegen den Mt. Ortigara nunmehr auch von Nord-
osten herangetragen werden. Nachdem beide Bataillonskommandanten
1) H o e n, Geschichte des salzburgisch-oberösterreichischen k. u. k. Infanterie-
regimentes Erzherzog Rainer Nr. 59 für den Zeitraum des Weltkrieges 1914—1918
(Salzburg 1931), 549 ff.
Der erste Ansturm der Italiener
195
des Abschnittes Ortigara gefallen waren, bemächtigten sich die Italiener
der Nordkuppe Höhe -c¡>- 2071. Trote der erlittenen schweren Verluste ver-
mochten aber die Reste der Abschnittsbesatzung sowohl die Hauptkuppe
des Mt. Ortigara, Höhe -c¡>- 2105, zu halten, als auch einen weiteren
Raumgewinn des Feindes gegen Westen zu verhindern. Der ungleiche
Kampf hatte auch die Italiener schwere Opfer gekostet; daher begnüg-
ten sie sich mit dem errungenen Erfolg.
Daß der Mt. Ortigara gehalten werden konnte, war vor allem der
zähen Ausdauer des krainischen FJB. 7 im Abschnitte Campigoletti zu
danken. Gegen diesen liefen zwei Alpinibataillone vergebens Sturm;
sie mußten trotz des Einlangens von Verstärkungen unter schweren
Verlusten die Angriffe einstellen.
An den übrigen Teilen der Korpsfront hatten die Italiener nirgends
mit gleicher Wucht wie auf dem Grenzkamm angegriffen. Örtliche Ein-
brüche gelangen dem Feinde am 10. Juni auf dem Mt. Forno, wo ihn
ein sogleich angesetzter Gegenstoß des steirischen IR. 27 hinauswarf,
ferner westlich der Cr,a. Zebio. In diesem schon seit Jahresfrist heiß
umstrittenen Kampfgebiete hätte die Sprengung einer großen Minen-
anlage den Angriff einleiten sollen, aber die italienische Mine ging
durch einen Blitzschlag schon am 8. Juni hoch, der Verteidiger besetzte
den Trichter und nahm den Italienern, die schwere Verluste an Offi-
zieren erlitten hatten, weitere Erfolgsaussichten in diesem Abschnitte x).
Ein örtlicher Einbruch, der nach einer am 10. Juni vorgenommenen
kleineren Sprengung an dieser Frontstelle glückte, wurde durch die
hier stehenden steiermärkischen Schützenregimenter 3 und 26 wieder
wettgemacht.
Auch weiter südlich hatten die Stellungen der 22. SchD. schwer
unter dem Massenfeuer gelitten; starke Angriffe der Italiener gegen
den Mt. Dorole, den Mt. Interotto und bei Camporovere wurden teils
durch Sperrfeuer, teils im Nahkampfe abgewiesen. Bei der Gruppe
Obst. Vidossich war ein örtlicher Einbruch in die Stellungen der Zilier-
taler Standschützen bei Rotzo bald bereinigt.
Der Erfolg des Tages war für die Italiener dennoch nicht unbedeu-
tend, und nur mit Mühe gelang es, das zwischen der 6. und der 18. ID.
aufgerissene Loch verläßlich zu schließen. Eine Fortsetzung des Stoßes
am 11. oder 12. konnte für den Verteidiger verhängnisvoll werden,
1) Brigate di Fanteria, VI, Brig. Catania, 89. Die Explosion erfolgte wahrend
einer Orientierung für den beabsichtigten Angriff und kostete die Italiener 22 Offi-
ziere und 100 Mann.
13*
196
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
da er Gefahr lief, daß die eben erst nur notdürftig hergestellte Front
gänzlich zerrissen werde. Der auf dem Grenzkamm befehligende italie-
nische Divisionär war in der Tat entschlossen, den Stoß am 12. fort-
zuführen; es sollten sechs Bataillone gegen die C. Dieci und in den
Rücken der Ortigarastellung vorgehen1). Zum Glück für den Verteidi-
ger wurde jedoch die 52. ID. angewiesen, sich zunächst auf örtliche
Verbesserungen zu beschränken; trotz dieses Auftrages erlahmte die
Kampftätigkeit auch an den folgenden Tagen nicht.
Gegen den gefährdeten Raum auf dem Grenzkamm eilten die näch-
sten Reserven heran. Während die 18. ID. ihre Südflanke durch Heran-
schieben des Bataillons X/14 in den Raum nordöstlich der C. Dieci zu
sichern trachtete2), setzte die 6. ID. noch am 10. abends das Bataillon
IV/14 auf der Höhe -<¡>-2051 östlich der Porta Lepozze ein, wo der Feind
am Vortage zum Stehen gebracht worden war. Zwei Kompagnien dieses
Bataillons und eine Kompagnie des F JB. 20 wiesen am 11. früh einen
starken italienischen Angriff gegen die steil abfallende Nordseite des
Mt. Ortigara ab.
FM. Conrad hatte schon am 10. Juni in einer dringenden Depesche,
mit der er der Heeresleitung das Losbrechen des seit langem erwar-
teten italienischen Ansturmes meldete, darauf hingewiesen, daß die der
Heeresgruppe zur Verfügung stehenden Kräfte nur zur Abwehr des
ersten Stoßes ausreichen würden, und demnach Verstärkungen rasche-
stens nötig seien. Das AOK. bemerkte in seiner Antwort, daß es von
seiner Überzeugung, auf der die Abwehr gegen Italien aufgebaut sei,
daß die Entscheidung, im Isonzoraum falle, auch jetzt nicht abgehen
könne. Ein Teilangriff von zehn italienischen Divisionen auf der Hoch-
fläche von Asiago berechtige nicht zu einschneidender Schwächung der
5. Armee; im Nordosten könnten gegenwärtig keine Kräfte freigemacht
werden. Eine von Conrad am 11. vorgelegte Würdigung der Lage an
der italienischen Front vermochte angesichts der Gesamtlage an der
Entscheidung der Heeresleitung nichts zu ändern.
Der Gegenangriff des k.u.k. III. Korps am 15. Juni
Das k.u.k. 6. IDKmdo., FML. Edi. v. Mecenseffy, hatte noch am
10. Juni außer dem bereits eingesetzten Bataillon III/59 und dem zur
Porta Lepozze befohlenen Bataillon IV/14 noch das Bataillon 11/14 auf
!) Como Dagna Sabina, L'Ortigara (Mailand 1934), 87.
2) Ehnl, 57ff.
Neugruppierung des Verteidigers
197
den Nordflügel verschoben, um das abgekämpfte FJB. 20 ablösen zu
können1). Dieser Truppenwechsel fand, gestört durch wiederholte klei-
nere, aber tatkräftig geführte Vorstöße der Italiener, in den Nächten auf
den 12. und auf den 13. Juni statt. Es standen nunmehr auf dem Nord-
flügel der 6. ID. (12. IBrig.) : das FJB. 7 im Abschnitte Campigoletti, an-
schließend auf dem Osthange des Mt. Ortigara das Bataillon 11/14.
Hakenartig nach Westen zurückgebogen auf dem Nordhang dieses Ber-
ges war III/59 in Stellung; den westlichen Abschluß der nach Verlust der
Lepozzestellung entstandenen Ausbuchtung stellte das Bataillon IV/14
auf der Höhe -<¡>2051 her. In diesen Linien wurden die oben erwähnten
italienischen Teilangriffe vom 11. bis zum 13. Juni abgewiesen; im übri-
gen waren beide Teile fieberhaft bemüht, sich wenigstens notdürftig
verteidigungsfähige Stellungen zu schaffen.
Entlang der übrigen Korpsfront war nur der Stellungsteil zwischen
dem Mt. Zebio und dem Mt. Dorole in den Abendstunden des 12. Juni
das Ziel eines tief gegliederten Angriffes, der von der 43. SchBrig. mühe-
los abgewiesen wurde.
Das III. Korpskmdo., Gdl. Krautwald, hatte noch am 11. Juni
die 6. ID. angewiesen, die gegenwärtigen Stellungen um jeden Preis
zu halten und spätestens am 14. das Verlorene im Gegenangriff zurück-
zugewinnen. Auch das Heeresgruppenkommando betonte in einer am
12. Juni an das 11. Armeekmdo. ergangenen Weisung, der geplante
Gegenangriff auf den Grenzkamm sei ehestens durchzuführen, da
auf die baldige Vertreibimg des auf Porta Lepozze eingedrungenen
Feindes größter Wert gelegt werde. Für die geplante Kampfhandlung
wurden die verfügbaren Reserven entsprechend nachgeführt. Bis zum
14. Juni abends — der Angriff war auf den 15. verschoben worden —
gelangte das FJB. 23 zur 12. IBrig.; das BataillonIV/27, die aus der
Assastellung (Gruppe Obst. Vidossich) herausgelösten Bataillone I und
III/14 sowie das vom XIV. Korps2) beigestellte 2. Bataillon des TJR. 4
waren Reserven der 6. Division. Der 22. SchD. standen zwei Kaiser-
1) IR. 14: Ein Buch der Erinnerung an große Zeiten 1914—1918 (Linz 1919),
100 ff., 246 ff.
2) In den Monaten Dezember 1916 und Jänner 1917 hatten in Südtirol folgende
Umbenennungen stattgefunden. Die bisherige 8. ID. führte seit 9. Dezember die Be-
zeichnung „Kaiserjägerdivision", deren Brigaden (58. GbBrig. und 180. IBrig.) hießen
seit 16. Jänner „1." und „2. Kaiserjägerbrigade" j schließlich wurde Ende Jänner das
bisherige XX. Korps, GdK. Schönburg, in „XIV. Edelweißkorps", das bisherige Korps
Roth an der Dolomitenfront in „XX. Korps" umbenannt. Schließlich wurde die bis-
herige 3. ID. vom 2. Mai an als „Edelweißdivision" bezeichnet.
198
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Schützenbataillone (II. und III./KSchR. I) zur Verfügung. Das III. Korps-
kmdo. hatte fünf Bataillone, das 11. Armeekmdo. fünfeinhalb, das Hee-
resgruppenkommando drei Bataillone in Reserve.
Auf italienischer Seite hatte das XX. Korpskmdo. am 12. ange-
ordnet, daß die beiden auf dem Nordflügel der 52. ID., im Räume
Lepozze—Ortigara, kämpfenden Alpinigruppen durch eine Brigade der
10. ID. abzulösen seien. Dieser Wechsel verzögerte sich wegen der
Kämpfe am 12. und am 13. Juni und war daher eben im Gange, als
der öst.-ung. Gegenangriff erfolgte.
Diesem war als erstes Ziel die Wiedergewinnung der Höhe -<¡>-2071
gesetzt; in weiterer Folge sollte der ganze ehemalige Abschnitt Lepozze
zurückerobert werden. Die verfügbare Vorbereitungszeit war aber zu
kurz bemessen, um Führern und Truppen der insgesamt 31/2 Bataillone
starken Angriffsstaffel ausreichende Kenntnis des größtenteils unbe-
kannten Geländes und sorgfältige Vorbereitung des Zusammenwirkens
mit der Artillerie zu ermöglichen. So hatte das am 15. Juni um 2h30
früh nach kurzer Feuervorbereitung einsetzende Angriffsunternehmen
nur vorübergehend Erfolg. Wohl gelang es den Sturmpatrouillen und
der ersten Welle der Oberösterreicher und Salzburger, auf der Höhe
-<¡>-2071 in die feindlichen Linien einzudringen und zahlreiche Maschinen-
gewehre zu erbeuten; die eben abgelösten italienischen Bataillone warfen
sich ;aber entschlossen in den Kampf, und nach erbittertem Handgemenge
mit der erdrückenden Überzahl der Italiener mußten die eben noch
erfolgreichen Angreifer unter Preisgabe ihrer Beute und unter schwe-
ren Verlusten in die Ausgangsstellungen weichen.
Bei Morgengrauen legte die italienische Artillerie heftiges Feuer
auf die öst.-ung. Ortigarastellungen. Dann versuchten die Italiener,
allerdings vergebens, ihren nächtlichen Abwehrerfolg durch hartnäckige
Angriffe gegen den Mt. Ortigara und die Höhe -<¡>-2051 zu einer Ver-
breiterung der Einbruchsstelle vom 10. Juni auszunützen. Nach schwe-
ren, den ganzen Tag über währenden Kämpfen ließen beide Teile erst
mit Eintritt der Dämmerung die Waffen sinken, um im stillschweigen-
den Einvernehmen die zwischen den Stellungen liegenden Verwundeten
zu bergen. Der heiße Kampftag hatte die Angriffsgruppe des k. u. k.
III. Korps an 6000 Mann gekostet, das Herauslösen der sehr erschöpften
und erschütterten Bataillone aus der Kampffront war eine dringende
Notwendigkeit geworden.
Dementsprechend wurden in der Nacht auf den 16. Juni das Batail-
lon III/59 an der Ortigara-Nordfront durch III/14, das Bataillon IV/14
Kämpfe im Adamellogebiet
199
auf Höhe -<^2051 in der folgenden Nacht durch 1/14, schließlich am 18.
das Bataillon 11/14 an der Ostfront des Mt. Ortigara durch das 2. Ba-
taillon des TJR. 4 abgelöst1).
Das 11. Armeekmdo. war fest entschlossen, den Gegenangriff ehe-
stens zu wiederholen; denn die Gefahren, die den Abwehrstellungen auf
der Hochfläche von Asiago ebenso wie der Front in der Val Sugana
gegenüber dem vom Feinde auf dem Grenzkamm vorgetriebenen Keile
drohten, waren zu offensichtlich. Dieser Absicht schloß sich auch FM.
Conrad an, der am 16. Juni zur Orientierung beim III. Korpskmdo.
weilte. Weitere Reserven in den Frontteil auf dem Grenzkamm zu ver-
schieben, erschien ihm jedoch zu bedenklich, denn die unverminderte
Drohung der italienischen 6. Armee gegen die ganze Front auf der
Hochfläche von Asiago fand nunmehr eine wesentliche Verschärfung
durch die deutlich erkennbaren Angriffsvorbereitungen gegen den Raum
zwischen der Zugna Torta und dem Pasubio. Schließlich erforderte in
diesen Tagen ein Mißerfolg an der Tiroler Westfront entsprechende
Vorsorgen.
Im Adamellogebiete hatten sich die Italiener im April 1916 des
ausgedehnten Gletschergebietes zwischen der Reichsgrenze und dem
Kamme Crozzon di Lar(es—Crozzon di Fagorida bemächtigt (Bd. IV,
S. 204 ff., weiters Skizze 4 und Beilage 6 dieses Bandes). Auf dem Süd-
teile dieses Kammes verblieb der Corno di Cavento (3400 m) als vor-
geschobener Beobachtungsposten im Besitze der Truppen des Rayons III.
Hier stand im Juni 1917 eine Kaiserjägerstreifkompagnie; zudem waren
in mühevoller Arbeit zwei Gebirgskanonen auf diese Spitze geschafft
worden, deren Feuer den Italienern wegen der Wirkung in den Rücken
ihrer Stellungen und wegen der Unterbindung des Tagesverkehres über
die Gletscher überaus lästig fiel. Am 15. Juni führten weit überlegene
Kräfte, ein Alpinibataillon und Skiabteilungen, nach heftigstem Artil-
leriefeuer ein umfassendes Unternehmen gegen diesen vorgeschobenen
Posten aus, das zum Verlust der Bergspitze und zum Untergange der
Besatzung führte; die Geschütze fielen nach Sprengung in Feindeshand.
Bevor es sich herausgestellt hatte, daß sich der Feind mit diesem Er-
folge zufriedengab, hatte das 11. Armeekmdo. aus seinen kärglichen
Reserven das Radfahrerbataillon Obstlt. Edi. v. Schönner dem betrof-
fenen Rayon III zugeschoben, um ein weiteres Vordringen des einge-
brochenen Feindes verhindern zu können.
x) IR. 14, Ein Buch der Erinnerungen, 256 f.
200
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Die Erneuerung des italienischen Ansturms
(18. und 19. Juni)
Hiezu Skizze c der Beilage 10
Die italienische Führung sah sich durch den am 15. Juni errunge-
nen Abwehrerfolg in ihrem Entschluß bestärkt, den Versuch vom 10. Juni
zu erneuern, um die mit so großem Aufwand an Kräften und Kampf-
mitteln auf der Hochfläche von Asiago angestrebten Ziele vielleicht
doch noch zu erreichen. Wiederum sollte im ganzen Raum zwischen
dem Grenzkamm und der Assaschlucht bei Asiago angegriffen werden;
der Hauptstoß fiel wie am 10. Juni dem XX. Korps am Nordflügel der
Angriffsstaffel zu. Die 52. ID., zu deren 20 Alpini- und 6 Infanterie-
bataillonen noch ein Bersaglieriregiment kam, die also nunmehr über
29 Bataillone verfügte, hatte den Stoß entlang und südlich des Grenz-
kammes zu führen. Die 29. ID. bekam wiederum den bisnun vergeblich
berannten Raum um den Mt. Forno als Ziel.
Die 52. ID. wurde in zwei Angriffssäulen angesetzt1). Von der
rechten sollte sich eine Gruppe von vier Bataillonen, in westlicher Rich-
tung vorstoßend, zunächst der Höhe -<¡>-2051 und des dahinter liegen-
den Sattels der Porta Lepozze bemächtigen. Die Hauptkraft dieser
Kolonne, in der Stärke von elf Bataillonen, hatte den von Nord und
Ost umklammerten Mt. Ortigara zu nehmen, gegen den überdies noch
von Südosten her fünf Bataillone der Südkolonne angesetzt wurden,
während drei Bataillone den Gegner auf dem Mt. Campigoletti zu
binden hatten. Der nördlichen Kolonne waren drei Gebirgsbatterien
und drei Sappeurkompagnien, der südlichen vier selbständige Maschi-
nengewehrkompagnien, drei Gebirgsbatterien und eine Sappeurkom-
pagnie beigegeben. In der bis zum 10. Juni als erste Linie besetzten
Stellung verblieben vier Bataillone und zwei Maschinengewehrkompag-
nien; die Divisionsreserve zählte zwei Bataillone. Schließlich wurde der
52. ID. am 19. eine weitere Infanteriebrigade zur Verfügung gestellt,
von der zwei Bataillone noch am gleichen Tage eingriffen.
Dieser gegen den Nordflügel der 6. ID. zusammengeballten An-
griffsmasse von 35 Bataillonen konnte das k. u.k. III. Korps entgegen-
stellen: im Abschnitte Lepozze das Bataillon 1/14, im Abschnitte Ortigara
die Bataillone III/14 und II/TJR. 4, im Abschnitte Mt. Campigoletti
nach wie vor das FJB. 7. Hinter diesen vier Frontbataillonen standen
!) Como Dagna Sabina, 173 ff.
Neuerlicher Einbruch der Italiener
201
I1/2 Bataillone in Reserve, weiters waren noch 31/2 Bataillone als Divisions-
reserve verfügbar. Dies ergibt 9 öst.-ung. gegenüber 35 italienischen
Bataillonen, also eine vierfache Überlegenheit des Feindes. An weiteren
Reserven waren vorhanden: beim III. Korpskmdo. 7 Bataillone (davon
waren zwei völlig abgekämpft,), als Armeereserve 3 Bataillone; eine
gleiche Anzahl war Heeresgruppenreserve.
Die Feuervorbereitung der Italiener begann am 18. um 8h früh
gegen die ganze Angriffsfront und steigerte sich gegen Mittag zum
Trommelfeuer. Wiederum lagen die Stellungen der 6. ID., ferner jene
der 43.SchBrig. im Räume der Cra. Zebio zugleich unter dem Zer-
störungsfeuer der Artillerie und heftigem Minenfeuer; wiederum wirk-
ten die italienischen schweren Geschütze bis weit hinter die Front.
Das Vorfühlen feindlicher Abteilungen wurde im Laufe des Tages
allenthalben vereitelt. Um 7h nachm. scheiterte ein stärkerer Angriff
gegen den Abschnitt Mt. Forno im zusammengefaßten Feuer der Ab-
wehrartillerie.
Am schwersten litten die Truppen auf dem Nordflügel der 6. ID.
unter dem feindlichen Massenfeuer, das in verminderter Heftigkeit auch
über Nacht anhielt. In den durch die zehntägige Beschießung zertrüm-
merten und verschütteten Kampfanlagen auf dem Mt, Ortigara, nament-
lich aber in den neuen, durch Steinriegel oder im Felsboden kaum
angedeuteten Gräben auf dem Nordhange dieses Berges und bis zum
Felsabbruch nördlich der Höhe -<¡>-2051 häuften sich die Verluste in
kaum mehr ertragbarem Ausmaße. Gegen diesen Frontteil brandete am
19. Juni um 6hfrüh der Ansturm der italienischen Massen heran. Der
vielfachen Überlegenheit erlagen zuerst die Kaiserjäger, die eben die
Stellungen auf der Ostfront des Mt. Ortigara übernommen hatten. Die
den Stoß fortsetzenden italienischen Bataillone faßten dann das auf
dem Nordrande des Berges kämpfende Bataillon III/14, das noch bei
Morgengrauen drei italienische Vorstöße abgewehrt hatte, im Rücken,
und bald war auch das Schicksal dieser drei Kompagnien besiegelt.
Fast 1000 Gefangene, 14 Maschinengewehre und fünf Kanonen x) mel-
deten die Italiener als Beute.
Zwischen den auf der Höhe -<$- 2051 ausharrenden Oberösterreichern
des Bataillons 1/14, denen es gelang, alle Angriffe gegen ihre Front
abzuwehren, und dem FJB. 7, das seine Stellungen auf dem Mt. Campi-
goletti und von hier bis auf den Südwesthang des Ortigara unerschüt-
terlich behauptete, klaffte eine breite Lücke. Hier weiter nach Westen
i) Nach öst.-ung. Meldungen gingen nur zwei Infanteriegeschütze verloren.
202
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
vorzudringen, gelang den Italienern wegen des vom Mt. Campigoletti
flankierend herüberschlagenden und vom Hange der C. Dieci frontal
niederhagelnden Maschinenge wehrf euer s nicht; auch vereinigte die Ab-
wehrartillerie ihr Feuer auf die verlorengegangene Ortigarakuppe. Die
zunächst befindlichen Reserven der 6. ID. eilten zur Schließung der
Lücke herbei; in fast deckungslosem Gelände faßte schwerstes Minen-
feuer ganze Abteilungen des F JB. 23, das alsbald zerschlagen war, und
des Bataillons IV/14. Immerhin war bis zum Abend die unmittelbare
Gefahr beschworen, zumal die Italiener sichtlich daran gingen, den
Mt. Ortigara in ihren Stellungszug einzubauen.
Der Kommandant der italienischen 52. ID. hatte nach Eroberung
des Mt. Ortigara die Absicht, zum Angriff gegen den Mt. Campigoletti
zu schreiten. Die von dort ausgehende Flankenwirkung hatte die Aus-
nützung des Erfolges der Angriffsgruppe bisher verhindert. Das
XX. Korpskmdo. erließ jedoch schon am 19. Juni abends Befehle für
das Zurückfallen in die Verteidigung; nur die 52. ID. hatte nötigenfalls
örtliche Stellungsverbesserungen zu erkämpfen1).
Die Nachricht vom Verluste des Mt. Ortigara war den höheren
öst.-ung. Befehlsstellen in einer Form zugekommen, die schwerste Be-
fürchtungen auslösen mußte. Nach den ersten Meldungen war einerseits
bereits die C. Dieci bedroht, anderseits sollte das FJB. 7 auf dem
Mt. Campigoletti in Flanke und Rücken gefaßt sein. Die Erleichterung,
die sich einstellte, als sich beide Nachrichten als falsch erwiesen, war
sehr verständlich; denn der Besitz des Mt. Campigoletti war bei der
Geländegestaltung die unerläßliche Grundbedingung für jedes Unter-
nehmen, durch das die verlorengegangenen Stellungsteile wiedergewon-
nen werden sollten. Daher war das unerschütterliche Festhalten des
FJB. 7 in seinem selbstgeschaffenen Stellungsnetz 2) von entscheidender
Bedeutung für den schließlichen Ausgang der Schlacht3).
Die in der folgenden Nacht auf dem Grenzkamm einlangenden
*) Como D a g n a Sabina, 88 £.
2) Den Wert des Stellungsausbaues zeigen die verhältnismäßig erträglichen
Verluste dieses Bataillons trotz Ausharrens in Stellungen, die zum Teil (auf dem
Nordflügel) völlig flankiert und vom Feinde auf nahe Entfernung überhöht waren.
Das FJB. 7 verlor vom 10. bis zum 26. Juni insgesamt 9 Offiziere und 340 Mann,
darunter 55 Tote, trotzdem es alle Kämpfe ohne Ablösung mitmachte. Diese Zahlen
beweisen die Richtigkeit des Erfahrungssatzes : „Ströme von Schweiß ersparen Ströme
von Blut".
3) Obstlt. Eugen Seydl, Kommandant des FJB; 7, erhielt für diese Waffentat
das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens.
Verstärkungen für den Verteidiger
203
Reserven, zunächst das Bataillon III/KSchR. II der 6. ID. und das
Bataillon X/14 der 18. ID., bannten die Gefahr für diesen Abschnitt.
An den anderen Frontteilen des k. u. k. III. Korps war es am 19.
sowohl im Räume des Mt. Forno als auch zwischen dem Mt. Zebio und
dem Mt. Dorole zu italienischen Angriffen gekommen, die im Abwehr-
feuer zusammenbrachen. Der entschiedene Angriffswille und der ent-
schlossene Einsatz der starken Kräfte, die der italienischen Führung zur
Verfügung standen, blieben an diesem Tage, mit alleiniger Ausnahme
bei der auf dem Mt. Ortigara fechtenden 52. ID., völlig aus; alber auch
an der letztgenannten Stelle wußte die italienische Führung wie am
10. Juni die von der schneidig angreifenden Infanterie errungenen ört-
lichen Erfolge nicht auszunützen.
Schließlich brachte der 19. Juni den Einbruch italienischer Flieger-
massen nach Südtirol; 145 Flugzeuge warfen 5V2 t Sprengstoffe ab.
Diesem Fluggeschwader, dem 61 Kampfflieger angehörten, vermochte
die k.u. k. 11. Armee nur 26 Flugzeuge, darunter 3 Kampfflieger, ent-
gegenzustellen.
FM. Conrad erneuerte auf Grund der von der Hochfläche von
Asiago einlangenden Nachrichten am 19. Juni sein Verlangen nach Zu-
weisung von Reserven und erhielt sogleich die Zusage, daß von der
aus Kroatien anrollenden 73. ID. das Kommando, FML. Ludwig Goigin-
ger, und eine Brigade nach Südtirol gelangen würden. Sie sollten jedoch
vorerst nahe der Bahn belassen werden, um im Bedarfsfalle möglichst
rasch der Isonzoarmee zugeschoben werden zu können, der die zweite
Brigade zugewiesen worden war.
Die am 19. Juni abends eintretende Kampfpause auf dem blut-
getränkten Gefechtsfelde zunächst des Grenzkammes ermöglichte die
Ablösung der hier stehenden, in heldenhafter Pflichterfüllung zusam-
mengeschmolzenen Bataillone der 12. Brigade. So lösten das Batail-
lon III/KSchR. II die Besatzung der neuen Riegelstellung westlich vom
Mt. Ortigara, ein Halbbataillon X/14 das 1. Bataillon des gleichen Regi-
ments auf der Höhe 2051 ab.
Die Wiedereroberung des Mt. Ortigara am 25. Juni
H i e z u Skizze d der Beilage 10
Bei der entscheidenden Wichtigkeit, die das seit dem 10. Juni auf
dem Grenzkamm an die Italiener verloren gegangene Gelände für die
204
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Abwehrfront in Südtirol hatte, waren der Kommandant der 6. ID.,
FML. Mecenseffy, ebenso wie der Komimandant des III. Korps, Gdl.
Krautwald, schon am 19. Juni fest entschlossen, ehestens zum Gegen-
angriffe zu schreitenx). Daß dessen Durchführung erst nach sorgfäl-
tigster Vorbereitung mit frischen Truppen zu unternehmen sei, war
allen Befehlsstellen klar; über die hiefür nötigen Kräfte gingen die
Meinungen jedoch auseinander. Das 11. Armeekmdo. hatte unter dem
Eindrucke der ersten Alarmmeldungen am 19. Juni mittags den Einsatz
einer frischen Division für unerläßlich gehalten. FML. Mecenseffy for-
derte mindestens sechs Bataillone, welche Zahl nach Meinung des
III. Korpskmdos. bei der schwierigen Versorgung das Höchstmaß an
Kraftzuschuß darstellte. Der Zuschub reichlicher Munitions Vorräte für
die fast verschossenen Batterien mußte Hand in Hand mit dem Heran-
führen von Verstärkungen gehen2).
Die Vorbereitungen für den Gegenangriff hatte der Kommandant
der 98. Kaiserschützenbrigade, Obst. v. Sloninka, zu treffen, der in der
Nacht auf den 22. Juni die Führung des Nordflügels der 6. ID. vom
Mt. Campigoletti bis zum Bruchrand nördlich der Höhe -<¡>-2051 über-
nahm. Das Verhalten des Feindes, der nur mehr am 20. seine Batterien
in lebhafter Feuertätigkeit hielt, sich aber sodann emsig dem Ausbau
seiner neuen Stellungen widmete, gestattete die ruhige Durchführung
aller nötigen Vorbereitungen. Am 22. Juni wurde dem eben in Tirol
eingelangten Kommandanten der 73. ID., FML. Ludwig Goiginger, als
Führer einer korpsunmittelbaren Gruppe die Leitung der gesamten
Kampfhandlung übertragen, nachdem ihm FM. Conrad gelegentlich
seiner Meldung die Wichtigkeit seiner Aufgabe mit folgenden Worten
dargetan hatte: „Die Lepozzestellung muß wieder genommen werden,
sonst ist die ganze Front nicht mehr zu halten3)."
Für die Kampfhandlungen standen zur Verfügung: von der 18. ID.
das Bataillon X/14, von der 6. ID. die Bataillone 1/14, I/KSchR. I,
III/KSchR. II, das FJB. 7, zwei Bataillone des IR. 57, das halbe Sturm-
bataillon der 11. Armee, eine Sappeurkompagnie und drei Trägerkom-
pagnien, ferner alle Batterien der 6. und der 18. ID., die zur Wirkung
1) Sloninka, Die Kämpfe um die Ortigara—Lepozzestellung [Unsere Kaiser-
schützen] (Hall i. T. 1927), welches Buch neben L ü t z o w, Die Ortigarakämpfe
(Hall i. T. 1922), eingehend die Ortigaraschlacht schildert.
2) Die Artilleriegruppe auf dem Nordflügel der 6. ID. hatte am 10. Juni 1601,
am 15. bis zum Mittag 196 t, am 18. Juni 164 t und am 19. 250 t verfeuert (Slo-
ninka, 11, 13, 20).
3) Sloninka, 28.
Die Vorbereitungen für den Gegenangriff
205
in den Angriffsraum befähigt waren, zusammen 60 leichte sowie
31 mittlere und schwere Geschütze, schließlich 12 Minenwerfer.
Die Frage des Angriffstages war bei dem langwierigen Munitions-
zuschub nicht leicht zu lösen. D;a die Zeit drängte, um dem Feind nicht
einen gründlichen Ausbau seiner Stellungen zu gestatten, entschloß man
sich, von einer lang währenden Feuervorbereitung abzusehen und den
Angriff nur von einem kurzen, orkanartigen Feuerstoß einleiten zu
lassen. Hiefür und zur Durchführung der vom 22. Juni an unternom-
menen wiederholten Feuerüberfälle, die den Feind alarmmüde machen
sollten, genügten die bis zum 24. abends einlangenden Munitions Vorräte,
so daß der 25. Juni als Angriffstag bestimmt werden konnte.
Auf italienischer Seite war noch in der Nacht auf den 20. eine
Infanteriebrigade der 10. ID. eingesetzt worden, um jene Truppen,
die am meisten gelitten hatten, aus der Front lösen zu können. Sonach
standen in dem neugewonnenen Frontbogen, der in drei Abschnitte geteilt
wurde, folgende Kräfte x) : im nördlichen Abschnitte zwischen der Höhe
>2007 und der Höhe2071 (Lepozze) sieben Bataillone; in der Mitte
(Mt. Ortigara) vier Bataillone, im südlichen Abschnitte wieder sieben
Bataillone. Auf den Mt. Ortigara wurden drei Gebirgsbatterien vorge-
zogen, In Reserve befanden sich zehn Bataillone; der Rest der 52. ID.
lag in Erholungslagern nahe der alten Stellung. Dieses Zusammenballen
der Kräfte wurde den Italienern zum Verderben.
Für den Angriff, der nach der Geländegestaltung nur frontal vom
Westen her möglich war, wurden von vornherein nur schwächere, aber
unbedingt verläßliche und gebirgsvertraute Abteilungen ausersehen. Es
wurde sogar darauf verzichtet, alle zur Verfügung stehenden und diesen
Vorbedingungen entsprechenden Truppen in die Angriffsstaffel ein-
zubeziehen. Um im Falle des Mißlingens des Angriffes wenigstens die
Ausgangsstellungen verläßlich behaupten zu können, blieben diese durch
das F JB. 7 und Teile der Bataillone III/KSchR. II und X/14 besetzt.
Die Angriffsstaffel, für deren Bereitstellung ein schwieriger, dem
Feinde die Flanke weisender Anmarsch hinter dem Mt. Campigoletti
unvermeidlich war, wurde in drei Gruppen geteilt. Die nördliche (zehn
Sturmpatrouillen, das Bataillon I/KSchR. I, dahinter ein Halbbatail-
lon III/57) hatte die Höhe >2071 und die mittlere (sieben Sturm-
patrouillen, 2V2 Kompagnien des Bataillons III/KSchR. II, das zweite
Halbbataillon III/57) den Mt. Ortigara zu nehmen, während die südliche
Kolonne (sechs Sturmpatrouillen) aus dem Abschnitte Campigoletti in
x) Como Dagna Sabina, 192 ff.
206
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
nordöstlicher Richtung in den Rücken des Mt. Ortigara vorstoßen sollte.
Die als hintere Wellen eingeteilten Kompagnien des Bataillons III/57
sollten sich nach dem Einbruch in der italienischen Stellung festsetzen,
während die vorderen Wellen in einem Zuge in die alten öst.-ung.
Stellungen an den Osthängen der beiden Ortigarakuppen vorzustoßen
hatten. Der nördlichen und der mittleren Gruppe folgten noch drei
Kompagnien des Bataillons 11/57 mit dem Auftrage, Munition und
Handgranaten vorzubringen.
Die Artillerie, deren Leitung Obst. Ritt. v. Romer der 18.FABrig.
übernahm, hatte nach zusammengefaßtem kurzem Zerstörungsfeuer
gegen die anzugreifenden Stellungen langsames, mit Gaswirkung ver-
mischtes Sperrfeuer in die Niederung östlich vom Mt. Ortigara zu legen
und die wichtigsten feindlichen Batterien zu vergasen.
Das Artilleriefeuer begann nach Bereitstellung der Angriffsstaffel
programmgemäß am 25. Juli um 2h 30 früh und war von überwältigen-
der Wirkung. Hinter der Feuerwand arbeiteten sich die Angriffswellen
an den feindlichen Drahtverhau heran und begannen dessen Zerstörung.
Als um 2h40 das Feuer vorverlegt wurde, brachen die Sturmpatrouillen
in die italienische Stellung auf dem Mt. Ortigara ein. Weniger glatt
vollzog sich der Einbruch auf der Höhe -<¡>2071, wo einige unentwegt
feuernde italienische Maschinengewehre und ein Flammenwerfer mehr-
maligen Anlauf nötig machten, bis auch hier die Schützen an das Auf-
räumen der Gräben gehen konnten. Der in unsere ehemalige Stellung
auf dem Ostrande der Höhen forgesetzte Stoß traf hier auf mit Re-
serven vollgepfropfte Gräben und Stollen. Durch das, vorangegangene
Massenfeuer empfindlichen Verlusten ausgesetzt, streckten hier viele
Hunderte von Italienern die Waffen, da das Sperrfeuer jede Rückzugs-
möglichkeit verriegelte.
Kaum hatten sich die Sieger in den zertrümmerten alten Stellungen
notdürftig eingerichtet, als mit Tagesanbruch stärkstes italienisches Ver-
geltungsfeuer niederhagelte und die während des Angriffs geringen
Verluste auf ein Vielfaches steigerte. Auf der besonders ausgesetzten
Höhe -<¡>2071 erreichten die Einbußen 50 v. H. des Standes, aber die
Schützen harrten trotzdem aus. In den Abendstunden versuchte dann
der Feind, mit Hilfe zusammengeraffter Reserven, die den Kaiser-
schützen um ein Vielfaches überlegen waren1), in verzweifelten An-
läufen das Schlachtenglück zu wenden, aber diese Versuche scheiterten
1) Laut Ministero della guerr a, Alpini (Rom 1930), griffen am
25. Juni wenigstens sieben Alpinibataillone an.
Der Erfolg des Gegenangriffes
207
ebenso wie die am 26. Juni nach 3h früli wiederholten Anstürme. In
den Morgenstunden erlahmte das italienische Feuer.
„Bei Tagesanbruch endlich — nach mehr als vierundzwanzigstün-
digem Kampfe — stellte der Feind auch hier das Feuer ein. Nur kleine
Kaliber feuerten noch bis Mittag weiter. Er hatte die Partie endgültig
verloren gegeben. Die heldenmütigen Kaiserschützen und einige in ihren
Reihen kämpfende Waffenbrüder anderer Truppen hatten, unterstützt
von einer vorzüglichen Artillerie, das Schwerste vollbracht — sie hatten
die Stellung nicht nur mit Elan genommen, sondern diesen fast dek-
kungslosen Trümmerhaufen mit beispielloser Todesverachtung, Zähig-
keit und Disziplin auch im verheerendsten feindlichen Feuer gegen alle
Angriffe behauptet1)/'
Noch war die in der Porta Maora liegende Kuppe -<>- 2007 in den
Händen des Feindes, da ein frontaler Angriff gegen diese kleine Festung
verlustvoll gescheitert war. Um den Zusammenhang mit der Caldiera-
ste-llung der 181.IBrig. sicherzustellen, mußte auch dieser letzte Rest
des italienischen Raumgewinnes zurückerobert werden. In der Nacht
auf den 30. Juni gelang es nach sorgfältiger Erkundung einer tatkräftig
geführten Kompagnie des Bataillons X/14, von der Höhe -<¡>-2071 abstei-
gend, dem Feind in überraschendem Vorstoß unter geringen Opfern die
schwer zugängliche Kuppe abzunehmen und ihn gegen die C. Maora
zurückzudrücken 2).
Reiche Beute war dem Angreifer seit dem 25. Juni zugefallen. An
70 Offiziere und 2000 Mann betrug die Zahl der Gefangenen, 12 Ge-
schütze, 62 Maschinengewehre (darunter fünf eigene), 5 Minenwerfer,
5 Sprengröhren werf er und über 3000 Gewehre wurden eingebracht.
Ergebnisse und Auswirkung
Die von der italienischen Führung schon seit langem vorbereitete
Kampfhandlung großen Stiles zur Wiedergewinnung des Kempelrückens
hatte in dreiwöchigem hartem Ringen zuerst bescheidene Fortschritte
gebracht. Sie endete dann aber mit einem vollständigen Mißerfolg, der
in Anbetracht der überaus empfindlichen Verluste, die die Unterneh-
mung Italien gekostet hatte, das Seinige dazu beitrug, die Stimmung des
italienischen Heeres auf das Ungünstigste zu beeinflussen. Die italienische
52. ID. verlor allein 660 Offiziere und 15.000 Mann; 350 Offiziere
1) Sîoninka, 38.
2) Ehnl, 65. 1
208
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
und 7000 Mann büßte die Infanterie der übrigen Divisionen an der
Angriffsfront ein1). Mit 1000 Offizieren und über 22.000 Mann2) er-
reichten die italienischen Verluste jene einer Isonzoschlacht; davon ent-
fielen aber zwei Drittel auf einen 2 km breiten Frontstreifen. Man muß
sich dies vergegenwärtigen, um das Entsetzen und den Schmerz über
die vergebens hingeopferte Blüte der italienischen Alpinitruppen zu ver-
stehen, die sich fortab in Italien um den Namen „Ortigara" woben.
Die Verluste des k. u. k. III. Korps in der Abwehrschlacht — 251 Of-
fiziere und 8577 Mann — wurden der Hauptsache nach von jenen zehn
Bataillonen getragen, die im Räume Ortigara—Lepozze in vorbildlichem
Opfermut einen Großteil ihres Standes einbüßten. Die Verluste der
Heeresgruppe FM. Conrad im Verlaufe des Monates Juni zeigt die
folgende Übersicht:
Heereskörper Offiziere Mann
tot verw. krank verm. Summe tot verw. krank verm. Summe
11. Armee III. Korps 26 154 125 71 376 966 6167 3627 1444 12.204
18. ID., XIV. Korps, Gr. Etschtal, Rayon III 2 13 39 5 54 74 665 2090 100 2.929
XX. Korps, Rayone I und II 5 11 26 — 42 68 361 1634 3 2.066
Summe 33 178 190 76 477 1108 7193 7351 1547 17.199
ab krank 190 ab krank 7.351
blutige Verluste u. Gefang. 287 blutige Verluste u. Gefang. 9.848
An den Feind gingen verloren: 25 Maschinengewehre, 3 Minen-
werfer, 3 Granatwerfer, 2 Infanteriegeschütze3), 2 Kanonen.
Die aufopfernde Abwehr und der mit sparsamer Kraftentfaltung
erfolgreich geführte Gegenschlag sowie die besondere Wichtigkeit des
umstrittenen Raumes verleihen der Ortigaraschlacht eine über ihren
Umfang weit hinausgehende Bedeutung. Es geschah hier zum ersten
Male, daß verhältnismäßig schwache öst.-ung. Sturmpatrouillen einer
!) Zusammengestellt aus Le Medaglie d'oro, III, 71, dann aus „Brigate di
fanteria", „Alpini", „Bersaglieri".
2) C a b i a t i, La battaglia dell'ottobre 1917 (Mailand 1933), 102, gibt die
italienischen Verluste in der Ortigaraschlacht gleichfalls mit 22.000 Mann an.
3) Vgl. Fußnote 1) auf S. 201.
Ursachen des italienischen Mißerfolges
209
überwältigenden Übermacht gegenüber einen so durchschlagenden Er-
folg errungen hatten, ein Beweis dafür, daß ausgesuchte, für einen
besonderen Zweck eingeschulte, umsichtig und schneidig geführte Trup-
pen auch einen an Zahl und Ausrüstung weit überlegenen Feind nieder-
zuringen vermögen, wenn sie nur zweckmäßig angesetzt und vom Willen
zu siegen erfüllt sind.
Außer den geschilderten Ursachen des Unterliegens der Italiener
sind es wiederum die gleichen Vorgänge wie in allen früheren Kämpfen,
die den Feind des Erfolges beraubten. Das Unterbleiben der Aus-
nützung örtlicher Einbrüche scheint allerdings nach der Veröffent-
lichung des Gen. Gomo Dagna Sabina nicht allein in der mangelnden
Tatkraft der niederen Führung, die den Entschluß zum Durchbruch
um jeden Preis nicht finden konnte, sondern auch in der Gängelung
durch die höheren Befehlsstellen zu liegen.
Cadorna führt das Mißlingen dieser Kampfhandlung, abgesehen von
Führungsfehlern und der Ungunst des Wetters, vor allem auf den ver-
minderten Kampfgeist der Truppen zurück, da sich nur wenige Ein-
heiten, darunter die Alpini der 52. ID., den zersetzenden Einflüssen
umstürzlerischer Propaganda zu entziehen gewußt hätten1).
Das Scheitern der italienischen Frühjahrsoffensive auf der Hoch-
fläche von Asiago hatte eine starke Entlastung der Heeresgruppe Conrad
zur Folge. Vor allem war bald zu erkennen, daß die in ihren Vorberei-
tungen sehr weit gediehene italienische Unternehmung gegen den Raum
zwischen dem Etschtal und dem Borcolapaß aufgegeben worden war.
Die kleinen Plänkeleien an den Tiroler Nebenfronten während des gro-
ßen Ringens südlich der Val Sugana fallen unter das Maß. Nur zwei
italienische Felssprengungen im Rayon V sind zu erwähnen. Hier
sprengten die Italiener am 20. Juni ein Felsband auf dem Lagazuoi,
ohne daß dies, ebenso wie eine neuerliche Sprengung am 29., unsere
Abwehrstellungen in Mitleidenschaft gezogen hätte. Die Aufmerksam-
keit der italienischen Führung wendete sich sichtlich wieder dem
Isonzo zu.
An der Kärntner Front hatten die Italiener sowohl während der
10. Isonzoschlacht als auch während der Ortigar,aschlacht zeitweise An-
griff sabsichten vorgetäuscht, offenbar, um das Abziehen von Kräften
dieser Front zu behindern. Die Unternehmen bestanden vornehmlich in
gesteigerter Artillerietätigkeit, aber auch in örtlichen Vorstößen klei-
nerer Abteilungen. Die Verteidiger übten mit ihren Batterien Vergeltung
!) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 382.
VI 14
210
Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
und vollführten des öfteren Sturmtruppsunternehmen. So wurde am
22. Mai von Patrouillen des IR. 7 die italienische Besatzung auf dem
Plöckenpaß überfallen und niedergemacht.
Mitte Juni nahm das Wirkungsschießen der feindlichen Artillerie
im Gebiete des Plöcken einen solchen Umfang an, daß das 10. Armee-
kmdo., GO. Krobatin, ein größeres Vorhaben der Italiener für bevor-
stehend erachtete. Allein die erwarteten Angriffe blieben aus. Es er-
folgten nur Vorstöße kleinerer Abteilungen, die durch die wachsamen
Frontbesatzungen leicht abgewehrt wurden. Dagegen führte ein am
17. Juni zur Aufklärung durchgeführter Kleinangriff von Sturmtruppen
des bh. IR. 4 zur Eroberung einer italienischen Vorstellung auf dem
Rombon, wobei zwei Dutzend Gefangene eingebracht wurden.
Die Kriegsgliederung der 10. Armee änderte sich in diesem Zeit-
abschnitte durch die Abgabe von 41/2 Bataillonen (IR. 28 [2], IBaon.
III/57, FJB. 20 und ein Halbbaon. des IR. 96) sowie einiger Batterien
an die Isonzoarmee und an die Heeresgruppe in Tirol. Ende Juni zählte
die Armee 33 Bataillone und 11 Hochgebirgskompagnien, wobei das
Kärntner IR. 71), das bh. IR. 4 und das südsteirische LstlR. 26 den
Grundstock der karnischen Grenzwacht bildeten.
x) Bartels, Aus der Geschichte des Khevenhüller Regimentes 1691—1918
(Graz 1932).
DER LETZTE RUSSENANSTURM
14*
Begebenheiten im Mai und Juni
Niedergang des russischen Angriffswillens
Fortsetzung der Friedenspropaganda im Mai
Hiezu Beilagen 4, 11 und 12
Auf der ganzen Kampffront von Riga bis zum Schwarzen Meere
herrschte seit April 1917 Waffenruhe. Eifrig betrieben die öst.-ung. und
die deutschen Nachrichtentrupps von Schützengraben zu Schützengraben
eine rege Propaganda, um dem kriegsmüden Muschik die Friedens-
geneigtheit der Mittelmächte klarzumachen und ihn gleichzeitig von der
Nutzlosigkeit der Fortführung des Krieges zu überzeugen. Eine Weile
hatte es denn auch den Anschein, als ob es auf diesem Wege gelingen
werde, mit dem russischen Heere zu einem Waffenstillstand und mit
Rußland überhaupt zum Frieden zu kommen. Bis Ende April hatten
sich schon die Soldatenkomitees von mehr als hundert russischen Divi-
sionen mit unseren Nachrichtentrupps in Verhandlungen eingelassen,
an vielen Stellen der Front hatten die- russischen Truppen die Erklä-
rung abgegeben, nicht mehr angreifen zu wollen. Ihre höheren Führer
zeigten sich jedoch gegen alle Annäherungsversuche unzugänglich.
Offenbar war dies ein Erfolg der Entente, der die russische Regierung
noch Gefolgschaft leistete, und die seit längerer Zeit bei allen höheren
russischen Kommandos Überwachungsoffiziere unterhielt. Auch die rus-
sische Artillerie und die Fliegertruppe hatten sich von Anfang an den
Verhandlungen an der Front und unserer Propaganda gegenüber völlig
ablehnend verhalten. Die russischen Kanoniere nahmen trotz des Wider-
spruches ihrer Infanterie verhandelnde Gruppen unter Feuer. So ent-
wickelten sich an den Kampffronten im Osten immer unklarer wer-
dende, die Manneszucht schwer gefährdende, unhaltbare Zustände.
Sie veranlaßten den Oberbefehlshaber Ost, anfangs Mai bei der DOHL.
zu beantragen, die Schützengrabenpropaganda, die schon als Schwäche
ausgelegt werde, möge eingestellt werden, falls es nicht in kurzer Zeit
gelingen sollte, mit russischen Führern Verhandlungen anzuknüpfen.
Das Kommando der deutschen Südarmee regte um dieselbe Zeit sogar
die Wiederaufnahme der vollen Kampftätigkeit an.
Die Heeresleitungen der verbündeten Mittelmächte verhehlten sich
keineswegs die Schattenseiten dieser eigenartigen Waffenruhe; sie schien
214
Der letzte Russenansturm
ihnen aber geboten zu sein, um wirklich vorhandene Verständigungs-
möglichkeiten nicht zu zerstören. Auf Anregung der DOHL. war der
Propagandadienst bereits Ende April angewiesen worden, den friedens-
freundlichen russischen Soldatenkomitees nahezulegen, daß sie von ihren
höheren Führern den Abschluß eines drei- bis vierwöchigen Waffenstill-
standes fordern mögen, um auch den Fronttruppen die Teilnahme an
den Wahlen für die Sowjets zu ermöglichen. Der k. u. k. Chef des Gene-
ralstabes, Gdl. Arz, hatte allerdings wenig Hoffnung, auf dem Wege
des „unverbindlichen Geplauders" von Schützengraben zu Schützen-
graben zu Verhandlungen mit höheren russischen Kommandanten zu
kommen. Aus diesem Grunde hatte er schon am 1. Mai dem GFM.
Hindenburg vorgeschlagen, durch die drei Oberbefehlshaber der Ost-
front, Prinz Leopold von Bayern, Erzherzog Joseph und GFM. Macken-
sen, gleichzeitig ein offizielles Waffenstillstandsangebot unmittelbar an
die Stawka zu richten. Ging diese darauf ein, dann sollten 48 Stunden
nach dem Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen bevollmächtigte
Vertreter der Heeresleitungen und Regierungen zusammentreten, um
allgemeinè Friedensverhandlungen einzuleiten. Die Antwort des GFM.
Hindenburg war zustimmend, doch meinte er, daß vorerst mit allen
verbündeten Heeresleitungen die Bedingungen eines Waffenstillstandes
zu vereinbaren wären. Auch ließ er dasAOK. wissen, daß eine etwaige
Forderungs Rußlands an Deutschland, während des Waffenstillstandes
keine Truppen ver Schiebungen vorzunehmen, abgelehnt werden müßte.
Noch in der ersten Hälfte Mai wurden von den Heeresleitungen der
verbündeten Mittelmächte die Bedingungen für einen Waffenstillstand
mit Rußland entworfen. Sie gingen von dem Streben aus, zu einer Ver-
ständigung mit diesem Staate zu kommen. Der Grundgedanke war: Ein-
stellung der Feindseligkeiten in den Linien, die zurzeit gehalten wurden,
auf der ganzen Front zwischen dem Schwarzen Meere und der Ost-
see sowie im Kaukasus. Der Seekrieg im Schwarzen Meere und in
# der Ostsee sollte ebenfalls eingestellt werden. Die Heeresleitungen der
Mittelmächte wollten sich verpflichten, ihre Truppen während des
Waffenstillstandes nicht zu verstärken und keine größeren Truppenver-
schiebungen für einen Angriff auf die russische Front vorzunehmen.
Der Entwurf wurde dem türkischen und dem bulgarischen Oberkom-
mando zugesandt und erhielt nach längerem Meinungsaustausch deren
Zustimmung.
Eine dringende Notwendigkeit, mit Rußland unter allen Umständen
in baldige offizielle Waffenstillstandsverhandlungen einzutreten, hielt
Kräfteverschiebungen zwischen den Fronten
215
die DOHL. allerdings vom militärischen Standpunkt aus nicht für
gegeben. Ihre Beurteilung der Kriegslage war zuversichtlich. Der
U-Bootkrieg hatte im April über alles Erwarten gut gewirkt. Gegen
Mitte Mai war der große Angriff der Franzosen an der Aisne und auch
in der Champagne (S. 122) zum Stehen gekommen. Die DOHL. hoffte,
die in der nächsten Zeit zu erwartenden neuen Angriffe der Entente
ebenfalls abwehren zu können. Gdl. Arz hatte für die Front am Isonzo
dieselben Hoffnungen. Die Wirren in Rußland erleichterten die Kriegs-
lage. Die DOHL. war überzeugt, daß das russische Heer noch auf
längere Zeit kampfunfähig bleiben werde. Man konnte seine Zersetzung
begünstigen, im übrigen die Entwicklung der Verhältnisse an der Ost-
front mit Ruhe abwarten.
Um die russische Front noch mehr auszuschalten, setzten unsere
Nachrichtentrupps die Friedenspropaganda eifrigst fort. Über die Richt-
linien dieser Propaganda gab es allerdings zwischen den Heeresleitungen
und den Regierungen der Mittelmächte manche Meinungsverschiedenheit
auszugleichen, die vor allem die Kriegsziele betrafen. Die Deutschen
brachten in Frankreich gefangene Russen an die Ostfront herüber, und
übergaben sie ihren Kameraden, auf die sie im ententefeindlichen Sinne
einwirken sollten. Diese Heimgeschickten konnten nicht genug über die
Kriegsmüdigkeit der Franzosen erzählen, die nur von ihren Führern
zum Angriff getrieben würden.
Das russische Heer vermochte sich in seiner hoffnungslosen Ohn-
macht während des seit dem 9. April 1917 tobenden Generalsturmes der
Westmächte und beim zehnten Sturmlauf der Italiener am Isonzo nicht
zum Kampfe aufzuraffen. Die Heeresleitungen in Baden und in Kreuznach
nützten die Waffenruhe an der Ostfront dazu aus, um im Südwesten
und Westen abgekämpfte Divisionen gegen ausgeruhte aus dem Osten
umzutauschen. Auch wurden die vierten Geschütze fast aller deutscher
Batterien und die ganze Artilleriereserve an die bedrängten Fronten
in Frankreich abgezogen.
Im April rollte aus Ostgalizien die deutsche 195. ID. nach dem
Westen. Das k. u. k. IV. Korpskmdo. gelangte Ende dieses Monats auf den
südwestlichen Kriegsschauplatz (S. 108). Die deutsche 15. ID. wurde von
der wolhynischen Front nach Brest-Litowsk abgeschoben, während die
k. k. 26. SchBrig. aus dem Bereiche der Heeresgruppe Woyrsch schied,
um nach Südtirol zu gelangen (S. 109). Im Mai wurden an deutschen
Verbänden aus Siebenbürgen das Alpenkorps und aus Ostgalizien die
36. und die 48. RD. sowie die 119. und die 10. bayr. ID. an die West-
216
Der letzte Russenansturm
front abgezogen. Nach der Abfahrt der 36. RD. und der 119. ID. trat
an Stelle der letztgenannten die von der Arrasfront gekommene 24.
(sächsische) RD. in die Front der Südarmee; für die 36. RD. wurde die
hinter der front stehende 75. RD. eingesetzt. Als Reserve des Ober-
befehlshabers Ost traf Ende Mai die 4. ErsD. hinter der Südarmee
ein. Die k. u. k. 2. Armee erhielt im Mai an Stelle der 195. und der
10. bayr. ID. zwei abgekämpfte Westdivisionen, die 12. LD. und die
223. Division.
An öst.-ung. Divisionen wurden im Monat Mai und anfangs Juni
aus den Karpathen die 12. ID., aus der Csik die 24. ID., aus Ostgalizien
die 21. SchD. und von der Szczara die 35. ID. an die Südwestfront ab-
gezogen. Die k. u. k. 4. Armee gab das XXIV. Korpskommando eben-
falls an die Südwestfront ab. Außerdem stellte sie die deutsche 16. ID.,
wie schon vorher die 15., dem Oberbefehlshaber Ost zur Verfügung.
Nach dem Abtransport der beiden genannten Divisionen nach Brest-
Litowsk wurden die von dort gekommene deutsche 7. LD. und die bis-
her hinter der Front des XXII. Korps stehende deutsche 86. ID. am
Nordflügel der 4. Armee eingesetzt. Die neuaufgestellte sächsische
45. LD. wurde dem Abschnitt Kowel an Stelle der deutschen 92. ID.
überwiesen, die Reserve des Oberbefehlshabers Ost wurde. Die deutsche
47. LD. gelangte anfangs Juni von der Westfront nach Kalusz und
ging Ende des Monats als weitere Reserve des Oberbefehlshabers Ost
nach Lublin ab. Die deutsche 9. Armee in Rumänien stellte anfangs
Juni die k. u. k. 73. ID. der Südwestfront zur Verfügung und erhielt
dafür die abgekämpfte 62. ID. überwiesen.
Der weitere Verfall des russischen Heeres
Am 1. Mai hatte der Radiohorchdienst der k. u. k. Heeresleitung
eine Funkdepesche des Gdl. Alexejew aufgefangen, worin er dem eng-
lischen Oberkommandanten, der sich eben mit den Plänen zur Fort-
setzung der steckengebliebenen Offensive beschäftigte, die Hilfe der
ganzen russischen Macht zusicherte; doch sollte dies erst geschehen, wenn
die Witterung es gestatten würde. In Wirklichkeit war die russische
Armee seit Ende April völlig kampfunfähig geworden. Die katastro-
phale Ernährungslage hatte den Kriegsminister Gutschkow genötigt,
sämtliche Militärpflichtigen, die über 40 Jahre alt und in den Ersatz-
truppen eingeteilt waren, für landwirtschaftliche Arbeiten zu entlassen
Zunahme der Indisziplin bei den Russen
217
und am 23. April ausnahmslos alle Soldaten im Alter von über 43 Jah-
ren vom Militärdienst zu befreien. Die Masse der Entlassenen, die sich
auf die Eisenbahnstationen stürzten, zerrüttete auf lange Zeit das
Transportwesen. Aber nur dadurch, daß hunderttausende Soldaten in
ihre heimatlichen Dörfer zurückkehrten, konnten einzelne Truppenteile
an der Front, die unter besonders schlechten Nachschubverhältnissen
litten, vom Hungertode bewahrt werden.
Mit dem russischen Heere ging es weiter bergab. Die Munition war
knapp, für Pferde gab es nur ein Pfund Hafer im Tag. Die Zahl der
Fahnenflüchtigen und der sonstigen Drückeberger ging in die Millionen.
Tausend Mann starke Ersatztransporte kamen mit nur wenigen hun-
dert Leuten an der Front an. Die Eisenerzeugung war durch Einführung
des Achtstundentages und wegen der Weigerung der Arbeiter, Über-
stunden zu leisten, auf 40 v. H. gefallen. An der Front nahm die Kriegs-
müdigkeit zu. Abordnungen der Sowjets erschienen bei Riga in den
Stellungen der 5. Armee. In Dünaburg tauchten Matrosen und Arbeiter
aus Kronstadt zur Aufklärung auf. Man ermutigte die Soldaten zu
Verhandlungen mit dem Gegner. Arbeiterabordnungen besuchten die
deutschen Schützengräben, und Soldatenkomitees verteilten Prokla-
mationen. Die Disziplinargewalt der Vorgesetzten wurde vom Kriegs-
minister eingeschränkt, und den Soldatenkomitees das Recht zu Ver-
handlungen mit den politischen Parteien erteilt. Damit hoffte man die
Kampfbegeisterung zu heben, erreichte aber das Gegenteil: eine wei-
tere Zunahme der Indisziplin.
Die Bolschewiken setzten ihre Wühlereien an der Front und in
der Heimat fort. In der breiten Masse des Volkes wuchs die Auflehnung
gegen Gutschkow und Miljukow, die sich zu den imperialistischen
Kriegszielen der Entente bekannten. Schießereien und Umzüge der
Sowjets blieben an der Tagesordnung. Die bolschewistische Presse for-
derte einen Friedensschluß ohne ,,Annexionen und Kontributionen",
was weiterhin ein noch oft berufenes Schlagwort werden sollte. Dagegen
suchten sozialistische Führer der Ententeländer das russische Volk für
die Verwirklichung der demokratischen Ideale zum Kampfe gegen die
Mittelmächte ¡anzuspornen. Gleichzeitig griffen die Ententeregierungen
im Mai zu wirksameren Mitteln. Sie drohten, ihre Kriegsmaterialliefe-
rungen und Kredite einzustellen, wenn nicht bald die Manneszucht im
Heere wieder hergestellt werde und Rußland nicht den Beweis dafür
erbringe, daß seine Armee wieder zu einer neuen, entscheidenden Offen-
sive, „zum Siege", fähig sei.
218
Der letzte Russenansturm
Allein das russische Heer vermochte sich noch nicht aus seiner
Tatenlosigkeit zum Kampfe aufzuraffen. Am 7. Mai meldete GdK. Brus-
silow dem Höchstkommandierenden: „Die innere Verfassung der mir
unterstehenden Armeen hat sich in letzter Zeit infolge der unaufhör-
lichen Propaganda der Deutschen und auch durch das verderbliche
Eindringen der Politik in die Truppen bedeutend verschlechtert, und ich
muß gestehen, daß auf diese Weise, trotz der von allen Truppenkom-
mandos ergriffenen Maßnahmen, der Zerfall der Armee droht."
Der schwindende Glaube des Oberbefehlshabers der Südwestfront
an eine siegreiche Zukunft veranlaßte den Höchstkommandierenden am
11. Mai, dem Kriegsminister zu schreiben: „Ich hatte damit gerechnet,
daß gegen Mitte Mai die schwere moralische Erkrankung, die unsere
Armee ergriffen hat, soweit werde nachgelassen haben, daß wir zum
Angriffe schreiten können und daß nach dem ersten Erfolge der ver-
löschende kriegerische Geist der Truppen wieder aufleben werde."
Der Brief schloß: „Wir machen alles, was wir können, um den Angriff
durchzuführen, aber es steht zu befürchten, daß der allgemeine Zustand
der Masse der Soldaten unseren guten Willen und unser aufrichtiges
Streben zunichte machen kann."
Vergeblich hatten die höheren Führer des russischen Heeres darauf
bestanden, daß die Regierung die Rechte und Pflichten der Soldaten
gesetzlich umschreibe. Gutschkow betraute mit dieser Aufgabe einen
Ausschuß, dem in der Mehrheit Vertreter der Arbeiter und Soldaten
angehörten. Unter ihrem Drucke kam nun ein Entwurf zustande, der
nur von Rechten, aber nicht von Pflichten sprach. Allen Militärpflich-
tigen sollte es darnach erlaubt sein, an jeder politischen, nationalen,
religiösen, wirtschaftlichen und gewerkschaftlichen Organisation teil-
zunehmen. Außerhalb des Dienstes war jedem Militärpflichtigen volle
Redefreiheit zugestanden. Der militärische Gruß sollte abgeschafft
und die Bestrafung der Militärpflichtigen durch ihre Vorgesetzten ver-
boten werden. Sämtliche Armeeführer waren entschieden gegen die Ein-
führung dieser „Deklaration der Soldatenrechte", die den schon bestehen-
den Zustand gesetzlich anerkannt hätte. Alexejew erklärte, daß sie
der letzte Nagel zum Sarge der russischen Armee sein würde. Der
Deklaration wurde so große Bedeutung beigemessen, daß darüber im
Hauptquartier in Mohilew am 13. Mai unter dem Vorsitze des Gdl.
Alexejew eine Beratung stattfand, an der die Oberbefehlshaber der
russischen Fronten, der am 3. Mai zum Gehilfen des Kommandanten
der Rumänischen Front ernannte Gen. Schtscherbatschew und der rumä-
Plan einer neuen Generaloffensive der Entente
219
nische Generalstabschef Gen. Presan teilnahmen. Alle hohen russischen
Generale sprachen sich einhellig gegen die Verlautbarung der Deklara-
tion aus. Sie fuhren nach Petersburg, um den Machthabern die verzwei-
felte Lage der Armee zu schildern und um die sofortige Zurückziehung
der Deklaration zu bitten. Diese Vorsprache fand am 17. statt, blieb
aber ohne Ergebnis. Die Generale reisten noch nachts in ihre Haupt-
quartiere zurück.
Tags darauf, am 18. Mai, wurde auf Betreiben des englischen Bot-
schafters Buchanan und des nach Petersburg entsandten französischen
Rüstungsministers Albert Thomas, eines Sozialisten, die russische Regie-
rung umgebildet. Das neue Kabinett brachte bürgerliche und sozia-
listische Männer ans Ruder. Die Koalition sollte Rußland wieder an
den Kriegswagen der Entente spannen. Ihr radikalstes Mitglied, Ke-
renski, war ein gefügiges Werkzeug in den Händen der Ententediplo-
maten. Er wurde an Stelle Gutschkows zum Kriegsminister ernannt1).
Bei der Besprechung zu Mohilew war auch über die großen Richt-
linien für eine Offensive des russisch-rumänischen Heeres beraten wor-
den, die als Auftakt zu einem neuerlichen Ansturm der Westmächte
gedacht war. Den ersten Hieb sollte ungefähr um den l.Juli das rus-
sische Südwestheer in Ostgalizien führen. Angriffe an der rumänischen
und an der russischen Westfront sollten folgen. Dadurch glaubte man,
den im Frühjahr nicht zustandegekommenen gleichzeitigen General-
angriff der Entente doch noch in die Wege leiten zu können2). Die
große Frage war allerdings, ob die Soldaten den Angriffsbefehl auch
befolgen würden.
Das Ende der Friedenserofaganda
Die Heeresleitungen der verbündeten Mittelmächte hatten unter-
dessen einen großen Versuch unternommen, mit Rußland zu Waffen-
stillstandsverhandlungen zu kommen. Am 12. Mai, zwei Tage vor dem
russischen 1. Mai alten Stils, erließen die drei Oberbefehlshaber der
G u r k o, 216 ff. — Das russische Heer von 1917 und die Revolution (Wissen
und Wehr, Berlin, Jhrg. 1922, 234 ff.). — Spannocchi, 82 ff. — Zajontsch-
k o w s k i j, Feldzug 1917, 63 ff.
2) Winogradsky, La guerre sur le front oriental en Russie — en Rou-
manie (Paris 1926), 334. — D abija, Armata romàna in räsboiul mondial (1916—
1918), IV (Manuskript, in das durch das Entgegenkommen des Verfassers das Kriegs-
archiv noch vor der Drucklegung Einsicht nehmen konnte).
220
Der letzte Russenansturm
Ostfront, Prinz Leopold von Bayern, Erzherzog Joseph und GFM.
Mackensen mit Funkspruch an die gegenüberstehenden russischen Kom-
mandanten eine Einladung zu Waffenstillstandsverhandlungen. Den be-
sonders „infizierten" Divisionen sollten außerdem durch Parlamentäre
offizielle Verhandlungsvorschläge überbracht werden. Auf beiden Wegen
kam man nicht zum Ziele. Im Bereiche der Heeresfront Erzherzog Jo-
seph entsandten die 7. und die 1. Armee am 19. Mai zahlreiche Parla-
mentäre. Wohl fanden sie bei den jüngeren russischen Offizieren und
bei der Mannschaft meist eine freundliche Aufnahme; doch suchten die
höheren russischen Kommandos wie bisher die Annäherung mit allen
Mitteln zu verhindern. Einzelne Unterhändler wurden mit Schüssen
empfangen, andere gefangen genommen, einer während der Bespre-
chung verwundet. Nur ein Parlamentär drang bis zum russischen 9. Ar-
meekmdo. vor, wo er aber die ablehnende Antwort erhielt, es,sei Sache
der Regierungen und nicht der Soldaten, Frieden zu schließen1).
Auch im Bereiche des Oberbefehlshabers Ost und des GFM. Macken-
sen hatten die Annäherungsversuche zur Gefangennahme und Verwun-
dung von Unterhändlern geführt. Die zwiespältige Haltung der Russen
kam besonders im Kampfabschnitt von Dünaburg zutage. Eine russische
Offiziersabordnung erklärte, Gen. Dragomirow sei bereit, über einen
Waffenstillstand zu verhandeln. Als der deutsche Unterhändler in Düna-
burg vor dem Gen. Dragomirow erschien, gewann er sofort den Ein-
druck, daß der russische General keineswegs für Verhandlungen zu
haben sei. Es wurde nur zugesagt, einen Brief an die russische Regie-
rung zu übernehmen, in dem sich der Oberbefehlshaber Ost zu Waffen-
stillstandsverhandlungen bereit erklärte. Der deutsche Parlamentär, der
am 14. Mai dieses Schreiben überbringen sollte, wurde nicht mehr hinter
die russischen Linien gelassen. Ein russischer Fähnrich nahm zwar den
Brief zur Weiterleitung in Empfang, doch blieb eine Antwort aus.
War auch der Versuch, Verhandlungen mit höheren russischen Füh-
rern anzuknüpfen, nicht geglückt, so war es doch bei vielen russischen
Divisionen mit den Soldatenkomitees zur Vereinbarung einer Waffen-
ruhe gekommen. Nun verbot Gdl. Alexejew, Parlamentäre zu empfan-
gen und Verhandlungen zu führen, die als Verrat bezeichnet wurden.
Gleichzeitig setzten die russischen Führer hohe Geldpreise für das Ein-
bringen von Gefangenen und das Abschießen von Unterhändlern aus.
Trotzdem war die Zahl der russischen Divisionen, die sich mit dem
Gegner in Verhandlungen eingelassen hatten, bis Ende Mai auf 165 von
x) Ronge, Kriegs- und Industrie-Spionage (Wien 1930), 273 ff.
Gegenpropaganda der Entente
221
insgesamt 240 gestiegen; ihrer 38 hatten die Erklärung abgegeben, nicht
mehr angreifen zu wollen x).
Aber es war jetzt doch schon zu erkennen, daß das Ausbleiben
einer bestimmten Erklärung der Mittelmächte über ihre Kriegsziele,
das Mißtrauen der Russen, die bisher vertrauensvoll verhandelt hatten,
immer mehr erregte. So meldete GO. Erzherzog Joseph schon am 19. Mai,
daß die Russen bei den Besprechungen mit unseren Unterhändlern
allerorts ihrer Befürchtung Ausdruck gegeben hätten, die Mittelmächte
würden einen Waffenstillstand an der Ostfront nur zum Niederwerfen
Frankreichs ausnützen, um sodann über Rußland herzufallen und es
seiner schwer errungenen Freiheit wieder zu berauben. Die mit großem
Geschick und ohne ängstliche Wahl von Mitteln betriebene Gegenpro-
paganda der Entente gewann sichtlich an der russischen Front die Ober-
hand. Von Ende Mai an rechneten die Heeresleitungen in Baden und
in Kreuznach mit einem Wiedererstarken, wenn auch vielleicht nur von
Teilen des russischen Heeres, und mit einer neuerlichen Offensive der
Russen. Der deutsche Reichskanzler bekannte sich jetzt zur Auffassung,
daß eine zu auffällig unterstrichene Friedensbereitschaft zur Erfolg-
losigkeit verdammt sein würde; der auf ihr ruhende Schein hoffnungs-
loser Erschöpfung der Mittelmächte könne nur die Kräfte des Feindes
von neuem beleben2).
Gdl. Arz schrieb am 28. Mai dem k. u. k. Minister des Äußeren,
Gf. Czernin : „Die Mittel der verbündeten Armeen zur Fortsetzung der
Friedenspropaganda sind nunmehr erschöpft.....Erhöhter Einfluß
der russischen Führer lasse es ratsam erscheinen, nunmehr die groß-
zügige militärische Propaganda, die verbraucht ist, fallen zu lassen
und sich wieder auf die Frontpropaganda kleinen Stils zu beschränken."
Der Sommeroffensive entgegen
(Juni 1917)
Hiezu Beilage 12
Versuche zur Wiederbelebung des russischen Kampfgeistes
Als der große Angriff der Westmächte im Laufe des Monats Mai
zu versanden drohte, da waren wiederum Nachrichten aus Paris in das
1) Ronge, 273.
2) Ludendorff, 353.
222
Der letzte Russenansturm
russische Hauptquartier gekommen, die Deutschen würden Petersburg
angreifen (S. 102). Gdl. Alexejew glaubte jedoch nicht mehr recht daran,
daß der Gegner bei der gewaltigen Übermacht der 1. und der 12. Armee
— 274 russische Bataillone gegen 99 deutsche — imstande sein werde,
ein so großes Unternehmen auf Petersburg zu Land und zugleich vom
Meere her durchzuführen. Er besorgte vielmehr, daß die zum Schutze
von Petersburg an der Südküste des Finnischen Meerbusen bereitgestell-
ten Truppen in einem Räume festgelegt seien, wo die Deutschen nichts
Ernstliches unternehmen würden. Einen deutschen Angriff zwischen
Riga und Smorgon hielt er jedoch für möglich; er entschloß sich daher,
aus den Streitkräften der 1. und der 12. Armee vier bis fünf Divisionen
auszuscheiden, um sie im Räume von Polock als Heeresreserve bereit-
zustellen.
Gdl. Dragomirow, der Ende Mai an Stelle Rußkis Oberbefehlshaber
der Nordfront geworden war, sprach sich für einen Stoß von Dünaburg
und zugleich von Smorgon in der Richtung gegen Kowno aus, der gün-
stige Aussichten dann biete, wenn zugleich die Armeen der Westfront
angreifen würden. Gdl. Alexejew genehmigte diesen Plan; er verzich-
tete auf die Versammlung einer Heeresreserve bei Polock und stellte
der Westfront die im Monat März an den Kampfabschnitt bei Riga
entsandten Truppen (112. und 132. ID.) mit einer Artilleriebrigade wie-
der zur Verfügung. Ende Juni oder anfangs Juli hoffte Alexejew, die
Offensive endlich beginnen zu können. Auf allen Fronten sollte ange-
griffen werden. Sein Plan war es jetzt, den Hauptschlag nördlich vom
Pripiatj zu führen. Aber das, was Alexejew und Gutsehkow nicht fertig
gebracht hatten, das russische Heer aus seiner Ohnmacht zu erwecken,
in die es seit dem Ausbruche der Revolution verfallen war, sollten
Kerenski und Brussilow vollbringen.
Kerenskis erstes Ziel war, aus der Armee wieder ein brauchbares
Machtmittel zu schaffen. Er kündigte sofort nach seinem Amtsantritte
strenge Bestrafung aller Fahnenflüchtigen an, die bis zum 28. Mai nicht
eingerückt seien. Allerdings konnte er sich doch nicht von allen revo-
lutionären Neuerungen freimachen. So verlautbarte er denn gleichzeitig
die „Erklärung der Soldatenrechte" (S. 218) und einen Befehl, betref-
fend die „Offensive von Heer und Flotte". Er glaubte, daß die Er-
klärung der Soldatenrechte die Kampfstimmung heben werde. Aber die
Begeisterung, die der Ukas bei der Masse der Soldaten weckte, wurde
jdurch den Befehl über die Offensive wieder gedämpft. Während die
alten Offiziere von der Wiederaufnahme des Kampfes eine Festigung
Personalveränderungen bei den russischen Kommandos
223
ihres schon völlig geschwundenen Ansehens erhofften, erhoben die
Truppen, namentlich die Infanterie, gegen eine etwaige Schmälerung
ihrer errungenen Freiheit entschieden Einspruch.
Zahlreiche neue Personaländerungen in den höchsten Befehlsstellen,
die die neuen Machthaber Rußlands vornahmen, steigerten noch die
Unruhe in dem zum Großteil haltlos gewordenen Heere. Am 5. Juni
wurde Brussilow ¡an Stelle Alexejews zum Höchstkommandierenden er-
nannt. Zugleich wurde GdK. Gurko, weil er die „Soldatenrechte" nicht
anerkannte, seines Kommandos enthoben. Der Generalstabschef, der
Heeresleitung, Denikin, übernahm noch im Juni das Kommando der
Westfront. Brussilows Nachfolger im Kommando der Südwestfront
wurde Gutor, der Führer der 11. Armee. An Stelle Kaledins bekam Kor-
nilow, der Gouverneur von Petersburg, den Befehl über die 8. Armee1).
Das Kommando der 7. Armee wurde dem Gen. Bjelkowitsch an Stelle
Schtscherbatschews übertragen. Gen. Er deli übernahm wenige Tage vor
dem Beginn der Offensive die 11. Armee. Die Nordfront wurde, wie
schon erwähnt, seit dem Rücktritt Rußkis von Dragomirow geführt.
Der neue Höchstkommandierende unterstützte Kerenski in seinen
Bestrebungen, den Kampfgeist der kriegsmüden russischen Soldaten
wieder zu entfachen. „Unsere Feinde" — so hieß es in seinem ersten
Befehle — „sind mit unseren Friedensbedingungen, keine Annexionen
und keine Kontributionen, nicht einverstanden, und darum bleibt uns
keine Wahl und kein anderer Ausweg als der, dem Feinde mit der Ge-
walt unseres Schwertes den Frieden und unsere so gemäßigten Be-
dingungen aufzuzwingen."
Schon anfangs Juni ließ Kerenski die Stawka wissen, daß er einer
baldigen Wiederaufnahme der Angriffshandlungen mit Zuversicht ent-
gegensehe. Brussilow gedachte, die Offensive der südwestlichen Armeen,
die den Hauptangriff in Ostgalizien zu führen hatten, am 23. Juni und
die der anderen Fronten am 28. Juni einsetzen zu lassen. Er verstärkte
die Südwestfront aus dem Bereiche der rumänischen Front durch das
XLV. Korps und das V. Kavalleriekorps. Als Kerenski darauf fragte,
wann er die Front bereisen solle, um den Kampfgeist der Soldaten
wieder zu wecken, meldete ihm Brussilow am 15. Juni: „Ich habe von
der Nordfront einen sehr gemischten Eindruck gewonnen. Die West-
front ist besser. Trotzdem beabsichtige ich am 25. Juni, an der Südwest-
front entscheidend anzugreifen. Früher geht es nicht. Ich glaube, daß
*) Gen. Kornilow hatte sich der Gefangenschaft in Österreich durch die Flucht
entzogen und war wieder in Dienst gestellt worden (Vgl. Bd. II, 337).
224
Der letzte Russenansturm
wir Aussicht auf einen Erfolg haben1)." Da die Kriegsmüdigkeit bei
den Armeen der Nord- und Westfront besonders groß war, beschloß
Kerenski, vorerst die Truppen der Südwestfront aufzusuchen.
Am 16. gab der Oberbefehlshaber der Südwestfront, Gdl. Gutor,
seine Angriffsbefehle heraus. Demnach sollte der Schwerpunkt der
Operation bei der 11. und der 7. Armee liegen, die die Front des Geg-
ners in den Richtungen über Zloczow—Gliniany und Brze±any—Bóbrka
auf Lemberg zu durchstoßen hatten. Die Besondere Armee sollte durch
Scheinangriffe gegen Kowel und Wladimir-Wolyñski möglichst viele
Kräfte des Gegners auf sich ziehen, während die 8. Armee den Auf-
trag erhielt, die Angriffe in den Karpathen zu decken und mit dem
rechten Flügel das Tal der Lomnica zu besetzen, um dann weiter über
Kalusz auf Bolechów vorzudringen. Als Reserve hinter der 7. und der
11. Armee wurden das I. und das II. Gardekorps, das XLV. Korps, das
II. und das V. Kavalleriekorps bestimmt. Der Beginn des Angriffes
war nunmehr endgültig für die 11. und die 7. Armee am 29. Juni, für
die 8. Armee am 7. Juli vorgesehen.
Für die Nordfront mußte Brussilow den Angriff auf den 18., für
die Westfront auf den 16. und für die rumänische Front auf den 22. Juli
verschieben. Er begründete diese Maßnahme am 26. Juni in einem Tele-
gramm an Kerenski mit dem Hinweis, daß die Truppen nicht angreifen
wollten. Schließlich wurde die Offensive für die Nordfront auf den 22.
und für die Westfront auf den 19. Juli endgültig festgesetzt. Inzwischen
sollten die Truppen für den Angriff gewonnen, und sollte eine Um-
stellung der Streitkräfte vorgenommen werden. Die im Laufe der Mo-
nate März und April zum Schutze von Petersburg an die Küsten des
Finnischen und des Rigaischen Meerbusens entsandten Truppen der
1. Armee (I. und XXXVII. Korps) wurden an die Düna zur 5. Armee
geschoben. Die letztgenannte hatte den Hauptschlag zu führen. Das
1. Armeekmdo. gelangte nach Suczawa in der Bukowina, um nach Ver-
längerung des Abschnittes der 8. Armee bis zum Dniester, die Führung
am linken Flügel der Südwestfront zu übernehmen.
Kerenski besuchte inzwischen die Depottruppen, er bereiste die
verschiedenen Frontabschnitte und hielt zündende Reden, die die rus-
sische Soldatenmasse bewegen sollten, zur Rettung der neu errungenen
Freiheit, die „vom deutschen Militarismus bedroht" werde, die Offen-
sive zu ergreifen und die militärische Macht der Mittelmächte zu bre-
chen. Die Begeisterung, mit der Kerenski, der zum Helden und Abgott
!) Z a j o n t s c h k o w s k i j; Feldzug 1917, 66.
Widerstreben der russischen Truppen gegen einen Angriff 225
des neuen Rußland geworden war, und von dem man sagte, er allein
könne Rußland retten, an vielen Orten empfangen wurde, erweckte den
Glauben, daß sich die russischen Soldaten vielleicht doch zu neuem,
heldenmütigem Kampfe aufraffen würden. Allein die von den Massen
Kerenski dargebrachten Huldigungen sowie die vielen Szenen, bei
denen feierlich geschworen wurde, fürs Vaterland zu sterben, waren
vielfach Schall und Rauch. Die russische Armee, vor allem der Bauer,
wollte nicht weiterkämpfen.
So war es trotz aufopfernder Bemühungen aller Befehlsstellen der
7. und der 11. Armee bis knapp vor Beginn des Angriffes nicht gelungen,
die gesamte Infanterie für den Angriff zu gewinnen. Beim VI. Korps
erklärten die Soldaten, daß man wohl angreifen, im Falle des Mißlin-
gens aber den Korpsstab töten werde. Vergeblich hatte Kerenski bei
jeder Armee „Delegierte" eingesetzt, welche die Führer in der Auf-
rechterhai tung der Manneszucht unterstützen sollten. Am 28. Juni
mußte das II. Kavalleriekorps aufgeboten werden, um ein seit langem
widerspenstiges sibirisches Regiment, das sich verschanzt hatte, zu ent-
waffnen. Kerenski besuchte in diesen Tagen vor dem Angriff die als
besonders unzuverlässig bekannte 2. Gardedivision. Die Rufe „Bour-
geois", „Nieder mit dem Krieg", „Nieder mit allem" bewiesen, daß
auch sein Einfluß auf die Fronttruppen kein allzu großer war.
Kerenski hielt es für notwendig, daß die Offensive durch den zur
Zeit in Petersburg tagenden ersten Allrussischen Kongreß der Arbeiter
und Soldatenräte unterstützt werde. Am 25. Juni nahm auch der Kon-
greß einen Beschluß über den Krieg an, worin von der Provisorischen
Regierung eine Abänderung der Verträge mit den Verbündeten und
der Verzicht auf die Eroberungspolitik gefordert wurde. Der Kongreß
erklärte aber, die russische Demokratie sei verpflichtet, die Kampfkraft
der Armee mit allen Mitteln zu fördern, so lange dem Krieg durch die
internationalen Bemühungen der Demokratie kein Ende gesetzt sei;
denn der Zusammenbruch der russischen Front würde eine Niederlage
für die russische Revolution und einen schweren Schlag für die Sache
der internationalen Demokratie bedeuten. Im übrigen war der Kongreß
der Ansicht, daß die Frage der Offensive nur von rein strategischen
Gesichtspunkten entschieden werden müsse1).
1) Smilg-Benario, Von Kerenski zu Lenin (Wien 1927), 113 f. — Za-
jontschkowskij, Feldzug 1917, 65 und 74. — Paléologue, 441 ff. —
K n o X, II, 627 ff. — Das russische Heer von 1917 und die Revolution, 238. — Für
diese Darstellung der Kerenski-Offensive wurde auch das Manuskript einer vom Hofrat,
VI 15
226
Der letzte Russenansturm
Die Lage in Ostgalizien vor dem russischen Angriff
(Juni 1917)
Hiezu Beilage 12
Bis in die zweite Hälfte des Monats Mai hatte an den Kampf-
fronten im Osten Waffenruhe geherrscht. Der Propagandakrieg zwi-
schen den Schützengräben ging trotz aller Schwierigkeiten noch weiter.
Angriffsvorbereitungen konnten von unseren Fliegern zunächst nur in
Ostgalizien bei Kozowa und Liatyn festgestellt werden. Ein vom GdK.
Brussilow für den 18. Mai angeordnetes Unternehmen gegen Brze¿any
ist aber nicht durchgeführt worden, weil sich die russische Infanterie
anzugreifen geweigert hatte. Ein Anzeichen einer nahe bevorstehenden
Offensive der Russen bildete jedoch die rasche Zunahme der feind-
lichen Fliegertätigkeit. Russische Kampfflugzeuge und Fesselballons
vermehrten sich ständig; die zahlenmäßige Überlegenheit der feind-
lichen Flieger bereitete den Flieg;ern der Verbündeten immer größere
Schwierigkeiten, obwohl der Feind an Angriffsfreudigkeit und Schulung
weit hinter ihnen zurückstand.
Von Anfang Juni an belebte sich die Gefechtstätigkeit der russi-
schen Artillerie an der ganzen Ostfront, namentlich im Bereiche der
Heeresgruppe GO. Böhm-Ermolli. Bei den Russen konnten jetzt viele
neue Batterien wahrgenommen werden. Im Bereiche der Südarmee
mehrten sich auch die Aussagen russischer Unterhändler und Über-
läufer über einen bevorstehenden Angriff. Verliefen auch die hiefür
bezeichneten Tage — der 4., dann der 14. Juni — noch ruhig, so wiesen
doch die Ablösung angriffsunlustiger Divisionen durch von der Pro-
paganda unberührte Truppen, der Bau von Bahnen, von umfangreichen
Munitionslagern, von Brücken über den Dniester und über die Bystrzyca
Nadwornianska sowie die Verstärkung der Artillerie auf die möglichen
Angriffsrichtungen der Russen hin. Es waren dies die Räume bei Zbo-
rów und Brzézany und südlich des Dniester bei Stanislau und Solot-
wina, mithin an den nach Westen führenden großen Vormarschsträßen.
Von Tag zu Tag wurde auch das Verhalten der russischen Infanterie
gegen die noch immer fortgesetzte Propagandatätigkeit ablehnender und
Obst. a. D. K i s 1 i n g verfaßten, sehr ausführlichen Studie, Der Sommerfeldzug 1917
in Ostgalizien, verwertet.
Anzeichen für den Russenangriff
227
feindseliger. Die Steigerung der Kampftätigkeit war jedoch zunächst
vornehmlich der russischen Artillerie zuzuschreiben, während die In-
fanterie für Angriffsunternehmen scheinbar noch nicht zu haben war.
Mit gespanntester Aufmerksamkeit vierfolgten die Armeen der
Heeresgruppe Böhm-Ermolli die Vorgänge bei den Russen. Am 14. Juni
machte die k. u. k. Heeresleitung die öst.-ung. Armeen an der Ostfront
auf eine Umgruppierung der russischen und der rumänischen Streit-
kräfte aufmerksam. Starke Reserven stünden hinter der russischen Front
bei Riga und bei Smorgon, zwischen Brody und Halicz und bei Jaco-
beny. Diese Truppen Versammlungen und auch die Ernennung Brussi-
lows zum Höchstkommandierenden ließen eine neuerliche Offensive der
Russen erwarten. Ob aber die russische Infanterie auch wirklich vor-
wärts zu bringen sein werde, erscheine noch zweifelhaft; doch bemühe
sich der die Front bereisende Kriegsminister Kerenski, die Manneszucht
und den Geist im russischen Heere wieder zu heben. Es stehe nunmehr
fest, daß durch die Friedenspropaganda von Front zu Front ein Waffen-
stillstand mit Rußland und die Trennung dieses Staates von der Entente
nicht herbeigeführt werden könne. Wie groß dennoch die Kriegsmüdig-
keit der Russen sei, zeige ein durch einen englischen Vertrauensmann
dem deutschen Gesandten in Bern bekanntgewordener Bericht des eng-
lischen Botschafters Buchanan, in dem es hieß, daß das russische Heer
für militärische Operationen größeren Stils nicht mehr in Betracht
komme. Nur für den Fall eines englisch-französischen Sieges an der
deutschen Westfront sei es denkbar, daß Teile der russischen Armee
sich zu einem Vorstoß bewegen ließen.
Das Heeresgruppenkommando Böhm-Ermolli beurteilte allerdings
die Lage ernster und glaubte annehmen zu können, daß die Russen
wirklich die Absicht hätten, in Ostgalizien größere, einheitlich ange-
setzte Angriffe durchzuführen. Nur bei Stanislau und vielleicht auch
bei Solotwina schien sich der Feind mit Teilangriffen begnügen zu
wollen. Anders am Südflügel der 2. Armee und bei der Südarmee. Der
Feind, der vor der letztgenannten Armee schon seit Beginn seiner An-
griffsvorbereitungen nahezu doppelt überlegen war, zog für die Durch-
führung seines Angriffes noch weitere Kräfte heran.
Anfangs Juni erschien das VII. sib. Korps bei Podhajce, das um
Kolomea in Ruhestellungen gestanden war. Das II. Gardekorps, bisher
östlich von Brody in Reserve, marschierte Mitte des Monats über Tar-
nopol nach Süden und erreichte gegen den 25. ebenfalls die Umgebung
von Podhajce; hinter ihm rückte das von Norden herangezogene
15*
228
Der letzte Russenansturm
I. Gardekorps über Tarnopol gegen Westen. Im Räume beiderseits von
Zborów ballten sich drei Russenkorps, das VI., das XLIX. und das
XVII., zusammen. Unterdessen wurde das VII. sib. Korps in auffallend
dichter Massierung südlich Brze£any auf dem westlichen Ufer der Zlota
Lipa in die Front der russischen 7. Armee eingeschoben und an seiner
Stelle das XXXIV. Korps von Monasterzyska, wohin es von Kolomea
her gelangt war, nach Podhajce und Umgebung verlegt. Russische Hee-
reskavallerie (das II. Kavalleriekorps) wurde ebenfalls aus dem Raum
südlich vom Dniester nach Norden, zunächst in die Gegend von Bu-
czacz, geschoben. Aus dem Hinterland folgte noch das V. Kavallerie-
korps nach.
Alle diese Bewegungen, die durch russische Funksprüche im Ein-
klang mit den Erkundungen unserer Aufklärungsflieger einwandfrei
festgestellt wurden, ließen im Zusammenhang mit den sich mehrenden
Aussagen von Gefangenen und Überläufern keinen Zweifel mehr dar-
über aufkommen, daß die Russen diesen Angriff mit ganz besonderer,
alle früheren Offensiven weit übertreffender Gründlichkeit vorberei-
teten. Die Furcht vor den Folgen eines etwaigen Mißlingens mag
dabei die Hauptrolle gespielt haben. Um die russische Infanterie ganz
sicher für den Angriff zu gewinnen, wurde ihr noch versprochen, daß
die gegnerischen Stellungen so zusammengeschossen werden würden, daß
man durch sie mit „geschultertem Gewehr" werde hindurchmarschieren
können.
Im auffallenden Gegensatz zu den umfangreichen Angriffsvorberei-
tungen der Russen blieb in der zweiten Hälfte Juni die Gefechtstätigkeit
gering, auch die der russischen Artillerie. Diese Tatsache konnte indes
nur dahin gedeutet werden, daß trotz der großen Menge an Artillerie-
munition, die der Feind nunmehr zweifellos angehäuft hatte, ein Über-
fluß nicht vorhanden war, und daß die feindliche Artillerie möglichst
lange unerkannt bleiben wollte.
Gdl. Bothmer, der Führer der Südarmee, hatte auf die sich meh-
renden Angriffszeichen hin vom Oberbefehlshaber Ost eine Verstärkung
an Artillerie und Infanterie erbeten und erhalten. An Artillerie wurden
der Südarmee im Laufe der zweiten Hälfte Juni insgesamt 22 Batterien,
darunter 12 schwere, und ausreichende Munition zugeführt. Außerdem
wurden im Laufe des Monats Juni fast alle leichten Feldhaubitzbatterien
wieder auf vier Geschütze gebracht. An Infanterie stand bei der Süd-
armee in Reserve zunächst nur die Ende Mai eingetroffene deutsche
4. ErsD. zur Verfügung des Oberbefehlshabers Ost. Sie hatte in Frank-
Die Abwahrmaßnahmen der Verbündeten
229
reich schwer gelitten und bedurfte zur Wiederherstellung ihrer vollen
Gefechtskraft noch der Ruhe. Die Ablösung der Mitte Juni nach Klein-
asien abbeförderten türkischen 19. ID. durch die neu überwiesene
deutsche 15. RD. verminderte die infanteristische Kraft der Südarmee
um drei Bataillone, brachte dagegen eine geringe Verstärkung der Feld-
artillerie. Durch Verschmälerung des besonders schwierigen Abschnitts
der 75. RD. auf den Höhen östlich von Lipica Dolna wurde ein weiteres
Infanterieregiment zur Verfügung des Armeekommandos gewonnen und
in Lipica Görna bereitgestellt. Endlich traf Ende Juni als weitere Re-
serve des Oberbefehlshabers Ost die sächs. 241. ID. bei der Südarmee ein.
Sie wurde im Narajówkatal bei Kurzany untergebracht. Als Gruppen-
kommando für die bevorstehende Abwehrschlacht wurde der Armee
Bothmer das am linken Flügel der k. u. k. 7. Armee befindliche General-
kommando des XXV. RKorps zur Verfügung gestellt. Die 7. Armee er-
hielt dafür von der Isonzofront das k. u. k. XVII. Korpskmdo., FML.
Fabini, überwiesen. Das Generalkommando des XXV. RKorps traf am
27. Juni in Rohatyn ein und übernahm am 28. den Befehl über die
15. und die 24. RD. im Abschnitt Rohatyn. Alles in allem standen
Ende Juni im Bereich der Südarmee auf einer Breite von 65 Kilometern
6V2 deutsche, 3 öst.-ung. und 1 türkische Division zur Abwehr des rus-
sischen Ansturmes bereit.
Das Schwergewicht des russischen Angriffes wurde gegen den
Frontraum zwischen Lipica Dolna an der Narajówka und Perepelniki
östlich von Zloczów, also gegen die Mitte und den Nordflügel der Süd-
armee sowie gegen die südliche Hälfte des nördlich anschließenden Ab-
schnittes Zloczów der 2. Armee (Generalkommando des deutschen
I. Armeekorps, Gdl. v. Winckler) erwartet. In diesen Räumen ließ die
Zusammenballung der Korps VI, XLIX, XVII und des I. Gardekorps
der Russen erkennen, daß der Feind beabsichtige, beiderseits der Straße
Tarnopol—Zborów durchzubrechen. Man nahm an, daß die bisher
gegen die k. u. k. 33. ID. bei Zwy£yn (12 km nordwestlich von Zalosce)
unterhaltene rege Gefechtstätigkeit der Russen nur Täuschungszwecken
dienen sollte.
In Erwartung des bevorstehenden russischen Angriffes hatte das
Heeresgruppenkommando Böhm-Ermolli die Ende Mai eingelangte deut-
sche 223. ID. in den Raum zwischen Bohutyn und Pluhów hinter das
bedrohte IX. Korps gestellt; die deutsche 237. ID. war Ende Juni von
Brest-Litowsk nach Zloczów im Anrollen. Die sächs. 96. ID. war hinter
dem V. Korps und die LeibHusBrig. hinter dem XVIII. Korps unter-
230
Der letzte Russenansturm
gebracht. Die bei Lemberg in Aufstellung begriffene österreichische
12. reit. SchD. unterstand noch der k.u. k. Heeresleitung.
Gegen den Nordflügel der Südarmee (k. u. k. XXV. Korps) und den
Südflügel des Abschnittes Zloczow (k. u. k. IX. Korps und deutsche
197. ID.) mit zusammen fünf Frontdivisionen stellte die russische
11. Armee 8 V2 Divisionen ins erste und 2 Divisionen in das zweite Tref-
fen. Das I. Gardekorps und die 1. TransbaikalKosD. lagerten Ende Juni
noch westlich von Tarnopol. Da mit Rücksicht auf die ausreichenden
Reserven bei der k. u. k. 2. Armee die Überlegenheit der Russen nicht
so bedeutend war, hoffte das Armeekommando, den feindlichen An-
sturm erfolgreich abwehren zu können.
Auch für den Fall eines Angriffes gegen die 3. Armee, der Ende
Juni allerdings wenig Wahrscheinlichkeit hatte, wurde durch die Bereit-
stellung von zwei neu angekommenen Divisionen, der deutschen 83. ID.
und der k. u. k. 16. ID., hinter dem Nordflügel für die Abwehr aus-
reichend vorgesorgt.
Bei der Südarmee und der 2. Armee hatte man etwa vom 25. Juni
an den Eindruck, daß der feindliche Ansturm unmittelbar bevorstehe.
Die russische Infanterie war jedenfalls um diese Zeit, der Masse und
Gliederung nach, bereit, anzugreifen. Aufgefangene Funksprüche und
die Aussagen von Gefangenen ließen darauf schließen, daß der schon
mehrmals verschobene russische Angriff nunmehr endgültig auf den
29. Juni festgesetzt sei.
Das beste Gegenmittel hätte sicherlich darin bestanden, den Russen
mit einem schnellen Angriff zuvorzukommen. Im Mai, als mit dem
Hervortreten Kerenskis die Gefahr wuchs, daß sich das russische Heer
wieder festige, erwog man in Kreuznach einen solchen Plan. Damals
wäre es noch möglich gewesen, das russische Heer in verminderter
Kampfkraft zu treffen. Gdl. Ludendorff ging darauf jedoch nicht ein,
denn er wollte nicht die schwere Verantwortung übernehmen, daß wirk-
lich vorhandene Aussichten, mit Rußland ohne weiteres Blutvergießen
zum Frieden zu gelangen, zerstört würden. Jetzt aber, Ende Juni, fielen
diese Bedenken weg. Der Oberbefehlshaber Ost, Prinz Leopold von
Bayern, wollte sich daher auch nicht auf die Abwehr beschränken, son-
dern plante, die feindliche Offensive mit einem Gegenschlage zu ver-
gelten. Hiefür nahm er die von Zloczow längs des oberen Sereth auf
Tarnopol führende Stoßrichtung in Aussicht, weil hier eine Umfassung
des südlich davon stehenden Teiles des russischen Heeres erreicht wer-
den konnte. Je mehr Truppen die Russen zu ihrem Angriffe an der
Meuterei im französischen Heere
231
Front zwischen Zborów und den Karpathen anhäuften, desto größer
mußte der Erfolg werden. Mit den Vorbereitungen für den Gegenstoß
sollte aber erst begonnen werden, bis der Feind tatsächlich angegriffen
und sich an den Wehrstellungen der Heeresgruppe Böhm-Ermolli fest-
gerannt hätte.
Die DOHL. billigte diesen Plan und war bereit, die Kräfte für den
Gegenstoß entsprechend stark !zu halten, um, wenn möglich, eine ent-
scheidende Wirkung zu erreichen und den Widerstand Rußlands end-
gültig zu brechen. Hierzu waren Verstärkungen nötig. Mehr als sechs
Divisionen konnten aber an der Westfront nicht entbehrt werden. Auch
dies war schon ein schwerer Entschluß, da am 7. Juni der englische
Angriff bei Wytschaete erfolgte und zu erwarten war, daß eine große
Offensive in Flandern folgen würde. Der Abtransport und die artille-
ristischen Vorbereitungen waren so geordnet, daß etwa Mitte Juli der
Gegenstoß angesetzt werden konnte. Zwei Wochen früher rafften sich
in der Tat die 11. und die 7. Russenarmee in Ostgalizien zu ihrem letz-
ten Massensturm auf1).
Die Untätigkeit der Verbündeten Rußlands
Die Begebenheiten an der Westfront
Hiezu. Bei,läge 1
Waren im April die Heere der beiden Westmächte entgegen den
getroffenen Vereinbarungen, an allen Fronten möglichst gleichzeitig an-
zugreifen, schließlich doch vereinzelt in die Schranken getreten, so fügte
es sich Ende Juni, daß nun die Russen, als sie sich endlich in Ostgalizien
zu einem großen Durchbruchs angriff anschickten, von ihren Verbündeten
allein gelassen wurden.
Daß die Italiener nach der sehr verlustreichen zehnten Isonzo-
schlacht und nach ihren ergebnislosen Angriffen in den Sieben Ge-
meinden einer Ruhepause bedurften, war verständlich. Aber auch die
Franzosen -verharrten in völliger Tatenlosigkeit. Der Grund hiefür war,
daß sich die Stimmung im französischen Heere nach den fruchtlosen
und sehr verlustreichen Anstürmen an der Aisne immer mehr ver-
i) Ludendorff, 345. — Hoffmann, Der Krieg der versäumten Gelegen-
heiten (München 1923), 177 f. — Kühl, Weltkrieg, II, 106.
232
Der letzte Russenanstiirm
schlechter te. Sicherlich zum Teil auch hervorgerufen durch die revo-
lutionären Ereignisse in Rußland, kam es nach dem 20. Mai zu offenen
Meutereien, zuerst bei den in Reserve stehenden Truppen, dann auch
an der Front. Insgesamt wurden 16 französische Korps vom zersetzen-
den Geist erfaßt. Bei 75 Infanterieregimentern, 23 Jägerbataillonen,
12 Artillerie-, 1 Dragoner- und 2 Kolonialregimientern sowie bei den
Senegalschützen gab es offene Widersetzlichkeiten. Zwei in Frankreich
stehende russische Brigaden, die den Gehorsam verweigerten, wurden
in ihren Lagern umzingelt und durch Geschützfeuer zur Befehlsbefol-
gung gezwungen. So gab es anfangs Juni, wie der französische Kriegs-
minister Painlevé schreibt, zwischen Soissons und Paris nicht mehr als
zwei verläßliche Divisionen1).
Die französische Heeresleitung griff nun sehr tatkräftig durch;
ISO Meuterer wurden zum Tode verurteilt, davon allerdings bloß
23 hingerichtet2). Der neue Generalissimus Pétain ließ es aber auch
an Belehrung der Irregeleiteten und an der Abstellung der Mißstände,
die zu den Auflehnungen geführt hatten, nicht fehlen. Dadurch ver-
mochte er bis zum Juli den Geist des Franzosenheeres wieder merklich
zu bessern. Der Kriegsminister Painlevé gab der Kammer am 7. Juli
das Versprechen, daß mit ehrgeizigen, unüberlegten und schlecht vor-
bereiteten Angriffen ein Ende gemacht werden würde. Es glückte der
französischen Heeresleitung aber auch, den durch die Meutereien her-
beigeführten Schwächezustand zu verbergen. Was hätte geschehen kön-
nen, wenn die Deutschen etwa zu Anfang Juni von den Vorgängen im
französischen Heere Kenntnis erlangt hätten! Doch der sonst meist gut
unterrichtete deutsche Nachrichtendienst erfuhr seltsamerweise von den
Meutereien nichts. Sie blieben eines der wenigen wohlbehüteten Geheim-
nisse des Krieges3).
Bei diesem Zustand des Franzosenheeres war es nur natürlich,
daß, als sich die Engländer anfangs Juni zum Angriff in Flandern
anschickten und die Franzosen zur gleichzeitigen Teilnahme aufforder-
ten, Pétain auf Anraten seiner Unterführer diese Angriffe erst für den
Juli in Aussicht stellte. Ihm widerstrebte es überhaupt, sich vor dem
Eintreffen der Amerikaner in ein größeres Angriffsunternehmen ein-
zulassen. Er stimmte aber gerne einer Verlängerung der französischen
Front nach Norden zu, um das britische Heer zu einem wuchtigen Stoß
x) Painlevé, Comme j'ai nommé Foch et Pétain (Paris 1925), 132 ff.
»-) Pal at, 433.
3) Kühl, Weltkrieg, II, 99.
Wachsende Bedeutung des albanischen Kampfraumes
233
zu befähigen. Selbst wenn das diesem Stoß gesteckte Ziel, die Weg-
nahme der deutschen U-Bootstützpunkte ander belgischen Küste (S. 129),
nicht erreicht werden sollte, mochte den Deutschen wenigstens die
Möglichkeit genommen werden, sich anderen Zielen zuzuwenden.
Am 7. Juni brachen die Engländer bei Wytschaete (12 km südlich
von Ypern) vor und fügten den Deutschen empfindliche Verluste bei;
es blieb aber bei diesem Anfangserfolg. Allerdings war die Lage der
deutschen 4. Armee (siehe Beilage 1) auch nachher sehr gespannt, weil
ihr außer der Verteidigung der Landfront noch die Sicherung der flan-
drischen Küste und Vorkehrungen gegen allfällige Landungen in Hol-
land zufielen1). Die Engländer hielten an dem Plane eines Vorstoßes
in Flandern fest, gedachten jedoch nicht, ihre Flotte aufs Spiel zu
setzen, Die vorübergehende Angriffsunfähigkeit des Franzosenheeres
und die weiteren Erfolge des deutschen U-Bootkrieges — im Mai wur-
den 869.000 und im Juni 1,016.000 Tonnen feindlichen Schiffsraumes
versenkt — nötigten die Engländer geradezu, neuerlich anzugreifen.
Sie bereiteten ihr Vorhaben aber mit aller Gründlichkeit vor. Dadurch
entstand gerade um die Monatswende Juni-Juli eine Kampfpause auf
dem Nordflügel der Westfront. Das südlich anschließende Franzosen-
heer war aus den schon erörterten Gründen unfähig, mit den Russen
zugleich anzugreifen.
Die Ereignisse auf dem Balkan und im nahen Orient
Auf dem Balkan hielt in Albanien der italienische Druck im Quell-
gebiet der Tomo rica an (S. 120 und Beilage 5). Um sich endgültig davon
zu befreien, unternahm FML. Gerhauser anfangs Juni einen kräftigen
Vorstoß, der den ganzen Raum nördlich von Osum bis über Gradiska
hinaus vom Feinde säuberte. Wegen Nachschubschwierigkeiten mußte
das XIX. Korpskmdo., Gdl. Trollmann, das in gutem Fluß befindliche
Unternehmen anhalten.
Die wachsende Bedeutung, die auch die Alliierten dem albanischen
Kampfräume beimaßen, bestimmte die k. u. k. Heeresleitung, gemeinsam
mit der DOHL. das Unterbinden der von Bikliste über Korea nach
Santi Quaranta führenden feindlichen Nachschublinie zu erwägen. Auch
an einen Angriff auf Valona dachte man damals. Da die Rücksicht auf
die anderen Fronten eine Verstärkung des k. u. k. XIX. Korps jedoch
i) Kühl, Weltkrieg, II, 116.
234
Der letzte Russenansturm
verbot, erhielt' dieses Mitte Juni die Weisung, sich auch weiterhin nur
auf die Behauptung der Vojusafront zu beschränken. Das vorerwähnte
Unternehmen, für das die Vorbereitungen fortzusetzen waren, wurde
für spätestens Mitte Oktober anberaumt. Außerdem erhielt das XIX. Korps
Befehl, möglichst starke Artillerie in die Front zu stellen und die
noch nördlich vom Semeni stehenden Kampftruppen (211. LstlBrig.)
vorzuziehen. Der seit Mitte Juni vom FML. v. Bekic befehligte Küsten-
schutz sollte lediglich die Umschlagplätze S. Giovanni di Medua und
Durazzo sowie die nördlich von Kavaja knapp an der Küste führende
Nachschublinie decken, In den übrigen Küstenabschnitten waren nur
Beobachter zu belassen, südlich vom Skumbi zum Schutze der in seinem
Tale führenden Rochadelinien neue Stellungen zu erkunden und stütz-
punktartig auszubauen.
Das geringe Ergebnis der Frühjahrsoffensive der Ententeheere an
der Westfront und in Mazedonien sowie das Ausbleiben des vereinbart
gewesenen russisch-rumänischen Begleitangriffes veranlaßten die Alliier-
ten, jetzt wenigstens die griechische Frage zu ihren Gunsten zu lösen.
Vorwände hiefür waren bald gefunden. Man beschuldigte das könig-
liche Griechenland, die Forderungen der Entente nicht erfüllt zu haben,
und sprach auch nach der Abrüstung des hellenischen Heeres von Auf-
standsvorbereitungen im Rücken des in Mazedonien fechtenden Orient-
heeres. Die venizelistische Nebenregierung wechselte dagegen mit Paris
Sympathiedepeschen, bot der Entente ein Militärbündnis an und ent-
sandte ihre Vertreter in die Hauptstädte von Frankreich, England und
Rußland.
Inzwischen hatten sich die beiden Westmächte und Italien dahin
geeinigt, in Griechenland einen Regimewechsel zu erzwingen. Am 12. Juni
wurde König Konstantin zur Abdankung veranlaßt, nachdem die auf
Morea internierte Armee vom übrigen Land abgeschlossen und ein
Athen bedrohendes Landungskorps bereitgestellt worden war. Da auch
der Kronprinz als zu wenig ententefreundlich galt, bestieg der zweit-
geborene Königssohn, Prinz Alexander, den Thron.
Am 25. Juni kehrte Venizelos als griechischer Ministerpräsident
nach Athen zurück. In einer Proklamation verhieß er dem Volke, „an
der Seite der demokratischen Nationen für die Freiheit der Welt
kämpfen zu wollen" und begann sofort mit dem Wiederaufbau des
griechischen Heeres. Eine französische Militärmission stand ihm hiebei
zur Seite. Ende Juni wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen
den Mittelmächten und der neuen griechischen Regierung abgebrochen.
Die beiden Gazaschlachten
235
Nicht ohne bedeutungsvolle Ereignisse verlief das erste Halbjahr
1917 im nahen Orient. In der Nacht auf den 11. März glückte es den
Engländern, die Schlappe von Kut-el-Amara wettzumachen und Bagdad
den Türken zu entreißen. Die türkische 6. Armee vermochte schließlich
150 km nördlich dieser Stadt wieder festen Fuß zu fassen. Schon am
17. März reiste der türkische Vizegeneralissimus Enver Pascha nach
Kreuznach, um die Hilfe Deutschlands für die Rückeroberung Bagdads
zu erbitten. Man sagte ihm weitgehende Unterstützung zu. Die tür-
kische 6. Armee sollte mit der um Aleppo zu versammelnden 7. Armee
die Heeresgruppe Yildirim (Blitz) bilden. Die DOHL. stellte das neu-
zubildende „Asienkorps", das k. u. k.AOK. eine Anzahl von Gebirgs-
batterien bei. Die Kriegshandlung wurde für Oktober 1917 in Aussicht
genommen. Zum Oberbefehlshaber wurde Gdl. Falkenhayn bestimmt,
der am l.Mai das Kommando über die von ihm bisher befehligte
deutsche 9. Armee abgab und sodann nach der Türkei abreiste1). Die
Schwerfälligkeit des türkischen Verkehrswesens und die Ereignisse in
Syrien verzögerten jedoch die zeitgerechte Bereitstellung der Heeres-
gruppe in Mesopotamien.
In Syrien standen die Türken in einer Stellung südlich von Gaza
(siehe Band V, Beilage 34), die unbedingt zu halten sie entschlossen
waren. Nachdem die Engländer ihre Eisenbahn entsprechend weit vor-
gebaut hatten, verstärkten sie ihr Expeditionskorps und versuchten
zweimal, die syrische Front der Türken zu durchbrechen. Jedoch blühte
in beiden Gazaschlachten (26.—27. März und 19.—20. April 1917) den
Engländern kein Erfolg. An der geglückten Abwehr hatten auch zwei
öst.-ung. Batterien, die 1. HbBt. GbAR. 4 und die 2. HbBt. GbAR. 6,
ruhmvoll Anteil genommen.
Den in Aussicht stehenden Einsatz der neu zu bildenden grie-
chischen Armee an der Salonikifront benützte England als willkomme-
nen Anlaß, seinen Truppenstand in Mazedonien zu verringern und
dafür seine Heer.esmacht in Syrien zu verstärken. Trotz des Einspruches
der französischen Heeresleitung, die auf die bisherigen englischen Kla-
gen über Versorgungsschwierigkeiten in Mazedonien die seit der
Unterwerfung Griechenlands eingetretene Besserung ins Treffen führen
konnte, blieb das englische Oberkommando diesmal fest. Es zog im
Juni eine Division ab, der im August eine zweite folgte. Dies gab dem
britischen Reichsgeneralstab die Möglichkeit, den schon seit langem
geplanten Angriff aus Jerusalem ernsthaft in die Wege zu leiten.
1) 2 wehl, Erich von Falkenhayn (Berlin 1926), 266 f.
236
Der letzte Russenansturm
Die Doppelschlacht bei Koniuchy-Zborów
und bei Brzezany
(29. Juni bis 3. Juli)
Hiezu Beilagen 12, 13 und 14
Der Beginn des großen russischen Angriffes
(29. und 30. Juni)
Ende Juni des Jahres 1917 standen die Truppen der russischen
Südwestfront auf denselben Kampf Stätten, auf denen ein Jahr zuvor
ihre Offensive versandet war, wieder zu einem mächtigen Angriff bereit.
Der neue Oberbefehlshaber der südwestlichen russischen Heeresfront,
Gdl. Guter, der mit der Aufgabe beauftragt worden war, die öst.-ung.
und die deutschen Wehrstellungen in Ostgalizien zu durchbrechen und
Lemberg zu erobern, hatte zwischen dem oberen Lauf der Flüsse
Strypa und Narajówka auf einer Frontbreite von etwa 65 km 31 Divi-
sionen mit 800 leichten, 158 mittleren und 370 schweren Geschützen
aufgeboten1). Der Hauptangriff war vom Südflügel der russischen
11. Armee zwischen Grabkowce und Byszki, also beiderseits von Zbo-
rów und Koniuchy zu führen, um zunächst das westliche Ufer der
oberen Zlota Lipa zu gewinnen; von da aus sollte der Angriff in
nordwestlicher Richtung über Zloczów—Gliniany vorgetragen werden.
Einen zweiten, noch mächtigeren Schlag hatte der Nordflügel der
russischen 7. Armee zwischen Kuropa,tniki und der Höhe Popielicha
bei Mieczyszczów über Brze£any ebenfalls in nordwestlicher Richtung
auf Bóbrka zu führen (S. 103). Zur Entlastung des Hauptstoßes sollten
rechts das V. sib. Korps an der Graberka bei Zwy±in, links das
XII. Korps am Dniester bei Jezupol und Stanislau zu Neben angriffen
vorbrechen.
Für den Hauptangriff stellte die 11, Armee die 35. ID. des
XVII. Korps, das XLIX. Korps (4. und 6. finn. SehD., 82. ID., tschecho-
slowakische SchBrig.), und das VI. Korps (2. finn. SchD., 4., 16., 151.
x) Nach Smilg-Benario, Von Kerenski zu Lenin, 115. — Demgegenüber
gibt K n o X, II, 641, die artilleristische Stärke der russischen Angriffsarmeen in
Ostgalizien mit über 693 leichten und 337 schweren Geschützen an.
Das Kräfteaufgebot der Russen
237
und 155. ID.) bereit. An Reserven waren bei Jezierna das I. Gardekorps
(l.und2. GD.) und die 1. TransbaikalKosD. verfügbar. Außerdem sollte
bis anfangs Juli das V. Korps (7. und 10. ID.) bei Tarnopol bereit-
gestellt werden. Dahin wurde auch das im Verbände der russischen
9. Armee befindliche XLV. Korps (122., 126. und 194. ID.) gefahren.
Die russische 7. Armee hatte in der Front das XLI. Korps (3., 5. Trans-
amur GrenzwachD., 74. und 113. ID.), das VII. sib. Korps (12., 13. sib.
SchD. und 108. ID.), das XXXIV. Korps (19. sib. SchD., 23., 104. und
153. ID.) und das finn. XXII. Korps (1., 3., 5. finn. SchD. und 159. ID.)
eingesetzt. Das II. Gardekorps (GardeSchD., 3.GD.), die Polendivision,
zwei Radfahrerbataillone, das II. Kavalleriekorps (9. KD. und komb.
KD.) und das V. Kavalleriekorps (11. KD. und 3. OrenburgKosD.) stan-
den im Räume von Podhajce und Buczacz in Reserve.
Die Masse der russischen Angriffstruppen setzte sich aus finnischen
und aus sibirischen Regimentern zusammen. An besonderen Verbänden
waren der 11. Armee eine aus tschechoslowakischen Überläufern und
Gefangenen gebildete Schützenbrigade, der 7. Armee eine polnische
Division und zwei neuaufgestellte Radfahrerbataillone beigegeben. Daß
die tschechoslowakische Brigade bei Zborów gegenüber der zum über-
wiegenden Teil aus Mannschaften tschechischer Nationalität zusammen-
gesetzten k. u. k. 19. ID. eingesetzt worden war, sollte sich alsbald als
ein kluger Schachzug der russischen Führung erweisen. Die Einreihung
der tschechoslowakischen Brigade in die Front entsprach aber, wie an
anderer Stelle noch gestreift werden wird, auch einem längst gehegten
Wunsche der im Auslande tätigen tschechischen Politiker, die die An-
erkennung der Tschechoslowaken als verbündete Nation sowie der
tschechoslowakischen Legionen als verbündete und mit Österreich-
Ungarn und Deutschland in regelrechtem Kriege befindliche Armee
durch die Alliierten erringen wollten. Die 11. Armee besaß 50, die
7. Armee 70 Flugzeuge. Die meisten Divisionen hatten je ein schlechtes
und unzuverlässiges Regiment. Die Artillerie und die Kavallerie galten
als verläßlich.
Die artilleristische Vorbereitung sollte ursprünglich fünf Stunden
dauern; dann hatte der Infanterieangriff zu beginnen. Auf Einspruch des
französischen Beraters des Oberbefehlshabers der Heeresfront in artil-
leristischen Fragen wurde aber beschlossen, den Artillerieangriff der
11. und der 7. Armee nicht gleichzeitig erfolgen zu lassen. Deshalb
hatte die artilleristische Vorbereitung bei der 11. Armee am 29. Juni
bei Tagesanbruch, bei der 7. Armee 24 Stunden später einzusetzen.
238
Der letzte Russenansturm
Der Beginn des Infanterieangriffes war für beide Armeen für den
1.Juli, 9hvorm., befohlen.
Am 29. Juni erließ der an der Front eingetroffene Kriegsminister
Kerenski einen Befehl, in dem er die Armee mit flammenden Worten
zum Kampfe aufrief : „Soldaten! Das Vaterland ist in Gefahr. Die Freiheit
ist bedroht, die Revolution steht vor dem Zusammenbruch. Es ist Zeit,
daß die Armee ihre Pflicht erfüllt. Euer Generalissimus [Brussilow], der
auf so viele Siege zurückblickt, ist der Ansicht, daß jeder Tag, der
eine weitere Verzögerung bringt, dem Feinde zugute kommt, und daß
ein einziger entscheidender Schlag seine Pläne zunichte machen kann.
Deshalb fordert er in vollem Bewußtsein seiner großen Verantwortlich-
keit, im Namen des freien Volkes und der Provisorischen Regierung
die Armee auf, die Offensive zu ergreifen.....Ich befehle euch :
Vorwärts!1)"
Die Heeresgruppe GO. Böhm-Ermolli, gegen die sich der Ansturm
der Russen hauptsächlich richten sollte, gliederte sich Ender Juni in
drei Armeen. Die auf dem rechten Flügel stehende, von den Karpa-
then bis zum Dniester reichende k. u. k. 3. Armee, GO. Tersztyanszky,
hatte in der Front die vier öst.-ung. Infanteriedivisionen 5, 42, 36,
15 und die 2. KD.; in Reserve, hinter dem Nordflügel, die deutsche
83. und die öst.-ung. 16. Division. Die Südarmee unter G dl. Bothmer
stand nördlich vom Dniester bis Koniuchy auf dem Westufer der
Narajówka und zu beiden Seiten der ZlotaLipa. Sie deckte die von
Pomorzany und Rohatyn nach Lemberg führenden Verbindungen.
Vier deutsche Divisionen, 53., 75., 15. und 24. RD., drei öst.-ung.,
38. HID., 55., 54. ID., und die türkische 20. ID. standen in der Front,
zwei deutsche, die 4. ErsD. und die 241. ID., in Reserve. Die k. u.k.
2. Armee hielt unter dem unmittelbaren Befehl des Heeresgruppen-
kommandanten in der Linie Koniuchy—Zborów—Presowce—Harbu-
zow—Batków—Zwyzyn, am Graberka—Luhabschnitt sowie westlich
und nordwestlich von Brody. Sie hütete mit ihrem rechten Flügel
Bahn und Straße Zloczow—Lemberg. In der Front hatte sie die
197. ID., die 12. und die 15. LD. der Deutschen und die fünf öst.-ung.
Infanteriedivisionen 19, 32, 33, 27, 25 sowie die öst.-ung. 4. KD.
stehen. Zwei deutsche Divisionen, die 223. und die 96. ID., bildeten
die Reserve. Die deutsche 237. ID. rollte gerade über Lemberg nach
Zloczow heran. In Lemberg war außerdem die k. k. 12. reit. SchD.
verfügbar. Der rechte Flügel war als Abschnitt Zloczow dem komman-
!) Smilg-Benario, Von Kerenski zu Lenin, 144 f.
Die Zusammensetzung der Heeresgruppe Böhm-Ermolli
239
dierenden General des deutschen I. Armeekorps, GdL Winckler, unter-
stellt. Vorbereitungen für den Verteidigungskampf waren seit langem
getroffen; die Erfahrungen der großen Abwehrschlachten im Westen
waren dabei verwertet worden. Führer und Truppen sahen dem rus-
sischen Angriff mit Vertrauen entgegen.
Am 29. Juni steigerte sich bei der Südarmee und am Südflügel der
k. u. k. 2. Armee im Abschnitt Zloczow das russische Artilleriefeuer, das in
den letzten Tagen immer mehr zugenommen hatte, zum planmäßigen Zer-
störungsfeuer; es richtete sich hauptsächlich gegen die Stellungen der
24. RD. und der 55. ID. in der Gegend von Brze¿any sowie gegen den
linken Flügel der 54. ID., dann gegen die 19. ID. beiderseits des Ortes
Koniuchy. Auch von der k. u. k. 33. ID. bei Zwy£yn kamen Meldungen
über auffallend starkes Artilleriefeuer der Russen. Selbst weit hinter der
Front liegende Unterkunftsorte, wie Brzezany und Urman, sowie die
Brücken über die ZiotaLipa wurden von schwerem Steilfeuer heim-
gesucht. Schon am Morgen stellten unsere Flieger fest, daß die zahl-
reichen Lager, die sich hinter der russischen Front befunden hatten,
von Truppen frei seien. Offenbar hatten die Russen ihre Reserven
näher an die Front herangeschoben. Das Feuer hielt mit geringen
Unterbrechungen den ganzen Tag über an. Am Nachmittag meldeten
die 55. und die 54. ID. sowie die k. u. k. 19. ID. ,,Trommelfeuer" auf
die Höhe Lysonia und auf die Stellungen bei Koniuchy. Von der 24. RD.
traf die Nachricht ein, daß der Feind das Tal der ZiotaLipa südlich
von Brzezany vergase.
Unsere Artillerie legte starkes Zerstörungsfeuer auf die russische
Artillerie. Südlich von Szybalin und östlich von Koniuchy bekämpfte
sie bereits Ansammlungen feindlicher Infanterie. Die Abhorchstationen
der Verbündeten nahmen an verschiedenen Stellen wahr, daß von der
russischen Infanterie der Wunsch geäußert wurde, heute noch zum An-
griff zu schreiten; doch kam es nur mehr gegen den Nordflügel der
k. u.k. 54. ID. bei Koniuchy um llhnachts zu einem kurzen Vorstoß
der Russen, der im Feuer der Verteidigungsartillerie vor den Hinder-
nissen zusammenbrach.
Das Feuer der feindlichen Artillerie hatte schon am 29. gezeigt, daß
die Russen viel mehr Geschütze und vor allem beträchtlichere Muni-
tionsmengen einzusetzen hatten als im Jahre 1916 und daß das Feuer
bedeutend planmäßiger geleitet werde als damals. Durch die Be-
schießung hatten namentlich die vorderen Stellungen der 54. und der
19. ID. beträchtlichen Schaden erlitten. Sie konnten aber während der
240
Der letzte Russenansturm
Nacht ausgebessert werden. Auch waren die Verluste trotz der andau-
ernden Beschießung noch gering geblieben Die Stimmung der Infan-
terie war gehoben und zuversichtlich, obwohl die tagsüber herrschende
ungewöhnlich drückende Hitze sich sehr unangenehm fühlbar machte.
An der Narajówka sowie in den Kampfabschnitten südlich vom
Dniester und westlich von Brody war es am 29. ruhig geblieben.
Immerhin trat doch ein unverkennbarer Unterschied im Verhalten des
Feindes gegenüber den letzten Wochen zutage. Die Angriff svorbereitun-
gen der Russen und Gefangenenaussagen wiesen darauf hin, daß der
längst geplante Angriff nunmehr beginne. Gdl. Bothmer meldete diese
Auffassung schon um 8h vorm. dem Heeresgruppenkommandanten GO.
Böhm-Ermolli und dem Oberbefehlshaber Ost.
GFM. Prinz Leopold von Bayern stellte daraufhin die deutsche
241. ID. und die 4. ErsD. der Südarmee zur Verfügung. Gdl. Bothmer
zog diese beiden in Reserve befindlichen Divisionen näher an die Front
heran. Die im Räume zwischen Rohatyn und Bursztyn befindliche
4. ErsD. hatte in der Gegend südlich von Puków aufzuschließen und
sich mit allen Teilen marschbereit zu halten, die bei Narajów Miasto
stehende 241. ID. zwei Regimenter an die ZlotaLipa, in die Gegend
von Brze±any, vorzuziehen.
Auch GO. Böhm-Ermolli machte sich zur Abwehr des russischen
Angriffes bereit. Er überwies die hinter dem Südflügel der 2. Armee
untergebrachte deutsche 223. ID. Und das IR. 19 der k. u.k. 33. ID.
dem Abschnitt Zloczow. Abends wurde ein Bataillon der deutschen
223.IE* hinter den äußersten Südflügel der k. u. k. 19. ID. in ein Wald-
lager südlich von Helenka geschoben und ein Bataillon des deutschen
Landwehrregiments 32 am Ostrand der Mulde von Koniuchy bereit-
gestellt. Am 30. früh sollten alle Truppen der 223. ID. hinter den Süd-
flügel des vom FML. Kletter befehligten k. u. k. IX. Korps gelangen.
Im Laufe des 29. nachmittags war streng vertraulich an das Hee-
resgruppenkommando Böhm-Ermolli und an das Kommando der Süd-
armee ein Heeresbefehl des Oberbefehlshabers Ost ergangen, in dem
es hieß, daß geplant sei, die bevorstehende russische Offensive durch
eine Gegenoffensive im Abschnitt Zloczow zu beantworten. Der Gegen-
schlag sollte unter Einsatz von zwei Generalkommandos, von sieben
bis acht frischen deutschen Divisionen, einschließlich der gerade an-
rollenden 237. ID., und von 30 schweren Batterien mit dem linken
Flügel den Sereth entlang in der allgemeinen Richtung auf Tarnopol
geführt werden (S. 230). Da der endgültige Entschluß zu dieser Gegen-
Die Artillerieschlacht
241
offensive erst vom tatsächlichen Einsetzen des russischen Angriffs ab-
hängig gemacht wurde, meldete Gdl. Bothmer noch am 29. abends dem
Oberbefehlshaber Ost, daß über diesen Angriff nun kein Zweifel mehr
bestehen könne.
Während der Nacht auf den 30. Juni flaute das russische Artillerie-
feuer fast völlig ab. Der Schlagfertigkeit der Truppe und der Ver-
teidigungsfähigkeit der Stellungen kam dies in hohem Maße zustatten.
Gegen 5h morgens begann das Feuer von neuem und steigerte sich
südlich von Brzezany, bei der 24.RD., schon in den ersten Vormittags-
stunden zu einer gewaltigen Artillerieschlacht, die auf den rechten
Flügel der k. u. k. 55. ID. und auch auf die Abschnitte der 15. RD. sowie
der türkischen 20. ID. übergriff. Die Stellungen der 75. RD. an der
Narajówka blieben auffallenderweise der Hauptsache nach verschont,
so daß die Artillerie dieser Division großenteils zur Bekämpfung der
gegen die Türken wirkenden russischen Batterien herangezogen werden
konnte. Durch russische Überläufer wurde bekannt, daß die der 75. RD.
gegenüberstehende russische 52. ID. sich endgültig geweigert habe, am
Angriff teilzunehmen.
Unsere Batterien blieben fast ganz unbehelligt. Der Russe be-
schränkte sich gegen sie auf lebhaftes, aber erfolgloses Streufeuer.
Einzelne Batterien wurden mit zahlreichen Gasgranaten belegt, jedoch
gleichfalls ohne irgend nennenswerte Wirkung. Trotz Unterlegenheit in
der Zahl hielten die deutschen und öst.-ung. Flieger die feindlichen
Luftstreitkräfte derart in Schach, daß diese für die Feuerleitung größ-
tenteils ausfielen. Das Hauptziel der russischen Batterien war /wieder
die Gegend von Brzezany, also die Front der deutschen Südarmee,
die bei den Angriffen des Jahres 1916 den zähesten Widerstand ge-
leistet hatte. Auch schwerste Eisenbahngeschütze wurden von den
Russen eingesetzt. Ihr Feuer richtete sich vor allem gegen die Stellun-
gen der 15. und der 24. RD. sowie der k. u. k. 55. ID., wo sich sehr bald
die Abschnitte Obrçczowa, Dzikie Lany auf dem westlichen, Lysonia auf
dem östlichen Zlota Lipaufer als voraussichtliche Haupteinbruchspunkte
kennzeichneten. Auch die Übergänge über die Zlota Lipa bei Brzefcany
lagen wiederum zeitweise unter schwerstem Steilfeuer.
Schon am Vormittage wurden vor den Einbruchsstellen Ansamm-
lungen russischer Infanterie durch gutliegende kurze Vernichtungsfeuer-
wellen zerstreut. Beim Abschnitt Rohatyn (deutsches XXV. RKorps)
bestand der Eindruck, daß der Feind sich etwa um 9h vorm. zum An-
griff bereitgestellt hatte, in der vernichtenden Gegenwirkung unserer
VI 16
242
Der letzte Russenansturm
Artillerie aber seine Gräben nicht habe verlassen können; jedoch wur-
den neue Anzeichen für einen Angriff gegen die Lysonia beobachtet. Die
russische Infanterie überschritt in kleinen Trupps das Ceniowkatal süd-
lich von Szybalin.
Im Laufe des Nachmittags mehrte sich die Tätigkeit der russischen
Infanterie. Die Artillerieschlacht schwoll in der Gegend von Brze¿any
zu einer Stärke an, wie sie der Osten noch nicht erlebt hatte. Nachdem
die vordersten Verteidigungsstellungen teilweise in Trichterfelder ver-
wandelt worden waren, brach nachmittags russische Infanterie an ver-
schiedenen Stellen vor, wurde aber durch das Abwehrfeuer in ihre
Gräben zurückgetrieben. Südlich von Mieczyszczów gingen russische
Abteilungen wiederholt gegen die Stellungen der Türken vor; von
deren Sperrfeuer gefaßt, fluteten sie bald in Unordnung teilweise bis
gegen ihre zweite Stellung zurück.
Zu größeren Angriffsunternehmen der Russen kam es auf der
Höhe Lysonia und im westlich anstoßenden Abschnitt Zlota Lipa der
24. Reservedivision. Nach stärkstem Trommelfeuer brach der Feind
stellenweise unter dem Schutz von Nebelbomben gegen 5h nachm. aus
seinen Gräben vor, drang auch in einem schmalen Räume südlich der
Lysonia ein, wurde aber alsbald in seine Ausgangsstellungen zurück-
geworfen. Ein nach 7h abends gegen die Höhe Lysonia neuerlich
geführter Angriffsversuch kam im deutschen Sperr- und Vernichtungs-
feuer über die ersten Ansätze nicht hinaus. Das starke feindliche Artil-
leriefeuer gegen die Höhe Lysonia hielt bis in die Nacht hinein an.
Auf den übrigen Teilen der Stellungen beiderseits der Zlota Lipa und
zwischen ihr und der Narajówka begann die feindliche Artillerietätig-
keit gegen 6h abends bedeutend abzuflauen. Der Südflügel der Armee
Bothmer hatte nur mäßiges Feuer erhalten, Angriffsvorbereitungen
sprachen sich dort nirgends aus.
Beim k. u. k. XXV. Korps, FML. Hofmann, stand der rechte Flü-
gel der 55. ID. im Bereich des russischen Angriffsstreifens zwischen
der Zlota Lipa und der Straße Brzezany—Kozowa. Die Russen ver-
wendeten auch dort Nebelbomben, vermutlich, um die gegen die Lyso-
niahöhe geführten Angriff gegen das Flankenfeuer der Artillerie der
55. ID. zu decken, die bei ihrer Abwehr kräftig mitwirkte. Eine ähn-
liche Erscheinung zeigte sich bei Baranówka und Kuropatniki. Dort
entwickelten sich gleichzeitig mit dem Angriff gegen die Lysonia dichte,
schwarze Rauchwolken, die sich im Ceniowkatal ausbreiteten und wohl
einen Vorstoß vortäuschen sollten.
Scheitern der ersten Angriffe der Russen
243
Auch auf dem linken Flügel des k. u. k. XXV. Korps bei Koniuchy
erneuerten die Russen am 30. in der Früh die Beschießung, die den
ganzen Tag währte, sich auch auf die zweiten und dritten Linien rich-
tete und gegen Norden auf einen großen Teil der Stellungen des
k. u.k. IX. Korps der k. u. k. 2. Armee ausdehnte. Um 4h nachm. brach
die russische Infanterie in mehreren Wellen gegen die Stellungen des
k. u. k. IR. 81 auf dem Nordflügel der 54. ID. vor. Der Angriff zer-
schellte im rechtzeitig einsetzenden Sperrfeuer, die Russen fluteten bis
hinter ihre dritte Linie zurück. Ein schwächerer, um 6h abends wieder-
holter Vorstoß scheiterte ebenfalls. Von da ab flaute bei Koniuchy die
Gefechtstätigkeit erheblich ab.
Auch der 30. Juni war ein drückend heißer Tag. Nachmittags gin-
gen zahlreiche, teilweise schwere Gewitter nieder, so daß die Flieger-
tätigkeit stark beeinträchtigt war.
Die Wirkung des feindlichen Feuers gegen die Stellungen auf dem
linken Flügel des XXV. RKorps war erheblich. Auf der Lysonia waren
die vordersten Gräben in ein Trichterfeld verwandelt, die Hindernisse
verschwunden. Die Stellungen der Korps Hof mann und Kletter hatten
weniger gçlitten; doch waren auch dort die Laufgräben und die
Telephonverbindungen stark beschädigt. Die Verluste hatten sich ge-
steigert, blieben aber noch immer erträglich. Die Stimmung der
Truppe war gut und zuversichtlich geblieben, da und dort wurde be-
reits die Ansicht laut, daß der große russische Angriff heute schon
erfolgt und gescheitert sei. Gdl. Bothmer konnte sich dieser Auffassung
allerdings nicht anschließen. Feindliche Massen, die offensichtlich für
den Angriff bereitstanden, waren noch nirgends aufgetreten. Es war
daher anzunehmen, daß es sich in den Hauptkampfabschnitten nur um
Aufklärungsvorstöße nach englisch-französischem Muster gehandelt
habe und daß der Massenansturm noch bevorstände. Schließlich teilte
der Oberbefehlshaber Ost am 30. abends mit, daß die Durchführung
des Gegenangriffes im Abschnitt Zloczów nunmehr beschlossen sei und
die Transportbewegung hiefür begonnen habe.
In der Nacht auf den l.Juli richteten sich kurz vor 2h ohne
erkennbare Artillerievorbereitung westlich der Zlota Lipa gegen die
Stellungen der 24. und den linken Flügel der 15. RD. Angriffe, die
aber ausnahmslos im Vernichtungs- und Sperrfeuer zusammenbrachen.
Im übrigen verlief die Nacht, abgesehen von mäßigem, auch mit Gas-
granaten untermischtem Störungsfeuer, ruhig. Die Truppen konnten
sich in den Trichterfeldern auf der Höhe Lysonia zur Abwehr ein-
16*
244
Der letzte Russenansturm
richten und mit Verpflegung und Munition versorgt werden. Die Ver-
wundeten wurden geborgen. Wie das k. u. k. XXV. Korps am Morgen
sogar meldete, konnten die Stellungen im großen und ganzen wieder
instand gesetzt und auch die Hindernisse vor dem Nordflügel der
54. ID. bei Koniuchy in Ordnung gebracht werden; während der Nacht
waren keine Verluste eingetreten.
Der Durchbruch der Russen im Abschnitt Z1 o c z ó w
(1. bis 3. Juli)
Am 1. Juli, nach zweitägiger Artillerieschlacht, erhoben sich die
Russen zum Angriff, der mit großer Gewalt über die Mitte und den
linken Flügel der Südarmee und über das IX. Korps der k. u. k.
2. Armee hereinbrach. Während Gen. Bjelkowitsch die Masse der von
ihm geführten 7. Armee bei Brzezany anstürmen ließ, hatte der Befehls-
haber der 11. Armee, Gen. Erdeli, am 1. Juli nicht alle auf seinem
Südflügel vorhandenen Kräfte aufgeboten. Er setzte vorerst zwischen
Zborów und Byszki nur vom XLIX. Korps die 6. finn. SchD. und vom
VI. Korps die 2. finn. SchD., sowie die 4. und die 16. ID. zum Stoße an.
Die 155. ID. hatte sich bereit zu halten, um im Falle des Durchdringens
durch die aufgesprengte Bresche zum Angriff vorgeführt zu werden.
Sturmtruppunternehmen der 4. finn. SchD. bei Zborów sollten die Auf-
merksamkeit des Gegners von der über Koniuchy zielenden Hauptstoß-
richtung ablenken.
Der russische Angriff kam dem Verteidiger von Brze¿any und
von Koniuchy nicht überraschend. Russische Überläufer hatten sich
an verschiedenen Stellen der Front eingefunden und den großen Mas-
sensturm für den l.Juli früh angekündigt. Mißlang der Sturmf so
sollte er mittags wiederholt werden. Die Artillerie der 54., der 19. und
der 32. ID. gab daher um 3 ^30 früh Vernichtungsfeuer auf die russi-
schen Gräben ab. Der russische Angriff unterblieb darauf, dafür ver-
gaste die feindliche Artillerie Koniuchy, einzelne Ortschaften hinter
der Front des IX. Korps sowie mehrere Batterien der 32. Division. Nach
4h vorm, setzte feindliches Geschützfeuer auch auf die Stellungen bei
Koniuchy und bei Zborów ein und steigerte sich nach 5h früh plötzlich
zu furchtbarer Gewalt.
Um 9h vorm. brachen Massenangriffe des VI. und des XLIX. Korps
der Russen gegen die Stellungen bei Koniuchy mit voller Wucht los.
Einbruch der Russen bei Koniuchy
245
Trotz des Sperrfeuers der öst.-ung. Artillerie drangen die südlich des
Meierhofes von Koniuchy stürmenden Russen der 16. ID. auf dem äußer-
sten Nordflügel des k.u. k. XXV. Korps, FML. Hofmann, in die erste
Stellung der vom GM. Edi. v. Severus befehligten 54. ID. ein. Es gelang
den Grabenbesatzungen des IR. 81, den Feind hinauszuwerfen. Neuer-
liche Anstürme der Russen durchbrachen jedoch die Linien dieses Re-
giments und drangen auf der Hochfläche gegen den nach Koniuchy steil
abfallenden Höhenrand vor. Nunmehr traten die Regiments- und die
Brigadereserven (Bataillon III/81, Ukrainische Legion und das Sturm-
bataillon der 54. ID.) von Koniuchy aus zum Gegenangriff an. In
diesem Augenblick sah man aber Russen aus nördlicher Richtung durch
den breitgestreckten Ort Koniuchy gegen den Nordflügel der 54. ID.
vorgehen, gleichzeitig schwiegen die im Räume um Koniuchy stehen-
den öst.-ung. Batterien.
Starke Massen der russischen 4. ID. waren inzwischen beiderseits
des Meierhofes Koniuchy vorgestürmt und hatten dort das am Süd-
flügel der k. u. k. 19. ID., FML. Böltz, stehende bh. IR. 1 trotz tapferer
Gegenwehr durchbrochen. Sehr schnell gelangten die vorstürmenden
Russen in die Mitte des Dorfes Koniuchy und schwenkten von dort
nach Norden und Süden ein. Die Geschütze der bei Koniuchy befindlichen
Batterien mußten gesprengt werden. Hiedurch wurde aber das Sperr-
feuer sehr dünn. So gelang es dem Feinde, auch den Nordflügel der
54. ID. zu überrennen und, im Verein mit den von Norden kommenden
Russen, das IR. 81, die Ukrainische Legion sowie das Sturmbataillon
der 54. ID. von zwei Seiten her zu fassen und zum größten Teil
gefangenzunehmen.
Zwischen den bei Byszki noch feststehenden Truppen der 54. ID.
und dem k. u. k. IX. Korps bei Koniuchy klaffte nunmehr eine mehrere
Kilometer breite Lücke, hinter der augenblicklich nichts mehr stand,
was das weitere Vordringen des Feindes hätte aufhalten können. Nur
einzelne Versprengte besetzten den Waldrand westlich vom Südende
von Koniuchy. Dort im Walde befand sich als Korpsreserve das IR. 88.
Auf Befehl des hier anwesenden Korpskommandanten, FML. Hofmann,
setzte sich das Regiment in Bewegung, um: den Byszki-Riegel zu be-
setzen, oder am Südflügel der 19. ID. zum Gegenangriff zu schreiten.
Unterdessen hatten sich die Sturmkolonnen der 4. Russendivision, die
beim Meierhof Koniuchy eingebrochen waren, auch nach Norden ge-
wendet und rollten den Südflügel der k. u. k. 19. ID. auf. Gegenstöße
der noch im Koniuchytale befindlichen Brigade- und Divisionsreserven
246
Der letzte Russenanstiirm
zeitigten keinen dauernden Erfolg. Der Kommandant des IX. Korps,
FML. Kletter, befahl von seiner Korpsreserve ein Infanteriebataillon
zum Gegenangriff auf Koniuchy.
Doch nicht dort, sondern weiter nördlich hätte ein Teil der
Kampfreserven verwendet werden sollen, denn die 6. finn. SchD. des
russischen XLIX. Korps bedrängte auch die Mitte der k. u. k. 19. Divi-
sion. Der geplante Gegenangriff gegen Koniuchy blieb daher aus.
Dieser Hauptstützpunkt an der Nahtstelle der Südarmee und der k. u. k.
2. Armee befand sich am Vormittag bereits völlig in Feindeshand. Schon
drangen die Russen in die östlich der ZlotaLipa gelegenen Wälder ein.
Hier warf sich das k. u. k. IR. 88 dem Feinde entgegen und vertrieb
ihn aus der am Waldrande vorbereiteten zweiten Stellung. Allein für
ein weiteres Vortragen des Gegenangriffes gegen die von weit über-
legenen feindlichen Kräften besetzten Höhen, die das Tal von Koni-
uchy beherrschten, war das IR. 88 zu schwach. Daher mußte zunächst
das vom Abschnittskommando Zloczów in das Tal von Koniuchy heran-
geführte IR. 173 der deutschen 223. ID. abgewartet werden. Nach dessen
Eintreffen sollte am Nachmittag im Verein mit dem IR. 473 der deut-
schen 241. ID., das Gdl. Bothmer von Szumlany auf Dryszczow in
Marsch gesetzt hatte, die Wiedereroberung der verlorengegangenen
Stellungen durchgeführt werden.
Das Eintreffen der beiden deutschen Regimenter 173 und 473 ver-
zögerte sich aber wegen der außerordentlich schwülen Hitze in den
Mittagsstunden erheblich. Unterdessen nahm der feindliche Durchbruch
bei Koniuchy immer größeren Umfang an. Der rechte Flügel der
k. u. k. 19. ID. befand sich im Rückzug auf die zweite Stellung. Die
Russen hatten ganz Koniuchy genommen und begannen bereits kurz
nach Mittag die Hänge westlich der Ortschaft zu ersteigen. In solcher
Lage wurde der Gegenangriff auf die verlorenen Stellungen aussichts-
los. Es kam zunächst nur darauf an, den feindlichen Stoß aufzufangen.
Das k. u. k. IR. 88, das mittlerweile eingetroffene deutsche IR. 173 und
ein deutsches Landwehrbataillon besetzten mit den Trümmern der
k. u. k. 38.IBrig. die vorbereiteten zweiten Stellungen am Waldrande
westlich von Koniuchy und brachten dort den russischen Angriff zum
Stehen, Das am Nachmittag von 2abin auf das Schlachtfeld heran-
gezogene IR. 144 der deutschen 223. ID. vertrieb noch vor Einbruch
der Nacht die bereits in den Kobylariegel eingedrungenen Russen.
Das k. u. k. XXV. Korps bog am Abend bei Byszki seinen linken
Flügel zurück und bildete im Anschluß an die mit dem Großteil ihrer
Gegenmaßnahmen der Verbündeten
247
Truppen nunmehr am Südflügel des k. u. k. IX. Korps eingeschobene
deutsche 223. ID. östlich von Dryszczów eine neue Linie.
Die k. u. k. 32. ID., FML. Ritt. v. Willerding, hatte am l.Juli vor-
mittags das gegen die Höhe Mogila bei Zborów gerichtete Sturmtrup-
penunternehmen der 4. finn. SchD. erfolgreich abgeschlagen. Gegen den
benachbarten linken Flügel der k. u. k. 19. ID. hatten sich hierauf An-
zeichen eines unmittelbar bevorstehenden Angriffes der Russen bemerk-
bar gemacht. An diesem gefährdeten Abschnitt befanden sich nur
verhältnismäßig spärliche öst.-ung. Kampf re serven. GO. Böhm-Ermolli
stellte zwar im Laufe des 1. nachmittags dem Abschnitt Zloczów seine
Heeresgruppenreserve, die hinter dem V. Korps versammelte deutsche
96. ID., zur Verfügung, und Gdl. Winckler sandte das ErsR. 29, den
Rest der 223. ID., von Ryków nach 2abin. Diese deutschen Truppen
konnten aber erst ehestens vom 2. Juli früh an hinter dem k. u. k.
IX. Korps eintreffen.
Die Angriffsdivisionen der 11. Russenarmee hatten wohl am l.Juli
ihr Tagesziel, die Höhen östlich der Zlota Lipa bei Urrnan, nicht er-
reicht, immerhin aber einen bedeutenden Anfangserfolg errungen. Als
die ersten Nachrichten über die Eroberung von Koniuchy kamen, da
wähnte Kerenski, bereits einen großen, entscheidenden Sieg errungen
zu haben und sandte noch am l.Juli an den Ministerpräsidenten Lwow
ein Telegramm, in welchem er als Auszeichnung für die siegreichen
Regimenter bei der Regierung die Verleihung von roten Fahnen erbat.
Der Ministerpräsident Fürst Lwow sagte sie bereitwillig zu und erklärte
in seinem Antworttelegramm: „Der l.Juli hat der ganzen Welt die
Kraft der revolutionären Armee gezeigt, die aufgebaut ist auf demo-
kratischer Grundlage und durchdrungen ist von dem Ideal der Revo-
lution1)." Der Jubel war voreilig. Die Angriffstruppen hatten schwere
Verluste erlitten; unter diesem Eindruck sollte ihre Kampffreudigkeit
nur allzu bald versiegen.
Am 2. Juli wollte Gen. Erdeli, der Führer der russischen 11. Armee,
den Erfolg, den er bei Koniuchy errungen hatte, weiter ausbauen. Vom
XLIX. Russenkorps hatte die 4. finn. SchD. die Höhe Mogila bei Zborów
anzugreifen, die 6. finn. SchD. die Höhen südlich von Hodów zu er-
reichen. Die zwischen diesen beiden Divisionen eingeschobene tschecho-
slowakische Schützenbrigade sollte sich zunächst abwartend verhalten.
Gewann der Angriff der 4. finn. SchD. Raum, dann hatte der rechte
Flügel der TschechoSlowaken die gegnerische Stellung zu durchbrechen
1) Smilg-Benario, Von Kerenski zu Lenin, 115 f.
248
Der letzte Russenansturm
und die Höben südöstlich von Jezierzanka zu gewinnen. In ähnlicher
Weise sollte der linke Flügel der Brigade im Anschluß an cíie 6. finn.
SchD. zunächst in der Richtung auf das Gehöft Cecowka angreifen.
Die russische 82. ID. sollte vermutlich hinter den inneren Flügeln der
tschechoslowakischen Legion und der 4. finn. SchD. folgen. Die 35. ID.
des XVII. Russenkorps hatte beiderseits der Straße Zborów—Zloczow
vorzustoßen, das VI. Korps seine bisher von Erfolg begleiteten Angriffe
fortzusetzen, um auch die Höhen auf dem östlichen Ufer der Zlota
Lipa zu gewinnen.
Heftiges Artilleriefeuer leitete am 2. Juli den vierten Schlachttag
ein. Die Russen verwendeten jetzt nach Einsatz der Artillerie des
I. Gardekorps viel mehr Batterien als bisher; dem mächtigen Feuer
vermochten die Fuchslöcher der Verteidigung nicht mehr standzuhalten.
Viele stürzten ein, die Mannschaft, die in ihnen Schutz gesucht hatte,
wurde verschüttet.
Schon um 4*115 früh drangen die Russen in dichten Massen aus
dem Nordteil von Koniuchy gegen die deutsche 223. ID. vor. Sie wur-
den abgewiesen und vermochten bis zum Nachmittag trotz mehrfacher
Versuche weder gegen die 223. ID. noch gegen die 54. ID. vorzubrechen.
Auch der Nordflügel der Budapester 32. ID. wurde um 9hvorm. beider-
seits der Straße Zloczow—Zborów von zwei Vorstößen der russischen
35. ID. (XVII. Korps) getroffen, die aber zerschellten.
Unterdessen brach die 4. finn. SchD. gegen die Höhe Mogila vor,
worauf auch die tschechoslowakische Brigade vorwärtsstürmte. In den
überaus hartnäckigen Kämpfen, die um die Höhe Mogila entbrannten,
gelang es der k. u. k. 32. ID., den ersten feindlichen Ansturm zu bre-
chen. Die neuerlich angreifenden Russen der 4. finn. SchD. bemächtig-
ten sich aber des Dorfes Presowce und umfaßten etwa um llh30vorm.
die Höhe Mogila von Norden.
Die Tschechoslowaken waren unterdessen an der Nahtstelle der
32. und der 19. ID. tief eingebrochen. Sie waren dann hügelan gegen
Jezierzanka vorgedrungen. Während sich die Ungarn am Südflügel
der 32. ID. abriegelten, wichen am Nordflügel der 19. ID. die Batail-
lone des Pilsner IR. 35 weit nach Westen zurück. Einzelne Gruppen
leisteten noch tapferen Widerstand, andere verloren den Halt, flüch-
teten zurück, viele wurden gefangengenommen1).
Hinter der 19. ID. standen an Reserven nur zwei Halbbataillone.,
die den vorwärtsstürmenden Feind nicht aufzuhalten vermochten. Zu
x) Klecanda, Bitva u Zborova (Prag 1927), 31 ff.
Der Angriff der tschechoslowakischen Legion
249
allem Unglück konnten die im Bereiche der deutschen 223. ID. stehen-
den Batterien der 19. ID. dem FML. Böltz nicht zur Verdichtung des
Sperrfeuers auf dem linken Flügel zur Verfügung gestellt werden, weil
sie gerade im entscheidenden Augenblick mit der Abwehr eines aus
Koniuchy gegen den Südflügel des IX. Korps gerichteten russischen
Massensturmes beschäftigt waren. Unterdessen nahm der Durchbruch
bei der k. u. k. 19. ID. immer größeren Umfang an. Gegen Mittag be-
fanden sich der Nordflügel und die Mitte dieser Division in aufgelöstem
Zustand im Rückzug auf ihre zweite Stellung. Hier versuchte FML.
Böltz vergeblich, mit den Trümmern seiner Division neuen Widerstand
zu leisten.
Auf dem Südflügel der k. u. k. 32. ID. waren Truppenteile der
64. IBrig. nach dem Verlust von Presowce ebenfalls bis über die zweite
Stellung hinaus auf Zarudzie an der Mala Strypa gewichen. In die Bresche
von Presowce schoben sich die Regimenter der 4. finn. SchD., und südlich
an der Höhe Mogila vorbei drängten durch die auf dem Nordflügel
der 19. ID. breitaufgesprungene Lücke die Tschechoslowaken sowie die
frisch eingesetzten Truppen der russischen 82. Division die Höhen von
Jezierzanka empor. Die eingekreisten Verteidiger der Mogilahöhe — es
waren dies Teile des IR. 86 — klammerten sich indessen noch immer
an ihren Stellungen fest und harrten auf Entsatz. Sie forderten durch
Signale und Leuchtraketen Feuerunterstützung, die aber ausblieb, da
die im Räume von Presowce stehenden Batterien nach dem Durchbruch
der Russen zurückfahren mußten, um nicht in Feindeshand zu fallen.
Wohl gelang es Truppenteilen der 32. ID., gegen lh30 nachm. im
Gegenstoß den Feind aus Presowce hinauszuwerfen; die Lücke zwi-
schen diesem Ort und den bei Zarudzie fechtenden Truppen konnte
aber nicht wieder geschlossen werden. Etwa um 2h nachm. ging die bis
zum letzten Augenblick tapfer verteidigte Mogilahöhe verloren. Der
Russe führte zahlreiche Gefangene weg und drang nun in Massen über
die Höhen südwestlich von Zborów gegen die Mala Strypa vor. Nun
mußte Presowce wieder aufgegeben werden.
Auch auf dem Südflügel der 19. ID. war inzwischen die Lage
unhaltbar geworden, obwohl alles aufgeboten wurde, um einer Ein-
kreisung des bei Jozefowka stehenden südböhmischen IR. 75 vorzu-
beugen. Dieses Regiment wich über die zweite Stellung bis auf Hodów
und auf die Höhen südlich davon. Nun war das am Nordflügel der
deutschen 223. ID. standhaltende IR. 144 ebenfalls der feindlichen Ein-
kreisung ausgesetzt und mußte in die zweite Stellung, der linke Flügel
250
Der letzte Russenansturm
sogar gegen die dritte Stellung zurückgebogen werden, um den An-
schluß an die zertrümmerte k. u. k. 19. ID. wiederherzustellen. In
diesem höchst kritischen Augenblick traf endlich das ErsR. 29, das sich
nach ermüdendem Nachtmarsch erst gegen Mittag von 2abin in Be-
wegung gesetzt hatte, auf dem Schlachtfelde ein. Der Großteil dieses
deutschen Regiments stützte bei Hodow die wankende Front; ein Ba-
taillon vertrieb den Feind, der bereits in Trawotloki eingedrungen war,
und stellte die Verbindung mit dem auf Zarudzie zurückgegangenen
rechten Flügel der k. u. k. 32. ID. wieder her.
Das Abschnittskommando Zloczów hatte in den Vormittagsstunden
gehofft, die Lage doch noch meistern zu können. Dazu sollte das deutsche
ErsR. 29 im Verein mit zwei Regimentern der nach Pomorzany unter-
wegs befindlichen deutschen 96. ID. unter Leitung des Kommandanten
dieser Division, GM. Friedrich v. der Decken, zum Gegenangriff schrei-
ten und die verlorenen Stellungen zurückerobern. Aber auch dieser
Gegenangriff wurde nicht ausgeführt. Die vom Abschnittskommando
Zloczów dem k. u. k. IX. Korps überwiesenen Regimenter der 96. ID.
trafen erst im Laufe des Nachmittags in 2abin ein. Der Angriff der
Russen machte jetzt keine Fortschritte mehr. Daher begnügte sich Gdl.
Winckler damit, die Sachsen der 96. ID. in die/Front einzuschieben.
Bis zum Einbruch der Dunkelheit war die neue Stellung zwischen
Hodow und Zarudzie durchlaufend besetzt sowie verläßlicher Anschluß
an die 223. ID. und die k. u. k. 32. ID. hergestellt.
Gegen den linken Flügel der letztgenannten Division war am Nach-
mittag die 35. Russendivision nach kräftigem Artilleriefeuer neuerlich
vorgebrochen. Der Feind vermochte auch südlich der Straße nach Zlo-
czów die Front einzudrücken; doch gelang es dem tapferen Verteidiger
alsbald, den Einbruch aufzufangen und das verlorene Gelände zurück-
zuerobern. Bei Koniuchy erfolgten ebenfalls am Nachmittag gegen die
223. ID. und die anschließenden Teile der 54. ID. neue russische An-
griffe. Der Feind stieß hier mit Panzerautos vor, wurde aber überall
abgewiesen.
Am 2. Juli abends lag die Verteidigung im Abschnitt Zloczów etwa
5 km westlich der bisherigen Linie Koniuchy—Zborów. Das k. u. k.
IX. Korps hatte viel von seiner Gefechtskraft eingebüßt. Von den mehr
als 16.000 Streitern, die ihm am 30. Juni in der Front zur Verfügung
gestanden waren, hatte es jetzt nur mehr 6700 1). Die beiden arg her-
*) An Beute verzeichnete die 11. Russenarmee insgesamt mehr als 14.000 Ge-
fangene und 31 Geschütze.
Das IX. Korps wird aus der Front gezogen
251
genommenen öst.-ung. Divisionen 19 und 32 wurden daher auf Wei-
sung des Oberbefehlshabers Ost noch in der Nacht auf den 3. durch
deutsche Truppen abgelöst, was reibungslos durchgeführt werden
konnte. Sie wurden auf Antrag des FML. Kletter hinter die, Front bis
in den Raum von Dunajow zurückgezogen, wohin am 4. auch das
IX. Korpskmdo. verlegt wurde, damit es sich besser der Schulung und
Wiederherstellung der Kampfkraft seiner in ihrem innersten Gefüge
schwer getroffenen Truppen widmen könne.
An Stelle des k. u. k. IX. Korps standen vom 3. Juli an auf dem
rechten Flügel des Abschnittes Zloczów nur deutsche Truppen, die
223. und die 96. Division. Zur Stützung der Front wurde dem Gdl.
Winckler auch die neu angekommene deutsche 237. ID. überwiesen und
ihm des weiteren das Generalkommando LI zur Verfügung gestellt,
das am 4. Juli den Befehl über die 223. und die 96. Division übernahm.
Die von Lemberg nach Zloczów herangeführte k. k. 12. reit. SchD. ver-
schob GO. Böhm-Ermolli nach Podhorce hinter die Mitte des k.u.k.
V. Korps.
Die Russen, die am 1. und am 2. Juli gleichfalls schwere Verluste
erlitten hatten, zeigten seit dem 3. auf dem Kampffelde zwischen Koni-
uchy und Zborów keine Lust zu weiteren Angriffen. Sie befestigten
sich in den gewonnenen Linien. Gen. Gutor gruppierte seine Truppen
zu einem neuen Stoß, der unter Einsatz des I. Gardekorps in der Rich-
tung auf Zabin geführt werden sollte, um den Erfolg gegen die k.u.k.
2. Armee weiter auszubauen1).
Die Verantwortung für den schweren Rückschlag, den die Verbün-
deten bei Zborów erlitten hatten, trifft sicherlich die beiden böhmischen
Infanterieregimenter 35 und 75. Das IR. 75 bestand zu 82 v. H. aus
Tschechen, meist Bauernsöhnen aus der Neuhauser Gegend; es hätte
bisher zu keinerlei Klagen Anlaß geboten, sondern sich auch in beson-
ders kritischen Stunden wacker gehalten. Die 35er stammten aus dem
Pilsener Industriebezirk und dem anschließenden Böhmerwaldgebiet;
61 v. H. waren Tschechen, 39 v. H. Deutsche. Die tschechischen Industrie-
arbeiter hatten sich gegenüber der antimilitaristischen und nationalen
Werbearbeit weniger widerstandsfähig erwiesen als ihre bäuerlichen
Landsleute. Dennoch konnten auch bei ihnen durch die gerichtliche
Untersuchung Fälle des Einverständnisses mit der gegenüberstehenden
tschechoslowakischen Brigade nicht nachgewiesen werden, und die
reiche tschechische Literatur über den Tag von Zborów bestätigt diese
1) Zajontschkowskij, Feldzug 1917, 70.
252
Der letzte Russenansturm
Wahrnehmung. Ebenso ist erwiesen, daß bei beiden Regimentern zuerst
zahlreiche Abteilungen Widerstand leisteten. Dieser Widerstand ließ
jedoch nach, als den Kämpfern von Feindesseite her die vertrauten
Klänge der Muttersprache ins Ohr tönten und als sie gewahr wurden,
Landsleute gegen sich zu haben. Nunmehr ergaben sich große Teile 3er
beiden Regimenter ohne weitere Gegenwehr den Eindringlingen. Die
Gesamtverluste am 1. und 2. Juli betrugen bei den drei Bataillonen des
IR. 35: 59 Offiziere und 1642 Mann, bei den vier Bataillonen des IR. 75:
54 Offiziere und 2821 Mann. Von diesen Verlusten entfiel ein Teil wohl
schon auf die Schlacht vom l.Juli. Die Masse des Abganges bestand
jedoch aus Gefangenen, deren das IR. 75 allein 2300 aufwies. Die Legio-
näre büßten 159 Mann durch Tod und 1000 Mann durch Verwundung
ein; sie hatten keinen Gefangenen zurückgelassen.
Rein militärisch betrachtet, wurde der Tag von Zborów durch den
bald einsetzenden Gegenstoß der Verbündeten zu einer vorübergehenden
Episode in dem gewaltigen Laufbild des Kriegsgeschehens, aber poli-
tisch sollte er für Österreich-Ungarn und seine Völker der Schicksal-
haftigkeit nicht entraten. Zum erstenmal während des Weltkrieges waren
Bürger des Donaureiches gegen dessen Heer in größeren Abteilungen
als Mitstreiter des Feindes aufgetreten. Die Nachricht hierüber ver-
breitete sich wie ein Lauffeuer durch die ganze Welt und fánd in allen
Lagern ein starkes Echo. Bei den Ententemächten führte sie dem Schlag-
wort von der Befreiung der ,,durch Habsburg unterdrückten Völker"
neue Nahrung zu. Bei den Verbündeten Österreich-Ungarns stärkten sie
das Mißtrauen in die Widerstandskraft des habsburgisichen Heeres und
Reiches. In der Donaumonarchie wurde sie am selben Tage in alle
Windrichtungen getragen, an welchem dei junge Kaiser seinen wohl-
gemeinten, später noch zu berührenden Strafnachlaß für politische Ver-
brechen verkündete. Sie machte tiefsten Eindruck auf die Völker, die in
der Treue zum Staate wankten, und rief einen Sturm der Entrüstung
unter den unverbrüchlich Treuen hervor. Im Wiener Parlament, das
einige Wochen zuvor zum erstenmal wieder zusammengetreten war,
kam es zu heftigen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf der be-
währte langjährige österreichische Minister für Landesverteidigung,
GO. Friedrich Freih. v. Georgi, zurücktrat. Das Heer der heutigen tsche-
choslowakischen Republik feiert den Tag von Zborów als seinen Ge-
burtstag — nicht zu Unrecht, da erst nach dieser Schlacht Rußlands
Widerstand gegen den von Masaryk und seinen Mitarbeitern betriebe-
nen großzügigen Ausbau der tschechischen Legionen völlig schwand.
Zusammenballen russischer Angriffsmassen bei Brzeèany
253
Der A b w e h r s i e g der S ü d a r m e e
(1. bis 3. Juli)
Hiezu Beilage 14
Das Ziel, das sich Gen. Bjelkowitsch, der Führer der russischeil
7. Armee, für den 1. Juli gesteckt hatte, war, die Mitte der deutschen
Südarmee beiderseits von Brzezany auf beiden Ufern der Zlota Lipa zu
durchbrechen. Im Verein mit dem auf der Nahtstelle der Südarmee
und der k. u. k. 2. Armee über Koniuchy angesetzten Angriff sollten
durch einen mächtigen Stoß von Süden her die auf dem östlichen Ufer
der Zlota Lipa stehenden Teile der Südarmee vernichtet und deren
Mitte und Nordflügel zertrümmert werden. In dem 12 km langen Räume
vom Orte Szybalin bis zur Popielichahöhe standen in erster Linie das
XLI. Korps (113. ID., 5. und 3. TransAmur Grenz wachD., 74. ID.), das
VII. sib. Korps (komb. sib. SchD., 108. ID.), das XXXIV. Korps (19. sib.
SchD, 23. ID.), das finn. XXII. Korps (5., 3. und 1. finn. SchD.) und
das III. kauk. Korps mit der 52. ID., zusammen etwa zwölf Divisionen.
Davon waren zum entscheidenden Angriff gegen die Höhen Dzikie
Lany und Lysonia fünf Divisionen sehr tief gegliedert und in sehr
schmalen Abschnitten angesetzt. Die 19. sib. SchD. und die 108. ID.
standen zunächst in Reserve und sollten erst im Verlauf des Angriffes
eingeschoben werden. Die auf den Flügeln der Stoßgruppe eingeteilten
Divisionen, die 52. und die 113., hatten offenbar den Auftrag, die Flan-
ken zu sichern und je nach dem Fortschreiten des Angriffs vorzugehen.
Als Reserve standen im Räume um Troscianiec die 159. und die 153. ID.,
bei Rybniki die 108. ID. bereit. Das II. Gardekorps war in der Gegend
von Bozyków, das II. Kavalleriekorps bei Nasów und bei Roków als
Armeereserve bereitgestellt.
Um 10h vorm. setzten nach vierstündigem Trommelfeuer die
Massenangriffe der 7. Russenarmee gegen die Mitte der Südarmee bei
Brzezany ein, Auf dem linken Flügel weigerte sich die russische 52. ID.
zu stürmen. Die an derNarajowka stehende 75. RD. konnte daher ihr
Hauptaugenmerk auf die Mitwirkung beim Kampfe der türkischen
20. ID. richten. Die 3. und die 5. finn. SchD., denen in zweiter Linie
noch die 1. finn. SchD. und die 159. ID. folgten, drangen auf die Türken
ein. Die Stellungen südöstlich der Höhe Popielicha und die Höhen süd-
lich von Mieczyszczów wurden wie im Jahre 1916 die Brennpunkte des
254
Der letzte Russenansturm
Kampfes. An beiden Stellen vermochten die Angreifer in die vordersten
Gräben einzudringen. Mit größter Zähigkeit wehrten sich aber die
Türken und schlugen in erbittertem Ringen bis zum Sonnenuntergang
den Feind aus ihren Stellungen heraus.
Gegen die 15. RD. stürmten Teile der 5. finn. Sc,hD., die ganze
23. ID. und die 19. sib. SchD. vor, vermochten aber die Höhe Obrç-
czowa nicht zu nehmen. Am Nachmittag erneuerten die Russen den
Sturm und drangen jetzt in die zerschossenen Stellungen der Deutschen
ein; aber an den Gegenstößen der kleinen Reste der Kampfreserven
und an den Maschinengewehrnestern der Tiefenzone brach sich der
neue Massenangriff. Während die Artillerie stärkstes Feuer hinter den
eingebrochenen Feind legte und so das Nachführen russischer Reser-
ven unterband, stellte sich die Divisionsreserve — es waren zwei
deutsche Bataillone — zum einheitlichen Gegenangriff bereit und warf
den Feind gegen Abend in einem einzigen Anlauf aus den verlorenen
Stellungen hinaus. In Auflösung und unter schwersten Verlusten flu-
teten die Russen die Hänge der Obrçczowa zurück.
Noch gewaltiger war der Ansturm gegen die deutsche 24. RD.
und gegen den rechten Flügel der nördlich anschließenden, vom GM.
Ritt. v. Unschuld geführten k. u. k. 55. Division. In ihrem Bereiche lagen
die beiden Schlüsselpunkte für den Durchbruch nach Brze±any: die
Dzikie Lany auf dem westlichen, die Lysonia auf dem östlichen Ufer
der Zlota Lipa. Gegen die durch die Wucht des Trommelfeuers in ein
Trichterfeld verwandelten Stellungen auf der Dzikie Lany richteten
sich die Anstürme des VII. sib. Korps (komb. sib. SchD. und 108. ID.).
Auf schmalem Räume, in vielen Wellen hintereinander und mit tief-
gestaffelten Unterstützungen dichtauf, bestürmten die Russen dort den
rechten Flügel der 24. Reservedivision. Das vorderste Grabensystem bis
zur dritten Linie ging verloren, erst an dieser Linie und den dahinter
liegenden Stützpunkten brach sich die Wucht des Stoßes. Gegen Abend
gelang es dem Feinde jedoch mit Hilfe der frisch eingesetzten 108. ID.,
auch am Osthang der Dzikie Lany die dort angeklammerten dünnen
Linien der 24. RD. trotz tapferer Gegenwehr zu durchstoßen, von dort
aus die Stellungen nach Norden aufzurollen und in das Dorf Posuchow
einzudringen. Der Gegenstoß der letzten Kampfreserven und zusam-
mengeraffter Reste der Grabenbesatzungen warf die Russen zwar aus
dem Dorfe hinaus, doch war mit diesem Einbruch im Tale der Zlota
Lipa auch die Behauptung des wichtigen Stützpunktes auf der Dzikie
Lany äußerst schwierig geworden.
Erbitterter Kampf um die Hohe Lysonia
255
Noch bedenklieber gestaltete sich die Lage auf dem linken Flügel
der Sachsen und auf dem rechten Flügel der nördlich benachbarten
k.u. k. 55. ID. im Abschnitt der Höhe Lysonia. Stundenlang hatte dieser
Stellungsteil unter einem vernichtenden Hagel schwerer und schwerster
Kaliber gelegen. Der erste Graben verschwand unter diesem Feuer
völlig, der Lysoniawald verwandelte sich in ein Wirrnis zerfetzter
Äste und Baumstämme, an eine Leitung des Kampfes durch die unteren
Führer war nicht mehr zu denken. Zur gleichen Stunde wie auf der
Dzikie Lany, um 10h vorm., brach auch auf der Lysonia der Sturm
der russischen Infanterie los. Die 74. ID. und die 3. TransAmurGrenz-
wachD. setzten sich in dichten Massen gegen die stark gelichteten Linien
der 24. RD. in Bewegung. Auch hier glückte dem Feind der erste Ein-
bruch. Er setzte sich südlich der Lysonia in den Besitz des ersten und
des zweiten Grabens und drang mit Teilen bis in die dritte Linie ein.
Nach Norden und Süden einschwenkend, rollte er die anschließenden
Abschnitte auf. Ein kräftig geführter Gegenstoß der Divisionsreserve
der 24. RD. stellte bis Mittag die Lage wieder her.
Hartnäckiger hielt sich der Feind auf der Lysonia selbst. Dort
hatte sich der russische Einbruch auf dem äußersten linken Flügel der
24. RD. und auf dem rechten Flügel des nördlich anschließenden
HIR. 308 der k. u. k. 55. ID. bis nahe an den Südrand des Waldes östlich
von Brzezany hin ausgedehnt, wo ihn rasch herbeigeeilte Divisions-
reserven zunächst zum Stehen brachten. Ein weiteres Vordringen des
Gegenangriffes war aber bei der mehrfachen Überlegenheit der Russen
nicht möglich. Blutig und ergebnislos wogte der Kampf in den ersten
Nachmittagsstunden hin und her, als gegen Abend ein von frischen
Kräften unternommener Massenstoß der Russen den Sachsen die letzten
Kampfgräben auf der Lysoniahöhe entriß und sich von dort aus sowohl
weiter gegen Südwesten als auch gegen Norden Bahn brach1).
Auf dem Nordflügel des HIR. 308 und vor dem links benachbarten
HIR. 309 war zwar das erste Vorgehen der Russen gegen Mittag im
Artilleriefeuer der 55. ID. schon an der Geniówka ins Stocken geraten.
Aber gleichzeitig mit dem neuen Angriff gegen die 24. RD., etwa um
6h abends, gingen auch gegen den rechten Flügel der k. u. k. 55. ID.
frische Kräfte der Russen vor. Sie durchbrachen die erste Stellung des
HIR. 308 und drangen von Südwesten her tief in den Wald östlich von .
Brze±any ein. Der Feind entbehrte aber nunmehr der Unterstützung
!) Anspach-Flach, Das Kgl. Sächs. Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 107
(Erinnerungsblätter deutscher Regimenter, Heft 45, Dresden 1927), 188 ff. u. 399 ff.
256
Der letzte Russenansturm
durch seine •Batterien, die außerstande waren, gegen das ihrer Beob-
achtung entzogene Kampffeld auf dem Westhang der Lysonia zu wirken,
während ebendort die russische Infanterie in dem Bereich unseres gut
geleiteten Artilleriefeuers lag. Diesem Umstand sowie der trefflichen
Haltung der gegen eine erdrückende Überlegenheit ringenden Honvéd
und Sachsen und dem eben noch rechtzeitigen Einsatz der letzten Re-
serven war der Umschwung zu danken, der bei Brze£any in den letzten
Abendstunden zugunsten der Verteidiger eintrat und den schon nahezu
geglückten Durchbruch des Feindes in eine schwere Niederlage für
die Russen verwandelte.
Im Hochwald südöstlich von Brzezany schlössen sich die Trümmer
des HIR. 308, versprengte Sachsen, die Regimentsreserve des HIR. 309
und die Divisionsreserve der k. u. k. 55. ID., das Honvédbataillon 1/31,
zum Gegenstoß zusammen, warfen mit letzter Kraft die Russen über
die dritte Linie und entrissen ihnen im Laufe der Nacht nach blutigen
Nahkämpfen den ganzen zweiten sowie den größten Teil des' ersten
Grabens. Damit war die Lage auf dem rechten Flügel des k. u. k.
XXV. Korps wieder völlig hergestellt.
Auf dem linken Flügel der 24. RD., im Abschnitt Lysonia und auf
der Dzikie Lany, befanden sich am l.Juli abends noch beträchtliche
Teile der ersten Stellung in Feindeshand. Die Truppen des Verteidigers
hatten schwer gelitten, die Verbände waren stark durcheinandergemischt;
dagegen verfügten die gegenüberliegenden Russen noch über zahlreiche
starke Reserven, die bisher nicht eingegriffen hatten, so das II. Garde-
korps und einzelne Divisionen des VII. sib. und des XXXIV. Korps. Zwar
hatte Gdl. Bothmer bereits kurz nach Mittag ein Regiment der 4. ErsD.
auf Lastkraftwagen nach Brzezany in Bewegung gesetzt. Noch mehr
Kräfte hinter der Front der Türken wegzuziehen, schien, da auch dort die
Angriffe der Russen fortgesetzt werden konnten, nicht ratsam zu sein.
Ein Regiment allein konnte aber im Falle eines größeren Durchbruches
beiderseits der Zlota Lipa nicht genügen, um Schwereres hintanzuhalten.
Trotzdem lehnte es Gdl. Bothmer im Vertrauen auf die Kampfkraft
seiner Truppen ab, die Verteidigung in eine am Nordrand des Waldes
Lysonia und bei den Ortschaften Posuchów—Olchowiec vorbereitete
hintere Stellung zurückzunehmen.
Obgleich Brussilow der 7. Armee befohlen hatte, die Angriffe
fortzusetzen, beschränkte sie sich der Südarmee gegenüber am 2. Juli
im wesentlichen darauf, die gewonnenen Stellungen zu behaupten. Die
schwere Erschöpfung nach der blutigen Schlacht des Vortages verbot
Der Abwehrsieg der Südarmee bei Brzezatiy
257
den Russen die Wiederaufnahme des Kampfes. Bei der türkischen
20. Division und der 15. RD. kam es überhaupt nicht mehr zu Infan-
teriekämpfen. Die feindliche Artillerietätigkeit nahm allmählich wieder
die Stärke des gewohnten Störungsfeuers an. Auf der Dzikie Lany und
der Lysonia war die Lage dagegen noch nicht dazu angetan, die Kampf-
tätigkeit sofort ruhen zu lassen.
Frühzeitig begann am 2. Juli die deutsche und die öst.-ung. Artil-
lerie mit der planmäßigen Beschießung der Stellungsteile, die sich noch
in Feindeshand befanden. Die auf der Lysonia zusammengewürfelten
Bataillone der 24. und der 15. RD. sowie der 241. ID. entrissen dem
Feinde in zähem Grabenkampfe beträchtliche Teile der zweiten und
der ersten Linie. Auch auf der Dzikie Lany begann bereits gegen Mittag
die Wiedereroberung des verlorenen Geländes. Hier gelang es bis zum
Abend, die zweite und die erste Linie fast vollständig wieder zu neh-
men; nur auf dem Osthang des Berges verblieb ein ziemlich ausgedehn-
ter Stellungsteil in Feindeshand.
Wenn auch der feindliche Angriff gegen die Südarmee am 2. ge-
ruht hatte, so mußte doch mit dessen Fortsetzung gerechnet werden.
Um die 24. RD. zu entlasten und die außerordentlich schwierigen
Kampfverhältnisse auf der Lysonia unter gemeinsame Leitung zu brin-
gen, entschloß sich Gdl. Bothmer am 2. abends, den Abschnitt zwischen
der Zlota Lipa und der Straße Brzeiany—Kozowa dem Kommandanten
der 241. ID., GM. Fortmüller, zu unterstellen.
Die Nacht auf den 3. Juli verlief verhältnismäßig ruhig. Dagegen
kam es am darauffolgenden Tag auf der Dzikie Lany und der Lysonia
zu neuen heftigen Kämpfen. Auf der Dzikie Lany stieß der fortgesetzte
deutsche Angriff auf den Gegenangriff der neu eingesetzten russischen
153. ID. und rang sich am Osthang des Berges nur ein Stück vor. Auf
der Höhe selbst wurden auch die letzten Reste des ersten Grabens end-
gültig vom Feinde gesäubert. Auf der Lysonia nahm der blutige, er-
bitterte Nahkampf im Trichterfeld seinen Fortgang. Schweres Artillerie-
feuer lag den ganzen Tag über auf dem linken Flügel der 24. RD. und
dem rechten der k. u.k. 55. Division. Ein starker russischer Angriff auf
der Lysonia wurde in den Nachmittagsstunden abgewiesen. Der Tag
endigte mit der Wiederherstellung einer zusammenhängenden Front,
deren Verlauf im wesentlichen der ehemaligen vordersten Verteidi-
gungslinie folgte.
Die Schlacht von Brze£any konnte mit dem 3. Juli als abgeschlossen
betrachtet werden, denn die nächsten Tage brachten keine größeren
IV 17
258
Der letzte Russenansturm
Gefechte mehr. Die Armee Bothmer hatte einen vollen Abwehrsieg er-
fochten, dessen Bedeutung bald klar zutage treten sollte. Sie hatte die
Stoßkraft der bei weitem stärkeren Offensivgruppe des Feindes gebro-
chen und dadurch aufs wirksamste den Schlag vorbereitet, zu dem die
Heeresgruppe Böhm-Ermolli bereits auszuholen begann.
Die blutigen Verluste der Russen gegenüber der Südarmee in den
bisherigen Kämpfen wurden auf 40.000 Mann geschätzt, darunter 13.000
durch Tod. Auch die Verteidiger hatten schwer gelitten. Sie verloren
vom 29. Juni bis zum 5. Juli bei den deutschen Truppen der Südarmee
33 Offiziere und 834 Mann durch Tod, 80 Offiziere und 2607 Mann
durch Verwundung; 28 Offiziere und 1862 Mann waren vermißt. Bei
den öst.-ung. Truppen waren 8 Offiziere und 328 Mann gefallen, 37 Of-
fiziere und 1876 Mann verwundet, 77 Offiziere und 2230 Mann vermißt;
bei den Türken 8 Offiziere und 528 Mann tot, 37 Offiziere und
rund 1900 Mann verwundet, kein Offizier und nur 53 Mann vermißt1).
Voll Vertrauen und stolz auf den schwer erkämpften Sieg sahen
die verbündeten öst.-ung., deutschen und türkischen Truppen der Süd-
armee neuen Kämpfen entgegen.
Stocken des russischen Angriffes gegen die Sü dar mee
und den Abschnitt Zloczów
(4. bis 8. Juli)
Auf dem Schlachtfelde von Brze±any dauerten die blutigen Nah-
kämpfe auf der Dzikie Lany noch mehrere Tage hindurch an. Vor
allem wurde um ein Russennest auf dem Osthang erbittert, aber ergeb-
nislos gerungen. Die Russen setzten dort in kurzem Wechsel nachein-
ander frische Divisionen ein, wohl um ihre ungünstige, am steilen Hang
klebende Stellung auf die Höhe vorzuschieben. Gdl. Bothmer warf Teile
der 4. ErsD. in den Kampf, um dem Feinde den letzten Geländegewinn,
der noch in seiner Hand geblieben war und der ihm als Ausgangspunkt
für weitere Unternehmungen dienen konnte, wieder zu entreißen. Die
Bataillone der 4. ErsD. stießen am 5. Juli auf einen starken Angriff
der neu eingesetzten russischen 3.GID., der zwar zum Stehen ge-
bracht wurde, aber auch der Angriffstätigkeit der Deutschen bis auf
1) An Beute verzeichnete die russische 7. Armee am 1. Juli abends 23 Offiziere,
1214 deutsche, 577 xöst.-ung. und 191 türkische Mannschaftspersonen als Gefangene.
Andauernd gespannte Lage bei Brze£any
259
weiteres ein Ziel setzte. Die endgültige Säuberung des Russennestes
auf der Dzikie Lany mußte einem sehr gründlich vorzubereitenden,
zusammengefaßten Angriff der 4. ErsD. vorbehalten bleiben, die am
7. Juli den bisherigen Abschnitt der 24. RD. übernahm. Die letzt-
genannte sollte wegen ihrer schweren Verluste an die ruhige Narajówka-
front verlegt werden.
Auch auf der Lysonia war der Kampf noch nicht völlig zu Ende.
Die Russen hielten sich mit kleinen, aber tapferen Besatzungen, die
aus dem Geniówkatal immer wieder aufgefrischt wurden, im Trichter-
feld des bewaldeten Südhanges der Lysoniahöhe. Handgranaten- und
Bajonettkämpfe dauerten mit geringen Unterbrechungen an, führten
beiderseits zu empfindlichen Verlusten und zermürbten in Verbindung
mit der inzwischen eingetretenen schlechten Witterung zusehends die
schon hart mitgenommenen Truppen der 241. Division. Gdl. Bothmer
beschloß daher, auch auf der Lysonia zu einem gründlich vorzubereiten-
den Angriff zu schreiten und die Russen vom Westuf er der Ceniówka
zu vertreiben, das ihnen schon wiederholt als Ausgangsstellung für ge-
glückte Angriffe gedient hatte. Als Zeitpunkt wurde der 15. Juli, der
Tag des voraussichtlichen Beginnes der im Abschnitt Zloczów in Zu-
rüstung befindlichen Gegenoffensive ins Auge gefaßt. Das Unterneh-
men auf der Lysonia und die Vorbereitungen dafür konnten dann
gleichzeitig die Aufmerksamkeit des Feindes von der gewählten Haupt-
angriffsstelle ablenken.
Indessen hatte es noch keineswegs den Anschein, als ob die Russen
auf die Erneuerung ihrer Angriffe bei Brzezany verzichtet hätten.
Gdl. Bothmer wies denn auch am 5. Juli ausdrücklich auf die Notwen-
digkeit neuer Abwehrmaßnahmen hin. Er war der Auffassung, daß
sich die russische Heeresleitung bei Brze±any noch nicht geschlagen
geben dürfe, wenn sie ihr mühsam behauptetes Ansehen nicht aufs
schwerste gefährden wollte. Das Auftreten des russischen II. Garde-
korps südlich von Brzezany, zahlreiche Feuerüberfälle der russischen
Artillerie und die stets wiederkehrenden Abhorchmeldungen über be-
absichtigte Angriffe schienen die Anzeichen eines bevorstehenden neuen
russischen Schlages bei Brze±any zu sein. Mit allem Nachdruck wurde
daher die Bekämpfung der unvermindert starken feindlichen Artillerie
fortgesetzt. Die Bahnhöfe von Kozowa und Krzywe wurden mit schwe-
rem Flachfeuer belegt. Dabei gelang es am 8. Juli einem deutschen
24 cm-Geschütz, die großen Munitionslager bei Kozowa zur Explosion
zu bringen, die, wie sich später zeigte, fast völlig vernichtet wurden.
17*
260
Der letzte Russenansturm
Feuergarben und Rauchwolken waren die ganze Nacht hindurch und
an den folgenden Tagen deutlich sichtbar.
Da die Schlacht bei Brzezany und die anschließenden Kämpfe die
Reserven Bothmers, die 4. ErsD. und die 241. ID., völlig aufgebraucht
hatten, bedeutete es eine wesentliche Entlastung für die Südarmee, daß
ihr vom Oberkommando Ost das Eintreffen der aus Siebenbürgen
heranrollenden 8.bayr.RD. in der zweiten Juliwoche bei Rohatyn in
Aussicht gestellt wurde.
Zunächst setzte die russische 11. Armee alles daran, um ihren
Erfolg gegen die k. u. k. 2. Armee weiter auszubauen. Schon am 4. und
am 5. Juli wurden Truppenansammlungen hinter der russischen Front
im Räume nördlich der Linie Kuropatniki—Olesin erkannt. Aufgefan-
gene Funksprüche ergaben außerdem die Anwesenheit des russischen
I. Gardekorps in der Gegend von Zborów, wohin es von Tarnopol
aus gezogen worden war1). Am 6. Juli holte die 11. Russenarmee unter
Einsatz dieses Korps westlich und südwestlich von Zborów neuerdings
zu einem Schlage gegen die k. u. k. 2. Armee aus. Der Angriff zer-
schellte unter schweren Verlusten für die Russen an dem Widerstand
der deutschen Divisionen 223 und 96, die im Abschnitt Zloczów frisch
eingesetzt worden waren.
Der Kommandant der Südarmee, Gdl. Bothmer, hatte sich mittler-
weile zu einer gründlichen Umgruppierung seiner Streitkräfte ent-
schlossen, um für die Abwehr allfälliger neuer Angriffe, die in erster
Linie südlich von Brzezany zu erwarten waren, gerüstet zu sein. Vor
allem sollte die noch völlig frische 75. RD. in die Gegend von Brze±any
als Armeereserve gezogen werden, um dort je nach der Entwicklung
der Lage zur Abwehr oder zur Mitwirkung bei dem geplanten An-
griff sunternehmen auf der Lysonia zur Hand zu sein. Den Abschnitt
der 75. RD. sollte die 53., deren Abschnitt die 24. RD. übernehmen.
Während diese Umgruppierung innerhalb der Südarmee eingeleitet
wurde, schuf ein Durchbruch der Russen durch die k.u.k. 3. Armee
südlich vom Dniester bei Stanislau eine neue, unerwartete und auch
nicht unbedenkliche Lage2).
!) Lt. i. d. R. Emil Popper des IR. 83 erhielt für ein erfolgreiches Erkundungs-
unternehmen bei Batków, das wichtige Nachrichten über den bevorstehenden rus-
sischen Angriff ergab, und für eine im Jahre 1916 als Fähnrich vollbrachte ordens-
würdige Tat das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens.
2) Arm e e- Oberkommando der Kaiserlich Deutschen Süd-
armee, Der Feldzug in Ostgalizien 1917 (Ostgalizische Feldzeitung 1918).
Angriffsplan der 8. Russenarmee
261
Die Schlacht bei Stanislau—Katusz
(6. bis 16. Juli)
H i e z u Beilage 15
Einleitung der Angriffe der 8. Russenarmee
(6. und 7. Juli)
Mit dem neuen, schweren Fehlschlag, den die russische 11. Armee
am 6. Juli bei Zborów getan hatte, brach die Angriffskraft der Rus-
sen gegen die k. u. k. 2. Armee endgültig ¡zusammen. Aber noch gaben
die Russen ihren Offensivgedanken nicht preis, sie verlegten nur seine
Durchführung auf einen anderen Schauplatz.
Am 6. Juli, am selben Tage, da die Russen ¡zum letztenmal die
k. u.k. 2. Armee bestürmten, trat die russische 8. Armee bei Stanislau
¡zum Angriff an. Hierzu hatte Gen. Kornilow das sechs Divisionen starke
XII. Korps (11., 19., 56., 117., 164. ID., 1. Trans Amur GrenzwD.) und
auch starke Kavallerie (3. kauk. KosD., kauk. Einheimische KosD.) bereit-
gestellt, um auf Kalusz durchzubrechen Gen. Kornilows Angriffsplan
ging offenbar dahin, die Front der k. u. k. 3. Armee beijamnica ausein-
anderzusprengen, in die Niederung des Pawelczebaches einzudringen und
die Höhe Jutrena gora von Norden her zu umfassen. Gleichzeitig hatte eine
zweite Angriffsgruppe beiderseits der Straße Stanislau—Majdan durch-
zustoßen und die Jutrena gora von Süden her anzugreifen. Teilvorstöße
des XXXIII. Korps (2. und 4. Trans Amur Gr enzwD.) im Dniestertale
und des XVI. Korps (41., 47., 160. ID., 7. und 9. KD.) auf den Aus-
läufern der Karpathen sollten den Hauptangriff unterstützen1).
Der Kommandant der k. u. k. 3. Armee. GO. Tersztyánszky, rech-
nete schon seit längerem mit einem russischen Angriff rittlings der Straße
und Bahn Stanislau—Kalusz, möglicherweise auch längs der beiden von
Nadwórna über Krasna nach Dolina führenden Straßen, weil die Russen
bei Stanislau wie bei Solotwina schon auf dem westlichen Ufer der
Bystrzyea Solotwinska im Besitze von günstigen Ausfallsstellungen wa-
ren. Es war anzunehmen, daß die Russen den Hauptschlag in der Stoß-
richtung Stanislau—Kalusz führen würden. Als Reserven des Heeres-
*) Martino w, Kornilow (Versuch eines militärischen Umsturzes) (in rus-
sischer Sprache, Moskau 1927), 23 f. — K n o x, II, 627 f. — Smilg-Benario,
Von Kerenski zu Lenin, 117. — Zajontschkowskij, Feldzug 1917, 70.
262
Der letzte Russenansturm
gruppen- und des 3. Armeekmdos. waren die deutsche 83. ID., GLt.
Stumpff, und die k. u. k. 16. ID., GM. Adalbert Kaltenborn, hinter der
nunmehr XXVI. Korps benannten Gruppe Hadfy im Räume östlich von
Kalusz bereitgestellt. Um auch die Zugangswege nach Dolina zu
sichern, hatten das XIII. Korps1) und die dem 3.Armeekmdo. unmittel-
bar unterstehende 5. ID., GM. v. Felix, den größeren Teil ihrer Reserven
um Rosulna versammelt. In der Front der 3. Armee standen somit auf
einer Breite von rund 100 Kilometern vier öst.-ung. Infanteriedivisionen
(5. ID., 42. HID., 36. und 15. ID.) und die durch ein deutsches Land-
sturmregiment verstärkte öst.-ung. 2. KD. zur Abwehr bereit.
Das Stellungssystem der 3. Armee ist aus der Beilage 15 ersichtlich.
Im Abschnitt westlich von Stanislau bildete die Höhenlinie der Jutrena
gora einen natürlichen starken Stützpunkt auf dem rechten Flügel des
k. u. k. XXVI. Korps. Von hier aus konnte die von Stanislau nach Kalusz
führende Bahn und Straße gesperrt werden. Aber gerade dieser Teil
war die Achillesferse der Armeefront, weil hier die erste Stellung am
Fuße des sich stetig abflachenden Osthanges verlief und von der am
östlichen Ufer liegenden Höhe Scianka, wo viele feindliche Batterien
Stellung genommen hatten, flankierend beherrscht wurde. Es hatte nicht
an Stimmen gefehlt, die sehr bald auf diesen Übelstand hinwiesen. Um
diesem Abschnitte eine erhöhte Widerstandskraft zu verleihen, wurde
die zweite Stellung in zwei Linien, die eine auf der Kammlinie der Ju-
trena gora und die andere auf der Hochfläche von Dumka angelegt.
Auch GO. Tersztyánszky erkannte die diesem Abschnitt anhaftenden
Mängel. Er beschloß daher schon anfangs Mai, die vorderste Kampfstel-
lung der 15. ID. auf den halben Osthang der Jutrena gora zurückzuver-
legen. Wegen der geringen Arbeitskräfte schritt aber der Bau der neuen
Stellung nur langsam vorwärts. Sie war zu Beginn der Kämpfe anfangs
Juli noch nicht fertig. Nach dem Ausbau der neuen Stellung wäre auch
eine zweckmäßigere Aufstellung der Artillerie der 15. ID. möglich ge-
wesen, die zum größten Teil knapp hinter der Kammlinie der Jutrena
gora eingebaut werden mußte, weil auf dem flach verlaufenden und von
den Russen eingesehenen Osthang keine verdeckten Räume für Batterie-
stellungen vorhanden waren. Westlich der Jutrena gora in der Niede-
rung des Pawetczebaches konnten die Batterien nicht auffahren, weil
der Geschützertrag nicht ausgereicht hätte, um noch die feindliche
1) Das XIII. Korps führte seit dem 23. Juni FML. Sôhenk, der bisherige Kom-
mandant des am Isonzo stehenden XXIII. Korps, der seinen Dienstposten mit dem
FML. v. Csicserics getauscht hatte.
Bewertung der Stellungen der k. u. k. 3. Armee
263
Artillerie bekämpfen zu können. Auch hätten die Flachbahngeschütze
den steilen Westhang der Jutrena gora nicht überschießen können. So
blieben trotz erkannter Mängel die Stellungen der 15. ID. unverändert1).
Während die Schlachten bei der k. u.k. 2. und bei der Südarmee
entbrannten, verfolgte GO. Tersztyánszky mit gespanntester Aufmerk-
samkeit die Angriffsvorbereitungen der Russen gegenüber der k. u. k.
3. Armee. Die 8. Russenarmee schob Kräfte auf ihrem Nordflügel zu-
sammen. Schon am 2. Juli erreichte die aus den Karpathen herangezo-
gene russische 11. ID. Stanislau. Die 3. kauk. KosD., bisher vor dem
Südflügel der 5. ID. in Stellung, wurde in den ersten Julitagen durch
die 9. KD. abgelöst und gleichfalls nach Norden verschoben. In Delatyn
tauchte am 5. Juli die russische 7. KD. auf, die bald nach Nadworna
rückte. Alle diese Bewegungen konnten durch abgehorchte feindliche
Funksprüche und durch Aufklärungsflieger einwandfrei festgestellt wer-
den. Zudem ließen die Zunahme des Feuers der feindlichen Artillerie,
der Bau von Stegen über die Bystrzyca Solotwinska sowie das Vor-
treiben von Sappen beiderseits der Stanislauer Straße keinen Zweifel
darüber bestehen, daß hier alsbald der russische Angriff einsetzen
werde. Als jedoch am 6. Juli wachsende Kanonade die beginnende
Schlacht ankündigte, verfügten weder GO. Tersztyánszky noch FML.
Hadfy hinter dem am meisten bedrohten Abschnitt bei Stanislau über
eine geschlossene Reserve, denn sie hatten die Regimenter und Batail-
lone der deutschen 83. und der k. u.k. 16. Division einzeln an die Front
des XXVI. Korps herangezogen. Die zerstreute Gruppierung der Korps-
und Armeereserven ist aus der Beilage 15 ersichtlich. Zwei Bataillone
des deutschen IR. 330 befanden sich seit dem 2. Juli bei der Südarmee
in Bursztyn und waren am 6. noch nicht eingerückt. Der größere Teil
der Artillerie der 83. ID., sechs Batterien, war bei der 2. KD. eingesetzt.
Alles in allem waren von der 83. ID., der bisherigen Heeresgruppen-
reserve, nur mehr zwei Bataillone des IR. 329 mit dem Divisionsstab
im Räume südlich von Sapanów verfügbar. Die neu angekommene
k. u. k. 16. ID., die an der zehnten Isonzoschlacht teilgenommen und viel
an Gefechtskraft eingebüßt hatte, zählte nur neun Bataillone, ihre Artil-
lerie war auf der Karsthochfläche von Comen zurückgeblieben.
Am 6. Juli vor Morgengrauen überfielen die Russen im Bereiche
des XIII. Korps bei Lachowce die Feldwachenlinie der kroatischen
42. HID., GM. Mihaljevic; die Vorposten räumten befehlsgemäß ihre
Stellungen. Als der Angreifer weiter vorstieß, erfaßte Abwehrfeuer aus
1) K i s z 1 i n g, Sommerfeldzug 1917.
264
Der letzte Russenanbturm
Geschützen und Maschinengewehren seine Bataillone und brachte sie
unter starken Verlusten noch vor den Hauptstellungen der „Domobranzen-
division" zum Stehen. Aber nicht dort, sondern gegen den Südflügel
des XXVI. Korps ballte Kornilow seine Kräfte zum vernichtenden
Schlage. Von 7h früh an lag das Feuer der russischen Artillerie auf
den Höhen westlich von Stanislau. Nachdem die russischen Kanoniere
bis um 1h nachm. die Stellungen, die Verbindungsgräben und die
Batterien der 15. ID., GM. Adolf v. Aust, beschossen hatten, begannen
beiderseits der Stanislauer Straße größere Erkundungsvorstöße der
feindlichen Infanterie, die von dem Verteidiger abgeschlagen wurden.
Doch hatte das IR. 65 bei Jamnica nicht unerhebliche Verluste erlitten.
FML. Hadfy verstärkte hierauf den Nordflügel der 15. ID. durch ein
Bataillon seiner Korpsreserve. Auch GO. Böhm-Ermolli sorgte für eine
Verstärkung des bedrohten Abschnittes bei Stanislau. Er stellte die bei-
den bei Sapanów stehenden Bataillone des deutschen IR. 329 dem 3. Ar-
meekmdo. zur Verfügung. Außerdem sandte er den Rest der 83. ID.,
das IR. 330, von Bursztyn über den Dniester nach Majdan, wohin im
Auftrage des GO. Tersztyánszky von der Armeereserve das IR. 2 der
16. ID. mit dem Stabe der 31.IBrig., Obst. v. Spiess, zu rücken hatte.
Am 7. Juli versuchten Abteilungen des XVI. Russenkorps vergeb-
lich, aus dem Quelltal der Bystrzyca Solotwinska die Feldwachen der
5. ID. anzugreifen. Ein dort um 10lh abends sich wiederholender Vorstoß
wurde vom tapferen schlesischen IR. 1 abgewiesen. Im Abschnitte bei
Stanislau richtete die feindliche Artillerie wiederum Zerstörungsfeuer
auf die Stellungen der 15. Division. Nach neuerlichen Erkundungsvor-
stößen kam es am Nachmittag zu einem größeren Angriffsunternehmen
des russischen XII. Korps. Der stärkste Druck galt dem Stellungsteil
bei Jamnica. Hier drangen die Russen an mehreren Stellen ein, wurden
aber nach kurzer Zeit von den Besatzungstruppen (IR. 65 und Teile des
deutschen IR. 331) aus den Gräben hinausgeworfen. Die Stellungen der
15. ID. hatten jedoch durch die Beschießung bereits stark gelitten. Bei
Jamnica waren die vordersten Gräben in ein Trichterfeld verwandelt.
Die Verluste hatten bedenklich zugenommen und die Truppen waren
durch den zweitägigen Kampf erschöpft. Drei Russendivisionen waren
jetzt gegenüber dem Südflügel des k. u. k. XXVI. Korps einwandfrei
festgestellt, die 19. bei Jamnica, die 11. bei Stanislau und die 117. bei
Zagwozd±. GM. Aust bat um Verstärkungen. GO. Tersztyánszky sandte
ihm ein Bataillon des deutschen IR. 330, das eben von der Südarmee
nach Majdan eingerückt war.
Das XII. Russenkorps durchbricht die k. u. k. 15. ID.
265
Der Verlust der Jutrena gora
(8. bis 9. Juli)
In der Nacht auf den 8. Juli hielt das feindliche Zerstörungsfeuer
gegen die Stellungen der 15. ID. mit kurzen Unterbrechungen an. Im
Morgengrauen drangen Stoßtrupps der russischen 19. ID. im über-
raschenden Angriff gegen Jamnica vor, vermochten aber den hartnäckig
verteidigten Ort dem IR. 65 nicht zu entreißen. Nördlich von Jamnica
mußten Teile der Korpsreserve, das deutsche Bataillon 11/331, eingesetzt
werden, um die in die deutschen Gräben eingebrochenen Russen heraus-
zuschlagen. Während bei Jamnica erbittert mit Bajonett und Handgra-
naten gekämpft wurde, sammelten sich beiderseits der Stanislauer
Straße, dicht vor den zerschossenen Stellungen der Regimenter 66 und
5, die Angriffstruppen der 11. und der 117. Russendivision in den vor-
getriebenen Sappen zum Angriff.
Um 10hvorm. steigerte sich das russische Geschützfeuer plötzlich
auf der ganzen Front der 15. ID. zu größter Gewalt. Jamnica und
Uhrynów dl. wurden durch Steilfeuer heimgesucht, die Höhe Jutrena
gora — sie beherrschte die nach Kalusz führende Straße und die Eisen-
bahnlinie — wurde von schweren Geschossen zerwühlt. Die Bereit-
schaftsräume der Reserven und die Batteriestellungen bei Pawelcze
wurden vergast.
Um 10h 30 vorm. erhoben sich die Angriffsdivisionen des XII. Rus-
senkorps unter dem jungen Revolutionsgeneral Tscheremisow zum
Sturm. In dichten Massen wälzte sich die mehrfache feindliche Über-
macht gegen die vom Trommelfeuer zermürbten Bataillone der 15. ID.
heran. Jamnica wurde von der russischen 19. ID. wütend angefallen
und diesmal im ersten Anlauf genommen. Das Bataillon 1/60, das
FML. Hadfy von seiner Korpsreserve dicht hinter den Kampfabschnitt
des IR. 65 vorgeschoben hatte, wurde von den tief in die Niederung
des Pawelczebaches einbrechenden Russen umgangen und von der feind-
lichen Übermacht überwältigt. Auch die in der Mitte und am Südflügel
der 15. ID. stehenden Regimenter 66 und 5 waren mittlerweile von
den beiderseits der Stanislauer Straße vorstoßenden Russen der 11. und
der 117. Division durchbrochen worden. Wohl versuchten hier die Ver-
teidiger im Verein mit Teilen des deutschen IR. 330, den Feind aus den
verlorenen Stellungen herauszuschlagen. Allein der Gegenangriff wurde
266
Der letzte Russenansturm
von den neu einbrechenden russischen Massen von Süden gefaßt und
der ganze rechte Flügel Hadfys aus der ersten Stellung zwischen Jatn-
nica und Zagwozd£ in die zweite Stellung auf der Höhenkante zu
beiden Seiten der beherrschenden Jutrena gora zurückgeworfen. Nur
eine tapfere Gruppe des IR. 60 klammerte sich noch trotzig an das
Westufer der Bystrzyca Soiotwinska, bis sie, von den ringsum flutenden
Massen des Angreifers völlig eingeschlossen, im ungleichen Kampfe
erlag.
Immer tiefer drang unterdessen der Stoß der 19. Russendivision in
die Niederung des Paweiczebaches. Der Russe umfaßte die Jutrena
gora von Norden, er überschwemmte die Westhänge des Bystrzycatales
und erreichte die zweite Stellung am Höhenrand. Die im Räume des
Ortes Pawelcze stehenden Batterien, die wegen des schnellen Einbruches
der Russen zum größten Teil nicht mehr zurückgenommen werden
konnten, fielen in Feindeshand.
Gegen Mittag waren die Trümmer der 15. ID. im aufgelösten
Rückzug über die Niederung des Paweiczebaches gegen Westen. Die
erste Stellung und die erste Linie der zweiten Stellung westlich von
Stanislau und die Jutrena gora, der Hauptstützpunkt des rechten Flügels
des k. u. k. XXVI. Korps, befanden sich in der Hand des Feindes. GM.
Aust mühte sich, mit den Trümmern seiner Division und mit den her-
beieilenden Reserven an den östlichen Waldrändern der Hochfläche
von Dumka eine neue Front zu bilden und die heftig nachdrängenden
Rüssen am weiteren Vorwärtskommen zu verhindern.
Das deutsche IR. 331 war durch den feindlichen Durchbruch bei
Jamnica in eine sehr bedrängte Lage gekommen. Es mußte, von Um-
fassung bedroht, Front gegen Süden nehmen und ging dann auf die
Höhenränder westlich von Ciçzôw zurück. Auf dem äußersten linken
Flügel des k. u. k. XXVI. Korps nahm die 2. KD., GM. Freih. v. Abele,
vor schwächeren russischen Begleitangriffen ihre Feldwachen in die
Hauptstellung westlich von Jezupol zurück. GM. Abele zog seine Reser-
ven hinter dem rechten Flügel zusammen, der im Anschluß an das deutsche
IR. 331 in die zweite Stellung zurückgenommen werden mußte. Der
rechte Nachbar der durchbrochenen 15. ID., die 36. ID., GM.Nöhring,
behauptete seine vordersten Linien an der Bystrzyca Soiotwinska. Nur
seinen linken Flügel mußte GM. Nöhring wegen des feindlichen Durch-
bruches auf die Höhen von Posiecz zurückbiegen. Schwache Reserven
des XIII. Korps und der 36. ID. brachen um 4hnachm. in wirksamer
Richtung gegen Uhrynów grn. zum Gegenangriff vor, kamen aber schon
Versuche Tersztyánszky s zur Wiederherstellung der Lage
267
im Räume südlich von Rybno zum Stehen. Auch der Einsatz eines wei-
teren Bataillons der 36. ID. brachte keinen Erfolg1).
Hätte der Russe nach dem Durchbruch der ersten und zweiten Stel-
lung den Angriff rasch weiterzuführen vermocht, so hätten ihm wohl
die in zusammenhanglosen Gruppen aufgelösten Verbände der 15. ID.
und die verstreut in die zurückweichende Front eingesetzten Reserven
den Weg über die Hochfläche von Dumka und über die dort vorberei-
tete zweite Linie der zweiten Stellung nicht verlegen können. Aber die
Russen hatten hohen Blutzoll gezahlt und lagen beutemachend auf den
eroberten Hängen westlich der Bystrzyca Solotwinska. Nur schwächere
Kräfte folgten vorsichtig dem zurückgeschlagenen Gegner in die
ungeheuren Wälder, die sich nördlich und südlich von Dumka aus-
breiten.
Der in Verwirrung gebrachte Verteidiger vermochte das Schwäche-
moment des Angreifers unmittelbar nach erfolgtem Einbruch nicht aus-
zunützen. Wohl hatte der Kommandant des XXVI. Korps, FML. Hadfy,
schon auf die erste Kunde vom Einbruch der Russen vier Bataillone der
deutschen 83. ID., die ihm GO. Tersztyánszky zur Verfügung gestellt
hatte — es war der Rest der Heeresgruppenreserve — dem GM. Aust
mit dem Auftrage überwiesen, die verlorenen Stellungen zurückzu-
erobern. Als dieser Befehl erging, waren aber bereits ,zwei Bataillone
über die auf der Hochfläche von Dumka vorbereitete Stellung bis an
den Waldrand westlich der Pawelczeniederung vorgezogen und dort in
den Kampf verwickelt worden. GM. Aust gebot daher nur über zwei
Bataillone der 83. Division. Da auch die wenigen Batterien, die sich aus
dem Getümmel hatten retten können, wegen ihres Stellungswechsels
vorläufig nicht eingreifen konnten, schien ein Gegenangriff auf die
verlorenen Stellungen aussichtslos. Es kam dem GM. Aust daher zu-
nächst nur darauf an, die Trümmer seiner Division und die eingescho-
benen Reserven zu neuer Abwehr zu ordnen.
GO. Tersztyánszky ließ jedoch auf die Nachricht, daß die Jutrena
gora verloren sei, um 2h 30 nachm. an den GM. Aust den Befehl er-
gehen, den Gegenangriff unverweilt durchzuführen. Er überwies ihm
das nach Majdan herangezogene IR. 2 der 16. ID. mit dem Stabe der
31.IBrig. und sandte noch weitere Teile seiner Armeereserve in die
vorbereitete Stellung auf der Hochfläche von Dumka. Auch stellte er
1) Von einem Mitkämpfer, Aus den Kämpfen des k. u. k. Infanterieregi-
ments Nr. 52 in der Schlacht bei Stanis lau, 6.—8. Juli 1917 (Mil. wiss. Mitt., Wien,
Jhrg. 1934, Juli/Augustheft).
268
Der letzte Russenansturm
den Kampfabschnitt nördlich der Bahnlinie unter die Leitung des Füh-
rers der 83. ID., GLt. Stumpff. Die gefahrdrohende Lage rief den Ar-
meekommandanten an die Kampffront. Er fuhr nach Majdan, dem
Standorte des 15.IDKmdos., wohin sich auch der Korpskommandant,
FML. Hadfy, begeben hatte, und stieg selbst in einem Fesselballon auf,
um Einblick auf das Schlachtfeld zu gewinnen.
Während sich auf dem eingedrückten rechten Flügel Hadfys im
Laufe des Nachmittags drei ziemlich zusammenhanglose Gruppen — es
waren dies Reste der 15. ID. und einzelne deutsche Kompagnien unter
dem Oberstbrigadier Gombos bei Hucisko, dann Teile der 83. und der
16. ID. unter GM. Aust an der Straße nach Stanislau und schließlich
das deutsche IR. 331 mit Trümmern des k. u. k. IR. 65 unter dem
deutschen GM. Georgi — im Räume nördlich der Eisenbahn zum ein-
heitlich gedachten Gegenangriff bereitstellten, rüstete Tscheremisow
zum neuerlichen Ansturm. Er gruppierte starke Kräfte seines XII. Korps
zwischen Jamnica und Ciçzow, offenbar, um über die von den Deutschen
besetzte Höhe Plóski in das Tal der Lukowica einzubrechen. Auch führ-
ten die Russen schon am Nachmittag auf der Straße von Stanislau starke
Kavallerie gegen die Hochfläche von Dumka zur Verfolgung vor.
Die mittlerweile bei Dumka zum Gegenangriff auf die Jutrena gora
bereitgestellte Gruppe Obst. Spiess (Teile der 16. und der 83. ID.) wartete
indessen ab, bis der Rest der Artillerie der 15. ID., sechs Batterien,
das Feuer eröffnen konnte. Auch wurden die Linien des XXVI. Korps
noch im Laufe des Nachmittags von russischen Vortruppen angegriffen.
Erst gegen 8h abends schritt Obst. Spiess mit vier Bataillonen die Sta-
nislauer Straße entlang zum Gegenangriff. Die russischen Vortruppen
wurden zurückgedrängt, die Niederung des Pawelczebaches überschrit-
ten und der steile, bewaldete Westhang der Jutrena gora erstiegen.
Unterdessen war aber der Nordflügel des XII. Russenkorps gegen das
deutsche IR. 331 nördlich der Bahnlinie vorgegangen und nach heftigem
Ringen in die deutschen Linien eingebrochen. Im Hinblick auf die
Bedrohung von Norden her brach die Gruppe Spiess den aussichtslosen
Kampf ab und ging auf die Hochfläche von Dumka zurück.
Nicht besser erging es der am Südflügel der 15. ID. aus den Trüm-
mern dieser Division und aus einzelnen Kompagnien der 83. ID. gebil-
deten Gruppe Obst. Gombos. Sie schloß sich trotz der großen Er-
schöpfung der Truppen dem Vorgehen der Gruppe Spiess an, vermochte
aber nicht, bis über die Niederung des Pawelczebaches vorzudringen.
Im weiteren Verlauf des Kampfes, der sich bis in die Nacht hinein fort-
Mißlingen der Gegenangriffe der Verbündeten
269
setzte, gelang es den Deutschen, die nördlich der Bahnlinie in ihre
Gräben eingedrungenen Russen zurückzuwerfen.
Als der Heeresgruppenkommandant, GO. Böhm-Ermolli, von dem
unglücklichen Ausgang des Kampfes Kenntnis erhielt, war er sehr be-
sorgt, daß die 2. KD. von den Russen in den Dniester geworfen, die
3. Armee von der Südarmee abgedrängt und Bothmer von Süden her
überflügelt werden könnte. Um Halicz und die wichtigen Höhen südlich
dieser Stadt behaupten zu können, empfahl er noch am 8. Juli dem GO.
Tersztyánszky, das IR. 31 der 16. ID. aus dem Räume östlich von Kalusz
nach Wiktorów zu verschieben und den linken Armeeflügel mit allen
noch verfügbaren Kräften zu verstärken. GO. Tersztyánszky unter-
stellte dem Führer der 83. ID., GLt. Stumpff, den ganzen Abschnitt
von der Bahnlinie bis zum Dniester und sandte ihm neben dem IR. 31
noch das Armeesturmbataillon als Verstärkung. Das Bataillon 1/62, der
Rest der Armeereserve, wurde als Rückhalt für das XXVI. Korps nach
Majdan vorgezogen. Um den großen Geschützverlust der 15. ID. wie-
der halbwegs wettzumachen, müßten die 38. HID. der Südarmee mit
zwei und das XIII. Korps mit vier Batterien aushelfen.
Schon am 9. Juli früh gab GO. Tersztyánszky Weisungen für die
Zurücknahme der 3. Armee auf das westliche Ufer der Lomnica und in
eine von Nowica südwärts bis zur Höhe Kosmarkagóra verlaufende
Linie für den Fall aus, als die Stellungen auf der Hochfläche östlich
des Lukawicabaches nicht gehalten werden könnten. Der Rückzug war
aber erst auf ausdrücklichen Befehl des Armeekmdos. und unter dem
Schutze der Nacht anzutreten. Noch aber hoffte GO. Tersztyánszky,
daß das XXVI. Korps in den jetzt bezogenen Linien weiteren Wider-
stand leisten werde. Er war der Auffassung, daß der Feind seinen
Angriff erst am 10. Juli wieder aufnehmen werde, und ließ sich daher
von seinen Unterführern über die Aussichten der Abwehr an diesem
Tage Meldung erstatten.
Das XIII. Korps und die 5. ID. berichteten, daß sich die Truppen
in sehr guter Verfassung befänden und feindliche Angriffe mit Sicherheit
abwehren dürften. Demgegenüber hatten die Truppen des XXVI. Korps,
namentlich die Regimenter der 15. ID., ihre Gefechtskraft fast völlig
eingebüßt. Von den 7700 Feuergewehren dieser Division, die am 3. Juli
bei Beginn der Schlacht in der Front eingesetzt waren, hatten sich bis
zum 9. früh nur mehr 800 Mann gesammelt; außerdem hatte die Divi-
sion 43 Geschütze verloren. Auch die Verbände der deutschen 83. ID.
waren stark zusammengeschmolzen und selbst die Regimenter der
270
Der letzte Russenansturm
16. ID., die noch an den Nachwirkungen der zehnten Isonzoschlacht
litten, waren nicht mehr auf voller Höhe ihrer Gefechtskraft. Zudem
waren die vorbereiteten Stellungen auf der Hochfläche östlich der Luka-
wica nicht fertig ausgebaut. Zusammenfassend beurteilte das XXVI.
Korpskmdo. die Lage dahin, daß die Abwehr eines russischen Angriffes
mit stark überlegenen Kräften nicht mit Bestimmtheit erwartet werden
könne, und hielt die Zuweisung von drei frischen Regimentern für nötig.
Die wenig zuversichtliche Meldung des FML. Hadfy konnte das
3. Armeekmdo. nicht bestärken, in dien zurzeit erreichten Linien wei-
teren Widerstand zu leisten; man erwog daher am 9. Juli ernstlich,
einem wenig aussichtsreichen Kampf am 10. Juli auszuweichen und die
Front während der folgenden Nacht in die dritte Stellung an der Lom-
nica zurückzunehmen. Da aber machte der Feind einen Strich durch
die Rechnung.
Die überraschende Schnelligkeit des Erfolges ermutigte Kornilow,
den Angriff in der Richtung auf Halicz und Kalusz fortzusetzen. So
gab er dem XII. Korps den Befehl, noch am 9. Juli bis an den Luko-
wicabach und auf Hucisko vorzudringen. Das XXXIII. Korps im Dnie-
stertale sollte diesen Angriff gegen Halicz decken, während der rechte
Flügel des XVI. Korps die Höhen westlich von Bohorodczany in Besitz
zu nehmen hatte 1).
Am Nachmittag gingen Truppen des XXXIII. Korps aus dem By-
strzycatale gegen die 2. KD. vor. GM. Abele vermochte sich jedoch mit
seinen Husaren- und Ulanenschützen auf den Höhen südlich von Halicz
zu behaupten. Örtliche Einbrüche des Feindes konnten durch Gegenstöße
wettgemacht werden. Unterdessen stürzte sich aber der rechte Flügel des
Korps Tscheremisow auf das IR. 331 und brach auf der Höhe Ploski in
die deutschen Linien ein. GLt. Stumpff warf dem Feinde seine Reserven,
das k. u. k. IR. 31 der 16. ID. und das Armeesturmbataillon, entgegen.
Der Gegenangriff erzielte anfangs Raumgewinn. Es gelang aber nicht
mehr, die Russen von den Hängen der Plöskihöhe zu vertreiben. Der
Gegenangriff kam vor der feindlichen Übermacht zum Stehen.
Beiderseits der Straße Stanislau—Kalusz hatten die Russen den
Angriff im Laufe des Nachmittags bis an die Kampflinien der Gruppe
GM. Aust herangetragen. Da sich die Truppen des k. u. k. XXVI. Korps
einem neuerlichen Ansturm des Feindes nicht mehr gewachsen fühlten,
erteilte GO. Tersztyánszky um 5h 30 nachm. mit Zustimmung des Heeres-
gruppenkommandos und des Oberbefehlshabers Ost den Befehl, im
1) Zajontschkowskij, Feldzug 1917, 70 f.
Rückzug der 3. Armee an. die Lomnica
271
Laufs der Nacht in die schon angegebenen Linien zurückzugehen. Früher
als vorgesehen, mußte aber ein großer Teil der 3. Armee unter dem
Drucke des Feindes kämpfend zurückweichen. Denn um 7habends be-
mächtigte sich der linke Flügel des XII. Russenkorps bereits der Höhen
zwischen Posiecz und Hucisko und warf den abgebogenen linken Flügel
der 36. ID. und die Gruppe Obst. Gombos zurück. Die letztgenannte be-
fand sich schon um 7k 30 abends bei Myslów in aufgelöstem Rückzug
über die Lukwa, ohne an diesem Abschnitt — wie befohlen — eine Zwi-
schenstellung zu beziehen. Die Russen drückten besonders stark beider-
seits der Straße Stanislau—Kalusz und der Eisenbahnlinie vor. Da der
rechte Flügel der Gruppe GLt. Stumpff auf der Höhe Plóski eingedrückt
und von Süden durch Umfassung bedroht war, blieb nichts anderes übrig,
als auch die ganze Front bis zum Dniester in einem Zuge über die
Lukawica und die Lukwa an die Lomnica zurückzunehmen.
Nun war die k.u. k. 3. Armee zum zweitenmal durchbrochen und-
die Südarmee überflügelt. Gdl. Bothmer bog daher seinen äußersten rech-
ten Flügel, die 38. HID., gegen Poplawniki zurück. Er mußte mit An-
griffen der Russen an derNarajówka rechnen. Die Südarmee war jedoch
entschlossen, ihre Stellungen unter allen Umständen zu behaupten.
Das Vordringen der Russen bis Kalusz
(10. bis 13. Juli)
Noch einmal war über die galizische Front der Verbündeten eine
Krise hereingebrochen, die nicht ohne Rückwirkung auf die Südarmee
blieb und die Angriffspläne des Oberbefehlshabers Ost zunichte zu
machen drohte. Noch am 9. Juli mußten die aus dem Bereiche der
k. u. k. 1. Armee, aus Siebenbürgen, im Antransport gegen Rohatyn be-
findliche 8.bayr. RD. sowie die für den Durchbruchsangriff im Räume
um Zloczów bestimmte deutsche 16. RD. gegen Kalusz und Halicz zur
Unterstützung der k.u.k. 3. Armee abgedreht werden. Da diese deutschen
Verstärkungen aber erst in einigen Tagen und sehr langsam eintreffen
konnten, und der Russe beiderseits der Straße Stanislau—Kalusz scharf
nachdrängte, mußte die Südarmee mit einigen sofort verfügbaren Re-
serven aushelfen. Hierzu wurden das RIR. 104 der 24. RD., das eben
erst aus der Schlacht gezogen worden war und kaum mehr als halbe
Gefechtskraft besaß, ferner das RIR. 250 der 75. RD. und einige Feld-
und schwere Batterien bestimmt und unter dem Befehl des Führers der
272
Der letzte Russenansturm
48. RIBrig., Obst. Gf. Wuthenau, mit Lastkraftwagen und in Gewalt-
märschen an die untere Lomnica entsandt.
GO. Tersztyánszky forderte seine Divisionen auf, in der vorberei-
teten dritten Stellung standzuhalten, um Zeit zu gewinnen, bis die
herbeieilenden Reserven eintreffen würden. Er beschloß, die Brigade
Wuthenau der Gruppe GLt. Stumpff zur Verfügung zu stellen. Die
16. RD. war nach Wojnilów vorzuziehen und die 8.bayr. RD. möglichst
weit vorne bei Kalusz auszuladen, um mit ihr die stark hergenommene
15, ID. stützen oder zum Gegenangriff schreiten zu können, falls die
Front neuerlich durchbrochen werden sollte. Ferner war es seine Ab-
sicht, die 2. KD. aus der Front herauszulösen, um sie bei Nowica als
Reserve für das XIII. Korps zu versammeln, während die 36. ID. das
IR. 53 bei Kalusz zur Verfügung des XXVI. Korps zu stellen hatte.
In der Nacht auf den 10. Juli verlegte GO. Tersztyánszky sein
Hauptquartier von Kalusz nach Bolechów. Eine leichte Entspannung
der Lage schien am nächsten Tage einzutreten. Dem XIII. Korps war
es gelungen, geordnet durch die großen Waldungen an der Lukwa ab-
zuziehen. Die Truppen hatten hinter diesem Wasserlauf Stellung be-
zogen. Das hart mitgenommene XXVI. Korps konnte sich, wenn auch
nur notdürftig, in der vorbereiteten dritten Stellung auf dem Westufer
der Lomnica einrichten. Die Russen hatten am Vormittag noch nicht
an die neue Front der 3. Armee her angefunden.
Der schwere Rückschlag bei Stanislau wirkte sich unterdessen in
einem Wechsel der höheren Kommandanten aus. GO. Tersztyánszky
wurde am 10. Juli seines Amtes enthoben und der bisherige Komman-
dant des X.Korps, GO. Kritek, zum Führer der 3. Armee ernannt.
Ferner hatte FML.Hadfy mit dem Gdl. v. Csanády, dem Kommandanten
des in Siebenbürgen stehendjen VI. Korps, den Dienstposten zu tauschen.
Da nunmehr weitere deutsche Kräfte bei der k. u.k. 3. Armee eingesetzt
wurden, erschien dem Oberbefehlshaber Ost auch die Zuweisung eines
höheren deutschen Generals erforderlich, und so wurde Gdl. Litzmann,
der bisher bei der 1. Armee ein Gruppenkommando geführt hatte, mit
seinem Stabe, dem Generalkmdo. des XXXX. RKorps, zur 3. Armee
eingeteilt.
Die schwere Erschöpfung der Russen nach viertägiger Schlacht ver-
bot ihnen am 10. Juli zunächst, die Angriffsbewegung fortzuführen. Ein
Funkspruch Kerenskis mahnte indes Kornilow, den Feind nicht zu Atem?
nicht zum Eingraben kommen zu lassen. Nun trieb Kornilow zur Eile
an. Noch am Nachmittag ließ Tscheremisow die 3. kauk. KosD., die
Neuordnung der Verbände der Verbündeten
273
165. und die 117. ID. aufbrechen, um sich den Weg über die Lomnica
nach Kalusz zu bahnen,. Die 11. und die 19. ID. hatten in der Richtung
auf Wojnilów vorzustoßen. Die Gelegenheit schien günstig zu sein,
den bisherigen Erfolg zu einer völligen Niederlage des Gegners zu ge-
stalten. Halicz fiel am 10. in die Hand der Russen. Vielleicht genügte
auch ein rascher Stoß, um die Stadt Kalusz in Besitz zu nehmen. Im
Bereiche des XVI. Russenkorps waren im Laufe des Nachmittags vor-
getriebene Aufklärungsabteilungen hinter der oberen Lukwa wieder auf
den zurückgewichenen Gegner gestoßen. Westlich von Grabówka ge-
lang es gegen Abend russischen Vortruppen, auf dem Südflügel der
36. ID. in die unausgebauten Stellungen einzudringen. Sie wurden durch
einen raschen Gegenstoß örtlicher Reserven wohl hinausgeworfen; doch
die Schwäche der Stellung war von den Russen erkannt.
Als Kornilow in der Nacht auf den 11. Juli seine Angriffsdivisionen
gegen die Lomnica vorführte, um in Kalusz einzudringen und sich den
Weg auf Wojnilów zu bahnen, da hielten auf dem westlichen Ufer nur
mehr von empfindlichen Verlusten zermürbte und von der Schlacht schon
hart mitgenommene öst.-ung. und deutsche Truppen. GO. Tersztyánszky
hatte noch am 10., knapp vor seinem Abgehen, den Befehl gegeben, am
Nordflügel der k. u. k. 3. Armee eine dem Armeekommando unmittel-
bar unterstellte Gruppe unter dem Befehl des Führers der im Antrans-
port befindlichen 16. RD., GLt. Sieger, zu bilden. Sie hatte aus der
83. ID., GLt. Stumpff, der 16. RD., der Brigade Wuthenau und aus dem
deutschen LstlR. 34 zu bestehen. Die 2. KD. wurde als Armeereserve
in den Raum nördlich von Kalusz gewiesen. Dem k. u. k. XXVI. Korps
sollten zunächst die Reste der 15. und die ganze 16. ID. sowie zwei
Bataillone des IR. 53 der 36. ID., ferner das deutsche IR. 330 und das
Armeesturmbataillon verbleiben. Den Befehl über die in der Front bei
Kalusz stehenden Truppen führte das 15.IDKmdo., GM. Aust. Es
sollte bald durch das 16. IDKmdo., GM. Adalbert Kaltenborn, abgelöst
werden. Nach dem Eintreffen der Ersätze waren die abgekämpften Re-
gimenter der 15. ID. und das IR. 31 der 16. ID. aus der Front zu ziehen,
um sie wieder aufzufrischen. Die vom 11. Juli an eintreffende 8.bayr.
RD. sollte sich als Armeereserve im Räume westlich von Kalusz
versammeln.
Die Verbände waren namentlich in diesem Abschnitt stark ver-
mischt und auch die Befehlsverhältnisse sehr verworren. Die neuernann-
ten Kommandanten der 3. Armee und des XXVI. Korps waren am
11. Juli noch nicht eingetroffen. GO. Tersztyánszky hatte das Arme e -
VI 18
274
Der letzte Russenansturm
kommando einstweilen an den FML. Schenk übergeben, der auch das
XIII. Korps führte. GM. Aust kommandierte außer seiner 15. ID. auch
das XXVI. Korps.
Bei Kalusz waren am 11. Juli morgens heftige Kämpfe entbrannt.
Dem Vorhutregiment der 164. Russendivision gelang es, durch die Häu-
sergruppen und Gärten von Podmichale gedeckt, unbemerkt an Kalusz
her anzukommen. Mangelhafte Sicherung der schlafmüden Stellungs,-
be Satzungen begünstigte das Unternehmen. Gegen 7h früh sahen sich
das deutsche IR. 330 und das k. u. k. IR. 5 am Ostrande der Stadt
plötzlich von den Russen überfallen. In breiten Wellen und ohne jeg-
liche Artillerievorbereitung drangen die Angreifer in die Stellungen
ein. Vorübergehend scheint es herbeieilenden Reserven gelungen zu
sein, den überraschenden Angriff aufzuhalten. Neuerliche Anstürme der
nachrückenden feindlichen Massen durchbrachen jedoch die Linien
der beiden Regimenter. Die Russen breiteten sich in Kalusz rasch aus
und drangen auf die Höhen nördlich der Stadt vor. Die Trümmer des
rechten Flügels des k. u. k. XXVI. Korps wichen gegen Kropiwnik zu-
rück. Die Russen führten zahlreiche Gefangene weg und schlugen zum
drittenmal eine breite Lücke in die wankende Front des k. u. k. XXVI.
Korps. Ein Teil der im Räume um Kalusz stehenden Batterien wurde
infolge des Durchbruches eine leichte Beute des Feindes. Vergeblich
suchte das IR. 53 der 36. ID., das sich hinter der Nahtstelle der 36. und
der 15. ID. befand, durch einen Vorstoß von Westen her, die Lage zu
retten. Als die Not am höchsten stieg, schritten das IR. 31 der 16. ID.
und das Armeesturmbataillon von Norden her zum Gegenangriff und
drangen mit Teilen des deutschen IR. 329 wieder in Kalusz ein.
FML. Schenk hatte sofort auf die erste Meldung vom Einbruch hin
den am Morgen eingetroffenen GLt. Sieger aufgefordert, die 16. RD.
nach Kopanka zu entsenden, um sie zum Gegenangriff auf Kalusz an-
zusetzen. Auch aus Lemberg langte um 10h 30 vorm. der Befehl des
GO. Böhm-Ermolli ein, im Verein mit dieser Division und unter der
unmittelbaren Leitung des Armeekommandanten die Wiedereroberung
der verlorenen Stellungen durchzuführen. Allein, von der 16. RD. war
augenblicklich nur ein Bataillon verfügbar, das GLt. Sieger von Woj-
linów nicht wegziehen wollte, da auch an der unteren Lomnica feind-
liche Anstürme drohten. Daher verlangte GLt. Sieger eine Frist, um die
mit dem Großteil ihrer Truppen noch im Anmarsch befindliche 16. RD.
versammeln und geordnet zum Gegenangriff bereitstellen zu können.
Unterdessen nahm der Durchbruch der Russen bei Kalusz immer größeren
Durchbruch der Russen bei Kalusz
275
Umfang an. Die in die Stadt eingedrungene Gruppe des Verteidigers
wich nach erbittertem Kampfe vormittags vor dem übermächtigen
Drucke der Russen auf Mosci ska Zurück, wohin sich auch die am linken
Flügel des k. u. k. XXVI. Korps fechtenden Reste der 15. ID. im
aufgelösten Zustand im Rückzug befanden. Zwischen dem linken
Flügel des XXVI. Korps und der Gruppe GLt. Sieger klaffte nunmehr
eine breite Lücke in der Front. Der rechte Flügel der 83. ID. mußte
daher auf die Höhe Kopanka A 365 abgebogen werden. Hinter ihm
wurden die Regimenter der 16. RD. her angeschoben.
Auf Befehl des zeitweiligen Armeekommandanten, FML. Schenk,
der auf das Schlachtfeld vorgeeilt war, waren unterdessen die auf Kro-
piwnik gewichenen Truppen des XXVI. Korps wieder gegen Kalusz
vorgegangen und hatten zwischen der Lomnica und dem Siwkabach
Stellung genommen. Hier und bei Mosciska wurden die Marschforma-
tionen der 42. HID., der 15. ID. und der 2. KD. in den Kampf ge-
worfen. Dem eintreffenden Kommandanten der 8.bayr. RD., GM. Jehlin,
übertrug FML. Schenk den Befehl über diesen Abschnitt. Für ein wei-
teres Vortragen des Gegenangriffes waren aber die in den Kampf
geworfenen Ersatztruppen sowie die Trümmer der 16. und der 15. ID.,
die ihre Gefechtskraft fast völlig eingebüßt hatten, zu schwach. Es sollte
daher die vom Nordflügel heranzuziehende 2. KD., ein Bataillon der
36. ID. und die noch im Antransport nach Dolina befindliche 8.bayr.RD.
abgewartet werden, um dann im Verein mit der 16. RD. und unter ein-
heitlicher Leitung des GLt. Sieger am 12. Juli an die Wiedereroberung
von Kalusz zu schreiten.
Gegen Abend.begannen die 117., die 11. und die 19. ID. der Russen
die Gruppe GLt. Sieger an der unteren Lomnica anzugreifen. Der
stärkste Druck der Russen richtete sich gegen die Brigade Wuthenau
bei Slobódka und gegen den auf die Höhe Kopanka abgebogenen rech-
ten Flügel der Gruppe GLt. Sieger. Die Russen wurden durch Artillerie-
feuer abgeschlagen und fluteten in ihre Ausgangsstellungen zurück;
doch wurde wegen der Besorgnisse um den Südflügel der Armee Both-
mer der Großteil der Truppen der 2. KD. an der Lomnica belassen.
Während der Kampf bei Kalusz tobte und das 3 . Armeekmdo. alle
Mühe hatte, dort ein Unheil abzuwenden, mußte die Zurücknahme des
XIII. Korps und der 5. ID. in die auf dem Hügelgeländie südlich der
Lomnica angelegte dritte Stellung vorbereitet werden. Die wiederholten
örtlichen Angriffe des XVI. Russenkorps am 11. Juli gegen die unaus-
gebaute Verteidigungslinie am Lukwabache konnten fast immer nur
18*
276
Der letzte Russenansturm
im Gegenstoße abgewehrt werden. Die Kämpfe verhinderten den Aus-
bau der Stellungen. Unter diesen Umständen erschien es ratsam, den
Südflügel der Armee, mit Ausnahme des IR. 1, das auf den Höhen süd-
lich von Jasien zu verbleiben hatte, in die dritte Stellung zurückzuneh-
men. Das Heeresgruppenkommando stimmte zu. In der Nacht auf den
12. wurden die Bewegungen ohne wesentlichen Zwischenfall durch-
geführt. Nur die 42. HID. mußte sich im Kampfe vom Feinde lösen.
Durch die Verschmälerung des Abschnittes des XIII. Korps konnten
zwei Bataillone und sieben Batterien gewonnen und bei Nowica bereit-
gestellt werden.
Als Kornilows rechter Flügel am 11. Juli in Kalusz eindrang und
die Höhen westlich der unteren Lomnica bestürmte, rückte auch die
Gefahr für die rückwärtigen Verbindungen der Südarmee in bedenk-
liche Nähe, Der russische Angriff bedrohte die Stadt Stryj und damit den
Mittelpunkt des gesamten Nachschubes der Südarmee. Da ferner das
wichtige Rohölgebiet von Drohobycz und Boryslaw gefährdet war, ent-
schloß sich der Oberbefehlshaber Ost, die inzwischen ebenfalls im An-
transport nach Zloczów befindliche deutsche 20. ID. und die bayr. KD.
zur Unterstützung der 3. Armee gegen Zurawno abzudrehen. Durch
diese Truppenentsendungen auf Kosten der bei Zloczów zu versam-
melnden Stoßgruppe wurde aber der in diesem Abschnitt geplante
Durchbruch ernstlich in Frage gestellt. Der Oberbefehlshaber Ost erwog
daher, die Gegenoffensive bei Zloczów fallen zu lassen, wenn es ¡auch
den neuerlich zugewiesenen Verstärkungen nicht gelingen sollte, die
S.Armee zu stützen1).
Auch Gdl. Bothmer wurde in dieser Frage gehört. Er vertrat den
Standpunkt, daß an dem einmal gefaßten Plane festgehalten werden
müsse und dürfe, weil die Russen so starke Kräfte, um ihre bisherigen
Erfolge operativ auszunützen, nicht früher zur Stelle haben könnten,
als bis die zur 3. Armee abgezweigten deutschen Divisionen eingetroffen
sein würden. Ferner meinte Bothmer, daß die vor seinem Südflügel
beobachteten Kräfteverschiebungen der Russen in die Gegend von Sta-
nislau die Aussichten des operativen Erfolges für den Durchbruch bei
Zloczów sichtlich vergrößerten. Auch der in die Erwägungen einbe-
zogene Gedanke, die geplante Gegenoffensive in den Raum südlich des
Dniester zu verlegen, konnte von Bothmer nicht befürwortet werden,
weil dort die schwierigsten Gelände- und Wegeverhältnisse sowie die
x) Nowak, K. F., Die Aufzeichnungen des Generalmajors Max Hoffmann
(Berlin 1929), II, 178 f.
Versteifen des Widerstandes der Verbündeten
277
ungünstigen Nachschublinien, hauptsächlich aber die nicht entscheidende
operative Richtung eines Gegenstoßes einen durchschlagenden Erfolg
ausschlössen.
Die Tage vom 12. bis zum 15. Juli brachten indessen noch keine
Besserung der Lage bei der k.u. k. 3. Armee.
Die Russen konnten allerdings am 12. bei Kalusz zunächst nicht
weiter vordringen. Im Westen verhinderte die durch heftige Regengüsse
hochangeschwollene Lomnica weiteres Ausbreiten. Im Norden hatten
sich die Deutschen auf den Höhen bei Kopanka festgesetzt. GO. Kritek,
der am 12. vormittags das Kommando der 3. Armee übernahm, erkannte
sogleich die nicht unbedenkliche Lage, in der sich die Russen im Bogen
bei Kalusz befanden. Er war der Auffassung, daß für die 3. Armee
nichts weiter zu befürchten sei, wenn die Gruppen Jehlin und Aust sowie
die auf der Höhe Kopanka stehenden Truppen der 83. ID. den feind-
lichen ^Einbruch verläßlich abriegelten. Er gab sich aber keiner Täu-
schung hin, daß vor dem Eintreffen ausreichender und stoßkräftiger
Verbände ein Gegenangriff auf Kalusz keine Aussichten auf Erfolg
haben würde. Es sollten daher zunächst die noch heranzuführenden
Truppen der 16. RD., der 8.bayr.RD. und die ebenfalls im Antransport
zur k. u. k. 3. Armee befindliche deutsche 20. ID. sowie die bayr. KD.
abgewartet werden. Das Heeresgruppenkommando war mit einem weite-
ren Hinausschieben des Gegenangriffes einverstanden und verfügte
noch, daß die deutsche 20. ID. möglichst rasch als Rückhalt für die
Gruppe GLt. Sieger nach Kopanka und die bayr. KD. zur Stützung der
Front des XIII. Korps zu verwenden seien. Die Leitung des geplanten
Unternehmens bei Kalusz sollte der am 13.nachmittags eintreffende
Gdl. Litzmann übernehmen.
Noch am 12. Juli vormittags wurden einzelne Bataillone der 8. bayr.
RD. in den Kampfabschnitt beiderseits der Straße Kalusz—Dolina ein-
geschoben. Auf den Höhen von Kopanka wurde jetzt an Stelle der
hart mitgenommenen 83. ID. der Großteil der 16. RD. eingesetzt.
Als Kornilow am 12. Juli nachmittags mit seinem Nordflügel zu
neuem Angriff schritt, um von Kalusz aus in das Tal der Siwka und
von Bludniki auf Wojlinów durchzubrechen, stieß er überall auf eiser-
nen Widerstand. Bei Kalusz setzten die bayrischen und die oberungari-
schen Bataillone der Gruppe Jehlin dem weiteren Vorrücken ein Ziel1);
Auch konnten die stürmenden Russen infolge der starken Beherrschung
1) J a u d und Weech, Das K. B. Reserve-Infanterie-Regiment 19 (Mün-
chen 1933), 154 f.
278
Der letzte Russenans.turm
des breiten Dniestertales durch unsere Artillerie in die Linien der
k. u. k. 2. KD. nicht eindringen.
Südlich der Lomnica gelang es aber den Russen, die Front der
k. u. k. 3. Armee noch einmal zum Wanken zu bringen. Schon am 12.
seihoben sich die Divisionen des XVI. Russenkorps, die 47., die 160. und
die 41. ID., verstärkt durch Kavallerie, gegen das k. u. k. XIII. Korps
auf der breiten Hügelflur über der Lomnici zwischen Jasien und No-
wica heran. Versuche der 41. Russendivision, über die Höhe Werch
babski in das Tal der oberen Lomnica einzubrechen, verhinderte das
IR. 1 der 5. ID. mit kraftvoller Entschlossenheit.
Beim 3. Armeekmdo. erwartete man, daß sich der stärkste Angriff
der Russen gegen den vorspringenden Stellungsteil der 36. ID. bei No-
wica richten werde. Es wurde deshalb ein Bataillon der 36. ID. und ein
Bataillon der 8.bayr. RD. von der Gruppe GM. Jehlin hinter die Mitte
des XIII. Korps verschoben und eine Brigade der eben bei Dolina ein-
gelangten bayr. KD. in den Raum südlich von Rozniatów verlegt.
Schwere Regengüsse durchweichten die Fluren, schwellten die Was-
serläufe und verzögerten am 13. die Zurüstungen Kornilows zum neuen
Angriff. Erst um lh nachm. griff die 47. ID. nach kurzer, aber sehr star-
ker Vorbereitung durch die Artillerie den linken Flügel der 36. ID.?
GM. Nöhring, bei Nowica überfallsartig ;an. Die Russen durchbrachen
die Stellung der Kroaten. Gegenstöße schwacher örtlicher Reserven
brachten keinen Erfolg. Hingegen scheiterte ein gleichzeitiger, beider-
seits der Straße bei Ldziany gegen den linken Flügel der 42. HID., GM.
Mihaljevic, losbrechender Angriff im Abwehrfeuer der Verteidiger. Die
Korpsreserve, drei Bataillone, vermochte dem Einbruch bei Nowica
Schranken zu setzen. Gegen 5h nachm. aber drang ein neuerlicher Vor-
stoß der Russen bei Landestreu in die Linien der 36. ID. ein. Hier wur-
den einzelne Bataillone und Kompagnien der 42. HID. in den Kampf
geworfen. Sie stellten die Lage halbwegs wieder her. Da neue Anstürme
des Feindes gegen die 36. ID. erwartet werden mußten, setzte GO. Kritek
das eben in Zurawno einlangende Spitzenregiment der deutschen 20. ID.
und das Armeesturmbataillon von Kopanka über Kropiwnik nach dem
bedrohten Abschnitt in Marsch.
Nach diesen neuerlichen Rückschlägen ließ der Oberbefehlshaber Ost
das Heeresgruppenkommando Böhm-Ermolli wissen, daß man aus den
letzten Kämpfen den Eindruck gewonnen habe, die öst.-ung. Truppen
der 3. Armee hätten nicht mehr den festen Willen zum Ausharren in
der Pflicht. GO. Böhm-Ermolli und GO. Kritek richteten einen sehr
Kritische Lage auf dem Südflügel der 3. Armee
279
scharfen Appell an die kroatischen Regimenter der 36. ID., ihren bisher
glänzenden Ruf nicht aufs Spiel zu setzen, und wiesen sie zum Aus-
harren an, da in den nächsten Tagen genügend Verstärkungen zur
Stelle sein würden. Die Lage beim XIII. Korps war aber noch nicht
sichergestellt, und die Haltung der Truppen ließ neue Einbrüche des
Feindes befürchten; daher schien es dem Heeresgruppenkommando ge-
boten, eine etwaige Zurücknahme des XIII. Korps hinter die Lomnica
in Erwägung zu ziehen. GO. Kfitek vertrat aber den Standpunkt, daß
die Höhen östlich dieses Flusses festgehalten werden müßten, weil in
der durch die Zurückverlegung der Front gewonnenen geringen Zeit
viel zu wenig frische Truppen eingetroffen sein würden, üm die Ver-
teidigung wesentlich besser gestalten zu können.
Das Ende des Russenangriffes in Galizien
(14. bis 16. Juli)
Für die Russen bedeutete der am 13. Juli bei Nowica erzielte Ein-
bruch in die Kampflinien des k. u. k. XIII. Korps den Höhepunkt und
zugleich das Ende ihrer Offensive. Zwar wiederholten sie noch am 14.
ihre Vorstöße in den Ausläufern der Karpathen, auf der Höhe Lopata
und bei Jasien gegen die 5. ID. und bei Ldziany gegen den linken Flü-
gel der 42. HID.; auch im Abschnitt der 36. ID. auf den Höhen bei
Nowica dauerten die Kämpfe noch mehrere Tage an. Aber alle diese
vereinzelten und schwächlichen Vorstöße der Russen scheiterten schon
an dem Abwehrfeuer der Verteidiger. Die 8. Russenarmee begann sicht-
lich zu ermatten, sie hatte in der so verheißungsvoll begonnenen Offen-
sive fast 40.000 Streiter verloren.
Es war ein sehr gefährliches Unternehmen, das Gen. Kornilow in
die Wege geleitet hatte, als er von Stanislau über Kalusz vorstieß.
Wegen der Mißerfolge der benachbarten 7. Armee konnte ein rasches
Vordringen der 8. Armee eine ungünstige Lage herbeiführen. Der
Höchstkommandierende, Gen. Brussilow, erkannte die Gefahr und for-
derte mehrmals den Oberbefehlshaber der südwestlichen Front, Gen.
Gutor, und den Gen. Kornilow auf, den Hauptschlag nicht in der Rich-
tung auf Halicz und Kalusz, sondern in der Richtung auf Rohatyn zu
führen. Aber Kornilow beachtete diese Warnungen nicht. In völliger
Verkennung der Lage, nur nach politischen Erfolgen strebend und an-
gespornt durch die Begeisterung, die sein Sieg bei Stanislau in ganz
Rußland hervorgerufen hatte, führte er den Angriff in der Richtung
280
Der letzte Russenansturm
auf Halicz und Kalusz weiter durch1). Indessen war bereits am 7. Juli
die 11. Russenarmee nach dem letzten vergeblichen Versuche, auf Zlo-
czów durchzubrechen, zur Verteidigung übergegangen. Der ursprünglich
aufgestellte Plan fiel damit zusammen. Die 11. und die 7. Armee, denen
bei der Offensive die Hauptrolle zugedacht gewesen war, hatten nur
Mißerfolge zu verzeichnen gehabt, während sich die 8. Armee in ein
gefährliches Abenteuer eingelassen hatte.
Freilich ließ noch Mitte Juli das Verschieben russischer Truppen
nach Süden vor den rechten Flügel der Armee Bothmer das Heeres-
gruppenkommando Böhm-Ermolli vermuten, daß die Russen ihre an-
fangs verhältnismäßig schwache, anscheinend nicht auf einen operativen
Durchbruch berechnete Stoßgruppe nach dem überraschenden Erfolg
bei Stanislau verstärken wollten. Damit entspannte sich aber anderseits
die Lage vor der k.u. k. 2. Armee, wo schon vom 10. Juli an Abwehr-
maßnahmen des Feindes erkannt wurden. Vor der Südarmee wurden
am 11. und 12. Juli russische Kolonnen im Marsche gegen Süden be-
obachtet, am 14. konnte die Verlegung des Kommandos des II. russi-
schen Gardekorps nach Toustobady festgestellt werden. Bothmer war
unter diesen Umständen in der Lage, nach und nach die ganze 75. RD.
auf das südliche Dniesterufer zu ziehen, wo sie im Abschnitt an der
Straße Slobodka—Wojlinów bis zum Dniester eingesetzt wurde und
wiederholte Angriffsversuche der Russen von Halicz her abwies. Ihren
früheren Abschnitt bei Lipica Görna übernahm am 13. Juli, wie vor-
gesehen (S. 260), die 53. ID., die durch die 24. RD. ersetzt wurde.
Das Heeresgruppenkommando Böhm-Ermolli ordnete am 14. Juli
innerhalb der k. u. k. 3. Armee eine Umgruppierung der Streitkräfte
und eine Neuordnung der Befehlsverhältnisse an, um für etwaige neue
Angriffe im Räume südlich des Dniester gerüstet zu sein. Um die ein-
heitliche Kampfführung beiderseits vom Dniester, in jenem Räume,
der für den Zusammenhang mit der Südarmee von größter Bedeutung
war, zu ermöglichen, wurde der von der 75. RD. übernommene Ab-
schnitt vom Dniester bis zur Straße Slobodka—Wojnilów der Süd-
armee angegliedert. Die abgekämpfte 15. ID. rollte zur Heeresfront
Erzherzog Joseph ab, die hiefür die 37. HID. an die Heeresfront Böhm-
Ermolli abgeben sollte. An Stelle des mit seiner Division abgehenden
GM. Aust übernahm der Kommandant der k. u. k. 16. ID., GM. Adalbert
Kaltenborn, der bisher kein Kampfgruppenkommando geführt hatte, den
Befehl über den Gefechtsabschnitt bei Kalusz. Das XXVI. Korps, dessen
!) Smilg-Benario, Von Kerenski zu Lenin, 117.
Die Russen räumen Kaiusz
281
neuer Kommandant, Gdl. Csanády, am 15. Juli einrückte, bestand nun-
mehr aus der k. u. k. 16. ID., der deutschen 16. RD. und der halben
2. Kavallerie division. Gdl. Litzmann übernahm die aus dem XIII. Korps
und der 8. bayr. RD. zusammengesetzte Gruppe in der Mitte der
3. Armee. Ihm wurden auch die eben über Dolina anrollenden Ver-
stärkungen, die deutsche 20. ID. und die bayr. KD., unterstellt.
Am 15. Juli ging die deutsche 16. RD. zu Gegenstößen über und
schob ihre zwischen dem Siwkabach und der Höhe Kopanka verlaufen-
den Linien ein Stück nach Süden vor. Auch eine bewaldete Höhe süd-
westlich der Kopanka wurde genommen, die aber nach hartem Ringen
wieder in den Besitz des Feindes kam. Die Russen waren jedoch in
einer bedenklichen Lage, da sie unter dem wachsenden Drucke der
Deutschen in den hochangeschwollenen Wasserlauf der Lomnica ge-
worfen werden konnten. Unter diesen Umständen räumten die Russen
in der Nacht auf den 16. Juli die Stadt Kalusz und wichen auf Pc|d-
michale zurück. Die Mitte der 3. Armee konnte nun ihre Kampflinien
wieder in die dritte Stellung vorverlegen. Im Abschnitt der 36. ID. bei
Nowica dauerten die Nahkämpfe noch einige Tage hindurch weiter an,
bis auch dort das letzte Russennest gesäubert war1). Damit hatte die
8. Russenarmee alle ihre in der Schlacht bei Kalusz errungenen Vor-
teile wieder aufgeben müssen.
Der Höchstkommandierende Brussilow hatte inzwischen am 15.Juli
dem Gen.. Kornilow noch einmal den Befehl gesandt, den Hauptangriff
in der Richtung auf Rohatyn zu führen2). Aber es war bereits zu
spät dazu. Die erste Begeisterung war schnell verflogen und die Zer-
setzung der Armee, die den Glauben an den Sieg und damit den inneren
Halt verloren hatte, nicht mehr aufzuhalten. Der Oberbefehlshaber der
Südwestfront nahm noch eine letzte Umgruppierung vor. Der Schwerpunkt
der neugeplanten Offensive sollte bei der 8. und der 11. Armee liegen.
Er stellte dem Gen. Kornilow das II. Gardekorps und das II. Kaval-
leriekorps zur Verfügung. Das XLV. Korps wurde bei Tarnopol und
das XXV. Korps bei Rudnia als Heeresfrontreserve bereitgestellt. Doch
alle Bemühungen, den neuen Angriff zur Durchführung zu bringen,
scheiterten an dem Widerstand der Truppen. Größere Einheiten lehn-
ten es ab, neue Stellungen einzunehmen. Der revolutionäre Geist konnte
*) Bei diesen Kämpfen erwarb sich Hptm. Gottlieb Vojacek des IR. 16 das
Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens.
2) Martino w, Kornilow, 23 f. — Smilg-Benario, Von Kerenski zu
Lenin. — Z a j o n t s c h k o w s k i j, Feldzug 1917, 70 f.
282
Der letzte Russenansturm
die Manneszucht nicht ersetzen, wenn der Führer zum Angriff rief.
Die Offensive konnte nicht begonnen werden. Die k. u. k. 2. Armee hatte
inzwischen zum Gegenschlag bei Zborów gerüstet. Er war wegen der
ungünstigen Witterung und durch die Erfolge Kornilows verzögert
und gefährdet, aber vom Oberbefehlshaber Ost und vom GFM. Hinden-
burg nicht aufgegeben worden. Am 17. Juli begann bereits das Ein-
schießen der öst.-ung. und der deutschen Batterien für den Angriff im
Abschnitt Zloczow.
Die schwere Krise der galizischen Front war überwunden.
Tätigkeit der Russen an den Nachbarfronten
Scheinangriffe in den Grenzbergen O s t siebenb ürgens,
in den W a 1 d k a r p a t h e n und in W o 1 h y n i e n
(Ende Juni bis Mitte Juli)
Hie zu Beilagen 1 und 3
Zur Entlastung der auf Lemberg gerichteten Offensive hatte der
Oberbefehlshaber der Südwestfront, Gdl. Gutor, im Laufe des Monats
Juli auch in den Karpathen und in Wolhynien eine erhöhte Kampftätig-
keit der russischen Truppen vorgesehen. Die in den Waldkarpathen
stehenden Teile der 8. Russenarmee, das XI., das XXIII. und das
XVIII- Korps, hatten Kornilows Angriff im Dniesterlande gegen Süden
zu decken. Die Besondere Armee in Wolhynien sollte den Gegner bin-
den und ihn verhindern, Kräfte nach Lemberg abzuziehen1).
Auch vor den Pässen Ostsiebenbürgens rührten sich die Rumänen
und die Russen von Ende Juni an wieder, namentlich richtete sich ihr
Geschützfeuer in den Bereczker Vorbergen auf die Verteidigungsstel-
lungen der Gruppe Gerok, griff aber auch gelegentlich auf die Kampf-
linien der Gruppe Litzmann und des k. u. k. XXI. Korps auf den Ost-
stufen des Csik- und Gyergyogebirges über. Ernstere Ereignisse kündig-
ten sich schon anfangs Juli im Frontabschnitt der Gruppe Ruiz ian.
Vor dem linken Flügel der deutschen 218. ID. stellte sich am 5. Juli
feindliche Infanterie zu einem Vorstoß bereit, konnte aber wegen der
vernichtenden Wirkung der deutschen und öst.-ung. Batterien ihre Grä-
ben nicht verlassen.
1)_ Zajontschkowskij, Feldzug 1917, 66.
Kräfteverschiebungen an der Karpathenfront
283
In den Waldkarpathen verstärkte sich das Störungsfeuer der rus-
sischen Artillerie bei Dorna Watra, Jacobeny, Kirlibaba und auch im
Ludowagebiet am Czarny Czeremosz. Anfangs Juli stieß der Feind in
diesen Frontteilen und auch auf dem Jablonicapaß mit kleinen Ab-
teilungen gegen die Stellungen der Gruppe Krauss, des Karpathenkorps
und des k. u. k. XVII. Korps vor, wurde indes durchwegs von den Ver-
teidigern abgewiesen. Trotz der erhöhten feindlichen Tätigkeit waren
aber auf dem linken Flügel der Armee Kövess keine Anzeichen eines
bevorstehenden größeren Angriffes zu erkennen. Das Artilleriefeuer
der Russen wurde nicht stärker als bei den gewöhnlichen Stellungs-
kämpfen, und es zeigte sich keine Vermehrung an schweren Kalibern.
An vielen Stellen der Front verharrte die russische Infanterie in völliger
Ruhe; die Propaganda von Schützengraben zu Schützengraben ging im
Bereiche der Heeresfront Erzherzog Joseph noch immer weiter.
Das Heeresfrontkommando mußte allerdings mit neuen Unterneh-
mungen der Russen in den Kampfabschnitten von Dorna Watra, Jaco-
beny und Kirlibaba rechnen, weil dort das XXVI. Russenkorps schon
wiederholt versucht hatte, die große Querverbindung der 7. Armee im
Tale der Goldenen Bistritz abzuschneiden. GO. Erzherzog Joseph suchte
denn auch durch eine neue Kräftegruppierung auf dem rechten Flügel
der Armee Kövess dieser Gefahr nach Möglichkeit Rechnung ,zu tragen.
An Reserven standen dem Heeresfrontkommandanten nur die 7. ID.
zur Verfügung, die Mitte Juni an Stelle der 12. ID. vom südwestlichen
Kriegsschauplatz nach Dés herangeführt worden war. Sie hatte in den
Kämpfen am Isonzo schwer gelitten und ihre volle Verwendungsfähig-
keit anfangs Juli noch nicht ganz wiedererreicht. Es war daher geplant,
die im Verbände des k. u. k. XVII. Korps in ruhiger Front stehende
deutsche 117. ID. durch die 7. ID. ablösen zu lassen und an den rechten
Armeeflügel zu verlegen, um die bei Jacobeny eingesetzte Kavallerie
der Gruppe Krauss durch kampfkräftigere Truppen ersetzen zu können.
Ferner bat Erzherzog Joseph Ende Juni die k. u. k. Heeresleitung, der
7. Armee ein Korpskommando zu überweisen, um ihm den Befehl über
die 59. ID. und die 40. HID. im Kampfabschnitt von Kirlibaba zu über-
tragen. Gdl. Arz nahm dafür das noch immer bei der Heeresgruppe
Woyrsch befindliche XII. Korpskmdo., Gdl. Henriquez, den GdK. Hauer
oder auch das IV. Korpskmdo., FML. Hordt, in Aussicht, forderte aber
am 29. Juni den Erzherzog Joseph auf, Artillerie und andere entbehrliche
Kräfte an die Heeresgruppe Böhm-Ermolli abzugeben. Erzherzog Joseph
war bereit, 13 schwere und 18 leichte Haubitzbatterien der Heeres-
284
Der letzte Russenanstiirm
gruppe Böhm-Ermolli zuzuführen, außerdem eine Infanterie- und eine
Kavalleriedivision. Am 2. Juli bestimmte die k. u. k. Heeresleitung die
8.bayr. RD., mit Ausnahme der bei der Gruppe Gerok stehenden Teile,
zum Abtransport gegen Rohatyn (S. 271). Erzherzog Joseph gab nun
entsprechend weniger Batterien an die Heeresgruppe Böhm-Ermolli ab.
Als Ersatz für die Bayern mußte jetzt die 7. ID. der 1. Armee überwiesen
werden. Die geplante Umgruppierung innerhalb der 7. Armee war da-
durch unmöglich geworden. Nach dem Antransporte der k. u. k. 7. KD.
aus Rumänien nach Siebenbürgen konnte anfangs Juli nur das nach
Bereczk abgezweigte RIR. 11 der deutschen 117. ID. in den Abschnitt
von Jacobeny herangezogen werden. Die aus der Front herausgelöste
8. KD. kam dafür Mitte Juli in den Raum nordöstlich von Máramaros-
Sziget.
Im Bereiche der Heeresgruppe Linsingen nahm die Kampftätigkeit
der Russen von Ende Juni an gegen die Wehr Stellungen der k. u.k.
4. Armee und gegen den Südflügel Bernhardis von Tag zu Tag zu.
Das russische Störungsfeuer richtete sich vornehmlich gegen die deutsche
108. ID. und gegen die k. u. k. 11. ID. im Abschnitt Luga, dann gegen
àie ganze Front des deutschen VIII. Korps am oberen Stochod. Aber
auch aus dem Abschnitt Lipa des deutschen XXII. RKorps und von
den Divisipnen des k. u. k. II. und des XXII. Korps am mittleren Sto-
chod wurde feindliches Artilleriefeuer gemeldet. Die Russen verschossen
bei Kisielin und bei Bol. Porsk viel Gasmunition, außerdem war ihre
Fliegertätigkeit sehr rege. Die öst.-ung. und die deutschen Batterien
und Flugzeuggeschwader wirkten heftig dagegen. Anfangs Juli schien
es im Abschnitt Kowel zu einem ernsteren Unternehmen der Russen
zu kommen. In der Nacht auf den 3. sammelte sich die russische Infan-
terie westlich des Stochod vor den Vorpostenstellungen der deutschen
107. ID. und der k. u. k. 4. ID. zum Angriff, vermochte aber im Sperr-
feuer unserer Artillerie nicht vorzubrechen. Von Mitte Juli an flaute
die Gefechtstätigkeit der Russen an der wolhynischen Front, abgesehen
von vereinzelten Kanonaden und kleinen Patrouillenstreifen, wieder ab
und hörte schließlich ganz auf. Die in Wladimir-Wolyñski gesammelte
deutsche 92. ID. rollte inzwischen mit der Bahn nach Zloczów; auch
wurde die deutsche 22. ID. aus dem Abschnitt Buzany herausgelöst, um
ebenfalls in den Abschnitt Zloczów abzurücken. Damit war die Absicht
der Russen gescheitert, dem Gegner einen beginnenden Angriff auf
Wladimir-Wolynski und auf Kowel vorzutäuschen und seine Kräfte in
Stellungskämpfen zu binden.
Zersetzung des Nord- und Westheeres der Russen
285
Der Mißerfolg der Russen offensive auf Wilna
Nördlich vom Pripiatj hatten Kerenski und Brussilow die für an-
fangs Juli geplante Offensive über Wilna auf Kowno (S. 222) erst zu
entfesseln vermocht, als der große Angriff auf Lemberg bereits zu-
sammengebrochen war. Der neue Oberbefehlshaber der Westfront, Gen.
Denikin, hatte sich entschlossen., mit dem rechten Flügel der 10.Armee
aus dem Räume von M ol o di e czno über Smorgon vorzustoßen. Die nörd-
lich davon befindliche 3. Armee sollte diesen Angriff unterstützen, die
2. Armee nach Maßgabe des Vormarsches der 10. Armee in der Rich-
tung auf Slonim vorgehen. Als Reserven für den Schlag über Smorgon
wurden zwei Korps, das X. und das XX., im Räume von Molodieczno
versammelt. Zugleich mit dem Angriffe Denikins hatte auch der neue
Oberbefehlshaber der Nordfront, Gen. Klembowski, mit dem linken
Flügel seiner 5. Armee die Offensive über Dünaburg in der Richtung
auf Wilna zu eröffnen, während der rechte Flügel dieser Armee aus
dem Brückenkopf von Jakobstadt heraus einen Hilfsangriff führen sollte.
Der demoralisierten 12. Armee an der Rigaer Front konnte nur die Auf-
gabe zugedacht werden, den Gegner durch Störungsfeuer der Artillerie
zu beunruhigen und seine Kräfte zu binden1).
Der in Verbindung mit der Offensive in Ostgalizien beabsichtigte
Angriff gegen die deutschen Wehrstelhingen nördlich vom Pripiatj
mußte aber, weil die Truppen nicht angreifen wollten, hinausgeschoben
werden (S. 224). An der Nordfront befand sich die 12. Armee in einem
Zustand der Auflösung. Auch die Divisionen der 5. Armee waren nicht
in der Verfassung, einen wuchtigen Schlag zu führen. An der Westfront
gelang es wohl durch außerordentliche Anstrengungen der Kommando-
stäbe, die 10. Armee schließlich in die Ausgangsstellung für den An-
griff zu bringen; jedoch in welcher moralischen Verfassung waren ihre
Truppen! Ein großer Teil weigerte sich von Haus aus, in den Kampf
zu ziehen. Eines der drei Korps dieser Armee, die den entscheidenden
Schlag zu führen hatten, marschierte auf, das zweite zögerte durch zwei
bis drei Wochen, und das dritte Korps war überhaupt nicht dazu zu
bewegen, in die Ausgangsstellung zu gehen2).
Nach vielfachen Verzögerungen hatte der Höchtkommandierende
die Offensive für die Nordfront auf den 22. und für die Westfront
^ 2 a j o n t s c h k o w s k i j, Feldzug 1917, 76.
2) Spannocchi, 122.
286
Der letzte Russenansturm
auf den 19. Juli festgesetzt. Am letztgenannten Tage begann das Zer-
störungsfeuer der russischen Artillerie zwischen der Bieriezina und der
Wilija gegen den linken Flügel der deutschen Armeeabteilung Scheffer-
Boyadel und den rechten Flügel der deutschen 10. Armee. Nach mäch-
tigem Trommelfeuer schritten am 21. Juli südlich von Smorgon acht
Divisionen der 10. Russenarmee zum Angriff. Der Hauptstoß erfolgte
bei Kriewo gegen die beiden südlichen Divisionsabschnitte der deut-
schen 10. Armee. In einer Breite von 5 km und einer Tiefe von 2 km
vermochten die Russen am 22. in die dünnen Linien einer Landwehr-
division einzudringen. Die Lage war ernst, doch gelang es den Deut-
schen, die Artillerie um den Einbruchsraum zusammenzuziehen und die
Russen zur Preisgabe des eroberten Bodens zu zwingen.
Im Abschnitt der ArmeeabteilungD brachen am 23. Juli nach fast
dreitägiger Artillerieschlacht beiderseits der Bahnlinie Dünaburg—Wilna
sechs Divisionen der 5. Russenarmee tief gegliedert gegen die deutschen
Stellungen vor. Bis auf einzelne kleine Einbruchsstellen, die in den
nächsten Tagen durch die Stellungstruppen gesäubert wurden, blieb
die gesamte Front unversehrt. Ein schwächlicher russischer Vorstoß,
der sich am 22. und am 23. Juli südwestlich von Jakobstadt gegen die
Mitte der deutschen 8. Armee richtete, wurde glatt abgewiesen.
Die Stimmung der russischen Angriffstruppen war durch diese
verlustreichen und ergebnislosen Kämpfe tief erschüttert. Überall mach-
ten sich bei der 10. und der 5. Armee Widersetzlichkeit, Meutereien
und revolutionäre Kundgebungen bemerkbar. So mußte denn der Höchst-
kommandierende schon am 23. Juli den Oberbefehlshabern der beiden
Heeresfronten nördlich vom Pripiatj den Befehl erteilen, von jedem
weiteren Angriff abzusehen. Im Bereiche der deutschen 10. Armee und
auch der Armeeabteilung D konnte in den nächsten Tagen ¡aus Ge-
fangenenaussagen und aus den Meldungen der Flieger festgestellt wer-
den, daß die Russen einen Teil ihrer Angriffstruppen aus der Front
herauszogen und anscheinend nach Süden als Verstärkung für ihre
mittlerweile in Ostgalizien zertrümmerte und in Auflösung begriffene
Front abbefordertenx).
!) Schwärt e, Der große Krieg 1914—1918, III, 310 f. — Ludendorff,
346. — S trübe, Die Abwehrschlacht bei Krewo-Smorgon vom 19. bis 26. Juli 1917.
(Wissen und Wehr, Berlin, Jhrg. 1934, 11. Heft.)
DIE RÜCKEROBERUNG
VON OSTGALIZIEN
Die Durchbruchsschlacht bei Zborów
Operationsplan und Angriffsvorbereitungen
Hiezu Beilage 16
Ende Juni, als schon im Winkel zwischen dem Sereth und dem Dniester
Schlachtengewitter heraufzogen, hatte sich die DOHL. entschlossen, den
seit langem vom Oberbefehlshaber Ost ins Auge gefaßten Plan eines
Durchbruches der russischen Front in der Richtung Zloczów—Tarnopol
auszuführen (S. 243). Der Gegenschlag sollte das von Kerenski zu
neuer Offensive gegen die friedensbereiten Mittelmächte aufgerufene
russische Revolutionsheer, wenn es irgendwie ging, endgültig aus dem
Felde schlagen und so den Mittelmächten nach Osten hin freie Hand
schaffen. Die k. u. k. Heeresleitung, von diesem Vorhaben des deutschen
Bundesgenossen unterrichtet, konnte eine Offensive, die Ostgalizien
und die Bukowina befreite, nur freudig begrüßen.
Am 27. Juni traf beim Oberbefehlshaber Ost, GFM. Prinz Leopold
von Bayern, der Befehl des Deutschen Kaisers ein: daß, „falls die Rus-
sen bei der Heeresgruppe Böhm-Ermolli angreifen würden, diese
Gruppe zum Angriff über den Nordteil der Gruppe Zloczów auf Tar-
nopol vorzugehen habe, um die Russen zu schlagen und etwa die Linie
Czernowitz—Tarnopol zu erreichen". Hindenburg und Ludendorff stell-
ten dem Oberbefehlshaber Ost für diesen Angriff ein Generalkommando
und sechs Divisionen aus dem Westen in Aussicht. Andere Kräfte, dar-
unter ein zweites Generalkommando, starke Kavallerie und auch schwere
Artillerie rollten bereits von den nördlichen Armeen des Prinzen Leo-
pold von Bayern in der Richtung gegen Lemberg heran, oder sollten
dorthin noch gefahren werden.
Noch am 29. Juni ließ der Oberbefehlshaber Ost an den GO.
Böhm-Ermolli die Mitteilung ergehen, daß man plane, den bevorstehen-
den russischen Angriff im Abschnitt Ztoczów durch eine Gegenoffen-
sive zu beantworten. Hiezu sollten sieben bis acht frische deutsche
Divisionen, einschließlich der schon anrollenden 237. ID., eine Kaval-
leriedivision, dann die schon bei der 2. Armee befindliche Leibhusaren-
brigade, und 30 schwere Batterien (S. 240) eingesetzt werden. Den
Hauptangriff wolle man aus dem. Abschnitt der k. u. k. 33. ID. mit dem
linken Flügel den Sereth entlang, einen Nebenangriff über die Höhen
VI 19
290
Die Rückeroberung von Ostgalisien
knapp nördlich von Zborów führen. Nach Maßgabe des Fortschreitens
der Kriegshanditing sollten sich auch die weiter südlich stehenden Teile
der Heeresgruppe an der Offensive beteiligen. Die deutschen Verstär-
kungen sollten jedoch erst beigestellt werden, wenn die Heeresgruppe
tatsächlich angegriffen wurde.
Als am 30. Juni über den russischen Angriff kein Zweifel mehr
bestehen konnte, ließ GFM. Hindenburg unverzüglich die Truppen-
verschiebungen beginnen. Aus dem Westen rollten das Generalkmdo.
des XXIII. RKorps, die 1. und die 2. GID., die 5. und die 6. ID. sowie
die 16. RD., aus Litauen das Generalkmdo. LI gegen Lemberg heran.
Weitere Kräfte sollten folgen, und zwar die 20. ID. aus dem Westen, die
232. ID. aus Litauen und die bayr. KD., ■ verstärkt durch eine komb.
KavBrig. und zwei Jägerbataillone, áus Wolhynien. Die Heeresfront
Erzherzog Joseph stellte 22 Batterien, darunter 13 schwere, zur Ver-
fügung und machte überdies in den ersten Julitagen auf Befehl der
k. u. k. Heeresleitung die 8. bayr. RD. für den Angriff frei. Mehr zu
geben, schien der Heeresleitung zur Zeit nicht möglich, da alle ver-
fügbaren Heeresreserven zur Abwehr eines neuen Ansturmes der Ita-
liener am Isonzo bereitgehalten werden mußten.
Noch in den letzten Junitagen hatten der Oberbefehlshaber Ost
und das Heeresgruppenkommando Böhm-Ermolli mit den Angriffsvor-
bereitungen begonnen, mit deren Durchführung der Kommandant des
Abschnittes Zloczow, Gdl. Winckler, beauftragt wurde. Die artille-
ristischen Vorbereitungen und das Heranführen der Truppen mußten
etwa 14 Tage in Anspruch nehmen und konnten daher nicht vor Mitte
Juli beendet sein. Schon am 1. Juli setzte aber die im vorigen Kapitel
geschilderte russische Offensive ein. Di^ Erfolge des Feindes gegen
den Südflügel der 2. Armee zwangen den Oberbefehlshaber Ost, die für
den Gegenangriff bestimmte 237. ID. dem Abschnitt Zloczow zu über-
weisen und das gerade eingetroffene Generalkmdo. LI an Stelle des
k. u:k. IX. Korpskmdos. in die Front zu stellen (S.251). Als der Ein-
bruch der Russen bei Zborów durch deutsche Truppen aufgefangen
war, aber die starken feindlichen Angriffe gegen die Südarmee noch
weiter gingen, erteilte der Oberbefehlshaber Ost am 3. Juli dem GO.
Böhm-Ermolli die Weisung, daß die Gegenoffensive zu beginnen habe,
sobald die für den ersten Stoß erforderlichen Kräfte eingetroffen seien.
Es sollte nicht auf den Aufmarsch der zuletzt anrollenden Kräfte —
die 20. und die 92. ID. sowie die an Stelle der 232. ID. verfügbar ge-
machte 42. ID.. -— gewartet werden. GFM. Prin^Leopold von Bayern
Festhalten am Plane für den Durchbruch
291
bestimmte den 12. Juli für den Beginn des Gegenschlages bei Zborów.
Demgegenüber hielt es GO. Böhm-Ermolli für ratsam, die Offensive
erst mit völlig versammelten Kräften zu beginnen, zumal der Aufmarsch
der Artillerie am 12. Juli noch nicht beendet und die schwere Artillerie -
munition bis dahin noch nicht her angeschafft sein konnte. Diesen be-
rechtigten Bedenken vermochte sich der Oberbefehlshaber Ost nicht zu
verschließen und er setzte nun den 14, Juli für den Beginn des An-
griffes fest.
Eifrig rüstete die Führung zur Gegenoffensive. Da drohten in der
zweiten Juliwoche die schwerwiegenden Ereignisse bei der k. u. k. S.Ar-
mee die Pläne des Oberbefehlshabers Ost zunichte zu machen. Gelang
es nicht, den Angriff der Russen südlich vom Dniester zum Stehen zu
bringen, und ging der Rückzug der 3. Armee über die Lomnica weiter,
so waren Stryj, der Hauptetappenort der Südarmee, und die für die
Kriegsführung wichtigen Ölquellen von Drohobycz bedroht. In dieser
Gefahr mußten die 8.bayr. RD. und die bayr. KD. sowie zwei von den
sechs Divisionen (16. RD. und 20. ID.), die Ludendorff aus der schwer-
ringenden Westfront gelöst hatte, um im Osten zur Offensive über-
gehen zu können, nach Süden abgedreht werden. Überaus schwer fiel
es dem GFM. Prinzen Leopold von Bayern, die bayr. KD. zum Stützen
der Front der k. u. k. 3. Armee verwenden zu müssen. Er hatte diese mit
besonderer Liebe ausgerüstete und durqh eine komb. KavBrig. sowie
durch zwei Jägerbataillone verstärkte Division mit der Leibhusaren-
brigade zu einem Kavalleriekorps vereinigen wollen, um es nach dem
Durchbruche der feindlichen Front bei Zborów über den Sereth werfen
und östlich des Flusses zu überholender Verfolgung nach Süden vor-
gehen zu lassen. Nun stand er vor der Frage, ob man den Angriff bei
Zloczow überhaupt werde durchführen können. Falls es nicht gelang,
die 3. Armee durch die deutschen Verstärkungen zu stützen, dann mußte
man vielleicht mit den bis zum 15. Juli in der Gegend von Zloczow ver-
sammelten Truppen hinter der Front der Südarmee nach Süden ab-
marschieren, um die über Kalusz vordringenden Russen in der Flanke
anzufallen (S. 276).
Trotz der schweren Krise, von der die k. u. k. 3. Armee heimge-
sucht wurde, hielt der Oberbefehlshaber Ost an seinem ursprünglichen
Plane fest, den Sereth entlang in die Flanke des südlich dieses Flusses
stehenden Teiles des russischen Heeres vorzustoßen. Schon am 3. Juli
hatte er als Ersatz für das bei Zborów eingesetzte Generalkmdo. LI das
Generalkmdo. des Beskidenkorps bestimmt. Während der schweren
19*
292
Die Rückeroberung von Ostgalizien
Kämpfe der 3. Armee ließ er an Stelle der nach Süden abgelenkten
16. RD. die 42. ID. beschleunigt abbefördern und ordnete schließlich
auch noch den Abmarsch der 22. ID. von der Lipa nach Zloczów an.
Allerdings mußte der Angriffsbeginn auf den 16. Juli verschoben wer-
den, da die ersten Staffeln der 42. ID. frühestens vom 14. an in Lem-
berg eintreffen konnten.
Am 14. Juli begab sich GFM. Prinz Leopold mit seinem engsten
Stabe aus dem Hauptquartier Brest-Litowsk nach Zloczów, um den
kommenden Ereignissen naher zu sein. Eine Wendung der Lage kün-
digte sich inzwischen an. Am Dniester begann der Angriff der Armee
Kornilow zu ermatten. Bei Brzeiany hatten die starken feindlichen
Angriffe aufgehört. Die Russen zogen vor der Mitte der Armee Bothmer
Kräfte aus der Front, offenbar, um sie Kornilow zuzuführen. Auch
vor dem Abschnitt Zloczów nahmen sie nach dem vergeblichen An-
sturm am 6. Juli Umgruppierungen vor. Auf dem Südflügel ihrer
11. Armee wurden anscheinend das V.Korps mit drei Divisionen und
das I. Gardekorps in die Front geschoben, hingegen das XLIX. Korps
mit seinen drei ausgebluteten finnländischen Divisionen, ferner die
82. ID. und die tschechoslowakische SchBrig. in Reserve gestellt. Vor
der k. u. k. 33. ID., also an der gewählten Haupteinbruchsstelle, traten
Mitte Juli an Stelle der 22. sib. SchD. frische Streiter, Truppen des aus
Wolhynien herangeführten XXV. Korps, in die Front. Das von der
rumänischen Front herangezogene XLV. Korps gelangte nach Trem-
bowla. Anscheinend trafen die Russen bei Zloczów bereits Abwehrmaß-
nahmen, vielleicht erwarteten sie einen deutschen Schlag bei Kalusz
oder verlegten das Schwergewicht ihrer Kräfte auf das nördliche
Dniesterufer zur Wiederaufnahme der Offensive. Diese Lage forderte
die eheste Durchführung des Gegenangriffes, um den Feind noch im
Augenblick der größten Schwäche, nach abgeschlagenem Angriff, zu
treffen. Da trat ein neues Erschwernis hinzu. Die seit dem 12. Juli nie-
derströmenden schweren Regengüsse durchweichten alle Straßen und
Wege, ließen die Gewässer steigen, überschwemmten die Niederungen
des Sereth und der Strypa und machten einen neuerlichen Aufschub
der Kriegshandlung unvermeidlich. Als am 16. Juli wieder trockenes
Wetter eintrat, wurde der 19. endgültig für den Beginn des Gegenschla-
ges festgesetzt.
Für den Hauptangriff marschierte hinter der k. u. k. 33. ID. im
Abschnitt zwischen Harbuzow und Zwy±yn das XXIII. RKorps unter
Gdl. v. Kathen mit drei Divisionen (1. und 2. GID., 6. ID.) auf. Dahinter
Die A ngriff sauf gaben
293
standen die 5. und die 22. ID. der Deutschen unter dem Generalkmdo. LI,
württ. GLt. v. Berrer, bereit. Ihre Aufgabe war es, dem rechten Angriffs-
flügel zu folgen, um nach Südosten und nach Süden einzuschwenken
und die russische Stellung aufzurollen. Die k. u. k. 33. ID. hatte sich
nach gelungenem Angriff hinter dem linken Flügel zu sammeln und am
Sereth die Sicherung gegen Norden zu übernehmen. Für einen Neben-
angriff, der südlich der Haupteinbruchsstelle zu führen war, wurde
aus der 197., GLt. Wilhelmi, und der 237. ID., aus zwei Regimentern
der k. u. k. 32. ID. und einem Regiment der k. u. k. 19. ID. die
Gruppe Wilhelmi gebildet. Ihre Aufgabe war zunächst nur die Weg-
nahme der Höhen nördlich von Zborow. Südlich davon hatte das
Generalkommando des Beskidenkorps an Stelle des Generalkomman-
dos LI den Befehl über die 96. und die 223. ID. übernommen. Als
Reserve des Oberbefehlshabers Ost wurden bei Zloczów die 42. und
die 92. ID. der Deutschen sowie die verstärkte Leibhusarenbrigade ge-
sammelt. Insgesamt waren für den Hauptangriff sieben deutsche und
eine öst.-ung. Infanteriedivision sowie eine Kavalleriebrigade, für den
Nebenangriff 12/3 deutsche Infanteriedivisionen und drei k. u. k. Infan-
terieregimenter aufgeboten.
Die k. u. k. Heeresleitung sah nicht ohne Bedauern, daß bei dem
bevorstehenden großen Offensivunternehmen, durch das nicht nur die
Scharte von Zborow ausgewetzt, sondern auch Ostgalizien befreit wer-
den sollte, so wenig öst.-ung. Truppen an entscheidender Stelle ein-
gesetzt waren. Unter Hinweis auf die vor den Heeresgruppen Linsingen
und Mackensen vorgenommenen Kräfteverminderungen der Russen be-
mühte sich GdL Arz am 7. und 8. Juli, bei der DOHL. die Beiziehung
weiterer k. u. k. Truppen zum Angriff zu erreichen. Da der Oberbefehls-
haber Ost aber eben die deutsche 22. ID. aus der Front Linsingens ge-
zogen hatte und die Lage in Rumänien nicht geklärt war, ging man
deutscherseits auf diese gewiß berechtigten Wünsche nicht weiter ein.
Das nächste Ziel für den Hauptangriff bei Zloczów waren Zalosce
und die Höhen nördlich von Zborow. Die russischen Stellungen sollten
in erster Linie durch Minenwerfer sturmreif gemacht werden. Der Ar-
tillerie war die Niederhaltung der feindlichen Artillerie und die Be-
kämpfung der hinteren russischen Linien zugedacht. Es war die Absicht,
im Verlaufe der Operationen den Nachdruck immer mehr auf den
linken Flügel zu legen, diesen längs der gegen Nordosten sichernden
Seenlinie des Sereth zu führen und dann den in ihrem Angriff ge-
scheiterten russischen Armeen die rechte Flanke abzugewinnen. Die
294
Die Rückeroberung von Ostgalizien
Südarmee sollte dürch Drohung mit einem Angriff den Feind über die
Angriffsrichtung täuschen und seine Kräfte binden1).
Einsturz der Russen front zwischen Ser et h und Stryp a
(19. bis 21. Juli)
Hiezu Beilage 16
Als die deutschen Angriffsdivisionen hinter den Stellungstruppen
des Abschnittes Zloczów zum Gegenschlag aufmarschierten, nahm der
Oberbefehlshaber der russischen Südwestfront, Gdl. Gutor, seine letzte
Umgruppierung vor (S. 281). Er verstärkte die Armee Kornilow durch
das II. Gardekorps und das IL Kavalleriekorps zu einem neuen An-
griff, der beiderseits vom Dniester auf Rohatyn und Zydaczow geführt
werden sollte. Die 7. Russenarmee hatte bei Brzezany den Gegner mit
Artillerie kräftig zu bekämpfen und seine Kräfte zu binden. Die 11. Ar-
mee sollte den Stoß auf Zloczów erneuem und den Abschnitt an der
ZlotaLipa gewinnen. Als Verstärkung wurde der 11. Armee das XXV.
Korps zugeführt und überdies das XLV. Korps als Heeresfrontreserve
bei Trembowla versammelt. Die neugeplante Offensive bei der 8. und
11. Armee sollte am 13. Juli beginnen 2). Allein alle Bemühungen der
russischen Heeresleitung scheiterten an dem Widerstand der Truppen,
die es ablehnten, noch einmal anzugreifen -;(S. 281). Inzwischen kam der
19. Juli heran.
Um diese Zeit hatte die von der Polanka bis in die Gegend nörd-
lich von Kozowa reichende 11. Russenarmee (I. turk. Korps, VII. Kaval-
leriekorps, XXXII., V. sib., XVII.,XLIX., V. Korps, I. GKorps, VI., XXV.
Korps, 11. kauk. KosD., 1. TransbaikalKosD.) auf ihrem linken Flügel
fünf Korps in der Front und zwei in Reserve stehen. Die 7. Russen-
armee bestand jetzt nur mehr aus vier Korps (XLL, VII. sib., XXXIV.
und finn. XXII.) und aus der 3. Orenburger Kosaken division.
Als die Batterien der deutschen Südarmee am 17. Juli die russische
Artillerie und die feindlichen Infanterie Stellungen zwischen Lipnica
Dolna und Koniuchy kräftig zu beschießen begannen, und am 19. Stoß-
1) Schwarte, V, 391 f. und III, 304 f. — Kiszling, Der Sommerfeldzug
1917. -— Ludeñdo'r ff, 345 ff; — N o wa'k, Generalmajor Hoffmann, II, 179 f. —
Ku h 1, Weltkrieg, II, 105 f. - ^
2):.v2;a j o n tis;;c Ii.k o w si: i j, Féldzug 4917,í 1.2-ê:\ '' . ; -
Durchbruch durch die russische Front
295
trupps der k. u. k. 54. ID. in das Dorf Byszki eindrangen, erblickten
die Russen darin offenbar die Anzeichen eines bevorstehenden Angriffes
gegen ihre 7. Armee. Die Gegenwirkung der russischen Artillerie wurde
erheblich gesteigert. Mehrfach wurde beobachtet, daß der Russe seine
Stellungen stark besetzte und Verstärkungen heranzog, die dann, von
unserer Artillerie gepackt, sichtbar Verluste erlitten. Der beabsichtigte
Zweck, den Feind über die Angriffsrichtung zu täuschen und seine
Kräfte zu binden, schien somit vollkommen erreicht zu sein.
Am 19. Juli um 3 h früh eröffneten 600 Geschütze sowie 180 schwere
und mittlere Minenwerfer zwischen Zborów und Zwy£yn eine über-
wältigende Kanonade, die zunächst als Gasschießen, dann als Zer-
störungsfeuer sieben Stunden lang gegen die russischen Batterien und
Infanteriestellungen wütete. Um 10 h vorm. brachen die vier Divisionen
des Gdl. Kathen (deutsche 6. ID., 1. und 2. GID., k. u. k. 33. ID.) zwi-
schen Perepelniki und Zwyzyn zum Angriff vor und durchstießen in
einem Zuge sämtliche vor ihnen liegende russischen Kampflinien. Schon
nach wenigen Minuten war die erste russische Stellung durchbrochen
und gegen Mittag auch die zweite Stellung überschritten. Wohl schlug
dem Angreifer anfangs noch schwaches Artilleriefeuer und auch Ge-
wehrfeuer entgegen, aber bald stellten die russischen Batterien ihr
Feuer ein und traten den Rückzug an. Die deutsche 6. ID. überschritt
schon um 10h 20 vorm. den Sereth, nahm Harbuzów und drang dann
bis gegen Troscianiec vor. Die 1. GID. erreichte den Wald von Brodki.
Die Truppen des XXV. Russenkorps flüchteten, von dem Rückzug
eines meuternden Regiments der 6. GrenD. mitgerissen, in der Richtung
auf Zalosce zurück1).
Nur in Zwyzyn hielten Gruppen der 6. sib. SchD. noch hartnäckig
stand, aber von Süden und Südosten her drang das linke Flügelregi-
ment der 2. GID., Kaiser Franz2), von Norden das k.u.k. IR. 19 der
33. ID. mit Bajonett und Handgranaten in den Ort ein. Die 2. GID. er-
reichte fechtend den Sereth und erstürmte noch am Nachmittag Ra-
tyszcze. Rechts von dem deutschen XXIII. RKorps drang inzwischen
das Korps des GLt. Berrer (5. und 22. ID.), allerdings durch Stauungen
und Kreuzungen mit den hinteren Teilen der 6. ID. in der stark ver-
sumpften Serethniederung aufgehalten, mit der 5. ID. in südöstlicher
Richtung gegen den Ort Olejów vor. Der Feind, dessen Aufmerksamkeit
•i) Kno x, II, 653 fL
2) R i e b e n, Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regiment (Oldenburg-Berlin 1929),
384 ff.
296
Die Rückeroberung von Ostgalizien
offenbar durch das starke Artilleriefeuer und durch die Stoßtruppen-
unternehmen bei der Südarmee abgelenkt worden war, wurde völlig
überrascht und zog sich auch vor diesem Korps eilig zurück. Zwei
deutsche Regimenter der Gruppe GLt. Wilhelmi waren schon eine Stunde
vor dem Angriff der Korps Katjien und Berrer zum Sturme angetreten
und hatten dem XVII. Russenkorps die Höhen bei Zborów entrissen. Um
diesen Angriff zu unterstützen und den Feind zu täuschen, waren auch
Stoßtrupps der 223. ID. vorgegangen. Sie drangen in Koniuchy ein und
zogen starke russische Reserven auf sich, vor deren Gegenangriffen
das Dorf wieder geräumt wurde.
Wider Erwarten schnell hatten die Angriffsgruppen des Abschnittes
Zloczów ihr Tagesziel erreicht. Schon ihrem ersten Ansturm war der
Feind erlegen und fluchtartig unter dem vernichtenden Feuer der An-
griffsartillerie zurückgegangen. Er schien auch schon vor der rechts
und links anschließenden 197. ID. und vor der 12. LD. seine Front
abzubauen. Gegen den Nordflügel des XXIII. RKorps herangeführte
russische Verstärkungen hatten nicht eingegriffen. Ein von Süden über
Lopuszany angesetzter russischer Gegenstoß wurde von Teilen der
deutschen 5. ID., die um 3h nachm. die Höhe nördlich von Olejów ge-
wonnen hatte, glatt zurückgeworfen.
In dem Bestreben, den errungenen Erfolg kräftig auszunützen und
dem Feinde keine Zeit zu lassen, sich erneut festzusetzen, erteilte
Gdl. Kathen bald nach 5h nachm. seinen Divisionen den Befehl, die
Verfolgung fortzuführen. Unaufhaltsam stießen die Angreifer dem
weichenden Feinde gegen Süden und Südosten nach. Das Korps Berrer
drang mit der tiefgestaffelten 22. ID. abends in die Wälder von Huka-
lowce ein und nahm die Höhe Jamny sowie die Erhebungen um Olejów,
ohne auf nennenswerten feindlichen Widerstand zu treffen1). Die 5.ID.
entriß dem Feinde in Nachtkämpfen das hartnäckig verteidigte Dorf
Brzowica. Auch von den Truppen des XXII. RKorps wurden die ersten
Kampfziele weit überschritten. Die 6. ID. erreichte trotz des am Spät-
nachmittag einsetzenden strömenden Regens die Gegend von Biaio-
kiernica; die 1. GID. gelangte nach dem Orte Zalosce. Die 2. GID. und
die k. u. k. 33. ID. schwenkten gegen Ratyszcze an die Serethfront auf.
Der Durchbruch war vollkommen geglückt und in die feindliche
Front eine 20km breite Bresche geschlagen. 2900 Gefangene, darunter
^ Schmidt und Ahlhorn, 2. Kurhessisches Infanterie-Regiment Nr. 82
(Oldenburg-Berlin 1922), 87 ff. — C 1 a u s i u s, Infanterie-Regiment v. Wittich (3. Kur-
hessisches) Nr. 83 (Oldenburg-Berlin 1926), 105 ff.
Weiteres Vordringen am 20. Juli
297
zwei Regimentskommandanten und 83 Offiziere, ferner 10 Geschütze
waren die Beute des Tages.
Am 20. Juli ging der Angriff planmäßig weiter. Die Gruppe Wil-
helmi sowie die Korps Berrer und Kathen stießen, um den rechten Flügel
schwenkend, weiter gegen Südosten vor, brachen rasch den Widerstand
einzelner russischer Gruppen und erzielten südlich vom Sereth einen
neuerlichen Raumgewinn von 16 km Tiefe in der einstürzenden Russen-
front. Der Kommandant der russischen 11. Armee, Gen. Erdeli, warf
seine Reserve, das XLIX. Korps, in die zurückflutenden Massen, ver-
mochte aber der Katastrophe nicht mehr zu begegnen. Ein großer Teil
der russischen Soldaten lehnte es ab, zum Gegenangriff zu schreiten
und verlor schon durch das Artilleriefeuer des Gegners den Halt.
Das XVII. Korps räumte, ohne Widerstand zu leisten, seine Stellungen
und auch das I. GKorps, das gerade in der Front durch das V. Korps
abgelöst worden war, zog eigenmächtig ab. Dadurch war das V. Korps
in der Nordflanke durch Umfassung bedroht und mußte in die Linie
Koniuchy—Kuklince zurückgenommen werden1).
Als am 20. Juli nachmittags das Beskidenkorps (223. und 96. ID.)
das seine Stellung abbrechende V. Russenkorps angriff und Augustówka
und Jozefówka erreichte, befahl Gdl. Bothmer dem k. u. k. XXV. Korps
die Wiedereinnahme der alten österreichischen Stellung östlich des
Koniuchybaches, um das Vorwärtskommen der am rechten Flügel des
Beskidenkorps um das Dorf Koniuchy schwer kämpfenden 223. ID. zu
erleichtern. Gegen Mitternacht war Byszki nach kurzem Handgemenge
in den Händen der k. u. k. 54. Division. Damit war auch der linke
Flügel der Südarmee in Bewegung gekommen. Auf dem übrigen Teil
der Armeefront trafen die sehr rege streifenden Patrouillen überall
noch auf stark besetzte Gräben; auch wurde erkannt, daß sich hinter
der russischen Front lebhafter Wagen- und Autoverkehr abspielte.
Gdl. Bothmer setzte am 20. nachmittags alle seine verfügbaren Flieger-
verbände zum Angriff auf Tarnopol an. Mit Bomben und Maschinen-
gewehrfeuer überfielen die Flugzeuge die auf den Straßen der Stadt
im Rückzug sich stauenden Truppen und Fuhrwerke des Feindes und
vergrößerten die herrschende Verwirrung. In der Nacht auf den 21. Juli
löste Gdl.Bothmer die 15.RD. aus dem Frontabschnitt desXXV.RKorps,
um auf den nördlichen Armeeflügel, dem beim weiteren Vordringen
entscheidende Bedeutung zufiel, eine Reserve zu haben2).
x) Zajontschkowski j, Feldzug 1917, 78 ff.
2) Oberkommando der Südarmee, Der Feldzug in Ostgalizien 1917.
298
Die Rückeroberung von Ostgali-zien
Für den 21. Juli befahl Gdl. Winckler seinen vier Korps, den Stoß
in südwestlicher Richtung fortzusetzen. Der Oberbefehlshaber Ost stellte
von seinen Reserven dem Abschnitt Zloczów für den Flankenschutz am
Sereth die 92. ID. zur Verfügung. Dafür war die mittlerweile beider-
seits von Zalosce gegen Nordosten eingesetzte LeibHusBrig. zur Ver-
folgung der geschlagenen Russen freizumachen. Die 42. ID. sandte Prinz
Leopold dem vorwärtsstürmenden XXIII. RKorps nach. Er schuf sich
in der deutschen 20. ID., die aus dem Bereiche der k. u.k. S.Armee
beschleunigt nach Jezierna zu befördern war, eine neue Reserve.
Der Oberbefehlshaber der russischen Südwestfront, Gen. Gutor,
hatte am 20. Juli der 11. Armee den Befehl erteilt, auf der ganzen
Front zwischen Sereth und Strypa zum Gegenangriff zu schreiten. Das
nunmehr der 7. Armee unterstellte VI. Korps sollte seinen rechten Flü-
gel auf Budylow zurücknehmen, um dann von Süden her in Flanke und
Rücken des eingebrochenen Gegners vorzustoßen. Der Höchstkomman-
dierende, Gdl. Brussilow, sandte dem Führer der russischen 11. Armee
ein Telegramm, in dem er einen Aufruf an die revolutionären Soldaten
richtete, Tarnopol dem Gegner nicht preiszugeben und die deutsche
Gegenoffensive aufzuhalten. Gleichzeitig erging an Kornilow der Be-
fehl, den Angriff in der Richtung auf Rohatyn aufzunehmen. Auch
sollte jetzt die bei Smorgon und Jakobstadt beginnende russische Offen-
sive (S. 286) den Armeen in Galizien Entlastung bringen1).
Allein am 21. Juli morgens setzten die Verbündeten den Druck
zwischen Strypa und Sereth in südöstlicher Richtung fort. Die Haupt-
angriffsgruppe des Gdl. Winckler (Gruppe Wilhelmi, Korps Berrer
und XXIII. RKorps) stieß entlang der Straße nach Tarnopol und auf
dem südlichen Serethufer kraftvoll vor und brach, allerdings unter
hartnäckigen Gefechten mit den Nachhuten des Feindes, jeden Wider-
stand. Vor dem Nordflügel des Abschnittes Zloczów flüchtete das
XVII. Russenkorps in wirren Massen planlos über den Sereth. Das rus-
sische V. Korps sah sich von den vorwärtshastenden deutschen Verfol-
gungskolonnen bei Jezierna umfaßt und nach Süden abgedrängt. Es
wich über Kozlow auf Myszkowice zurück. Das russische VI. Korps
hingegen bot, obgleich seine Verbindung mit dem weichenden V. Korps
verlorengegangen war, den Deutschen im Strypagrund bei Budylow
noch die Stirne.
In der Richtung auf diesen Ort war dem k. u. k. XXV. Korps der
Armee Bothmer für den 21. Juli zunächst die Fortführung der Angriffs-
!) Zajontschkowsk i j, Feldzug 1917, 79.
Die Südarmee schließt sich der Vorrückung an
299
bewegung in engster Fühlung mit dem Beskidenkorps befohlen wor-
den. Schon am 21. vormittags bezeichnete aber ein Befehl des Gdl.
Bothmer an den FML. Hofmann als nächste Aufgabe für das k. u. k.
XXV. Korps, den feindlichen Widerstand nördlich der für den Feind
sehr wichtigen Bahnlinie Kozowa—Tarnopol zu brechen. Die linke
Flügeldivision, die 54. ID., GM. Severus, setzte sich nachmittags in den
Besitz der Höhen bei Ceniów und erreichte am Abend bereits Olesin.
Die 55. ID., GM. Unschuld, schloß sich diesem Vorgehen an und ge-
langte mit ihren Vortruppen bis in die Gegend südwestlich von Olesin.
Die deutsche 241. ID. unterstützte-mit ihrer Artillerie den Übergang der
55. ID, über die Geniówka; die ihr am linken Flügel unterstellte k. u. k.
129. IBrig. konnte abends gleichfalls diesen Bach überschreiten. Der
Rest der 241. Division fand dagegen ebenso wie die anderen Teile der
Armee Bothmer noch hartnäckigen Widerstand. Die Flieger, die am
21. aufgestiegen waren, nahmen jedoch vor dem XXV. RKorps, GLt.
v. Heineccius, und dem k. u. k. XXV. Korps lebhafte rückgängige Be-
wegungen auf den Straßen und, Bahnen wahr. Allenthalben leuchteten
hinter der russischen Front Brände von Ortschaften und Lagern auf,
wie immer ein untrügliches Zeichen dafür, daß der Rückzug des Fein-
des auch vor dem ganzen Nordflügel der Armee Bothmer bereits im
Gange sei.
: Im Bereiche des Abschnittes Zloczów waren die Angriffsdivisionen
des Beskidenkorps, der Gruppe GLt. Wilhelmi sowie der Korps Berrer
und Kathen am 21. abends bereits bis nach Budylów, Kozlów und auf
die Höhen westlich von Tarnopol vorgedrungen. Dadurch waren das
VI. und das XLI. Korps der 7. Russenarmee von Norden umklammert
und gezwungen, ihre Stellungen zwischen der Strypa und ZlotaLipa
preiszugeben. Unter dem Schutze von Nachhuten gingen die beiden
Russenkorps in der Nacht auf den 22. Juli gegen Süden bis über die
Bahnlinie Kozowa—Tarnopol zurück. Das V. Korps sammelte sich süd-
lich von Tarnopol im Screditai bei Myszkowice; zwischen ihm und dem
rechten (VI.) Korps der 7. Armee war die Front weit aufgerissen, ohne
daß es möglich gewesen wäre, diese Bresche rasch und verläßlich
zu schließen.
Als der russische Höchstkommandierende am 21. Juli das Unheil
bereits über die 7. Armee hereinbrechen sah, gab er den Befehl, den
beabsichtigten Angriff gegen Rohatyn aufzugeben. Gleichzeitig gestat-
tete er dem Gen. Kornilow, die 8. Armee zurückzunehmen, falls auch
ihr durch die Umklammerung von Norden Gefahr drohe. Auch der
300
Die Rückeroberung von Ostgalizien
bei Smorgon begonnene russische Angriff sollte eingestellt werden,
wenn er keinen raschen Erfolg brächte, und dafür das X. Korps von
der Westfront nach Galicien entsendet werden. Aber nach dem schwe-
ren Mißerfolge bei Smorgon weigerten sich die Truppen des X. Korps,
den bedrängten Armeen in Galicien zu Hilfe zu kommen. Allerdings
standen in Ostgalizien noch zwei Korps, das XLV. und das XXXIV.
Korps, hinter der 7. Armee in Reserve. Diese beiden Korps sollten die
zwischen der 7. und der 11. Armee aufgerissene Bresche schließen.
Bevor sie jedoch das Kampffeld erreichten, brach neues Unheil über
die Russen herein.
Mit dem Durchbruche der russischen Front zwischen Sereth und
Strypa hatte Prinz Leopold das erste Ziel der Gegenoffensive vollkom-
men erreicht. Durch die nun anschließende Kriegshandlung sollte die
westlich vom Sereth stehende russische Front nach Süden aufgerollt
und der Feind bis zum Dniester und darüber hinaus bis zum Fuß der
Waldkarpathen ins Wanken gebracht werden.
Um die weiteren Kriegshandlungen in die gewollten Bahnen zu
lenken, hielt der Prinz Leopold die Herausgabe von neuen Weisungen
für notwendig. Nach Osten sollte der Angriff nicht über Tarnopol und
die den Besitz der Stadt sichernden Höhen auf dem östlichen Sereth-
ufer fortgeführt werden. Als Flankenschutz nach Nordosten hatten auf
dem Westufer des Sereth die 2. GID. in der Gegend nordwestlich von
Tarnopol, die 92. ID. beiderseits von Zaiosce und die k. u.k. 33. ID.
noch weiter links, zwischen Ratyszcze und Zwyzyn, starke Feuerstellun-
gen auszubauen und ausreichend zu besetzen. Hingegen war der Angriff
mit starkem linkem Flügel und mit dem Schwergewicht in südöstlicher
Richtung fortzusetzen. Die Südarmee und die 3. Armee sollten sich dem
Vorgehen der Stoßgruppe des GdL Winckler anschließen, sobald der
Feind vor ihrer Front zu weichen beginne. Dem rechten Flügel des
Abschnittes Zloczów wurde als Vormarschziel Strusów am Sereth ge-
geben, als Trennungslinie für die Verfolgung der Südarmee und der
Armee Tersztyánszky der Dniester bestimmt. Dem Abschnitt Zloczów
wurde ferner aufgetragen, bei der zu erwartenden Verengung des An-
griffsstreifens Reserven zur Verfügung des Oberbefehlshabers auszu-
scheiden. Schließlich war die am Südflügel der Armee Bothmer stehende
75. RD. durch die deutsche 83. ID. abzulösen. Die erstgenannte mußte
wegen des Einbruches der Russen bei Smorgon (S. 286) vom 23. Juli an
in den Bereich der deutschen 10. Armee abtransportiert werden.
Weisungen für die Fortsetzung der Verfolgung
301
Die Verfolgung bis an den Zbrucz
(22. bis 25. Juli)
H i e z u Beilage 17
Ver folgung s kämpfe des Abschnittes Zloczów und der
Südarmee
In der Nacht auf den 22. Juli sammelten sich die hinter den Sereth
geflüchteten Korps — XXV., XVII., XLIX. und das I. GKorps — der
11. Russenarmee zwischen Zatosce und Tarnopol zu neuem Widerstand.
Das aus der Gegend von Trembowla her anbefohlene XLV. Korps er-
reichte mit seinen vordersten Truppen gleichfalls schon den Raum von
Tarnopol. Das V. Korps, das von Kozlów südwärts auf Myszkowice ge-
wichen war, machte auf dem Ostufer des Sereth wieder halt. Nach wie
vor klaffte aber zwischen Mikulince und der Strypa eine große Lücke
in der russischen Front. Auf dem Nordflügel der 7. Russenarmee be-
fanden sich die Divisionen des VI. und des XLI. Korps in übereiltem
Rückzüge über die Bahnlinie beiderseits Kozowa nach Süden und ge-
rieten durcheinander. Auch begann jetzt das finn. XXII. Korps seine
Front bis Siawentyn abzubauen, worauf die 8. Russenarmee ihren Nord-
flügel (III. kauk. Korps) gegen Nosów zurücknahm1).
Als der Feind am 22. Juli bis zur Zlota Lipa und darüber hinaus
bis zur Narajowka den Rückzug anzutreten begann, gab der Ober-
befehlshaber Ost um Mittag neue Weisungen (S. 300) für die weiteren
Operationen heraus. Das Ziel war zunächst die Vernichtung möglichst
großer Teile der im Winkel zwischen dem Sereth und dem Dniester
eingeklemmten russischen Kräfte. GFM. Prinz Leopold von Bayern be-
fahl hiezu die Weiterführung des Angriffes in südöstlicher Richtung.
Der Schwerpunkt mußte jetzt auf die Südarmee übergehen, der vom
23. Juli abends an die Gruppe GLt. Wilhelmi (197., 237. ID. und drei
k. u. k. Infanterieregimenter der 19. und der 32. ID.), das Beskidenkorps
(96. und 223. ID.) sowie die verstärkte Leibhusarenbrigade unterstellt
wurden. Dem Abschnitt Zloczów verblieben neben der aus der k. u. k.
33. ID. und der deutschen 92. ID. neugebildeten Gruppe GLt. Melior
noch das XXIII. RKorps (6. ID., 1. und 2. GID.) sowie das Korps Berrer
(22. und 5. ID.), endlich die ihm zur Verfügung gestellte deutsche
!) Zajontschkowskij, Feldzug 1917, 79 ff.
302
Die Rückeroberung von Ostgalizien
42. Division. Gdl. Winckler hatte mit seinem rechten Flügel die Sereth-
linie zwischen Trembowla und Tarnopol zu gewinnen.
Für den Nordflügel der Südarmee ordnete Gdl. Bothmer im Sinne
der neuen Weisungen des Oberbefehlshabers Ost an, daß das k. u. k.
XXV. Korps, das den Angriff bisher aus der ,alten Stellung in östlicher
Richtung geführt hatte, ebenfalls in scharf südöstlicher Richtung auf Bur-
kariów eingedreht werde. Diese Stoßrichtung mußte den vor dem Nord-
flügel der Südarmee zurückflutenden Feind (VI. und XLI. Korps) von
seinen Rückzugslinien abtrennen und auf die Verbindungen der weiter
südlich stehenden Korps werfen. Auch hatte diese Operationsrichtung
den Vorteil, daß es dem Feinde unmöglich gemacht wurde, die von
Norden nach Süden streichenden Fluß abschnitte der Zlota Lipa, des
Koropiecbaches und des Sereth als Nachhutstellungen auszunützen.
Der Führer der 7. Russenarmee, Gen. Bjelkowitsch, suchte am
22. Juli mit dem von Podhajce an seinen rechten Flügel herangeführten
XXXIV. Korps die bereits klaffende Lücke zwischen dem Sereth und
der Strypa zu schließen. Aber die Verfolger waren rascher. Die Gruppe
Wilhelmi und westlich von ihr das Beskidenkorps schwenkten am 22.
über Kozlów und Budylów scharf nach Südosten ein und überschritten
schon an diesem Tage die Bahnlinie Kozowa—Tarnopol. Dabei dräng-
te sich allerdings der linke Flügel der Südarmee mit dem den Russen
scharf nachstoßenden Beskidenkorps zusammen. Es kam zu Marsch-
kreuzungen und die k. u.k. 54. ID. gelangte hinter den rechten Flügel
(223. ID.) des Beskidenkorps. Raumgreifend gestaltete sich hingegen
die Verfolgung der k. u.k. 55. ID.; sie hatte am 22. nur schwächeren
Widerstand russischer Nachhuten auf den Höhen südwestlich von Ko-
zowa zu überwinden und erreichte abends die Gegend zwischen diesem
Orte und Uwsie.
Gegen Morgen begann das finn. XXII. Korps gegenüber dem Ab-
schnitt Rohatyn (deutsches XXV. RKorps) seine Stellungen beiderseits
der Zlota Lipa zu räumen. Alle Divisionen des XXV. RKorps (241. ID.,
4. Er;sD., 20. türk. ID.) drängten nach, wobei das Überschreiten des
eigenen und des feindlichen Grabennetzes einige Schwierigkeiten be-
reitete. Die Artillerie der 241. ID. kam auf der nach Kozowa führen-
den Straße, die von Truppen und Trains des k. u. k. XXV. Korps ver-
stopft war, nur langsam vorwärts. Dieses Abbleiben der Batterien war
die Ursache, daß der feindliche Widerstand auf der Hügelflur zwischen
der Zlota Lipa und dem Koropiecbach vom XXV. RKorps bis zum
Abend nicht mehr gebrochen werden konnte.
Scharfe Maßnahmen Kerenskis
303
Gegenüber dem deutseben XXVII. RKorps (53. RD., 24. RD.,
38. HID., 83. ID. und deutscher Landsturm) räumte das III. kauk. Korps
am 22. vormittags, von Norden beginnend, seine Stellungen. Die 53. RD.
stieß dem Feinde sofort bis auf die Höhen östlich der Narajowka nach
und ermöglichte dadurch auch der 24. RD. das Überschreiten des
Flusses1). Vor der 38. HID. und der deutschen 83. ID. südlich vom
Dniester hielt der Feind noch sta.nd; in der Nacht auf den 23. erstürmte
die vom GM. v. Molnár befehligte 38. HID. jedoch die Höhen östlich
von Bolezowce.
Damit löste sich am 22. Juli bereits die ganze russische Front vom
Dniester bis zum Sereth. Das war das unerwartete und unerfreuliche
Ergebnis der großen Sommer offensive, zu der sich das revolutionäre
Rußland aufgerafft hatte. Das Unheil, das jetzt durch den großen
Gegenangriff der Mittelmächte über die russischen Armeen Galiziens
hereingebrochen war, blieb nicht ohne schwerwiegende Folgen für Ruß-
land. Schon Mitte Juli waren in Petersburg bolschewikische Unruhen
ausgebrochen, die die Entsendung von Truppen der Westfront in die
Hauptstadt nötig machten. Die bolschewikische Strömung drohte jetzt
alles mitzureißen. Einstweilen vermochte sich allerdings Kerenski noch
zu behaupten. Er wurde am 20. Juli an Stelle des Fürsten Lwow Mini-
sterpräsident der Provisorischen Regierung neben seinem Amt als
Kriegsminister. Da die revolutionäre Begeisterung allein nicht imstande
gewesen war, dem Angriff der Mittelmächte erfolgreich zu begegnen,
suchte jetzt Kerenski, mit diktatorischen Vollmachten ausgestattet, den
alten Soldatengehorsam, die Manneszucht und die Befehlsgewalt im
zerrütteten Heere wiederherzustellen. Er hielt strenge Musterung unter
den Generalen. Gutor büßte die Niederlage der 11. und der 7. Armee
mit seiner Enthebung. Gen. Kornilow, der Sieger über die k. u. k. 3. Ar-
mee, wurde an Stelle Gutors zum Oberbefehlshaber der südwestlichen
Armeen ernannt. Gen. Erdeli, der bisherige Kommandant der 11. Armee,
erhielt den Befehl über die Besondere Armee, während ihr bisheriger
Führer, Gen. Balujew, die 11. Armee und Gen. Tscheremisow die S.Ar-
mee übernahmen.
Gen. Kornilow, der neue Oberbefehlshaber der Südwestfront, er-
kannte sofort, in welche außerordentlich schwierige Lage die 7. Armee
durch die deutsche Umklammerung geraten war. Nachdem am 22. der
Versuch des XXXIV. Korps, bei Kozowa das Vordringen des Gegners
!) Winzer, Das Kgl. Sächs. Res.-Infanterie-Regiment Nr. 243 (Erinnerungs-
blätter deutscher Regimenter, Dresden 1927), 193 ff.
304
Die Rückeroberung von Ostgalizien
aufzuhalten, mißlungen war, und das XXII. Korps sowie das Ill.kauk.
Korps ihre Stellungen geräumt hatten, entschloß sich Kornilow, die
7. Armee noch in der Nacht auf den 23. bis in die Linie Mikulince—
Burkanow—Olesza—Monasterzyska zurückzuführen. Im Zusammenhang
mit diesen Bewegungen hatte die zu weit vorgedrungene 8. Armee ihre
Front auf Monasterzyska, in den Raum westlich von Stanislau, auf
Nadwórna und nach Tartarów, an den oberen Pruth zurückzunehmen.
Die in den Waldkarpathen stehenden Korps XI, XXIII und XVIII der
8. Armee traten am 23. Juli in den Verband der neugebildeten 1. Armee
überx).
Aber auch in den von Kornilow angegebenen neuen Linien gab es
kein Halten mehr. Unter leichten Kämpfen mit feindlichen Nachhuten
stießen am 23. Juli die Verfolgungskolonnen des Abschnittes Ztoczow
südlich von Tarnopol bis an den Sereth vor. Das Korps Berrer setzte
sich an diesem Tage mit seinen Vortruppen bei Mikulince—- Strusów
bereits auf dem rechten Ufer fest. Südlich von Tarnopol erreichte die
auf dem rechten Flügel des Korps Kathen kämpfende deutsche 6. ID. den
Sereth. Auf den Höhen westlich von Tarnopol traf die 1. GID. auf zähen
Widerstand, der nicht gebrochen werden konnte. Die Russen hielten
einen Brückenkopf bei Tarnopol, stark besetzt. Gdl. Winckler beschloß
daher, den Angriff auf die Stadt planmäßig vorzubereiten. Hiezu wurde
die 42. ID. hinter die 1. GID. gestellt. Nordwestlich von Tarnopol wurde
am 23. die 2. GID. am Sereth eingesetzt, links von ihr die 92. ID. in die
Front beiderseits Zalosce eingeschoben, und bei Ratyszcze der rechte
Flügel der k. u. k. 33. ID. nach Südosten gestreckt (S. 300).
Während der Südflügel der k. u. k. 2. Armee zwischen Strusów und
Ratyszcze nach Osten und Nordosten gegen sich versteifenden Wider-
stand Front machte, schwenkten die Gruppe Wilhelmi und westlich von
ihr das Beskidenkorps zwischen dem Sereth und der Strypa immer
mehr nach Süden ein, um den flüchtendien Feind durch unausgesetzten
Druck auf die rechte Flanke vollends aufzurollen. Am 23. um Mittag
stießen die Gruppe Wilhelmi und das Beskidenkorps in ihrer Verfol-
gung auf den Widerstand des Feindes. Aber das XXXIV. Russenkorps,
verstärkt durch die 104. ID., vermochte den Gegner nicht lange auf-
zuhalten. Kampflos verließen tausende russischer Soldaten ihre Gräben.
Das XXXIV. Korps, das zwischen Mikulince und Burkanow aufgestellt
war, um die Flanke der 7. Armee vor Umzingelung zu retten, flüchtete
1) Zajontschko wski j, Feldzug 1917, 82 f. — Smilg-Benario, Von
Kerenski zu Lenin, 117.
Die Eroberung von Burkanów und Podhajce
305
auf Trembowla und Brykula Str. zurück, worauf auch die übrigen Teile
der 7. Armee, das VI., das XLL, das VII. sib. und das finn. XXII.
Korps ihren Rückzug von Burkanów und Podhajce auf Olesza und
Monasterzyska fortsetzten.
So fand die Südarmee am 23. Juli an ihrer ganzen Front im all-
gemeinen nur geringen Widerstand. Auf ihrem Nordflügel drang das
zwischen der Strypa und dem Koropiecbach nach Süden vorstoßende
k. u. k. XXV. Korps an diesem Tage bis auf die Höhen östlich von
Podhajce vor. Die 54. ID. warf am Abend westlich von Burkanów ein
zum Kampf sich stellendes russisches Regiment, stürmte Burkanów und
war am 24. Juli um 2h früh im Besitze des Waldes östlich der Stadt.
Vom XXV. RKorps kam die 241. ID. wegen des aufgeweichten Bo-
dens nur langsam vorwärts; ihre Artillerie hing noch immer weit:
zurück. Die 4. ErsD. und die 20. türk. ID. brachen im Laufe des Tages
hartnäckigen feindlichen Widerstand an der Straße nach Podhajce; die
Erstgenannte bemächtigte^ sich abends der Stadt. Die 53. RD. und die
24. RD. des XXVII. RKorps erreichten am Abend ohne wesentliche
Kämpfe die anbefohlene Linie Zamalów—Horo±anka. Auch die 38. HID.
und die südlich vom Dniester fechtende deutsche 83. ID. konnten am
23. Juli den Vormarsch beginnen. Damit war die ganze Front der Süd-
armee in Bewegung gekommen. Die 38. HID. bemächtigte sich auf dem
nördlichen Dniesterufer der Höhe Magsa. Die 83. ID., die bereits um
Mittag südlich des Flusses Halicz und die untere Lukawica erreicht
hatte, wurde wieder der k. u. k. 3. Armee unterstellt. Die 20. türk. ID.,
die im August nach der Türkei rückbefördert werden sollte, schied
Gdl. Bothmer als Reserve aus. Die Gruppe Wilhelmi, das Beskidenkorps
und die Leibhusarenbrigade traten am 23. abends unter den Befehl der
Südarmee. Von der 3. Armee rollte jetzt die auf ihrem linken Flügel
befindliche 75. RD. zur Heeresgruppe Eichhorn ab (S. 300), wo die
Russen bei Smorgon in die Kampflinien einer deutschen Landwehr di vi-
sion eingebrochen waren (S. 286).
Die noch zu schildernden Angriffe, die die Russen um diese Zeit
nördlich vom Pripiatj, die Rumänen im Siebenbürger Grenzgebirge so-
wie in der Moldau führten, brachten der Südwestfront keine Entlastung
mehr; denn bei ihr waren nicht nur drei Armeen im Rückzug, sondern
die in Ostgalizien erlittene große Niederlage löste die letzten Bande
militärischer Ordnung. Die Stawka machte wohl verzweifelte An-
strengungen, um die Gegenoffensive der Mittelmächte aufzuhalten.
Schon am 24. Juli befahl der Höchstkommandierende den nördlich vom
vi
20
306
Die Rückeroberung von Ostgalizien
Pripiatj stehenden Armeen, den Angriff einzustellen. Dafür sollte der
Oberbefehlshaber der Westfront das X. Korps nach Galicien senden
(S. 286), während die rumänische Front das III. Kavalleriekorps und
das XXIX. Korps dorthin abzugeben hatte. Kornilow erhielt den Befehl,
fünf bis sechs Divisionen aus den nicht angegriffenen Frontabschnitten
seines Befehlsbereiches auszuscheiden und an die Durchbruchsstelle
zu entsenden. Allein, die Masse des russischen Heeres wollte nicht mehr
weiterkämpfen. Befehle, die gegeben wurden, fanden nicht mehr den
Gehorsam. Tausende von Soldaten desertierten. Allein in einer Nacht
fing das „Todesbataillon" der 11. Armee im Gebiete von Woloczysk
12.000 Fahnenflüchtige verschiedener Regimenter ein. Zuchtlose Sol-
datenhorden veranstalteten auf ihrem Rückzug Plünderungen und
Greueltaten, warfen die Brandfackel in die Lager, die hinter der russi-
schen Frpnt in Ostgalizien allenthalben angehäuft waren.
Der neuernannte Oberbefehlshaber der Südwestfront, Gen. Korni-
low, forderte vom Höchstkommandierenden und von der Provisorischen
Regierung die sofortige Einführung der Todesstrafe im Bereiche der
kämpfenden Armeen. Ohne die Zusage der Regierung abzuwarten, gab
er den Befehl, die Fahnenflüchtigen zu erschießen. Man veranstaltete
in diesen Tagen Massenhinrichtungen, wobei auf den Leichen der Er-
schossenen zur Abschreckung Zettel mit der Aufschrift „Deserteur" an-
gebracht wurden1).
Aber alle strengen Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die
Zucht und Ordnung im russischen Heere wiederherzustellen und den
Vormarsch des Gegners aufzuhalten, waren vergeblich. Unter dem
Schutze der letzten kampfwilligen Verbände ging die Masse der 7. Rus-
senarmee und der rechte Flügel der 8. Armee am 24. Juli gegen Süden
auf Budzanów, Przewloka, Barysz und auf Nizniów zurück. Unermüd-
lich drängten die Verfolgungskolonnen der Armee Bothmer dem ins
Laufen gekommenen Feinde nach, um die Vernichtung möglichst großer
Teile der zwischen dem Sereth und dem Dniester eingeklemmten feind-
lichen Kräfte zu erreichen. Auf dem linken Flügel der Südarmee brach
die Gruppe Wilhelmi am 24. feindlichen Widerstand auf den Höhen
südlich von Darachów. Das Beskidenkorps wies verzweifelte Gegenstöße
der Russen nächst der Mogilahöhe ostlich von Burkanow und bei
Chmielówka ab. Die Leibhusarenbrigade, die bisher am oberen Sereth
Sicherungsdienste geleistet hatte, griff in einem Gefecht der 96. ID., die
i-) Zajontschkowskij, Feldzug 1917, 82 ff. — Smilg-Benario, Von
Kerenski zu Lenin, 118.
Die Südarmee in unaufhaltsamer Verfolgung
307
bis Mogielnica vorgedrungen war, wirksam gegen Flanke und Rücken
des Feindes ein. Abends erhielten die preußischen Husaren vom Gdl.
Bothmer die Weisung, in das Serethtal vorzustoßen, um die Brücke von
Budzanów zu nehmen.
Beim k. u. k. XXV. Korps wies die k.u. k. 54. ID. am Vormittag im
Verein mit der deutschen 223. ID. einen kurzen Vorstoß von zwei bis
drei russischen Regimentern nordwestlich von Brykula Str. zurück. Die
55. ID. hatte bei ihrem Übergang über die Strypa nur schwachen Wider-
stand zu überwinden. Die Gegend östlich von Bobulince wurde erreicht
und in der Nacht an der Straße Buczacz—Dobropole durch Feldwachen
ein Angriff von Panzerautomobilen abgewiesen. Die sächs. 241. ID. des
XXV. RKorps konnte wegen großer Ermüdung der Infanterie und
schlechter Bespannung der Artillerie ihre nördlich von Przewloka ge-
legenen Marschziele nur mit Vortruppen erreichen. Die 4. ErsD. hin-
gegen warf feindliche Nachhuten zurück, die westlich von Przewloka
und westlich von Olesza hartnäckigen Widerstand leisteten, und ver-
mochte weit vorwärts der befohlenen Ziele in die Orte Jezierzany und
Przewloka einzuziehen.
Beim XXVII. RKorps hatten die 53. und die 24. RD. nur leich-
tere Kämpfe zu bestehen. Die 53. RD. setzte sich am späten Abend noch
in den Besitz von Monastery ska und war damit über ihr Tagesziel
weit hinausgekommen. Lediglich die 38. HID1, hatte am Nachmittag
westlich von Byszów stärkeren Widerstand zu brechen. Der sich aim
Abend östlich von Uscie Zielona erneut stellende Feind entzog sich dem
beabsichtigten Angriff durch Abmarsch.
Für den 25. Juli befahl Gdl. Bothmer die Fortführung der Ver-
folgung. Er unterstellte die Gruppe Wilhelmi und die Leibhusarenbri-
gade dem Beskidenkorps, das sich in den Besitz von Janów zu; setzen
und auf die Höhen nördlich dieses Ortes vorzustoßen hatte, um den
rechten Flügel der inzwischen bei Trembowla heftig kämpfenden k. u. k.
2. Armee zu entlasten. Die Leibhusarenbrigade sollte in der Richtung
auf Czortków angesetzt werden, um die wichtige Bahnlinie Buczacz—
Czortków zu unterbrechen.
Das Beskidenkorps stieß am 25. Juli westlich von Budzanów auf
ziemlich heftigen Widerstand und hatte aus der Gegend südlich von
Trembowla starke Vorstöße der Russen abzuwehren. Teile der 197.
und der 237. ID. überschritten den Sereth und nahmen Janów. Dagegen
konnte die stark besetzte Höhe nördlich der Ortschaft nicht genommen
werden. Der Angriff der Leibhusarenbrigade auf das vom Feinde noch
20*
308
Die Rückeroberung von Ostgalizien
besetzte Kossów kam nicht mehr zur Durchführung, da der Russe nach
dem Eintreffen des von der Brigade als Unterstützung erbetenen Ba-
taillons der 54. ID. abgezogen war.
Das k. u. k. XXV. Korps erreichte am 25. in Fortsetzung der Ver-
folgung Laszkowce und die Gegend nordöstlich von Buczacz. Das
Korps hatte nur auf seinem rechten Flügel, bei Pilawa, zu kämpfen
gehabt. Mit Rücksicht auf die Erschöpfung der Truppe wurde von
einem weiteren Vorgehen abgesehen. Das XXV. RKorps sollte am 25.
Buczacz dem Feinde entreißen, stieß aber auf heftige Gegenwehr west-
lich und nordöstlich der Stadt. Die 4. ErsD. überschritt die Strypa, um
den bei Buczacz haltenden Feind von Norden anzugreifen und drängte
sich dabei mit der 241. ID. zusammen. Auf die Nachricht vom Vorgehen
feindlicher Kräfte von Süden auf Jezierzany wurden Teile der in Re-
serve gestellten 20. türk. ID. wieder vorgezogen. Der russische Wider-
stand konnte an diesem Tage vom XXV. RKorps nicht mehr gebrochen
werden; das XXVII. RKorps erreichte dagegen kampflos den Koropiec-
bac'h östlich von Monasterzyska und östlich von Nizniow.
Während die 7. Russenarmee und der rechte Flügel der 8. unter
Nachhutgefechten gegen Süden bis auf die Linie Budzanów—Buczacz—
Nizniow zurückwichen, hatte sich der Südflügel der 11. Armee ¡am
Sereth zur Gegenwehr ermannt. Gen. Balujew, der neue Kommandant
der russischen 11. Armee, warf dem Korps Berrer, das am 24. Juli zwi-
schen Trembowla und Ostrów den Fluß überschritt, seine Reserven,
die Petrowski (1.) Gardebrigade und die 151. ID., entgegen. Allein GLt.
Berrer, der auf seinem Südflügel die deutsche 42. ID. eingesetzt hatte,
entriß den Russen in erbitterten Kämpfen die Wälder und Dörfer auf
dem linken Serethufer und warf den Feind am 25. Juli nördlich von
Trembowla bis über die Bahnlinie zurück. Die am rechten Flügel des
Korps Kathen kämpfende deutsche 6. ID. stieß nun ebenfalls über den
Sereth vor. Sie verdrängte Truppen des V. Russenkorps und der
tschechoslowakischen Schützenbrigade und gewann die Höhen südöst-
lich von Tarnopol. Als die Verteidiger des Brückenkopfes von Tarno-
pol, das I. GKorps, den Rückzug des V. Korps an den Gnieznaabschnitt
gewahr wurden, räumten auch sie ihre Stellungen und überließen die
Stadt dem Gegner. Die preußische 1. G ID., Prinz Eitel Friedrich von
Preußen, drängte dem weichenden Feinde auf dem Fuße nach und be-
mächtigte sich noch am 25. Juli vormittags der Stadt. Tags darauf, am
26. Juli, setzten sich die Garderegimenter in Gegenwart des zum Be-
suche der verbündeten Truppen an der Front weilenden Deutschen
Die Eroberung von Tarnopol
309
Kaisers in den Besitz der Höhen nördlich und nordöstlich von Tarnopol.
Zugleich gewannen die 6. ID. und die Divisionen des Korps Berrer den
Gnieznaabschnitt und den Ort Trembowla. Das dem Abschnitt Zloczów
gesteckte Ziel war damit erreicht und der erforderliche Brückenkopf
bei Tarnopol gewonnen.
Der Beginn des Vormarsches der k. u. k. 3. Armee
•
Am 23. Juli, an welchem Tage die 8. Russenarmee ihre Stellungen
an der Lomnica und darüber hinaus bis in die Waldkarpathen räumte
(S. 304), hatte sich auch die k. u.k. 3. Armee dem Vormarsch ange-
schlossen. GO. Böhm-Ermolli erteilte an diesem Tage dem GO. Kfitek
den Befehl, die Verfolgung der Russen zwischen Dniester und Pruth
aufzunehmen. Die 3. Armee sollte zunächst die anfangs Juli verloren-
gegangenen Stellungen an der Bystrzyca Solotwiñsika wiedergewinnen.
Beim weiteren Vorgehen wollte man den Schwerpunkt auf den linken
Armeeflügel verlegen, um möglichst rasch in der Richtung auf Horo-
denka vorzudringen. Hiezu war auf diesem Flü'gel eine Stoßgruppe
unter Gdl. Litzmann, bestehend aus der 8. bayr. RD., der k. u. k. 16. ID.,
der 16. RD. und der 83. ID. der Deutschen sowie aus der k.u.k. 2. KD.,
zu bilden. Die bayr. KD. war bereitzuhalten, um in der Richtung auf
Czernowitz vorausgeschickt zu werden. Man hoffte, daß es ihr vielleicht
gelingen werde, Teile der aus den Karpathen zurückgehenden Russen
zu fassen. Im übrigen hatte die k. u. k. 3. Armee entbehrliche Kräfte
abzugeben. So wurde die deutsche 20. ID. zur Gruppe Zloczów geleitet
(S. 298) und hinter ihr noch vom 23. Juli an die 75. RD. zur Heeres-
gruppe Eichhorn abbefördert (S. 300). Das entbehrlich gewordene k. u. k.
XXVI. Korpskmdo., das in FML. Edi, v. Horsetzky einen neuen Führer
erhalten hatte, rollte am gleichen Tage zur 7. Armee ab, wo es im
Kampfabschnitt bei Kirlibaba den Befehl über die 59. ID. und die
40. HID. zu übernehmen hatte.
Noch am 23. Juli überschritt die k. u. k. 3. Armee die Lomnica.
Die in ihren früheren Armee verband nun wieder zurückgetretene
deutsche 83. ID. (S. 305) erreichte an diesem Tage auf dem südlichen
Dniesterufer Halicz und Jezupol. Feindliche Nachhuten, die sich hier
und vor Stanisi au auf der Jutrena Gora stellten, wurden geworfen.
Am Abend waren die alten Stellungen der k. u.k. 3. Armee an der
Bystrzyca Solotwinska erreicht.
310
Die Rückeroberung von Ostgalizien
Die 8. Russenarmee gab Stanislau und Nadwórna preis und setzte
noch im Laufe des 24. und des 25. Juli eilends ihren Rückzug über die
Bystrzyca Nadworniañska ;auf Tlumacz, Ottynia und auf Mlodiatyn
fort, um nicht zwischen Dniester und Pruth abgeschnitten zu werden.
Die 3. Armee folgte. Nachhuten der Russen, die auf dem Ostufer der
Bystrzyca Solotwinska den Vormarsch zu verzögern suchten, wurden
am 24. von der Gruppe Litzmann geworfen. Die k. u. k. 16. ID. nahm
Stanislau ein. Südlich davon überschritt das k. u. k. XIII. Korps noch
die Bystrzyca Solotwinska. Die k.u. k. 5. ID. erreichte am 24. bereits
Nadwórna und drang am 25. in das Pruthtal ein. Am 26. gewannen
das IR. 13 und Teile der bayr. KD. bereits Kolomea zurück. Das XIII.
Korps und die Gruppe Litzmann erreichten an diesem Tage unter
Kämpfen mit russischen Nachhuten die Orte Choeimierz, Jezierzany
und Olesza1).
Die Fortsetzung der Verfolgung bis zum Monatsende
H i e z u Beilage 17
Die Südarmee vom 26. bis zum 29. Juli
Als die Russen am 24. Juli ihren raschen Rückzug vor der Süd-
armee fortsetzten und selbst auf der ganzen Front zwischen Dniester
und Waldkarpathen zurückwichen, sahen Hindenburg und Ludendorff
die Möglichkeit, die Operationen bis an den Zbrucz weiterzuführen und
dadurch den Feind aus Ostgalizien zu vertreiben. Noch am 24. erteilte
daher GFM. Prinz Leopold von Bayern im Einverständnis mit der
DOHL. dem GO. Böhm-Ermolli die Weisung, mit dem linken Flügel
der Südarmee möglichst weit über den Sereth hinaus in der Richtung
auf Husiatyn und Kamieniec-Podolski vorzudringen. Eine Anfrage des
Heeresgruppenkommandos Böhm-Ermolli, ob die Voraussetzungen für
diese Operationen innerhalb der Südarmee gegeben seien, beantwortete
Gdl. Bothmer am 25. Juli abends zustimmend. Der Abschnitt Zloczow
erhielt nun den Auftrag, einie geeignete Stellung in der Linie Gnita-
bach—Grzymalow—Skalat—Borki Wk., dann gegen den Sereth nördlich
von Tarnopol zu gewinnen und die nördliche Flanke der Südarmee zu
sichern.
*) Roth, Das K. B. Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 23 (München 1927),
128 ff. — F r a u e n h o 1 £, Das K. B. 2. Kürassier- und Schwere Reiter-Regiment
(München 1921), 279 ff. — Litman n, II, 162 ff.
Der Zbrucz als Ziel der Verfolgung
311
Unterdessen hatte der rechte Flügel des Abschnittes Zloczów bei
Tarnopol bereits den Sereth überschritten (S. 308). Hier und auch vor
dem Nordflügel der Armee Bothmer wichen die geschlagenen russischen
Divisionen in Unordnung zurück. Vor dem Südflügel der Armee Both-
mer und auch vor der k. u.k. 3. Armee schien sich hingegen der Rück-
zug des Feindes in ziemlicher Ordnung zu vollziehen. Angesichts dieser
Lage war das Heeresgruppenkommando Böhm-Ermolli der Ansicht, daß
die in der Front südlich von. Buczacz befindlichen russischen Heeres-
körper, namentlich das III. kauk. Korps, das II. GKorps, das XXXIII.,
das XII. und das XVI. Korps zum Teil wenigstens noch ziemlich kampf-
kräftig seien. GO. Böhm-Ermolli hielt es daher immerhin noch für mög-
lich, daß Truppen der 8. Russenarmee über den Dniester nach Norden
verschoben würden, um durch einen Vorstoß gegen die Südarmee den
Vormarsch gegen den Zbrucz aufzuhalten. Deshalb wurde die 3. Armee
am 25. Juli angewiesen, durch kraftvolle Fortsetzung des Vormarsches
der Gruppe Litzmann auf Horodenka und durch festes Zufassen die
8. Russenarmee zu schlagen und dadurch den Feind zu hindern, starke
Kräfte über den Dniester gegen die Flanke der Südarmee zu werfen.
Gdl. Bothmer ordnete in seinem am 26. Juli vormittags erlassenen
Befehle für die Fortsetzung der Kriegshandlung an, daß als Hauptziel
die Vernichtung möglichst großer Teile der feindlichen Kräfte diesseits
des Zbrucz zu gelten habe. Hiezu sollte das Beskidenkorps mit starkem
linkem Flügel längs der Tajna auf Husiatyn vorstoßen. Der k. u. k.
2 Armee, die dieser Bewegung nicht zu folgen hatte, wurde die Siche-
rung der linken Armeeflanke Bothmers bis Iwanówka übertragen. Von
da ab mußte das Beskidenkorps zunächst selbst für den Flankenschutz
sorgen. Im weiteren Verlauf war hiefür die vom 27. Juli an südlich von
Trembowla eintreffende deutsche 20. ID. in Aussicht genommen (S. 298).
Diese Division wurde nunmehr der Südarmee unterstellt. Die Leib-
husarenbrigade hatte zunächst die Stadt Czortków zu erreichen, um
dann unmittelbar unter den Befehl der Südarmee zu treten und gegen
den Zbrucz zwischen Germakówka und Husiatyn vorzugehen.
Der Vormarsch der Südarmee gegen den Zbrucz vollzog sich unter
leichten Kämpfen mit russischen Nachhuten. Als am 25. Juli Tarnopol
fiel und alle Versuche der Armee Balujew, den Angriff des Gegners
am Sereth aufzuhalten, mißlungen waren, gab der Oberbefehlshaber
der Südwestfront, Gen. Kornilow, wieder den Befehl zum Rückzug.
Die Mitte und der rechte Flügel der 11. Russenarmee wichen auf die
Linie Czernichowce—Skalat—Grzymalow zurück. Südlich anschließend
312
Die Rückeroberung von Ostgalizien
wurde die 7. Armee hinter den Gnilabach und hinter den Zbrucz, die
8. Armee auf die Linie Skala—Krzywcze, an den Dniesterabschnitt
westlich von Uscie Biskupie bis Zaleszczyki und südlich des Flusses
auf Kissileu zurückgenommen. Der rechte Flügel und die Mitte der
neugebildeten I.Armee hatte die Stellungen in den Waldkarpathen zu
räumen, um im Anschluß an die 8. Armee in der Linie Sniatyn—Kut}^
am Bilyj Czeremosz und auf den Bergrücken Tomnatik und Capul, wie-
der Front zu machen. Kornilow stellte dem vordrängenden Gegner
zuerst bei den Orten Chorostkow, Czortków, Jagielnica, Latacz, Niez-
wiska und Kolomea und dann bei Grzymalow, Kopczynce, Jezierzany,
Zaleszczyki und Horodenka starke Nachhuten von Infanterie, Kaval-
lerie und Panzerwagen entgegen; denn er wollte Zeit für den Rückzug
hinter den Zbrucz gewinnen. Auch fürchtete Kornilow, daß der Nord-
flügel der 8. Armee durch den andauernden Druck des Verfolgers
gegen Südosten von den südlich des Dniester befindlichen Heereskör-
pern abgeschnitten werden könnte. Die Truppen der 7., der 8. und
der 1. Armee erhielten daher den Befehl, am Grenzfluß Zbrucz und
in den angegebenen Linien südlich vom Dniester den Vormarsch des
Gegners endlich zum Stehen zu bringen, damit nicht auch noch die
Bukowina preisgegeben und der rechte Flügel der rumänischen Heeres-
front zurückgenommen werden müßten1).
Die Armee Bothmer setzte am 26. Juli die Verfolgung gegen den
Zbrucz fort. Gegenüber dem Beskidenkorps gab der Feind an diesem
Tage bei Budzanów das östliche Serethufer auf. Nur belästigt durch
Kavallerie und Panzerkraftwagen, erreichten die deutschen Angriffs-
divisionen die Gegend beiderseits von Kobylowloki. Auch das k. u. k.
XXV. Korps kam tagsüber kampflos vorwärts. Des nachts aber mußte
die 54. ID. durch einen Angriff den bei Skorodyñce das östliche Sereth-
ufer besetzt haltenden Feind vertreiben. Die Leibhusarenbrigade über-
fiel am 26. abends eine russische Nachhut westlich von Czortków und
folgte dem. fliehenden Feind bis auf das östliche Serethufer. Bei dem
vom GLt. Heineccius befehligten XXV. RKorps, (bisher Abschnitt Roha-
tyn) kam der beabsichtigte Angriff auf Buczacz nicht mehr zur Durch-
führung, da die Russen in diesem Abschnitt schon in der Nacht auf
den 26. den Rückzug angetreten hatten. Unter geringen Kämpfen mit
feindlicher Kavallerie gewann die Masse des XXV. RKorps die Gegend
von D±uryn. Das XXVII. RKorps kam, aufgehalten durch zahlreiche
feindliche Reiterschwärme und wegen Wegzerstörungen nur langsam
*) Zajontschkowskij, Feldzug 1917, 85 ff.
Das Beskidenkorps erreicht den Zbrucz
313
vorwärts, erreichte aber am Abend die in der Gegend westlich von
Jazlowiec und Potok Zloty gelegenen Marschziele.
Am 27. Juli hatten die 223. und die 96. ID. des Beskidenkorps
bei Kopczynce feindlichen Widerstand zu brechen, ebenso die mit dem
Schutz der linken Flanke betraute 237. ID. westlich und nördlich von
Chorostków. Die Divisionen des k. u. k. XXV. Korps fanden bei Czort-
ków die Serethbrücken abgebrannt und mußten den Fluß durchfurten.
Sie erreichten kampflos ihre Marschziele östlich und südöstlich von
Czortków. Die vorausgesandte Leibhusarenbrigade drang östlich vom
Sereth wegen des Widerstandes feindlicher Kavallerie und auch wegen
des russischen Artilleriefeuers nur langsam vor. Es gelang ihr jedoch,
die Niezlawa bei Czarnokonce Wielki zu überschreiten. Das XXV. und
das XXVII. RKorps erreichten, nur durch schwache Kavallerie belästigt,
ihre Marschziele. Das Erstgenannte schob bei Jagielnica Vortruppen
über den Sereth. Die 20. türk. ID. wurde wieder in die vordere Linie
gezogen und gewann die Gegend von Bazar.
Ein Befehl des GO. Böhm-Ermolli ordnete am 27. Juli abends das
Beziehen der Dauerstellung am Zbrucz an. Der Südarmee wurde hiebei
überlassen, ihre Stellungen noch über den Fluß hinüber vorzuschieben.
Gdl. Bothmer hatte dies beantragt, weil das Beziehen einer Stellung
am westlichen Zbruczufer wegen der vielen Flußwindungen und der
Überhöhung vom Ostufer her nicht sehr zweckmäßig erschien. Auch
konnten bei einem Vorgehen über den Zbrucz hinweg die zahlreichen,
im Tale liegenden Ortschaften für die Unterbringung der Truppen
voll ausgenützt werden. Demgemäß befahl Gdl. Bothmer am 28. Juli
seinen Korps, von Germakowka bis zur Gniiamündung noch so weit
über den Zbrucz vorzugehen, als es notwendig sei, damit die Artillerie-
beobachtung in das Vorgelände gesichert und der für den Ausbau der
ersten Stellung nötige Abstand vom Flusse gewonnen werde. Der gegen
den Ort Chotin im Winkel zwischen Zbrucz und Dniester vorspringende
Teil Galiziens sollte durch Vortruppen des XXVII. RKorps gesäubert
werden.
Das Beskidenkorps brach ¡am 28. Juli geringen Widerstand rus-
sischer Nachhuten und erreichte an diesem Tage bereits bei Husiatyn
den Zbrucz. Die, ursprüngliche Absicht des Korps, noch am Abend stär-
kere Kräfte über den Fluß zu werfen, mußte allerdings aufgegeben
werden, da die näheren Erkundungen kräftigen Widerstand des hier in
einer alten Stellung auf dem östlichen Ufer stehenden Feindes erwarten
ließen. Die dem linken Flügel der Armee Bothmer dichtauf folgende
314
Die Rückeroberung von Ostgalizien
15. RD. erreichte Czabarówka, die 20. ID. hatte indessen den Anschluß
an das Beskidenkorps noch nicht gefunden.
Die Leibhusarenbrigade stieß am 28. von Czarokonce Wielki östlich
der Niezlawa gegen Süden vor und veranlaß te dadurch den an diesem
Gewässer stehenden Feind, seine Stellungen zu räumen. Nachdem die
Leibhusaren erneuten feindlichen Widerstand gebrochen hatten, drangen
sie in Borszczów ein. In der Mitte der Südarmee gelangten unterdessen
die Divisionen des k. u. k. XXV. Korps und des deutschen XXV. RKorps
ohne Kampf über die Niezlawa und näherten sich dem Zbrucz.
Auf dem Südflügel des XXVII. RKorps traf die 38. HID. am
28. abends nördlich von Zaleszczyki auf den Feind. Es ergab sich aus Ge-
fangenenaussagen, daß der Russe beabsichtige, bei diesem Orte ein
Korps auf das nördliche Dniesterufer hinüberzuwerfen. Für den 29. Juli
früh wurde daher vom Gdl. Bothmer die Wegnahme des Brücken-
kopfes von Zaleszczyki befohlen.
Während das Beskidenkorps in unausgesetzter Verfolgung bis an
den Zbru.cz, vorstieß, schob sich der rechte Flügel des Abschnittes
Zloczow im Laufe des 26. und des 27. Juli über den Gnieznaabsiçhnitt
noch so weit vor, daß die Benützung der Bahnlinie Trembowla—Husia-
tyn gesichert war. Mit den Hauptkräften (42., 22., 5., 6. ID., l.GID.)
wurde der Vormarsch am 28. Juli in der Linie Hleszczawa—BorkiWk.—
Czystylow (am Sereth nordwestlich von Tarnopol) eingestellt. Nur
einzelne Abteilungen stießen dem bis hinter die Gnila zurückweichenden
Feinde nach.
GO. Böhm-Ermolli hatte unterdessen am 27. Juli Weisungen für
den Fall erlassen, als die Russen auch vor dem Nordflügel des Ab-
schnittes Zloczow sowie vor dem V. und dem XVIII. Korps zurück-
gehen sollten. Räumte der Feind dort seine Stellungen, so war ihm,
sofort bis an die Reichsgrenze von Leszniów (nördlich von Brody) bis
Gontowa und dann nach Süden bis zum Anschluß an den Tarnopoler
Brückenkopf zu folgen. Es war dies im allgemeinen jene Linie, die im
Juli 1916 vor der Schlacht bei Brody von der k. u. k. 2. Armee gehalten
worden war. Es zeigte sich aber bald, daß die Russen hinter dem
Sereth beiderseits von Zalosce und vor der übrigen Front der 2. Armee
ihre bisherigen Stellungen stark besetzt hielten und auf dem rechten
Flügel ihrer 11. Armee nicht an einen Rückzug dachten. Von Hluboczek
Wk. am Sereth entfernte sich die neue russische Front áuf einige Kilo-
meter von jener der Verbündeten und verlief südöstlich von Zbaraz;
erst südlich von Touste näherten sich wieder die beiden Fronten.
Die 3. Armee nähert sich Czernowitz
315
Verfolgungskämpfe der k.u.k. 3. Armee zwischen dem Dniester und
dem 'Pruth
(26. bis 31. Juli)
Die südlich vom Dniester vordrängende k.u.k. 3.Armee hatte am
26. Juli abends Kolomea genommen und die Linie Chozimierz—Olesza
erreicht (S. 310). Am nächsten Tage stieß die im Pruthtal in der Rich-
tung auf Sniatyn vorausgesandte bayr. K valleriedivision den Russen bis
Zablotow nach1). Das k. u.k. XIII. Korps gewann die Gegend von Ku-
laszkowce. Die Gruppe Gdl. Litzmann hatte unterdessen den feindlichen
Widerstand bei Jezierzany und Olesza gebrochen. Rastlos verfolgten die
Divisionen der Gruppe den zurückweichenden Feind. Sie erreichten am
27. abends unter Gefechten mit russischen Nachhuten bereits Horodenka
und Uscieczko. Gdl. Litzmann wollte beim weiteren Vorgehen mit star-
kem linkem Flügel in der Richtung auf Kuczurmik und Okna durch-
stoßen2). Da der Feind seit dem 23. Juli auch vor dem Nordflügel der
k. u. k. 7. Armee seine Stellungen räumte, erteilte der Oberbefehlshaber
Ost am 27. Juli dem Heeresgruppenkomm&rdo Böhm-Ermolli den Befehl,
mit starken Abteilungen des rechten Flügels der 3. Armee den Pruth zu
überschreiten und clie Verfolgung auch südlich dieses Flusses aufzu-
nehmen.
Dadurch sollte der Zusammenhang mit den Kampfhandlungen des
linken Flügels der Heeresfront Erzherzog Joseph sichergestellt und
der k. u. k. 7. Armee das Heraustreten aus den Tälern der Waldkarpa-
then erleichtert werden. Mit dieser Aufgabe wurde die k.u.k. 5. ID.,
GM. Felix, beauftragt. Sie wurde am 29. der 7. Armee unterstellt und
auf Storozynetz gewiesen. Das k. u. k. XIII. Korps erhielt die Weisung,
je nach der Lage die gegen Czernowitz vordringenden bayrischen Reiter
oder die 5. ID. zu unterstützen.
Am 28. und auch am 29. Juli hatte die 3. Armee auf der ganzen
Front zu kämpfen; denn westlich der Linie Sniatyn—Kissileu—Zalesz-
czyki hatten die Nachhuten von drei Russenkorps (XVI., XII. und
XXXIII.) Front gemacht. GO. Kritek befahl dem k. u. k. XIII. Korps
für den 29. Juli, den gegenüberstehenden Feind lediglich festzuhalten
und im übrigen zu warten, bis er durch das Vorgehen der 8. bayr. RD.
!) Huts chen reuther, Das K. B. 1. Chevaulegers-Regiment im Weltkriege
1914—19 (München 1922), 92 ff.
2) Litzmann, II, 168 ff.
m
316
Die Rückeroberung von Ostgalizien
locker geworden sei. Diese Division und auch die k. u. k. 16. ID. mußten
am 29. Juli bei Kissileu Gegenstöße der Russen abweisen. In der Nacht
auf den 30. Juli räumte jedoch der Feind unter dem Drucke der beiden
nördlichen Divisionen der Gruppe Litzmann (16. RD. und 83. ID.) zwi-
schen Dniester und Pruth seine Stellungen. Unterdessen hatte der linke
Flügel der Armee Bothmer, die 38. HID., am 29. den Brückenkopf Za-
leszczyki von Norden her genommen. Der 30. Juli, sah die 16. RD. und
die 83. ID, bereits im Angriff zwischen Zaleszczyki und Zastawa. Die
Gruppe Litzmann erstritt sich an diesem Tage Doroschoutz und Weren-
c zank a und gewann am 31. den Ort Zastawa. Das k. u. k. XIII. Korps
war unterdessen bis über Sniatyn hinausgelangt. Die Hartnäckigkeit des
feindlichen Widerstandes nahm in diesen Tagen dauernd zu.
Der Vormarsch der k. u. k. 7. Armee bis an die Moldawa
und an den Czeremosz
(24. bis 30. Juli)
Hiezu Beilage 17
Am 24. Juli schloß sich auch die k. u. k. 7. Armee von ihrem Nord-
flügel aus dem Vormarsch an. Das He e res f r ontkomman d o Erzherzog
Joseph hatte ursprünglich die Absicht gehabt, den Angriff der 7. Armee
sogleich nach dem geglückten Durchbruch bei Zloczow mit einem kraft-
vollen Vorstoß gegen Kuty einzuleiten. Zur Durchführung dieses An-
griffes fehlten aber die erforderlichen Kräfte, weil — wie noch aus-
geführt werden wird — der rechte Flügel der Heeresfront im Bereczker
Gebirge eben eine Krise zu überwinden hatte. Die 7. Armee mußte sich
daher darauf beschränken, von ihrem Nordflügel an staffelweise vor-
zurücken.
Der Vorstoß aus den Karpathen war kein leichtes Unternehmen.
Er mußte mit getrennt marschierenden Heeressäulen vornehmlich im
Zuge und beiderseits jener Täler geführt werden, deren Lauf mit der
gewünschten Angriffsrichtung zusammenfiel. Auch waren in dem wege-
armen Waldgebirge große Schwierigkeiten beim Nachschübe zu er-
warten. Da der Troß mit den nur wenig leistungsfähigen Pferden nicht
Der Vorstoß aus den Karpathen
#
Beginn des Rückzuges der Russen vom Karpathenwall
317
ausreichte, bat das 7. Armeekmdo. die k. u. k. Heeresleitung um Lastr
kraf twagenkolonnen. Überdies sorgte mau vor, die zerstörten Eisenbahn-
strecken hinter der vorrückenden Armee rasch wiederherstellen zu
können. •
Schon am 19. Juli, am Tage des Beginnes der Gegenoffensive bei
Zloczów, hatte Erzherzog Joseph dem GO. Kövess den Befehl erteilt,
Vorbereitungen für die Verfolgung der Russen zu treffen. Es hatten
vorzustoßen: das XVII. Korps, FML. Eabini (30. und 34. ID., 8. KD.),
in der Richtung auf Berezów—Kosmacz, das deutsche Karpathenkorps,
GLt. Conta (200. und 1. ID.), auf Kuty und Wiznitz, und schließlich
das XXVI. Korps, FML. Horsetzky (40. HID., 59. ID.), auf Seietin am
Oberlauf der Suczawa.
GO. Kövess beabsichtigte, den Hauptstoß mit dem Karpathenkorps
durchzuführen. Dazu wollte er dieses Korps durch das RIR. 22 der
deutschen 117. ID. verstärken, die sich noch im Bereiche des XVII.
Korps befand (S. 283). Ein Angriff der 7. Armee in der Richtung auf
Kuty—Wiznitz fand auch die volle Zustimmung der DOHL., da man
sich von ihm einen wirkungsvollen Einfluß auf die Operationen der
Heeresgruppe Böhm-Ermolli versprach.
Bereits am 22. Juli nachts erfuhr das Heeresfrontkommando aus
einem mitgelesenen russischen Funkspruch, daß das XI. Russenkorps
vor dem k. u. k. XVII. Korps am nächsten Tag den Rückzug beginnen
werde. Tatsächlich konnten schon am 23. Juli Teile der 16. IBrig.,
GM. Sallagar, am Pantyrpaß mit der Vorrückung beginnen. Am 24.
erstürmten Truppen der 30. ID., FML.Jesser, und der 34. ID., GM.
Edi. v. Luxardo, die Höhen nordwestlich des Jablonicapasses. Beide
Divisionen "stießen tags darauf durch das obere Pruthtal bis Mikuliczyn
vor und drangen am 26. über Kosmacz in das Pistynkatal ein.
GO. Kövess hatte inzwischen am 25. Juli den Befehl zur Aufnahme
der Offensive mit dem Schwergewicht auf dem linken Armeeflügel in
der Richtung gegen Czernowitz ausgegeben. Als Vorrückungsziele er-
hielten das XVII. Korps den Raum südlich von Koloniea, das Karpa-
thenkorps Wiznitz—Kuty, das XXVI. Korps Czudin (südwestlich von
Storozynetz), und die Gruppe FML. Alfred Krauss Suczawa undRa-
dautz. Diese letztgenannte, auf dem rechten Flügel der k. u. k. 7. Armee
stehende Gruppe setzte sich aus der Kavalleriegruppe FML. Freih.
v. Apór (ll.HKD., 6. KD., 5. HKD., und ein Regiment der deutschen
117. ID.) und aus dem XI. Korps, FML. H aber mann (74. HID. und
51. HID.), zusammen.
318
Die Rückeroberung von Ositgalizien
Das Heeresfrontkommando ließ die in nordöstlicher Richtung an-
gesetzte Offensive zunächst laufen, w#r sich aber darüber im klaren,
daß die 7. Armee, sobald sie sich den Gehirgsausgängen nähere, scharf
die Richtung nach Osten werde nehmen müssen. Der Wunsch des Erz-
herzogs Joseph wäre es freilich gewesen, einen entscheidenden Stoß aus
der Gegend von Jacobeny in der kürzesten Richtung über Kimpolung
auf Czêrnowitz im Zusammenhang mit dem gegen den Dniester—
Zbruczwinkel gerichteten Angriff der Südarmee zu führen1). Durch
entschiedenes, schnelles und rücksichtsloses Vorgehen in diesen beiden
operativ sehr wirksamen Richtungen wären erhebliche Teile der 8. Rus-
senarmee zwischen Dniester und Prath abgeschnitten worden. Da aber
dem Erzherzog die hiezu erforderlichen Kräfte, mindestens drei frische
Divisionen, fehlten, trat er am 24. Juli an die k. u. k. Heeresleitung mit
dem Ansuchen heran, der 7. Armee Verstärkungen zuzuführen. Im Hin-
blick auf die äußerst gespannte Lage; am Isonzo ließ sich dieser Wunsch
jedoch nicht erfüllen. Erzherzog Joseph mußte sogar die Stoßkraft der
k. u. k. 7. Armee durch Abgabe von Truppen schwächen. Denn am
22. Juli waren Rumänen und Russen gegen den Südflügel der k. u. k.
1. Armee vorgebrochen; sie brachten die Gruppe Gerok in starke Be-
drängnis. Die 8. KD., die «eben beim XVII. Korps in die Front gestellt
worden war, das RIR. 22 der 117. ID., das GrenR. 3 der 1. ID., das
Sturmbataillon der Heeresfront, einige Batterien und auch die 7. KD.
mußten daher vom 23. Juli an nach Siebenbürgen abbefördert werden.
Die andauernd schwierige Lage der Gruppe Gerok machte es sogar
notwendig, bis Monatsende noch die Masse der 117. ID. an den süd-
lichen Flügel der Heeresfront zu entsenden.
Inzwischen war am 25. Juli auch die deutsche 200. ID: des Kar-
pathenkorps, GLt. Boeß, in Bewegung gekommen. Sie entriß den Nach-
huten des abziehenden XXIII. Russenkorps die BabaLudowa, überstieg
die Gipfelkette, gewann das Czeremosztal und stieß am 28. über Zabie
auf Uscie Putilla vor2). Vor der am Südflügel des Karpathenkorps
stehenden deutschen 1. ID. und weiter südlich davon hielt der Russe
zunächst stand. Bei Kirlibaba, im Frontabschnitt der 59. ID., und bei
Jacobeny, auf dem linken Flügel der Gruppe Krauss, entfaltete der
Feind sogar eine sehr rege Gefechtstätigkeit.
Die 1. Russenarmee war mit ihrem rechten Flügel (XI. Korps) und
mit ihrer Mitte (XXIII. Korps) vom Karpathenwall bis in die Linie
1) Kiszling, Sommerfeldzug 1917.
2) Ehrenfort h, Die Geschichte des Res.-Jäger-Bataillons 17 (Berlin 1926), 51 ff.
Einschwenken der Armee Kövess gegen Osten
319
Sniatyn—Kuty und hinter den Bilyj Czeremosz zurückgegangen. Mit
dem linken Flügel (XVIII. Korps) blieb sie in den Gipfelstellungen auf
dem Tomnatikrücken und auf dem Gebirgsstock des Capul stehen, um
die Flanke der 9. Armee nicht zu entblößen (S.282). Aber schon am
26. Juli entriß die 40. HID., GM. Edi. v. Nagy, der russischen 43. ID.
die Höhenstellungen des Capulstockes. Nun baute der Feind auch im
Moldawagebiet seine Front ab. Die deutsche 1. ID. und das XXVI.
Korps traten am 27. den Vormarsch an. Allerdings kamen die Divisio-
nen des FML. Horsetzky (40. HID. und 59. ID.) und die deutschen Trup-
pen der 1. ID., durch feindlichen Widerstand aufgehalten, über die
breiten, von Urwald bewachsenen Bergrücken zwischen der Goldenen
Bistritz und der Moldawa nur langsam hinweg.
Das Heeresfrontkommando wies nun am 27. Juli den GO. Kövess
an, die Angriffsdivisionen der 7. Armee scharf nach Osten einzudrehen
und bei der weiteren Vorrückung die Front auf Suczawa und auf Czer-
nowitz zu nehmen.
Der Oberbefehlshaber der russischen Südwestfront, Gen. Kornilow,
forderte am 28. Juli die 1. Russenarmee auf, nur in höchster Bedrängnis
mit dem linken Flügel an die Moldawa und mit der Mitte an die Putilla
zurückzugehen. Zugleich stellte der Höchstkommandierende das XXIX.
Korps, das ursprünglich von der rumänischen Front als Verstärkung
nach Ostgalizien hätte verschoben werden sollen (S. 306), hinter dem
rechten Flügel der 9. Armee bereit. Dem XXVI. Korps dieser Armee
wurde die in das Moldawatal langsam zurückweichende 43. ID. unter-
stellt1).
Am 30. Juli konnten die drei Kavalleriedivisionen der Gruppe Apór
(5.HKD., 6. KD., ll.HKD.) um ihren rechten Flügel nach Osten gegen
das Putnatal, einschwenken; denn der Feind (rechter Flügel des rus-
sischen XXVI. Korps) wich bei Czokanestie auf Valeputna zurück.
Kämpfend bahnten sich unterdessen die 59. ID., FML. Pichler, und die
40. HID. über das unwirtliche Gebirge den Weg in das Moldawatal nach
Breaza und Moldawa (Ort), indes die deutsche 1. ID. die russische
37. ID. vom Tomnatikrücken vertrieb und bei dem Orte Schipoth in
das Suczawatal hinabstieg.
Hart bedrängt sahen sich in den letzten Julitagen die Mitte (XXIII.
Korps) und der linke Flügel (XI. Korps) der 1. Russenarmee, die unge-
schlagen vorn Karpathenwall bis an den Czeremosz zurückgegangen
war. Am 28. Juli überschritt die k. u. k. 5. ID., geführt von GM. Felix,
1) Zajontschkowskij, Der Feldzug 1917, 90 ff.
320
Die Rückeroberung von Ostgalizien
bei Zablotów den Prnth (S. 315) und erreichte tags darauf bei Russisch
Banilla das Ostufer des Czeremosz. Das k. u. k. XVII. Korps drang
unterdessen durch das PistynkataL auf Kuty vor. Die deutsche 200. ID.
stieß über Uscie Putilla talwärts. Sie überwand am 29. bei Rostoki den
Widerstand von Truppen des XXIII. Russenkorps und faßte tags darauf
das XI. Korps bei Wiznitz in der Südflanke. Die am Unterlauf des
Czeremosz überflügelten Russen wichen noch am 30. vormittags nach
Osten; denn sie fürchteten, abgeschnitten zu werden. FML. Fabini folgte
mit seinem Korps und mit der ihm nun zugeteilten 5. ID. dem Feinde
auf dem Fuße.
Die Kämpfe bis zur Wiedereroberung von Czernowitz
(31. Juli bis 5. August)
Am 29. Juli hatte Kerenski im Großen Hauptquartier zu Mohilew
eine Besprechung mit den Oberbefehlshabern der Fronten abgehalten.
Die Führer des russischen Heeres beschworen Kerenski, alle Soldaten-
komitees abzuschaffen und die unbedingte Befehlsgewalt der Offiziere
wieder herzustellen. Ein Entschluß wurde jedoch nicht gefaßt; denn die
in Mohilew anwesenden Regierungsvertreter lehnten die vorgeschlagenen
Maßnahmen zur Hebung der Manneszucht und des Kampfwillens ab1).
Drei Tage nach dieser Konferenz wurde Gen. Brussilow seines Postens
enthoben und Kornilow, der in den letzten Kriegshandlungen durch
seine Tatkraft in den Vordergrund getreten war, zum Höchstkomman-
dierenden ernannt. Nach diesem Wechsel in der Führung des russischen
Heeres bekleideten in rascher Folge die Generale Balujew, Denikin und
Wolodtschenko die Stelle des Oberbefehlshabers der Südwestfront.
Die Kriegslage besserte sich für die Russen jedoch nicht, und die
Ereignisse an der Südwestfront nahmen ihren verhängnisvollen Fort-
gang. Ende Juli ermannte sich zwar die geschlagene 7. Armee unter
Seliwatschew und die 8. Armee unter Tscheremisow am Grenzfluß Zbrucz
zu neuem Widerstand. Südlich vom Dniester vermochten sich aber die
Korps XXXIII, XVI und XII der 8#Russenarmee, die bei Nepolokoutz,
bei Werenczanka und bei Doroschoutz den Vormarsch des Gegners auf
Czernowitz aufhalten sollten, nicht zu behaupten.
Während der äußerste Südflügel der Armee Tscheremisow auf den
Höhen östlich von Sniatyn am 30. und am 31. Juli dem ihm verfolgen-
1) K n o X, II., 667 f. — Zajontschkowskij, Feldzug 1917, 87 ff. —
Spannocchi, 115 ff.
Neuer Widerstand der Russen vor Czernowitz
321
den k. u. k. XIII. Korps Halt gebot, mußten die südlich vom Dniester
kämpfenden Heereskörper dem starken Drucke der Gruppe Litzmann
abermals weichen. Am 31. erreichten die Siebenbürger der 16. ID.,
GM. Adalbert Kaltenborn, und die Deutschen der 16. RD., GLt..Sieger,
bereits Zastawna (S.316). Unter andauernden Kämpfen und verzwei-
felten Gegenstößen gegen die 8.bayr. RD. zogen sich nun die Russen
vor der ganzen Front der Armee Kritek Schritt um Schritt gegen die
Stadt Czernowitz zurück.
Schulter an Schulter mit dem Südflügel der Armee Tscheremisow
rang das XI. Korps der 1. Armee auf dem südlichen Pruthufer; es
stellte sich am 31. Juli bei Unter-Stane s tie den Divisionen des FML.
Fabini entgegen. Nachdem aber der Nachbar zur Rechten bis auf
den Höhenrand von Kuczurmik zurückgewichen war, räumte auch das
XI. Russenkorps in der Nacht auf den 1. August seine Stellungen und
ging in den Raum nordwestlich von Storozynetz zurück. Weiter südlich
leistete das langsam zurückweichende XXIII. Korps im waldigen Quell-
gebiet des Serethflusses der deutschen 200. ID. noch Widerstand und
sperrte die Zugänge in das nun breiter werdende Tal,
Die rastlose Verfolgung hatte die öst.-ung. und die deutschen Hee-
reskörper der Armeen Bothmer, Kritek und Kövess bereits um mehr
als 100 Kilometer über die Kopfstationen der Eisenbahnen hinausge-
führt. In dem durehmessenen ostgalizischen Lande waren die Felder
wegen der langen Russennot unbestellt; die ohnehin entkräfteten Pferde
fanden so gut wie keine Nahrung. Der Nachschub begann zu versagen.
Der Bahnbetrieb konnte wegen der vielen zerstörten Brücken vorläufig
nicht näher an die Front geführt werden. Die mit den wenig leistungs-
fähigen Pferden bespannten Troßkolonnen konnten dem Vormarsch
nicht mehr folgen.
Trotzdem drängten die Angriffs di visionen der Armee Kritek und
der Gruppe Fabini auf allen Straßen gegen Czernowitz vorwärts. Am
1. August und am folgenden Tage tobte zu beiden Seiten des Pruth und
weiter im Norden, bis zum Dniester, ein heftiger Kampf1). Der neue
Höchstkommandierende der Russen, Kornilow, hatte dem Führer der
8. Armee befohlen, Czernowitz unter allen Umständen mindestens sechs
Tage zu halten, damit die großen Kriegs Vorräte, die in der Stadt ¡ange-
sammelt waren, gerettet werden könnten. Tscheremisow zog alle noch
x) In dije sen Kämpfen und für die Erstürmung des Jablonicapasses am 24. Juli
(S. 317) erwarb sich der Obstlt. und Kommandant des IR. 32, Otto Redlieh v. Redens-
bruck, das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens.
VI
21
w
"~n
322 Die Rückeroberung von Ostgali^ien
kampffähigen Divisionen heran, um den Angreifer möglichst lange von
der Hauptstadt des Buchenlandes fern zu halten.
Von der Gruppe Gdl. Litzmann ging die k. u. k. 16. ID. noch am
1. August gegen die stark besetzten Westhänge des bewaldeten Berg-
geländes östlich von Kuc^urmik zum Angriff vor. Die Deutschen der
16. RD. unterstützten die Division GM. Adalbert Kaltenborn durch einen
Stoß gegen des Feindes nördliche Flanke. Noch weiter nördlich, am
Dniester, brachte die deutsche 83. ID. das XXXIII. Russenkorps in arge
Bedrängnis. Glühende Sonne brannte auf die Kämpfer nieder. Trotz der
außerordentlich großen Hitze und der Zähigkeit des Feindes erreichten
die Sturmwellen der Gruppe Litzmann am Abend Walawa, den Hügel-
rand vor Kuqzurmik und Okna. Am 2. August früh wurde der Kampf
fortgesetzt. Die Russen konnten sich wider den kräftigen Druck der
Divisionen des Gdl. Litzmann nicht mehr behaupten. Am Nachmittag
begann der Feind seine Stellungen zu räumen. Die Gruppe Litzmann
drängte den Russen über Walawa, Kuczurmik und Pohorloutz scharf
nach. Das XIII. Korps kämpfte .unterdessen noch bei Schipenitz, ohne
den Widerstand des Feindes brechen zu können.
Gdl. Litzmann bildete nun aus der k. u.k. 16. ID. und der 16. RD.
eine Stoßgruppe, um mit ihr in südlicher Richtung bis auf Czernowitz
durchzudringen, und beauftragte die 83. ID. mit dem Flanken schütze
gegen Osten.
Während zwischen dem Dniester und dem Pruth mit aller An-
strengung gerungen wurde, drückte die Gruppe Fabini am 2. August
nordwestlich von Storozynetz unter mächtigem Artillerieeinsatz die
Russenstellung ein. Dem Führer der russischen 8. Armee bot sich kein
Mittel mehr, um die starken Schläge des Gegners abzuwehren. Er gab, im
Norden durch die Gruppe Litzmann umklammert, Czernowitz auf und
befahl den Rückzug gegen die Linie Chotin—Boj an.
Am 3. August vor Morgengrauen betraten Vortruppen der 42. HID.,
GM. Mihaljevic, von Norden und der Gruppe Fabini von Osten her
Czernowitz. Die 5. ID. dieser Gruppe drang das südliche Prutjiufer
entlang vor und rückte am Vormittag, mit dem Heeresfrontkommandan-
ten an der Spitze, in die zum drittenmal befreite Hauptstadt der Buko-
wina ein. Die 3. Armee und die Gruppe Fabini stießen noch am 3. den
weichenden Russen nach. Die Gruppe Litzmann gewann eine von Topo-
routz entlang der bessarabischen Grenze bis zum Dniester verlaufende
Linie, indes das XIII. Korps über Rarancze und Mahala vordrang.
Am 4. August wurde von der 3. Armee die Vorrückung noch fort-
Die Befreiung von Czernowitz
323
gesetzt. GO. Kritek wollte die Angriffshandlungen an diesem Tage ab-
schließen und zwischen dem Dniester und dem Pruth eine von Raszkow
über Szylowcy nach Boj an verlaufende Dauerstellung beziehen. Wäh-
rend sich die Gruppe Litzmann ohne nennenswerten Widerstand über
die Reichsgrenze vorschob und bessarabisches Gebiet betrat, stieß der
Südflügel, das XIII. Korps, zwischen Kalinkowcy und Boj an auf eine
von erheblichen Kräften gebildete feste Russenfront. Truppen dieses
Korps bemächtigten sich noch am Abend des Westrandes der beherr-
schenden Höhe Dolzok.
Tags darauf, am 5. früh, setzte jedoch ein kräftiger Gegenstoß der
Russen ein. Der Dol±ok ging wieder verloren. Die k. u. k. 36. ID. wich
zurück und entblößte die rechte Flanke der anschließenden S.bayr. RD.,
die von den nachstoßenden Russen umfaßt wurde. Reserven — es
waren die Jägerbataillone der inzwischen zur Gruppe Litzmann zurück-
getretenen bayr. KD. — eilten herbei und brachten den Feind zum
Stehen1).
Die Befreiung -der Bukowina
(Ende Juli bis Mitte August)
Hiezu Beilage 17
Pläne und Befehle
Während die Südarmee bis an den Zbrucz vorstieß, und die 3. Ar-
mee auf Czernowitz vordrang, dachten die Heeresleitungen der Verbün-
deten daran, den errungenen Sieg weiter auszubeuten. Man hoffte, über
den Sereth und aus der Bukowina in die Moldau hinein vordringen zu
können, um auch diesen letzten Teil Rumäniens zu erobern. Allerdings
ließ die DOHL. am 31. Juli das k. u.k. AOK. wissen, daß diese aus-
sichtsreiche und bedeutungsvolle Operation nur dann ausführbar sein
werde, wenn die Stoßkraft aller Truppen zu einem rücksichtslosen Vor-
dringen an den Pruth ausreichte. Die Zweifel Ludendorffs bezogen sich
offensichtlich auf die östj.-ung. Verbände', von denen einige bei Zborów
und bei Stanislau geringere Festigkeit gezeigt hatten. Auch mußte sich
dem Generalquartiermeister die Frage aufdrängen, ob man sich durch
einen so weit ausgreifenden Vorstoß nicht zu sehr von den Eisenbahnen
!) Hutschenreutfier, 95.
21*
324
Die Rückeroberung von Ostgalizien
entferne, die vielfach gründlich zerstört waren und erst wieder her-
gestellt werden mußten1).
Die DOHL. hatte dem GM. Seeckt bekanntgegeben, daß sie den
GFM. Mackenisen angewiesen habe, mit der deutschen 9. Armee über
den unteren Sereth in die Moldau einzubrechen. Die Absicht des Hee-
resfrontkommandos Erzherzog Joseph war nun vorläufig, mit den Haupt-
streitkräften der k. u. k. 7. Armee, sobald sie die Ausgänge aus dem
Gebirge erreicht halben würden, scharf nach Südosten in der Richtung
über Radautz auf Suqzawa einzuschwenken, um, unterstützt durch den
linken Flügel der 1. Armee, den Angriff zunächst bis an den Sereth
weiterzuführen. Dadurch sollte die russische 9. Armee, die noch tief
im Gebirge stand, aufgerollt werden.
Entsprechend diesem Plane hatte das Heeresfrontkommando bereits
am 27. Juli den GO. Kövess angewiesen, bei der weiteren Verfolgung
mit der 7. Armee die Richtung auf Czernowitz und Suczawa zu nehmen.
Streitkräfte, die auf dem linken Armeeflügel hinter den rechten Flügel
der 3. Armee geraten und dadurch frei würden, waren nach Süden
zu verschieben. Die am 29. Juli gegebenen Weisungen des GO. Kövess
bestimmten den Raum zwischen Pruth und Sereth für den Vormarsch
des k. u. k. XVII. Korps und der ihm zugeteilten 5. Division. Das Kar-
pathenkorps sollte hingegen mit der 200. ID. die Richtung über Ber-
hometh, Moldauisch Banilla und Petroutz auf den Ort Sereth, mit der
1. ID. üb(er Sohipoth, Seietin und Oberwikow auf Radautz nehmen, wäh-
rend das k. u. k. XXVI. Korps über Russisch Moldawitza auf Solka
und die Gruppe Krauss mit ihrem linken Flügel über Kimpolung und
Gurahumora vorzustoßen hatten.
Da verlangte die k. u. k. Heeresleitung, daß Erzherzog Joseph den
Schwerpunkt der Kriegshandlung auf den Nordflügel der k. u.k. 7. Ar-
mee verlege. Denn es war der Plan der Verbündeten, eine große Offen-
sive zwischen Dniester und Sereth in die Moldau hinein, in der Richtung
über Dorohoiu zu führen. Hiezu .sollten die Südarmee durch einen von
der Zbruczmündung nach Süden geführten Angriff die 3. Armee vor-
reißen, die 7. Armee hingegen durch einen Vorstoß ihres stark gehal-
tenen Nordflügels zwischen Pruth und Sereth dem Feinde ein Halten
am Ostufer des letztgenannten Flusses unmöglich machen. Dem k.u.k.
AOK. schwebte gewissermaßen eine Wiederholung des Durchbruches
bei Zloczów vor, wobei jetzt der linke Flankenschutz durch den Pruth
gebildet werden sollte. Das Heeresfrontkommando Erzherzog Joseph
1) Ludendorff, 347 f. — Arz, 163.
Meinungsverschiedenheiten über Fortführung der Offensive
325
wollte ebenfalls in die Moldau, aber nur südlich vom Sereth, einbrechen
und den Feind nach Südosten werfen, um ihn dann von Norden her
zu umfassen. Doch es konnte nicht, wie GO. Böhim-Ermolli bei der
Gegenoffensive von Zloczów, mit ausgiebigen Verstärkungen und mit
einer gründlichen Vorbereitungsmöglichkeit rechnen. Überdies begann
der Nachschub bereits zu stocken. Dias Heeresfrontkommando wollte
sich daher zunächst mit eineim Stoß unmittelbar in die Flanke des vor
dem Nordflügel der 1. Armee stehenden Feindes und mit dem Er-
reichen des Sereth begnügen1).
Als die k. u. k. Heeresleitung am 31. Juli dem Heeresfrontkommando
den Befehl gab, mit dem XVII. und dem Karpathenkorps im Räume
zwischen Pruth und Sereth vorzugehen und mit dem XXVI. Korps und
der Gruppe Krauss die Richtung auf die Städte Sereth und Suczawa
zu nehmen, da richtete das Heeresfrontkommando nach Baden die
Bitte, die an die 7. Armee bereits ausgegebenen Anweisungen aufrecht
halten zu dürfen. Denn ein auf allen Straßen südlich vom Sereth
rasch angesetzter Angriff von sechs Infanterie- und drei Kavallerie-
divisionen gegen die Linie Folti ceni—Le orda werde eher zum Ziele,
führen, als ein Stoß mit engzusammengeballten Kräften von bloß fünf
Infanteriedivisionen aus dem Räume südlich von Czernowitz. Die k. u. k.
Heeresleitung stimmte dem jedoch nicht zu. Sie war der Auffassung,
daß jetzt ein Vorgehen gegen den Feind vor der 1. Armee weniger
dringend sei als eine Unterstützung des k. u. k. XVII. Korps, und befahl
dem Erzherzog Joseph am 1. August nochmals, daß mit starkem linkem
Flügel zwischen Sereth und Pruth vorgerückt werden müsse. GO. Kö ve ss
wurde hierauf angewiesen, bereit zu sein, die Gruppen der 7. Armee
mehr nach Norden zu führen, damit das Karpathenkorps nördlich der
Stadt Sereth einschwenken könne.
Die Vor marschkämpf e der k.u.k. 7. Armee
Vor der k.u.k. 7.Armee hatten die Russen bis zum 30.Juli am
Czeremosz und an der Moldawa gehalten (S. 319). Als sie diese Ab-
schnitte preisgeben mußten, und als das XI. Korps ihrer 1. Armee zwi-
schen Sereth und Pruth ostwärts bis an die Reichsgrenze wich, setzten
das XXIII. und das XVIII. Korps dem Vorgehen des Gegners zunächst
in der Linie Czudyn—Fräs,sin—Russisch Moldawitza—Kimpolung und
*) K i s z 1 i n g, Sommerfeldzug 1917.
326
Die Rückeroberung von Ostgalizien
schließlich zwischen den Städten Sereth, Radautz und Gurahumora
neuen Widerstand entgegen. Die 9. Russenarmee bog ihren reichten
Flügel (XXVI. und II. Korps) von Bergrücken zu Bergrücken bis Kim-
polung und Gurahumora zurück und deckte hier die Nordflanke der
russi^ch^rumänischen Front.
So vollzog sich der Vormarsch der k. u. k. 7. Armee unter zahl-
reichen Gefechten. Die Divisionen der aus dem Karpathenkorps und
aus dem k. u.k. XXVI. Korps ;am 29. Juli neugebildeten Gruppe des
GLt. Conta kamen in dem unwirtlichen, dünnbesiedelten Waldgebirge
nur langsam vorwärts. In diesen Tagen brannte die sengende Julisonne
in die engen, vom steilen Hängen eingeschlossenen und mit dichtem
Wald bestandenen Täler und vermehrte die Anstrengungen der nach
dem langen Stellungskrieg marschungewohnten Truppen in außerge-
wöhnlichem Maße, Tägliche Kämpfe zwangen stets zu schwierigen
Umgehungen in den unwegsamen Wäldern.
Die 200. ID. rückte durch das ausgedehnte Waldgebiet des Kleinen
Sereth vor. Sie durchschritt ,am 30. Juli Berhometh, am 31. trat sie
nach schweren Nachhutgefechten bei Mihowa und am 1. August bei
Moldauisch Banilla neuerlich ins Gefecht. Die 1. ID., die von Schipoth
in das Suezawatal eindrang, kam am 30. Juli bis über Seietin hinaus
und stieß dann vor Frassin auf zähen Widerstand. Die 40. HID. warf
unterdessen den Feind im Brodinatal zurück und griff1 am 2. August
in den Kampf der 1. ID. bei Falkeu ein, welcher Ort genommen wurde.
Mühsam mußte sich die k. u.k. 59. ID. von Breaza den Weg quer durch
das Gebirge nach Russisch Moldawitza bahnen. Hier erzwang sich die
Division am 2. August nach schweren Kämpfen den Übergang über
die Moldawitza.
Auf dem linken Flügel der Gruppe Krauss war die 11. HKD.,
GM. v. Jóny, am 29. Juli südöstlich von Breaza in das Moldawatal ein-
gedrungen. Die Honvédschützenschwadronen gewannen hierauf über
die Höhen nordöstlich von Fundul Moldowi langsam Raum und er-
reichten am 1. August die Gegend von Sadowa, wo sie neuerlich zähen
feindlichen Widerstand fanden. Die 6. KD. und die 5. HKD. hatten am
29. Juli aus dem Mestecänesciabschnitt die Vorrückung angetreten und
tags darauf Valeputna und die Waldhöhen südöstlich davon gewonnen.
Diese beiden Kavallerie divisionen brachen sich sodann unter der Füh-
rung des GM. Edi. v. Schwer über Pozoritta und über die südlichen Be-
gleithöhen des Moldawatales nach Osten Bahn. Am 2. August drang die
5. HKD. in Kimpolung ein.
Verlegung des Schwergewichtes bei der Armee Kövess
327
Unterdessen hatten die Russen am 30. Juli auch ihre Stellungen
vor der am linken Flügel des XI. Korps stehenden 74. HID. aufgegeben.
Die 74. HID., GM. v. Grallert, vermochte aber erst nach dreitägigen
Kämpfen die feindlichen Nachhuten vom Mt. Gruiu in das Bistritztal zu
werfen. Vor dem Südflügel des k. u. k. XI. Korps, vor der 51. HID.,
begann die russische Front am 31. Juli locker zu werden. Der Feind
verwehrte jedoch auf den Höhen westlich und südlich von Holda der
nachstoßenden 51. HID., GM. v. Renke, den Zugang in das Bist ritz tal.
Während die Gruppe Krauss und das Korps Horsetzky noch im
Gebirge kämpften, trat die Masse des Karpathenkorps am 3. August
bei Bilka und Petroutz aus dem Waldgebiet in das freie Gelände. Das
Heeresfrontkommando wollte nun die 1. und die 200. ID. nach Süd-
osten einschwenken lassen. Vom Oberbefehlshaber Ost war am 2. August
die Nachricht eingelangt, daß es der 3. Armee an der Stoßkraft fehle,
die Offensive in die Moldau hinein fortzuführen. Abgesehen davon sei
auch der unbedingt notwendige Nachschub nicht gewährleistet, da die
Bahn hinter der 3. Armee einstweilen nur bis Stanislau in Betrieb sei.
Diese Armee werde daher die Offensive einstellen und mit ihrem
rechten Flügel bei Boj an eine Dauerstellung beziehen müssen.
Bei dieser Lage der k. u. k. 3. Armee hielt das Heeresfrontkom-
mando' Erzherzog Joseph den ihm aufgetragenen Angriff nördlich vom
Sereth auf Dorohoiti nicht mehr für erfolgverheißend. Erzherzog Joseph
sah sich veranlaßt, wiederum den Stoß mit den Hauptkräften der 7. Ar-
mee in südöstlicher Richtung, aus der Front Sereth (Stadt)—Gurahu-
mora auf Folticeni und Leorda, ins Auge zu fassen. GFM. Mackensen
gedachte jetzt, wie noch näher ausgeführt werden wird, mit dem Un-
ken Flügel der deutschen 9. Armee aus dem Räume von Focsani, den
Sereth entlang, nach Norden vorzustoßen. Durch diesen gleichzeitigen
Angriff von Norden und Süden her sollte der gegenüber der 1. Armee
befindliche Feind zunächst hinter den Sereth zurückgedrängt werden.
Dazu wurde GO. Kövess noch am 3. August langewiesen, mit den inne-
ren Flügeln der Gruppen Krauss und Conta die Richtung auf Suczawa
zu nehmen, während das XVII. Korps, hinter dem Nordflügel gestaf-
felt, die Verbindung mit dem k. u.k. XIII. Korps bei Boj an aufrecht-
zuerhalten und den Schutz der linken Flanke für die Gruppe Conta zu
übernehmen hatte.
Das Heeresfrontkommando Erzherzog Joseph hielt nunmehr einen
raschen Vorstoß über Suczawa für dringend geboten; denn es war fest-
gestellt worden,, daß die Russen dorthin Verstärkungen heranzogen.
328
Die Rückeroberung von Ostgalizien
Dies ließ vermuten, daß der Feind einen Gegenschlag zu führen ge-
denke oder seine Nordflanke schützen wolle, um seine jetzige Front
im Gyergyó- und im Csikgebirge halten zu können.
Noch am 2. August trat GM. Seeckt an die DOHL. mit dem
Ersuchen heran, sie möge die k. u.k. 3. Armee zum Vorgehen ver-
anlassen, um den Vorstoß der Armee Kövess wirkungsvoller zu ge-
stalten und auch, um cjen Besitz, von Czernowitz besser zu sichern. Auf
Grund dieser von der DOHL. genehmigten Anregung gab GO. Böhm-
Ermolli am 3. August dem GO. Kritek den Befehl, die Front der S.Ar-
mee bis in die Linie Kliszkowcy—Nowosielica vorzuverlegen. Dadurch
sollte die linke Flanke der 7. Armee gedeckt und ihr Bestreben, die
für die weiteren Operationen so wichtige Bahnlinie Czernowitz—Suczawa
zu gewinnen, gefördert werden.
Gegenüber dem von GM. Seeckt beantragten Vorstoß im Räume
südlich vom Sereth, auf Folticeni und Leorda, hielt aber die k. u, k.
Heeresleitung daran fest, daß das Karpathenkorps vor allem dem
k. u. k. XVII. Korps vorwärtshelfe und in stetem Anschluß an dieses
aus dem Räume nördlich' der Stadt Sereth in südöstlicher Richtung vor-
stoße. Entsprechend dieser von der k. u. k. Heeresleitung immer wieder
dringend gestellten Forderung wurde schließlich dem Karpathenkorps
die Weisung gegeben, den Feind zunächst aus dem Räume Sereth
(Stadt)—Mühaileni—Oprischeny zurückzuwerfen und sodann unter Mit-
wirkung des k. u. k. XVII. Korps nördlich des Flusses Sereth in der
Richtung auf Bucea und Leorda durchzustoßen.
In Ausführung dieser Befehle rückte das Karpathenkorps von Bilka
und Petroutz auf Sereth vor, wo sich die Russen einen Brückenkopf
geschaffen hatten1). Die deutsche 1. ID. entriß dem Feinde am 6. Au-
gust abends nach erbittertem Kampfe den Ort St. Onufry, erzielte aber
in dem am nächsten Tag fortgesetzten Angriffsgefecht keine weiteren
Erfolge. Die Russen behaupteten den Brückenkopf und die Stadt Sereth.
Die 200. ID., die dem vor der 1. ID. stehenden Feind in den Rücken
fallen sollte, kam südwestlich von Tere.blestie zum Stehen. Mit dem
linken Flügel griff sie am 7. August bei Oprischeny in das Gefecht ein,
um dem k. u.k. XVII. Korps beizustehen.
Dieses Korps war nach der Einnahme von Czernowitz vor einer
durchlaufenden russischen Stellung festgelaufen, die sich südlich von
Bojan über Mamornita—Terescheny auf Oprischeny—Tereblestie da-
*) Dorndorf, Infanterieregiment Herzog Karl von Mecklenburg-Streiitz
Nr. 43 (Oldenburg-Berlin 1923), 129 ff.
Munitionsnot bei den Verbündeten
329
hinzog. Der von FML. F,abini ursprünglich für den 6. beabsichtigte An-
griff auf diese Russenfront mußte wegen Munitionsmangels auf den
9. August hinausgeschoben werden. Auch das k. u. k. XIII. Korps der
3. Armee, das am 5. zunächst bis in die Linie Ryngacz—Ostrand von
Bojan hätte vorgehen sollen, sah sich nach dem Verluste des Dolzoik
(S. 323) zum Halten gezwungen und mußte den Angriff zur Zurück-
eroberung dieser beherrschenden Höhe planmäßig vorbereiten.
Allgemeine Knappheit an Artilleriemunition machte sich immer
mehr fühlbar; schwer hatten insbesondere die in dem dünnbesiedelten
Gebirge kämpfenden Verbände unter den Nachschubschwierigkeiten zu
leiden. Trotzdem hatte die hinter der 1. ID. bei Bilka und weiter süd-
lich bei Mardzina in das Hügelland gelangte 40. HID. am 5. August
nordwestlich von Radautz eine feindliche Stellung zu erstürmen ver-
mocht. Auch die Stadt Radautz fiel in die Hand dieser Division, der
es am 6. und 7. August noch glückte, bis Hadikfalva vorzudringen.
Die von Russisch Moldawitza her durch das Gebirge vorgehende
59. ID. kam unterdessen gegen Solka und Glitt heran. FML. Horsetzky
setzte diese Division am 7. August auf Solka und die Höhe Ciota zum
Angriff an. Diese Linie wurde am 8. August nach hartem Kampfe auch
genommen; die Höhe Ciota ging allerdings bald darauf wieder verloren.
Während das am 6. August wieder armeeunmittelbar gewordene
k. u. k. XXVI. Korps, zuerst mit der 40. HID. und dann mit der 59. ID.,
das offene Hügelgelände bei Radautz und Arbora erreichte, waren die
Divisionen der Gruppe Krauss noch weit im Gebirge abgeblieben. Am
3. August stand die ll.HKD. und die Kavalleriegruppe GM. Schwer
(6. KD. und 5. HKD.) noch bei Kimpolung im Kampfe. Tags darauf
erreichte die ll.HKD. Frumossa im Moldawitzatal und verdrängte
den Feind von den Höhen AfinetuL und Bobeica nördlich von Warna.
Die Kavalleriegruppe GM. Schwer nahm am 6. August nach hartem
Gefecht die Höhen Mgr. Cailor und Mgr. batrîna und am 8. den Ort
Warna. Im Räume von Gurahumora behauptete sich jedoch der rechte
Flügel der 9. Russenarmee, das XXVI. Korps, und hielt den Zusammen-
hang mit dem auf dem linken Flügel der 1. Armee fechtenden XVIII. Korps
aufrecht.
Die 74. HID. des k. u. k. XI. Korps hatte sich in der ersten August-
woche in das Waldgebirge nördlich und östlich der Bistritza weiter
vorgearbeitet und schließlich noch die Höhenlinie Vacäria—Sturzul—
Hrebin südlich von Slatiora und bei Crucca genommen. Südlich der
74. HID. war die 51. HID. mit dem linken Flügel erst nach heftigen
330
Die Rückeroberung von Ostgalizien
Kämpfen beim Orte Holda auf die östlichen. Begleithöhen der Bistritza
vorgedrungen. Ihr rechter Flügel säuberte das NeagrataL vom Feinde
und warf russische Nachhuten von der Höhe Arsita und vom Vrf.
Gänei. Die Gruppe Krauss vermochte aber nach diesem mühsam errun-
gegen Erfolgen die feindliche Front nicht mehr weiter aufzureißen.
Der rechte Flügel der 9. Russenarmee klammerte sich auf den Höhen
westlich von Gurahumora fest und sperrte dem Angreifer die Täler,
die aus dem Gebirge in das Becken von Folticeni führen.
Der Abschluß der Kämpfe in Ostgalizien
Das Ringen der Südarmee um die Zbrucz linie
(29. Juli bis Mitte August)
Hi e zu Beilage 17
Gdl. Bothmer hatte für den 29. Juli die Korps der Südarmee an-
gewiesen, den Übergang über den Zbrucz zwischen der Gniiamündung
und Skala zu erzwingen (S. 313). Der Widerstand der Russen erwies
sich aber stärker, als man vermutet hatte. So gelang es beim Beskiden-
korps nur der 197. ID., nach harten Kämpfen bei Husiatyn den Fluß
zu überschreiten. Die Fortsetzung des Angriffes mußte auf den 30. Juli
verschoben werden, um das Herankommen der nötigen Munition ¡abzu-
warten. Die 237. und die 20. ID. sicherten unterdessen im Anschluß
an die 2. Armee die linke Flanke der Armee Bothmer x).
Das k. u.k. XXV. Korps mußte sich am 29. Juli den Zugang zum
Zbrucz gegen einen Feind erkämpfen, der westlich von Skala noch das
Westufer verteidigte. Die k. u. k. 54. ID., GM. Severus, nahm den öst-
lich vom Zbrucz in einer Flußschlinge gelegenen russischen Ortsteii
des Dorfes Zbrzyz. Da sich die Stellungen der Russen auf diesem Fluß-
ufer als sehr stark erwiesen, begnügte man sich mit diesem örtlichen
Einbruch.
Im Bereiche des Korps Heineccius (XXV. RKorps) hatten die
241. ID. und die 4. ErsD. am 29. Juli bei Turylcze zähen feindlichen
Widerstand zu brechen. Beide Divisionen erreichten am Abend die
Höhen des westlichen Zbruczufers. Die türkische 20. ID. griff im Verein
mit der von Norden herangekommenen Leibhusarenbrigade den bei
x) Oberkommando der Südarmee, Der Feldzug in Ostgalizien 1917.
Versteifen des russischen Widerstandes am Zbrucz
331
Wolkowce stehenden Feind an und warf ihn. Das XXVII. RKorps ge-
langte am 29. kampflos in die Linie Korolowka—Gródek. Die 38. HID.,
GM. Molnár, eroberte Zaleszczyki (S.316).
Der hartnäckige Widerstand, den die Südarmee am 29. Juli am
Zbrucz gefunden hatte, ließ vermuten, daß sich der Rückzug der Rus-
sen hier seinem Ende näherte. Die Russen hatten offensichtlich sehr viel
Kavallerie zur Entlastung der Infanterie ihrer 7. und ihrer 8. Armee
in die Front eingeschoben. Aus aufgefangenen Funksprüchen und aus
den Aussagen der Gefangenen konnten in diesen Tagen gegenüber der
Mitte der Heeresgruppe Böhm-Ermolli, im Räume zwischen der Eisen-
bahnlinie Tarnopol—Woloczysk und Kamieniec-Podolski, 13 bis 15 rus-
sische Kavallerie di Visionen wahrgenommen werden. Sie hatten durch
die Kämpfe nicht gelitten, denn sie waren in ihrer Mehrzahl hinter der
Front gestanden.
Auch die strengen Maßnahmen, die der neue Höchstkommandie-
rende, Gen. Kornilow, ergriffen hatte, um die militärische Zucht wieder-
herzustellen, waren nicht ohne Erfolg geblieben. Die russischen Soldaten
ließen sich bewegen, in den neuen Wehrstellungen, an der Grenze von
Altrußland, auszuharren. Die zurückgehenden Divisionen der 7. Russen-
armee bezogen hinter dem Zbrucz eine durchlaufende Verteidigungs-
linie und stellten sich dort entschlossen dem Verfolger entgegen. Die
Trümmer des XII. Korps und des III. kauk. Korps der 8. Armee schlu-
gen sich noch verzweifelt im Winkel zwischen Zbrucz und Dniester.
Hier wurde das Kavalleriekorps des Gen. Baron Wrangel eingesetzt, um
den Stoß abzuwehren, der in südöstlicher Richtung unmittelbar in den
Rücken der südlich vom Dniester kämpfenden Armeekörper zielte1).
Am 30. Juli entbrannten an der ganzen Front der Südarmee heftige
Kämpfe. Im Abschnitt des Beskidenkorps mußten an diesem Tage rus-
sische Gegenstöße, die sich gegen den linken Flügel der 237. ID. rich-
teten, abgewiesen werden. Der Angriff dieser Division gegen die Höhen
südlich von Holeniszczow unterblieb wegen ungenügender artilleristi-
scher Vorbereitung. Die 197. ID. vermochte nördlich von Husiatyn ihren
Erfolg vom Vortage nicht mehr zu erweitern, behauptete aber die ge-
wonnene Stellung gegen heftige Gegenstöße des Feindes. Der 96. ID.
und der 223. ID. gelang es, bei Zielona auf dem östlichen Flußufer Fuß
zu fassen. Gdl. Bothmer stellte seine Armeereserve, die 15. RD., dem
Beskidenkorps zur Verfügung. Sie wurde zwischen der 237. ID. und
der 197. ID. eingesetzt.
1) Zajontschkowskij, Feldzug 1917, 90 f.
332
Die Rückeroberung von Ostgalizien
Das k. u. k. XXV. Korps begnügte sich am 30. Juli damit, die feind-
lichen Stellungen zu erkunden und den am nächsten Tag beabsichtigten
Angriff vorzubereiten. Beim Korps Heineccius konnte die 241. ID. erst
am Abend südlich von Skala einige Bataillone über den Fluß werfen.
Die 4. ErsD. gewann nach heftigen Kämpfen bei Turylcze die Höhen
östlich vömZbrucz. Ein weiteres Vordringen scheiterte am zähen Wider-
stand des Feindes. Die türkische 20. ID. erstürmte nach hartem Ringen
das Dorf Niwra auf dem östlichen Ufer, wurde aber nachts durch einen
Gegenstoß zurückgeworfen.
Die S3.RD. des XXVII. RKorps erreichte am 30. Juli Krzywcze.
Sie stieß am Bilkibach auf den Feind, der mit Hilfe der 24. RD. noch
am Abend vom Westufer vertrieben wurde. Die 38. HID. warf feind-
liche Kräfte über den Dniester zurück. Sie kam, ebenso wie die 24. RD.,
auf den schlechten Wegen nur langsam vorwärts.
Der vom Gdl. Bothmer für den 31. Juli erlassene Armeebefehl ver-
fügte die Fortführung der Angriffe. Vortruppen der Korps sollten bis
an den nächsten Parallelfluß, den Zwaniec, vorgeschoben werden. Die
verfügbare Artilleriemunition reichte aber nicht aus, die russischen
Verschanzungen sturmreif zu schießen. Der Angriff des Beskidenkorps
blieb daher auf den Höhen nördlich von Husiatyn sowie vor der Linie
Szydlowee—Zielona liegen, ohne wesentlichen Erfolg erzielt zu haben.
Nicht besser erging es am 31. Juli dem k. u.k. XXV. Korps. Nördlich
vom Orte Skala stießen die auf das Ostufer vorgedrungenen Teile der
55. ID., GM. Unschuld, auf zähen Widerstand; sie mußten in der Nacht
auf den 1. August wieder zurückgenommen werden. Nur das Dorf
Zbrzy± konnte von der 54. ID. auf dem Ostufer behauptet werden.
Das XXV. RKorps mußte wegen der auch durch Flieger bestätig-
ten Stärke des Feindes und wegen der großen Knappheit an Artillerie-
munition auf die Durchführung eines größeren Angriffsunternehmens
verzichten, jedoch vermochten die 241. ID und die 4. ErsD. ihre Brük-
kenkopfstellungen südlich von Skala etwas vorzuschieben. Die türkische
20. ID. setzte sich noch in der Nacht auf den 31. Juli abermals in den
Besitz von Niwra.
Das XXVII. RKorps, GdK. v.Krug, schritt am 31. Juli vormittags
nach kräftiger Artillerievorbereitung zum Angriff auf die vom russi-
schen Kavalleriekorps Wrangel besetzte Stellung am Bilkibach. Der Vor-
stoß gelang1). In der Mitte durchbrochen und bei Germakowka in der
rechten Flanke umfaßt, wich der Feind eilig zurück. Die Divisionen
!) Winzer, 198 ff.
Einstellen der Angriffe bei der Südarmee
333
des XXVII. RKorps folgten dichtauf und erreichten nach neuem Kampf
an der Zbruczmündung die Linie Zalesie—Mielnica.
Gdl. Bothmer entschloß sich indessen im Hinblick auf die geringen
Erfolge und die teilweise unter nicht unerheblichen Verlusten geschei-
terten Angriffe seiner Armeemitte, den weiteren Vorstoß über den
Zbrucz bis zum Eintreffen ausreichender Munition aufzuschieben. Das
XXVII. RKorps hatte den Winkel zwischen Dniester und Zbrucz vom
Feinde noch zu säubern und sobald als möglich eine deutsche Division
als Armeereserve bei Germakówka bereitzustellen, das Beskidenkorps
die 197. ID. gleichfalls als Armeereserve aus der Front herauszuziehen.
Die Leibhusarenbrigade wurde dem XXV. RKorps unterstellt.
Der Oberbefehlshaber Ost sah mit dem Erreichen des Grenzflusses
Zbrucz die Aufgabe der Südarmee als gelöst an. Er gab daher ¡am
2. August dem Gdl. Bothmer die Weisung, den Angriff über den Zbrucz
nicht mehr weiterzuführen und auf dem westlichen Flußufer eine Dauer-
stellung zu beziehen. Sicherungsabteilungen waren in dem eroberten
Gelände östlich des Flusses zu belassen.
Wiederaufnahme des Stellungskrieges am Zbrucz
Die 7. Russenarmee war offensichtlich bestrebt, die auf das öst-
liche Zbruczufer vorgedrungenen Abteilungen der Armee Bothmer wie-
der über den Fluß zurückzuwerfen. In den Nächten vom 1. auf den 2.
und vom 2. auf den 3. August sah sich das Beskidenkorps bei Husiatyn
heftig vom Feinde angegriffen. Der erste Vorstoß scheiterte völlig, der
zweite brachte dem Feinde geringe Vorteile. Beide Angriffe hatten ihm
sehr erhebliche Verluste eingetragen. Nach der Abwehr des zweiten
Russenangriffes räumten die Deutschen planmäßig den Brückenkopf von
Husiatyn. Sie hielten aber die beiden anderen, südlich und nördlich
von Zielona gewonnenen Brückenköpfe auch weiterhin besetzt.
Im Bereiche des k. u. k. XXV. Korps vollzog sich unterdessen der
Übergang in die Dauerstellung ohne Kämpfe. Um so heftiger wurden
die bei Turylcze auf dem östlichen Zbruczufer stehenden Truppen des
XXV. RKorps in der Nacht auf den 5. August bedrängt; es konnten
jedoch die vom Feinde hiebei gewonnenen Vorteile am S.August zum
Teil wieder wettgemacht werden. Auf Grund der für die Linienführung
der Dauerstellung ergangenen Befehle beließ das XXV. RKorps nur
334
Die Rückeroberung von Ostgalizien
noch östlich von Turylcze Truppen auf dem linken Zbruczufer und
räumte in der Nacht auf den 6. August die übrigen Brückenköpfe.
Das XXVII. RKorps setzte in den ersten Augusttagen die Säube-
rung des Winkels zwischen Zbrucz und Dniester noch fort. Unter
hartnäckigen Gefechten konnten bis zum 3. August abends die in den
Flußschleifen des untersten Zbrucz gelegenen Ortschaften Mlynowka,
Czarnokozince, Kudrynce und Zawale genommen werden. Außerdem
griff das XXVII. RKorps mehrfach mit Teilen seiner Artillerie flan-
kierend in die Kämpfe der k. u. k. 3. Armee auf dem südlichen Dniester-
ufer ein. Am 7. August nachmittags stießen überlegene russische Kräfte
überraschend gegen die bei Wygoda vorgeschobenen Abteilungen der
38. HID. vor und drängten sie auf die Hauptstellung zurück.
In den nächsten Tagen unterhielt die russische Artillerie am Zbrucz
allenthalben noch lebhaftes Störungsfeuer. Bald nahm aber die Ge-
fechtstätigkeit den Charakter des Stellungskrieges an oder sie ruhte
vollkommen.
In einem am 5. August ausgegebenen Befehle des Gdl. Bothmer war
die als Dauerstellung auszubauende Linie festgelegt worden. Der An-
schluß rechts, an die k. u.k. 3. Armee, sollte bei Dzwinigród am Dnie-
ster hergestellt werden. Von der Gegend südöstlich von Paniowoe bis
südlich von Husiatyn hatte die Dauerstellung das westliche Zbruczufer
entlang zu verlaufen; auf dem Ostufer des Flusses blieben lediglich
die Brückenköpfe Puhlaki und beiderseits von Zielona als vorgescho-
bene, im Falle eines ernsten Angriffes der Russen zu räumende Vor-
stellung schwach besetzt, ebenso der Ort Husiatyn. Von diesem Orte
ab sollte die: neue Abwehrstellung über Wasylkowce—Nizborg Str.—
Soroka—Kluwince bis zum Anschluß an die k. u. k. 2. Armee verlaufen.
Der linke Flügel der Südarmee sollte aus seiner jetzigen Kampfstellung
in die neue Linie erst zurückverlegt werden, bis sie einigermaßen aus-
gebaut sei.
Gdl. Bothmer hatte befohlen, daß innerhalb der Südarmee drei
Frontabschnitte gebildet werden sollten: auf dem rechten Flügel das
Generalkommando des XXVII. RKorps mit der 38. HID., der 24. und
53. RD., in der Armeemitte das k. u. k. XXV. Korps mit der 55. und ¡der
54. ID. und schließlich auf dem linken Flügel das Generalkommando
des Beskidenkorps mit der 223. ID., der 15. RD., der 241., der 96. und
der 237. ID. sowie zunächst noch mit Teilen der k. u. k. 19. und der
k. u. k. 32. Division. Aus diesen beim Beskidenkorps befindlichen öst.-
ung. Truppen (IR. 23, 70, SchR. 29) und aus den Artilleriebrigaden
Neugliederung der Südarmee
335
der 19. und der 32. ID. wurde eine Division gebildet, über die das
bisherige 32. Divisionskmdo., FML. Willerding, die Führung übernahm.
Die türkische 20. ID. schied am 10. August aus dem Verbände des
XXV.RKorps, um mit der Bahn nach Konstantinopel abbefördert zu
werden. Die 197. ID. mußte Gdl. Bothmer an d>en Abschnitt Zloczów
abgeben. Überdies waren die deutsche 20. ID., die Leibhusarenbrigade,
das Generalkommando des XXV. RKorps sowie der größte Teil der
schweren Artillerie zu anderweitiger Verwendung aus der Front heraus-
zulösen. Die 4. ErsD. wurde als Armeereserve zunächst hinter dem
XXVII. RKorps, nach dem Abmarsch der deutschen 20. ID. hinter dem
Be ski denkorp s be reit ge stell t.
Gegen die vom Oberbefehlshaber Ost anbefohlene Abgabe einer
weiteren deutschen Division als Heeresgruppenreserve erhob Gdl. Both-
mer Einspruch. Er verwies vor allem darauf, daß durch eine weitere
Verdünnung der Front die Sicherung des eroberten Gebietes nicht mehr
gewährleistet sei, erklärte sich jedoch bereit, die beim Beskidenkorps
eingeteilten öst.-ung. Truppen zur Verfügung zu stellen. Die Heeres-
gruppe Böhm-Ermolli war hie mit einverstanden. An Stelle der komb.
32. ID. wurde die 241. ID., die ursprünglich die 197. ID. hätte ablösen
sollen, am linken Flügel des Beskidenkorps eingesetzt. Am 8. August
verzichtete der Oberbefehlshaber Ost jedoch auf die befohlene Abgabe
des Generalkommandos des XXV. RKorps. Hie durch wurde es mög-
lich, die Armeefront Bothmers in, vier Abschnitte zu teilen. Diese Neu-
gliederung wurde verwirklicht, indem die auf dem rechten Flügel de.s
Beskidenkorps stehenden Divisionen (223. ID. und 15. RD.) am 12. Au-
gust als Abschnitt Czortków unter dem Befehl des Generalkommandos
des XXV. RKorps traten.
Im Verlaufe der Gegenoffensive hatte sich das Heeresgruppenkmdo.
Böhm-Ermolli mehrmals bemüht, die Truppen des k. u. k. IX. Korps,
die nach dem bei Zborów erlittenen schweren Rückschlag wieder halb-
wegs kampffähig waren, wieder in die Front stellen zu dürfen und
ihnen damit Gelegenheit zu neuer Bewährung zu geben. Der Ober-
befehlshaber Ost war .aber hiefür nicht zu: gewinnen. Die 19. ID. blieb
daher noch weiter Reserve hinter dem XVIII. Korps, die 64. IBrig.
hinter dem V. Korps und das IX. Korpskmdo. ohne Verwendung. Erst
als das IX. Korpskmdo. in Gdl. Edi. v. Koennen-Horák einen neuen
Kommandanten erhielt, wurde ihm ,am 15. August der Befehl über den
von der k. u. k. 33. ID. und der deutschen 92. ID. besetzten Abschnitt
bei Zalosce übertragen.
386
Die Rückeroberung von Ostgalmen
Die anfangs August von der 4. Armee zur Heeresgruppe Böhm-
Ermolli nach Zborów abrollende k. u. k. 11. ID. hatte die 2. GID. ab-
zulösen. Diese und die neueintreffende deutsche 232. ID. sollten zu-
nächst dem Abschnitte Zloczów als Reserve dienen. Die 2. GID. und
das Generalkmdo. LI wurden gegen Mitte August über Cholm nach
Norden abbefördert. Bald folgten die l.GID. und das Generalkommando
des XXIII. RKorps. Alle diese Truppen waren, wie noch ausgeführt
werden wird, für eine Unternehmung gegen Riga bestimmt.
Mit dem Erreichen des Grenzflusses Zbruez und nach der Rück-
eroberung des größten Teiles der Bukowina war der Schwung der
Gegenoffensive der Verbündeten im wesentlichen aufgezehrt. Verur-
sacht wurde dieses Verebben fürs erste durch die Schwierigkeiten im
Nachschub, namentlich an Schießbedarf, dann aber auch durch das uner-
wartet rasche Erstarken des Widerstandes der Russen, die hartnäckig
die Grenzen ihres Reiches verteidigten. Dennoch sollten die in der
Bukowina stehenden Streitkräfte der Verbündeten alsbald neuerlich
zum Angriff aufgerufen werden, der Bresche schlagen sollte für das
Eindringen von Nordwesten her in die Moldau, in derem Südteil schon
seit der letzten Juliwoche erbitterte Kämpfe im Gange waren.
DIE LETZTEN SCHLACHTEN
AUF DEM RUMÄNISCHEN
KRIEGSSCHAUPLATZ
Vi
Die Offensive des neuerstarkten Rumänenheeres
Der russisch-rumänische Operationsplan und die
Maßnahmen der Mittelmächte
H i e z u Skizzen 1 und 2 der Beilage 18
Im Rahmen der von der Stawka für das Jahr 1917 entworfenen
großzügigen Angriffspläne war auch der Rumänischen Front des Königs
Ferdinand eine wichtige Rolle zugedacht; die allgemeine Frühjahrs-
offensive im Osten sollte durch einen Angriff zur Rückeroberung der
Dobrudscha eröffnet werden (S. 14). Nachdem aber das russische Reich
Mitte März durch die Revolution schwer erschüttert worden war,
schränkte Gen. Sacharow, der Stabschef der Rumänischen Front, die
Angriffsziele ein und bezeichnete am 21. März als Hauptzweck der
nächsten Kriegshandlungen, den Gegner durch Teilvorstöße jeder Ar-
mee zu binden und am Abziehen von Kräften zu hindern. Als Träger
des Angriffes waren die drei russischen Armeen ausersehen, wogegen
die 2. Rumänenarmee nur eine unterstützende Aufgabe übernehmen
sollte. Der Kommandant dieser Armee, der Gen. Averescu, wandte sich
hierauf an seinen König und legte dar, daß die seinen Streitkräften
zugemessene, nebensächliche Rolle der Leistungsfähigkeit der Truppen
nicht entspreche. Mit Rücksicht darauf, daß die rumänische 2. Armee
nach beendetem Heeresaufbau ebenso wie die russischen Nachbararmeen
dem Gegner unbedingt weit überlegen sein werden, bat der General, ihm
jetzt, wo es sich um die Befreiung des Heimatbodens handle, die Mög-
lichkeit zu einer kraftvollen Angriffshandlung zu gewähren *).
Der kriegerische Geist der russischen Divisionen an der Rumäni-
schen Front war aber ebenso rasch gesunken, wie an .allen anderen
Fronten; die Frühjahrsoffensive war deshalb unterblieben. Als Mitte
Mai die Oberbefehlshaber in Mohilew Kriegsrat hielten (S. 219), tauchte
nochmals der Plan auf, unten im Süden, die Donau entlang, den Wall
der Mittelmächte zu sprengen und die Dobrudscha zurückzuerobern.
Das rumänische Hauptquartier versprach sich jedoch von dem Unter-
nehmen wenig Erfolg, und der Generalstabschef Presan setzte bei
der Stawka seinen Vorschlag durch, die deutsche 9. Armee bei Nämo-
loasa zu durchbrechen, um möglichst viel Gebiet der Walachei zurück-
zugewinnen2). In diesem Sinne gab Gen. Sehtscherbatschew, der den
-1) D a b i j a, IV, 31 ff.
2) Kiritzesco, 290.
" "" 1
340 Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Gen. Sacharow als oberster russischer Führer der Rumänischen Front
abgelöst hatte (S. 218), am 30. Mai die vom König Ferdinand geneh-
migten Weisungen aus. Im ganzen Befehlsbereich waren Angriffshand-
lungen aufzunehmen, um den Gegner vollständig zu lähmen und im
besonderen seine Streitkräfte im Raum Nämoloasa—Focs ani zu ver-
nichten. Diese Hauptaufgabe wurde der rumänischen 1. Armee zuge-
wiesen, die zwischen der 4. und der 6. Russenarmee in die Front zu
rücken und die deutschen Wehrstellungen in der Richtung auf Rôjn*-
nicu-Särat einzuschlagen hatte. Die südlich anschließende russische
6. Armee sollte mit ihrem Westflügel bis zum Unterlauf des Buzeu an-
greifen, den Rumänen die linke Flanke schützen und weiterhin wo-
möglich auf Bräila vordringen. Rechts vom rumänischen Stoßkeil hatte
die 4. Russenarmee die Mgr. Odobesci zu erobern und durch Vordringen
bis an den Milcovbach die deutsche Stellung bei Focsani unhaltbar
zu machen. Die rumänische 2. Armee hatte mit dem linken Flügel den
Widerstand der Gruppe Gerok zu überwinden und dann nach Süden
bis ins Putnatal vorzustoßen. Schließlich sollte die russische 9. Armee
durch örtliche Vorstöße die k. u.k. 1. Armee fesseln und an der Abgabe
von Reserven hemmen. Für den Beginn der Offensive wurde nach zwei-
maliger Verschiebung der 22. Juli in Aussicht genommen1).
In der Zwischenzeit betrieb man die Vorbereitungen mit großem
Eifer. Die französische Militärmission unter Gen. Berthelot hatte das
rumänische Heer neu aufgerichtet (S. 75) und nach den Erfahrungen
des Westens in einer zeitgemäßen Fechtweise, im Zusammenspiel der
Waffengattungen und im Gebrauch der neuartigen Kampfmittel unter-
wiesen. Um die Schulung der Artillerie hatten sich auch russische Offi-
ziere bemüht. Frankreich steuerte den Hauptteil des erforderlichen
Kriegsgerätes bei. So schwang sich die 1916 zusammengebrochene
Streitmacht des Königreiches wieder zu einem vollwertigen Kriegs-
werkzeug empor. Auf den rumänischen Soldaten hatte der Niedergang
bei den benachbarten Russen in keiner Weise abgefärbt; das neugekräf-
tigte Heer war von bestem Geiste beseelt und begehrte, die erwor-
benen Kenntnisse bei der Rückeroberung des Vaterlandes zu bezeugen2).
Von den 15 Infanteriedivisionen waren bis zum Sommer 1917 zehn voll-
kommen schlagbereit und wurden vom rumänischen Oberkommando
*■) Kiritzesco, 305 ff — Winogradsky, 334 ff. — D a b i j a, IV, 19 ff.
2) Kiritzesco, 281 ff. — Winogradsky, 279 ff., 309 ff., 328 ff. —
B u j a c, Campagnes de l'armée roumaine (Paris 1933), 100 ff. — P é t a i n, Le drama
roumain (Paris 1932), 140 ff.
Zusammensetzung der beiden rumänischen Armeen
341
zum Einsatz bestimmt. Die 2. Armee, Gen. Averescu, (1., 3., 6., 8. ID.
und 2. Cälärasibrigade), war auch während der Reorganisation in der
Front verblieben. Um die Monatswende Juni—Juli rückte nunmehr auch
die 1. Armee, Gen. Cristescu, die aus den Divisionen 5, 9, 12, 13, 14,
der Grenzerbrigade, beiden Kavallerie di Visionen und der 1. Cälärasi-
brigade bestand, in die Serethlinie zwischen die 4. und die 6. Russen-
armee ein und übernahm den Abschnitt bei Nämoloasa. Die rumänische
7. ID. war Heeresreserve. Das I. Korps (2., 4. und 11. ID.), im Mann-
schaftsstand durch Kriegsseuchen sehr geschwächt, war noch nicht
aufgefüllt und hatte den Ausbau fortzusetzen; desgleichen wurden auch
zwei Divisionen des V.Korps (10., 15. ID.) noch zurückgehalten.
Dein Heerführern der Mittelmächte gelang es nicht so leicht, die
Absichten des Feindes zu durchschauen. Am 27. Juni hatte die DOHL.
die Lage dahin beurteilt, daß zwischen den Karpathen und dem
Schwarzen Meere ein Ansturm des Feindes gegen die Heeresgruppe
Mackensen noch nicht nahe bevorstehe, aber jedenfalls zu erwarten
sei. In der rumänischen Ebene sei mit einem Hauptangriff zwischen
Bräila und Nämoloasa zu ^rechnen, der von Teilangriffen gegen die
Dobrudscha und gegen Focsani begleitet sein mochte. Ob sich der Feind
auch gegen den Trotusu- und Oituzuabschnitt wenden werde, bleibe
fraglich; in den Karpathen seien Vorstöße etwa bei Kirlibaba möglich.
In der ersten Juliwoche gewann GFM. Mackensen schon eindrucks-
vollere Anzeichen. Bei der 9. Armee, die jetzt an Stelle des in die
Türkei berufenen Gdl. Falkenhayn Gdl. Eben befehligte, erhielten der
von Türken, Bulgaren und der k. u.k. 145. IBrig. besetzte Abschnitt des
GenKmdos. LH (früher Donauarmee, Gdl. Kosch) sowie die Mittel-
gruppe Schaer (deutsche 109. und öst.-ung. 92. ID.) lebhaftes Geschütz-
feuer; in der Luft entspannen sich rege Kämpfe. Der Feind baute in
dem Frontvorsprung, der vor Nämoloasa auf das rechte Serethufer
übergriff, neue Brücken über den Fluß. Hinter den russisch-rumäni-
schen Linien nahm der Verkehr auf Straßen und Bahnen stark zu. Der
öst.-ung. Generalstabschef, Gdl.Arz, glaubte hingegen am 8. Juli noch
an keine größere Operation der Russen gegen die Serethlinie, da sie
dort das XXIX. Korps mit drei Divisionen und anscheinend auch das
XL VII. Korps zurückzogen. Arz regte bei Hindenburg an, aus Rumä-
nien gleichfalls Kräfte für Ostgaiizien herauszulösen. Ludendorff er-
klärte jedoch namens der DOHL., die Feindlage sei noch nicht klar
zu übersehen; man müsse abwarten, ob die russischen Verbände auch
wirklich abbefördert würden.
342 Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
In den nächsten Tagen festigte sich bei Mackensen die Überzeu-
gung, daß der Feind zu einem ernstgemeinten Schlag ausholen werde.
Die Deutschen trafen Gegenmaßregeln. Die Heeresgruppenreserve, die
76. RD., wurde bei der Armee Eben hinter die Naht des Korps Gdl.
Kosch und der 115, ID. gestellt. Die der 9. Armee von der Isonzo front
zugeführte k. u.k. 62. ID., GM. v. Brunswik (S. 216), ersetzte um die
Monatsmitte bei der Gruppe Gallwitz die deutsche 212. ID., damit diese
mit ihrer Hauptkraft den Türken am rechten Heeresflügel als Rückhalt
dienen könne. Dem weniger gefährdeten I. RKorps wurden noch mög-
lichst viele Truppen entnommen, die den bedrohten Frontteilen zu-
geschoben wurden. Am linken Flügel der Gruppe des preuß. GM.
v. Gollwitz wurde im Einvernehmen mit der Heeresfront Erzherzog
Joseph für deren anschließende Gruppe Gerok eine gemischte Abtei-
lung (2 Bataillone, 3 Schwadronen, 1 Batterie) bereitgestellt. Der Feind
hatte inzwischen unverdrossen an seiner Angriffsgruppierung weiter-
gearbeitet, vor der Durchbruchsstelle ein reichverzweigtes Grabeimetz
ausgehoben und seine Geschütze fleißig spielen lassen. Die Verbündeten
blieben die Antwort, namentlich gegenüber den erkannten Sammelräu-
men, nicht schuldig und trachteten, die Ausladeorte der Rumänen und
Russen in Brand zu stecken. Nach dem 20. Juli erwartete das Heeres-
gruppenkommando Mackensen den Angriff der Feinde mit Sicherheit
im Räume Voinesti—Nämoloasa.
Bei der Heeresfront Erzherzog Joseph wurde die 7. Armee, GO.
Kövess, seit Anfang Juli an den alten Druckstellen der Front von den
Russen, offenbar im Zusammenhang mit der in Ostgalizien eröffneten
Offensive, mit stärkerem Artille rief euer angefallen. Diese Versuche des
Feindes wie auch seine örtlichen, schwächlichen Infanterievorstöße
waren aber als Ablenkungsunternehmen nicht zu verkennen. Auch bei
der 1. Armee, GO. Freih. v. Rohr, beschränkte sich die Gefechtstätig-
keit zunächst auf das gegenseitige Störungsfeuer der Batterien. Das
Heeresfrontkommando ließ sich jedoch nicht abhalten, durch die der
Armee Kövess zugeführte 7. ID. (S. 283) bei der Gruppe Litzmann der
1. Armee die bayrische 8. RD. zu ersetzen und diese der Heeresgruppe
Böhm-Ermolli zur Verfügung zu stellen (S. 284). Als Gdl. Litzmann
mit seinem Stabe ebenfalls dorthin abging (S. 272), wurde dem FML.
Liposcak der Befehl über die 7. ID., die k.u. 16.LstIBrig. und über die
10. KD. übertragen. Das VI. Korps, dessen Führer, Gdl. Csanády, auf
Geheiß der Heeresleitung mit jenem des XXVI. Korps, FML. Hadfy,
zu tauschen hatte, trat unmittelbar unter das 1. Armeekommando.
Anzeichen für Angriffe der Feinde
343
Mit großer Eifer sammelte man bei der Heeresfront alle Nach-
richten, die über die Stimmung und das nächste Vorhaben des Feindes
Aufschluß geben konnten. Überläufer und Unterhändler wußten wohl
viel von Kriegsmüdigkeit und Angriffsweigerungen in den russischen
Reihen zu berichten. Auch glaubte man, den rumänischen Soldaten eine
gedrückte Stimmung anzumerken. Um den Feind moralisch zu schwä-
chen und weiter ruhig zu erhalten, Heß das Heeresfrontkommando in
den Gräben des Feindes die Erinnerung verbreiten, daß die Russen es
gewesen seien, die die an Her Ostfront eingetretene Waffenruhe durch
ihren Angriff in Galizien unterbrochen und damit der Friedensbereit-
schaft der Mittelmächte gespottet hätten. Man mußte aber bald erken-
nen, daß weder dieses Mittel noch der Hinweis, das neue Rußland habe
sich nur im Interesse der Entente in weitere, zwecklose Blutopfer ge-
stürzt, nicht verfingen. Um so mehr Beachtung verdienten die Maß-
nahmen der feindlichen Führung. Um die Monatsmitte wurde die
Artillerie vor der Gruppe Gerok verstärkt und begann sich auffällig
gegen die deutsche 218. ID. einzuschießen. Hinter der Front setzten
bei Rumänen und Russen große Truppenbewegungen ein. Wenn die
Russen auch das anscheinend ziemlich zersetzte XLV. Korps vom linken
Flügel ihrer 9. Armee nach hinten zqgen, so zeigten doch die son-
stigen, in der Kampflinie bleibenden Verbände, auch vor dem k. u.k.
XXI. Korps, in ihrem Gehaben wieder feindseligeres Verhalten.
So kam das l.Armeekmdo. am 13. Juli zu der Anschauung, es
werde gegen die ganze Gruppe Gerok, wahrscheinlich ,auch gegen das
VI. Korps, ein Angriff geplant. Das k.u.k. AOK. kündigte dem Heeres-
frontkommando den Zuschub der abgekämpften 15. und der 16. ID.
(ohne Artillerie) an (S. 280) und befahl, beide Divisionen durch Ersätze
der 1. und der 7. Armee aufzufüllen, sie hierauf an ruhigen Front-
strecken einzusetzen, dafür aber eine kampfkräftige Division an den
Oberbefehlshaber Ost abzugeben. Dagegen erhob GO. Erzherzog Joseph
beim Chef des Geaeralstabes, Gdl. Arz, Einspruch1). Der Erzherzog er-
klärte, daß er bisher stets bereitwillig Kräfte, soferne solche entbehrlich
waren, an andere bedrohte Fronten abgetreten habe, so noch jüngst
die 8. bayr. RD. und die Batterien an die Heeresgruppe Böhm-Ermolli,
ferner 19.000 ausgebildete Ersatzmänner an die Isonzoarmee. Jetzt seien
1) FM. Erzherzog J o s e p h, Der Weltkrieg, wie ich ihn sah (in un-
garischer Sprache, Budapest 1931), V, 70 ff. Das umfangreiche Werk bringt fast
den gesamten dienstlichen Schriftwechsel des Heeresfrontkommandos ins Ungarische
übersetzt.
344
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
die Fronttruppen durch Abgaben für Erntearbeiten ohnehin geschwächt.
Für größere Kampfhandlungen reiche der Geschoßvorrat nicht aus; dies
sei hier besonders gefährlich, da im wegarmen Gebirgslande das Vor-
bringen von der Bahn bis zur Batterie viel Zeit brauche. Ein Angriff
des Feindes auf den rechten Flügel der 1. Armee stehe fast sicher
bevor. Zur Abwehr werde, was möglich sei, vorgekehrt werden; aber
bei einem gleichzeitigen Angriff an mehreren Stellen könne sich das
Heeresfrontkommando ,,nur auf die Festigkeit der Frontbesatzung selbst
verlassen", denn beiden Armeen fehle es an genügenden Reserven. Der
Auftrag, die neu zugewiesenen Divisionen sowie die 7. ID. aus den
Mannschaftsbeständen der Heeresfront zu ergänzen, bedeute ein Schwä-
chen der Kampflinie, da der Grundsatz, nur völlig ausgebildete Leute
einzureihen, beibehalten werden müsse. Das Auffüllen der drei Divi-
sionen werde daher längere Zeit dauern und auf Kosten der übrigen
Verbände gehen. Die Verminderung der Kampfkraft habe nunmehr das
äußerste Maß erreicht, „wenn nicht überschritten", innerhalb dessen
der Befehlshaber die Verantwortung für das Behaupten der Front eben
noch tragen könne.
In der Antwort aus Baden wurde dem Erzherzog entgegengehalten,
daß er jetzt im Juli vergleichsweise dem Feinde mit mehr Kräften,
Kampfmitteln und in besser ausgebauten Stellungen als im Dezem-
ber 1916 entgegenzutreten vermöge; es dürfe auch nicht vergessen
werden, daß die Lage nach einer elften Isonzoschlacht „gebieterisch
zwingen" könnte, der Heeresfront sogar alle einreihungsfähigen Ersätze
(11.000 Mann) abzuziehen. Nur an der Kärntner Front (10. Armee) sei
das Verhältnis zwischen den eigenen und den feindlichen Kräften für
uns besser als in Siebenbürgen, sonst durchwegs wesentlich ungünstiger.
Die Führer aller Grade und die Truppen der Mittelmächte hätten mit
diesen Gegebenheiten zu rechnen. „Sie sind unabänderlich. — Wir
müssen riskieren und müssen dabei mit Zuversicht in den Kampf treten."
Am 15. Juli sah sich der Heeresfrontkommandant bewogen, der
Gruppe Gerok das Befehlsrecht über das vom Nordteil der 7. Armee
nach Bereczk verlegte IR. 157 der deutschen 117. ID. einzuräumen und
alle Beschränkungen, die dem Gruppenführer in bezug auf die Kampf-
handlungen seiner Streiter auferlegt waren, aufzuheben, damit dieser
offenbare Angriffsvorbereitungen des Feindes in jeder Weise vergelten
könne. Gdl. Gerok erwartete Vorstöße, die von Überläufern für den
18. Juli angesagt wurden, im Susita- und im Casinugebiet sowie im
Oituzu- und im Slänictale. Aus den Divisionen der Gruppe Ruiz und
Abwehrmaßnahmen bei der Heeresfront Erzhersog Joseph
345
des VIII. Korps wurden, möglichst viel Abschnittsreserven ausgeschie-
den und hinter der langgestreckten Abwehrlinie bereitgestellt. Vom
IR. 157 wurden zwei Bataillone in das Sovejabecken, eines in den
Ojtozpaß nach Sosmezö vorgezogen. Schließlich konnte noch auf die
1300 Schützen der 7. KD. gegriffen werden, die aus der Walachei nach
Kézdivásárhely herangeholt worden war (S. 284) und hier die Um-
wandlung ihrer Regimenter in reine Fußtruppen vornahm.
Am 16. verhielt Erzherzog Joseph aus Besorgnis um seinen rechten
Heeresflügel die Armee Kövess, mit der in Reserve genommenen 8. KD.
die noch beim XVII. Korps verbliebenen Truppen der deutschen
117. ID. (RIR. 22) nebst dem Divisionsstabe des GM. Seydel beschleu-
nigt abzulösen. Ob die Division noch, wie seit langem geplant, bei der
Gruppe Krauss gesammelt werden könnte (S. 283), oder ob die letzten
Teile über Dés nach Bereczk zur 1. Armee abzubefordern wären, hing
von der nächsten Entwicklung der Ereignisse ab. Sowohl das XVII.
Koirpskmdo. als auch GO. Kövess wiesen nachdrücklich auf die durch
diese Maßnahmen bedingte Schwächung der Front hin. Das Heere s-
frontkommando konnte sich den vorgebrachten Beweisgründen nicht
verschließen, aber dennoch keine Abhilfe schaffen.
Der 18. Juli ging bei der Gruppe Gerok kampflos vorüber, weil
die Russen — wie es hieß — nicht zum Angriff zu bewegen waren;
dieser wurde aber für die nächsten Tage angekündigt. In Baden glaubte
man jedoch, da die Russen seit einiger Zeit von der Rumänischen Front
Kräfte abbefördert oder zurückgezogen hatten, nicht recht an eine
große Offensive des Feindes. Auch aus dem Einsatz der, wie man
meinte, „kaum als sehr kampfkräftig zu betrachtenden rumänischen
Divisionen" wollte man nicht auf „große Angriffs absich ten'4 schließen,
hielt aber örtliche Anstürme einzelner Divisionen gegen die Gruppe
Gerok für möglich. Die Heeresleitung gestattete auch nur, die Ernte-
arbeiter des VIII. Korps und der l.KD. einzuberufen.
Am 19. Juli wies Erzherzog Joseph die 7. Armee an, auf Teilangriffe
bedacht zu sein, falls sich der in Galizien gegen die Russen eingeleitete,
machtvolle Schlag auf die Karpathenfront auswirke. In weiterer Folge
sei an eine scharfe Verfolgung zu denken, und es wären hiezu frühzeitig
und rücksichtslos, selbst durch Entblößen minder wichtiger Frontteile,,
Truppen zusammenzuziehen. Bei der 1. Armee trafen inzwischen die
Anfänge der 15. ID. samt den zugehörigen Marschkompagnien ein;
nach dem notwendigsten Festigen de^ Verbände sollten durch ihren
Einsatz beim XXI. Korps zunächst sechs Bataillone der 37. HID. frei-
846
Die letzten Schláchten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
gemacht werden. Das Heeresfrontkommando erachtete am 21. Juli den
Abschnitt Geròk mit den vorhandenen Eingreiftruppen und gestützt
auf die Nahtreserve der 9. Armee, für genügend gestärkt. Es be-
zweifelte nur einigermaßen, ob die russische Führung ihre Soldaten
binnen wenigen Tagen zum Losschlagen umstimmen könne. Auf diese
Frage gaben aber die Kanoniere des Feindes eine vernehmliche Ant-
wort, indem sie auf die Stellungen Geroks und darüber nach Norden
hinaus auch auf die 31. ID. und die 3. KD. des XXI. Korps ein leb-
haftes Feuer eröffneten.
Der Vorabend der russisch-rumänischen Offensive war somit .an-
gebrochen. Sie war das letzte Glied ;aus der Kette von Gewaltschlägen,
die von, der Stawka aus dem Gedanken der ,,Generaloffensive auf gan-
zer Front" seit 1916 gegen die Mittelmächte entfesselt wurden. Das
angestrebte, gleichzeitige Angreifen der russischen Heeresfronten war
freilich nie zu erzielen gewesen. Auch jetzt, im Hochsommer 1917, als
bereits die Provisorische Regierung Kerenski das Erbe des Selbstherr-
schers aller Reußen angetreten und die Kriegsmacht Rußlands zum
allgemeinen Großangriff .angespornt hatte, erfolgten die Anstürme der
Südwestfront, der Westfront und schließlich der Rumänischen Front
zeitlich hintereinander.
Die Angriffe über den Sereth und gegen die Ostgrenze
Siebenbürgens
Die Artillerieschlacht hei Namoloa^a
(22. bis 25. Juli)
Für das Ringen um die Walachei standen dem König Ferdinand
von Rumänien überlegene Streitkräfte zu Gebote. Die fünf Armeen
seiner Heeresfront umfaßten 47 Infanterie- und 11 Kavallerie di Visio-
nen1). Mackensen und Erzherzog Joseph verfügten vom Schwarzen
Meere bis in die Waldkarpathen, wo der Befehlsbereich der Rumä-
nischen Front mit dem rechten Flügel der 9. Russenarmee westlich des
Mestecänescipasses vor der ll.HKD. endete, nur über rund 28 Infan-
terie- und. 8 Kavalleriedivisioinen. War auch dem größeren Teile der
9. Russenarmee bei der Offensive keine besondere Aufgabe zugedacht,
1) Die fünf Rumänendivisionen, die noch nicht verwendbar waren, sind nicht
mitgezählt.
Die beiderseitigen Kräfte im Kampfraum am Sereth
347
und mochte auch die Kampflust mancher russischer Verbände nur
mäßig siein, so blieben den Angreifern doch noch reichliche Kräfte, um
an den gewählten Druckstellen eine erhebliche Übermacht zusammen-
zuballen. Der bulgarischen 3. Armee, Gen. Nerjezoff, und dem rechten
Flügel der Armee Eben (GenKmdo. LH und 115. ID.) stand bis Oran-
gem die russische 6. Armee, Gem. Zurikow, mit dem Schwergewicht am
Serethunterlauf gegenüber. Rechts angrenzend hatte die rumänische
1. Armee, Gen. Cristescu, im Frontknie vor Nämoloasa das III. Korps
mit der 13. und der 14. ID. im ersten und mit der 5. ID. im zweiten
Treffen als Durchbruchskeil gruppiert. Ein neugebildetes VI. Korps
(9. ID., 1. Cälärasibrigade und russische 80. ID.) schloß von Nämo-
loasa bis Movileni an. Hinter den beiden Korps hielt Cristescu noch
die 12. ID., die Grenzerbrigade und beide Kavallerie di visionen zur Aus-
wertung des erhofften Erfolges bereit.
Dieser gewaltigen Masse hatten bei den Verbündeten vor allem die
Gruppe Behrx) (deutsche 109. und öst.-ung. 92. ID.) und die rechts
benachbarte IIS. ID. die Stime zu bieten. Die Reserven der Verteidi-
ger waren spärlich. Den beiden deutschen Divisionen und der bul-
garischen Komb. ID. des Korps Kosch diente je ein Regiment der
76. RD. als Rückhalt; der k. u. k. 92. ID., GM. Edi. v. Krasel, waren
zwei Bataillone des I. RKorps zugewiesen. Das rumänische Oberkom-
mando verfügte noch über die 7. ID. und hinter der 6. Russenarmee
über das XXIX. Korps (l.SchD., 7. SchD., 3. kauk. SchD.) und über das
III. Kavalleriekorps (10. KD., l.DonKosD., TerekKosD.) als Heeres-
reserven. Die vom Gen. Ragosa befehligte russische 4. Armee wandte
sich mit ihren .acht Infanteriedivisionen und einer Kavallerie division
gegen das deutsche I. RKorps, GLt. v. Morgen, und gegen die Gruppe
Gallwitz. Der rechte Flügel der Russen reichte zur k.u.k. 1. Armee
hinüber bis vor den halben Abschnitt der 218. ID. der Gruppe Gerok.
Am 22. Juli schwoll das Artilleriefeuer des Feindes gegen viele
Stellen der Heeresgruppe Mackensen, besonders gegen die Mitte der
9. Armee, beträchtlich an. Ihr Führer schob daher noch das nördlich von
Romnicu-Särat stehende deutsche IR. 42 auf Kraftwagen der Gruppe
Behr zu. Am 23. ging der Feind zum Wirkungsschießen über. Seine
Batterien hämmerten auf die Mitte und den rechten Flügel der Armee
Eben ein, während das gegen die Armee Nerjezoff sowie gegen da:S
Korps Morgen und den Abschnitt Gallwitz gerichtete Feuer offenbar
1) Die bisherige Gruppe Schaer wurde nunmehr durch den neuernannten Führer
der 109. ID., den preuß. GLt. v. Behr, befehligt.
348
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
nur ablenken sollte. Dieses Vorbereiitungsfeuer währte drei Tage und
erreichte einen an der rumänischen Front bisher nicht gekannten Stärke-
grad. Gegen den Einbruchsraum vor Nämoloasa wüteten 600 Geschütze ;
sie verbrauchten 170.000 Geschosse mit einem Gesamtgewicht von
2000 Tonnen1). Die Verteidiger erwiderten mit einem kräftigen Ver-
nichtungsfeuer auf die Sammelräume der Stürmer und wähnten, den
Angriffswillen der feindlichen Infanterie, als sie nach dem 25. Juli
nicht anging, gebrochen zu haben. In Wirklichkeit war aber Kerenski
dem König von Rumänien überraschend in den Arm gefallen. Die rus-
sische Regierung, sehr bestürzt über den Niederbruch ihres Heeres in
Galizien, gebot am 25. ihren auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
fechtenden Armeen, die begonnene Offensive einzustellen. Das rumä-
nische Oberkommando mußte schweren Herzens auf das Fortsetzen der
Kriegshandlung verzichten, in die man große Hoffnungen gesetzt hatte.
So waren nur gewaltige Munitionsmengen vergeudet worden; die
Schlacht bei Nämoloasa wurde nicht durchgekämpft. Der von Gen.
Schtscherbatschew an die russischen Armeen gerichtete Befehl, sprach
von einem nur „vorübergehenden" Abbrechen der Offensive, um die
Kampfkraft des Heeres für die Zukunft zu sichern. Mit allen Mitteln
sei zu trachten, neuerdings eine „eiserne" Manneszucht zu schaffen2).
Der Einbruch der Armee Averescu in das S ove jubecken
(22. bis 29. Juli)
Bei der zwischen dem Susita- und dem Casinutale vor der öst.-
ung. Armee Rohr stehenden rumänischen 2. Armee, die 56 Bataillone,
16 Schwadronen und 66 Batterien mit 316 Geschützen zählte, hatte
Gen. Averescu den Angriff seit langem sorgfältig vorbereiten lassen.
Während der schwach gehaltene rechte Flügel, das IV. Rumänenkorps
(8. und halbe 6. ID.) den Gegner, die k. u. k. 8. GbBrig. und die 1. KD:,
im Casinugebiet durch Vorstöße fesseln sollte, hatte links davon das
II. Rumänenkorps (die halbe 6. und die 3. ID., denen die 1. ID. und
die 2. Cälärasibrigade als Reserve dienten) den Hauptschlag zu führen.
Die Wehr Stellung der deutschen 218. ID. war bei Mär ästi zu zertrüm-
mern und zunächst bis Câmpurile und Gäurile vorzudringen. Gegen
die Südhälfte der auf 28 km ausgedehnten 218. ID. war von Racoasa
x) IC i r i t z e s c o, 308 ff. — W i n o g r a d s k y, 361 ff.
2) D a b i j a, IV, 104.
Die Schwächen der Gruppe Gerok
349
bis Iresci das kampfgewohnte VIII. Russenkorps der 4. Armee (15.,
14. ID. und Teile der 3. turk. SchD.) angesetzt, das zur Unterstützung
des rumänischen Sturmblockes die Ansdilußlinie Gäurile—Iresci zu
gewinnen hatte. Nach dem Erreichen dieser ersten Durchbruchsziele
wollte Averescu die Artillerie nachziehen, das festhaltende IV. Korps
auf gleiche Höhe mit der Hauptkraft bringen und sodann* links ein-
schwenkend, den Angriff bis an die obere Putna vortragen1).
Gdl. Gerok war in seinem Südabschnitt, den die Gruppe Ruiz
(l.KD. und deutsche 218. ID.) zu verteidigen hatte, dem rumänisch-
russischen Aufgebot von sechs Divisionen und einer Reiterbrigade sehr
unterlegen. Er verfügte als Rückhalt für die das Sovejabecken östlich
umspannende und hauptsächlich auf Stützpunkte verteilte, dünne Front-
besatzung bloß über fünf Bataillone, was in dem schwierigen Berg-
gelände nicht viel bedeutete. Die Nahtreserve der Naqhbararmee Eben
(2 Bataillone, 3 Schwadronen, 1 Batterie) stand im Putnatal bei Colacu.
Etwas günstiger war das Kräfteverhältnis im Casinu- und im Oituzu-
gebiet beim k. u. k. VIII. Korps, dessen zwei verstärkte Divisionen drei
bis vier feindliche vor sich hatten. Geroks Reserve am Ojtozpaß be-
stand allerdings nur aus einem deutschen Bataillon (S. 345).
Die Abwehrfront der Verbündeten verlief in dem hohen, wenig
zugänglichen Waldgebirge dort, wo die Offensive im Winter erstarrt
war. Mit den geringen Kräften der Verteidiger konnte während der
halbjährigen Ruhepause bis zum Juli nur die erste Stellung ausgebaut
werden. Die 218. ID. entbehrte einer zweiten Stellung. Die l.KD. hatte
ein kurzes Stück nordwestlich des Susitaknies fertiggebracht, doch fehlte
der Anschluß zum VIII. Korps, bei dem die aus den Herbstkämpfen
des Vorjahres stammenden Wehranlagen vom Runeulmare A 1108 bis
zum N. Sándor A 1640 ,als zweite Stellung dienen konnten. Zwischen
den Orten Ojtoz und Bereczk war überdies eine Paßsperre vorhanden.
Recht ¡schwierig war in dem weiträumigen Gebirgslande der Nachschub
zu bewältigen, ob es sich nun um das Zuführen von Reserven oder um
die Versorgung der Kampftruppen handelte. Das VIII. Korps war auf
die eine Paßstraße angewiesen, die an die in Bereczk endende Vollbahn
anschloß. Zur 8. G'bBrig. der 7. ID. und zur Gruppe Ruiz führte aus
der Háromszék überhaupt kein gebauter Fahrweg. Die Lebensader für
das Sovejabecken war ein aus schmalspurigen Wald- und aus Seil-
*■) Dab i ja, IV, 61 ff. — Kiritzesco, 311 ff. — Winogradsky, 352 ff.
— Stoenescu, Batalia de la Märästi (Bukarest 1930). — Kiszling, Die Kämpfe
der k. u. k. 1. Armee im Sommer 1917 (ungedruckte Arbeit).
350
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
bahnen zusammengesetzter Strang, der den 30 km breiten Wall des
Bereczker Gebirges überquerte und sich nach vorne mehrfach verästelte.
Am 22. Juli nach Mitternacht leiteten die rumänischen Kanoniere
mit einem Feuerüberfall auf die Gruppe Ruiz das Zerstörungswerk der
Artillerie ein, das besonders dem Räume beiderseits des Susitatales
galt. Die Batterien des VIII. Russenkorps fielen in die Kanonade ein,
die, durch Pausen kaum unterbrochen, bis in die Abendstunden hinein
andauerte. Die russische 9. Armee hatte nicht nur gegen das öst.-ung.
VIII. Korps, FZM. Benigni, im Oituzu- und im Slänicabschnitt ein
kräftiges Artilleriefeuer aufgenommen, sondern ließ die Geschütze an
der Front der Armee Rohr bis vor die Mitte des vom FML. Lütgendorf
befehligten XXI. Korps spielen. Die nur vereinzelt und behutsam vor-
tastende feindliche Infanterie konnten die Verteidiger überall ohne
Mühe abschütteln. Das Heeresfrontkommando ersah noch keine Gefahr
und befahl dem 1. Armeekmdo., die 7. KD. mit der Bahn der 7. Armee
zuzuführen, damit GO. Kövess bei der Gruppe Krauss das GrenR.3 der
deutschen 1. ID. ablösen und dem Korps Conta zurückgeben könne.
Denn dieses hatte für einen Vorstoß nach Norden zu rüsten. Die Hee-
resleitung drängte den Erzherzog Joseph, die 37. HID. ehestens für die
Heeresgruppe Böhm-Ermolli freizumachen.
Nach Weisung des Gen. Averescu unterhielt seine Artillerie auch
während der Nacht auf den 23. ein Störungsf euer ; sie ging am Tage
zu gesteigertem Wirkungsschießen über. Am linken Flügel half dier rus-
sische Nachbar tüchtig mit. Aber auch die 9. Armee erfüllte ihre Auf-
gabe, den Gegner niederzuhalten. Schon in den Morgenstunden mußte
die k. u. k. 10. KD. der Gruppe Lipo-scak russische Eindringlinge aus
einem Stellungsstück verjagen. Bei Gerok vereitelte das Korps Benigni
alle Vorstöße der Russen; desgleichen wehrte die 218. ID., GM.v. Nostitz,
an vier Stellen vorstrebende Rumänen ab. Averescu hielt am Abend
die der deutschen Abwehr geschlagenen Breschen für ausreichend und
rief seine Streiter für den nächsten Tag zum Sturm auf1).
Auch während der Nacht schwiegen vor Gerok die feindlichen Bat-
terien nicht; am 24. Juli um 3h früh überschütteten sie nochmals wuch-
tig, auch mit Giftgasen, die Stellungen und das Hintergelände. Um
4h schritt die Infanterie zum Sturm. Das russische VIII. Korps mit
seiner Übermacht durchbrach ;am Südflügel nach hartem Kampfe das
gegenüberstehende deutsche Regiment der Division Nostitz. Die Bat-
terien des Abschnittes hielten wacker aus, versäumten den Zeitpunkt
!) D a b i j a, IV, 88 ff.
Einbrechen der Armee Averescu in die Stellungen Geroks
351
zum Abfahren und fielen daher zum Großteil in Feindeshand. Die
rumänische 3. ID. erstürmte um 6h30 das befestigte Dorf Märästi und
im Verein mit der halben 6. ID. trotz aller Gegenwehr der Deutschen
den nach Nordwesten streichenden Höhenrücken. Das hier fechtende
Regiment der Verteidiger mußte gleichfalls zurück. Das letzte Regiment
der Division behauptete jedoch auf dem Nordflügel seine beherrschen-
den Höhen gegen die Vorstöße, die von Teilen der 6. Rumänendivision
versucht wurden.
Die Größe des Einbruches war anfänglich nicht zu erkennen. Bis
Mittag wurde der rechte und der Mittelabschnitt der 218. ID. ungefähr
auf die Linie Vidra—Gäurile—östlich Câmpurile zurückgedrückt. Von
hier bis zum festhaltenden Nordflügel bestand nur lose Verbindung. Die
südlich der Susita eingeleiteten Gegenangriffe konnten nicht durch-
dringen, weil wegen des Verlustes der Batterien die Feuerunterstützung
fehlte, die feindliche Artillerie dagegen das Kampffeld wirkungsvoll
beherrschte. Ebenso mußte ein nördlich des Tales beabsichtigter Gegen-
angriff unterbleiben, weil der Feind selbst weiter angriff, und die
Verteidiger ihre verfügbaren Kräfte zum Füllen der Lücken und Auf-
fangen der Stöße benötigten.
Nach Ansicht Geroks waren die gelichteten Truppen bei Câmpu-
rile einem zu erwartenden, erneuten Anprall der überlegenen Rumä-
nen nicht mehr gewachsen; der ausharrende Nordflügel der 218. ID.
hatte eine schlecht gesicherte Ostflanke. Reserven vermochten nicht
mehr rechtzeitig und vor allem nicht in ausreichender Stärke heran-
gebracht zu werden. Der Feind konnte durch einen längs der Susita
geführten, erfolgreichen Stoß den festgebliebenen Frontteilen der Gruppe
Ruiz in den Rücken fallen und die 1. KD. ihrer Artillerie berauben.
Gdl. Gerok gedachte daher, den noch stehenden Westteil, der Gruppe
Ruiz, mit dem linken Flügel als Drehpunkt, zurückschwenken zu lassen
und in der Verlängerung des Susitatales von Rotilesci bis zum D. Arsitei
^>-513 eine neue, nach Osten gerichtete Front zu bilden. Diese Rück-
bewegung sollte abends erfolgen.
Der Feind griff aber schon nachmittags die sehr schüttere Mitte
der 218. ID. wieder an und brach nördlich von Gäurile durch. Um die
Division vor einer Vernichtung zu bewahren, beschloß Gerok, die ganze
Gruppe Ruiz während der Nacht vom Feinde abzusetzen und nach
Westen zurückzunehmen. Die l.KD. hatte in die zugewiesene Linie zu
weichen, die 218. ID. auf den letzten Höhenzug abzurücken, der das
Sovejabecken im Osten umsäumt. Es war dies zum größten Teile die
352 Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
zwar erkundete, aber nicht ausgebaute zweite Stellung. Die deutsche
9. Armee übernahm die Aufgabe, zur Verbindung eine; Höhe nordwest-
lich von Colacu zu besetzen und ließ zum Schutze ihrer eigenen linken
Flanke durch die bei der Gruppe Gallwitz bereitgehaltene Reserve an
der Putna von Bura bis Colacu einen Riegel bilden.
Beim VIII. Korps hatte die 8.GbBrig., Obst. Rath, durch kräftiges
Vergeltungsfeuer die Rumänen mit ihren geplanten, ablenkenden Unter-
nehmen nicht aufkommen lassen. Auf der Mgr. Casinului A 1167 schlug
das IR. 82 abends Überfalls artig vorbrechende Russen ab. Im übrigen
setzten sie der Armee Rohr hauptsächlich mit Geschützfeuer zu. Der
31. ID. des Korps Lütgendorf gewannen sie vorübergehend eine kleine
Vorfeldstellung ab. Das l.Armeekmdo. sah sich aber doch bewogen,
seine Reserve, das Bataillon II/44, dem XXI. Korps freizugeben und
ihm ein deutsches Bataillon der 225. ID. zuzuschieben.
Es war außerordentlich schwer, der hartbedrängten 218. ID. zu
helfen; zum ersten, weil keine Reserven zur Hand waren, und auch
wegen der abgeschiedenen Lage des Sovejabeckens und seiner miß-
lichen Zugänge. Gerok sandte der Gruppe Ruiz das deutsche Bataillon
von Sosmezö (S. 345) und das Bataillon IV/24 der 8.GbBrig. zu. Die
Heeresfront hatte, da die 7. KD. eben zur Armee Kövess abrollte, nur
das dort durch die 8. KD. ausgelöste RIR. 22 der deutschen 117. ID.
verfügbar (S. 345), das aber auch dem Karpathenkorps zugedacht war.
Dieses Regiment sowie ein neuaufgestelltes Sturmbataillon der Heeres-
front und sechs Batterien waren zunächst die einzigen Truppen., die
Erzherzog Joseph der Gruppe Gerok zuführen konnte. Dabei sollte aber
anderseits die 7. Armee, deren linker Flügel sich gerade jetzt im An-
schluß an die Heeresgruppe Böhm-Ermolli zur Verfolgung der Russen
anschickte (S.316), für ein kraftvolles Nachdrängen verstärkt werden.
Den zwiespältigen Forderungen der Lage, die aus den karg bemessenen
Streitkräften gleichzeitig nach zwei Seiten, hier zur Abwehr und dort
zum Angriff, Verstärkungen erheischte, wurden die Entschlüsse der
Heeresfront mm auf einige Wochen unterworfen. Überdies begannen
sich die DOHL. und die öst.-ung. Heeresleitung jetzt im Hinblicke auf
die siegreichen Fortschritte in Ostgalizien mit neuen, großzügigen Plä-
nen zu befassen, die auf die Mitwirkung der Erzherzogfront rechneten;
davon soll der nächste Abschnitt handeln.
Vor dem 29. Juli war auf die für Gerok bestimmten Eingreiftrup-
pen nicht zu bauen. Bis dahin mußte die Gruppe Ruiz trachten,, durch
elastische Verteidigung dem Feinde das Vordringen möglichst zu ver-
Neue Weisungen an Averescu
353
wehren, ohne die vorhandenen«, schwachen Kräfte gänzlich zu ver-
brauchen. Wichtig war es, den Flügelanschluß an die deutsche 9. Armee
dauernd zu wahren.
Die Gruppe Ruiz konnte, durch den Feind nicht belästigt, ihre
neue Stellung beziehen. Das Bataillon IV/24 und vier Schwadronen
deckten, indem sie als Nachhut bei Rotilesci noch am 25. abends das
Susitatal sperrten, den Abzug der 1. Kavallerie division. Die Rumänen
waren, ihre Artillerie nachziehend, nur vorsichtig gefolgt, verloren
daher vielfach die Fühlung mit dem Gegner und blieben über dessen
neue Widerstandslinie vorerst im unklaren. Gen. Averescu setzte seine
1. ID., bisher Armeereserve, zwischen der 6. und der 3. ID. ein. Zu,
ernsteren Gefechten kam es am 25. Juli nur ;am Bruchpunkt zwischen
der alten und der neuen Abwehrlinie/ wo die Rumänen das HR. 14
und das, benachbarte Bataillon 1/15 der 8. GbBrig. anfielen, sich aber
eine Schlappe holten.
Nachmittags ging dem Gen. Averescu der ganz unerwartete Befehl
der rumänischen Heeresleitung zu, die Offensive einzustellen (S. 348).
Die 2. Armee sollte sich im errungenen Raum gut verschanzen und
ihre Kräfte so gruppieren, daß sie einem Angriff des Gegners unter
günstigen Bedingungen widerstehen konnten. Averescu erhob sofort
Einspruch. Abgesehen davon, daß der treffliche Kampfgeist der Trup-
pen sinken mochte, wenn sie jetzt unmittelbar nach einem mit großen
Blutopfern erkauften Erfolge gleich wieder in die Abwehr hätten fallen
sollen, war auch; das Gelände für die Wahl einer Dauerstellung sehr
ungünstig. Man hätte dem Gegner einen starken, beherrschenden
Höhenzug überlassen, hinter dem im Sovejabecken ein vorteilhafter
Verkehrsweg entlang lief. Das rumänische Hauptquartier schenkte dem
Armeeführer Gehör und gestattete, den Angriff bis zum Erreichen
einer guten Widerstandslinie fortzusetzen. Demnach hatte an der Mol-
daufront nur die 2. Rumänenarmee weiterhin anzugreifen. Auf ein aus-
giebiges Mitwirken des russischen VIII. Korps war aber nach dem
hemmenden Befehl der Kerenskiregierung kaum mehr zu rechnen.
Averescu wies seine Divisionen zur Verfolgung an. Das Vili. Rus-
senkorps scheint den Auftrag erhalten zu haben, an der Putna zwischen
Iresci und ValeaSäri aufzuschwenken und die linke Flanke der Rumä-
nen zu decken. Ob die Russen noch Willens waren, die Mgr. Ódobesci
zu erobern (S. 340), ist nicht festzustellen, nach den späteren Ereignissen
aber kaum anzunehmen. Jedenfalls hielten sie den 25. Juli über die
deutsche 217. ID. unter starkem Feuer, und Gdl. Eben mußte die, Nord-
VI
28
354
Die letzten Schlachten auf dem. rumänischen Kriegsschauplatz
flanke seiner Armee durch das Einschwenken des Feindes gegen den
Putiiariegel bedroht sehen. Die Führung erwartete hier einen Angriff
auf die 217. ID. und schob dem GM. Gallwitz zur Stützung des linken
Flügels ein Regiment, das bisher als Armeereserve hinter der öst.-ung.
92. ID. gestanden war, auf Kraftwagen zu. Die k. u.k. 62. ID. schied
aus der Gruppe Gallwitz aus und wurde dem I. RKorps unterstellt.
Auch Erzherzog Joseph fühlte sich veranlaßt, noch weitere Kräfte für
den Südflügel verfügbar zu machen. Von der 7. Armee sollte die
8. KD. der Gruppe Gerok zugesandt werden, von der 1. Armee die
durch die 15. ID. ausgelöste 74. HIBrig. mit dem Stabe der 37. HID.,
GM. Haber. Die Heeresleitung in Baden stimmte zu, zunächst alle ver-
fügbaren Kräfte der Heeresfront der Gruppe Gerok zuzuwenden; allen-
falls sollte auch das verfolgende XVII. Korps der 7. Armee schwächer
gehalten werden.
Am 26. Juli griffen die Rumänen zeitlich früh die geschwächte
218. ID. neuerlich an und warfen sie von der Kammlinie zwischen
D. Gbeigheleu -<¡>- 850 und D. Rachitasu mc. 892 herunter. Gerok
mahnte hierauf um 8h 45 vorm. den Divisionsführer, beim Zurückgehen
auf den Anschluß nach rechts zu achten und eine Höhe südlich von
Bârsesci zu besetzen. Der Südflügel, der nach links der Anlehnung
bereits entbehrte, hatte dem Feinde ein Vordringen gegen die Flanke
der Armee Eben zu verwehren. Die Mitte der Division hatte das obere
Putnatal beiderseits von Tulnici, der linke Flügel die Straße Lepsa—
So ve ja zu sperren. Die 1. KD. sollte mit Rücksicht auf die 8. GbBrig.
den Westrand des Susitatales bis zum Abend halten.
Diese vom Feinde erzwungene; Rücknahme in eine völlig unaus-
gestaltete Linie bot aber keine Gewähr dafür, daß die neue Front nicht
noch am gleichen Tage eingeschlagen und dann der 1. KD. der Rück-
zug erschwert werden würde. Da es am Westrand des Sovejabeckens
nur recht ungünstige Batterie Stellungen gab und überdies die 8. GbBrig.
in eine ausgesetzte Lage geraten war, entschloß sich Gerok schon mit-
tags, die Widerstandslinie der Gruppe Ruiz auf den östlichen Kamm
des Bereczker Gebirges zu verlegen, was auch ein Zurückschwehken
der 8. GbBrig. in eine von der Mgr. Casinului quer über das Gasinu-
tal zum Mt. Rësboiului -<¡>- 1014 verlaufende Linie bedingte. Südlich
davon besetzte die 1. KD. mit je einer Gruppe den Mt. Chinusu -<>-981
und die Höhe La Prafärie > 1042. Die Division Nostitz faßte noch im
Laufe des Nachmittags auf dem Höhenzug Tiua Neagrä-<|>- 1165 bis
Tulnici Fuß, ohne daß der Feind störend auftrat. Die bisherige rechte
Zuführen von Reserven zur Gruppe Gerok
355
Flügelgruppe trat zur 9. Armee über und verlängerte deren Flanken-
schute. Gerok nahm die 218. ID. und die l.KD. unter seinen unmittel-
baren Befehl; der Gruppenverband Ruis wurde aufgelöst.
Nach dem neuerlichen Rückschlag bei der Gruppe Gerok griff
der Chef des Generalstabes, Gdl. Arz, ein. Er empfahl der Heeresfront,
außer den bereits rollenden Verstärkungen (RIR. 22 der 117. ID., halbe
37. HID., 8. KD.) noch die 7. KD. und möglichst viele deutsche Trup-
pen von der 7. Armee heranzuziehen und Teile dieser Kräfte im Ein-
vernehmen mit Mackensen auch von Focsani her über Mera gegen die
linke Flanke des VIII. Russenkorps anzusetzen. Erzherzog Joseph hatte
inzwischen die 7. KD. vom der 7. Armee schon zurückberufen. Als
nächster Zuschub kam das GrenR. 3 der deutschen 1. ID. und das
letzte Regiment der 117. ID. (RIR. 11) aus dem Bereich der Gruppe
Krauss in Betracht. Das AOK. teilte der DOHL., die schon dringlich
für die Stützung der 218. ID. eingetreten war, die getroffenen Maß-
nahmen mit und schlug vor, die von der Heeresgruppe Linsingen zur
2. Armee rollende halbe 13.SchD. nach Siebenbürgen weiterzuleiten.
Schließlich wurde noch die gebirgsgewohnte 73. ID., die einzige Reserve
der Südwestfront, für den rumänischen Kriegsschauplatz angeboten,
allerdings nur im Tausch gegen eine schlagkräftige Division, die nach
Ansicht des Gdl. Arz am ehesten der Heeresgruppe Linsingen zu ent-
nehmen war; denn wegen des Bevorstehens einer elften Isonzoschlacht
konnte Erzherzog Eugen auf eine Eingreif di vision nicht verzichten.
Die DOHL. entschied sich hierauf für die 13.SchD., die zur deutschen
9. Armee gefahren wurde. Da die Russen ihre Front vor der Armee
Kövess nach Südosten weiter abbauten, erließ auch GO. Rohr voraus-
schauende Weisungen, um vom linken Flügel an vorerst mit dem XXI.
Korps eine scharfe Verfolgung aufzunehmen, falls der Rückzug des
Feindes auf die Siebenbürger Grenze übergreifen sollte.
König Ferdinand von Rumänien sprach seiner 2. Armee für die
Rückgewinnung heimatlichen Bodens Dank und Anerkennung aus und
riet dem Gen. Averescu, noch den rechten Flügel auf die Mgr. Casinului
vorzuschieben und die allgemeine Widerstandslinie der Armee so zu
wählen, daß dem Gegner im Sovejabecken keinerlei Bewegungsfreiheit
mehr zustehe1). Averescu befahl daher, um das erworbene Gebiet zu
sichern, für den nächsten Tag, die von der Mgr. Casinului nach Süden
streichende Bergkette und südlich von Negrilesci die Höhen auf dem
linken Putnaufer bis zum Flügel der Nachbararmee Ragosa in Besitz
!) Dab ij a, IV, 115 ff.
23*
356
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
zu nehmen. Die Cälärasibrigade hatte mit ihren Panzerautos über So-
veja hinaus ¡aufzuklärenx).
Am 27. vormittags besetzte das IV. Rumänenkorps die von der
8. GbBrig. und der l.KD. geräumten Stellungen und fühlte dann gegen
deren neue Front vor. Vom rumänischein I. Korps griff die 1. ID. nach-
mittags die Höhen südwestlich von Soveja ¡an und zwang die schon
sehr zusammengeschmolzene 218. ID., bis zur Gabelung des Lepsa-
und Putnatales zurückzugehen. Die l.KD., die mit zwei unterstellten
Bataillonen der 8. GbBrig. noch über 4000 Feuergewehre zählte, erhielt
von Gerok den Auftrag, am nächsten Morgen von der SboinaNeagrä
A 1374 einen Entlastungsstoß nach Südosten zu führen. Der rumänische
Südflügel, die 3. ID., breitete sich bei Bârsesci aus und nötigte die Armee
Eben, ihre äußerste Flügelgruppe noch weiter zurückzubiegen, so daß
die Fühlung zur Gruppe Gerok nun doch verloren ging. Um die Ver-
bindung aufzunehmen, entsandte die 9. Armee drei Schwadronen in den
Raum von Häulisca. Von dort bis zur Bahnstation Putna, wo der rechte
Flügel der 218. ID. das Tal deckte, klaffte eine Lücke.
Das rumänische Oberkommando sah seine Absichten im großen er-
füllt und befahl noch am Abend, die Offensive wegen der allgemeinen
Lage an der Ostfront und besonders in Galizien endgültig einzustellen.
Gleichwohl trat aber bei der 2. Armee noch keine Ruhe ein. Gen.
Averescu hatte die angestrebten Ziele in der Hauptsache erreicht, laber
der Nordflügel hing noch ab, da der russische Nachbar zu wenig mit-
geholfen hatte. Das IV. Rumänenkorps erhielt daher für den 28. Juli
den Auftrag, noch die Gipfellinie Mgr. Casinului—Mt. Rësboiului zu
nehmen. Die 8. ID. versuchte denn auch nach heftigem Artilleriefeuer,
die Mgr. Casinului und den nach Südosten streichenden Rücken zu er-
obern. Während die Rumänen von Osten her angriffen, sollte nach einer
Vereinbarung mit dem XXXX. Russenkorps eine ausgesuchte Stoß-
truppe, ein sogenanntes „Todesbataillon", von Norden her den Berg
angehen; doch die russische Mannschaft versagte. Nachmittags stürmte
ein rumänisches Regiment singend und mit Trommelschlag mehrmals
gegen das k. u. k. IR. 82 an, fand aber an den auf heimischem Boden
fechtenden Széklern unbeugsame Gegner2).
1) Scarisoreanu, Fragmente din razboiul 1916—1918, 2. Auflage (Tiparul
Cavaliirei, 1934), 223 ff.
2) Die Geschichte des k. u. k. Székler Infanterieregiments Nr. 82, 1883—1919
(in ungar. Sprache, Budapest 1931), 237 ff. — Kiszling, Die Verteidigung der
Höhe Magura Casinului (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1927), 554 ff.
Andauernd ernste Lage der Gruppe Gerok
357
Auch die rumänische 6. ID. setzte zum Angriff gegen die Kaval-
lerie di vision Ruiz an. Als deren Stoßgruppe nach 5h früh befehlsgemäß
(S. 356) gegen die Tiua Neagrä vorrückte, traf sie bald auf überlegenen
Feind, nahm das Gefecht zwar an, wurde aber zurückgedrängt. Auch
die übrigen Teile der 1. KD. wurden angefallen und gegen 7h morgens
im Nordabschnitt eingedrückt. Die geringen Reserven vermochten keinen
Umschwung herbeizuführen. Der Divisionsführer sah sich daher ver-
anlaßt, den Rückzug auf den Hauptkamm Mt. Sboina Neagrä A 1374—
Mt. Limba Vecina -<¡>-1257 anzuordnen. Der Feind erreichte aber, nicht
locker lassend, den Höhenkamm gleichzeitig mit den Husaren und
drängte einige Schwadronen zur 8. GbBrig. ab. FML. Ruiz befahl hier-
auf, die Truppen beiderseits der Kuppe Sboina Verde -c¡>- 1376 zu sam-
meln, was unter dem Schutz von Nachhuten gelang. Die 8. GbBrig.
mußte jetzt ihren rechten Flügel vom Mt. Rësboiului zurückbiegen und
nach Westen bis zur Drahtseilbahn verlängern. Die deutsche 218. ID.
wie die gegenüberstehende 1. Rumänendivision richteten sich in ihren
Stellungen ein. Der Südflügel Averescus, Teile der 3. ID., drückten
den noch nördlich der Putna fechtenden linken Abschnitt der Abwehr-
flanke der deutschen 9. Armee gegen, den Fluß zurück.
Die Lage bei Gerok war sehr ernst. Flieger beobachteten, wie
starke Kolonnen des Feindes über Soveja gegen Westen und dem
Mt. Rësboiului zustrebten; bei Rotilesci war viel Reiterei. Die Verbün-
deten mußten darauf gefaßt sein, daß die beiden erschütterten Divisio-
nen Geroks noch mehr nach Westen gedrängt werden würden, ehe die
zuströmenden Verstärkungen den Stoß auffangen konnten. Dann mußte
sich auch die zwischen der 1. und der 9. Armee gähnende Lücke ver-
breitern und ein Einschwenken des Feindes nach Süden gewann an
Wahrscheinlichkeit. Gdl. Eben versteifte auch seinen Flankenschutz an
der Putna durch ein Regiment der 76. RD., das er von der jetzt nicht
mehr bedrohten Serethfront heranholte. Anderseits konnte der Feind
aber vor der Armee Rohr die Absicht hegen, durch fortgesetzten Druck
gegen Westen und Nordwesten die Stellung des Korps Benigni im
Ojtozabschnitt aus den Angeln zu heben. Die hier stehenden Russen
zeigten wohl keine Angriffslust, dennoch war Gdl. Gerok um die Siche-
rung der Paßstraße sehr besorgt und bemühte sich, rasch Kräfte an den
Cläbucul A 1364 zu stellen. Das bereits eingetroffene 3. Bataillon des
HIR. 13 wurde auf diese Höhe und das Sturmbataillon der Heeresfront
auf Sboina Verde gewiesen. Um den übrigen anrollenden Truppen den
Bahnumweg über Sepsi Szt. György zu ersparen, lud man sie schon
358
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
in Sepsibükszad aus und fuhr sie mit Kraftwagen über Kézdivás árhely
nach Gelencze und Bereczk. Das l.Armeekmdo. verstärkte die Gruppe
Gerok durch das Bataillon 1/69 der 31. ID., durch ein deutsches Bataillon
der 225. ID., das vorübergehend dem XXI. Korps zugeteilt worden war
(S. 342) sowie durch das HIR. 18 der 37. Honvéddivision. Erzherzog
Joseph zog von der 7. Armee noch den Stab und Batterien der deut-
schen 117. ID. heran. Dadurch wurde es möglich, sowohl die Masse die-
ser Division wie die der 37. HID. am rechten Heeresflügel wieder zu
sammeln. Der Führer der letztgenannten, GM. Háber, hatte den Befehl
über den Abschnitt zwischen dem Casinu- und dem Lepsatal, mithin
auch über die 1. KD., zu übernehmen. Bis zum Eintreffen des Generals
trat die 1. KD., die nunmehr GM. Edi. v. Pollet (7. KBrig.) befehligte,
unter das VIII. Korpskommando.
FZM. Benigni trachtete, die brüchige Widerstandslinie und den
übermäßig nach Westen verlängerten Haken der 8. GbBrig. mit eigenen
Mitteln zu festigen. Die Korpsreserve, ein halbes Bataillon deutscher
Landstürmer und drei Halbbataillone der 70. HID. sowie der 71. ID.,
wurden eilig herangeschoben und verliehen der Front am 29. Juli bes-
seren Halt. Der Feind begnügte sich mit Störungsfeuer und setzte erst
am Spätnachmittag beiderseits des Casinutales Erkundungsstöße an, die
von der 8. GbBrig. abgeschlagen wurden. Gdl. Gerok beabsichtigte, mit
einem Teile der zufließenden Verstärkungen die Abwehr zu versteifen,
mit der Hauptkraft aber aus dem Ojtozgebiet heraus einen Gegenschlag
zu führen.
Ein neuer Angriffsplan der Mittelmächte
Während an der Gebirgsumwallung Siebenbürgens und in der Wa-
lachei das Dröhnen des Geschützes die rumänisch-russische Offensive
einleitete, entwarfen die obersten Heerführer Österreich-Ungarns und
Deutschlands bereits neue, weitausgreifende Pläne. Am 24. Juli hatte
GFM. Hindenburg in Baden beantragt, den bei der Heeresgruppe Böhm-
Ermolli gegen die Russen erzielten Erfolg im Osten dadurch zu einem
entscheidenden Schlag auszugestalten, daß nunmehr auch die Heeres-
front Erzherzog Joseph zum Angriff übergehe und den Feind bis an
den Sereth zurückwerfe. Zugleich war GFM. Mackensen von derDOHL.
angewiesen worden, nach der Abwehr des gegen seine Front gerich-
teten Ansturmes „in Sonderheit die Rumänen" am Unterlauf des Sereth
Beabsichtigte Eroberung -der Moldau
359
anzupacken. M,an hoffte, dadurch die ganze Karpathenfront des Feindes
ins Wanken zu bringen, womöglich bis an den Pruth vordringen zu
können und den Kriegswillen Rußlands und Rumäniens endgültig zu
brechen. Auf Weisung der k. u. k. Heeresleitung hatte auch Erzherzog
Joseph, wie bereits angeführt wurde (S. 316), noch am 24. Juli der T.Ar-
mee befohlen, sich aus der erstarrten Front heraus dem Angriff ihres
linken Nachbars anzuschließen; ebenso sollte die 1. Armee handeln,
sobald der Stoß des Feindes gegen ihren rechten Flügel abgeschlagen sei.
Mackensen beabsichtigte, mit starken Kräften aus der Mitte der
9. Armee heraus bei Nämoloasa über den Sereth vorzubrechen und sodann
zwischen diesem Flusse und dem Pruth vorzustoßen. Gdl. Eben erließ
am 26. Juli einen grundlegenden Befehl zur Bildung der Angriffsmasse.
Über die Art, wie die geplanten Kriegshandlungen Mackensens und
des Erzherzogs Joseph in Einklang zu bringen seien, herrschte in den
nächsten Tagen ein reger Meinungsaustausch zwischen den deutschen
und den öst.-ung. Befehlsstellen. Als der Erzherzog am 27. Juli die Ab-
sicht kundgab, mit der 7. Armee, nachdem sie die Waldkarpathen ver-
lassen hatte, zwischen Suczawa und Czernowitz auf rumänisches Gebiet
vorzudringen und die 1. Armee auf Bacäu anzusetzen, bedeutete die
DOHL. dem Generalstabschef des Heeresfrontkommandos, GM. Seeckt,
die 1. Armee habe scharf nach Osten zu stoßen, um verläßlicher mit
Mackensen zusammenzuwirken. Die Aufgabe beider Heere gipfle darin,
„wenn unsere Kräfte hiezu ausreichen, die Moldau in Besitz zunehmen".
Am 28. Juli wandte sich Gdl. Arz an die DOHL. mit der Bitte,
wegen der gespannten Lage auf dem Südflügel der Armee Rohr die
deutsche 9. Armee baldigst angreifen zu lassen; Eile täte vor allem
deshalb not, weil die der Gruppe Gerok zulaufenden Verstärkungen
bis zum Eingreifen noch viel Zeit benötigten. Um Gerok unmittelbar zu
helfen, wurde angeregt, die Stoßrichtung über Panciu gegen den Bahn-
knoten Agiudu-nuou zu wählen, da hie durch die Lebensader der Rumä-
nen in der Sovejaniederung abgeschnitten würde. Gleichzeitig vollzog
sich beim Stabe Mackensens ein Umschwung in der Beurteilung der
Lage. Der Nachbar zur Linken hielt dem andauernden Drucke des Fein-
des nur mühsam stand, der ;als Flankenschutz aufgebaute Putnariegel
wurde immer länger und erforderte bereits zwölf Bataillone, drei
Schwadronen und neun Batterien; nicht mitgerechnet das ihm noch
zugehende Regiment der deutschen 1. ID., das die Armee Kövess ab-
gegeben hatte (S.355). Als nun in Bukarest beim Stabe Mackensens be-
kannt wurde, daß die vom Erzherzog Joseph zur Stützung des rechten
360
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Flügels eingeleiteten Gegenvorsorgen frühestens in fünf Tagen wirk-
sam werden könnten, war zu besorgen, daß der Feind sich mit etwa
zwei Divisionen gegen Westen abriegeln und mit Übermacht (man
nahm drei rumänische und zwei russische Divisionen an) entweder der
Mgr. Odobesci bemächtigen oder nach Süden vorstoßen mochte. In
, beiden Fällen war es aber unvermeidbar, die Heeresreserve, die sich
um Romnicu-Särat zum Angriff über den unteren Sereth sammelte,
gegen Norden einzusetzen. Das Verschieben dieser Verbände in den
Raum um Focsani war daher nicht mehr zu umgehen, und Mackensen
kam zu dem geänderten Entschluß, von hier aus auf dem Westufer des
Sereth nach Nordosten anzugreifen. So wurde gezwungenerweise die
ursprünglich weiter im Osten geplante Angriffsrichtung aufgegeben.
In diesem Sinne erließ auch die DOHL. am 29. Juli an die Heeres-
gruppe Mackensen den Befehl, den Stoß gegen die Linie Bältäretu—
Panciu zu führen und bis Agiudu-nuou vorzubrechen, um den in das
Sovejabecken vorgeprellten Feind vernichtend zu treffen; überdies
war, um den Krieg in das Flachland der Moldau hinüberzutragen, ein
Brückenkopf über den Sereth gegen Tecuciu vorzubauen. Die Heeres-
front Erzherzog Joseph beschloß, an dieser Offensive mit dem rechten
Flügel der 1. Armee teilzunehmen, wobei die Gruppe Gerok mit dem
öst.-ung. VIII. Korps aus dem Ojtoztal in der Richtung auf Onesci an-
zugreifen hatte. Dieser Stoß, zusammen mit dem Vorgehen der Armee
Eben, sollte auch der 218. ID. und der 1. KD. Luft machen. Mitbestim-
mend für die Wahl der Angriffsrichtung war, daß man sich dadurch
einen starken Eindruck auf die Stimmung der drei wenig kampffreudi-
gen Schützendivisionen des XXXX. Russenkorps erhoffte, das dem
Korps Benigni gegenüberlag. Das Gelände war verhältnismäßig nicht
schwierig und wurde nach Osten hin offener; die Angreifer standen
auf den das Gefechtsfeld beherrschenden Höhen. Kam man rasch in
das untere Trotusutal, so konnte man auch die Nachschublinie des rus-
sischen XXIV. Korps unterbinden. Im großen besehen, war die ganze,
von den Mittelmächten eingeleitete Kriegshandlung, durch die man die
Rumänen aus dem letzten, ihnen verbliebenen Gebiete ihres Landes ver-
treiben wollte, als ein gewaltiger Zangenangriff entworfen. Der rechte
Arm faßte von Focsani nach Norden zu, und als linker Arm sollten die
Streitkräfte der Verbündeten aus der Bukowina, nach Südosten ein-
schwenkend, entgegendrücken. In kleinerem Maßstab sollte der Vor-
stoß Geroks aus dem Ojtozgebiet zusammen mit jenem Mackensens den
in das Sovejabecken vorgebrochenen Feind ebenfalls zwischen eine
Vor- und Nachteile der geplanten Offensive
361
Zange pressen. Der Nachteil, daß der Haupt angriff aus der Walachei
westlich vom Sereth in dem schmalen Landstreifen zwischen Fluß und
Gebirge geführt werden mußte und daher für das angestrebte Gewin-
nen der Moldau nicht so wirksam ausfallen konnte wie ein Vorgehen
im Flaehlande zwischen Sereth und Pruth, wurde bewußt in Kauf ge-
nommen, weil der Gruppe Gerok auf andre Art die so nötige Entlastung
nicht zu bringen war. Hätte man geahnt, daß Averescu seine Ziele am
Südflügel sicjhon erreicht hatte und nur mehr die engbegrenzte Aufgabe
lösen wollte, der Dauerstellung einige Stützpfeiler einzuverleiben, so
hätte Mackensen seinen ursprünglichen Plan wohl beibehalten.
Das rumänische Oberkommando hatte am 27. Juli, als es nochmals
den Abbruch der Offensive und beiden Armeen eine nachdrückliche
Verteidigung vorschrieb (S. 356), dem Gen. Averescu die 7. und die
12. ID., die hinter der 1. Armee bereitgestanden waren, zugewiesen, da-
mit er seinen Nordflügel bis zum Dafténatal ausdehnen und das XXXX.
Russenkoirps ablösen könne. Dieses Korps sollte bis zum 4. August
verfügbar sein. Die Armee Cristescu hatte insbesondere den auf dem
rechten Serethufer gelegenen Abschnitt sicher zu behaupten. Die 80. Russen-
division war der Armee Ragosa zurückzugeben.
Inzwischen sah das Kommando der Rumänischen Front eine neue
Gefahr aufsteigen. Es war zu befürchten, daß die zwei öst.-ung. Ar-
meen, die 3. und die 7., die in der Bukowina täglich Fortschritte mach-
ten, an der Landesgrenze nicht stillhalten, sondern in die nördliche
Moldau einfallen würden. Als Gegenvorsorge beabsichtigte daher König
Ferdinand, im Norden seines Landes eine starke „Manövriermasse" zu
sammeln, um dem vorrückenden Gegner in die Flanke zu fallen. Ein
Kriegs-rat, der am 3. August in Jassy unter dem Vorsitz des Königs
und unter Beiziehung des Ministerpräsidenten Bratianu tagte, erwog
bereits, die obersten Regierungsstellen und das Hauptquartier unter
dem Zwang des Gegners nach Südrußland zu verlegen. Das wichtigste,
seinerzeit aus Bukarest geborgene Staatseigentum, der Barschatz der
Nationalbank, sowie Archivbestände, Kunstwerke und sonstige Werte
der Museen, wurden bereits nach Moskau gebrachtx).
Die in der nördlichen Moldau zu bildende Kraftgruppe (drei rus-
sische Korps, je eine rumänische und russische Rei ter di vision) sollte
durch eine tiefgreifende Neugliederung der Front gewonnen werden.
Die in der Zeit vom 1. bis 5. August erflossenen Befehle2) bestimmten,
!) Kiritzes co, 328 ff.
2) Dab i ja, IV, Märasesti (Manuskript).
362
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
daß die 6. Russenarmee sich nach rechts bis Liesci, also über den von
der rumänischen 1. Armee gehaltenen Abschnitt, zu strecken habe.
Hiedurch wurden alle Verbände des Gen. Cristeseu frei, der aus der
Heeresreserve noch die rumänische 10. ID. zugewiesen erhielt und
zwischen Liesci und Clipicesci das XXX. und das VII. Russenkorps der
Armee RagOisa ersetzen sollte. Die rumänische 1. KD. war nach Norden
abzusenden. Da das verbleibende VIII. Russenkorps mit drei Divisionen
und der T r ans am ur - Grenzwachr ei t er di vi si on unter Cristescus Befehl
zu treten hatte, sollte sich aus der Umgruppierung, die bis zum 10. Au-
gust durchzuführen war, ergeben, daß an der vom König befehligten
Front die Heeresmacht seines Reiches, beide Armeen aneinanderge-
schlossen, zwischen der 6. und der 9. Russenarmee den Mittelblock
bildeten,
Beim Stabe Mackensens war man anfangs August, als der Druck
des Feindes aus dem Sovejabecken gegen die Nordflanke der Heeres-
gruppe aufhörte und man nach dem vermeintlichen Abziehen des VIII.
Russenkorps an dessen Stelle nördlich des Putnariegels ausschließlich
Rumänen annahm, wieder geneigt, zum ursprünglichen Gedanken zu-
rückzukehren und den Angriff aus der walachischen Ebene zwischen
dem Sereth und dem Pruth vorzutragen. Auf diese verheißungsvollere
Stoßrichtung zurückzukommen, schien auch deshalb angezeigt zu sein,
weil dieDOHL. der Armee Eben an Verstärkungen außer der halben k. k.
13.SchD. noch das deutsche Alpenkorps zusagte. Mit Rücksicht auf die
Ausladezeiten dieser zwei Verbände hätte jedoch die Kriegshandlung
nicht vor dem 9. August beginnen können. GFM. Hindenburg legte aber
Wert darauf, die Offensive, wie vorgesehen, am 6. August einsetzen zu
lassen, offenbar deshalb, um einen Einklang mit einem neuerlich ge-
planten Vorstoß aus der Bukowina zu erzielen (S. 327 ff.). Da ferner die
Reserven bereits bei Focsani versammelt und alle Vorarbeiten in diesem
Räume weit gediehen waren, blieb man bei dem geplanten Angriff in
der Richtung auf Agiudu-nuou.
Die letzten Tage vor der Offensive der Mittelmächte
H i e z u Skizzen 1 und 2 der Beilage 18
Während die hohen Führer bei Freund und Feind ihre Blicke in
die Zukunft richteten, ruhten an der Front die Waffen um örtlicher
Vorteile willen nicht. Bei den Rumänen ließ Gen. Averescu, dem Drän-
gen seiner Heeresleitung folgend, in der Nacht vom 29. auf den 30. Juli
Erbittertes Ringen um die Mgr. Caçinului
363
vorerst zwei russische Regimenter der 6. SchD. durch Truppen seiner
2. Armee ablösen, da die zugewiesenen rumänischen Divisionen noch
nicht eingelangt waren. Der Führer des IV. Korps setzte seinen ganzen
Eifer daran, die dem Nordflügel als Ziel vorgezeichneten Höhenstellun-
gen (S. 356) zu erringen. Hiezu blieb eine Brigade der 8. ID. vor der
Mgr. Casinului; die andere hatte sich am 29. südlich vom Casinutal
an die k. u. k. 8. GbBrig. herangearbeitet, durchstieß tags darauf eine
schwache Frontstelle der Verteidiger und entriß ihnen nachmittags den
Mt. Rësboiului. Obst. Rath mußte seine Truppen gegen den Cläbucul
und an den linken Hang des Casinutales zurücknehmen. Der Erfolg
spornte den Feind an, auch die Mgr. Casinului zu bezwingen. Die rumä-
nische 16. IBrig. fiel die Verteidiger bis in die Nacht hinein mehrmals
heftig an, wurde jedoch stets abgeschlagen. Die Angreifer setzten sich
aber auf den Nebenkuppen dieses das Umgelände beherrschenden
Höhenstockes fest. Im Abschnitt der l.KD. hatte der Korpsführer,
FZM. Benigni, das Sturmbataillon der Heeresfront ausgesandt (S.357),
den Mt. Sbo<ina Neagrä zurückzugewinnen. Die Truppe stieß jedoch
halben Weges auf eine vorgeschobene Abteilung der rumänischen 6. ID.;
sie drängte diese zwar auf die Hauptstellung zurück, mußte aber
schließlich, da sie von mehreren Batterien angefaßt wurde, in die Aus-
gangsstellung rückberufen werden.
Seit dem 31. Juli vereinigten die Rumänen ihr ganzes Bemühen
auf die Eroberung des Casinuluigipfels, des einzigen Punktes, der ihnen
in der Reihe ihrer Angriffsziele noch fehlte. Heftige Stöße gegen die
Nordostseite des hart umstrittenen Berges leiteten den Tag ein. Mit
Handgranaten schlug das IR. 82 die Stürmer zurück. Da alle gegen die
beherrschende Spitze gerichteten Versuche gescheitert waren, trachtete
der Feind, nachmittags die Südflanke des von drei Seiten umklammer-
ten Széklerregiments vom Casinutal her aufzurollen. Rasch eingreifende
Reserven konnten den Feind wieder werfen und die Stellung, die nur
etwas abgerundet wurde, behaupten. FZM. Benigni wies dem Abschnitt
das Bataillon 1/69 zu, das am nächsten Tage, als der Feind im Casinu-
tal neuerdings ungestüm angriff, im Verein mit dem Nachbarbataillon
III/35 der 8. GbBrig. durch einen Gegenstoß, der bis in die rumänische
Stellung vordrang, die Lage wiederherstellte.
Am I.August abends ließ Gen. Averescu die aussichtslosen Kämpfe
um das Bergmassiv einstellen. Damit fand die Offensive der rumä-
nischen 2. Armee ihr Ende. Größer als der Erfolg auf dem Schlacht-
felde, den Gegner um 20 km zurückgeworfen, ihm ansehnliche Verluste
364
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
zugefügtx) und etwa 500 Geviertkilometer Boden abgenommen zu haben,
war der moralische Gewinn des Rumänenheeres. Das Vertrauen der
Soldaten auf ihre eigene Kraft kehrte wieder. Auch der Gegner mußte
sich eingestehen, daß die feindlichen Führer und Kämpfer nunmehr ein
beachtenswertes Geschick im Kriegshandwerk erwiesen hatten. Das
wichtigste Ergebnis für die Folgezeit bestand aber darin, daß Averescu
durch dea Vorstoß ins Sovejabecken — nach rumänischer Bezeichnung
die Schlacht bei Märästi — den Feldherren der Mittelmächte die Be-
schlußfassung für ihre nächste Offensive empfindlich durchkreuzt hatte
(S. 360).
Die nächsten Tage widmete Gen. Averescu den befohlenen Ab-
lösungen. Die rumänische 7. ID. übernahm vom Südflügel der 9. Russen-
armee den Abschnitt bis zum Dafténiatal, und die 12. ID. machte in der
rumänischen Armeemitte die 6. ID. frei, die hierauf südlich vom Ojtoz-
bach zwischen die 7. und die 8. ID. eingeschoben wurde. Beide Korps
der Rumänen umfaßten somit je drei Divisionen; die Cälärasibrigade
(S. 348) war wieder hinter die Front gezogen worden.
Der Gruppe Gerok kam diese Zeitspanne für das Festigen der
Front und zum Bereitstellen der Kräfte sehr zugute. Als das Kom-
mando der 37. HID., GM. Háber, am 1. August ,abends den Befehl über
den Abschnitt zwischen dem Lepsa- und Casinutal übernahm, standen
hier außer den fünf Husarenregimentern der l.KD., die unterstellt
wurden, vier Bataillone der 74. HIBrig., eineinhalb der 8. GbBrig., ein
Sturmbataillon, zwei deutsche Kompagnien und zehn Batterien. Zwei
Bataillone des HIR. 14 kamen als Rückhalt zur 8.GbBrigade. Soweit
es möglich war, wurden die vermengten Truppenteile, auch bei der
218. ID., geordnet und kleine Einheiten ihren Stamm verbänden zu-
geführt.
Der Wechsel in der feindlichen Frontbesatzung wurde von den
Verbündeten bald erkannt, und Gerok erwartete, bei dem bevorstehen-
den Angriff nunmehr ¡auf stärkeren Widerstand zu stoßen. Da man
sich bei der Armee Rohr den Russen gegenüber noch immer auf Abwehr
und Vergelten von Herausforderungen beschränkt hatte, wurde ¡aus-
drücklich betont, daß gegen die Rumänen voller und scharfer Kriegs-
zustand einzutreten habe. Kaum hatten diese die Ablösungen im großen
*■) Die deutsche 218. ID. und die k. u. k. 1. KD. hatten schwer gelitten. 43 Ge-
schütze und sonstiges Kriegsgerät waren dem Feind als Beute zugefallen; rumänisches
und russische Quellen verzeichnen über 3000 Gefangene. Die 2. Rumänenarmee hatte
nach Stoenescu, 175, gegen 7000 Mann eingebüßt.
Der Angriffsplan für die Gruppe Gerok
365
beendet, so begannen auch mit dem 3. August ihre Angriffe im Casinu-
gebiet wieder aufzuleben. Sie spielten sich immer in gleicher Weise ab:
heftiges Geschützfeuer gegen den mit Kavernen versehenen Gipfelstütz-
punkt und gegen den nach Südosten streichenden Abfallrücken, sodann
Anstürme tiefgegliederter Wellen am Nordhang des Casinutales. Doch
die Verteidiger, IR. 82, Bataillon III/35 und HIR. 14, trotzten, oft im
Handgemenge, allen Anstrengungen des Feindes. Das Behaupten der
Mgr. Casinului, dieses Eckpfeilers des Korps Benigni, trug nicht un-
wesentlich dazu bei, daß die Gruppe Gerok ihren Angriff vorbereiten
konnte. Stoßtrupps tasteten die Stellungen des Feindes ab.
Auf Wunsch der DOHL. hatte die deutsche 9. Armee das anrol-
lende Alpenkorps, ohne das Eintreffen aller Teile abzuwarten, von
Focsani nach Nordosten ,auf Racoasa anzusetzen, um der Gruppe Gerok
das Heraustreten aus der Siebenbürger Grenzumwallung zu erleichtern.
Die deutsche Gebirgstruppe konnte am 8. oder 9. August eingreifen;
damit war auch der Zeitpunkt für den Angriff im Ojtoztal gegeben. An
diesem, vom öst.-ung. VIII. Korpskmdo. zu leitenden Vorstoß hatten
die 70. HID. und die 71. ID., ferner zwischen beiden eine neugebildete
Kampfgruppe unter dem Führer der deutschen 117. ID., GM. Seydel,
teilzunehmen. Es war ein buntes Gemenge von Truppen beider Heere,
die zu dieser Division zusammentraten. Zu zwei Bataillonen des
HIR. 313 der 70. HID. und zu der bayr. 15. RIBrig. (RIR. 18 und deut-
sches LstlR. 36), die alle schon im Abschnitt lagen, kamen noch das
RIR. 11, das aus den Vogesen heranfahrende württembergische Gebirgs-
bataillon und starke Artillerie. Gleichzeitig mit dem Korps Benigni
sollten die von der Gruppe Gerok im Juli an den linken Flügel der
Armee Eben abgedrängten Teile der 218. ID., denen ein Brigadekom-
mando vorgesetzt und das GrenR. 3 zugeführt wurde (S. 355), in der
Richtung auf Tulnici und Negrilesci vorstoßen und so den Anschluß
an den Stammverband gewinnen. Hierauf sollten sich die 218. ID. und
die 37. HID., der iam 5. August die 8. GbBrig. unterstellt wurde, der
allgemeinen Vorbewegung nach Osten anschließen.
Sobald man im Ojtozgebiet an Stelle der Russen die kampfes-
freudigeren Rumänen wußte, wurden dem VIII. Korps auch die öst.-
ung. Kavalleriedivisionen 7 und 8 unterstellt. Um die Befehlsgebung zu
vereinfachen, wurden deren Truppen unter je einem Brigadier wie In-
fanterieregimenter zusammengezogen. Die aus der 7. KD. gebildeten
zwei Bataillone kamen zur 70. HID., die vier Bataillone der 8. KD. wur-
den der 71. ID. zugewiesen.
366
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Erzherzog Joseph wies den Gdl. Gerok noch besonders an, den
Angriff zuverlässig am 8. August zu beginnen, selbst wenn noch nicht
alle Truppen oder Kampfmittel zur Stelle wären; später Kommende
hätten als Reserve zu dienen. Da man hoffte, daß die Offensive der
Armee Eben und die der Gruppe Gerok die ganze Gebirgsfront des
Feindes lockern werde, gab das 1. Armeekmdo. auch seinen übrigen
Korps den Auftrag, ungesäumt die Vorrückung aufzunehmen, falls die
Russen abzögen. Um vollbesetzte Stellungen anzugehen, dazu war die
Armee Rohr allerdings zu schwach, da alle entbehrlichen Kräfte zu
Gerok abgegangen waren. Immerhin konnte der äußerste Nordflügel —
3. KD.1) und 15. ID. — bis zum 5. August im Einklang mit der ver-
folgenden Nachbararmee Kövess (S. 330) etwas vorschwenken.
Gdl. Eben hatte die Mitte und den rechten Flügel seiner 9. Armee
aufs äußerste gestreckt und beim I. RKorps die 216. ID. links neben
der k. u, k. 92. ID. des Abschnittes Behr (nunmehr als „Gruppe Rimnic"
bezeichnet) durch aus der Etappe geholten Landsturm freimachen
lassen, so daß insgesamt vier Divisionen um Focsani versammelt wur-
den. Mit der 76. RD., die zwischen der 12.bayr. und der 89. ID. in die
Front rückte, verstärkte GLt. Morgen seine Stoßgruppe. Die dahinter
aufgestellten Divisionen 212, 216 und 115 sollten dem Stoß weiteren
Antrieb gewähren. Von der k. k. 13.SchD., FML. Edi. v. Kaiser, die
aus der 25. SchBrig. und der 13.FABrig. bestand, war die Masse der
Kampftruppen am 5. August im Raum um Urechesci eingetroffen; die
Batterien wurden auf die drei Angriffs di Visionen des Korps Morgen
verteilt. Die Anfänge des divisionsstarken Alpenkorps, GLt. Sontag,
entstiegen in Focsani den Zügen.
Die Gegenoffensive der Mittelmächte
Die Schlacht bei Focsani
(6. bis 13. August)
H i e z u Skizze 3 der Beilage 18
Die ganze Angriffshandlung der deutschen 9. Armee (S. 360) sollte
sich in zwei Zeitabschnitten abspielen. Zuerst war nach Norden bis in
die Linie Bältäretu (mit Brückenkopf auf dem linken Serethufer)—
*) Sacke n, Geschichte des k. u. k. Dragoner-Regimentes Friedrich August Kö-
nig von Sachsen Nr. 3, II, (Wien, 1927) 475 ff.
Der Angriffsplan, für die deutsche 9. Armee
367
Märäsesti—Panciu vorzustoßen. Sodann sollte der linke Armeeflügel
dem Feinde die Gebirgsausgänge verriegeln und mit zwei Divisionen
den Druck nach Norden fortsetzen, während eine starke Angriffsgruppe
von fünf Divisionen, nach rechts gut gestaffelt, den Brückenkopf über
den Sereth und den Birlat bei Tecuciu gegen Osten bis in die Linie
Movileni—Matea—Negrilesci erweitern sollte. Die deutsche Führung
nahm an, dadurch den um seine Verbindungen besorgten Feind am
Serethunterlauf zum Weichen zu nötigen. Sollte er aber aus dieser
Flankenbedrohung wider Erwarten nicht die gewünschten Folgerungen
ziehen, so konnte man ihn aus der Ausfallspforte von Tecuciu um so
mehr im Rücken fassen. Hiezu hoffte man auch Kräfte vom Nordflügel
freizubekommen, sobald die dort sowie vor dem Südteil der Armee
Rohr haltenden Russen und Rumänen durch die ins Trotusutal vor-
dringende Gruppe Gerok zum Abzug gezwungen würden.
Der Angriff der Armee Eben, die hiezu insgesamt zehn Divisionen
verwenden konnte, traf die 4. Russenarmee, die das VII. und das VIII.
Korps (zusammen fünf Divisionen) in der Front, die vom XXX. Korps
verbliebene 71. Infanterie- und die Trans amurrei ter-Division dahinter
stehen hatte. Als Reserve war aber auch die 1. Rumänenarmee zu
werten, die am 6. August früh im Südteil ihrer neu zugewiesenen Front-
Strecke (S. 362) eine verstärkte Rei ter di vision eingesetzt hatte, und mit
der Hauptmacht (vier Divisionen) gegen Tecuciu her anmarschierte. Die
Spitze, die 5. ID., war in Bältäretu angelangt; abends sollte mit dem
Ablösen des VII. Russenkorps begonnen werden1). Mit diesen rumäni-
schen Streitkräften verfügte auch der Feind gleich dem Gegner über
zehn, in einigen Tagen allenfalls über mehr als elf Divisionen, wobei
nicht übersehen werden darf, daß diese je 12—14 Bataillone zählten,
während bei den Deutschen die Divisionen in der Regel nur neun
Bataillone stark waren.
Mit der bald auf vier Divisionen verstärkten Angriffsgruppe schlug
GLt. Morgen am 6. August zwischen Fäurei und Rädulesti in die Rus-
senfront eine 10 km breite Bresche und brachte seine Mitte um etwa
3 km vorwärts2). Der an den Sereth angelehnte Teil der 34. Russen-
division war zwar geflüchtet, hatte aber doch die Brücken in Brand
gesteckt, so daß es den Angreifern nicht glückte, sich stürmender
x) K i r i t z e s c o, 325 ff. — D a b i j a, IV, Märäsesti (Manuskript).
2) Morgen, Meiner Truppen Heldenkämpfe (Berlin 1920), 123 ff. — Ort-
ie p p, Die Kämpfe in der Moldau im Sommer 1917 (Nachrichtenblatt der 76. Re-
serve-Division, Hanau 1930—1935).
368
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Hand gleich der nächsten Flußübergänge zu bemächtigen. Die vorderste
Division der Rumänen führte, um ihren Bundesgenossen beizuspringen,
auf dem linken Serethufer Batterien auf, die mit Schrägfeuer in den
Kampf eingriffen. Überdies gingen Truppen auf das westliche Ufer
über und schlössen bis zum Abend an Stelle der geworfenen Russen
die Widerstandslinie. Da das rumänische Hauptquartier den Gen. Cri-
stescu ¡anwies, den Nachbarn jegliche Hilfe zu gewähren, ließ der
Armeeführer über Nacht im Anschluß an seinen durch Kavallerie ge-
sicherten Abschnitt das Ostufer des Sereth bis Cosmesti durch eine
weitere Division als Rückhalt für den jenseits fechtenden, bereits ge-
stützten Russenflügel besetzen. In diese Aufstellung, die das Schlacht-
feld überhöhte und eine für die Artillerie vorzügliche Abwehrflanke
bot, hatten auch die schweren. Batterien der rumänischen Armee-
geschützreserve einzufahren. Die Russen zogen ihre 71. ID. nach
Märäsesti heran.
Der linke Flügel des deutschen Stoßkeiles, die 89. ID., haftete noch
an der Dauerstellung. Hier sollte iam 7. August der Druck vermehrt
werden, wozu Gdl. Eben dem GLt. Morgen eine Division der Armee-
reserve überließ. Die k. u. k. 62. ID., die bisher nur mit ihren Batterien
die deutschen Nachbarn unterstützt hatte, war bereit, sich am nächsten
Tag dem Vorgehen der 89. ID. anzuschließen. Die öst.,-ung. Division
und die deutsche 217., die beide die Putnalinie hielten, traten unter den
Befehl des bayr. GLt. Ritt. v. Wenninger, der mit dem Stabe des XVIII.
RKoirps eingetroffen war. Die k. k. 13.SchD. rückte nach Focsani.
Auf Geheiß der DOHL. hatte das Korps Morgen, nachdem der
überraschende Serethübergang nicht gelungen war, am 7. August einen
gewaltsamen Uferwechsel nicht mehr zu versuchen, sondern bloß den
Stoß nach Norden fortzusetzen. Während eine Division nach rechts
deckte, rang sich der Angriffskeil weiter vorwärts und drohte, sich
zwischen die inneren Flügel der Russen und Rumänen hineinzubohren.
Diese .antworteten mit Gegenstößen, konnten den Deutschen aber nicht
verwehren, am Nordufer der Susita Fuß zu fassen. Neue rumänische
Truppen versteiften die zurückgedrängten Reihen. Weiter links er-
zielten die Angreifer mit Hilfe einer frischen Division gegen die zäh
widerstrebenden Russen des VII. Korps nach Nordwesten einen Raum-
gewinn, der sich aber noch nicht bis zur öst.-ung. 62. ID. auswirkte.
Der starke Widerstand des Feindes, der täglich frische Kräfte
heranbrachte, nötigte dem GFM. Mackensen einen neuen Entschluß ab.
Der Gedanke, in der zweiten Phase der Angriffshandlung über Tecuciu
Mühsames Vordringen der Armee Eben
369
in die Moldau vorzudringen, wurde aufgegeben. GdL Eben erhielt den
Auftrag, den Serethschutz zwei Divisionen anzuvertrauen und den
Hauptstoß, um ihn dem zermürbenden Flankenfeuer der rumänischen
Batterien zu entziehen, mit drei Divisionen in erster und einer in zweiter
Linie nach Nordwesten gegen die Linie Deocheti—Clipicesei weiterzu-
führen. Das Schwergewicht war auf den linken Flügel der Angriffs-
gruppe zu verlegen. Deshalb war auf dem Südufer der Putna eine
starke Artillerie aufzustellen, wozu auch die Batterien des Alpenkorps
dienen mußten. Dieser derart geänderte Angriffsplan bezweckte, die
Russen zu schlagen, um hierauf der 2. Rumänenarmee den Rückzug
aus dem Sovejabecken durch das Susina- und Zäbräuttal zu verwehren
und so im Zusammenwirken mit der am 8. August aus dem Ojtozgebiet
vorbrechenden Gruppe Gerok die im Gebirge steckenden Kräfte des
Feindes abzufangen.
Das rumänische Oberkommando drängte den Gen. Cristescu, im
Einvernehmen mit dem russischen Armeeführer Ragosa die Lage ehe-
stens wiederherzustellen, damit die geplante Kräfteversammlung in der
nördlichen Moldau (S. 361) nicht behindert werde. Cristescu zog seine
letzten zwei Divisionen an den Sereth heran und durfte auch über die
Heeresreserve, die Grenzerbrigade, verfügen. Spät nachts trug sich das
Oberkommando schon mit dem Gedanken, die inneren Flügel der rus-
sischen 4. und der rumänischen 2. Armee aus dem Sovejabecken zurück-
zunehmen, um aus der verkürzten Front Streiter zu erübrigen, doch
ging man davon auf Einspruch des Gen. Averescu wieder ab.
Am 8. August konnte die Mitte des Korps Morgen, die wie der
rechte Flankenschutz unter dem zusammengefaßten Feuer der rumä-
nischen Serethbatterien empfindlich litt, wegen des entschlossenen
Widerstandes der Rumänen das Bahnknie südlich von Märäsesti nicht
erreichen. Aber auch die Russen hatten sich verstärkt und stemmten
sich den zwischen Susita und Putna vorgehenden Deutschen mit Macht
entgegen. Schließlich behielten dennoch die Angreifer die Oberhand,
und ihr Nordflügel eroberte Bätinesti. Jetzt konnte auch der Großteil
der öst.-ung. 62. ID., FML. Brunswik, über die Putna hinweg kämpfend
vor schwenken.
So war der Einbruch nunmehr auf 20 km Breite und an der tiefsten
Stelle auf 6 km ausgeweitet worden. Aber dieses, mit sehr erheblichen
Verlusten erkaufte Ergebnis wie auch die 3300 Gefangenen und die
17 Beutegeschütze vermochten die deutsche Führung darüber nicht hin-
wegzutäuschen, daß die Fortschritte der Angriffsgruppe, die dem sich
VI 24
370
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
unerwartet zäh schlagenden Feinde mühsam abgerungen worden waren,
nicht den gehegten Hoffnungen entsprachen. Beim Stabe Mackensens
keimte sogar die Idee auf, den Stoß auf dem westlichen Serethufer,
wo jetzt das Eingreifen der ganzen 1. Rumänenarmee mit Gewißheit
anzunehmen war, nur mehr bis in die angestrebte Linie zu führen, so-
dann aber die Angriff Struppen rasch umzugruppieren und den Fluß-
übergang — wie ursprünglich geplant —- bei Nämoloasa ins Werk zu
setzen. Bevor man aber diese, nach der Lage an sich aussichtsreichere
Stoßrichtung einschlagen konnte, mußte man schon wegen des verein-
barten Einklanges mit der Gruppe Gerok, die ihren Angriff bereits er-
öffnet hatte, die begonnene Kriegshandlung weiterlaufen lassen. Noch
konnte sich die erwünschte Zangenwirkung (S. 361) einstellen.
Den beharrlichen Kraftanstrengungen der Deutschen gegenüber
blieb auch die feindliche Führung nicht müßig. So wurde die Armee
Averescu am 8. August verhalten, ihren linken Flügel bis Iresci zu
strecken, um aus der angrenzenden Armee Rag osa binnen zwei Tagen
die 14. und die 15. ID. des VIII. Russenkorps verfügbar zu machen.
Der Führer der 1. Rumänenarmee, Gen. Cristescu, bereitete mit seinen
Kräften einen Gegenangriff vor.
Am 9. August erreichten die deutschen Divisionen, den hartnäcki-
gen Feinden Schritt um Schritt abringend, nördlich der Susita ungefähr
die von Bältäretu über Tisita nach Satul Noü führende Straße. Auch die
öst.-ung. 62. ID. kam anfänglich mit der benachbarten 115. ID. gegen
Nordwesten gut vorwärts. Der die Putna entlang vorgehende linke
Flügel der Division Brunswik hatte bereits Tifesti genommen, da warf
ein starker Gegenschlag der Russen die des Bewegungskrieges unge-
wohnten Landstürmer unter empfindlichen Einbußen, auch an Gefan-
genen, wieder zurück. Die Truppen klammerten sich teilweise an ihre
alte Putnastellung, standen aber jenseits des Flusses mit dem linken
Flügel des I. RKorps nur in loser Verbindung. Damit kein emster
Rückschlag eintrete, schob GLt. Wenninger, der Führer des XVIII.
RKorps, das nordwestlich von Focsani versammelte Alpenkorps, GLt.
Sontag, schleunig hinter die 62. Division. Der Einsatz dieser Kerntruppe
war ohnehin schon beschlossen gewesen. GLt. Sontag sollte am näch-
sten Tag durch die von den öst.-ung. Truppen gehaltene Linie über
Satul Noü nach Muncelu vorstoßen und weiterhin gemeinsam mit den
Nachbarverbänden die Russen nach Nordwesten aufrollen. Da auch das
I. RKorps während des Tages einem starken Gegendruck der Russen
ausgesetzt gewesen war, wurde abends die 12. bayr. ID., die unterdessen
Gegenangriff der Rumänen bei Märäsesti
371
aus dem Seriethsichutz gelöst worden war, dem linken Flügel des GLt.
Morgen zugeführt. Dafür rückte die k. k. 13.SchD. nach Fäurei.
Am 10. August trachtete der Feind, durch einen breitangelegten
Gegenangriff die Freiheit des Handelns an sich zu reißen. Die zwischen
dem Sereth und der von Nord nach Süd verlaufenden Bahnhauptstrecke
losbrechenden Massenstürme der Rumänen stellten die Standfestigkeit
der Deutschen ,auf eine harte Probe. Auch die Russen setzten westlich
der Bahn dem linken Flügel Morgens heftig zu. Die jetzt in die Ver-
teidigung gedrängten Verbündeten behaupteten sich in wechselvollen
Kämpfen. Von dem links anschließenden XVIII. RKorps halfen die
Spitzen des Alpenkorps bei der Abwehr mit. Dies trug auch dazu bei,
im Abschnitt der k. u. k. 62. ID. die Lage zu festigen; Tifesti konnte
wieder besetzt werden. Der Angriff des Alpenkorps verzögerte sich
jedoch um einen Tag.
Gdl. Eben war nach dem Abschlagen der für den Feind überaus
verlustreichen Anstürme entschlossen, dessen augenblickliche Schwäche
sofort auszunützen. Daher wurden für den 11. August zwei Angriffe
angeordnet, die gleichzeitig nach verschiedenen Richtungen vorzutragen
waren. Das XVIII. RKorps hätte mit dem zwischen die 115. und die
öst.-ung. 62. ID. eingeschalteten Alpenkorps den Stoß auf Panciu zu
führen, und das I. RKorps zur Entlastung der Nordfront die 12. bayr.
ID. auf Märäsesti vorzutreiben. Aber auch Gen. Cristeseu hatte die
Hoffnung, durch den begonnenen Gegenschlag einen Umschwung her-
beizuführen, nicht aufgegeben. Er verfügte über genug frische Truppen
und befahl, am 11. mindestens günstige Ausgangsstellungen für den
später geplanten Hauptstoß zu gewinnen. Die Grenzerbrigade rief ein
dringlicher Befehl des Oberkommandos nachts ab; sie war auf Kraft-
wagen der bedrängten Armee Averescu zuzusenden. Bei den Russen
schied die sehr gelichtete, zudem nicht mehr kampfwillige 34. ID. des
VII. Korps aus der Front; die zwei abgelösten Divisionen des VIII.
Korps hatten die Gegend um Panciu erreicht.
Unter dem ungestümen Druck des I. RKorps, das am 11. August
längs der Bahn und der Reichsstraße vorstieß, fluteten die Russen
zurück und entblößten die rechte Flanke der Rumänen. Diese klammer-
ten aber ihren abgebogenen Flügel an den Bahnhof von Märäsesti und
boten mit dem Mute der Verzweiflung den Bedrängern Einhalt. Beim
XVIII. RKorps schritt die Gruppe Sontag (Alpenkorps und die unter-
stellte öst.-ung. 62. ID.) vormittags zum Angriff. Die Deutschen warfen,
nachdem sie durch einen Gegenstoß der Russen nur vorübergehend
24*
372
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
aufgehalten worden waren, den Feind auf das Nordufer der Susita
zurück und kamen bis vor Satul Noü. FML. Brunswik rückte mit seinen
schwachen Bataillonen1) auf dem schmalen Landstreifen links von der
Putna flußaufwärts vor und erreichte Vitanesti.
Am 11. August abends enthob das rumänische Hauptquartier den
Gen. Cristescu seines Amtes und übertrug dem Gen. Grigorescu, der
sich im Vorjahre als Verteidiger des Ojtozgebietes bewährt und in den
laufenden Kämpfen die Abwehr als Korpsführer geleitet hatte, den
Befehl über die 1. Armee. Auch der neu ernannte Armeekommandant
sollte im Verein mit den Russen und mit der am nächsten Tage ein-
treffenden 10. ID. (S. 362) den Gegner zurückschlagen, um die Lage
wiederherzustellen. Weitere Verstärkungen wurden zugesagt. Gen. Gri-
gorescu wies seine neugegliederten Streitkräfte (das V. Korps westlich
des Sereth als Angriffsgruppe, das III. Korps vom Brückenkopf Bältä-
retu stromabwärts als festhaltende Sicherung) entsprechend an. Da
langte um Mitternacht vom Oberkommando der Rumänischen Front
ein Befehl des Gen. Schtscherbatschew ein. Die rumänische 1. Armee
wurde dem Gen. Ragosa untergeordnet. Um diese neugebildete Armee-
gruppe zu entlasten, hatte die russische 6. Armee im Brückenkopf vom
Nämoloasa Kräfte zusammenzuziehen und den Gegner durch Angriffe
zu fesseln. Gen. Ragosa sah die erste und wichtigste Aufgabe der ihm
anvertrauten russisch-rumänischen Verbände darin, die stetig vordrin-
genden Deutschen unbedingt zum Stehen zu bringen; erst nachher sei
an ein Wiedergewinnen der verlorenen Linien zu denken. Bei Paneiu
wurde die Russenfront durch die 15. ID. und im übrigen durch die
auf beide Korps (VII und VIII) verteilten Transamurreiter gestützt.
Grigorescu hatte als Nahtreserve beider Armeen mindestens eine Bri-
gade bereitzuhalten.
Die ziemlich erschöpften Divisionen des GLt. Morgen beschränkten
sich am 12. August darauf, den nördlich der Susita erstrittenen Graben-
zug zu verbessern, der im allgemeinen vom Bahnknie südlich von Märä-
sesti dem nach Westen laufenden Schienenstrang folgte. Die 216. ID.
hatte einen Schlag gegen die rumänische Brückenkopfstellung vor Bäl-
täretu vorzubereiten. Das Schwergewicht des Angriffes lag jetzt gänz-
1) Die 62. ID. zählte, nachdem sie am 8. und 9. August 2400 Marni verloren
hatte, noch 3000 Feuergewehre. Ein Bataillon befand sich bei der 217. ID. im Putna-
riegel, wofür als Ersatz am 11. ein deutsches Bataillon zugewiesen wurde. I1/2. Ba-
taillone waren am 9. August zur 115. ID. abgetrennt worden und noch nicht zurück-
gekehrt.
Änderung der Befehlsverhältnisse beim Feinde
373
lieh beim XVIII. RKorps. GLt. Wenninger durfte in der eingeschla-
genen, für den Feind empfindlichsten Richtung nicht locker lassen.
GLt. Sontag stieß daher mit dem Alpenkorps, ungeachtet der russischen
Gegenwehr, machtvoll über Panciu vor und riß rechts die deutsche
115., links die öst.-ung. 62. ID. mit. Diese trieb den Feind, Teile der
103. Russendivision, zwischen Susina und Putna zurück und eroberte
Clipioesti. Die Landstürmer brachten 600 Gefangene ein, büßten aber
selbst an die 1000 Mann ein. Auqh der rechte Flügel der deutschen
217. ID. konnte die Putna überschreiten. Die Russen, namentlich ihr
erschüttertes VII. Korps, wichen nach Norden. Der rumänische Armee-
führer mußte, um nicht von seinem Nachbar getrennt zu werden, neuer-
lich den Westflügel verlängern.
Am 13. August früh wollte Gen. Ragosa im Anschluß an die von
den Russen gehaltene Linie Iresci—Deocheti auch die Rumänen bis
Modruzeni (am rechten Serethufer) zurücknehmen. Grigorescu sträubte
sich jedoch, bei hellem Tag, vor den Augen des Gegners, einen 3 bis
6 km breiten Streifen des opfervoll verteidigten Bodens samt Märä-
sesti preiszugeben. Er erklärte zuversichtlich sowohl dem rumänischen
Generalstabschef Presan wie dem Gehilfen des Heeresfrontkommandos,
Gen. Schtscherbatschew, die königliche Armee könne ihre Stellungen
behaupten. Schtscherbatschew vertraute daraufhin dem Gen. Grigorescu
den ganzen Kampfabschnitt bis Iresci an, also auch das VIII. Russen-
korps. Das völlig abgekämpfte russische VII. Korps war durch Rumä-
nen zu ersetzen. Die Front sollte vorerst verläßlich gefestigt werden.
Hierauf sollte Grigorescu, gestützt auf frische Verstärkungen (rumä-
nische 15. ID., zwei Kavalleriebrigaden zu Fuß, 124. Russendivision),
alle verfügbaren Truppen zu einem einheitlichen Gegenangriff zu-
sammenzufassen. Die Armee Averescu hatte eine Division in das obere
Zäbräuttal zu stellen. Gen. Ragosa wurde abberufen und hatte in Bacäu
den Befehl über einige Korps der 9. Russenarmee, zu übernehmen. Die
6. Russenarmee, Gen. Zurikow, erhielt neuerlich den Auftrag, bei Nämo-
loasa kräftig anzugreifen.
Die Russen hatten auch schon am 11. August am Serethunterlauf
auf die Armee Eben (Gruppe Rimnic sowie komb. ID. der Bulgaren und
k. u. k. 145.IBrig.) ein lebhaftes Geschützfeuer eröffnet, das in den
folgenden Tagen auf die Donaulinie übergriff, an der die nunmehr von
Gen. Sawoff befehligte 3. Bulgarenarmee wachte. Bei den Bulgaren und
Türken des Korps Kosch entspannen sich rege Gefechte im Vorfelde.
Dem Feinde gelang es aber nicht, die deutsche Führung abzulenken.
374 Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Wie die Russen und Rumänen, so benützten auch die Verbündeten,
auf der Walstatt vor Focsani den 13, August, um sich für neue Kämpfe
zu rüsten. Das XVIII. RKorps blieb weiterhin der Hauptträger des
Angriffes. GLt. Wenninger erhielt die 13.SchD. zugewiesen, die dem
Alpenkorps als rechte Flügelstaffel zu folgen hatte. Das SchR. 1 und
das aus Tirolern italienischer Volkszugehörigkeit gebildete KJB. Süd-
tirol marschierten abends nach Bätinesti; das SchR. 24 blieb im Raum
um Fäurei. Die 62. ID., jetzt dem preuß. GM. v. Gallwitz, Führer der
217. ID., unterstellt, nahm am Morgen mit dem rechten Flügel Valeni.
Gemeinsam mit der 217. ID. wurde nördlich von Clipicesci das Ge-
lände zwischen Putna und Susita von Russen gesäubert.
Freund und Feind hatten bereits durch eine volle Woche erbittert
und unter schweren blutigen Einbußen miteinander gerungen. Hüben
wie drüben versuchte die hohe Führung, eine Entscheidung zu er-
zwingen. Am 14. August sollte die Schlacht mit neuer Wucht entbrennen.
Die Schlacht im O j t o z g e biet
(8. biis 13. August)
Während GFM. Mackensen von Focsani nach Norden vorstieß,
sollte Erzherzog Joseph die Gruppe Gerok aus den Siebenbürger Grenz-
bergen nach Osten vorbrechen lassen. Die dem öst.-ung. VIII. Korps1),
1) Kräftegruppierung des VIII. Korps :
71. ID.: 142. IBrig., bh. IR. 5 (4), Fußregiment der 8. KD. (4)
73. HIBrig., IBaone. II/82, I und III/HIR. 18, Il/HIR. 33, III/HIR. 314,
III/HIR. 315
Nebengruppe, HIR. 33 (¿^), Sturmbaon. der Heeresfront
11.000 Feuergewehre, 34 mittlere und schwere Minenwerfer, 80 leichte,
8 schwere Geschütze
deutsche 117. ID.: 15. bayr. RIBrig., bayr. RIR. 18 (3), IBaone. l/RIR. 11, württ.
GbBaon., II/LstlR. 36j II und III/HIR. 313,
Nebengruppe, IBaone. II/RIR. 11, I und IIl/LstlR. 36
8200 Feuergewehre, 22 mittlere und schwere Minenwerfer, 64 leichte,
8 schwere Geschütze
70. HID.: 207. HIBrig., IBaone. i/HIR. 313, I und Il/HIR. 314, I und Il/HIR. 315,
Fußregiment der 7 KD. (2)
5100 Feuergewehre, 50 leichte Geschütze.
Korpsunmittelbar: 33 schwere Geschütze,
Summe des VIII. Korps: 24.300 Feuergewehre, 56 Minenwerfer, 194 leichte und
49 schwere Geschütze.
Im Anmarsch: IBaon. Il/HIR. 18, halbes DR. 14; IBaon. III/RIR. 11; 1900 Feuer-
gewehre.
Die Angriffsaufgabe des k. u. k. VIII. Korps
375
FZM. Benigni, übertragene Aufgabe lautete, die Front des Feinides mög-
lichst rasch in der Richtung auf Ocna und Onesci aufzureißen. Als
erstes Ziel strebte der Korpsführer an, die Gebirgsenge des Ojtoztales
hinter sich zu bringen und Grozesci zu erreichen1). Im Hinblick auf
das Gelände und auf die beschränkten Streitkräfte wurde südlich der
Paßstraße der breit ausladende und nach Osten abfallende Höhenrücken,
auf dem die 71. ID. in Stellung war, als Angriffsfeld gewählt. Von hier
ausgehend hatte FML. Edi. v. Goldbach mit der verstärkten 71. ID. im
ersten Anlauf bis auf die Kammlinie des D. Lesuntului (zwischen Curita
und Ojtuzu) vorzustoßen. Die deutsche 117. ID., GM. Seydel, hatte im
Anschluß beiderseits des Ojtoztales, mit der Hauptkraft auf dem Berg-
zug der Nordseite, vorzurücken. Rechts und links von den Angreifern
sollten die Nachbarn (37. und 70. HID.) den Feind durch Stoßtrupp-
unternehmen ablenken. Solche ließ das l.Armeekmdo. auch weiter
nördlich beim VI. Korps ins Werk setzen. Um dem Schauplatz der kom-
menden Ereignisse näher zu sein, verlegte GO. Rohr sein Hauptquartier
von Székely Udvarhely nach Czik Szereda.
Der Angriff des Korps Benigni wandte sich gegen die 6. und die
7. ID. des IV. Rumänenkorps, an das nach Nordwesten der linke Flü-
gel der 9. Russenarmee mit der 2. ID. des XXIV. Korps anschloß2). Am
S.August, um 10hvorm., nachdem die Artillerie durch mehrere Stunden
vorgearbeitet hatte, drangen die Angreifer der 71. ID., die 142. IBrig.,
Obst. Wanëk, unter den Augen des Heeresfrontkommandanten, GO.
Erzherzog Joseph, in die erste Stellung des Feindes ein. Beim weiteren
Vorgehen wogte der Kampf um die waldigen Kuppen mit den sich
widersetzenden Rumänen hin und her. Deshalb scheute sich der Divi-
sionsführer, FML. Goldbach, die hinter der 142. IBrig. bereitgestellte
73.HIBrig., Obst. Hodula, frühzeitig auszuspielen, was auch der an-
wesende Generalstabschef der Heeresfront, GM. Seeckt, guthieß. Auch
wollte die 71. ID. auf das Feuer der schweren Batterien noch nicht ver-
zichten; diese sollten, aber, sobald der Durchbruch der öst.-ung. Stoß-
masse gelungen war, noch der jenseits des Oituzu schon sturmbereiten
Hauptkraft der 117. ID. den Weg bahnen. Endlich, als sich die Angreifer
der Talsohle des Lesuntubaches näherten und auch die angrenzende
deutsche Nebengruppe Raum gewonnen hatte, erhielt die 73.HIBrig. in
r) Unter Verwertung ungedruckter Arbeiten von Max Pit reich über die
damaligen Kämpfe des VIII. Korps, und von K i s z 1 i n g, Die Kämpfer der k. u. k.
1. Armee.
2) K i r i t 2 e s c o, 346 ff. ' : ■ ' ■
376
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
den ersten Nachmittagsstunden den Befehl zum Vorrücken. Sie folgte
aber nicht der vorderen Brigade Wanëk, sondern wurde zwischen dieser
und der ein Regiment starken Südgruppe Goldhachs zu einem nach
rechts ausholenden Flankenstoß gegen den D. Lesuntului -<> 677 ange-
setzt. Während beide Brigaden, am Westrand des Lesuntutales ange-
langt, hier die im unübersichtlichen Waldgelände auseinandergeratenen
Verbände ordneten, fand der Feind genügend Zeit, sich auf dem
andern Ufer zu neuerlichem, kräftigem Widerstand festzusetzen. Gegen
diesen drang auch die Brigade Hodula, als sie noch abends eine dem
D. Lesuntului vorgelagerte Höhe nehmen wollte, nicht mehr durch. Die
71. ID. mußte sich mit der erreichten Bachlinie begnügen; am Nord-
flügel war das bh. IR. 5 bis an den Westrand von Heresträu gekommen.
Nachmittags war es höchste Zeit, der 117. ID. die Mitwirkung der
schweren Artillerie zu überlassen, sollte der Angriff des GM. Seydel
noch in Schwung kommen. Gegen Abend erstürmten deutsche Bataillone
den Vrf.Ungure.ana -<¡>-779.
In dem Nachbarabschnitte hatte die 70. HID. am Vrf. Pravila feind-
liche Kräfte gebunden. Von den vier beim VI. Korps, Gdl. Hadfy,
durchgeführten Unternehmen glückte nur jenes am rechten Flügel;
die deutsche 225. ID., GM. v. Woyna, vermochte im Gebiet desMt. Cleja
russische Gräben ihrer Abwehrlinie einzuverleiben. Im Bereich der
37. HID, entspannen sich, wie schon an den Vortagen, um die Mgr. Casi-
nului lebhafte Kämpfe. Die deutsche 218. ID. fühlte an mehreren Stel-
len gegen die Rumänen vor, die sich ziemlich ruhig; verhielten; war
doch ihr II. Korps auf Geheiß des Oberkommandosx) damit beschäf-
tigt, durch Truppen der 1. und der 3. ID. die Russen an der Putna ab-
zulösen (S. 370). Der rumänische Armeeführer, Gen. Averescu, hatte
sich während des Tages auf dem Gefechtsfelde seines angegriffenen
IV. Korps eingefunden und Reserven hingeleitet. Am nächsten Tage
sollten die 6. und die 7. ID. ihre verlorenen Stellungen durch einen
Gegenstoß zurückgewinnen 2).
Am 9. August ließ FZM. Benigni den Angriff fortsetzen. FML.
Goldbach hatte den Feind vom Lesuntuluirücken zu werfen, GM. Seydel
gegen die Höhe D. Cosna -<J>- 788 vorzurücken. Die inneren Flügel beider
Divisionen sollten bis Grozesci und damit aus der letzten Enge des
Ojtoztales heraus gelangen. Die Nachbarn hatten die Flanken des Stoß-
keiles zu sichern.
!) D a b i j a, IV, 169 ff.
2) Ebenda, 177 und 182.
Erfolge des Korps Benigni
377
Indes waren die Rumänen am 9. früh mit ihrem Gegenhieb
schneller zur Hand und drängten die 71. ID. zurück, so daß diese fast
den ganzen Raumgewinn des Vortages einbüßte. Der Angriff des
VIII. Korps muJßte neu vorbereitet werden. Von den Reserven erhielten
FML. Goldbach li/2 Honvédbataillone nebst dem halben DR. 14, GM.
Seydel ein deutsches Bataillon zugewiesen. Der Spätnachmittag brachte
dann einen Erfolg. Die 73.HIBrig., nunmehr von Obst. Lörinczy be-
fehligt, durchbrach die Rumänen nördlich des D. Chirosurilor -<^843,
ließ schwächere Kräfte gegen diesen Gipfel, ein Bataillon gegen die
Glasfabrik im Talschluß des Curitabaches vorgehen und rollte mit der
Hauptkraft die Stellung des Feindes gegen den D. Lesuntului auf. Die
Brigade Wanëk ging den Höhenzug im Stirnangriff an. Bis zur Dunkel-
heit war im allgemeinen der Westrand der Waldzone zwischen der Glas-
fabrik und Heresträu erreicht. Nördlich des Oituzu drückte die deutsche
117. ID. den Feind ebenfalls nach Osten zurück. Gleichwohl waren aber
am Ende des zweiten Kampftages die ersten, der Hauptangriffsgruppe
gesteckten Ziele noch nicht gewonnen.
Der Ansturm des Korps Benigni hatte die Rumänen heftig erschüt-
tert. Außer den blutigen Verlusten hatten sie an den beiden Tagen über
1000 Mann an Gefangenen eingebüßt. Die zahlreichen Einbrüche in die
Wehrstellung machten diese unhaltbar und bewogen den Führer des
IV. Korps, seine Front, vom oberen Dafténatal angefangen, in die vom
Vrf. Giresoaia quer über den Ungureanarücken und den D. Lesuntului
zur Höhe nordwestlich der Mgr. Casinului verlaufende Linie zurück-
zuverlegen. Die Rückbewegung sollte über Nacht erfolgen; inzwischen
war aber diese Linie westlich der Glasfabrik schon vom Gegner durch-
löchert. Gen. Averescu raffte zur Stützung seines IV. Korps, das an
Reserven nur mehr über die Marschbataillone der Divisionen verfügte,
alle erlangbaren Kräfte zusammen. Die 2. Cälärasibrigade wurde nach
Onesci herangezogen; aber auch das II. Korps mußte, obwohl es den
rechten Flügel der Armee Ragosa zu übernehmen hatte, noch Truppen
nach Norden abgeben1).
Die Streiter des Korps Benigni waren gleichfalls geschwächt und
sehr ermüdet. Frische Kräfte waren nicht zur Hand, sonst hätten die
Verbündeten aus der kritischen Lage des Feindes mehr Vorteile ziehen
können. Für den 10. August befahl Gdl. Gerok, den weichenden Rumä-
nen Verfolger an die Fersen zu heften. Das Korps Benigni baute den
x) Die rumänischen Divisionen 1—10 waren im Vergleich zum Gegner sehr
stark, denn sie umfaßten je vier Infanterie- und ein Jägerregiment oder 14 Bataillone.
378
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
errungenen Erfolg zunächst im engeren Bereich aus. Die von den Rumä-
nen zäh verteidigte Straßenenge zwischen Heresträu und Grozesci wurde
gesäubert. Die 73.HIBrig. drang, den Widerstand des Feindes schritt-
weise überwindend, zur Glasfabrik vor. Der Südteil der 71. ID. gewann
auf der zur Stellung der 8.GbBrig. streichenden Rückenlinie Boden.
Deshalb versuchte auch die 8. GbBrig., ihrem Nachbarn von der Mgr.
Casinului aus nach Norden die Hand entgegenzustrecken; es gelang
aber nur, die Gipfelstellung auf die nächstliegenden Kuppen auszu-
weiten. Die deutsche 117. ID. warf den Feind auf die D. Cosna zurück
und kam im Ojtoztal bis an den Westrand von Grozesci. Da die Ru-
mänen vor der 70. HID. freiwillig abgezogen waren, trat FML. Sorsich
die Verfolgung an. Eine Talgruppe, die verstärkte 20. KBrig., erreichte
den Ort Slänic. Die 207. HIBrig. nahm die Höhe Pravila À 875, stieß
jedoch vor dem Vrf. Ciresoaia auf Gegenwehr. Beim benachbarten
VI. Korps räumten die Russen vor der deutschen 225. ID. den ganzen
Bergstock des Mt. Cleja.
Im Südabschnitt der Gruppe Gerok, vor der 218. ID., hielten die
Rumänen noch; das Kommando der Heeresfront gewann aber den
Eindruck, daß sie bereits den Troß aus dem Sovejabecken abschöben.
Die gleichzeitigen heftigen Gegenangriffe der Rumänen gegen die
deutsche 9. Armee (S. 371) ließen vermuten, daß der Feind aus der
Falle des Sovejagebietes durch das Susitatal heraus wolle und sich hiezu
nach Süden Luft zu schaffen suche. Da sollte der für den 11. August
angesetzte Nordoststoß des XVIII. RKorps dazwischenfahren (S. 371).
Das rumänische Oberkommando, durch die Offensive der Mittel-
mächte nach zwei Seiten zur Abwehr genötigt, ließ die in die nördliche
Moldau marschierende 1. KD. (S. 362) zur bedrängten Armee Averescu
abzweigen und schob dieser noch die Grenzerbrigade, die als Heeres-
reserve hinter der 1. Armee stand (S. 371), sowie einige russische Ein-
heiten zu- Zugleich wurde dem Armeeführer bedeutet, daß dies die
letzten, verfügbaren Kräfte seien, die damit ihrer eigentlichen Bestim-
mung entzogen würden; auch der zweckwidrige Einsatz und vorzeitige
Verbrauch der Marschtruppen wurde gerügt. Da Averescu noch vor
wenigen Tagen seinem Oberkommando das freiwillige Aufgeben des
Sovejabeckens widerraten hatte, wurde der Zeitpunkt für diese Maß-
nahme jetzt seinem Ermessen überlassen; denn nach der Gesamtlage
war eine Frontverkürzung, um die Südhälfte der 2. Armee noch recht-
zeitig aus dem Sack herauszubringen, nicht mehr zu vermeiden. Averescu
traf Vorsorgen für ein Rückverlegen des IL Korps. Der Führer des
Krise beim rumänischen IV. Korps
379
IV. Korps wurde angewiesen, alle zuströmenden Verstärkungen zu
einem gut vorbereiteten Gegenangriff zusammenzufassen1).
Am 11. August sollte die Division Goldbach die Höhen nordwestlich
von Mon. Casin, die Division Seydel den Cosnagipfel nehmen. Der
71. ID. kam jedoch die 6. Rumänendivision zuvor. Sowohl die Brigade
Wanëk, noch mehr aber die Brigade Lörinczy mußten sich wiederholter,
heftiger Anfälle erwehren; bei der Glasfabrik dauerte der erbitterte
Kampf, in welchem sich das HIR. 18 entschlossen behauptete, bis in
die Abendstunden.
Unterdessen hatte die 117. ID. knapp nach Mittag durch das würt-
tembergische Gebirgsbataillon als Bahnbrecher die Höhe Cosna -<¡>-788
bezwungen2). GM. Seydel erhielt den Befehl, mit dem rechten Flügel
ins Ojtoztal zu drücken, um die 71. ID. zu entlasten. Nachmittags er-
oberten die Deutschen noch die Nebenkuppe der Cosna, und das dem
GM. Seydel unterstellte HIR. 313 drang in den langgestreckten Ort
Grozesci ein. Jetzt konnte sich auch der Anschlußflügel der 71. ID.
vorarbeiten. Die 70. HID., FML. Sorsich, focht gleichfalls glücklich.
Das Fußregiment der 7. KD. unter dem Brigadier Obst. Freih. Regner
v. Bleyleben erkämpfte sich, mit dem UR. 2 als Vorhut, den Austritt aus
dem Slänictal und besetzte westlich vor Gura Slänicului eine Höhe, die
das Trotusutal, Ocna gegenüber, beherrschte. Die 207. HIBrig., Obst.
Guilleaume, hatte mit dem HIR. 314 den Vrf. Ciresoaia -<¡>-772 genom-
men und stieg nunmehr abends nach Nordosten gegen Mesurilor ab.
Ein Halbbataillon sicherte den breiten Vorrückungsraum nach links
gegen das Dafténatal. Maschinengewehre bestrichen bereits die Straße
am Trotusu. Die rechte Brigade der 7. Rumänendivision zog sich teil-
weise schon auf das linke Flußufer zurück. Die Angreifer konnten sich
der Hoffnung hingeben, Ocna, das greifbar vor den Augen lag, und
bald auch Onesci zu erreichen. Das Nachbarkorps Hadfy wurde auf-
gefordert, mit der 225. ID. auf dem Plaiul Ciunget nach Nordosten
gegen die Russen vorzugehen.
Der erfolgreiche Vorstoß der Divisionen Sorsich und Seydel hatte
die Krise beim IV. Rumänenkorps aufs höchste gesteigert. Die schweren
Batterien führen bereits nach Onesci ab, die anderen Batterien bezogen
hintere Stellungen. In diesem Augenblicke ärgster Gefahr hasteten die
Reserven heran. Die aus der l.KD. gebildeten Fußbataillone wurden
1) D ab i j a. IV, 191 ff.
2) S p roes s er, Die Geschichte der Württembergischen Geb i rgs schützen^(Stutt-
gart 1933), 196 ff.
380
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
in die zwischen der 7. und der 6. ID. aufgesprungene Lücke geworfen
und bremsten den Ungestüm der deutschen Division. Andere, gegen
Grose sei angesetzte Eingreiftruppen drängten das HIR. 313 aus dem
Dorfe hinaus.
Spät in der Nacht mahnte das rumänische Hauptquartier den Gen.
Averescu, die Lage auf dem rechten Flügel um jeden Preis wiederherzu-
stellen. Beim Stabe des Armeeführers ließen die eintreffenden Truppen-
zuschübe sowie die schwächer werdenden Anstürme des Gegners das
Gefühl zunehmender Erstarkung aufkommen. Averescu entschloß sich zu
einem Gegenschlag, der ;am 13. August einsetzen sollte. Dringend er-
schien dem General jedoch, das Trotusutal mit seinen wichtigen Ver-
kehrsadern zu schützen, die schon sehr bedroht waren. Deshalb wurde
noch für den 12. mit den Russen ein Vorstoß aus dem Raum Dafténa—
Ocna nach Südwesten vereinbart. G dl. Gerok überließ dem VIII. Korps
das von der deutschen 218. ID. überstellte, zur 117. ID. gehörende
RIR. 22 und befahl, vorerst die Flußübergänge bei Ocna und Mesurilor
in die Hand zu nehmen.
Am 12. August rückte die Division Sor sich näher an den Trotusu
heran. Die 20. KBrig. mußte sich bald beiderseits des Slänicbaches zum
Kampfe entwickeln und wurde hier aufgehalten. Die 207. HIBrig. kam
mit ihren Landstürmern bis Mesurilor und erhielt schon den Auftrag,
am jenseitigen Ufer die Bahnstrecke zu sprengen. Da brach nachmittags
ein Gegenstoß der verstärkten 7. Rumänen- und der 2. Russendivision
los. Die schwache Honvédbrigade (vier Bataillone) wurde in dem aus-
gedehnten Waldgebiet unter erheblichen Verlusten auf die Höhe Cire-
soaia zurückgeworfen. Die 20. KBrig. wich abends bis zur Ortsmitte
von Slänic zurück und suchte von hier die Verbindung zu den Nachbar-
abschnitten aufzunehmen. Die deutsche 117. ID. mußte sich auf der
Cosna kräftig zur Wehr setzen. Bei der Division Goldbach hatte die
73. HIBrig., vor allem das gelichtete HIR. 18, die größte Mühe, die
westlich der Glasfabrik hartnäckig anrennenden Rumänen abzuwehren.
Der bei der 70. HID. erfolgte Rückschlag konnte die Angriffsgruppe
des VIII. Korps in der linken Flanke gefährden. FZM. Benigni wies da-
her von seiner einzigen Reserve, dem erst anmarschierenden RIR. 22,
zwei Bataillone der 117. ID. und eines der 70. HID. zu. Das l.Armee-
kmdo. hatte inzwischen das noch bei der Gruppe Liposcak verbliebene
HIR. 15 der 37. HID., das Heeresfrontkommando ein neugebildetes
Sturmbataillon verfügbar gemacht.
Der rumänische Armeeführer Averescu hatte außer der Aufgabe,
Rumänischer Gegenangriff im Ojtozgebiet
381
mit seinem IV. Korps dem Gegner den Austritt aus dem Gebirge zu
sperren, noch die Sorge um den Südflügel des II. Korps. Hier drohte
unter dem Druck der Deutschen der Anschluß zu den abbröckelnden
Russen verloren zu gehen. Die 3. ID. wurde deshalb verhalten, auf
rückgängige Bewegungen beim Nachbar gut zu achten und eine starke
Nahtreserve bereitzustellen1).
Am 13. August ging Gen. Averescu mit dem ganzen IV. Korps zum
Gegenangriff über. Der rechte Flügel der 7. ID. im Verein mit Russen
suchte die Erfolge des Vortages weiter auszubauen. Die geschwächten
Bataillone der 70. HID. vermochten sich, mit einem deutschen Bataillon
als Rückhalt, im Ciresoaiagebiet nur mühsam zu behaupten. Wegen der
unsicheren Lage schob das VI. Korps seinem rechten Flügel auf dem
Mt. Cleja Reserven aus dem Uztal zu, sah aber von dem weiter west-
lich geplanten Vorstoß (S. 379) ab. Die mit einigen Honvédkompagnien
vermengten Kavallerie schützen wurden bei Slänie gleichfalls bedrängt;
die deutsche 117. ID. mußte ihren linken Flügel abbiegen. Gegen die
Cosnastellung stürmten die Rumänen mit Teilen der 7. ID. und mit der
durch Jäger- und Grenzerbataillone verstärkten 1. KD. von drei Seiten
umfassend an. Die Verteidiger mußten schließlich den Gipfel dem
Feinde überlassen und sich an die dahinter gelegenen Höhen anklam-
mern. Die Division Goldbach hatte mit der 6. Rumänendivision gleich-
falls einen schweren Strauß auszutragen. Mit äußerster Anstrengung
wurde südlich des Lesuntului ein Einbruch abgedämmt. Am rechten
Flügel versuchte eine rumänische Kerntruppe, die Grenzerbrigade (vier
Bataillone), dem HIR. 33 den D. Chiosrilor -c¡>- 843 zu entreißen, fand
aber an den Kroaten unbeugsame Gegner.
Gen. Averescu hatte durch seinen Gegenschlag, wenn auch der Ge-
ländegewinn auf der Cosna und nördlich davon bescheiden war, doch
den Gegner von der Besitznahme des Trotusutales abgehalten. Zudem
waren die Streitkräfte des öst.-ung. VIII. Korps derart hergenommen,
daß hier zunächst nur an das Ordnen der Verbände und an das Fest-
halten der Stellungen zu denken war. Von dem eben eintreffenden
HIR, 15 wurden das Spitzenbataillon der 70. HID., das nächstfolgende
Honvédbataillon und das Bataillon 1/69, das von der 8. GbBrig. abge-
zogen worden war, der 71. ID. zugewiesen, damit sie bei der 73. HIBrig.
das durch die schweren Kämpfe bei der Glasfabrik völlig erschöpfte
HIR. 18 und die nicht weniger hergenommenen Bataillone III/HIR. 314
und III/HIR. 315 auswechseln könne.
i) D abija, IV, 217 ff.
382 Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Entschlüsse und Pläne der hohen Führung
Inzwischen vereinbarten die beiden Heeresleitungen und die Front-
befehlshaber der Mittelmächte neue Richtlinien für die Fortsetzung der
Offensive gegen Rumänien. Der linke Flügel der Armee Eben hatte die
Fortschritte des XVIII. RKorps auszuwerten und am 14. August die
Höhen bei Muncelu zu nehmen. Hielten die Rumänen trotzdem vor der
Gruppe Gerok das Sovejabecken noch immer fest, so war der Nordost-
stoß nach Racoasa weiterzuführen. Dem Kommando der Heeresfront
Erzherzog Joseph kam es vornehmlich darauf an, den Feind, auch wenn
er abzog, im Einklang mit der deutschen 9. Armee noch südlich des
Trotusuabschnittes abzufassen. Der Gruppe Gerok wurden daher ent-
sprechende Angriff streif en vorgezeichnet. Die 218. ID. und die 1. KD.
hatten dem weichenden Feinde nach Soveja zu folgen. Die 37. HID. mit
der 8. GbBrig. sollte zwischen den Linien Mt. Rësboiului-—Gura Vai
und Mgr. Casinului—Mon. Gasili vorrücken. Nördlich davon, beim
VIII. Korps, war der linke Flügel der 71. ID. von Grozesei auf den Ort
Casinu und jener der 117. ID. von dem D. Cosna auf Onesci anzusetzen.
Der 70. HID. fiel der Flankenschutz zu. War der Raum um Mon. Casin
erreicht, so wollte man die südlich davon stehenden Kräfte nach Nord-
osten verschieben, um dem Waldgebiet auszuweichen und baldmöglichst
stark zum Trotusu zu kommen. Man machte sich auch schon Gedanken,
wie die Offensive weiterzuführen wäre, wenn es einerseits gelingen
sollte, die Russen und Rumänen über den Fluß zurückzuschlagen, und
wenn anderseits der Angriff der Deutschen bis Agiudu-nuou fort-
schreite. In diesem Falle beabsichtigte das Heeresfrontkommando, mit
Teilen des VIII. Korps und mit der 225. ID. die Linie Trotus (Ort)—
Vrf. Ciresoaia—Plaiul Ciunget nach Norden zu sperren. Die Hauptkraft
Geroks (37. HID., 71. und 117. ID., 8. KD.) sollte aus dem unteren Ca-
sinutal nach Norden aufschwenken und zwischen Cijuta und Onesci
den Trotusu überqueren. Die 218. ID. und die l.KD. waren als Reserve
durchs Casinutal nachzuziehen. Jenseits des Trotusu sollte sodann im
Hügelgelände vom Sereth bis zur Tazläumündung ein Riegel gezogen
werden, um die Armee Eben zu befähigen, die Kriegshandlung auf das
östliche Serethufer zu übertragen. Hiezu glaubte das Heeresfrontkom-
mando, nach dem Erreichen der genannten Linie auch von sich aus eine
bis zwei Divisionen beisteuern zu können.
Um diesen hochstrebenden Zukunftsplänen zur Wirklichkeit zu ver-
helfen, galt es, wieder das Schlachtenglück zu versuchen.
Entschluß zum Rückzug dier rumänischen 2. Armee
383
Auf der Seite des Feindes hatte Gen. Averescu am 13. August früh
erfahren, daß sein Nachbar Ragosa unter dem Druck des Gegners die
ganze Front zwischen dem Sereth und dem Gebirge zurücknehmen wolle
($.373); nunmehr war es höchste Zeit, das Sovejabecken zu räumen,
denn die Zufuhrwege durchs Susita- und Zäbräuttal waren nicht mehr
frei. Das rumänische II. Korps hatte daher in der Nacht auf den 14.
den vorbereiteten Rückzug (S. 378) auf die Sehnenstellung Mt. Rësboi-
ului—D. Rachitasu mc.—Vizantia—Iresci anzutreten. Die 1. ID. konnte
ausgespart werden und war auf Befehl des Oberkommandos am Tal-
schluß des Zäbräut zu sammeln. Dem IV. Korps wurde eine tätige
Gegenwehr vorgeschrieben; die auf halben Stand gesunkenen Grenzer
waren durch die 2. Cälärasibrigade auszutauschen1).
Weitere Kämpfe um die Zugänge in die westliche
Moldau
Neuerlicher Vorstoß der Armee Ehen und Abzug der Rumänen aus dem
Sovejabecken
(14. bis 18. August)
Hiezu Skizze 3 der Beilage 18
Am 14. August lebte die Schlacht nördlich von Focsani wieder
mächtig auf. Die deutsche 9. Armee griff in zwei Richtungen an. Die
216. ID. des I. RKorps entriß den Rumänen durch einen geschickten
Schlag die Brückenkopfstellung vor Bältäretu. Der Feind konnte nur spär-
liche Trümmer seiner 5. ID. auf das Ostufer des Sereth retten2). Dem
XVIII. RKorps fiel die Aufgabe zu, scharf in die Täler der Susita und
des Zäbräut hineinzustoßen. Das Alpenkorps gewann gegen die Russen
über Panciu hinaus Raum. Die dahinter zum Ablösen bereitgestellte
10. Rumänendivision fing jedoch den Anprall der Deutschen auf3). Da
das Alpenkorps im Fortschreiten vom linken Flügel des I. RKorps ab-
rückte, hatte die k. k. 13.SchD. über Nacht in die sich ergebende Lücke
zu treten. Zugleich sollte FML. Kaiser dem GLt. Sontag die Flanke
decken; denn es war erkundet worden, daß der Feind nordwestlich
1) Dabija, IV, 225 ff. — K i r i l z e s c o, 353 ff.
2) Morgen, 124 f. — O r 11 e p p, Die Kämpfe in der Moldau, 1935, Heft 4.
3) Dabija, IV, Märäsesti (Manuskript). — Ki ritze s co, 337 ff.
384
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
von Panciu eine größere Truppenmacht, vermutlich zu einem Gegen-
stoß, ansammele. Links vom Alpenkorps bewegte sich auch die .schwache
Division Brunswik etwas vor. Die deutsche 217. ID. begegnete bei Iresci
hartem Widerstand. Gen. Averescu hatte sein hier angrenzendes II. Korps
über Nacht aus dem Sovejabecken zurückgenommen (S. 383)1), war
aber eifrig darauf bedacht, die Naht zwischen seiner Armee und dem
VIII, Russenkorps der Armee Grigorescu nicht sprengen zu lassen. Den
Abzug der Rumänen hatten die Führer der Mittelmächte schon längst
erwartet. Die als Putnariegel verwendeten Kräfte (Gruppe Obst. Gf.
Keller), denen der Armeeführer, Gdl. Eben, bereits entbehrliche Trup-
pen entnommen hatte, folgten sogleich dem weichenden Feinde nach
und trachteten, auch der deutschen 218. ID. der Gruppe Gerok die
Hand zu reichen.
Am nächsten Tag wollte die deutsche 9. Armee den Erfolg des
I. RKorps vervollständigen und mit dem XVIII. auf die Höhen bei
Muncelu und Iresci, womöglich auch bis Racoasa, gelangen! Die Ent-
lastungsversuche der 6. Russenarmee, die am Unterlauf des Sereth bei
der Buzeumündung und gegen die Gruppe Rimnic (deutsche 109. und
k. u. k. 92. ID.) Gas abschoß sowie an der Donau die bulgarische Armee
Sawoff weiter beunruhigte (S. 373), verfehlten den angestrebten Zweck ;
GFM. Mackensen ließ sich dadurch nicht verleiten, das Gewicht seines
Nordflügels zu mindern.
Gdl. Gerok war über den Rückzug der Rumänen aus dem Soveja-
gebiet keineswegs überrascht. Schon im Lauf der letzten Tage hatten
vorfühlende Stoßtrupps der 218. ID. wahrgenommen, daß sich die Gegen-
wirkung der feindlichen Artillerie verringere. Die 218. ID., GM. Nostitz,
und die 37. HID., GM. Háber, wurden daher angewiesen, auf den offen-
bar bevorstehenden Rückzug des Feindes gut zu achten. Sie vermochten
auch am 14. August den Rumänen unmittelbar zu folgen. Die Deutschen
erreichten, Nachhuten des Feindes verjagend, abends Soveja. Die
37. HID. trat aus ilpren Gebirgsstellungen gleichfalls den Vormarsch an.
Die 1. KD. rückte über den Mt. Sboina Neagrä, die 74. HIBrig. gegen
den Mt. Rësboiului vor. Ein Versuch der 8.GbBrig., einen nördlich der
Mgr. Casinului liegenden Gipfel zu nehmen, mißglückte jedoch; dadurch
war erwiesen, daß der Feind nicht gewillt war, auch nördlich des
Casinutales zurückzugehen.
Beim VIII. Korps herrschte nach den schweren Kampfestagen ver-
hältnismäßig Ruhe. Nur bei der 70. HID. mußte westlich der Höhe
i) D abija, IV, 233 ff.
Harte Angriffsarbeit der Verbündeten
385
Cire§oai.a ein kleiner Einbruch des Feindes mit Hilfe einiger Kompag-
nien der benachbarten 225. ID. wettgemacht werden.
Das rumänische Oberkommando erkannte klar, daß sich der nach
Norden drückende Angriffskeil des Gegners zwischen die Armeen Gri-
gorescu und Averescu hineinzubohren drohe. Die 1. Armee hatte daher
„um jeden Preis" den Weg nach Norden zu verrammeln und mit Hilfe
der eintreffenden Verstärkungen (S. 373) und der bei der 2. Armee
ausgeschiedenen 1. ID. (S. 383) einen Gegenschlag vorzubereiten; die
erschütterten Verbände des VIII. Russenkorps waren durch Rumänen
zu ersetzen. Die 2. Armee sollte ehestens die Lage am rechten Flügel
wiederherstellen. Averescu schrieb dem IV. Korps eine tätige Abwehr
vor und wies das II. Korps an, mit der Nahtreserve (S. 381) den rus-
sischen Nachbar (103. ID.) kräftig zu unterstützen.
Am 15. August säuberte das I. RKorps den Mündungswinkel zwi-
schen Su§i£a und Sereth vollends von den Rumänen, die den Verlust
des Brückenkopfes von Bältäretu mit 3500 Gefangenen und 16 Ge-
schützen bezahlten und ihre fast vernichtete 5. ID. zum Auffüllen ab-
schieben mußten. Um den Deutschen das Nachdrängen zu vereiteln,
sprengte jedoch der Feind die eiserne Bahn- und Straßenbrücke. Die
Wiener Schützendivision rückte in den Kampfabschnitt vor Panciu ein
und zog ihre bisher den deutschen Divisionen zugeteilten Batterien
heran. Das Alpenkorps arbeitete sich nördlich der Susina gegen die
Höhen von Munoelu vor; aber wo die Russen wankten, dort stemmten
sich den Angreifern die nunmehr von beiden Armeeführern, Grigo-
rescu und Averescu, ins Gefecht geworfenen Rumänen kräftig entgegen.
Der Feind leistete auch in seiner alten Abwehrstellung Iresci—Racoasa
der deutschen 217. ID. starken Widerstand.
Der Südteil der Gruppe Gerok setzte den Vormarsch mit der Auf-
gabe fort, die frühere Dauerstellung zu gewinnen. Rumänische Nach-
huten suchten die Kolonnen aufzuhalten. Nachmittags entwickelten sich
an der neuen Widerstandslinie des Feindes ernste Kämpfe. Die 12. Ru-
mänendivision machte der deutschen 218. ID. nördlich von Soveja den
D. Rachitasu mc. streitig. Als die Deutschen auch am folgenden Tage
nicht durchdrangen, hauptsächlich, weil die schweren Batterien wegen
der Brückenzerstörungen nicht nachgekommen waren, wurde die Be-
zwingung des Gipfels planmäßig vorbereitet. Von der 37. HID. entriß
die 74, HIBrig. der rumänischen 8. ID. bis zum 16. August den Mt. Rës-
boiului; die weiter vorstrebenden Angreifer fanden aber sonst überall
zähe Gegenwehr. Zudem wurden die Streitkräfte des GM. Háber durch
VI 25
386
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
die Abgabe der l.KD. geschwächt, die Erzherzog Joseph zum Frei-
machen der 31. ID. (XXI. Korps) forderte, um mit dieser die 7. Armee
zu verstärken. Drei Regimenter der l.KD. schieden sofort aus der Front.
Die Teilerfolge, die von der deutschen 9. Armee am 14. errungen
worden waren, und der Abzug der Rumänen aus dem Sovejabecken
ermunterten den Gdl. Eben, die Kriegshandlung weiterzuführen. Sie
war so gedacht, daß das I. RKorps zunächst die Linie Märäsesti—
Deocheti zu gewinnen hatte, während das XVIII. RKorps das Höhen-
gelände bei Iresci und Muncelu nehmen und im weiteren Verlauf
nach Nordwesten in der Richtung auf den Ort Pralea vorstoßen sollte,
um der Gruppe Gerok das Erreichen des unteren Trotusu zu erleich-
tern. Dadurch hoffte man starke Kräfte der 9. Armee frei zu bekommen
und mit diesen bei Nämoloasa in die Moldau einbrechen zu können
(S. 370 und 382). Der Angriff, an dem bei Gerok das Korps Benigni
teilzunehmen hatte, wurde vom Erzherzog Joseph und von Mackensen
einvernehmlich für den 19. August festgesetzt. Bis dahin konnten beim
I. RKorps die erwarteten schweren Batterien und beim öst.-ung. VIII.
Korps die zugewiesenen Verstärkungen (deutsches IR. 157 der 117. ID.
und das Bataillon II/373 der 225. ID., die alle der 218. ID. zugeteilt
waren, sowie das Bataillon I/HIR. 11 von der 39. HID. des VI. Korps)
eingetroffen sein.
Auf Seite des Feindes hatte der rumänische Generalstabschef,
Gen. Presan, am 15. August abends beim Führer der 1. Armee, Gen.
Grigorescu, angefragt, wann er zum Gegenangriff schreiten werde. Für
diesen Fall dürfe er ¡auch auf die 1. ID. der 2. Armee (S.385) rechnen.
Presan gedachte, zuerst einen Gegenschlag auf dem Hauptkampfplatz
bei Märäsesti zu führen, und wollte darnach Kräfte ins Ojtozgebiet
verschieben. Grigorescu erklärte jedoch, vor den gewaltigen Anstren-
gungen des Gegners müsse er sich auf die Abwehr beschränken. Die
Verteidiger seien sehr zusammengeschmolzen, die Reserven gering.
Es wäre nicht ratsam, die letzten Verfügungstruppen zu einem Gegen-
angriff vorzeitig auszuspielen; denn der Gegner könne auch über die
benachbarte 6. Russenarmee am unteren Sereth herfallen. Presan mußte
seinem Armeeführer beipflichten und mahnte nur, auf die schwächste
Stelle, auf den rechten Flügel, wo noch Teile des VIII. Russenkorps in
der Front standen, besonders zu achten. Wenn die rumänischen Divi-
sionen durch die Marschregimenter aufgefüllt würden, dürfe nicht ver-
gessen werden, daß man dabei auf die letzte Menschenreserve des
Landes greife. Gen. Grigorescu ließ bei den auf dem westlichen Sereth-
Neugruppierung beider Gegner
387
ufer stehenden Rumänendivisionen für die nächsten Tage örtliche Vor-
stöße ausarbeiten. Die frisch eingetroffene 15. ID. verteilte er hinter
die beiden Flügel der Kampffront. Gen. Averescu bildete zur Unter-
stützung seines Nachbars hinter den Anschlußflügeln beider Armeen
aus der halben 1. ID. und sonstigen Truppen eine Kraftgruppe; eine
Brigade der 1. ID. zog er nach Onesci.
In Jassi, dem Sitz des Oberkommandos und der Regierung, war
inzwischen die größte Besorgnis um die Zukunft des Landes gewichen,
da es gelungen war, die Offensive der Mittelmächte bisher aufzuhalten.
Man stellte das Abschieben von Staatsgütern nach Rußland ein L).
Vor der Wiederaufnahme des Angriffes gruppierte die deutsche
9. Armee ihre Kräfte um. Beim XVIII. RKorps schob GLt. Wenninger
die 217. ID. zwischen die k. k. 13.SchD. und das Alpenkorps ein. Süd-
lich der Susita wurde die abgekämpfte öst.-ung. 62. ID. durch deutsche
Truppen des bisherigen Putnariegels ersetzt; die Gruppe Keller (S. 384)
kam mit den von der 218. ID. des Abschnittes Gerok stammenden Ba-
taillonen am 18. August wieder unter den zuständigen Befehlsverband.
Das von der deutschen 1. ID. herangebrachte GrenR. 3 trat die Rück-
fahrt zur Armee Kövess an. Die 62. ID. wurde dazu bestimmt, in den
nächsten Tagen auf dem rechten Flügel des Korps Morgen, anschlie-
ßend an dessen Landsturmgruppe (S. 366), die deutsche 212. ID. bei
Ciuslea aus dem Serethschutz zu lösen.
Bei der Gruppe Gerok wollte das Korps Benigni am 19. August
vor allem die Höhe D. Cosna zurückerobern. Um aber die Aufmerk-
samkeit des Feindes von dort abzulenken und der 71. ID. zugleich eine
günstigere Ausgangslage zu verschaffen, wurden beide Brigaden des
FML. Goldbach am 16. zwischen Grozesci und der Glasfabrik zu einem
Angriff mit beschränktem Ziele angesetzt. Es war der Waldrand östlich
des Lesuntuluirückens und nördlich der Fabrik zu erreichen. Nach zwei-
stündigem Artilleriefeuer durchbrachen die Angreifer den Feind und
warfen die 6. Rumänen division und die 2. Cälärasibrigade zurück. Die
angestrebte Linie war um 9 h vorm. gewonnen und wurde voll behauptet,
obwohl die Rumänen mit zusammengerafften Kräften wiederholte
Gegenstöße versuchten. Der Erfolg, an dem das HIR. 15 sowie vom
Fußregiment der 8. KD. die Schwadronen des DR. 14 2) und des UR. 12
1) Da bija, IV, Märäse§ti (Manuskript) und 247. — Kiritzesco, 339. —
W i n o g r a d s k y, 372.
2) F o er s te r - S e y f fer tit z, Geschidhte des k. u. k. Dragonerregimentes
Fürst zu Windischgraetz Nr. 14 im Weltkriege 1914—1918 (Wien 1922), 285 ff.
25*
388
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
namhaften Anteil hatten, drückte sich in 1600 Gefangenen aus, die neun
verschiedenen Regimentern und Marschtruppen dreier Divisionen ange-
hörten; ein Zeichen, daß der Feind die bereits eine Woche währenden
Abwehrkämpfe nur mit bunt zusammengewürfelten Streitern zu nähren
vermochte.
Der Doppelangriff der Armee Eben und der Gruppe Gerok
(19. bis 22. August)
Hi e zu Skizze 4 der Beilage 18
Am 19. August griff das I. RKorps der Armee Eben mit drei Divi-
sionen die Frontstrecke Märäsesti—Deocheti an. Nachmittags waren die
gesteckten Ziele fast erreicht, da schritten die Reserven des V. Rumä-
nenkorps gegen die geschwächten Stürmer zum Gegenstoß. Die 12. bayr.
ID. wurde durchbrochen, und dadurch die Flanke der links angrenzen-
den 115. ID. bedroht; die Deutschen waren genötigt, in die Ausgangs-
stellung zurückzuweichen. Vom XVIII. RKorps hatte sich die 13.SchD.,
FML. Kaiser, der vorgehenden 115. ID. in der Richtung auf Deocheti
angeschlossen und war auf Teile der rumänischen 10. ID. gestoßen.
In dem mit Weingärten und Maisfeldern bedeckten Hügelgelände ent-
spann sich ein schwerer Kampf. Schließlich glitten die beiden Schützen-
regimenter 1 und 24, die an die 1000 Mann einbüßten, in die am Mor-
gen innegehabten Gräben zurück1). Das Ergebnis des Tages war ein
Mißerfolg; nur der von der 76. RD. eroberte Bahnhof von Märäsesti
konnte behauptet werden.
Etwas besser schnitt die Gruppe Gerok ab. Den durch vier deutsche
Bataillone (S. 386) verstärkten Sturmblock des Korps Benigni bildeten
die 71. und die deutsche 117. Division. Beide hatten nach Osten, u.zw.
FML. Goldbach in der Richtung auf Piscu PurgareÇu -<¡>-453 und GM.
Seydel über D. Cosna auf D. Buhociu -<¡>-413 vorzudringen. Die 70. HID.,
zu der inzwischen das Bataillon I/HIR. 11 getreten und überdies die
zwei Bataillone des HIR. 313 von der 117. ID. zurückgekehrt waren,
hatte die Nordflanke des Hauptangriffes zu sichern. Hiezu sollte FML.
Sorsich die Platte nördlich vom Vrf. Ciresoaia und die schon einmal,
am 11. August, erreichte Höhe nördlich des unteren Slänicbaches in
Besitz nehmen. Da die verfügbare Artillerie, vor allem die dem VIII.
Korpskmdo. unmittelbar unterstehenden schweren Batterien, nicht aus-
1) Sichelstiel, Geschichte des k. k. Schützenregimentes Wien Nr. 24 (Wien
1928), 141 ff.
Erfolgreicher Angriff des Korps Benigni
389
reichten, um allen drei Divisionen gleichzeitig die Wege zu ebnen,
hatten am Morgen zuerst die beiden Flügelabschnitte, Goldbach und
Sorsich, vorzubrechen. Sobald dann Batterien frei wurden, um beim
Sturmreifschießen gegen die Cosna mitzuwirken, sollte mittags die
117. ID. den Doppelgipfel angehen.
Als nächstes Ziel trachtete die 71. ID., die Höhe D. Mälaiului -c¡>- 493
zu gewinnen. Die inneren Flügel beider Brigaden durchbrachen vor-
mittags die Vorstellung des Feindes, kamen aber vor seiner Hauptlinie
zum Stehen, als die schweren Batterien ihr Feuer von hier abwandten
und vor die 117. ID. verlegten. Diese entriß nach der Mittagsstunde
den Rumänen die ganze Cosnastellung1) und schob auch den rechten
Flügel nördlich von Grozesci vor. Der wuchtige Anprall hatte die
rumänische 1. KD. arg erschüttert; ihre Ab Wehrkraft drohte zu er-
lahmen. Als erste Hilfe zog Gen. Averescu die 2. Cälärasibrigade von
der benachbarten 6. ID. herüber und sandte aus Onesci einige Batail-
lone zu, so daß den Deutschen Einhalt geboten werden konnte2). Nach-
mittags nahm die 71. ID. den unterbrochenen Angriff nochmals auf.
Sie vermochte aber vor der zähen Gegenwehr der Rumänen, die auf
Kraftwagen Grenzerbataillone herangefahren hatten, keinen nennens-
werten Fortschritt zu erzielen. Bei der 70. HID. gestaltete sich der
Kampf tagsüber recht wechselvoll. Das Endergebnis war, daß im
Anschluß an die 117. ID. die Fronteinbuchtung zwischen dem Ort Slänic
und dem Vrf. Ciresoaia ausgeglichen und auf dem Gipfel selbst die
Stellung verbessert wurde. Der beim Kampf um den Berg vorüber-
gehend bedrängten 207. HIBrig. war der linke Flügel der 20. KBrig.
mit dem DR. 12 zu Hilfe gekommen und hatte die ins Stocken geratene
Angriffsbewegung wieder in Fluß gebracht.
Südlich des Casinutales hatte sich die 37. HID. vergeblich bemüht,
eine am Vortag nördlich des Mt. Rësboiului verlorene Höhe zurückzu-
nehmen. Ihre Stoßtrupps fanden auch an anderen Stellen überall stark
besetzte Linien.
Solcherart war das Korps Benigni wieder in den Besitz des Cosna-
stockes gelangt und konnte von hier aus das Tal des Trotusu dauernd
bedrohen; es war aber nicht geglückt, die Front des Feindes aufzu-
reißen. Am nächsten Tag sollte FML. Goldbach den Angriff in der
Richtung auf Mon. Casin fortsetzen und GM. Seydel die östlichen Aus-
läufer des Co§na,rückens gewinnen.
1) Sproesser, 211 ff.
2) Dab i ja, IV, 259 ff.
890
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Die deutsche 9. Armee mußte sich vorerst damit begnügen, bei den
beiden Angriffskorps die Verbände zu ordnen. Die Führung war aber
trotz des am 19. erfolgten Rückschlages entschlossen, die Kriegshand-
lung weiterzuführen. Der russischen 6. Armee traute GFM. Mackensen,
obwohl sie seit einer Woche den Bulgaren und Türken stärker zusetzte
und obgleich die deutsche 109. ID. im Abschnitt Rimnic gerade einen
Einbruch wettmachen mußte, doch keine ernsten Angriffsabsichten zu.
Aus dem äußerst hartnäckigen Widerstand und aus der Kräfteanhäufung
des Feindes vor dem Nordflügel der Armee Eben war zu schließen, daß
der Stoß des XVIII. RKorps den Feind an einer empfindlichen Stelle
getroffen hatte. Es wurde daher der Plan festgehalten, nach der erforder-
lichen Neugliederung der Stoßkräfte und nach dem Einsatz der mittler-
weile eingelangten schweren Batterien mit dem I. RKorps mindestens
Märäsesti zu nehmen und mit dem XVIII. RKorps in die Linie Movi-
lita—Muncelu zu gelangen und hiedurch eine Bedrohung des im Gebirge
stehenden II. Rumänenkorps wenigstens anzubahnen. Die Kriegshand-
lung mit diesen eingeschränkten Zielen fortzusetzen, erachtete GFM.
Mackensen auch deshalb für notwendig, damit der Feind nicht etwa
glaube, durch seinen örtlichen Erfolg die Entschlußfassung der Deut-
schen entscheidend beeinflußt zu haben. Ein Hinaustragen der Offensive
über den bezeichneten Abschnitt hing davon ab, ob die DOHL. die von
Mackensen erbetenen Verstärkungen zuzuweisen vermochte.
Am 20. August begann beim Korps Morgen die Umgruppierung.
Die unterstellte öst.-ung. 62. ID., FML. Brunswik, übernahm den zu-
gewiesenen Serethabschnitt östlich von Fäurei (S. 387). Der Feind verhielt
sich, abgesehen von Kanonaden, auffallend untätig. Auch er wechselte
Truppen aus und ersetzte am rechten Flügel des VIII. Russenkorps die
hergenommene 103. durch die frische 124. Division. Die Transamurreiter
marschierten nach Norden ab. Die vom rumänischen Hauptquartier aus
dem Ausbildungslager herangebrachte 11. ID. war um Tecuciu einge-
troffen und schob Teile hinter den von Kavallerie besetzten, festhalten-
den Ostflügel der 1. Rumänenarmee. Dem hièr befehligenden Führer
schärfte Gen. Grigorescu besonders ein, darauf zu achten, ob etwa Vor-
bereitungen der Deutschen für einen Serethübergang zwischen Rädulesti
und Lie sei zu erkennen wären.
Bei der Gruppe Gerok wurde bis zum 22. August heftig gekämpft.
Nördlich von Soveja brachte die deutsche 218. ID., GM. Nostitz, am
20. die das Susitatal beherrschende Höhe D. Rachitasu me. (S.385) in
ihre Gewalt und behauptete sich hier sowie an der Talsperre im Nah-
Entscheidungslose Kämpfe bei der Gruppe Gerok
391
kämpf gegen alle Anstürme der Rumänen. Südlich des Ojtoztales wollte
der Feind der 71. ID. den Raumgewinn des Vortages streitig machen,
er kam aber gegen die Verteidiger nicht auf. Zur Rückeroberung der
Cosna hatte Gen. Averescu aus den bei Onesci noch verfügbaren Reser-
ven, Teilen der 1. ID. und der Grenzerbrigade, eine Stoßgruppe zusam-
mengerafft. Tief gegliederte Stürmerreihen berannten am 20. und 21.,
keine Verluste scheuend, die Höhenstellungen der Division Seydel, zer-
schellten jedoch an der unbeugsamen Abwehr.
Letzter Vorstoß der Armee Eben und Abbruch der Offensive
(22. August bis Anfang September)
Am 22. August ging dem GFM. Mackensen von der DOHL. die
bedeutsame Weisung zu, der Offensive ,,vorläufig" ein Ziel zu setzen,
denn wegen der schweren Kämpfe auf dem westlichen Kriegsschauplatz
und wegen der ungünstigen Ersatzlage in der Heimat könne der starke
Kräfteverbrauch der 9. Armee in absehbarer Zeit nicht behoben werden.
Auf die Eroberung von Märäsesti sei zu verzichten, da der Besitz des
Ortes weder eine Lebensfrage noch eine Ersparnis an Truppen bedeute.
Nur Muncelu und die Vorberge nördlich davon seien zur Beherrschung
der Straße nach Raeoasa noch zu gewinnen. Für diesen Angriff möge
man alles zusammenfassen, was an Infanterie und Artillerie verfügbar
werde. Sollten die Rumänen dann, der beiderseitigen Gefährdung durch
die Armee Eben und durch die Gruppe Gerok nachgebend, das Berg-
land räumen, so behalte sich die DOHL. den Entscheid vor, ob der
Druck den Gebirgsfuß entlang fortzusetzen oder ob die Kriegshandlung
endgültig abzuschließen sein werde.
Das l.Armeekmdo. hatte schon vorher erwogen, wie mit eigenen
Mitteln die Gruppe Gerok zu verstärken wäre, um ihren Angriff im
Einklang mit der 9, Armee weiter in Fluß zu erhalten. Als nächste Aus-
hilfe wurden daher dem VIII. Korps, da die Regimenter 82 und bh. 5
sowie das zur 31. ID. gehörende Bataillon 1/69 sehr zusammengeschmol-
zen waren, für die 71. ID. das k. u, LstIRf 17 der 16. LstlBrig. und das
von der Heeresgruppe Linsingen eingetroffene Bataillon III/76 zuge-
wiesen. Das zu gleicher Zeit eingelangte Bataillon II/101*) wurde der
Gruppe Liposcak überlassen, um ihr das Auslösen bei der 16. LstlBrig.
!) Die Bataillone HI/76 und 11/101 waren bei der Heeresgruppe Linsingen von
der 20. HID., die für die Isonzo fr ont bestimmt würde, abgezweigt worden.
392
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
zu erleichtern. Der Kraftzuwachs von 2000 Gewehren, den die Gruppe
Gerok erhielt, erschien ausreichend, den Angriff von der Glasfabrik in
der Richtung auf Mon. Casin vorzutragen. Als Mackensen dem Erz-
herzog Joseph am 23. August mitteilte, daß der Nordflügel der 9. Armee
voraussichtlich am 28. über Muncelu vorstoßen werde, wurde Gerok
beordert, gleichfalls für diesen Tag angriffsbereit zu sein. Gerok schrieb
der 117. ID. als nächstes Ziel eine Anhöhe knapp nördlich von Grozesci
vor, die den rumänischen Artilleriebeöbachtern Einblick in die Talenge
bis Heresträu bot; die 71. ID. sollte den Malaiuluirücken bezwingen.
Von einer ausgiebigeren Verstärkung der Infanterie versprach sich
Gerok einen wirksameren Erfolg — tief in den Feind hinein.
Jedoch schon am 24. August drahtete die DOHL. an Mackensen
und an den Generalstabschef der Heeresfront Erzherzog Joseph, GM.
Seeckt, daß die Lage am Isonzo das Einstellen der Kampftätigkeit und
das Freimachen des Alpenkorps bedingen werde. Auch die 117. ID. und
das württembergische Gebirgsbataillon wären aus der Front zu ziehen.
Die DOHL. ersuchte zugleich, den Verlauf der gewählten Dauerstellung
mitzuteilen, hielt aber an dem für den 28. geplanten Angriff noch fest.
GM. Seeckt bezeichnete als Verteidigungslinie der Gruppe Gerok im all-
gemeinen die bereits erreichte Front. Diese war nur zwischen dem
Curita- und dem Ojtoztal noch etwas vorzuverlegen, was mit dem An-
griffsplan des VIII. Korps übereinstimmte. Im Sinne der von der DOHL.
eingelangten Weisungen befahl das Heeresfrontkommando am 25. Au-
gust dem 1. Armeekmdo., nach beendigter Offensive die Württemberger
in Reserve zu stellen und den Ersatz der 117. ID. durch die 39. HID.
ins Auge zu fassen. Erzherzog Joseph beabsichtigte, die 117. ID. der
7. Armee zuzuführen, vor der die Russen in der nördlichen Moldau
starke Kräfte sammelten. Schließlich wollte das Heeresfrontkommando
noch die 37. HID. gegen die 51. oder die 74. HID. der 7. Armee aus-
tauschen.
Aber diese Pläne sollten nicht mehr verwirklicht werden. Die öst.-
ung. Heeresleitung mußte ihre ganze Obsorge der schwer gefährdeten
Isonzofront zuwenden; Unternehmungen im Osten, die nur ein Glätten
der Front bedeuteten, mußten zurücktreten. Am 25. August ersuchte
Gdl. Arz die DOHL., ihm die halbe. 13. SchD. für den südwestlichen
Kriegsschauplatz zu überlassen. Tags darauf drahtete der General-
stabschef dem Erzherzog Joseph, dem von der Armee Eben für den 28.
geplanten Vorstoß auf Muncelu komme nur örtlicher Wert zu; daher
sei der gleichzeitige Angriff der Gruppe Gerok zu unterlassen. Der
Truppenverschiebungen bei der 1. Armee
393
Heeresfront war dieser Auftrag nicht unerwünscht, denn sie sali darin
eine Möglichkeit, die 117. ID. bald zur 7. Armee zu bringen. Die 1. Armee
wurde sogleich verhalten, die erreichten Linien zur Dauerstellung aus-
zugestalten. Nur kleine Frontverbesserungen seien noch zulässig. GO.
Rohr veranlaßte, daß die 117. ID. samt dem württembergischen Ge-
birgsbataillon abgelöst wurde. Ihren Abschnitt sowie jenen der 70. HID.,
die nicht mehr kampfkräftig zu sein schien, hatte die benachbarte
deutsche 225. ID., GM. Woyna, zu übernehmen. Ihr wurden zwei ihrer
Bataillone, die seit den Julitagen noch bei der 218. ID. (Gruppe Keller)
standen, zurückgegeben und überdies die bayr. 15. RIBrig. unterstellt.
Dafür sollte Gerok das Bataillon I/HIR. 11 und das k. u.LstlR. 17 dem
VI. Korps überweisen, das im Tausch für die 225. ID. die 70. HID. er-
hielt. Die Fußregimenter der 7. KD. nebst dem deutschen LstlR. 36 hat-
ten zur 218. ID. abzugehen, um den nur schwach besetzten Südflügel
zu verstärken. Durch diese vielfachen Truppen Verschiebungen, die
naturgemäß einige Zeit beanspruchten, wurde auch das sehr notwen-
dige Ordnen der arg vermengten Divisionsverbände angebahnt. Nur
die 37. HID. blieb geteilt. Am 27. erhielt das Heeresfrontkommando
die Weisung, die 117. ID. für eine Verwendung auf einem anderen
Kriegsschauplatz bereitzustellen. Bis zur Abfahrt war sie hinter der
Front Geroks aufzufrischen und für die künftige Aufgabe zu schulen.
Am 28. August gelang es dem rechten Flügel der 117. ID., knapp
vor ihrer Ablösung, noch die kleine Rückfallskuppe nördlich von Gro-
zesci (S. 392) zu nehmen. Südlich des Ortes holten sich zu gleicher Zeit
Sturmtrupps des bh. IR. 5 aus einem rumänischen Stellungsteil einige
Dutzend Gefangene. Bei der deutschen 9. Armee begann planmäßig der
letzte Vorstoß. Der Führer des XVIII. RKorps, GLt. Wenninger, griff
mit dem Alpenkorps und mit der links davon neben dem Südflügel
Geroks eingesetzten 216. ID. auf Muncelu und Iresci an. Die Wiener
Schützendivision und die 115. ID. deckten die rechte Flanke des Stoß-
keiles. Der neu entfachte Kampf brannte durch einige Tage weiter, da
sowohl die rumänische 1. Armee wie der Anschlußteil der Armee Ave-
rescu kräftige Gegenschläge führten. Das rumänische Oberkommando
wollte die Front um keinen Preis zerreißen lassen1). Das Unternehmen
brachte den deutschen Angreifern auf den Höhenzügen östlich der ge-
nannten Orte einen mäßigen Geländegewinn und über 1500 Gefangene
ein, übte aber auf den Feind nicht die erwünschte, weiterreichende
Wirkung aus. Die halbe Schützendivision FML. Kaiser war, während
*) D a b i j a, IV, Maraseçti (Manuskript) und 282 ff. — Kiritzcsco, 360 ff.
394
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
ihre Nachbarn zur linken heftig fochten, nach und nach aus der Front
gesogen worden; bereits am 30. August rollten die ersten Truppen-
züge an die Südwestfront ab. Das KJB. Südtirol war auf Geheiß der
öst.-ung> Heeresleitung für die k. u.k. 92. ID. zurückzulassen. Im Tausch
für das k. u. LstIR. 1 erhielt diese Division noch das k. k. LstlBaon. 44
der 53. ID., die jetzt aus Wolhynien ebenfalls an den Isonzo abbefördert
wurde. Schon vorher war der 92. ID., die nur über einzelne zugeteilte
Batterien verfügt hatte, die von der öst.-ung. 10. Armee zugeführte,
bisherige 94. RFABrig. eingegliedert worden.
Am 3. September befahl Gdl. Eben dem I. und dem XVIII. RKorps,
die Angriffe einzustellen und die eroberten Linien für dauerndes Fest-
halten auszubauen. An demselben Tage erließ auch der rumänische
Armeeführer, Gen. Grigorescu, einen Befehl gleichen Inhalts. Die fast
einen Monat währende, blutige Doppelschlacht bei Bocsani und imOjtoz-
gebiet erlosch. Die Idee der DOHL, über den Sereth in die Moldau ein-
zufallen, war am Widerstand der Rumänen gescheitert. Diese konnteil
als Endergebnis den Erfolg buchen, mit der ,, Ab wehr Schlacht bei Märä-
sesti" den Mittelmächten den Weg zur völligen Niederwerfung und Er-
oberung des Landes verrammelt zu haben1).
Vorstoßversuche aus der Bukowina während des
Monats August
Hiezu Beilage 17
Kämpfe der Armee Kövess und Pläne der Führung
Am 6. August hatte Kaiser Karl das von der Russennot befreite
Czernowitz aufgesucht und den Führer der öst.-ung. 7. Armee, GO.
Kövess, zum Feldmarschall ernannt. Der Armee Kövess war nach der
Zurückeroberung der Bukowina (S. 323 ff.) eine neue Aufgabe gestellt.
Sie sollte im Zusammenhang mit den Operationen Mackensens in die
obere Moldau eindringen (S.362). Auf dem linken Armeeflügel trat
nach mannigfachen Verzögerungen die Gruppe Fabini (30., 34. und 5.ID.)
am 9. August zum Angriff an, um zunächst die stark besetzte Russen-
front zwischen Oprischeny und Mamornitza einzustoßen (S. 328 f.). Die
knappen Geschoßvorräte der Batterien beeinträchtigten die Feuervor-
-1) Kiritzesco, 370 ff.
Wechselvolle Kämpfe bei der k. u. k. 7 Armee
395
bereitung. So vermochte denn auch der Feind (russisches XI. Korps und
Teile des XXIII.) durch seine zahlreichen Geschütze und Maschinen-
gewehre dem Nordflügel der Gruppe Fahini den Durchbruch zu ver-
wehren. Bei Tere sehe ny schien aber der Vorstoß geglückt; hier wichen
die Russen zurück. Die 30. ID., FML. Jesser, verfolgte den fliehenden
Feind kraftvoll bis über Preworokie. Nun brachen aber starke Reserven
der Russen zum Gegenstoß vor und drängten die 30. ID. nach erbitter-
tem Kampfe wieder zurück. Das ganze XVII. Korps mußte schließlich
unter dem heftigen Druck der Russen in seine Ausgangsstellungen
zurückgenommen werden. Die Verluste des ergebnislosen Angriffes
betrugen an Toten, Verwundeten und Vermißten mehr als 3500 Streiter.
Davon entfiel etwa die Hälfte auf die 30. Division.
GLt. Conta hatte bereits am 5. August drei Bataillone der 200. ID.
neben dem rechten Flügel des XVII. Korps angreifen lassen; diese
Gruppe war jedoch zu schwach, um den Divisionen Fabinis vorwärts-
zuhelfen, und blieb vor den, von den Russen stark besetzten Orten
Oprischeny und Tereblestie liegen. Als nun am 9. August die 30. ID.
vor den vordringenden Russen zurückweichen mußte, sandte GLt. Conta
alle Truppen der 200. ID. in den Raum westlich von Oprischeny, um
sie bei einem neuerlichen Anstürme des Feindes zum Gegenstoß ein-
setzen zu können.
Auf dem Südflügel des Karpathenkorps rang die deutsche 1. ID.
unterdessen vergeblich um den Brückenkopf, der die Stadt Sereth im
Westen umgab. Vom XXVI. Korps nahm die 59. ID., FML. Pichler, am
9. August nach hartem, langandauerndem Kampfe die Höhen zwischen
Solka und Glitt und drang tags darauf bis Arbora und Burla vor
(S.329). Die 40. HID., FML. Nagy, verhinderte bei Hadikfalva Vorstöße
der Russen über die Suczawa. FML. Horsetzky wollte sich nun der Höhe
Ciota südöstlich von Burla bemächtigen, um sodann mit der Hauptkraft
seines Korps zunächst auf Kalafindestie (östlich von Hadikfalva) und
später zwischen den Flüssen Sereth und Suczawa in südöstlicher Rich-
tung auf Hantesti und gegen die Stadt Suczawa vorzudringen. Durch
einen am 10. August erlassenen Armeebefehl wurde der Korpsführer
angewiesen, starke Reserven hinter seinem linken Flügel zu bilden. Der
beabsichtigte Angriff auf die Höhe Ciota sollte jedoch nur dann aus-
geführt werden, wenn er Erfolg versprechen würde. Falls sich der Feind
jedoch gegenüber dem XXVI. Korps schwächte, war sofort anzugreifen.
Denn die Hauptaufgabe des FML. Horsetzky blieb, der Gruppe Krauss
das schwierige Vorgehen aus dem Gebirge zu erleichtern.
396
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Auf dem linken Flügel dieser Gruppe hatte die ll.HKD., GM.
Jóny, dem Feinde am 8. August die Höhe Bobeica südwestlich von Solka
entrissen. Die Kavalleriegruppe FML. Schwer (5. HKD. und 6. KD.)
nahm noch die Höhen östlich von Warna und die Mgr. bâtrîna x). Schon
am 9. mußte aber ein eroberter Stützpunkt südlich der Mgr. bâtrîna dem
Feinde wieder überlassen werden. Die 11. HKD.'kämpfte an diesem
Tage noch um den Bergrücken Stermnina nördlich von Warna. Dreimal
fiel hier der Russe am 11. abends — allerdings ohne Erfolg — die Fuß-
abteilungen der Hon vé dhusaren an. Am 12. erwehrte sich auch der Süd-
flügel der 59. ID. bei Solka eines feindlichen Vorstoßes.
Im Bereiche des öst.-ung. XI. Korps erzielte der Nordflügel der
51. HID., GM. Benke, östlich von Mädeiu am 8. August noch geringen
Raumgewinn. Tags darauf erstritt sich die 74. HID., GM. Grallert,
nach erbittertem Kampfe einen russischen Stützpunkt nördlich des Mt.
Mäzanaiu und schlug im Tale nördlich der Höhe Hrebin angreifende
Russen ab. Bei der benachbarten 1. Armee, GO. Rohr, hatte die 3. KD.,
anschließend an die 51. HID., am 6. August das HR. 8 gegen Borea (im
Bistritztal) vorgetrieben. Ebenso konnte auch die 15. ID., GM. Aust,
nordöstlich von Bélbor während der nächsten Tage, von den übrigen
Regimentern der 3. KD. unterstützt, ihre Höhenstellungen auf rumä-
nischen Boden etwas vortragen. In der Linie Mt. Stejaru—Mt. Grïen-
tiesul mr. und auf dem vom Mt. Stege zum Tölgyespaß streichenden
Grenzrücken begegneten jedoch die inneren Flügel der beiden öst.-ung.
Armeen entschlossenem Widerstand der Russen. Mitte August änderte
das XXI. Korpskmdo. in diesem Gebiet die Frontbesetzung, indem es
die 15. ID. auf dem Nordflügel beließ und rechts daneben die 3. KD.
beiderseits des Tölgyespasses einsetzte. Südlich davon hatte die von
der Gruppe Gerok herangeholte l.KD. die 31. ID. freizumachen (S. 386).
Inzwischen war bei der k. u. k. 7. Armee wegen der schon mehrfach
hervorgehobenen Schwierigkeiten der Versorgung (S. 336) und wegen
des wachsenden Widerstandes der Russen ein Stillstand in den Kampf-
handlungen eingetreten. GM. Seeckt berichtete am 9. August auch der
DOHL., daß man den Angriff bis über den Sereth hinaus wegen des
unzureichenden Nachschubes nicht werde weiterführen können. Der
Bahnbetrieb über Kalusz bis Stanislau werde erst am 16. August auf-
genommen werden und dessen Weiterführung bis Czernowitz sei noch
*) In den Kämpfen der 6. KD. bei Warna erwarb sich Quirin Freih. Duval
de Dampierre, Obst, und Kommandant des DR. 11, das Ritterkreuz des Militär-
Maria Theresien-Ordens.
Schwierige Lage bei der Armee Kövess
397
nicht abzusehen. GM. Seeckt bat daher bei der DOHL. um den Zuschub
von Kraftwagenkolonnen.
Die öst.-ung. Heeresleitung hatte indessen das Heeresfrontkom-
mando Erzherzog Joseph am 9. August neuerlich angewiesen, den schwer-
ringenden Nordflügel der 7. Armee durch das Karpathenkorps zu ver-
stärken, um zwischen Pruth und Sereth einen durchschlagenden Erfolg
zu erzwingen. Demgegenüber hielt es GO. Erzherzog Joseph für nötig,
die auf das nördliche Serethufer abgezweigten Kräfte (200. ID.) alsbald
wieder freizumachen, um «mit dem Karpathenkorps den Druck südlich
des Flusses fortsetzen zu können. Man hoffte, daß sich dadurch auch
die Russenfront vor der Gruppe Krauss lockern werde. Da aber zu
besorgen war, daß das XVII. Korps einem neuerlichen Ansturm der
Russen erliegen werde, falls der Feind den Pruth entlang vorstoße, ging
nach Baden die dringende Bitte, dem Nordflügel der 7. Armee Ver-
stärkungen zuzuführen. Dadurch sollte die Sicherheit von Czernowitz
gewährleistet und auch die Wiederaufnahme des Angriffs ermöglicht
werden.
Gdl.Arz antwortete am 12. August dem Erzherzog Joseph, die
Kriegslage gestatte es nicht, an die 7. Armee die erbetenen frischen
Kräfte abzugeben. Nun legte GM. Seeckt in einem nach Baden abge-
sandten Telegramm seine Auffassung dar, daß durch den Einsatz der
allerdings nur zwei Regimenter zählenden deutschen 1. ID. wohl der
linke Flügel der 7. Armee, das Korps Fabini, entlastet würde. Es müßte
aber dann dem XXVI. Korps ein Raum von über 40 km Frontbreite
überwiesen werden, denn die schwache Gruppe Krauss vertrage keine
Dehnung nach Norden. Gegenüber dem XXVI. Korps befanden sich —
falls es auch den Frontabschnitt der deutschen 1. ID. übernahm — fünf
Russendivisionen, die noch durch das bei Folticeni eintreffende XXXX.
Korps (S. 361) verstärkt werden konnten. Die vom rumänischen König
zum Schutz seines nördlichen Landesteiles eingeleiteten Maßnahmen
(S. 361) wurden allmählich fühlbar. Auch mit dem Einsatz des bei Doro-
hoiu festgestellten II. Kavalleriekorps mußte gerechnet werden. Es war
daher verständlich, wenn GM. Seeckt darauf hinwies, daß das Korps
Horsetzky kaum imstande wäre, einem Angriff dieser starken feind-
lichen Kräfte standzuhalten. Er meldete der öst.-ung. Heeresleitung,
die deutsche 1. ID. könne erst auf das Nordufer des Sereth verlegt
werden, bis die Wehrstellungen des XXVI. Korps besser ausgestaltet
sein würden.
Gdl. Ludendorff hatte unterdessen am 10. August den Erzherzog
398 Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Joseph ersucht, von weiteren Angriffen der Korps Fabini und Conta
vorläufig abzusehen und sich mit der Verteidigung des gewonnenen
Gebietes zu bescheiden. Denn aie DOHL. hatte sich an der langen,
quer durch Europa laufenden Ostfront, hoch oben im Norden, einem
neuen Ziele zugewandt, um den Russen einen besonders fühlbaren Schlag
zu versetzen. Bereits am 4. August war an die deutsche 8. Armee der
Befehl ergangen, einen Dünaübergang und die Einnahme von Riga vor-
zubereiten. Von dieser Stoßrichtung, aus der die Russen eine Bedrohung
von Petersburg herauslesen konnten, versprach sich Ludendorff einen
besonders großen Erfolg. Daher wurden dieser Kriegshandlung verfüg-
bare deutsche Kräfte in erster Linie dienstbar gemacht (S. 335 f.). Mitt-
lerweile sollten südlich vom Dniester zunächst die Bahnen ausgebaut
werden. Nach dem Schlag auf Riga gedachte Ludendorff die dort frei-
gewordenen Truppen wieder nach Süden zu fahren und die Eroberung
der Moldau fortzusetzen1).
Das Heeresfrontkommando Erzherzog Joseph hielt hingegen trotz
aller Hemmnisse an der Absicht fest, in der Bukowina weiter nach Osten
zu drücken. Noch war der östliche Landeszipfel in Feindeshand. Der
Erzherzog beschloß, die 31. ID. des XXI. Korps aus Siebenbürgen (S. 396)
an den Nordflügel der 7. Armee heranzuziehen, um den steckengeblie-
benen Angriff wieder in Gang zu bringen. Dorthin sollte auch das
GrenR. 3 der deutschen 1. ID. gelangen, sobald es von der deutschen
9. Armee zurückgekehrt sein werde (S. 387). GM. Seeckt regte überdies bei
der DOHL. an, durch deutsche Eisenbahntruppen die Arbeitskräfte hinter
der Front zu vermehren, damit die zerstörte Strecke nach Czernowitz
rascher betriebsfähig werde. Durch örtliche Unternehmen hatte sich die
Armee Kövess eine günstigere Ausgangslage für die künftige allgemeine
Vorrückung zu schaffen. Nach einem von der öst.-ung. Heeresleitung ge-
nehmigten Antrag des Erzherzogs Joseph übernahm Gdl. Krauss am
16. August den Befehl über den Nordflügel der 7. Armee (XVII. Korps
und Karpathenkorps), während die bisher von diesem General geführte
Südgruppe (XI. Korps, Kavalleriegruppe Schwer, ll.HKD.) dem Korps-
kommandanten, FML. Habermann, übergeben wurde.
In der zweiten Hälfte des Monats August loderten bei der 7. Armee
an einigen Stellen lebhaftere Gefechte auf, so auf dem nunmehr vom
FML, Gf. Herberstein befehligten linken Flügel (6. KD., 5. und ll.HKD.)'
der Gruppe Habermann und auch im Abschnitt der 59. ID. auf der Höhe
Ciota. Diese Kämpfe zeitigten jedoch keine nennenswerten Ergebnisse.
3) Ludendorff, 379 ff.
Neugliederung der Kräfte in der Bukowina
399
Gdl. Krauss bereitete unterdessen einen neuen Angriff auf die Russen-
front zwischen den Flüssen Sereth und Pruth vor. Die Geschoßmengen
der Artillerie gestatteten aber nicht, die schon von Natur aus starken,
Czernowitz bedrohenden Stellungen der Russen mit einem Schlage zu
nehmen. Deshalb sollte vorerst dem Feinde die beherrschende Höhe
Czardaki nordöstlich von Terescheny entrissen werden.
Nur langsam flössen der Armee Kövess die in Aussicht gestellten
Verstärkungen zu. Das GrenR. 3 (S. 398) traf erst gegen Ende August
in Fratautz ein und wurde bei Hadikfalva in die Front zwischen der
40. HID. und der deutschen 1. ID. eingeschoben. Die k.u.k. 31. ID.
rollte um diese Zeit über Körösmezö nach Zablotów.
Am 25. August meldete GM. Seeckt der DOHL. die leitenden Ideen
für den beabsichtigten großen Angriff in die obere Moldau. Der Haupt-
schlag sollte darnach aus der jetzigen Front des XVII. Korps in der
Richtung auf Dorohoiu geführt werden. Das nächste Ziel war die Linie
Herta—Mihäileni. Dann sollte der Stoß den Sereth entlang weitergeführt
werden und dadurch die Russenfront vor der 7. Armee von Norden auf-
gerollt sowie auch dem XI. Korps der Weg nach Folticeni geöffnet wer-
den. Für den Hauptangriff zwischen Sereth und Pruth waren vom Hee res-
frontkommando die Divisionen 5, 34, 30 und 31, ferner die deutsche
200. ID. und die 117. der 1. Armee (S.392) ausersehen. GM. Seeckt richtete
an die DOHL. das Ansuchen, noch vier deutsche Divisionen zur Verfügung
zu stellen, da er ein Machtaufgebot von mindestens zehn Divisionen,
darunter vier öst.-ung., für einen durchschlagenden Erfolg nötig er-
achtete. Die Offensive sollte erst beginnen, sobald die Bahnlinie bis
Czernowitz wieder hergestellt wäre, wäs nicht vor Mitte September zu
erwarten stand. Bis dahin hatte die 1. Armee 14 Batterien an die 7. Ar-
mee abzugeben.
Das Kommando der russischen Südwestfront hatte in der zweiten
Augusthälfte seine Armeen neu gegliedert. Die etwa vor Monatsfrist von
dem Südteil der 8. Armee abgespaltene 1. Armee (S. 304) wurde auf-
gelassen. Ihre Korps traten zumeist wieder zur 8. Armee zurück, so
daß diese zusammen mit dem Nordflügel der 9. gegen die öst.-ung.
Armeen Kövess und Kritek die Moldaugrenze deckte. Hinter dieser
Front sammelten die Russen dauernd starke Kräfte an. Der Stab der
1. Armee übersiedelte nordwärts nach Dubno und übernahm von der
übermäßig angeschwollenen 11. Armee den rechten Flügel (I. turk.,
XXXII., V.sib. Korps, VII. Kavalleriekorps).
400
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Die Eroberung der Höhe Dolzok durch die 3. Armee
(27. August)
Im Nachbarbereich der Heeresgruppe "Böhm-Ermolli, bei der 3. Ar-
mee, waren die Tage seit dem 6. August unter gegenseitigen Kanonaden
verlaufen. Am 10. August trug der Oberbefehlshaber Ost dem Armee-
führer, GO. Kfitek, die Wiedereroberung der Höhe Dol¿ok auf, die
mit ihrer starken russischen Besatzung Czernowitz bedrohte. Für den
Angriff wurde dem nunmehrigen Kommandanten des öst.-ung. XIII.
Korps, Gdl. Csanády, die Gruppe GLt. Sieger, bestehend aus der
8. bayr. RD. und der 16. RD., überwiesen. Als Ersatz hiefür hatte das
XIII. Korps die k.u.k. 36. ID. ohne Artillerie an die Gruppe Litzmann,
jetzt Gruppe „Zastawna" genannt, abzugeben.
Nach sorgfältiger Vorbereitung wurde der Angriff auf den Dolzok
am 27. August ausgeführt. Das Unternehmen glückte vollkommen. Die
16. RD. und die 8. bayr. RD. durchbrachen unter der Führung des GLt.
Sieger die starke Höhenstellung1). Die 16. RD. drehte nach der Er-
oberung des Dol¿ok nach rechts ein und rollte die russischen Linien nach
Süden auf, wo sich nun auch die auf dem rechten Flügel des XIII. Korps
stehende 42. HID., GM. Mihaljevic, dem Vorgehen anschloß. Als gegen
Abend die 8.bayr. RD. links schwenkend nach Norden vorstieß, um
noch eine Höhe nördlich vom Dolzok zu gewinnen, ging auch der
Nordflügel des XIII. Korps, die 2. KD., GM. Abele, zum Angriff über.
Schließlich war die Russenfront in einer Breite von über 5 km und bis
zu einer Tiefe von 3 km eingedrückt ; das für die Dauerstellung in Aus-
sicht genommene Gelände war nunmehr fest in den Händen der An-
greifer. 1000 Gefangene, sechs Geschütze und viel Kriegsgerät waren
die Beute der Sieger. Der Feind hatte auch schwere, blutige Verluste
erlitten, hingegen waren die Einbußen der Angreifer, dank der wohl-
überlegten, ausgiebigen Vorarbeit durch Artillerie und Minenwerfer
vergleichsweise gering.
Weiterhin verharrten die Armeen der Heeresgruppe Böhm-Ermolli
gleich jenen Linsingens in starrer Abwehr. An der langen Front vom
Dniester bis zum Pripiatj war von den Russen nach ihrer Niederlage
in Ostgalizien, allem Ermessen nach, kaum mehr etwas zu besorgen.
x) J a u d und Weech, 170 f. — Rot h, Das K. B. Reserve-Infanterie-Regiment
Nr. 23 (München 1927), 142 ff.
Truppenabgaben der Heeresgruppe Linsingen
401
Beide Heeresleitungen der Mittelmächte zogen daher aus dieser zur
Ruhe gekommenen Walstatt möglichst viel kampfkräftige Divisionen ab.
Den im August vom Oberkommando Ost nach dem Norden abbeförder-
ten deutschen Verbänden (S. 335 f.) folgten bis zum Monatsende noch
die 20. und die 42. ID. sowie rund 20 schwere Batterien. Von der
Heeresgruppe Linsingen ging das Generalkommando des deutschen
VI. Korps, das bisher im Abschnitt Luga den Südflügel der öst.-ung.
4. Armee geführt hatte, nach Kurland ab. Am Nordflügel der 4. Armee,
nunmehr als Abschnitt Turya bezeichnet, wechselte das an die Westfront
berufene Generalkommando des deutschen VIII. Korps am 30. August
mit jenem des XII. RKorps. Aus der 2. Armee schied die öst.-ung.
19. ID. (S. 335) und aus dem Abschnitt Kowel (Generalkmdo. LV, GdK.
Bernhardi) die 53. ID. für die Südwestfront.
Der Ausklang der Sommerschlachten im Osten
Die Endkämpfe der Heeresfront Erzherzog Joseph
an der Moldaufront
(September 1917)
Hiezu Beilagen 17 und 18
Vorstoß der Armee Averescu gegen die Grupfe Gerok
Während bei der Heeresgruppe Mackensen nach dem Abbruch der
Offensive (S. 394) im September der herkömmliche Stellungskrieg in
seine Rechte trat, gab es bei der Heeresfront Erzherzog Joseph noch
Kämpfe kleineren Ausmaßes. Besondere Beachtung verdienten die Ver-
änderungen, die an der Russenfront zwischen dem Dafténatal und dem
Dniester erkennbar wurden. In der letzten Augustwoche war die ver-
breiterte 8. Russenarmee mit dem rumänischen Oberkommando in Funk-
verkehr getreten. Aus dem Raum Dorohoiu—Suczawa meldeten sich das
XXIX. Korps, das von der 6. Russenarmee stammte, und das X. Korps,
das von der russischen Westfront gekommen war; um Folticeni sam-
melte sich das aus dem Ojtozgebiet gelöste XXXX. Korps (S.364). Der
Stab der 9. Armee rückte nordwärts nach Botosani und pflanzte sich
somit vor der Armee Kövess auf. In der Tat war zugleich mit der
Umgliederung der russischen Südwestfront auch der Befehlsbereich
VI 26
402
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
der südlich angrenzenden Rumänischen Front neu geregelt worden.
Für den Gen. Ragosa war, anschließend an die Armee Averescu,
aus Teilen der bisherigen 9. Armee vom Dafténatal bis südlich der
Moldawa eine neue 4. Armee gebildet worden (S. 372), die das XXIV.,
das XXXVI., das II. Korps und die Transamur-Grenzwachreiterdivision
umfaßte. Der Vorstoß der Gruppe Gerok hatte zur Folge gehabt, daß
auch das anf angs August zur „Manövrierarmee" nach Norden verlegte
XXX. Korps (S. 362) wieder in den Raum Bacäu—Ocna gebracht wurde.
Zur neuen 9. Armee, zwischen der Moldawa und dem Sereth, gehörten
die Korps XXVI, XVIII, XXXX, XXIX und X; die drei letztgenann-
ten und das VI. Kavalleriekorps waren frisch zugeführte Verstärkungen.
Die nördlich davon stehende 8. Russenarmee wurde der Rumänischen
Front zugeschlagen, so daß die Befehlsgewalt über die in sechs Armeen
gegliederten Streitkräfte, die vom Schwarzen Meere bis zum Dniester
rumänischen Boden beschirmten, nunmehr in der Hand des Königs Fer-
dinand vereinigt war. Diese Heeresmacht zählte am 4. September 70 In-
fanteriedivisionen sowie 12 Kavalleriedivisionen in der Front1). Die
verbündeten Mittelmächte verfügten im gleichen Raum über 44 Infan-
terie- und 11 Kavalleriedivisionen.
Durch die Gegenoffensive der deutschen 9. Armee und der Gruppe
Gerok war der rumänischen 2. Armee ihr im Juli erkämpfter Raum-
gewinn zum größten Teile wieder abgenommen und der Frontbogen im
Sovejabecken verkürzt worden. Gleichzeitig hatte das Korps Benigni
gegen Ocna und Onesci Fortschritte gemacht und sich der das Ojtoz-
und Slänicgebiet beherrschenden Höhen bemächtigt. Damit war die Vor-
aussetzung gegeben, bei entsprechendem Kräfteeinsatz gegen die Täler
des Trotusu und Sereth vorzubrechen. Ersteres wurde vom Vrf. Cire-
soaia und von der D. Cosna aus schon durch Artilleriefeuer bestrichen,
ohne daß es jedoch gelungen wäre, den Bahnverkehr bei Ocna völlig
zu unterbinden. Die vorverlegte Front des öst.-ung. VIII. Korps war
aber auch länger geworden; der vorspringende Winkel lud den Feind
zu umfassenden Angriffen ein. Die Gesamtlage am Südflügel der Armee
Rohr hatte sich demnach gegenüber der Zeit vor der rumänischen Offen-
sive nicht gebessert. Das Sorgenkind der Führung blieb nach wie vor
der Abschnitt der deutschen 218. Division. Ihre Frontstrecke maß noch
immer 26 km, die durch drei Regimenter nicht zu verteidigen waren.
Deshalb war die Division durch die 7. KD. und durch das deutsche
LstlR 36 verstärkt worden (S. 393). Dieses Regiment sollte in der zweiten
1) D abija, IV, Märäsesti (Manuskript).
Angriffspläne der Rumänen gegen die Armee Rohr
403
Septemberwoche durch die 8. KD., die bei der 71. ID. auszulösen war,
ausgetauscht werden.
Die Schwäche der k. u. k. 1. Armee war auch dem rumänischen
Oberkommando nicht entgangen. Man beschloß, mit der Armee Averescu
noch einen Schlag zu führen. Der Angriffsraum sollte so gewählt wer-
den, daß er nicht bloß einen örtlichen Erfolg, sondern nachher noch
eine größere Wirkung verbürge. Als solche Stelle wurde die Höhe
Ciresoaia ausersehen, mit deren Fall der ganze Bergzug nördlich des
Slänictales in rumänische Hände gelangen mußte. Das zweite Ziel des
Angriffs, das Cosnamassiv, konnte der Gegner sodann schwerlich noch
behaupten1). Gen. Averescu hatte schon Ende August mit der benach-
barten 4. Russenarmee ein gemeinsames Unternehmen gegen die Höhe
Ciresoaia für die nächste Zeit vereinbart2). Nunmehr wurde der 9. Sep-
ber zum Losschlagen bestimmt. Von Norden her wurden die 49. ID. des
XXIV. Russenkorps und mehrere Sturmbataillone angesetzt, während
der rechte Flügel des IV. Rumänenkorps mit der inzwischen hier ver-
einigten 1. ID. von Osten anzugreifen hatte. Artilleriefeuer an der Front
bis zum Casinutal sowie Scheinangriffe zwischen D. Cosna und der Glas-
fabrik sollten den Gegner ablenken.
Den Nordflügel des Korps Benigni beschirmte vom Dafténatal bis zum
Slänicbach die erst kürzlich in die Stellung eingerückte deutsche 225. ID.,
GM. Woyna (S. 393). Auf dem D. Cosna, der jetzt in den Bereich der
71. ID. fiel, lag das IR. 82. Die Regimenter der 8. KD. wurden eben
abgelöst. Am 9. September früh leiteten die Rumänen in Gegenwart des
Königs Ferdinand den Angriff mit einem dreistündigen Artilleriefeuer
auf die Einbruchsstelle ein. Grozesci und Heresträu wurden mit Reizgas
beschossen. GM. Woyna erkannte bald, daß ein ernster Angriff bevor-
stehe und zog sofort seine spärlichen Reserven heran. Das VIII. Korps-
Kmdo. schob gleichfalls Kräfte zu und behielt auch die frei werden den
Regimenter der 8. KD., die zur 218. ID. abgehen sollten, zurück.
Da die Bereitstellung der Angreifer früh bemerkt wurde, konnten
die Verteidiger den Feind, noch bevor er zum Sturm antrat, durch zu-
sammengefaßtes Artilleriefeuer erschüttern. Als dieser dann mit ge-
ringem Schwung gegen die Ciresoaia vorbrach, genügten Handgranaten
und Maschinengewehre zur Abwehr. Die russischen Todesbataillone
drangen vorübergehend in die Pravilastellung ein, waren aber bald
zurückgeworfen. Neuerliche Angriffsversuche gegen die 225. ID. er-
1) K i r i t z e s e o, 367 ff.
2) D a b i j a, IV, 279 ff., 298 ff.
26*
404
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
stickten im Feuer der Deutschen. Die Cosnastellung wurde von den
Rumänen heftig beschossen. Nachmittags berannten sie in mehreren Wel-
len die inneren Flügel der Regimenter 82 und bh. 5, um die kleine
Kuppe nördlich von Grozesci wieder in Besitz zu bringen. Doch auch
hier trotzten die Székler wie vorher auf der Mgr. Casinului allen An-
strengungen des Feindes. Noch weniger erreichte dieser südlich des
Ojtoztales mit seinen Schein vorstoßen. Nur der an die 225. ID. angren-
zenden 70. HID. rangen die Russen einen kleinen Vorteil ab; sie setzten
sich auf einer Höhe südlich des Vrf. Baba Rea -<¡>- 968 fest. Auf die Rück-
eroberung wurde verzichtet.
Der 10. September war mit gegenseitigen, lebhaften Kanonaden
ausgefüllt. Am nächsten Tag griffen die Rumänen wieder ungestüm an
und brachen östlich der Höhe ^ 772 in 100 m Breite ein. Ein Gegen-
stoß zwang die Angreifer zum Weichen. Die Russen machten sich nur
mit ihren Batterien und vorfühlenden Patrouillen bemerkbar. Auf die
Mitteilung des russischen Armeeführers Ragosa, daß sein XXIV. Korps
den Angriff einstelle, brach auch Gen. Averescu die begonnene Kriegs-
handlung ab. Sobald FZM. Benigni diesen Frontraum außer Gefahr
sah, ließ er die halbe 8. KD. ins Sovejabecken abrücken. Diese Truppen
nahmen dort zusammen mit jenen der 7. KD. der deutschen 218. ID.
den rechten Flügel ab. Der Befehl über den Abschnitt wurde am
24. September dem Führer der 7. KD., FML. Marenzi, übertragen.
Freund und Feind waren von den schweren Sommerkämpfen stark
erschöpft; nur mehr vereinzelt flackerte bei der Gruppe Gerok ein
lebhafteres Gefecht auf. So versuchten rumänische Stoßtrupps am
17. September, in verschiedene Frontstellen der 218. ID. und der 37.HID.
einzudringen, wurden aber allseits abgewiesen. Am nächsten Tag
überschüttete die 6. Rumänendivision, da Averescu eine Frontberichtigung
gefordert hatte, den Abschnitt der 71. ID. östlich des D. Lesuntului
plötzlich mit starkem Geschützfeuer. Hierauf wurde eine schwach be-
setzte Strecke des HIR. 15 durch den Vorstoß mehrerer Bataillone über-
rannt. Die Angreifer drangen bis zur Höhe -<¡> 677 vor, doch riegelten
kleine Reserven den Einbruch ab. Der Divisionsführer, FML. Goldbach,
konnte nur auf das 2. Bataillon des k. u. LstlR. 17 greifen, das zum
Abmarsch bereitgestellt war, um zur 16. LstlBrig. zurückzukehren
(S. 393). Mit Hilfe der wenig geschulten Landstürmer wurde sodann der
verlorene Stellungsteil gänzlich zurückgewonnen.
Bedrohliche Lage des k. u. k. XXVI. Korps
405
Verzicht auf die Eroberung der Moldau
Bei der öst.-ung. 7. Armee kam in den ersten Septembertagen die
31. ID., FML. Lieb, von Zablotów als Verstärkung des XVII. Korps,
FML. Fabini, nach Storozynetz heran. Auch trafen jetzt die Batterien
der 1. Armee ein (S. 399). Die vom GM. Luxardo befehligte 34. ID. des
XVII. Korps konnte am 3. September gegen Abend den überraschten
Russen die Höhe Czardaki (S. 399) nordöstlich von Terescheny entreißen.
Der Angreifer bemächtigte sich hierauf auch noch des nördlich der
Höhe gelegenen Grenzkammes. Mehrere hundert Gefangene wurden ein-
gebracht; aber schon am 4. zeitlich früh mußte die 34. ID. vor russischen
Gegenstößen westwärts in ihre Ausgangsstellung weichen und den
größten Teil der eroberten Gräben wieder preisgeben.
Den hohen Führern erwuchsen jetzt Besorgnisse um das k. u.k.
XXVI. Korps. Auffallend starkes Störungsfeuer der russischen Artillerie
lag auf den Stellungen des Korps Horsetzky. Durch aufgefangene Funk-
sprüche der Russen, durch unsere Aufklärungsflieger und durch Aus-
sagen der Überläufer konnten zwischen Sereth und Moldawa hinter der
Russenfront die Massen dreier Korps (X., XXIX., XXXX.) festgestellt
werden. Starke Heeresreiterei (VI. Kavalleriekorps) sammelte sich bei
Suczawa. Das Heeresfrontkommando rechnete mit einem ernsten Angriff
des Feindes auf das Korps Horsetzky. Um die Sicherung der eroberten
Bukowina zu gewährleisten, stellte der Oberbefehlshaber Ost die 8.bayr.
RD. und die bayr. KD. (ohne die beiden Jägerbataillone) dem Erzherzog
Joseph zur Verfügung. Diese beiden Heereskörper wurden über den
Pruth nach Süden hinter das bedrohte XXVI. Korps verschoben. Auch
die Hauptkraft der 31. ID. kam dorthin; nur ein Regiment verblieb im
Bereiche der 34. Division. Als weitere Verstärkung setzte GFM. Prinz
Leopold von Bayern vom Nordflügel der Südarmee die 4. ErsD. (S.335)
nach Czortkow in Marsch, von wo sie nach Czernowitz zu rücken hatte.
Erzherzog Joseph hatte inzwischen aus den ihm und dem GFM.
Mackensen seit Ende August zugegangenen Weisungen (S. 391 ff.) ersehen
müssen, daß die oberste Führung der Mittelmächte von dem Plan, die
Moldau zu erobern, immer mehr abrückte. Der Erzherzog war, wie er
am 1. September dem Chef des Generalstabes, Gdl.Arz, fernmündlich
erklärte, sogar geneigt, sich dem Oberkommando Ost zu unterstellen,
falls von diesem die notwendigen Kräfte für die Gewinnung der
406 Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Moldau zu erhalten wären. Denn Erzherzog Joseph wollte diese Kriegs-
handlung, die er für den gesicherten Besitz Siebenbürgens und der
Bukowina unbedingt geboten hielt, nicht gerne aufgeben1). Nachdem
aber die Heeresgruppe Mackensen am 3. September in die Verteidi-
gung gefallen war, mußte auch Erzherzog Joseph schweren Herzens
dem FM. Kövess am 5. September eröffnen, daß im Hinblick auf die
allgemeine Kriegslage vorläufig auf alle Offensivpläne verzichtet wer-
den müsse. Für die Abwehr des erwarteten Russenangriffes gegen die
Bukowina wurde das XXVI. Korps der Gruppe Krauss unterstellt,
deren Befehlsbereich nunmehr vom Pruth bis zur Moldawa reichte.
Auf dem Südflügel der öst.-ung. 3. Armee übernahm Gdl. Litzmann
am 6. September den Abschnitt von Czernowitz mit der ihm über-
wiesenen k. u. k. 5. ID. südlich vom Pruth und mit der deutschen 83. ID.,
der 16. RD. sowie der k.u. k. 2. KD. nördlich des Flusses. Die 3. Armee,
GO. Kritek, trat von der Heeresgruppe Böhm-Ermolli zur Heeresfront
Erzherzog Joseph über. Diese wurde dadurch nach Norden bis an den
Dniester erstreckt, so daß ihr der Schutz des ganzen Buchenlandes an-
vertraut war. Der Sitz des Heere sfrontkomm an dos wurde in der zweiten
Monatshälfte aus Maros Vásárhely nach Klausenburg verlegt.
Die lebhafte Artillerietätigkeit der Russen vor der Gruppe Krauss
dauerte bis Mitte September an; doch raffte sich die Infanterie des
Feindes gegen das XXVI. Korps zu keinem Angriff auf. Die starken
Truppenanhäufungen der Russen gegenüber der 7. Armee hatten offen-
bar nur bezweckt, ein Vordringen des Gegners in die nördliche Moldau
zu verhindern. Das Heeresfrontkommando gedachte noch die wenig
vorteilhaften, südlich vom Pruth gelegenen Kampflinien der 34. und der
5. ID., die von den Stellungen der Russen überhöht wurden, vorzuver-
legen. Mitte September wurden hiefür die Vorbereitungen aufgenommen.
Der geplante Angriff sollte im Abschnitt der 34. ID. mit einem Durch-
bruch eröffnet, hierauf die Russenstellung gegen den Pruth aufgerollt
werden. Gdl. Litzmann, der mit der Ausführung dieses schwierigen
Unternehmens betraut wurde, forderte als Verstärkung zwei Divisionen,
da er die 16. RD. an den Oberbefehlshaber Ost abgeben sollte. Die
Heeresfront hatte jedoch für den Angriff am Pruth keine Reserven.
Nach der „Kerenski-Offensive" hatte der glänzende Gegenschlag
der verbündeten Mittelmächte aufTarnopol im Juli und anfangs August
fast ganz Galizien und die Bukowina von der Russenherrschaft befreit.
Mehr als 42.000 Gefangene, 257 Geschütze, 546 Maschinengewehre,
x) Erzherzog Joseph, V, 446.
Die Eroberung von Riga
407
191 Minenwerfer und 50.000 Gewehre waren die Beute der Sieger.
Dem Kommandanten der siegreichen Heeresgruppe, GO. Eduard von
Böhm-Ermolli, wurde für die hervorragende Leitung dieser Kriegs-
handlung das Kommandeurkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens
verliehen.
Nach diesen großen Erfolgen war aber nicht nur die Kraft der
öst.-ung. Truppen, sondern auch die der deutschen Streiter wegen der
Anstrengungen und des Mangels an Verpflegung verbraucht. An der
Grenze der Moldau waren die Kämpfer genötigt, haltzumachen. Über
frische Kräfte, die der Offensive hätten neuen Antrieb gewähren kön-
nen, verfügten die Verbündeten nicht. Zudem rissen die Verbindungen
zu den weit hinten endenden Bahnen und der Nachschub versagte.
Die DOHL. setzte unterdessen im Norden der Ostfront den An-
griff auf Riga ins Werk. Schon am 3. September, zwei Tage nach dem
Übergang über die Düna, eroberte die deutsche 8. Armee den russischen
Brückenkopf und die Stadt Riga. Die 12. Russenarmee war geschlagen.
Um Rußland noch weiter in Atem zu halten, faßte die DOHL. nun
einen Schlag gegen Jakobstadt ins Auge. Auch dieses Unternehmen
glückte den Deutschen am 21. und am 22. September1).
Übergang zum Stellungskrieg im Osten
Der Beginn der Offensive auf Riga hatte sich gegen den Willen der
DOHL. sehr verzögert, was gleichfalls ein Grund dafür gewesen war,
daß der Angriff aus der Bukowina nicht mehr aufgenommen werden
konnte2). Vor allem aber hatte die schon seit der zehnten Isonzo-
schlacht äußerst gespannte Lage an der Südwestfront, die sich während
der noch zu schildernden elften Schlacht weiter verschärfte, der Kriegs-
leitung der Mittelmächte den Entschluß aufgedrängt, an Stelle der
kräftezehrenden Abwehr durch einen machtvollen Schlag gegen Italien
einen Umschwung herbeizuführen. Vor dieser neuen, großen Idee muß-
ten andere Pläne zurücktreten. Da der harte Kampf auf dem west-
lichen Kriegsschauplatz dem deutschen Heer eine andauernde, schwere
Belastung auf erlegte, konnten Streiter und Kriegsmittel gegen Italien nur
aus dem Osten entnommen werden; daher galt es, hier die Kriegshand-
lungen zu beenden. Die Front vom Schwarzen Meere bis zum Pripiatj
!) Schwarte, Der deutsche Landkrieg, III, 315 ff. — Kühl, Der Weltkrieg,
II, 140 ff. — Ludendorff, 383 ff.
2) Ludendorf f, 382 ff.
408
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
stellte nunmehr einen großen Kraftspeicher dar, der jetzt hauptsächlich
für die Isonzofront ausgenützt wurde und als Ersatz höchstens abge-
kämpfte Verbände, zumeist aus dem Westen, erhielt. Die schon im
August eingeleiteten Truppenabgaben dauerten bis anfangs Oktober.
Aus dem Bereich der deutschen 9. Armee folgte im September das
Alpenkorps der k. k. 13.SchD. (S. 394) auf dem südwestlichen Kriegs-
schauplatz. Aus der Heeresfront Erzherzog Joseph schied zunächst das
württ. Gebirgsbataillon, dann wurde am 14. September das I. Korps-
Krndo., Gdl. Krauss, aus der Bukowina abberufen. Ende des Monats
folgten die beiden Jägerbataillone der bayrischen KD. und die gebirgs-
gewohnte 200. ID., die beim Karpathenkorps durch die öst.-ung. 31. ID.
ausgelöst worden war. Endlich kam noch die 117. ID. der Gruppe Gerok
daran. Der 2. Armee, die schon zahlreiche deutsche Kräfte für das
Unternehmen gegen Riga abgegeben hatte, wurden für den Abschnitt
Zloczów im Laufe des September andere deutsche Verbände (6.,
33. RD., 14. bayr. ID. und bayr. ErsD.) zugeschoben; dafür rollten aber
noch die deutsche 5. und die öst.-ung. 33. ID. an den Isonzo ab. Die
Heeresgruppe Linsingen stellte dorthin die 20. HID. bei, die in dem
Abschnitt Lipa (Generalkmdo. des XXII. RKorps) durch die, von der
2. Armee überwiesene 32. ID. ersetzt wurde. Ferner fuhr vom Nord-
flügel der 4. Armee die 29. ID. nach dem Süden, an deren Stelle die
12. rt. SchD. und die deutsche 2. KD. traten. Schließlich wurden aus dem
Abschnitt Kowel auch das II. KorpsKmdo., FML. Kaiser, und die 4. ID.
der Südwe;stfront zur Verfügung gestellt; den Abschnitt bezog die vom
Oberkommando Ost herangeführte deutsche 22. Landwehr division.
Die drei Heerführer, Prinz Leopold von Bayern, Erzherzog Joseph
und Mackensen wachten weiter im Osten. Rußland wurde im Innern
von neuen, heftigen Zuckungen erschüttert. Die Kampftätigkeit trat sehr
zurück; die Mittelmächte nahmen auch die Frontpropaganda wieder auf.
Rückschau auf den Krieg im Osten im Sommer 1917
Die in den verschiedenen Konferenzen für das Frühjahr 1917 in
Aussicht genommenen Kriegshandlungen der Russen — Hauptstoß auf
Lemberg, Nebenangriffe gegen Mitau, Sokal, Máramaros-Szigeth und
gegen die Bulgaren (S. 14f.) — hatten vornehmlich wegen des Sturzes
des Zarentums und wegen des darauffolgenden Erschlaffens des Kampf-
willens im Russenheere nicht ausgeführt werden können. Als es der
Der Kampfwert der Gegner
409
Beredsamkeit des neuen Machthabers im revolutionären Rußland, des
Ministerpräsidenten und Kriegsministers Kerenski, endlich gelungen
war, die kriegsmüden Muschiks hochzureißen, war es schon Juli ge-
worden. Mittlerweile hatten die Armeen der Westmächte, namentlich
jene Frankreichs, im April bei Arras und an der Aisne nutzlos geblutet
(S. 120ff.). Im Südwesten hatten der Mitte Mai unternommene zehnte
Ansturm der Italiener am Isonzo und ihre darauffolgenden Teilangriffe
in Tirol (Ortigara) die Lage nicht nennenswert zu ändern vermocht.
Auf dem Balkan beschränkten sich die Alliierten überhaupt auf die
Festhaltung des besetzten Raumes. Die im November 1916 zu Chantilly
geforderte Gleichzeitigkeit des Generalansturmes an allen Fronten war
somit 1917 noch weniger als im Vorjahre verwirklicht worden.
Als anfangs Juli die Russen und drei Wochen später die Rumänen
nun endlich in die Schranken traten, folgten Hieb und Gegenhieb ein-
ander; denn die Führer der Heere der Mittelmächte hatten Angriffs-
pläne gefaßt, für deren Ausführung vorangehende Anstürme der Russen
zum Teil sogar die Voraussetzung waren. So kam es im Sommer 1917
auf den blutgetränkten Gefilden Ostgaliziens, in der Bukowina und in
der südlichen Moldau zu wildwogenden, überraschungsreichen Kämpfen.
Zu diesen Überraschungen zählte unter anderem das wechselvolle
Verhalten des Russenheeres; seine Kampfkraft versiegte rasch nach
kurzem Aufflackern des Angriffswillens, um bei der Verteidigung der
Reichsgrenze wieder zu erstarken. Die reorganisierte und im neuzeit-
lichen Angriff s ver fahren geschulte rumänische Armee schlug sich da-
gegen durchwegs unerwartet gut. Das k. u. k. Heer zeigte aber neue
Sprünge in seinem Gefüge. Bei Zborów und bei Stanislau versagten
wieder einzelne Regimenter mit tschechischem, slowakischem, ruthe-
nischem und serbokroatischem Ersatz. Dies erbrachte neuerlich den
Beweis dafür, daß die Verwendung von Truppenkörpern mit überwie-
gend slawischer Mannschaft gegen Rußland immer schwieriger wurde,
je länger der Krieg dauerte und je größer die nationalen Spannungen
im Innern des fast zur Hälfte von Slawen bewohnten Donaureiches
wurden (Bd. I, 2. Aufl., S. 44 und Bd. V, S. 15).
Bei der gegen Lemberg gerichteten Offensive des russischen Süd-
westheeres glückte der rechten Mittelarmee am 1. Juli ein Einbruch in
die Wehrstellung der k. u. k. 2. Armee, der aber durch herbeieilende
deutsche Reserven bald abgeriegelt wurde. Der Massenansturm der
dichtgeballten linken Mittelarmee bei Brzezany zerschellte jedoch an
der .festen Haltung der Verbündeten. Die künstlich aufgepeitschte
410
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Kampfbegeisterung dieser Russenarmee verflog nur zu rasch wegen der
hohen Blutopfer, die sie in diesem Kampfe hatte bringen müssen.
Noch vor dem Losbrechen des von den Mittelmächten erwarteten
russischen Angriffes hatten sich diese zu einem Gegenschlag entschlos-
sen, bei dem die erfolgreiche Abwehr des feindlichen Ansturmes den
Auftakt zu bilden hatte. Da dies programmgemäß eingetreten war, sollte
nun mit rasch herbeigeführten deutschen Divisionen von Zloczow ;aus
in der Richtung auf Tarnopol die gelockerte russische Front durch-
brochen werden. Hiebei hatte die Stoßgruppe mit dem linken Flügel
längs der einen günstigen Flankenschutz gegen Norden bildenden Teich-
reihe am Oberlaufe des Sereth vorzugehen.
Mitten während der Vorbereitungen für diesen Durchbruchsangriff
entriß aber Kornilow, der Führer der 8. Russenarmee, der k.u.k. S.Ar-
mee den westlich von Stanislau gelegenen Schlüsselpunkt der Stellung
und verfolgte mit einer von den Russen sonst nie geübten Raschheit die
Verbündeten bis über Kalusz hinaus. Die Lage erschien nun so kritisch,
daß sogar erwogen wurde, statt bei Zloczow die Feindesfront zu durch-
brechen, mit der Stoßgruppe nach Süden zu eilen, um durch einen
Flankenangriff den die k.u.k. 3.Armee verfolgenden Russen Einhalt zu
gebieten. Indessen kam die Armee Kornilow vornehmlich wegen Nach-
schubschwierigkeiten von selbst zum Stehen. Der Ausführung des Durch-
bruchsangriffes bei Zloczow stand nun nichts mehr im Wege.
Die auf schmaler Front (20 km) angesetzte, aber tief gestaffelte
Stoßgruppe warf die Russen ohne viel Mühe zurück. Schon am ersten
Tage, am 19.-Juli, war der taktische Durchbruch geglückt. Sechs Tage
später fiel Tarnopol. Der schräg gegen die russische Front weiter-
wirkende Druck, dessen Schwergewicht unablässig mehr nach Süden
verlegt wurde, veranlaßte bald auch die vor der Südarmee stehenden
russischen Korps zum Aufgeben ihrer Stellungen. Und nun erwuchs
aus dem seinerzeitigen Rückzug der k.u.k. 3.Armee sogar ein Vorteil,
weil die nunmehr gegen die Nordflanke der bis Kalusz vorgedrungenen
8. Russenarmee wirkende Bedrohung jetzt auch diese Armee zum eiligen
Rückzug zwang1). So stürzte die ganze Russenfront bis zum Walle
der Karpathen ein.
Während nun die Verbündeten die Russen aus Ostgalizien ver-
drängten, schritt der Feind in der südlichen Moldau zum Angriff. Trä-
ger des Angriffsgedankens war hier das neuerstarkte Rumänenheer,
das darauf brannte, gemeinsam mit den Russen die Linien der Heeres-
*■) K i s z 1 i n g, Der strategische Durchbruch (Mil. wiss. Mitt., Jhrg. 1933, 89 ff.).
Abwehrerfolg der Rumänen
411
grappe Mackensen zu durchbrechen und sodann womöglich die Wa-
lachei und die Dobradscha zurückzuerobern. Den Hauptschlag hatte die
rumänische 1. Armee bei Namoloaça zu führen. Die 2. Rumänenarmee
sollte in das Becken von Soveja einbrechen und, nach Süden einschwen-
kend, die Front der deutschen 9. Armee aufrollen. Den unter dem
Oberbefehl des Königs Ferdinand in der Rumänischen Front stehenden
drei Russenarmeen waren Begleitunternehmen zugedacht.
Knapp vor dem für den 25. Juli anberaumten Beginn des Angriffes
der rumänischen 1. Armee, dem eine gewaltige Kanonade vorangegan-
gen war, verbot Kerenski aus Bestürzung über den Zusammenbruch des
russischen Südwestheeres in Galizien seinen in der Moldau stehenden
Armeen die Mitwirkung und vereitelte hie durch die Offensive des vom
König von Rumänien befehligten Heeres. Tags vorher jedoch hatte
Gen. Averescu mit der rumänischen 2. Armee den schwachen Südflügel
der k. u. k. 1. Armee schon durchstoßen und war plangemäß in das
Becken von Soveja eingebrochen. Averescus weiterem Vordringen wurde
nun vom König gleichfalls Einhalt geboten.
Jetzt holten die Mittelmächte in der Moldau zum Gegenschlag aus.
Durch einen über den Unterlauf des Sereth hinweg und aus der Buko-
wina heraus geführten Zangenangriff sollte die Moldau erobert wer-
den. Die Rumänen ganz aus dem Felde zu schlagen und sich in den
Besitz der Getreide Vorräte dieses fruchtbaren Landes zu setzen, waren
die Triebfedern für dieses Unternehmen.
Wegen des Einbruches der Rumänen in das Sovejabecken wurde
der Hauptstoß, der ursprünglich auch über Nämoloasa geplant gewesen
war, weiter westwärts nach Focsani verlegt. Durch einen von hier nach
Norden geführten Angriff sollte einerseits die rumänische 2. Armee
zur Preisgabe ihrer drohenden Flankenstellung gezwungen, anderseits
ein besseres Zusammenwirken mit dem im Ojtozgebiet nun gleichfalls
zum Angriff schreitenden Südflügel der k. u k. 1. Armee erreicht werden.
Der am 6. August losbrechende Ansturm der deutschen 9. Armee
erzielte gegen die nicht sonderlich widerstandskräftige 4. Russenarmee
wohl einen beachtenswerten Anfangserfolg. Das geplante Hinübergreifen
auf das östliche Serethufer, das zur Aufrollung der ganzen Feindfront
bis zur Mündung dieses Flusses führen sollte, glückte aber nicht. Über-
dies rückte von Nämoloasa her die hier herausgelöste rumänische 1. Ar-
mee nach Westen heran, um an Stelle der Russen nördlich von Focsani
in die Front zu treten. Sie vermochte nun den Kampf zu nähren, und
in opfervollem Ringen gelang es den Rumänen, den Verbündeten den
412
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Weg im Serethtale dauernd zu verriegeln. Für die Rumänen bleibt die
„Schlacht bei Märäsesti" — wie sie die Rumänen nennen — ein Ruh-
mesblatt in der Geschichte des Weltkrieges. Ähnlich wie bei Focsani
mußten sich die Verbündeten auch im Ojtozgebiet mit einem geringen
Raumgewinn begnügen.
Unterdessen hatten die Verbündeten die Bukowina von den Russen
gesäubert und am 3. August in Czernowitz Einzug gehalten. Die Be-
strebungen, in der Richtung auf Dorohoiu in die nördliche Moldau
einzudringen, um sie im geplanten Zusammenwirken mit der Heeres-
gruppe Mackensen zu erobern, schlugen aber ebenso fehl, wie Über-
gangsversuche der Südarmee am Zbrucz. Einem weiteren Vordringen nach
Bessarabien und nach Podolien setzten die Russen schon an der Reiehs-
grenze wider alles Erwarten einen nicht zu überwindenden Widerstand
entgegen. Überdies erwies sich, daß die Angriffe der Verbündeten in
der Bukowina und bei Focsani, die etwa 300 km voneinander entfernt
unternommen wurden, viel zu weit auseinander lagen, um sich in ihren
Wechselwirkungen gegenseitig zu fördern. Nach diesen Schlachten ver-
ebbte das nach längerer Pause wieder entflammte Wechsel volle Ringen
im Osten.
Mit dem Ergebnis der Sommerfeldzüge 1917 gegen die Russen und
Rumänen konnten die Mittelmächte, insbesondere die von den Ereignis-
sen im Osten und Südosten unmittelbarer berührte k. u. k. Heeresleitung
zufrieden sein. War die Eroberung der Moldau auch nicht geglückt, so
waren doch Ostgalizien bis auf einen schmalen Grenzstreifen zwischen
Brody und Husiatyn und die Bukowina bis auf den südöstlichsten Winkel
befreit worden. Dabei hatte das Russenheer so offensichtliche Merkmale
des Verfalles gezeigt, daß neuerliche Angriffe der Russen kaum mehr
zu besorgen waren. Schließlich waren auch die Anstürme der jetzt
ungleich tüchtigeren Rumänen entschieden abgewehrt worden.
Am 3. September eroberten die Deutschen Riga und schufen sich
auf dem östlichen Dünaufer einen Brückenkopf. Hiedurch wurde eines-
teils jedwede Bedrohung durch die Russen von dorther ausgeschaltet,
anderseits eine Ausfallspforte zum Vormarsch gegen Petersburg ge-
schaffen. Nachher wurden die überschüssigen Divisionen nach dem
Westen und dem Südwesten abbefördert. Das russisch-rumänische
Kriegstheater verlor trotz der noch immer gewaltige Kräfte bean-
spruchenden, 1850 km langen Front entschieden an Bedeutung. Das
Schwergewicht glitt endgültig auf den französischen und auf den ita-
lienischen Kriegsschauplatz hinüber.
DAS MILITÄRPOLITISCHE
WELTBILD IM FRÜHJAHR UND
IM SOMMER 1917
Bruch der Vereinigten Staaten von Nordamerika
mit den Mittelmächten
Die weitere Schilderung der Kriegsereignisse erheischt einen Blick
auf die Bühne des politischen Weltgeschehens. Die Frühlingsmonate des
Jahres 1917 waren reich an tief einschneidenden Wandlungen. Dem Ent-
schlüsse Deutschlands, nunmehr zur Waffe des uneingeschränkten Tauch-
bootkrieges seine Zuflucht zu nehmen, war gefolgt, was die Warner in
Österreich-Ungarn, an ihrer Spitze Kaiser Karl, gefürchtet hatten: am
3. Februar hatten die Vereinigten Staaten von Amerika unter ihrem selbst-
herrlichen Präsidenten Woodrow Wilson die diplomatischen Beziehungen
zu den Mittelmächten abgebrochen (S. 8) x). Bei den starken wirtschaft-
lichen Interessen, die das amerikanische Kapital am Siege der Entente
hatte, wäre dieses Ereignis den beiden Kaisermächten auf die Dauer
wohl kaum erspart geblieben; immerhin wäre es beträchtlich später
eingetreten.
Sechs Wochen nach dem diplomatischen Bruche Amerikas mit den
Mittelmächten schienen sich dann allerdings die etwaigen Nachteile der
amerikanischen Feindschaft durch die erste russische Revolution aus-
zugleichen (S. 87 ff.). Blieben die in Rußland zur Macht gelangten Ge-
walten auch weiterhin unter dem bestimmenden Einfluß der Westmächte
und ihrer Vertreter, so mochte doch das russische Heer so tief ins Mark
getroffen sein, daß ein völliger Wiedergewinn der alten Kampfkraft
kaum mehr zu gewärtigen war. Mit diesem Urteil sollten die Führer
der Mittelmächte grundsätzlich recht behalten. Wohl flackerte, ange-
feuert durch die demagogische Kunst Kerenskis, der Kampfwille des
Muschiks im Frühsommer 1917 in der Hügel- und Bergwelt Ostgaliziens
noch einmal vorübergehend auf. Aber der Gegenschlag, den Prinz Leo-
pold von Bayern bei Zloczow vorbereitet hatte (S. 289ff.), ließ binnen
wenigen Stunden den Angriffsgeist der Russen zusammenbrechen. Diese
räumten, wie in den vorigen Kapiteln eingehend geschildert wurde, eiligst
die noch besetzt gehaltenen Teile Ostgaliziens und die Bukowina, um
1) Die diplomatischen Vertreter der Union in der Türkei und in Bulgarien
verblieben auch weiterhin in den Hauptstädten dieser Länder.
416 Das militärpolitische Weltbild im. Frühjahr und im Sommer 1917
sich dann allerdings hinter der Grenze, auf vaterländischem Boden, wie-
der einigermaßen zu neuer Widerstandskraft aufzuraffen.
Um so größere Bedeutung hatte denn auch die amerikanische Hilfe
für die Westmächte gewonnen. Die Vereinigten Staaten hatten — wie
bereits ausgeführt (S. 121) — zwei Monate nach dem Abbruch der
diplomatischen Beziehungen, am 6. April, ¡an Deutschland den Krieg
erklärt1). Dieser Akt war schon in den nächsten Wochen für alle ame-
rikanischen Staaten, ausgenommen Mexiko, Columbia, Venezuela, Para-
guay, Argentinien und Chile, beispielgebend geworden, ohne daß sie
freilich anders als in wirtschaftlicher Beziehung am Kriege teilnahmen.
Überdies gelang es in diesen Wochen endlich, Japans Widerstand gegen
einen Eintritt Chinas in den Krieg zu überwinden. Schon um die
Jahreswende war Großbritannien, erfaßt von höchster Sorge um die
Lage im Mittelmeer, mit Japan wegen Beistellung eines Geschwa-
ders für die europäischen Gewässer in Verhandlungen eingetreten. Am
16. Februar ging Japan auf die Vorschläge Englands ein, wofür dieses
die Ansprüche des ostasiatischen Kaisertums auf die deutschen Pazifik-
inseln nördlich vom Äquator anerkannte, während die südlichen Inseln
Australien zufallen sollten. Frankreich ließ sich am l.März die Bil-
ligung dieses Vertrages durch die Zustimmung Japans zur Teilnahme
Chinas am Kriege abkaufen. Japanische Geschwader tauchten alsbald
in der Südatlantik und im Mittelmeere ¡auf. China brach am 14. März
die Beziehungen zu Deutschland ab. Am 14. August erklärte es an die
Mittelmächte den Krieg. Zwei Wochen vorher hatte sich auch Siam
der Entente angeschlossen.
Da am 30. Juni, wenige Wochen nach der von den Westmächten
erzwungenen Abdankung des; Königs Konstantin, auch Griechenland
unter der Schattenherrschaft des Königs Alexander und unter der
Ministerpräsidentschaft des ränkesüchtigen Venizelos die Beziehungen
zu den Mittelmächten abbrach (S. 234), standen 25 Staaten des Viel-
verbandes wider den zu einer belagerten Festung gewordenen Vierbund.
Die Alliierten begrüßten den neuen Bundesgenossen Amerika, der
den etwaigen Ausfall Rußlands früher oder später wettmachen konnte,
mit jubelnder Begeisterung und schickten Sonderabordnungen übers
Meer. Die Vereinigten Staaten verfügten noch nicht über eine kriegs-
bereite Armee; aber sie rüsteten zu Wasser und zu Land in gewaltigen
Ausmaßen. Sie führten am 29. April: einen an die allgemeine Wehr-
!) Art Österreich-Ungarn erklärte Nordamerika erst am 7. Dezember 1917 den
Krieg.
Gesteigerter Ideenkrieg wider die Mittelmächte
417
pflicht heranreichenden Dienstzwang ein und beschlossen am 4. Mai die
Aufstellung eines Heeres, das zunächst eine Million vortrefflich aus-
gerüsteter Streiter, bald aber ihrer viel mehr zählen sollte. Die Volks-
vertretung bewilligte aus den Kriegsgewinnen, die dem Lande zuflössen,
Milliardenkredite. Ein von den Kriegslasten noch völlig verschont ge-
bliebenes Neunzigmillionenvolk zeigte die unerbittliche Entschlossenheit,
alle militärischen, wirtschaftlichen und moralischen Kräfte für den
Kampf gegen Deutschland aufzubieten!
Mit dem Wirksamwerden dieser Hilfe auf der Walstatt mußte es
allerdings noch sein Bewenden haben. Am 15. Juni erschien der mili-
tärische Vertraute Wilsons, Gen. Pershing, in Paris, um das militärische
Eingreifen der Vereinigten Staaten mit den Westmächten zu verabreden.
Pershing ließ die Alliierten wissen, daß es Absicht seiner Regierung sei,
erst mit vollgerüsteten, kampffähigen Armeen in Frankreich einzugrei-
fen; die Union werde am 1. Juli 1918 mit einer Million Streitern, in den
darauffolgenden Monaten mit einer weiteren Million zur Stelle sein.
Kaiser Karls Friedensversuche
Wenn Reichs- und Heeresleitung in Deutschland den militärischen
Kräftezuwachs, den die Entente durch die Vereinigten Staaten erhielt,
fürs erste gering bewerteten, so gaben ihnen die Erklärungen Pershings
in gewissem Sinne recht. Die Berechnungen über die zahlenmäßige
Stärke fielen wegen des gleichzeitigen Umsturzes in Rußland zunächst
sogar zugunsten der Mittelmächte aus — besonders, wenn man zugleich
die Hoffnungen auf den U-Bootkrieg mit in Rechnung stellte. Umso
stärker fielen freilich von Anbeginn die moralischen Folgen ins Ge-
wicht, die sich aus dem Zusammenfallen der Kriegserklärung Amerikas
mit der russischen Revolution für die Völker ergaben. Frohlockend
konnten die Westmächte verkünden, daß nun auch in der Welt der
Geister eine vollendete Scheidung eingetreten sei: hie alle Demokratien
der Erde, dort die halbfeudalen Monarchien Mitteleuropas und die
türkische Theokratie ! Wilson predigte seinen Kreuzzug gegen die „mili-
tärisch-autokratischen Gewalten" in Deutschland und schleuderte seinen
Bannfluch wider sie übers Meer. In Rußland erlebten die Heilslehren
der bürgerlichen Revolution von 1789 ihre Auferstehung, und aus den
Tiefen der Massen klangen noch unduldsamere Botschaften herauf, die
an Marx und die Pariser Kommune anknüpften. Diese Sturzwellen
VI 27
418 Das militärpolitische Weltbild im Frühjahr und im Sommer 1917
gleißender, verlockender Ideen schlugen von West und Ost über den
hungernden und darbenden Völkern der Vierbundmächte zusammen
und fanden allenthalben Widerhall zuerst in Tausenden und dann auch
in Millionen von Herzen.
In Deutschland wurde die längst rissig gewordene Einheit der
Nation durch diese Brandung der Ideen schwer erschüttert. So sehr
das „Hindenburg-Programm" und der „Vaterländische Hilfsdienst" zur
Hebung der materiellen Kräfte des Heeres beitrugen, so wenig waren
erhebliche Nachteile volkswirtschaftlicher und sozialer Natur zu ver-
meiden gewesen. Die Kriegskosten wuchsen unter einer großzügig be-
triebenen Preis- und Lohnpolitik ganz beträchtlich. Leichterworbener
Reichtum wirkte inmitten großen Elends durch den von ihm ent-
wickelten Luxus aufreizend. Haßte der Rüstungsarbeiter der Heimat
von T;ag zu Tag mehr den „satten Bourgeois", unbekümmert darum,
ob es sich um alten Wohlstand oder Kriegsgewinnertum handelte, so
erregte er für seine Person wieder den Neid des Frontkameraden, der
um unvergleichlich geringeres Entgelt stündlich seine Haut zu Markte
tragen mußte und dabei Frau und Kind einem unbestimmten Schicksal
preisgegeben sah. Während im Frühjahr 1917 das Westheer in schwerste
Kämpfe verwickelt w:ar, kam es in Berlin und anderwärts zu gewal-
tigen Ausständen. Immer wieder flackerten in Hinkunft bald da, bald
dort wilde Streiks empor. Wie sehr selbst der Geist der Wehrmacht
gefährdet war, bewies eine Matrosenverschwörung, die im Juli 1917 auf-
gedeckt wurde und bei der auch Abgeordnete der „Unabhängigen Sozial-
demokratie" die Hand im Spiele hatten. „Spartakus" erhob sein Haupt1).
Mit der Aufhebung des Klassenwahlrechtes in Preußen, mit Kriegs-
zielfragen und Friedensresolutionen befaßten sich die auf offener Bühne
wirkenden politischen Kreise. Der Reichskanzler Bethmann-Hollweg mußte
dem Kandidaten der Heeresleitung, Georg Michaelis, Platz machen. Der
erbitterte Kampf für und wider die Friedensresolution vom 19. Juli, in
der sich die „Mehrheitsparteien" (Zentrum, Demokraten und Mehr-
heitsSozialisten) gemäß den Heilsbotschaften aus West und Ost für
einen Verständigungsfrieden ohne gewaltsame Gebietserwerbungen und
ohne Entschädigungen aussprachen, zeigte deutlich, wie schwer sich
das deutsche Volk schon in den durch den Krieg aufgeworfenen Pro-
blemen zurechtfand. Seinen Führern gelang es nur sehr unvollständig,
den Schlagworten, die sinnbetörend aus dem Lager der Feinde herüber-
1) Vergi, ti. a. V o 1 k m a n n, Der Marxismus und das deutsche Heer im Welt-
kriege (Berlin 1925), 129 ff.
Die Slawen des Habsburgerreiches und der Krieg
419
klangen und durch tausend Kanäle Eingang fanden, gleich wirksame
Parolen entgegenzusetzen. Niemand klärte das deutsche Volk darüber
auf, was wirklich war, was drohte und was kommen mußte. Weder die
Rufer nach dem „größeren Vaterland" noch die Wortführer des „Ver-
teidigungskrieges" besaßen die demagogische Kraft eines Lloyd-George
oder eines Clemenceau.. Der Krieg drohte seinen Sinn zu verlieren in
den Augen der Massen und auch in denen der geistigen Kreise. Es
fanden sogar Männer ein Echo, die, aus Deutschland geflüchtet, von
neutralem Boden aus alle mit dem Krieg zusammenhängende Schuld
in Wort und Schrift auf ihr verratenes Vaterland häuften. Die feind-
liche Wühlarbeit verfehlte nicht, aus solchen Zeugnissen größten Vor-
teil zu ziehen. Ungezählte Deutsche wurden an der guten Sache ihres
Vaterlandes irre.
Bei den Völkern der Verbündeten Deutschlands zeitigte der Kriege
wenn auch abgestuft, ähnliche wirtschaftliche und soziale Folgen. In
Österreich-Ungarn empfing überdies die nationale Revolution einen
heftigen Auftrieb. Noch in den ersten Monaten der Regierung des
Kaisers Karl hatten die Slawenführer — gewiß zum Teil aus politischer
Zweckmäßigkeit — ein durchaus reichs- und dynastiefreundliches Ver-
halten an den T,ag gelegt. Dies zeigte sich auch nach der Entente-
kundgebung vom 12. Jänner 1917 (Bd. V, S. 718), änderte sich aber nach
dem Sturz des Zarentums und dem Bruche Wilsons mit den Mittel-
mächten auf einen Schlag. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse wurde
in Österreich Ende Mai 1917, seit Kriegsbeginn zum ersten Male, das
Parlament einberufen. Die Vertreter der Tschechen beeilten sich, einen
eigenen tschechoslowakischen Staat zu fordern, der einerseits auf Grund
des böhmischen Staatsrechtes die auch drei Millionen Deutsche um-
schließenden Länder der Wenzelskrone, anderseits aber ¡auf Grund des
Naturrechtes und unter Mißachtung des ungarischen Krönungseides1)
die ober ungarische Slowakei umfassen sollte. Einen kaum geringeren
Stellungswechsel vollzog ein großer Teil der Polenführer. Die neuen
Männer Rußlands hatten sofort nach dem Sturze des Zaren den Polen
das volle Selbstbestimmungsrecht zuerkannt. Die Nation hatte nunmehr
von einem Siege der Entente weit besseres zu erhoffen als von einem
solchen der Mittelmächte. Diese Erwägung konnte auch auf die Parteien
der österreichischen Polen nicht ohne Eindruck bleiben.
1) Auf Betreiben des ungarischen Ministerpräsidenten Tisza hatte sich Kaiser
Karl schon am 30. Dezember 1916 in Budapest zum Apostolischen König von Ungarn
krönen lassen.
27*
420 Das militärpolitische Weltbild im Frühjahr und im Sommer 1917
Die Slowenen und Dalmatiner gaben im Wiener Parlament ähnliche
Erklärungen wie die Tschechen ab, wobei das Bekenntnis zu Monarchie
und Herrscherhaus bei jenen wie bei diesen vielfach nur mehr ein
Lippenbekenntnis war. Die Südslawen Österreichs trafen sich mit ihren
Brüdern in Ungarn, Kroatien-Slawonien und Bosnien in ihren nationalen
Wünschen. Nicht ohne weitgehenden Einfluß auf die Stimmung in die-
sen Gebieten blieb der Pakt, den am 20. Juli 1917 der serbische Mini-
sterpräsident Pasic zu Korfu mit dem südslawischen Emigrantenführer
Trumbic über die Bildung eines gemeinsamen Staates der Serben, Kroa-
ten und Slowenen abgeschlossen hatte. Bei den Nord- wie bei den
Südslawen gestaltete sich das bis dahin ziemlich lockere Verhältnis
zwischen den politischen Führern im Inland und der Emigration in den
folgenden Monaten so enge, daß sich jene daran gewöhnten, nur mehr
nach den Weisungen der in Feindesland auf die Zerstörung des Reiches
hinarbeitenden Nationalkomitees zu handeln.
Die Deutschen Österreichs, die Bewohner der niederösterreichischen
und steirischen Industriegebiete, der Alpenlande und der böhmischen
Randgebirge, litten schwerer als irgend ein anderes Volk des Reiches
unter der Knappheit an Lebensmitteln. Die Magyaren in den Ebenen
Ungarns schöpften im Vergleich zu ihnen noch aus dem Vollen. Den-
noch machten sich auch bei ihnen Kräfte des sozialen Umsturzes in
zunehmendem Ausmaße fühlbar. Kleinbauern und Landarbeiter wandten
sich gegen die Besitzer großer Latifundien und riefen nach Grund und
Boden. Das durch die Rüstungsarbeit stark angewachsene Industrie-
proletariat heischte Hebung der Lebenshaltung und politische Rechte.
Der Kaiser und König Karl nahm sich alle Mühe, die im Schmoll-
winkel stehenden Völker und Volksschichten durch den Abbau der
Kriegsmaßnahmen und der Ausnahmsjustiz, durch Wiedergutmachung
von Härten und Unrecht und durch einen ehrlich gemeinten Kampf
gegen Unzukömmlichkeiten aller Art sowie durch eine möglichst
gleichmäßige Aufteilung der Kriegslasten wieder mit dem Staate zu
versöhnen. Auch die am 2. Juli für die Länder diesseits der Leitha
erlassene „Amnestie" zugunsten politischer Verbrecher (S. 252), die
unter anderem den Tschechenführer Kramar dem politischen Leben
wiedergab, sollte diesem edlen Ziele dienen, mochte sie unmittelbar
immerhin durch das Streben veranlaßt gewesen sein, im Abgeordneten-
haus eine Debatte über wirkliche und angebliche Übergriffe der Militär-
justiz zu verhindern. Die Führer der „Nationalitäten" haben dem Kaiser
seine guten Absichten nicht gedankt. Die Deutschen in Heer und Heimat
Österreich-Ungarn und die Entente
421
wurden stark verstimmt; die Volkstümlichkeit des Herrschers erhielt
den ersten bedenklichen Stoß.
In Ungarn berief der König im Mai 1917 das einer tiefergreifenden
Wahlreform entschieden widerstrebende Kabinett Tisza ab1). Er er-
setzte es zunächst durch ein Ministerium Moritz Eszterházy, dem schon
im August eine Regierung Wekerle folgte. Wekerle brachte der Nation
die grundsätzliche Zustimmung des Herrschers zur Teilung der gemein-
samen Wehrmacht für die Zeit nach dem Kriege als Morgengabe mit.
In gleicher Weise wie dem friedlichen Zusammenleben seiner
Völker galten die heißen Bemühungen des jungen Kaisers ;auch der
Wiederherstellung des Friedens nach außen. Er war darin mit seinem
Außenminister Graf Czernin, der im Dezember 1916 den Baron Burián
abgelöst hatte, eines Sinnes. Beiden Männern schien, da sich die Kluft
zwischen Deutschland und der feindlichen Welt durch den U-Bootkrieg
noch, bedenklich erweitert hatte, Österreich-Ungarn am ehesten als
Wegbereiter des Friedens berufen zu sein. Zwar war, nicht bloß unter
den Feinden, sondern auch unter den Freunden des Donaureiches, schon
lang vor dem Kriege viel über dessen auf die Dauer kaum vermeidbaren
Zerfall gesprochen worden. Auch war die wachsende Begehrlichkeit der
Nachbarn nach österreichischem und ungarischem Boden der Einkrei-
sungspolitik der Entente im letzten Jahrzehnt vor 1914 sehr zustatten ge-
kommen. Verträge, die das Friedensproblem stark belasteten, waren vor
dem Beitritt Italiens und Rumäniens zum Vierbund (Bd. II, S.283f. und
Bd. V, 228 ff.) abgeschloissen worden. Dennoch bestand weder zu Kriegs-
beginn, noch in den ersten Kriegsjahren auf der Seite der Alliierten,
zumal der Westmächte und auch Italiens 2), der entschiedene Wille, die
Zertrümmerung des Donaureiches anzustreben oder auch nur zu för-
dern. Das mußten die verschiedenen Emigrantenführer, Masaryk nicht
ausgenommen, immer wieder erfahren, und nicht zu Unrecht bezeichnete
einer der engsten Vertrauten des britischen Premiers, der Burengeneral
Smuts, den gegen Österreich-Ungarn gerichteten Satz der Ententenote
vom 12. Jänner 1917 (Bd. V, S. 718) ein Jahr später als einen „Bluff".
In den maßgebenden Kreisen von Paris, London und Rom war man
einer „Balkanisierung" des Donauraumes durchaus abgeneigt. Die amt-
liche Politik dieser Staaten war die längste Zeit hindurch gegen eine
Vernichtung des Habsburgerreiches eingestellt, wobei Italien lediglich
insoferne eine Ausnahme machte, als es an der Donau keine Großmacht
*) E r é n y i, Graf Stefan Tisza (Wien 1935), 323 ff.
2) Glaise-Horstenau, Die Katastrophe, 114 ff.
422 Das militärpolitische Weltbild im Frühjahr und im Sommer 1917
mehr, sondern nur eine Mittelmacht sehen wollte. Wohl aber forderte
die Entente die Trennung Österreich-Ungarns von Deutschland, die
zugleich mit einer weitgehenden Föderalisierung der Monarchie und
einer Stärkung der Slawen gegenüber den Deutschen und den Magyaren
Hand in Hand hätte gehen müssen. Erst die zunehmende Erkenntnis,
daß ein Abspalten des Donaureiches von Deutschland nicht zu er-
reichen, dieses aber :am leichtesten durch die Vernichtung des Ver-
bündeten ins Herz zu treffen sein werde, mußte die Westmächte dem
Gedanken, das Habsburgerreich zu zertrümmern, allgemach näher
bringen. Aus dieser Tatsache erwuchs für Österreich-Ungarns Bündnis-
politik ein tragischer Zwiespalt. Auf der einen Seite sah es sein Dasein
und seine Zukunft von Woche zu Woche stärker auf die Spitze der
deutschen Bajonette gestellt; auf der anderen mußte jeder deutsche
Sieg, der nicht kriegsentscheidend war, die Freunde des Donaureiches,
deren es im. Westen noch immer in erheblicher Zahl gab, immer mehr
in die Arme seiner Feinde treiben und sie verlocken, mit der die
Zerstörung anstrebenden Emigrantenpolitik gemeinsame Sache zu ma-
chen — wie es denn auch wirklich in der Folge geschehen sollte.
Als den meistgeeigneten Mittler auf Feindesseite betrachtete das
Wiener Kabinett zunächst Frankreich1). Dem Streben, dieses für den
Friedensgedanken zu gewinnen, galten die Vermittlungsversuche, bei
denen der aus französischem Fühlen in der belgischen Armee dienende
Prinz Sixtus von Bourbon-Parma, ein Bruder der Kaiserin und Königin
Zita, die Hauptrolle spielte (Februar bis Mai 1917), und wenige Wochen
später die übrigens vom französischen Generalstab angeregten Be-
sprechungen zwischen dem öst.-ung. Diplomaten Grafen Reverterá und
dem französischen Major Grafen Armand (August 1917). Inzwischen
war Czemm, um Frankreich friedensgeneigt zu machen, eifrig bemüht,
den deutschen Bundesgenossen zu Zugeständnissen an der Westgrenze,
auf elsaß-lothringischem Boden, zu bewegen, wofür er vorübergehend
zugunsten Deutschlands auf Kongreßpolen und damit auch auf die
austropolnische Lösung verzichten wollte. In einer vom 12. April datier-
ten Denkschrift an den Kaiser, die vor allem zum Gebrauch gegenüber
dem Bundesgenossen bestimmt war, deren Inhalt aber später durch
Unvorsichtigkeit oder Vertrauensbruch auch in die Presse der Entente
1) Vgl. u. a. Werkmann, 170 ff. — Polzer-Hoditz, Kaiser Karl (Wien
1929), 302 ff. — Fester, Die Politik Kaiser Karls und der Wendepunkt des Welt-
krieges (München 1925), 46 ff. und die in diesem Werke auf S. X bis XV angeführte
Literatur.
Das Scheitern der Friedensversuche im Sommer 1917
423
gelangte, schilderte er die Lage der Monarchie in den düstersten Farben.
Ebenso hatte Czernin bei der Friedensresolution des deutschen Reichs-
tages (S. 418) die Hand ein wenig im Spiele, und im August trachtete
Kaiser Karl, den Deutschen Kronprinzen in einem Briefe für seine
Friedenspläne zu gewinnen.
Die Vermittlung des Prinzen Sixtus, deren Einleitung übrigens dem
deutschen Verbündeten, allerdings ohne Nennung des Vermittlers, mit-
geteilt worden war1), war jedoch inzwischen, wenn aus keinem ande-
ren Grund, so jedenfalls an dem sehr heftigen Widerstand Italiens
gescheitert, von den im Londoner Vertrag anerkannten ,,Aspirationen"
etwas nachzulassen, während Österreichs Kaiser höchstens zu einer
Abtretung von Welschtirol geneigt gewesen wäre. Ebenso führten die
Besprechungen Reverterá—Armand, über deren Verlauf die deutsche
Reichsregierung ständig unterrichtet wurde, wegen der unannehmbaren
Bedingungen, die für einen allgemeinen Frieden von der Entente an
Deutschland gestellt wurden, zu keinem Ergebnis. Wesentlich weniger
schwer waren die an Österreich-Ungarn bei einem Sonderfrieden ge-
stellten Forderungen; was man dem Habsburgerreich an Gebieten zu-
gunsten der Genossen des Vielverbandes abnehmen wollte, versprach
man ihm aus reichsdeutschem Besitz zu ersetzen. Aber ein solches Aus-
springen der Donaumonarchie aus dem Bündnis kam aus mehrfachen
Gründen nicht in Frage; der Versuch wäre in der Donaumonarchie, so
lange Deutschland aufrecht stand, wohl auch von schweren inneren
Erschütterungen begleitet gewesen, denen sie erst recht nicht stand-
gehalten hätte.
Wie diese Friedensver suche blieben auch andere Bestrebungen er-
folglos, unter ihnen vor allem der von hohem Verantwortungsbewußt-
sein getragene Friedensschritt des Papstes Benedikt XV. im August
und September 1917 2). Am 9. Oktober schnitt Kühlmann, der deutsche
Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten, alle Erwägungen über
ein Opfer Deutschlands im Westen durch sein in die Volksvertretung
gerufenes „Nein, nein, niemals!" für die weitere Kriegszeit ab. Auch
zu einer namentlich durch den Papst befürworteten Erklärung über die
x) Protokoll über die am 16. März 1917 zwischen Czernin und Bethmann-
Hollweg zu Wien geführten Besprechungen (Haus-Hof- und Staatsarchiv).
2) Vgl. u. a. Lama, Die Friedensvermittlung Papst Benedikt XV. und ihre
Vereitlung durch den deutschen Reichskanzler Michaelis (München [1932]), und die
Gegenäußerungen von Mo nt.gelas 53Bin Schlußwort" (Berliner Monatshefte,
Jhrg. 1932, 1125 ff.).
424 Das militärpolitische Weltbild im Frühjahr und im Sommer 1917
Zukunft Belgiens vermochte sich die deutsche Regierung, bestärkt durch
die Heeresleitung, nicht durchzuringen, da sie das belgische Faust-
pfand nicht vorzeitig preisgeben wollte.
Österreich-Ungarn in den militärischen Plänen der
Entente
Die Besonderheit der internationalen Lage Österreich-Ungarns
spiegelte sich auch in der Rolle wider, die das Reich diese Zeit über
in den militärischen Erwägungen der Entente spielte. Zumal Lloyd-
George hatte sich schon auf der Konferenz zu Rom, Ende Dezem-
ber 1916, nachdrücklich für den Einsatz starker Kräfte der Alliierten zu
einer gemeinsamen Isonzo offen si ve .ausgesprochen (S. 16). Seiner Über-
zeugung nach war durch einen solchen Angriff die gegnerische Phalanx
an ihrer empfindlichsten Stelle zu treffen. Der britische Premier hatte
von der militärischen Widerstandskraft des Donaureiches eine sehr
geringe Meinung, die vielfach auf falschen Voraussetzungen fußte, so
auf der Ansicht, daß die italienische Infanterie der gegnerischen mora-
lisch überlegen, die italienische Artillerie jedoch der des Gegners zahlen-
mäßig unterlegen gewesen sei1). Begreiflicherweise nahm der italienische
Generalstabschef die Aufmerksamkeit, die Lloyd-George der Isonzo-
front zuwandte, dankbar zur Kenntnis. Doch dachte er, wenn er in
jenen Wochen von einer Ententehilfe für das venezianische Kriegs-
theater hörte, weit mehr als an einen Angriff an die Abwehr einer von
den Mittelmächten gemeinsam unternommenen Offensive, die er da-
mals für sehr wahrscheinlich hielt. Die ganze Frage kam jedoch fürs
erste über ein Studium am grünen Tisch nicht hinaus, da die franzö-
sischen und die englischen Militärs mit ihrem Plan zu einem großen
Angriff in Frankreich den Sieg davontrugen.
Die Vorbereitungen zu diesem Angriff durchkreuzte Hindenburg
zunächst durch seinen überraschenden Rückzug in die Siegfriedstellung
(S. 120). Drei Wochen später flammte dennoch die Doppelschlacht bei
Arras und in der Champagne auf (S. 121 f.). Inzwischen schwand auch
Cadornas Befürchtung wegen einer gemeinsamen Offensive der Mittel-
mächte gegen das italienische Heer. Dieses trat am 12. Mai, als die
Schlachten im Westen bereits abgeebbt waren, zu seinem zehnten Isonzo-
r) Lloyd'G e o r g e, Mein Anteil am Weltkrieg (in deutscher Sprache, Berlin
1934), II, 182 und 19S.
Lloyd-George für einen gemeinsamen Angriff am Isonzo
425
angriff an. Die Schlacht -endete nach manchen örtlichen Erfolgen mit
dem sieggekrönten Gegenstoß, den die öst.-ung. Truppen am 3., 4. und
7. Juni bei Selo auf dem Karst unternahmen (S. 178 f.).
Unterdessen hatten die schweren Erschütterungen in der franzö-
sischen Armee (S. 232) und die England durch den U-Bootkrieg drohen-
den Gefahren die Aufmerksamkeit des britischen Premiers neuerlich
auf Österreich-Ungarn als Angriffsziel gelenkt. Bestärkt wurde er hierin
einerseits durch die mehrfachen Unterredungen, die er mit dem Prinzen
Sixtus hatte, anderseits durch das Italien und Österreich-Ungarn glei-
cherweise eigene Widerstreben, einander in der Gebietsfrage entgegen-
zukommen. Sir Renne! Rodd, der britische Botschafter in Rom, hatte
im April an seinen Regierungschef geschrieben, daß Österreich-Ungarn
nicht gewillt sei, an Italien Landbesitz abzutreten; nach einer gemein-
samen Offensive der Entente gegen das Donaureich werde dieses wohl
eher zu Abtretungen geneigt sein, womit die Vorbedingungen für einen
Sonderfrieden geschaffen wären. Lloyd-George stimmte diesen Ge-
dankengängen zu; er sagte sich, ein Ausspringen Österreich-Ungarns
würde auich die Türkei und Bulgarien zu gleichem Tun nötigen, worauf
Deutschland in völliger Vereinsamung geschlagen werden könnte1).
Der britische Generalstabschef Robertson und der Feldmarschall
Haig, seit dem Jahreswechsel Befehlshaber der englischen Streitkräfte
in Frankreich, hatten ihren Blick jedoch seit längerem wie gebannt auf
die deutschen Stellungen bei Ypern gerichtet, weil diese den entschei-
dend wichtigen U-Boothafen von Zebrügge deckten; die Entscheidung
lag nach ihrer Ansicht in dieser Richtung. Für die französische Kriegs-
leitung bestand begreiflicherweise kein Anlaß, sich diesen englischen
Plänen zu widersetzen, deren Ausführung ja doch die durch die innere
Heereskrise noch mitgenommenen französischen Fronten unmittelbarer
entlasten würde, als ein gemeinsamer Angriff am Isonzo. Dem blutigen
Ringen der Flandernschlacht ging am 7. Juni die Sprengung des
Wytscha etebogens durch die Engländer voraus, bei der die Deutschen
empfindliche Verluste an Mann und Gerät erlitten.
Nebenbei verschloß sich jedoch Foch, wie sich bei der Besprechung
mit Gen. Robertson, anfangs Juni 1917, erwies2), keineswegs völlig den
!) Robertson, 433 f. — Callwell, Die Tagebücher des Feldmajrschalls
Sir Henry Wilson (in deutscher Sprache, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1930), 221. —
Churchill, II, 49 ff.
2) Foch, Mémoires pour servir à l'histoire de la guerre de 1914—1918
(Paris 1931), II, XXIX ff.
426 Das militärpolitische Weltbild im Frühjahr und im Sommer 1917
Erwägungen des britischen Regierungschefs in bezug auf die italienische
Front; Italien könne, wenn man ihm mit schwerem Geschütz und ent-
sprechenden Munitionsmengen beispränge, sehr wohl in der Lage sein,
gemeinsam mit dem damals zu seinem letzten Angriff rüstenden Ruß-
land das kriegsmüde Donaureich zum Verlassen des Bündnisses zwingen.
In der Tat hatte sich Cadorna noch vor der zehnten Isonzo-
schlacht mehrmals an die beiden Westmächte mit der Bitte um schweres
Geschütz gewendet. Er verlangte mindestens hundert Rohre mit ent-
sprechender Munition. Am 16. Juli schrieb er an Foch, daß sein Heer
wegen der eingetretenen Munitionskrise kaum befähigt sein werde, vor
Ende August den Angriff wieder aufzunehmen. Foch gab der Meinung
Ausdruck, das Eisen in Italien so lange zu schmieden, als es warm
sei1) — zumal sich immer wieder zeige, daß Österreich-Ungarn einem
Sonderfrieden nicht abgeneigt sei. Pétain ließ einige Batterien nach
Venetien abgehen.
Wenige Tage später aber fuhr das Vergeltungsschwert der Ver-
bündeten bei Zloczów in die mühsam aufgepeitschten Sturmsäulen der
Russen hinein, und wieder einige Tage darauf hatte Foch den Eindruck,
daß der Russe nun nicht mehr als kampffähiger Bundesgenosse in Be-
tracht kommen könne. Als sich am 24. Juli die Staatsmänner der Alliier-
ten neuerlich in Paris zu einer Beratung zusammenfanden, vertrat Foch
die Auffassung, daß es nun an der Zeit sei, alle an den anderen Fronten
irgendwie entbehrlichen Kräfte zur Abwehr in Frankreich zu versammeln
und sie dort festzuhalten, bis der Amerikaner kommen würde. Der be-
wegliche Waliser Lloyd-George hingegen vermochte den Zusammen-
bruch Rußlands noch nicht als vollendete Tatsache anzuerkennen, kam
aber gleichzeitig wieder auf seine Lieblingsidee zurück, sich mit ver-
einten Kräften auf Österreich-Ungarn zu stürzen und durch dessen Be-
zwingung den etwaigen Ausfall Rußlands wettzumachen.
Gen. Cadorna griff die Anregung des britischen Ministerpräsiden-
ten gerne auf, unterstrich die mannigfaltigen Möglichkeiten, die sich
für die Alliierten aus einem gemeinsamen Isonzoangriff ergäben, und
forderte für einen solchen, wenn er kriegsentscheidend wirken solle,
eine Verstärkung durch 10 Infanteriedivisionen und 400 Geschütze2).
Robertson stimmte nun wohl grundsätzlich zu, jedoch erst für die Zeit
Lloyd-George, 557 f.
2) Alberti, 81 ff. — Lloyd-George, 558. — Cadorna berichtet in
„La guerra", Neudruck 1934, 386, die Alliierten hätten von ihm bei diesen Bespre-
chungen je eine Offensive im August und im Oktober gefordert.
Italien bleibt vorläufig sich selbst überlassen
427
nach der unmittelbar bevorstehenden Flandernoffensive, deren Ausklang
seiner Ansicht nach nicht vor Ende November zu erwarten war. Sonnino
berichtete über das unmittelbare Bevorstehen einer neuen Isonzooffen-
sive, die jedoch wegen des Mangels an Kampfmitteln nicht entscheidend
sein werde. Lloyd-George sprach sich neuerlich für den Einsatz briti-
scher und französischer Streitkräfte inVenetien aus. Gen. nob. Albricci
als Vertreter Cadornas erklärte, daß als äußerste Frist für eine solche
gemeinsame Offensive auf dem italienischen Kriegstheater nur die letzten
Augusttage in Betracht kämen. Wäre diese Offensive bis dahin nicht
durchzuführen, dann müsse man sich bis Mitte Mai 1918 bescheiden.
Die Regierungschefs luden die Generalstäbe ein, die Vorbereitungen
für einen Frühjahrsangriff in Venetien zu treffen. Foch und Robertson
beschlossen die Beistellung von je fünf Divisionen und 200 Geschützen
durch jedes der beiden Heere. In einem Schreiben vom 21. August, als
die Italiener bereits zum elften Male die Isonzofront berannten, kam
Foch dem Gen. Cadorna gegenüber auf diese Abmachung zurück, wo-
bei er betonte, daß die beiden Italien zugedachten Armeen der Alliierten
unter den Oberbefehl der italienischen Heeresleitung treten würden.
Mit diesen Zusicherungen stellten die Westmächte ihrem italieni-
schen Bundesgenossen einen Wechsel auf die Zukunft aus, der aller-
dings ganz anders, als geplant, eingelöst werden sollte.
Inzwischen hatte in den blutgetränkten Ebenen Flanderns „die
hunderttägige Schlacht" begonnen, deren Schrecken und Leiden die von
Verdun und der Somme noch überbieten sollten. Eingeleitet wurde sie
am 22. Juli durch ununterbrochenes Feuer aus 2300 Geschützen, das
sich am 31. früh zu erdbebenartiger Kraft steigerte. Dann brachen
um 6h50 auf einer 40 Kilometer breiten Front beiderseits von Ypern
von zwei britischen und einer französischen Armee zunächst 15 Divisio-
nen (14 britische, 1 französische) gegen drei deutsche Korps vor. Nach
drei Tagen waren an einigen Stellen die Verteidiger etwas zurück-
gedrängt, dann war die Wucht des Ansturmes gebrochen. Nachdem am
15. an einem anderen Teile der Front, bei Arras, vier kanadischen Di-
visionen ein kleiner Einbruch gelungen war, folgten am 16. und am
22. August neue Großkampftage in Flandern1). Aber deutsche Tapfer-
keit und das neue Abwehr ver fahr en versagten auch diesmal nicht. Als
Ende August die erste Phase der Flandernschlacht ihrem Ende ent-
gegenging, hatten die Engländer auf 20 km Frontbreite unter gewal-
tigsten Opfern einen Raumgewinn von anderthalb Wegstunden erzielt.
*) Mont gelas in der Propyläen-Weltgeschichte, X (Berlin 1933), 427 f.
428 Das militärpolitische Weltbild im Frühjahr und im Sommer 1917
Fern von dieser Walstatt war am 20. August an der Nordfront von
Verdun auf Zuruf der Alliierten auch der französische Poilu nach
langem Stilliegen wieder aus seinem Graben vorgestürmt. Er drückte
nördlich der Feste auf beiden Maasufern die deutschen Stellungen
um 2 bis 4 km zurück. Die Bedeutung dieses Ereignisses war nicht in
diesem örtlichen Erfolg zu suchen, sondern darin, daß es die Wieder-
genesung des französischen Heeres nach den schweren Fiebern des
Spätfrühlings verriet.
Zugleich mit diesen Kämpfen hatte England mit größter Tatkraft
seine Gegenzüge wider den uneingeschränkten UTBootkrieg aufgenom-
men. Allenthalben wurden scharfe Maßnahmen ergriffen: Rationierung,
Einfuhrverbot für alle entbehrlichen Dinge, Beschlagnahme neutralen
Schiffsraumes, der mit der Zeit bis zur Hälfte britischen Bedürfnissen
dienstbar gemacht wurde, Bau von Holzschiffen, gründliche Umstellung
der landwirtschaftlichen und bergbaulichen Erzeugung, eifrigster Aus-
bau der U-Bootwehr mit technischen Mitteln aller Art. Zudem sprangen
die Vereinigten Staaten sofort helfend bei, indem sie vom Juni an alles
überschüssige Getreide nach England führten und zugleich auch ihrer-
seits den Bau von Holzschiffen in größtem Umfange betrieben.
Des weiteren kamen die Alliierten überein, bis zum Eingreifen der
Amerikaner die Erzeugung von schwerem Geschütz, Giftgranaten,
Flugzeugen und Kampfwagen in ihren Rüstwerkstätten auf ein Höchst-
maß zu steigern. Wenn es je in den letzten Monaten Augenblicke wirk-
lichen Kleinmutes gegeben hatte — sie waren nun, nicht zuletzt dank
der zähen Entschlossenheit von Männern wie Ribot, Painlevé, Foch und
Pétain in Frankreich, wie Lloyd-George und Robertson in England,
überwunden. Allerdings darf man eins nicht vergessen: während etwa
der deutsche Gelehrte dem deutschen Soldaten mit dem Bleistifte in
der Hand vorrechnete, daß er auch in den Tümpeln, Überschwem-
mungsfeldern und wassergefüllten Trichtern Flanderns nur einer ge-
wissen Menge von Kalorien an Nahrungszufuhr bedürfe und nicht
um eine mehr, zogen Engländer und Franzosen, und auch die Italiener
am Isonzo, immer wieder reich gesättigt und aufs beste bekleidet
in die Schlacht. Sie lebten im Vergleich zu den Streitern des Vierbundes
noch immer im Überfluß. Der von der Entente immer heftiger betrie-
bene Ideenkrieg änderte nichts an der Tatsache, daß das Ringen um
den Sieg aus dem Reiche des Geistigen und Ethischen immer mehr in
die Ebene des Materiellen herabsank.
DER HOCHSOMMER 1917
AN DER SÜDWESTFRONT
Die elfte Isonzoschlacht
Die Vorboten des neuen Ringens
Hiezu Beilage 19
Der Angriffsplan der Italiener
Die Ablehnung der Alliierten, Heereskörper zur Verstärkung bei-
zustellen, nötigten die italienische Heeresleitung, im August 1917 den
blutigen Strauß am Isonzo noch einmal allein aufzunehmen. Das zahlen-
mäßige Verhältnis war für den Angreifer noch immer recht günstig,
zumal er in der Kampfpause sechs neue Infanteriedivisionen (Nr. 64—
69) und zahlreiche schwere Batterien mit viel Munition einzustellen
vermochte.
Für den neuen Angriff gab die italienische Heeresleitung keine aus-
führlichen schriftlichen Weisungen aus, wie etwa für die zehnte Isonzo-
schlacht, die nur hemmend gewirkt hatten und alsbald abgeändert
werden mußten. Gen. Cadorna beschränkte sich diesmal auf allgemeine
Richtlinien. Die künftige Kriegshandlung sollte von der 2. und der
3. Armee gleichzeitig durchgeführt werden. Die 3. Armee behielt als
Ziel die Eroberung des Karstlandes von Comen. Die 2. Armee hatte
die Hochfläche von Terno va zu gewinnen und sich zur Erleichterung die-
ser Aufgabe vorerst der Hochfläche von Bainsizza zu bemächtigen.
Gegen den Brückenkopf von Tolmein konnten Ablenkungsangriffe ge-
führt werden. Im übrigen wurde den Unterführern freie Hand gelassen.
Zum Unterschied von der während der zehnten Schlacht von der Hee-
resleitung gehegten Befürchtung, daß ein Stillstand der Mitte im Görzer
Becken die Einheitlichkeit der Kriegshandlung gefährde, war nunmehr
ausdrücklich vorgesehen, daß im Abschnitt zwischen der Wippach und
Salcano zunächst kein entscheidender Angriff geführt werde.
Die Richtlinien der Heeresleitung, die offenbar ein Eingehen auf die
Anschauungen des Führers der 2. Armee, des Gen. Capello, zeigen, wur-
den durch diesen General recht willkürlich aufgefaßt und abgeändert.
Seine Blicke richteten sich gegen den Brückenkopf von Tolmein, den
zu erobern er sich als ,,Hauptziel" vornahm. Auf diese Weise erweiterte
432
Der Hochsommer 1917 an der Süd Westfront
sich das Angriffsfeld wieder um ein gutes Stück gegen Norden. Ende
Juli gab Gen. Capello die genauen Weisungen für die Vorbereitung zur
Durchführung des Angriffes der 2. Armee. Die Anordnungen der S.Ar-
mee waren nicht viel verschieden von denen für die zehnte Schlacht
und können hier übergangen werden. An den Befehlen des Gen. Capello
ist bemerkenswert, daß der Hauptangriff von den Korps II, XXIV und
XXVII „mit von Süden gegen Norden anwachsender Kraft durchzu-
führen war". Das auf dem rechten Armeeflügel fechtende VI. Korps
sollte nur zum Scheine bei Grazigna angreifen. Der linke Armeeflügel,
das verstärkte IV. Korps, hatte den Mrzli vrh zu gewinnen und nebenbei
den Gegner vor seiner ganzen Front durch Teilangriffe zu fesseln.
Der Großangriff dieser Armee sollte in drei Phasen vor sich gehen.
In der ersten sollte das XXVII. Korps die Linie St. Luzia—Lom—
Ho je—Levpa erreichen. Das XXIV. und das II. Korps hatten den Höhen-
rand Vrh—Jelenik—Kobilek—Mt. Santo zu gewinnen. In der zweiten
Phase sollten das II. und das XXIV. Korps ostwärts etwa um drei Kilo-
meter fortschreiten, während das XXVII. Korps durch Stirnangriff und
gleichzeitige Umfassung von Süden her den Brückenkopf von Tolmein
zu erobern hatte. Zur Erreichung dieses Zieles sollte auch das IV. Korps
beitragen, indem es sich vom Mrzli vrh her auf der Kammlinie gegen
Süden auszubreiten hatte, während frische Kräfte, die Gen. Capello
zwischen dem IV. und dem XXVII. Korps einzufügen gedachte, den
Schloßberg erobern und in das Becken von Tolmein einbrechen sollten.
An der zweiten Phase hatte auch das VI. Korps teilzunehmen, dem ein
mit aller Entschiedenheit gegen den Mt. S. Gabriele auszuführender An-
griff zugedacht war.
Bemerkenswert ist, daß das ursprünglich von der Heeresleitung der
2, Armee vorgeschriebene Hauptziel, die Eroberung der Hochfläche von
Ternova, in den Anordnungen des Gen. Capello erst ganz zum Schlüsse
vorkam. Es hieß hier: „Nach dem Erreichen der angegebenen Objekte
wird die vollständige Beherrschung der Niederung Idria—Chiapovano
und die Eroberung der Hochfläche von Ternova angestrebt werden"1).
Der Armeeführer bemerkte noch, daß die Kampfleitung nicht im ange-
gebenen Rahmen erstarren, sondern sich vielmehr der jeweiligen Lage
anpassen werde, um jeden Erfolg, wo immer sich ein solcher einstelle,
durch raschen Einsatz frischer Kräfte auszuwerten. Dieser Absicht ent-
sprechend wurden die Reserven, insbesondere mehrere bewegliche Artil-
leriegruppen, bereitgestellt.
!) Capello, II, 100 f.
Kräfte auf gebot der Italiener
433
Anfänglich hatte die Heeresleitung die Bereitstellung von 46 Divi-
sionen, vermehrt um 1700 mittlere und schwere Geschütze, für die
Schlacht vorgesehen. Von diesen Kräften sollten der 3. Armee 20Divi-
sionen und 700 Geschütze, der 2. Armee 18 Divisionen und 850 Geschütze
zugewiesen werden. Die Mitte bei Görz wurde mit 4 Divisionen und
150 mittleren und schweren Geschützen bedacht; weitere 4 Divisionen
sollten die Heeresreserve bilden. Alsbald entschloß sich die Heeres-
leitung, den Krafteinsatz an der Julischen Front auf das Höchstmaß zu
steigern, indem sie 51 Divisionen (das heißt 600 von den verfügbaren
887 Bataillonen), dazu 2400 mittlere und schwere Geschütze, sowie
1700 Minen wer fer bereitstellte. Die 1200 Feld- und Gebirgsgeschütze
mi tinbegriffen, stieg darnach die Zahl der schweren Waffen auf
5200 Rohre. Ferner standen zweieinhalb Kavallerie di visionen zur Ver-
fügung.
Maßnahmen der öst.-ung. Führung
An der Isonzofront war die während der zehnten Schlacht herr-
schende Hochspannung nach dem Abflauen der Kämpfe nur langsam
gewichen. Die Wucht des feindlichen Ansturmes war so eindrucksvoll
gewesen, daß die Verteidiger die lähmende Wirkung, die ihr an der
Adriaküste geführter Gegenstoß auf den Feind übte, nicht zu erkennen
vermochten1). Man hielt sogar eine baldige Erneuerung des italienischen
Großangriffes für wahrscheinlich.
Der anschließenden Offensive der Italiener in Südtirol (Ortigara)
maß man keine besondere Bedeutung zu. Die Isonzofront wurde nach
wie vor als das Hauptangriffsziel des Feindes angesehen, und seine vor-
übergehende Abkehr von dieser Front war sogar willkommen. Hier galt
es nunmehr, die Tage der Ruhe bestens zu nützen, um das Kampffeld
möglichst zu befestigen, die zerschlagenen Schanzen wieder instand zu
setzen und neue Anlagen zu schaffen. Die Tatsache, daß die Italiener in
der zehnten Schlacht den Angriffsraum nordwärts bis Canale erweitert
hatten, zwang dazu, diesem Räume erhöhte Bedeutung beizumessen. Bis-
her war dieses die Hochfläche von Bainsizza—Heiligengeist und Bate
umfassende Gebiet nur dürftig bedacht gewesen. Um so nachdrücklicher
*■) Gen. Capello schreibt in Note di Guerra, II, 63 : „Es war für uns ein
Glück, daß der Gegner sich mit der Wiederbesetzung der verlorenen Stellungen be-
gnügte. Wenn der Angriff weiter fortgeführt worden wäre, hätten die Österreicher
gewiß den Isonzo erreicht!"
VI
28
434
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
wurde daher jetzt die beschleunigte Ausgestaltung gefordert. Die Öde
dieses Karstlandes, die Wegarmut und der Wassermangel bereiteten
ernste Sorgen. Gewaltige Schwierigkeiten mußten überwunden werden,
um den jetzt bedeutend vermehrten Truppen auch nur den bloßen Auf-
enthalt in diesem entlegenen Gebiet zu ermöglichen. Hervorgehoben sei
der Bau einer neuen Verbindungsstraße von der Bahnstation Grahova
über Bukovo nach Reka zu der im Idriatal laufenden Straße und von
Tribusa nach dem Orte Chiapovano.
Hier waren überdies die Verteidigungsanlagen sehr mangelhaft.
Namentlich die Stellung zwischen Désela und Vodice, die erst während
der zehnten Schlacht besetzt worden war, mußte von Grund auf neu ge-
baut werden, und zwar im Angesicht des Feindes, der vomKukrücken
und von der Höhe -c¡>- 652 das Gelände überblickte. Begreiflich ist es,
daß die Frage erwogen wurde, diese Höhen den Italienern wieder zu
entreißen. Die Heeresleitung forderte hierüber Aufklärung; GO. Boroe-
vic riet aber in einem am 16. Juni erstatteten ausführlichen Bericht
von einem solchen Unternehmen ab. Hiezu würden mindestens zwei
frische Divisionen und eine ansehnliche Artillerieverstärkung notwendig
sein. Diese Kräfte könne er in eigenem Wirkungskreis nicht freimachen.
Nach der allgemeinen Lage sei mit baldigen neuen Angriffen des Fein-
des zu rechnen; denn er träfe unausgesetzt Vorbereitungen zur Fort-
setzung der Offensive. Vielleicht handle es sich nur mehr um Tage, bis
der Kampf wieder losbräche. Die Isonzoarmee müsse daher ohne
Unterbrechung zur Abwehr bereit sein, um sich keinen unliebsamen
Überraschungen auszusetzen.
Der Armeeführer gab bei diesem Anlasse seiner Meinung über die
mögliche Entwicklung eines neuen feindlichen Angriffes Ausdruck.
Der Italiener beabsichtige nach wie vor die Eroberung der Stadt Triest.
Dieses Bestreben mochte auch das nächstemal nicht auf den kürzesten
Weg über die Hermada und Comen beschränkt bleiben. Ablenkungsvor-
stöße seien wieder gegen den Abschnitt Désela—Mt. Santo, eventuell
auch noch weiter nördlich gegen den Raum Krn—Tolmein zu gewärtigen.
Diesem Gesichtspunkte entsprechend habe er seine Kräfte gruppiert.
„Diese Kräfte lassen das weitere Durchhalten erhoffen; sie befähigen
aber angesichts der feindlichen Übermacht keineswegs zu initiativen
Handlungen größeren Stils."
Aus diesen Ausführungen erhellt mit aller Deutlichkeit, daß der
Führer der Isonzoarmee sich in die seit zwei Jahren geübte abwartende
Rolle des Verteidigers tief eingelebt hatte, und daß er aus verschiedenen
Rückverlegung von Kräften aus Tirol an den Isonzo
435
Gründen der Kunst des Manövers abhold war1). So war denn auch ein von
den Führern auf der Karsthochfläche schon vor Beginn der zehnten
Schlacht in Erwägung gezogener Plan zu einem „Hieb aus der Parade",
zu einem sofortigen Gegenstoß nach der ersten Abwehr des feindlichen
Angriffes, vom Armeeführer rundweg abgelehnt worden. Dieser Ein-
stellung entsprechend, hatte GO. Boroevic auch gezögert, die Einwilli-
gung zu dem dann am 4. Juni ,angefochtenen Gegenangriff an der Küste
zu geben. Die andauernde Sorge, eintretende Verluste nicht ersetzen
zu können, legte allerdings der Führung Zurückhaltung auf. Beim Ver-
gleich der beiderseitigen Kräfte zeigte es sich, daß das Verhältnis der
eigenen Kräfte zu jenen des Feindes mindestens wie eins zu zwei blieb,
obgleich die Italiener in der zehnten Schlacht erwiesenermaßen bedeu-
tend größere Verluste erlitten hatten als die Isonzoarmee. Während aber
italienische Brigaden, die als zerschlagen galten, sehr bald wieder mit
vollen Ständen an der Front auftauchten, war das Wiederherstellen der
eigenen Verbände schwierig. Das Sammelbecken der Marschformationen
mußte fast ganz ausgeschöpft werden, und der Zufluß neuer Ersatz-
mannschaft blieb gering. Die Heeresleitung vermochte den Bitten um
sogenannte „außertourliche Marschformationen" kaum zu entsprechen.
Im Laufe des Juni wurden drei abgekämpfte Divisionen, die 7.,
die 16. und die 62. ID., nach dem Osten abbefördert, Während der
zehnten Schlacht waren die 24. und die 35. ID. sowie drei einzelne
Infanterieregimenter, nach ihnen auch die 12. ID. und die 21. SchD. ein-
getroffen. Einige Einheiten mußten im Juni nach Tirol abgesendet
werden. Am l.Juli wies dann die Isonzoarmee nur um eine Division
mehr auf als zu Beginn der zehnten Schlacht. Ihre Gliederung und ihre
Gefechtsstärke Mitte August sind der Beilage 19 zu entnehmen.
Die Juliereignisse in Galizien machten es der Heeresleitung unmög-
lich, Kräfte aus dem Osten an den Isonzo zu verlegen. Da war es nun
Aufgabe des Kommandanten der Südwestfront, FM. Erzherzog Eugen,
bei sorgfältiger Prüfung der Lage und der Maßnahmen des Feindes,
den Bedarf an Abwehrkräften für Tirol sowie für den Isonzo abzu-
wägen. Die Ortigaraschlacht hatte ihn veranlaßt, das 73. IDKommando
mit der 2. GbBrig. (Bataillone IV/20, 1/21, 1/90, FJB. 12 und bh. FJB. 8)
von Laibach nach Tirol zu verlegen. Am 13. Juli wurden diese Einheiten
zurückbeordert und dadurch die 73. ID. als Reserve der Südwestfront
bei Laibach wieder vereinigt. In dem Maße wie dann die Wahrschein-
!) Vgl. Glaise-Horstenau, Svetozar Boroevic von Bojna (Neue öster-
reichische Biographie, I, Wien 1923, 109 ff.).
436
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfroat
lichkeit eines neuerlichen Vorhabens der Italiener gegen Tirol geringer
wurde, hingegen ihre Drohung am Isonzo wuchs, verfügte Erzherzog
Eugen die Überführung von Kräften von jener zu dieser Front.
Noch Mitte Juli mußte die Heeresgruppe FM. Conrad sechs Bat-
terien und abermals sechs Bataillone (IR. 57 und SchR. 36) abgeben.
Schließlich sollte sie „alle halbwegs entbehrlichen Kräfte für eine Ab-
beförderung bereitstellen, da der Beginn einer neuen Isonzoschlacht
in der letzten Ju,liwoche erwartet" werde. FM. Conrad stellte weitere
drei Bataillone (11/51, III/57 und FJB. 23) sowie drei Batterien zur
Verfügung. Zugleich sah er sich aber veranlaßt, seinem Bedenken gegen
eine weitere Schwächung der Tiroler Front Ausdruck zu geben, denn
die ganze Heeresgruppe stelle „nur mehr einen dünnen Schleier vor,
den der Gegner durch lokale Truppenkonzentrierungen überall, wo es
ihm beliebt, zerreißen kann". Auch die 10. Armee in Kärnten erhielt
am 20. Juli den Befehl, „vorläufig" zwei Bataillone (V/47 und Vl/bh,. 4)
an der Bahn bereitzuhalten.
Nicht nur einlaufende Nachrichten über den Feind, sondern auch
seine im Juli zunehmende Rührigkeit am Isonzo mußten als Vorzeichen
einer neuen Schlacht gewertet werden. Derartige Merkmale waren das
Auftauchen neuer Batterien, die lebhaftere Tätigkeit seiner Flieger
und örtliche Vorstöße von Sturmabteilungen. Unter diesen sei nur ein
Gefecht erwähnt, das sich am 16. Juli im Morgengrauen bei Ver sie
(2^/2 km südwestlich von Kostanjevica) entspann. Die Italiener bemäch-
tigten sich eines Teiles der Stellung der 12. ID., wurden aber im Laufe
des Tages hinausgeworfen.
Der für Ende Juli erwartete italienische Großangriff blieb aber aus.
In der ersten Augustwoche gab es an der ganzen Südwestfront kein
nennenswertes Ereignis. Es fiel jedoch auf, daß die Italiener an ver-
schiedenen Orten der Tiroler Front vorspringende Stellungsteile räumten,
so in den Fassaner Alpen und in der Vallarsa, und zugleich, offen-
bar um das Abziehen von Kräften zu verschleiern, an anderen Orten
kleine Unternehmungen durchführten. Am 7. August war Erzherzog
Eugen der Auffassung, daß die elfte Isonzoschlacht nahe bevorstehe,
und befahl dem FM. Conrad, außer den zuletzt bereitgestellten drei
Bataillonen noch weitere vier zur Verfügung zu halten. Die 10. Armee
mochte hingegen ihre Bataillone behalten, da jetzt die Meinung aufkam,
der Feind könne auch an der Kärntner Front offensiv werden. Wieder
verging eine Woche voll spannender Erwartung. Vom 14. August an
nahm die Tätigkeit der italienischen Artillerie außerordentlich zu. Mit
S
Anzeichen für den Beginn der elften Schlacht 437
Hilfe von Fliegerbeobachtern beschossen weittragende Batterien die
Auf Stellung spi ätze der Reserven, die Anmarschwege und die Standorte
der höheren Führer. Das Kommando des XXIV. Korps, das schon am
11. August Ziel eines schweren Fliegerbombenangriffes gewesen war,
übersiedelte von Chiapovano nach Lok ve. Ein großes Munitionslager
bei Grapa südöstlich von Tolmein wurde getroffen und flog in die Luft.
Das XV. Korpskmdo., das zunächst noch bei Podmelec ausharrte, sah
sich schließlich genötigt, ebenfalls den Standort zu wechseln und ging
nach Hudajuzna, um nicht vollkommen ausige schaltet zu werden.
In diesen Tagen höchster Spannung fand ein Vorfall zunächst
wenig Beachtung, der sich auf dem äußersten Nordflügel der Armee
ereignete, und der wegen der staunenswerten Kühnheit der daran Be-
teiligten hervorgehoben zu werden vierdient. Schon Wochen vorher
hatte die Besatzung des Krn die Vermutung ¡ausgesprochen, daß die
Italiener unter der Erde einen Stollen vortrieben. Ein zur Feststellung
berufener Sappeuroberleutnant erkannte die große Gefahr, in der die
Besatzung schwebte und ging sofort ans Werk, um mit seinen 30 Sap-
peuren dem Feind entgegenzuarbeiten. Mitte August stieß die unter
größter Lebensgefahr im Felsen bohrende Schar richtig auf die schon
zur Sprengung vorbereitete Mine. Sie wurde knapp vor der Zündung
unwirksam gemacht; die maßlos erstaunten italienischen Mineure wur-
den aus den Stollengängen verjagt1). Durch die tollkühne Tat wurde
nicht allein die Besatzung des Krn vor namenlosem Unheil bewahrt,
sondern auch der Feind derart überrascht, daß er von einem offenbar
als Auftakt zur elften Isonzos,chlacht beabsichtigten Sturm gegen die
bezeichnete, bedeutsame Bergstellung absah2).
Um die Mitte August stieg die Zahl der italienischen Überläufer
von Tag zu Tag. Mit dem Ruf: „Auf nach Mauthausen!"3) kamen
mancherorts ganze Trupps herüber. Das war ein sicheres Zeichen, daß
der Großangriff unmittelbar bevorstehe. Es zeigte sich aber zugleich,
daß der Geist bei den italienischen Truppen gelitten hatte. Die An-
gaben der Gefangenen und das Verhalten der Artillerie ließen den Be-
ginn des Angriffes für den 18. August fast mit Sicherheit voraussagen.
1) Wolf-Schneider v. Arno, Der Minenkampf am Krn 1917 (Mil. wiss.
Mitfc., Wien, Jhrg. 1936, 1 ff.).
2) Oberleutnant i. d. R. Gjuro Hoffmann des SB. 13 wurde in Würdigung dieser
tollkühnen Tat mit dem Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens ausgezeichnet.
3) In Mauthausen befand sich ein vornehmlich für Italiener bestimmtes Kriegs-
gefangenenlager.
■
438
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
Der erste Ansturm der Italiener
(18. bis 21. August)
Hiezu Beilagen 19 und 2 0
In der Tat begann am 18. August die italienische Artillerie, ihr
Zerstörungsfeuer auf die ganze Front der Isonzoarmee, von der Küste
nordwärts bis zum Mrzlivrh, zu legen. Hinter den unter dem Eisen-
hagel zerfallenden Brustwehren harrte die Infanterie in den Unterstän-
den Stunde um Stunde. Heiß brannte die Augustsonne über das öde
Land. Der Abend brachte Abkühlung, aber weiter rollte der Donner
der Geschütze. Als nach einer grauenvollen Nacht der neue Tag an-
brach, liefen beim Armeekommando von allen Teilen der Front Mel-
dungen ein, die italienische Infanterie schreite zum Angriff. Selbst auf
dem nördlichsten Armeeflügel, der in den früheren Schlachten unbe-
rührt geblieben war, entspannen sich lebhafte Kämpfe. Hier griff die
italienische 46. ID. die Stellungen auf dem Mrzlivrh an, die von der
3. GbBrig. hartnäckig und schließlich mit vollem Erfolg verteidigt wur-
den. Vor dem Brückenkopf von Tolmein, den die Mitte des XV. Korps
hielt, führte die italienische 19. ID. Scheinangriffe, die sehr rasch auch
als solche gewertet wurden und keinen sonderlichen Eindruck übten.
Um so ernster gestaltete sich der Ansturm des Feindes gegen den
linken Flügel des genannten Korps und insbesondere gegen den rechten
Flügel des XXIV. Korps.
Wie bereits ausgeführt, hatte Gen. Capello, der Führer der italie-
nischen 2. Armee, das Schwergewicht seiner gewaltigen Übermacht, zu-
nächst fünf Divisionen, gerade auf jenen Raum gelegt, wo er den
schwächsten Widerstand erwarten konnte, auf den Isonzoabschnitt zwi-
schen Selo und Désela (S. 432). Hier standen die 22. LstGbBrig. der l.ID.
und, flußaufwärts von Loga, die 21. SchD. in sehr schütterer Aufstellung.
Dank einer sehr gründlichen Vorbereitung vermochten die Italiener
den Isonzo, der als beachtenswertes Hindernis der Stellung des Ver-
teidigers vorlag, im Schutze der Nacht und bei reicher Verwendung
von künstlichem Nebel zu überschreiten. Sie schufen nach verhältnis-
mäßig rascher Überwältigung der Uferposten alsbald eine für die
Verteidiger ernste Lage. Cadorna bezeichnete diese Flußbezwingung als
eine der „glänzendsten Leistungen, die vom Gen. Capello klug vor-
Die Italiener überschreiten bei Canale den Isonzo
439
bereitet und von den Truppen heldenhaft durchgeführt worden sei"1).
In der Tat war die Vorbereitung sehr gründlich gewesen. Auf der zum
Übergang gewählten, rund 12 km langen Flußstrecke war der Einbau
von nicht weniger als elf Brücken und drei Stegen vorgesehen worden.
Zum Heranführen des Gerätes waren neue Straßen vom Kolovrat-
rücken hinab ins Tal angelegt und besondere, gummibereifte Fuhrwerke-
angeschafft worden. Gen. Caviglia, der Führer des italienischen XXIV.
Korps, berichtet ferner, daß er mehr als eine Woche damit verbracht
habe, die Einzelheiten der Wehranlagen des Gegners zu ermitteln, wobei
ihm ein aus den österreichischen Stellungen bei Canale herübergekom-
mener Überläufer tschechischer Nationalität, der sich fälschlich als
Hauptmann ausgab, begleitete und wertvolle Angaben machte2).
Trotz alledem gelang das großangelegte Unternehmen nicht in
vollem Umfange. Im Angriffsabschnitt Selo—Ronzina des XXVII.
Korps, das die 22. ID. und sechs Alpinibataillone über den Isonzo wer-
fen sollte, konnten nur zwei Brücken und ein Steg errichtet werden.
Der Versuch, drei weitere Brücken einzubauen, scheiterte an der Wach-
samkeit der Verteidiger. Aber auch die bei Doblar geschaffeneil Über-
gänge standen bald unter lebhaftem Geschützfeuer, wodurch Stauungen
entstanden. Die ganze Anlage des Unternehmens war von Haus aus
vornehmlich durch das Scheitern des Brückenbaues bei Javor erheblich
gestört. Man suchte Auswege, wollte die Kolonnen umlenken. Die
Befehlgebung versagte, die Truppen kamen von ihrem Ziele ab. Es
entstand eine völlige Wirrnis. Und die zwei schwachen ungarischen
Landsturmbataillone V/4 und IX/19 der 22. LstGbBrig., die die 6 km
lange Ufer strecke bewachten, kämpften trotz des schauerlichen Eisen-
hagels, der auf sie niederschmetterte, am Abend zum Teil noch in
den vordersten Gräben, zum Teil auf den nahen Uferhöhen. Der Kom-
mandant des XV. Korps, FML. Scotti, ließ wegen der Bedrohung des
linken Flügels das SchR. 37 aus dem Idriatal auf die Hochfläche von
Lom aufsteigen. Es war ein Glück für den Feind, daß dieses Regiment
nicht gleich zur Stelle war. „Ein sofortiger Gegenangriff hätte die Ita-
liener gewiß über den Fluß zurückgejagt3)."
Weniger Reibungen gab es beim Übergang des italienischen XXIV.
Korps, das zum Flußübergang zwischen Loga und Désela die durch
zwei Alpinibataillone verstärkte 47. Bersaglieridi vision und die 60. ID.
x) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 399.
2) Caviglia, La battaglia della Bainsizza (Milano 1930), 62.
3) P i n c h e 11 i, 230.
440
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
bereitgestellt hatte. In dem genannten, von der 21. SchD. verteidigten
Abschnitt gelang es den Italienern in der Nacht auf den 19. August
vier Brücken und zwei Stege zu schlagen. Allerdings mußte der beab-
sichtigte Bau einer fünften und sechsten Brücke bei Canale und bei
Morsco wegen des gegnerischen Artilleriefeuers unterbleiben. So konn-
ten die Bersaglieri noch vor Tagesanbruch in großer Zahl das linke
Ufer gewinnen und dann die 42. SchBrig. (zunächst das SchR. 28) über-
winden, während die 60. ID. der Italiener an der tapferen Gegenwehr
der 41. SchBrig. abprallte. Die westböhmischen Schützen nahmen hiebei
den bei Krestenica über den Fluß gelangten italienischen Abteilungen
zahlreiche Gefangene und auch Maschinengewehre ab.
Der Kommandant der 21. SchD., GM. Haas, hatte zeitgerecht Ge-
genmaßnahmen eingeleitet. Allein, die zur Wiedergewinnung der Stel-
lungen heranbefohlenen Reserven (SchR. 8) gerieten beim Vorgehen in
ein derartiges Trommelfeuer, daß nur Teile das Hochbecken von Vrh
erreichten. Sie vermochten dort nicht zu verhindern, daß der Feind
den Höhenrand gewann. Wegen der Zerstörung aller Drahtverbindun-
gen war es für die Gefechtsführung schwierig, ein Bild über die Lage
zu gewinnen. Insbesondere konnte man nicht erfahren, wie die Lage
bei Canale sei. In der Tat hielten Teile des 2. Bataillons des SchR. 28
noch bis zum 20. morgens ihre Stellungen und wurden erst überwunden,
als ihnen der Feind von Norden her in den Rücken kam. Den sehr
spärlich einlaufenden Meldungen war am Abend nur zu entnehmen,
daß die Truppen im allgemeinen in der Linie Morsco—Vrh—Höhe
-<¡>- 716 stünden. Daß der von der Höhe Fratta gegen Auzza hin ange-
legte Riegel von einzelnen verwegen tapferen Abteilungen noch ge-
halten wurde, stellte sich erst am nächsten Tage heraus. In der Nacht
traf das IR. 77 der 24. ID., die vom Armeekommando dem Gdl. Lukas
zur Verfügung gestellt worden war, in Humarji ein und gruppierte
seine beiden Bataillone in der Dunkelheit beiderseits der Straße nach Vrh.
Inzwischen hatte die Masse des italienischen Fußvolkes, von zahl-
reichen Kampffliegern begleitet, die 36 km lange geschlossene Front
von Désela abwärts bis zum Meere vergeblich bestürmt. In der Mitte
des XXIV. Korps hielt die 106. LstlD. in den dürftigen und nun völlig
zerschlagenen Schanzen am Östhang des Rohottales stand. Auf dem
linken Flügel des Korps drangen die Italiener auf der Vodicehöhe und
nördlich des Dolsattels in die Stellungen ein. Sie wurden aber durch ent-
schlossene Gegenangriffe der 43. SchD. und der 57. ID. rasch hinaus-
geworfen. Selbst die mit Bomben und Maschinengewehren eingreifenden
Mißlingen der italienischen Angriffe bei Görz
441
Flieger vermochten die Verteidiger nicht einzuschüchtern. Auch alle
folgenden Angriffe des II. und des VI. Korps der Italiener (3., 53., 8., 11.
und 24. ID.) wurden im Räume Vodice—Mt. S. Gabriele in trefflichem
Zusammenwirken von Infanterie und Artillerie abgewiesen.
Weit weniger gefährlich war der Ansturm gegen die festgefügte
Front des XVI. Korps, das, gleichwie in der zehnten Isonzoschlacht, das
Becken von Görz beherrschte. Hier wirkt? der Feind in den ersten
Morgenstunden zuerst durch reiche Verwendung von Gasgeschossen.
Dann folgte ein halbstündiges Trommelfeuer, worauf die Truppen des
italienischen VIII. Korps (7., 10., 48. und 59. ID.) zum Angriff vorbrachen.
Nur an wenigen Stellen gedieh der Kampf bis zum Handgemenge. Zu-
meist gebot ihnen schon die Artillerie ein donnerndes Halt. Im regen
Wechsel zwischen frisch auflebendem Trommelfeuer und neuen Vor-
stößen wurde der Kampf bis zum Abend fortgesetzt, um endlich mit
zunehmender Dunkelheit sein Ende zu finden.
Entschieden und mit voller Wucht griff südlich der Wippach die
Armee Aosta an. Auch hier leiteten die Italiener den Großangriff mit
einer ausgiebigen Vergasung des Anlandes und einem heftigen Trommel-
feuer gegen die ganze Front des Abschnittes III ein. Dieser nunmehr
vom Gdl. Henriquez befehligte Abschnitt stand in ganz ähnlicher
Gruppierung wie in der zehnten Isonzoschlacht zur Abwehr gerüstet.
Beim VII. Korps, FML. Schariczer, befanden sich nach wie vor die
44. SchD. und die 17. ID., ferner an Stelle der 41. HID. die 48. ID. in
der Front. Das XXIII. Korps führte jetzt FML. Csicserics. Die Stellung
dieses Korps war durch Weiterentwicklung und Verbindung der Linie 2a
(Beilage 8) mit einigen Schanzen auf der Fornazzaplatte und zum
sogenannten Versicriegel hergestellt worden. Sie war durchaus nicht so
widerstandsfähig wie die nördlich anschließende alte Stellung, die das
VII. Korps schon seit vielen Monaten besetzt hielt und vortrefflich aus-
gestaltet hatte. Auf dem Südflügel des XXIII. Korps stand die hervor-
ragend bewährte 28. ID., in der Mitte die 35. ID., deren Truppen Ende
Mai und anfangs Juni schon die Härte der Karstkämpfe zu fühlen
bekommen hatten, während der rechte Flügel von der 12. ID. besetzt
war, die auf diesem Kriegsschauplatze noch nicht gekämpft hatte.
Hinter der Front des Abschnittes III standen im Räume S. Daniel—
Sesana—Opcina von den großen Reserven der Armee die 9. und die
73. ID. sowie die 41. HID., während sich die 10. ID. als Reserve des
Kommandos der Südwestfront im Becken von Laibach erholte.
Als nun am 19. früh die italienischen Infanteriemassen (XI., XXV.,
442
Der Hochsommer 1917 an der Süd Westfront
XXIII. und. XIII. Korps mit je drei Divisionen in der Front) xum Sturm
losbrachen, wiesen das VII. Korps und die Mitte und der Südflügel des
XXIII. Korps den ersten Anlauf glatt ab. Bei der 12. ID. gelang es
jedoch dem Feinde, in die Stellung bei Versic einzudringen, wo es zu
schweren, anhaltenden Kämpfen kam. Die Gegenstöße der zunächst be-
findlichen Reserven genügten nicht, um die feindlichen Massen wieder
zurückzuwerfen. Der hierauf eingeleitete Gegenangriff der Divisions-
reserve kam in dem mörderischen, nach hinten verlegten Massenfeuer
des Feindes nicht recht zur Entwicklung. Die Lage dieser Division wurde
daher zusehends schwieriger. Indessen mußten sich auch alle übrigen
Divisionen neuer Angriffe erwehren; denn der Feind hatte den ersten
Mißerfolg rasch überwunden und zu neuen Schlägen ausgeholt. Die
Höhen südlich von Biglia, der Raum um den Fajtihrib und die südlich
hievon gelegenen Höhen -<>- 383 und -<^363 sowie Kostanjevica, wurden
beim VII. Korps Brennpunkte heißer Kämpfe.
Südlich des Brestovicatales rangen die 35. und die 28. ID. mit dem
weit überlegenen Feind. In höchster Erbitterung wogte den ganzen Tag
über der Kampf, in den auch stellenweise Flieger eingriffen. Am hart-
näckigsten wurde um den Besitz der Höhe ~c¡>- 126 südlich von Biglia,
um den Versicriegel und die Flondarstellung gestritten. Wieder hatte
es sich gezeigt, mit welchen Schwierigkeiten die Ausgestaltung einer
allen Anforderungen des moderne^ Abwehrverfahrens entsprechenden
Stellung im felsigen Gelände bei nächster Nähe des Feindes verbunden
ist. Trotz aller während der verflossenen zwei Monate aufgewendeten
Mühen war es nicht gelungen, alle Schwächen des Versicriegels und
der Flondarstellung rechtzeitig zu beheben. Diese Mängel traten nun
scharf zutage; sie kosteten reichlich Blut. Immerhin gelang es schließ-
lich sowohl der 35. wie der 28. ID., sich im allgemeinen in der vor-
dersten Linie zu behaupten, von der nur ein kleiner Stellungsteil
zwischen den beiden Tunnels bei S. Giovanni verlorenging. Hier war
es vor allem die flankierende Wirkung der schweren Geschütze aus
der Gegend der Sdobba, welche die Lage unhaltbar gemacht hatte. Im
Bereiche der 12. ID. endete der Kampf am Abend mit der Behauptung
der Linie 1c auf der Stara lokva.
Selbst vom Meere her hatte der Feind diesmal versucht, wirk-
samer in den Gang der Schlacht einzugreifen. Er hatte seine schweren
Geschütze an der Sdobba und in der Gegend von Monfalcone wesent-
lich vermehrt und hielt damit die linke Flanke sowie das Hintergelände
der Hermada und den ganzen Küstenstrich bis Opcina kräftigst unter
Gegenmaßnahmen der ös't.-ung. Führung
443
Feuer. Hiedurch wurde um die Mittagszeit die Bahnverbindung bei
Opcina vorübergehend unterbrochen. Tagsüber kreuzten mehrere feind-
liche Schiffe in Respektdistanz vor dem Golf von Triest. Einzelne
Schüsse der Küstenartillerie hielten sie von jedem Annäherungsver-
such ab. Erst um 7habends gelang es einem englischen Monitor, einige
Schüsse auf Triest abzugeben. Gleich darauf zogen sich die feindlichen
Schiffe in Eile wieder zurück und kamen bald außer Sicht.
Mit nicht geringer Spannung hatte das Armeekommando die Er-
eignisse verfolgt. Daß der Feind sein Schwergewicht diesmal von Anfang
an auf den Südflügel legte, wirkte beruhigend. Überraschungen nach Art
der in der zehnten Isonzoschlacht erlebten waren also nicht zu be-
fürchten. Der erste große Ansturm war abgewehrt. Der feindliche Ein-
bruch auf dem Nordflügel beim XXIV. Korps schien nicht gefährlich
zu sein. Allerdings konnte man den Umfang des feindlichen Vorhabens
in diesem Räume nicht ermessen. Man konnte hoffen, daß die Lage
beim XXIV. Korps mit Beihilfe der 24. ID. bald wieder hergestellt wer-
den würde. Für jeden Fall wurde die Verschiebung des SchR. 36 aus
dem Wippachtale in den Raum von Lokve anbefohlen; vier aus Tirol
anrollende Bataillone (IR. 64 und Bataillon 1/63) und eines aus Kärnten
(V/47) wurden nach Grahova geleitet. Ferner erhielt die 73. ID. den
Befehl, vom Südflügel der Armee zunächst ins Wippachtal abzumar-
schieren. An ihrer Stelle hatte auf Anordnung des Kommandos der Süd-
westfront die 10. ID. von Laibach nach S. Daniel befördert zu werden.
Auch die Heeresleitung traf nunmehr, da die Schlacht begonnen hatte,
Vorkehrungen zur Verstärkung der Isonzoarmee, indem sie ihr aus dem
Osten die 19. ID. zurollen ließ. Zur Klärung der Lage trug bei, daß
man im Laufe des Tages Gefangene von 33 verschiedenen Brigaden ein-
gebracht hatte, woraus man schließen konnte, daß ein erheblicher Teil
der feindlichen Kräfte schon ausgespielt und wohl auch abgenützt
worden war.
Indessen sollte sich die Hoffnung auf Wiederherstellung der Lage
an den inneren Flügel des XV. und des XXIV. Korps am 20. August
nicht erfüllen. Von Tagesanbruch an legte die italienische Artillerie
wieder schwerstes Feuer auf das Hochland von Bainsizza und Lom.
Es war nicht möglich, die in der Nacht herangeführten Truppen mit
den Resten der 42. SchBrig., die sich, geführt vom GM. Edi. v. Groß-
mann, zum Teil noch in den Stützpunkten der zweiten Linie verzweifelt
wehrten, zu vereinen, geschweige denn die Reserven durch den Eisen-
hagel zu einem geschlossenen Gegenangriff vorwärts zu führen. Die
444
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
wenigen eigenen Batterien waren nicht imstande, das feindliche Feuer
zu dämpfen. Immerhin entsprangen wütende Infanteriekämpfe, die sich
an diesem sonnendurchglühten Tag im Gebiet von Vrh abspielten, vor-
nehmlich dem Antriebe der öst.-ung. Truppen, da die Italiener sich
darauf beschränkten, den gewonnenen Höhenrand festzuhalten, um den
Einbruchsraum, wenn möglich, seitlich zu erweitern. Diese Zurückhal-
tung des Feindes hatte zur Folge, daß man unsererseits die Zahl der
im Kampfraum beiderseits des Avscektales eingesetzten feindlichen
Kräfte unterschätzte. Man glaubte, drei Brigaden vor sich zu haben.
„Diesen gegenüber stehen" — so berichtete das Armeekommando am
Abend — „nördlich der Avsöekschlucht in Rückhaltstellung vom Höhen-
rücken südlich Log, über Siroka Njiva ausbiegend, am Westhange von
der Trigonometerhöhe 703 bis gegen Levpa die Reste des ungarischen
Landsturmbataillons IX/19, das SchR. 37, dann eine Kompagnie des
IR. 53 und eine Kompagnie des IR. 5. Jene Gruppe, die heldenmütig
den Riegel Auzza—Fratta bis zum Nachmittag besetzt gehalten hatte,
mußte nun auch zurückgenommen werden1). Im Anstiege auf das Kal-
plateau befindet sich das Bataillon 11/66. Die aus Tirol und Kärnten
eintreffenden fünf Bataillone können nach anstrengenden Anmärschen
im Räume von Kai, wohin sie disponiert sind, nicht vor dem 22. abends
versammelt sein." Südlich der Avscekschlucht versuchten die Reste der
Schützenregimenter 8 und 28, ferner je zwei schon stark gelichtete
Bataillone der Regimenter 77 und 45 nach den vergeblich unternom-
menen Gegenangriffen in der Stellung Levpa—Höhe -<¡>-716—Kuk A 711—
Morsko neuen Rückhalt zu gewinnen. Hier war auch ein Bataillon des
LstlR. 32 und ein Bataillon des SchR. 6 eingesetzt worden. Dahinter
waren im Räume Humarji—Podlesce nach anstrengendem Marsche das
IR. 10 (zwei Bataillone) und das IR. 9 (drei Bataillone) eingetroffen.
Ein Bataillon des IR. 9 mußte zur Stützung des linken Flügels des
XXIV. Korps für alle Fälle östlich von Britof zurückgelassen werden.
Für einen vom Kommando der Südwestfront befürworteten, „ehestens
durchzuführenden" Angriff standen somit nur fünf noch vollwertige,
aber marschmüde Bataillone zur Verfügung. Alle übrigen Einheiten
hatten bereits große Verluste erlitten.
Das Armeekommando sah sich daher veranlaßt, anzuordnen, daß
von weiteren allenfalls geplanten Gegenstößen abzusehen sei. Alle Kraft
1) Dem Hauptmann Johann Iskric des IR. 86, Kommandanten des k. u. Lst-
IBaons. V/4, wurde für die hervorragend tapfere Führung der Gruppe das Ritterkreuz
des. Militär-Maria Theresien-Ordens verliehen.
Stand der Schlacht am 20. August
445
sei dazu zu verwenden, um die Linie Morsko—KukA711—Levpa bis
zu dem von Kolk nach Nordost streichenden Rücken zuverlässig bis
zum Eintreffen neuer Reserven zu halten.
Die italienische 2. Armee hatte sonach am 20. August den Ein-
bruchsraum nur ganz unwesentlich zu erweitern vermocht. Der vor-
nehmlich auf die Eroberung des Brückenkopfes von Tolmein abzielende
Plan des Gen. Capello war durch das Steckenbleiben des XXVII. Korps
so gut wie gescheitert. In Erwartung des Flankenstoßes der 22. ID. hatte
die 19. Division vor dem Brückenkopf wieder nur Scheinangriffe durch-
geführt, die natürlich ohne jede Wirkung blieben. Auch das Unter-
nehmen der 46. ID. im Gebiete des Mrzli vrh erreichte nicht den am
Vortag gezeigten Nachdruck und zeitigte keinen Erfolg. Beim italieni-
schen XXIV. Korps hinwieder sah sich die 47. ID. durch die Tätigkeit
des Gegners und wegen des Versagens ihres linken Nachbars am Vor-
gehen gehemmt. Auch ihr Bestreben, der fast vollständig auf dem West-
ufer des Isonzo zurückgebliebenen 60. ID. Luft zu machen, war nicht
geglückt. Gen. Capello hatte schon am 19. abends den genannten beiden
Korps Verstärkungen zugewiesen, doch waren diese nicht zeitgerecht
eingetroffen. Die vom II. Korps im Abschnitt südlich von Désela wie-
der aufgenommene Angriffshandlung hatte gleichfalls des Nachdruckes
entbehrt. Im Vernichtungsfeuer der Abwehrartillerie hatten sich die im
Rohottale versammelten Angriffstruppen nicht völlig zu entwickeln ver-
mocht. Nur gegen Rutarsce und Vodice stürmten sie mehrmals vor. Sie
wurden aber jedesmal zurückgeschlagen. Auf der Höhe -c¡>- 652 und auf
dem Sattel 503 lagen sich beide Gegner den ganzen Tag über sprung-
bereit gegenüber, ohne daß es zu einem entscheidenden Handeln ge-
kommen wäre. Gegen den Mt. Santo hatte sich bereits am Morgen ein
Angriff des italienischen VI. Korps gerichtet, der im rechtzeitig ein-
setzenden Abwehrfeuer bald zusammenbrach. Um die Mittagszeit er-
neuerte Angriffe gegen den Mt. Santo und gegen den Mt. S. Gabriele
wurden wieder blutig abgewiesen. Darnach erlahmte auch in diesem
Abschnitt der Kampf.
Im Wippachtale hatte sich inzwischen das italienische VIII. Korps
in Teilangriffen gegen Grazigna und Panowitz und mehrmals auch gegen
S. Marco, Sober und Vertojba erschöpft. Obwohl alle diese Anstürme
während des Tages glatt abgewiesen worden waren, wurden sie bis
tief in die Nacht hinein hartnäckig wiederholt. Um Mitternacht drang
der Feind im Pano witzer Wald in die Stellung ein. Bevor jedoch der
Morgen graute, hatte ihn die tapfere l.LstlBrig., die trotz angebotener
446
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
Ablösung auf ihre Bitte in der ihr zugewiesenen Verteidigungszone be-
lassen worden war, wieder geworfen. Di¿ festgefügte Front des XVI.
Korps überhob die Armeeleitung jeder weiteren Sorge.
Dies konnte man hinsichtlich des Abschnittes III nicht im gleichen
Maße behaupten. Erbittert war hier auch am 20. August weiter-
gekämpft worden. Mit anerkennenswerter Ausdauer suchte die italie-
nische 3. Armee ihrem Auftrage nachzukommen. Gegenüber dem k. u.k.
VII. Korps waren alle ihre Anstrengungen völlig vergeblich. In den
ersten Morgenstunden hatte das Eingreifen des GbSchR. 2 die gefähr-
dete Lage auf dem äußersten rechten Flügel der 44. SchD. wieder voll-
ständig bereinigt. Unermüdlich bemühte sich der Feind, den Verlust
wettzumachen; es war vergebens. Auch alle Anstürme gegen den linken
Flügel der 44. SchD. und gegen die einladendsten Angriffspunkte im
Räume der 17. und der 48. ID. scheiterten an der tapferen Gegenwehr.
Wesentlich schwieriger hatte sich die Lage des XXIII. Korps ge-
staltet, wiewohl sie zu einer unmittelbaren Gefahr keinerlei Anlaß bot.
Die am Vortage bei der 12. ID. entstandene Einbeulung sollte aus-
geglichen werden. Das Divisionskommando hatte den Rest seiner Trup-
pen während der Nacht zum Gegenangriff bereitgestellt, gleichzeitig
aber auch aus Besorgnis um die durch den Pferdemangel unbeweglich
gewordene Artillerie die Zurücknahme einiger, weit vorne befindlicher
Batterien angeordnet. Diese Störung im eingelebten „System der Feuer-
mauer" rächte sich. Der in den ersten Morgenstunden angesetzte Gegen-
angriff drang nicht durch. Kurz darauf griff aber der Feind die 12. ID.
neuerlich an und warf sie zurück. Ihre Reste setzten sich nun in der
von der Stara lokva gegen Kostanjevica verlaufenden Riegelstellung
fest. Hie durch war auch die nördlich benachbarte 48. ID. gezwungen,
ihren linken Flügel gegen diese Riegelstellung abzubiegen. Südlich der
Straße nach Brestovica vermochte sich die standhafte 35. ID. trotz der
schweren Bedrohung ihres Nordflügels in der Linie la auf den Höhen
von Flondar zu halten. Um diese Höhen wurde im Laufe des ganzen
Nachmittags bis tief in die Nacht hinein erbittert gekämpft, wobei die
Siebenbürger Truppen glänzende Proben ihrer Tapferkeit ablegten.
Ebenso wacker und zäh schlug sich im Küstenabschnitt die 28. Division.
Dort war der Tag mit einem Gegenangriff zur Wiedergewinnung der
Linie la nächst dem Tunnel von S. Giovanni eingeleitet worden. In-
zwischen griffen aber die Italiener ihrerseits mit aller Wucht an. Nach
wechselvollen schweren Kämpfen hielt der rechte Flügel dieser Divi-
sion im Anschluß an die 35. ID. bei Flondar auf den Höhen westlich
Erbittertes Ringen auf der Ho oh fläche von Comen
447
von Me deazza. Weiter südlich bis zum Meere wurde die Linie la voll-
ständig behauptet. Die Division hatte namentlich wieder unter dem
schweren Feuer der italienischen Küstenartillerie sehr zu leiden1). Auch
der Einbruch der Dunkelheit machte den im unmittelbaren Vorfelde
der Hermada entbrannten Kämpfen kein Ende. Hartnäckig strebten die
Italiener darnach, ihr Ziel zu erreichen, ungeachtet der großen Verluste,
die sie dabei erlitten. Während der Nacht wurde noch insbesondere
auf der Höhe -<¡>- 146 nächst Flondar und zwischen den beiden Tunnels
bei S. Giovanni mit aller Erbitterung weitergekämpft.
Auch die Flieger hatten wieder in den Kampf eingegriffen; sie
waren eifrigst bestrebt, durch Bomben und Maschinengewehrfeuer
unmittelbar Waffenhilfe zu bringen. Überdies kam es zu mehrfachen
Fliegerkämpfen, wobei fünf feindliche Flieger abgeschossen wurden.
Die Zahl der gefangenen Italiener hatte sich an diesem Tage bereits
auf 5600 erhöht, die 40 verschiedenen Brigaden angehörten. Auch über
30 Maschinengewehre waren eingebracht worden.
War schon die Lage auf dem Nordflügel des Schlachtfeldes be-
drohlich und der Stützung bedürftig, so zehrte nun der wiederholte
Ansturm auf den Südflügel bedenklich am Marke des Verteidigers.
Schon mußte zur Stützung der 12. ID. die Masse der 9. ID. heran-
gezogen werden, von der Teile bereits in die erstgenannte eingeschoben
worden waren. Zum Eingreifen auf dem Südflügel stand zur Stunde nur
mehr die 41. HID. bereit. Die 73. ID. war im Marsche nach Norden,
die 10. ID. noch im Anrollen, ebenso wie die erste Staffel der zuge-
sagten Aushilfe aus Kärnten und Tirol.
Nach dem nächtlichen Kampfe auf dem Karsthochland griffen die
Italiener am 21. August gleich bei Tagesanbruch die ganze Front des
Abschnittes III neuerlich hartnäckig an. Ein Massenangriff folgte dem
anderen. Kein Angriffspunkt der etwa 16 km langen Front dieses Ab-
schnittes blieb von fortgesetzten Stößen des Feindes verschont. Am
schwersten war wieder der Südflügel heimgesucht. Heldenhaft rangen
dort die 28. und die 35. ID. in ihren Stellungen westlich der Hermada.
Fortwährend wogte der Kampf zwischen den, Linien la und 1c hin und
her; Stoß und Gegenstoß folgten einander nahezu ununterbrochen.
Schon war der Feind bis Medeazza vorgedrungen, als es doch noch
1) Außer den auf dem Lande bei der Sdobhamündung aufgestellten schweren
Geschützen wirkten am Südflügel des Schlachtfeldes etliche 381 mm-Marinege schütz e
mit, die auf Plätten und Schleppschiffen eingebaut waren; ferner vier 305 mm-Schiffs-
geschütze zweier englischer Monitoren.
448
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
gelang, ihn wieder zu vertreiben. Mit beispielgebender Hartnäckigkeit
fochten Teile des siebenbürgischen IR. 63 um die Höhe 146 bei Flondar1).
So blieb denn der Kampf bis 'zum Einbruch der Dunkelheit auf den
engen Raum zwischen den Linien la und lc beschränkt. Aber die Reste
der eingesetzten Truppen der 28. ID. waren derart erschöpft, daß sie
schließlich in der Nacht über die Linie lc zurückwichen. Zwar konnte
diese Linie alsbald wieder besetzt werden, jedoch der vom Divisionär
für den 22. August geplante Gegenangriff vorwärts der Linie lc mußte
unterbleiben. Nördlich der Brestovicafurche hatten indessen die durch
die 9. ID. gestützten Reste der 12. ID. in der Riegelstellung Stara lokva—
Kostanjevica allen wütenden feindlichen Anstürmen gegenüber zu be-
haupten. Die artilleristische „Feuermauer" war dort wiederhergestellt
worden und zeigte ihre vernichtende Wirkung auf den Feind. Zu Mittag
hatte das Kommando der 9. ID. den Befehl in diesem Unterabschnitte
übernommen. Nach Einbruch der Dunkelheit konnte die Ablösung der
Reste der 12. ID. fortgesetzt werden; der vorübergehende Schwäche-
zustand dieses Frontteiles war nun wieder behoben.
Glänzend hatte das VII. Korps seine Stellung behauptet, trotzdem
der Feind auch gegen dieses Korps seine ganze Übermacht entfaltet
hatte. Namentlich nachmittags rannte er hier mit dem Mute der Ver-
zweiflung an. Sein Streben, die 48. ID. bei Kostanjevica endlich zu er-
schüttern und auf diese Weise in den Rücken der Hermada zu gelangen,
war begreiflich. Er scheute kein Mittel, um zu seinem Ziele zu ge-
langen. Aber alles war vergeblich. So oft auch die Italiener in die
vorderste Linie der Stellung einbrachen, immer wieder wurden sie
gezwungen, diese raschestens zu verlassen. Wie in allen vorangegan-
genen Kämpfen erwiesen auch bei diesem Generalangriff der italieni-
schen 3. Armee die lange erstrebten Höhen > 363, > 378 und > 464
(Fajtihrib) ihre alte Anziehungskraft in besonderem Maße. Trotz
Vergasung und Anwendung aller Mittel konnte der gegen die 17. ID.
vorbereitete Angriff dank der wachsamen Artillerie des Verteidigers
im Laufe des Vormittags nicht recht in Fluß kommen. Erst nach-
mittags gelang es den Italienern, zunächst nach mörderischer Feuer-
vorbereitung gegen den Stützpunkt -<¡>-378 anzustürmen. Ihre Massen
drangen tiefgestaffelt vor. Obgleich die ersten Wellen niedergemäht
1) Oberleutnant Friedrich Franek, der als Kompagniekommandant im IR. 63
die Gefechtsgruppe auf der Höhe -<>- 146 befehligte, wurde für die heldenhaft tapfere
Verteidigung dieses Schlüsselpunktes mit dem Ritterkreuz des Militär-Maria The-
resien-Ordens ausgezeichnet.
Andauernde Anstürme der Italiener auf dem Südflügel 449
wurden, gelang es den nachfolgenden endlich doch, in der Linie la
Fuß zu fassen. Gar bald machte aber das tapfere IR. 39 mit den
Eindringlingen reinen Tisch. Kurze Zeit darauf ging der zähe Feind
einerseits gegen die Höhe -<¡>-363, anderseits gegen den Fajti hrib
los. Beide Angriffe brachen áber bereits im Abwehrfeuer zusammen.
Trotz dieser Mißerfolge rafften sich die Italiener am Abend nochmals
zu einem neuerlichen Ansturm gegen die ganze Front der 17. ID. auf,
der stellenweise zum erbitterten Handgemenge führte; wieder zeich-
neten sich neben den 46ern die 39er ganz besonders aus1). Erst in
der Nacht stellte der Feind sein vergebliches Bemühen ein. Nicht min-
der scharf hatte sich die 44. SchD. am Nordflügel des Abschnittes III
zu wehren. Bei dieser bildeten immer wieder die Höhenstellung am
Abhang des Fajti hrib und der Stützpunkt -<¡>-126 nordwestlich von Spa-
capani die Hauptangriffsziele. Auch hier trat erst spät am Abend Ruhe
ein. Ein wesentlicher Anteil an der zuletzt völligen Vereitelung der
feindlichen Bestrebungen war dem hervorragenden Wirken der Artil-
lerie zuzuschreiben. Besonders die Art, wie sie jedem Angriff bereits
zu begegnen trachtete, bevor er noch zum Sturme ausreifte, war
musterhaft.
Im Wippachtale hatte an diesem vierten Tage der Schlacht das
italienische VIII. Korps seine Anstrengungen vornehmlich gegen die
Front Biglia—St. Peter gerichtet, wahrscheinlich deshalb, um den Groß-
angriff der 3. Armee mittelbar zu unterstützen. Die tapferen Westungarn
der 14. ID. wichen aber nicht um einen Schritt zurück. Die 58. ID. schlug
unterdessen zwei schwächliche Angriffsversuche beiderseits vom Rosen-
tal zurück. Nachmittags ebbte dann d,as Gefecht vor dem k. u. k. XVI.
Korps merklich ab.
Gegen die Front Mt. S. Gabriele—Vodice rannten die Italiener nur
nooh einmal in den ersten Morgenstunden an. Die schneidig in mehre-
ren Linien vorwärtsgehende Brigade Forlì stieß beim Dolsattel auf die
nicht weniger tapferen Bataillone II/22 und 1/87 der k. u. k. 57. ID.;
sie mußte nach blutigem Handgemenge wieder zurück, erlitt empfind-
liche Verluste und war nicht mehr imstande, den Angriff zu erneuern,
obgleich die italienische Artillerie wieder Zerstörungsfeuer abgab und
ein Fliegergeschwader den Raum um Britof ausgiebig mit Bomben be-
legte. Auf der Höhe -<¡>-652 und bei Vodice wehrte am Vormittag das
1) Dem Major Konstantin Popovits, Kommandanten des Bataillons IV/39, wurde
für „äußerst aktive und initiative Verteidigung der Höhenlinie bei -<>- 378" das Ritter-
kreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens verliehen.
VI
29
450
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
bukowinaische IR. 41 der 43.SchD. zwei heftige Angriffe ab, worauf-
hin sich die Kampfhandlung beiderseits auf Geschützfeuer beschränkte.
Der Durchbruch auf der Hochfläche von
Bains izza — Heiligengeist
(21. und 22. August)
Während die festgefügte Armeefront vom Meere nordwärts bis
Vodice und Désela den feindlichen Anstürmen auch am vierten Tage
der Schlacht ausdauernd widerstand, kam die rund um den feindlichen
Einbruchsraum bei Canale und Auzza rasch zusammengewürfelte Ab-
wehrfront am 21. August ins Wanken. Die am Vortage vom GM. Groß-
mann im Räume um Vrh geführten Gegenangriffe hatten zwar den
nebenbei auch durch Schwierigkeiten des Nachschubes gehemmten Feind
in Schach gehalten, aber sowohl die ohnehin schon erschütterten Trup-
pen der 42. SchBrig. als auch die herbeigeeilten Teile der 24. ID. waren
aus dem Kampfe erheblich geschwächt herausgegangen. Die Verbände
waren stark durcheinander geraten, und die Wiederherstellung der
Ordnung sehr schwierig. Die in der Nacht etwa an der Linie Morsko—
Kuk À 711—Stara sv. duha neugebildete Abwehrfront konnte keinen festen
Halt verbürgen. Schlimm stand es namentlich auch um den Kampf-
abschnitt, der von Stara sv. duha quer über das Avscektal gegen Levpa
führte und durch einige von einzelnen Kompagniegruppen besetzte
Schanzen gekennzeichnet war. Er lag im Befehlsbereich des XV. Korps,
dessen linker Flügel sich nur dank des wenig tatkräftigen Vorgehens
des Gegners mit einigen Bataillonen hier und in der von Levpa nörd-
lich über Siroka Njiva nach Log errichteten Stellung behauptet hatte.
Das Armeekommando übertrug die Sicherung des genannten Abschnittes
dem k. u.k. XXIV. Korps, das dann den Führer der 24. ID. mit dieser
Aufgabe betraute. FML. Urbarz, der kurz vorher die Gefechtsleitung
auf der Bainsizza übernommen hatte, sah sich infolgedessen zu einer
Umstellung seiner Reserven genötigt, wodurch die klare Befehlgebung
litt. Unterdessen marschierte das vom Armeekommando dem XXIV.
Korps zuletzt unterstellte SchR. 36 mit zwei Bataillonen von Lokve
nach Lokovec. Der Korpsführer und zugleich Kommandant des jetzt
von den Südhängen des Mt. S. Gabriele in weitem Bogen bis Levpa hin-
reichenden Abschnittes IIa ließ ferner zwei Bataillone des SchR. 20
der 43. SchD. nach Bate rücken.
Neuerlicher Ansturm auf Bainsizza—Heiligengeist
451
In der geschilderten Aufstellung mußten die Verteidiger dem
Feinde entgegentreten, der am 21. August darauf ausging, mit ganzer
Kraft den Zielen zuzustreben, die er am Vortage nicht erreicht hatte.
Gen. Capello hatte schon für den 20. August befohlen, daß das II. Korps
entschlossen gegen den Jelenik vorstoße, um der 60. ID. den Isonzo--
Übergang zu ermöglichen, daß ferner das durch zwei frische Brigaden
verstärkte XXIV. 'Korps rasehestens vorwärts gehe, und daß das
XXVII. Korps mit starkem linkem Flügel nachdrücklich gegen Lom
angreife. Dieses Korps wurde, zugleich durch eine Brigade und eine
Reihe schwerer Batterien der mobilen Artilleriereserve verstärkt. Der
Armeeführer hatte ferner das XIV. Korps von Cormons ins Judriotal
aufwärts rücken lassen.
Das große materielle Übergewicht der Italiener fand in dem am
21. morgens wieder einsetzenden, überaus heftigen Artilleriefeuer schla-
genden, Ausdruck. Die Infanterie ging auf der Hochfläche von Bainsizza
zunächst nur zögernd vor. Das Zusammenwirken der beiden Waffen
war offenbar gestört. Erst nach wiederholtem Umlegen der Feuerwalze
kam die stockende Bewegung in Fluß, dann folgte allerdings Welle auf
Welle. Mittlerweile griffen die Italiener an der Linie Mor sko—Désela—
Vodice schon vormittags kräftigst an. Im Rohotta! prallten sie an der
unbeugsam standhaltenden 106. LstlD. ab. Das südmährische LstlR. 25
zeichnete sich südlich von Rutar see besonders aus, indem es den zum
Teil schon über unsere ersten Stellungen hinwegstürmenden Feind hel-
denmütig entgegentrat und zurückschlug. In der Riegelstellung bei
Désela wehrten sich Bataillone des Egerländer SchR. 6; weiter nördlich
focht nicht weniger tapfer das böhmische SchR. 7 gegen weit überlege-
nen Feind. Der bei Mor sko im rechten Winkel abgebogene rechte Flügel
dieses Regiments erlebte schwere Stunden. Als die Italiener den um-
fassenden Druck verstärkten, und es ihnen zugleich gelang, den linken
Flügel des Regiments zu durchbrechen, mußte es schließlich die Ufer-
stellung aufgeben. Nur Reste dieses trefflichen Truppenkörpers fan-
den den Weg zurück und versuchten in einer etwa von Rodez zum
Kuk A 711 gedachten Linie neuen Widerstand zu leisten. Allein, es war
vergeblich. Die Masse der italienischen 60. ID., die sich in der Nacht
gegen Norden verschoben hatte,, erzwang sich den Aufstieg zur kahlen
Kukhöhe, die, seit vielen Stunden unter vereinigtem Feuer der schweren
Artillerie stehend, einem lodernden Vulkan glich. Zu dieser Zeit, um
etwa 3h nachm., stürmten auch von Norden her dichte Massen den Berg
hinauf. Die ausgebluteten Verteidiger, vornehmlich Kompagnien des
29!
452
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfroat
westgalizischen IR. 45, wurden umzingelt und fast vernichtet. Die zer-
schlagenen Truppen der beim Kuk und rittlings der Straße Vrh—Bate
fechtenden Gruppe Obst. Freih. v. Véver wichen gegen den Jelenik
zurück. Nun mußten auch die auf dem Westhang der bezeichneten
Höhen sich noch anklammernden Reste der 41. SchBrig. den Kampf
aufgeben.
Im Buschwald, der die Höhen beiderseits der Straße Vrh—Humarji
bedeckt, kam es zu sehr wechselvollen Kämpfen. Nördlich der Straße
war der Feind durchgebrochen. Stara sv. duha dürfte in seinen Besitz
gelangt sein. Auf den Höhen südlich der Straße wogte der Kampf hin
und her. Nur so viel konnte man am Abend feststellen,' daß der Kolk
-<•>- 856 sicher im Besitz des Verteidigers sei. Die Lage mußte dem Führer
der 24. ID. um so bedenklicher erscheinen, als wiederholt alarmierende
Meldungen einliefen, die erst nach Stunden überprüft werden konnten
und sich dann als irrig erwiesen. Auch ein Gerücht, daß die Italiener
den linken Flügel des XV. Korps .nördlich Levpa durchstoßen hätten
und auf Kai vorgingen, hielt die Führer lange Zeit in Atem und ver-
anlaßte den FML. Urbarz, seine letzten Reserven gegen Kai in Marsch
zu setzen.
Trotz all dem Ungemach, das dieser Tag dem XXIV. Korps ge-
bracht hatte, beurteilte Gdl. Lukas die Lage mit beherrschter Ruhe.
Am späten Abend berichtete er, der Kampf spiele sich in einem Räume *
ab, wo die feindliche Artillerie ihre von drei Seiten umfassende Wir-
kung voll entfalten könne. Insbesondere gelte dies für die Höhe Je-
lenik, die offenbar das nächste Angriffsziel des Feindes sein werde..
In Erkenntnis der Bedeutung dieses Raumes habe er alle verfügbaren
Reserven eingesetzt. Die Widerstandskraft der dort kämpfenden Trup-
pen könne aber nicht als unbegrenzt angesehen werden und die Verluste
im offenen Gelände seien ganz bedeutend. Das Korpskmdo. müsse da-
her die Lage als schwierig bezeichnen und halte ein rasches Eingreifen
frischer Kräfte für notwendig.
Unterdessen war schon zu Mittag vom Armeekommando der Befehl
eingelangt, daß dem Korps die 73. ÍD. unterstellt werde, um die Lage
im Räume „Morsko—Vrh—Levpa—Log wiederherzustellen". Der beim
Gdl. Lukas eingetroffene Kommandant dieser Division, FML. Ludwig
Goiginger, werde nach Weisung des XXIV. Korpskmdo. die Führung
über alle Truppen im angegebenen Raum zu übernehmen haben.
Dieser Auftrag sah voraus, daß die genannte Linie beim Einsetzen
der 73. ID. noch von unseren Truppen besetzt wäre. Dies traf jedoch
Duirchbruchsplan Cadornas
453
am Abend nicht mehr zu. Dennoch besprachen die beiden Generale
Lukas und Goiginger den Plan zu einem großen Gegenangriff, zu dem
die jetzt erst nach Lokve vormarschierende 73. ID. allerdings frühestens
am 23. morgens bereitgestellt sein konnte. Es stand kein Mittel zur
Verfügung, um die Truppen rascher auf das Gefechtsfeld heranzubrin-
gen, da das Armeekommando einer Bitte um Lastkraftwagen nicht will-
fahren konnte. Nebenbei sei bemerkt, daß die Italiener gerade während
dieser Schlacht mehrere Brigaden mit Kraftwagen auf dem Kampfplatz
vorführten.«
Dem XXIV. Korps blieb also nichts übrig, als in den vorauszu-
sehenden neuen Kämpfen nur mit seinen eigenen, zermürbten Truppen
auszuharren. Die Italiener waren entschlossen, den Angriff bis zum
vollständigen Durchbruch weiter zu führen. Gen. Capello hatte zwischen
seinem XXVII. und seinem XXIV. Korps das XIV. Korps (49. und
64. ID.) eingeschoben und am 21. abends die Unterführer aufgerufen,
mit aller Kraft vorwärts zu gehen. Das XIV. Korps sollte das obere
Gepovantal nördlich der Ortschaft Chiapovano erreichen. Aus der
Richtung und der Entfernung des Zieles ist zu erkennen, daß der
Armeeführer in großzügiger Weise an seinem Plane festhielt, den
Brückenkopf von Tolmein durch Einschwenken des rechten Flügels des
XXVII. Korps über Lom zu bezwingen. Zugleich gewann das italie-
nische XXIV. Korps, das, von seiner ursprünglichen Aufgabe abwei-
chend, die Richtung mehr gegen Südosten und Süden einschlug, bei
Verfolgung seiner Ziele größere Bewegungsfreiheit. Der Führer dieses
Korps konnte sich mit Recht rühmen, bisher als einziger bedeutsame
Erfolge erzielt zu haben. Das ihm rechts benachbarte II. Korps stockte
noch immer. Am folgenden Tage sollte es endlich Luft bekommen.
Wie Gdl. Lukas vorausgesehen hatte, wurde am 22. August nament-
lich der durch die Höhen Jelenik und Kolk gekennzeichnete Gefechts-
abschnitt zum Schauplatz überaus schwerer Kämpfe. Ähnlich wie am
Vortage über den Kukgipfel, prasselte nun von Tagesanbruch an
schwerster Eisenhagel auf den Jelenik nieder, ihn in eine Wolke von
Rauch und Stickgas hüllend. Wieder wartete die italienische Infanterie
ab, bis das Zerstörungswerk ihrer Artillerie vollendet war, um dann
am Nachmittag, in dichte Massen geballt, den letzten Widerstand der
verzweifelten Verteidiger zu brechen. Auch auf dem Kolkrücken ver-
mochten die Italiener im ersten Anlauf die Höhe zu erreichen. Hiei;
wurden sie aber durch Gegenangriff zurückgeschlagen. Das erbitterte
Ringen um diesen Rücken dauerte bis in die Nacht hinein, zu welcher
454
Der Hochsommer 1917 an der Süd Westfront
Zeit die Spitzenbataillone der 73. ID. in, das Gefecht eingriffen und
dieses zugunsten der Verteidiger entschieden.
Der im Zusammenhang mit dem Verlust der Höhe Jelenik erfolgte
Durchbruch des Feindes an der Straße nach Bate konnte jedoch nicht
mehr wettgemacht werden. Die Lage war gefährlich. Glücklicherweise
nützte sie der Feind nicht aus. Er blieb bei Bate und vor der Höhe
-<>-747 stehen. Während sich nun Teile der 41. SchBrig. noch immer auf
der von der Höhe -<¡>- 747 gegen Désela abfallenden Bergrippe behaup-
teten, war die Mitte der 106. LstlD. bei Rutar see unter den neuerlichen
Anstürmen des Feindes zusammengebrochen. Die zerschlagenen Batail-
lone dieser Division mußten zurückgenommen werden. Vier Tage hatten
die tapferen Landsturmmänner im furchtbaren Geschütz- und Minen-
feuer den feindliche^ Anstürmen getrotzt. Daß sie jetzt zurück mußten,
erschütterte sie sehr. „Die Verluste sind enorm! Ich habe mit meinem
Regiment meine Pflicht bis¡ zum äußersten getan"; diese Worte schrieb
ein Regimentskommandant, kurz bevor er sich zum Rückzug gezwungen
sah. Die zertrümmerten Schanzen waren mit Toten und Verwundeten
gefüllt. . Wahrlich, die Landstürmer hatten ihre Pflicht erfüllt! Nur
wenige konnten den schweren Weg den Berg hinangehen, der unablässig
vom Feinde beschossen wurde. Andere blieben und wehrten sich gleich-
wie ihre Kameraden vom SchR. 6 bei Désela noch am kommenden Tage.
Alle Verbindungen versagten. Man griff zu dem fragwürdigen Hilfs-
mittel, einen Flieger auszusenden, der Zettel mit der Aufschrift „Rich-
tung Südost gegen Ravne" über den Kampfraum ausstreute.
Das Herstellen einer neuen Gefechtslinie, die von Vodice über die
Höhe Pianva -<¡>- 652 und die Flöhe-<¡>-747, dann scharf abbrechend nach
Bate und von hier wieder abbiegend zum Kolkrücken gedacht war, ge-
staltete sich äußerst schwierig.
Die vom FML. Goiginger noch zu Mittag' gehegte Absicht, die
73. ID. am kommenden Tage an der Linie Jelenik—Kolk—(¡>-716 ge-
schlossen einzusetzen und dann zum Gegenangriff zu schreiten, mußte
wegen der geschilderten Ereignisse fallen gelassen werden. Man sah
sich gezwungen, die nach drei ermüdenden Nachtmärschen ;am 22. vor-
mittags bei Lokovec eintreffende Division ohne Rast in den Raum
B>ate—Lahka weitermarschieren zu lassen, um der Gefahr einer Er-
weiterung des feindlichen Durchbruches zu begegnen. Das war die Auf-
gabe, die nunmehr dem FML. Goiginger zufiel, wofür ihm außer der
73. ID. die Reste der 21. SchD. und die 24. ID. unterstellt wurden.
Gegen die Abschnitte der 57. ID. und der 43. SchD. hatte der Feind
Eintreffen der k. u. k. 73. Division
455
an diesem Tage keinen ernsthaften Angriff geführt, wohl aber seine
Artillerie kräftig feuern lassen. Der rechte Flügel des XXIV. Korps,
beiderseits des Avscektales war unberührt geblieben. Nördlich von
Levpa, beim Veliki vrh A 703 und bei Siroka Njiva hatten die Italiener
den linken Flügel des; XV. Korps wieder unter stärkstes Vernichtungs-
feuer genommen und dann mehrmals angegriffen. Die zur Verstärkung
der 1. ID., FML. Metzger, herangeführten und bei der 22. LstGbBrig.
eingesetzten Truppen, zuerst das SchR. 37, dann das IR. 64 sowie die
Bataillone V/47 und 1/63, hatten den Feind abgewiesen und zurückge-
schlagen. Dem italienischen XXVII. Korps war also auch am vierten
Schlachttage kein Erfolg beschieden gewesen1).
Der Befehl zur Preisgabe der Hochfläche von Bainsizza—Heiligengeist
Am 22. August abends herrschte in Adelsberg gedrückte Stimmung.
Das XXIV. Korps meldete, daß der Feind schon die Ortschaft Bate
erreicht habe. Die mit der Entsendung des FML. Goiginger und mit dem
Einsatz der 73. ID. auf der Bainsizza verbundene Absicht mußte als
gescheitert angesehen werden. Der ,,Kampf um Zeitgewinn", der einen
geordneten Aufmarsch und Einsatz dieser Division ermöglichen sollte,
war mißglückt. Ihre Bataillone mußten in aller Hast voreilen, um den
Feind zum Stehen zu bringen. Damit war aber die letzte in greifbarer
Nähe des nördlichen Schlachtfeldes vorhandene Kraft ausgespielt. Ge-
lang es dem Feind, auch diese Truppen zu überwinden, dann blieb
kein Mittel mehr, um eine ernste Niederlage zu verhüten. Durfte man
zuwarten und hoffen, daß der letzte Einsatz glücken werde ? Die Über-
macht des Feindes stieg von Tag zu Tag. Seine Artillerie beherrschte
mit unabwendbar vernichtender Wirkung den ganzen Kampfraum.
GO. Boroevic stand vor einem schweren Entschlüsse. Im Becken
von Görz, beim XVI. Korps, war die Schlacht zwar zum Stillstand ge-
kommen, aber an der Küste rüttelte der Feind noch immer heftig ¡am
Tore von Triest. Sowohl das VII. als auch das XXIII. Korps berich-
teten über heftige Kämpfe. Vornehmlich an den schon oft genannten
Brennpunkten dieses blutigen Schlachtfeldes ging es wieder heiß her.
Die Truppen wehrten sich hervorragend tapfer. Unter anderen zeich-
neten sich auch die Bataillone 1/93 und II/100, sowie das Wiener F JB. 21
bei der Verteidigung der Höhen südlich von Kostanjevica aus.
*■) Pinchetti, 253.
456
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
Am Abend wußte man, daß alle Angriffe auf den Abschnitt III
abgeschlagen worden waren, aber man hatte keinen Anhaltspunkt dafür,
daß der Feind von weiteren Unternehmungen ablassen werde. Daher
lag jeder Gedanke ferne, den hinter diesem wichtigen Frontteil noch
vorhandenen Reserven Teile für den schwer bedrohten Bainsizza-
abschnitt zu entnehmen.
In den Morgenstunden war der Oberste Kriegsherr, Kaiser und
König Karl, in Adelsberg gewesen und hatte unter vier Augen mit dem
Armeeführer die Lage eingehend besprochen. Dann war er auf die
Hochfläche von Ternova gefahren, um das Schlachtfeld zu schauen.
Zufällig zur gleichen Stunde blickte der König von Italien von den
Höhen jenseits vom Isonzo über die Walstatt1). Nachmittags fuhr der
Kaiser nach Laibach zurück, ohne sich beim, Armeekommando nochmals
aufgehalten zu haben. Der in Begleitung des Monarchen erschienene
Chef des Generalstabes, Gdl. Arz, hatte sich dem, GO. Boroevic gegen-
über geäußert, daß der gute Fortschritt an der Russenfront es ermög-
lichen. werde, mit stärkerer Kraft gegen Italien aufzutreten. Es sei ein
größerer Entlastungsstoß am Isonzo aus dem Räume Tolmein—Flitsch in
der Richtung auf Cividale geplant. Diese Absicht fände aber noch an
der Abneigung des Kaisers, an der Isonzofront namhaftere deutsche
Streitkräfte eingreifen zu lassen, starken Widerstand. Vielleicht gelänge
es unter dem Drucke der Ereignisse der eben tobenden Schlacht, die
das Bedürfnis nach einer derartigen Gegenaktion in erhöhtem Maße
zeitigen würde, dieses Widerstreben zu beseitigen.
Der damalige Leiter der Operationsabteilung der Isonzoarmee,
Obst. Anton Pitreich, der die vorstehenden Sätze aufgezeichnet hat, ist
der Meinung, daß diese Ausführungen des Gdl. Arz auf den Armee-
kommandanten bedeutsamen Eindruck geübt haben. Um 9*1 abends be-
rief GO. Boroevic den Generalstabschef FML. v. le Beau und den Obst.
Pitreich zu sich und eröffnete ihnen ganz unvermittelt seinen Entschluß,
das ganze Hochland von Bainsizza—Heiligengeist aufzugeben. Die Front
des XXIV. Korps sei, mit dem linken Flügel auf den Mt. S. Gabriele
gestützt, an den Nordrand des Hochlandes von Ternova und an den
Ostrand des Cepovantales zurückzunehmen; das XV. Korps habe den
linken Flügel in die Linie Log—Hoje—Koren—Spilenka—Frata zurück-
zuschwenken.
Obst. Pitreich, der sich die unermeßliche Tragweite dieses Ent-
schlusses vergegenwärtigte, stellte den Antrag, zuzuwarten, bis die
1) Caviglia, La battaglia della Bainsizza, 96.
Plan zur Räumung der Hochfläche von Bainsizza
457
Morgenmeldungen eingetroffen sein würden. GO. Boroevic war damit
einverstanden. Als dann diese Meldungen keine klärende Wendung
der Lage brachten, wurde am 23. August um 9h vorm. der schwer-
wiegende Befehl ausgegeben. Mit dem Zurücknehmen der Front sollte
in der Nacht auf den 24. August begonnen werden.
Vorweg sei gesagt, daß der Rückzug nicht bis zu Ende durch-
geführt wurde. Dessenungeachtet drängt sich die Frage auf, welche
Überlegungen den GO. Boroevic dazu bewogen haben mögen, eine iSO
bedeutsame Maßnahme ins Auge zu fassen, die unter Umständen die
Bedrohung des Brückenkopfes von Tolmein und der einmündenden
Aufmarschwege erhöhen konnte, die also der vom Chef des General-
stabes ausgesprochenen Absicht zu einem Gegenangriff aus diesem
Brückenkopf zuwiderlief. Es ist wenig wahrscheinlich, daß der Armee-
führer, auf die weiteren sonderbaren Andeutungen des Gdl. Arz ein-
gehend, eine Gefahr geradezu heraufbeschwören wollte. Aber es ist
durchaus möglich, daß ihm bei Erkennen der Notwendigkeit eines
Rückzuges der Gedanke aufkam, der neuen Abwehrlinie die Form
einer Zange zu geben, wobei die südwärts gekehrte Front Log—Ho je—
Koren—Frata des XV. Korps den einen Arm und die nordwärts ge-
richtete Front Mt. S. Gabriele—Lokve des XXIV. Korps den anderen
Arm bilden mochte. Ging der Feind mitten durch an die Cepovan-
furche heran, so hätte ihm ein späterer Gegenangriff aus dem Räume
südlich von Tolmein heraus sehr gefährlich werden können. Voraus-
setzung hiefür war allerdings, daß die gedachte Zangenstellung bis
dahin unbedingt erhalten blieb.
Gegenüber der Heeresleitung rechtfertigte der Armeekommandant
seinen Entschluß mit der Meldung, daß im Einbruchsraum vor dem
XXIV. Korps schon dreizehn italienische Brigaden festgestellt worden
seien. Neue Kräfte kämen hinzu. Der Feind habe offenbar die Absicht,
gegen Süden vorzudringen, um in der Folge das XVI. Korps aufzu-
rollen. Seiner Übermacht gegenüber seien die sich im bedrohten Räume
wehrenden Truppen bedenklich zusammengeschmolzen; es fehle ihnen
die Kraft, unter der vernichtenden Tätigkeit der weit überlegenen
feindlichen Artillerie die Stellungen auf die Dauer zu behaupten. Dies
erfordere einen durchgreifenden Entschluß. Durch den eingeleite ten
Rückzug würde dem raschen Kräfte verbrauch gesteuert und zugleich
die Absicht des Feindes vereitelt; er würde genötigt sein, seine Bat-
terien im schwierigen Gelände vorzufahren; daraus ergäbe sich ein
wertvoller Zeitgewinn.
458
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
Die Heeresleitung forderte das Kommando der Südwestfront zur
Stellungnahme auf. FM. Erzherzog Eugen drahtete, daß er sich „leider
der Auffassung des Armeekommandos anschließen" müsse, weil keine
Aussicht mehr bestehe, durch den beabsichtigt gewesenen Gegenangriff
der 73. ID. eine durchgreifende Besserung der Lage auf der Hochfläche
herbeizuführen, und auch deshalb, weil die zusammengeschmolzenen
Kräfte kaum hinreichen mochten, um eine Stellung etwa an der Wald-
zone westlich des Gepovantales zu behaupten.
Nunmehr richtete Gdl. Arz an GFM. Hindenburg unter Darlegung
der eingetretenen Lage die Bitte, eine Verschiebung von vier oder fünf
Divisionen vom russischen Kriegsschauplatz an die Isonzofront ver-
fügen zu wollen. Dazu bemerkte der Chef des Generalstabes, daß nach
seinem Dafürhalten nunmehr „zwei Hauptkriegsziele4' im Vordergrund
stünden: die Sicherung von Triest gegen italienische Einwirkung und
die Sicherung von Czernowitz gegen eine Wiedereroberung durch die
Russen. Da die Offensive des GFM. Mackensen bei Focsani eingestellt
werde (S. 394) und auch das geplante Unternehmen gegen Riga wegen
des Verhaltens der Russen — wie man damals in Baden meinte —
einigermaßen an Aussicht verloren habe, wäre es angezeigt, die 4., die
29. und die 33. ID. sowie die 46. SchD. und die 145. IBrig. durch S trek -
kung der Nachbardivisionen sowie durch Einschieben der für das
Rigaer Unternehmen bestimmten Kräfte für den Südwesten freizu-
machen.
Das Überwinden der Krise
Nach einer verhältnismäßig ruhig verlaufenen Nacht rollte am
23. August von Tagesanbruch an wieder der Donner der Geschütze
über das Schlachtfeld. Die Blicke der höheren Führer waren auf das
Hochland von Bainsizza gerichtet. Dort befand sich die wunde Stelle
der Armeefront. Zeitlich morgens ging im Befehlsbereiche der 24. ID.
auf dem Kolkrücken die Höhe -<¡>- 833 verloren. Das Bataillon 1/21 und
das bh. FJB. 4, beide von der 73. ID., eroberten die Höhe im Sturm
zurück und behaupteten diese sowie ¡auch den Gipfel -<¡>- 856 weiterhin
gegen alle feindlichen Angriffe. Damit war ein Prellstein gesetzt, der
ein weiteres Vorschieben des am Vortage von den Italienern an der
Straße Vrh—Bate eingetriebenen Keiles verhinderte. Die südlich um
Bate herum einen Halbkreis bildenden Reste der 21. SchD. blieben in-
FML. Goiginger widerratet dem Rückzug
459
folge dessen ziemlich uribelästigt. Dem GM. Kratky und seinen Unter-
führern war es im Laufe der Nacht gelungen, die Reste der 106. LstlD.
in eine vom rechten Flügel der 43. SchD. bei Vodke über die Höhe
Pianva -<¡>- 652 zur Ortschaft Drago-vice gezogene, allerdings nicht ge-
schlossene Linie zurückzunehmen. Die Landstürmer hatten unter dem
Feuer der schweren Artillerie viel zu leiden, sie blieben aber in den
ersten Tagesstunden von Angriffen verschont; denn so manche der vor
der genannten Linie zurückgebliebenen Gruppen machten den Italienern
noch viel zu schaffen, ehe sie sich in ihr Schicksal ergaben. Bemerkens-
wert ist, daß eine solche Gruppe auf der bedeutsamen Höhe. 747
noch bis Mittag ausharrte. Zu dieser Zeit begannen die Italiener aus
den Bergfurchen vor der 106. LstlD. 'hervorzuquellen. Sie griffen
namentlich die Pianvahöhe wuchtig an und drängten schließlich nach
mehrstündigem Gefecht die erschöpften Landstürmer gegen die Höhe
Kobilek -<¡>-627 zurück.
Indessen war um etwa, 10h vorm. bei den Korpskommandos und
beim Gruppenführer FML. Goiginger der Armeebefehl zum Rückzug
eingetroffen. Er bestimmte, daß vom 23. abends an der linke Flügel des
XV. Korps in die Linie Log—Hoje—Koren—Spilenca—Frata -<¡>- 909
zurückzubiegen und daß das XXIV.Korps in die Linie Mt.S.Gabriele—
Zagorje—(¡>-664—Zavrh zurückzunehmen sei. Dieses Korps habe ferner
auch den Ostrand des Cepovantales von Zavrh bis zur Frata -<|>- 909
zu besetzen und namentlich die aus diesem Tal nach Lokve und nach
Podcepovna aufsteigenden Straßen zu sichern.
Der Rückzugsbefehl überraschte die von ihm betroffenen Führer.
Als erster griff FML. Goiginger zum Fernsprecher. Er schilderte dem
Armeekommando die Lage „als zurzeit nicht mehr sehr beunruhigend",
bezeichnete den Rückzug über das Cepovantal für gefährlich und be-
antragte, äußerstenfalls nur bis auf die Höhen westlich dieses Tales
zurückzugehen1). Sodann besprach er sich mit den beiden Korpskom-
mandanten, die alsbald übereinkamen, den Rückzug zunächst nur bis
zur Linie Log—Mesnjak—Hoje—Höhe -<^814 (südwestlich von Kai)
Vrhovec— A 878—Madoni—WH. Kai—Zagorje—Mt. S. Gabriele durch-
zuführen. Im besonderen meldete FML. Scotti nach Adelsberg, daß die
Sicherheit des Tolmeiner Brückenkopfes die Wahl einer möglichst weit
vorne gelegenen Widerstandslinie erheische, während Gdl. Lukas seiner
Absicht dahin Ausdruck gab, daß er in der gewählten Linie auch in den
!) Ludwig Goiginger, Die Krisis in der 11. Isonzoschlacht (Österr. Wehr-
zeitung 1921, Folge 36).
460
Der Hochsommer 1917 an der Süd Westfront
kommenden Tagen Widerstand leisten und nur im äußersten Falle
das Gepovantal überschreiten wolle. Es war ein besonderes Verdienst
des FML. Goiginger, sich mit seinen Anschauungen rasch bei den be-
teiligten Korpskommandos durchgesetzt zu haben. Die Ausführungen
Goigingers sowie jene der Korpskommandanten wurden vom Armee-
kommandanten sehr freudig aufgenommen und veranlaßten ihn, den
am 22. abends gefaßten Entschluß schon am 24. vorm. abzuändern.
Diese Sinnesänderung dürfte wohl schon durch die bereits am
23. August abends fühlbar gewordene Entspannung vorbereitet worden
sein. Angriffe gegen den linken Flügel des XV. Korps waren verhältnis-
mäßig leicht abgewiesen worden. Das Vorgehen des Feindes beider-
seits des Avscektales entbehrte allen Nachdruckes. Auch das italienische
XXIV. Korps, das bisher die größte Tätigkeit entfaltet hatte, schien
zu erlahmen. Ein am Nachmittag gegen den Kolkrücken erneuerter Vor-
stoß wurde rasch vereitelt; dann trat hier Ruhe ein. Der Abschnitt
Vodice—Mt. Santo—Mt. S. Gabriele stand zwar zeitweise unter lebhaf-
tem Geschützfeuer, er wurde aber nicht angegriffen. Nur im Umkreis
des Kobilek spielten sich auch nachmittags schwere Kämpfe ab. Hier
befand sich allerdings eine gefährliche Stelle. Aber es gelang den
Italienern nicht, die bedeutsame Höhe dauernd in Besitz zu nehmen.
Die Truppen, die, unter schwerstem Eisenhagel ausharrend, den Ko-
bilekabschnitt hielten, verdienten höchste Bewunderung. In der beloben-
den Anerkennung des Armeekommandos wurden das Bukowinaer IR. 41,
das Dalmatiner SchR. 22 und das mährische LstlR. 25 besonders hervor-
gehoben. Von der 73. ID. mußte in diesem Kampfraum nur ein Batail-
lon bei Dragovice eingeschoben werden, während zwei Bataillone des
IR. 57, die vom XVI. Korps dem XXIV. Korps zugeschickt worden
waren, am Abend noch in Reserve standen.
Im Görzer Becken hatte der Stillstand angehalten, während südlich
der Wippach neue Kämpfe erst nachmittags auflebten, dabei aber nicht
das Merkmal eines geschlossenen, einheitlich geführten Angriffs zeigten.
Das VII. Korps hatte mehrere Vorstöße glatt abgewiesen. Beim XXIII.
Korps hatte die Wachsame Artillerie ein Vorbrechen des Feindes gegen
die 9. ID. verhindert. Mit größerem Nachdruck stießen die Italiener
gegen die Stellungen am Fuße der Hermada (Linie lc) vor. Allein ihr
Bemühen war vergeblich. Die siebenbürgische 35. ID. hielt ebenso stand
wie die tapfere 28.ID., bei der das böhmische IR. 11 und die Steiermärker
des IR. 47, die wieder das furchtbare Geschützfeuer der schweren Sdobba-
batterien über sich ergehen lassen mußten, wirklich „Übermenschliches"
Neue Stellung am Westrand des Cepovantales
461
leisteten1). Als es nun zu dunkeln begann, verstummte plötzlich das Ge-
töse der Schlacht, als wäre das Signal,,Feuer einstellen" gegeben worden.
Tatsächlich hatte die italienische Heeresleitung schon am 22. Au-
gust befohlen, daß die 3. Armee die Kriegshandlung unterbreche, die
erreichten Ziele: sicherstelle, die Kräfte ordne und sich für eine Wieder-
aufnahme des Angriffes bereithalte. Zugleich war ihr aufgetragen wor-
den, den Gegner zu binden, um ein Abziehen seiner Kräfte nach Norden
zu verhindern. Die letzten Angriffe auf dem Karste und an der
Küste waren sonach wahrscheinlich der Absicht entsprungen, in letzter
Stunde womöglich noch, einen Erfolg heimzubringen.
Am 23. abends stellte sich beim Armeekommando in Adelsberg
zwar noch unbestimmt, aber doch schon fühlbar das Empfinden ein,
daß die Schlacht ihren Höhepunkt überschritten habe. Unsicher war
jetzt nur noch die Lage auf dem Hochland von Bainsizza, wo der Rück-
zug eingeleitet war. Als am 24. morgens die Führer dieses Abschnittes
meldeten, daß die Loslösung vom Feinde im Laufe der Nacht ungestört
vollzogen werden konnte und das Besetzen der neuen Widerstandslinie
günstig fortschreite, gewann der Armeekommandant seine alte Zuver-
sicht wieder und ließ das XV. und das XXIV. Korps wissen, daß er
in Aussicht nehme, die von den Korpskommandanten gewählte Abwehr-
front dauernd festzuhalten. In den um etwa 10hvorm. ausgegebenen
Richtlinien unterstrich er die Vorzüge der bezeichneten Linie. Sie sei
kürzer als jene auf dem Ostrande des Cepovantales, in ihr gäbe es
schon einige Deckungen und Kavernen und die Artillerie fände bessere
Bedingungen zur Unterstützung der Infanterie. Auch sei der Besitz des
genannten Tales mit seinen Wasserspendern, Unterkünften und Straßen
vorteilhaft. Es sei also dringend erwünscht, die jetzt eingenommene
Stellung dauernd zu behaupten. Doch hänge dies vornehmlich vom Zu-
stand und vom Selbstvertrauen der Truppen, dazu natürlich auch vom
Verhalten des Feindes ab. Die Korpskommandanten wurden angewiesen,
darüber zu berichten.
Obgleich GO. Boroevic erst am 25. August abends den endgültigen
Befehl für das dauernde Stehenbleiben auf dem Hochlande von Bain-
sizza und von Lom gab, war mit den erwähnten Weisungen die ent-
scheidende Wendung schon ausgesprochen, die dann zur vollständigen
Überwindung der Krise führen sollte. Dazu trug der Feind nicht wenig
bei, indem er die Gelegenheit zu einer durchgreifenden Erweiterung
seines Erfolges ungenützt vorüberziehen ließ. Der Gen. Caviglia erhebt
!) Vogelsang, 616.
462
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
daher gegenüber der Armeeleitung den Vorwurf, sie habe das Heran-
nahen des entscheidenden Augenblickes nicht vorausgesehen und es
versäumt, hinreichende Kräfte zur Verfolgung des geschlagenen Geg-
ners bereitzustellen !). Tatsächlich befanden sich im Armeebereich außer
den schon eingesetzten Truppen noch über hundert frische Bataillone.
Allein es ist offensichtlich, daß auch Caviglia sowie die anderen Korps-
kommandanten das Heranreifen des Erfolges nicht wahrgenommen
hatten. Wahrscheinlich begann die Stoßkraft der Italiener zu dieser
Zeit schon zu erlahmen. Dies kann daraus gefolgert werden, daß die
Angriffshandlung schon am 23. August des Nachdruckes entbehrte, und
daß der Armeekommandant die Korpsführer für den 24. zu sich be-
rufen hatte, um die Lage zu besprechen.
Während dieser Unterredung traf bei den italienischen Führern die
überraschende Meldung ein, der Mt. Santo sei erobert worden. Die
Korpsführer eilten auf ihre Plätze zurück und nahmen jetzt erst die,
durchgreifende Änderung der Lage wahr.
Den öst.-ung. Nachhuten war es gelungen, den Feind am 24. meh-
rere Stunden hinzuhalten. Er verschoß noch einige Tonnen Munition auf
die verlassenen Stellungen, bevor er die am Vortage vergeblich be-
stürmten Höhen Kobilek und Kolk erstieg; erst gegen Mittag setzte er
den Fuß auf den Vodice und auf den Mt. Santo. Das Zögern der Italie-
ner kam den Abziehenden sehr zustatten und ermöglichte es, daß arge
Stockungen der in der Nacht durcheinander geratenen Artillerie- und
Troßkolonnen schließlich behoben werden konnten. Als italienische
Flieger heranbrausten und mit Bomben und Maschinengewehren eine
auf der Straße zwischen Podlesce und Chiapovano entstandene Ver-
wirrung zu erhöhen hofften, war das Ärgste schon überwunden. Im
Laufe des Nachmittags tasteten sich feindliche Patrouillen an die neue
Abwehrlinie heran. Sie störten nicht. Zu einem ernstlichen Kampf kam
es im Laufe dieses Tages nur um die besetzt gebliebenen Stellungen
auf dem Westhang des Mt. S. Gabriele. Dort stieß die Brigade Palermo
unter dem Schutze mächtiger Artillerie entschlossen vor. Aber das
tapfere FJB. 9 warf den bis in die tiefe Nacht hinein immer wieder
anrennenden Feind jedesmal zurück.
Abgesehen davon, daß dieser Kampf auch den rechten Flügel des
XVI. Korps bei Sv. Katarina in Mitleidenschaft zog, herrschte im Becken
von Görz im allgemeinen Ruhe. Mit besonderer Befriedigung nahm man
1) Caviglia, La battaglia della Bainsizza, 101 f. — Vgl. auch Baj Maca-
rio, La crisi della Bainsizza (Rom 1933).
Teilung der Isonzofront in zwei Armeebereiche
463
w.ahr, daß der am Vorabend auf dem Karste und an der Küste ein-
getretene Stillstand weiter anhielt. Der Feind verschanzte sich und
schien Ablösungen vorzunehmen. Drückende Hitze breitete sich über das
verstummte Schlachtfeld. Nun war es endlich möglich, den Überlebenden
der tapferen 35. ID. eine redlich verdiente Erholung zu gewähren. Ihre
Ablösung durch die 10. ID. wurde eingeleitet. Noch völlig unverwendet
blieb dann die 41. HID., die für jeden Fall hinter dem linken Flügel
der Isonzoarmee bereitstand. Die 12. ID. befand sich im Räume um
Gabrovica zur Retablierung. Für den Südflügel de,r Armee schien wohl
keine Gefahr mehr zu bestehen. Entscheidend für die weitere Entwick-
lung war, ob die stark abgekämpften Truppen auf dem Hochland von
Bainsizza imstande sein würden, bis zum Eintreffen neuer Zuschübe
durchzuhalten. Von der Ostfront rollte die 19. ID. heran, deren Kampf-
wert allerdings nicht hoch eingeschätzt wurde, und anschließend an
diese die 53. ID., zunächst nur mit ihren drei ungarischen Landsturm-
regimentern. Von Tirol wurden das IR. 50 und das 26. SchBrigkom-
mando mit den Schützenregimentern 25 und 14 erwartet.
Um diese Zeit war der vom Chef des Generalstabes schon mündlich
angezeigte Befehl der Heeresleitung eingetroffen, der die Teilung der
Isonzofront in eine 1. und eine 2. Isonzoarmee vorschrieb, wobei GO.
Boroevic mit seinem Stab in Adelsberg zum Heeresgruppenkommando
erhöht wurde. Zum Führer der 1. Isonzoarmee, die das XXIII., das
VII. und das XVI. Korps umfassen sollte, wurde GO. Freih. v. Wurm,
zu dessen Generalstabschef Obst. Körner ernannt. Mit dem Kommando
der 2. Isonzoarmee, die zunächst aus dem XXIV. und dem XV. Korps
zu bilden war, wurde Gdl. Henriquez betraut und ihm Obst. Freih. v.
Salis-Samaden als Generalstabschef beigegeben. Ferner stellte die Hee-
resleitung ein neuformiertes IV. Korpskommando, an dessen Spitze der
bewährte Führer des XIV. Korps, GdK. Schönburg, berufen wurde,
sowie ein vom FML. Kosak zu führendes Gruppenkommando zur Ver-
fügung. Die neuen Kommandos hatten anfänglich nur die Führung auf
dem Schlachtfelde zu übernehmen, die materielle Versorgung sollte in
Adelsberg vereint bleiben.
Das bisherige IV. Korpskmdo. in Kärnten wurde in ,,Gruppe Gdl.
Hordt" umbenannt. Das XIV. Korps in Tirol übernahm Gdl. v. Martiny,
der seit den Tagen von Luck auf eine Wiederverwendung gewartet hatte.
Die Neueinteilung im Küstenlande sollte erst mit dem Eintreffen und
nach Einführung der neuen Kommandanten von Fall zu Fall in Kraft
treten.
464
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
Der Anprall der Italiener an die neue Verteidigungsfront
Nachdem auf der Hochfläche von Bainsizza die Truppen aus der
Zone des schweren Artilleriefeuers herausgeführt worden waren, lebte
ihr alter Kampfgeist rasch wieder auf. Dank der geringen Tätigkeit des
Feindes am 24. August war das Besetzen der neuen Widerstandsünie
und das Ordnen der Verbände trotz mancher Reibungen, die vornehm-
lich der Unübersichtlichkeit des Geländes entsprangen, verhältnismäßig
gut vonstatten gegangen. Die Artillerie hatte allerdings ungewöhnliche
Schwierigkeiten zu überwinden, da es ihr an Pferden mangelte; es
dauerte daher noch einige Tage, bis alle Batterien aufgefahren und
feuerbereit waren.
Gemäß den ergangenen Weisungen wurde eine neue Gruppierung
angenommen. Der Südflügel des XV. Korps besetzte unter Befehl des
Kommandanten der 22. LstGbBrig., Obst. v. Colerus, die Linie S el o—
Mesnjak—Kai,. Diese Brigade bestand nunmehr aus dem IR. 64, dem
SchR. 37 und den Infanteriebataillonen V/47, 1/63, II/66, Vl/bh. 4 sowie
dem k. u. LstlBaon. IX/19. Bei der Ortschaft Kai schloß das XXIV.
Korps mit der Gruppe FML. Ludwig Goiginger an. Diese zerfiel in
den von Kai bis zur Höhe -<¡>- 895 (östlich von Kuscarji) reichenden
Unterabschnitt FML. Urbarz, der aus drei Bataillonen der 47. IBrig.
und drei der 10. GbBrig. gebildet war, und in den anschließenden
Unterabschnitt GM. Haas, der fünf Bataillone der 2. GbBrig. in sich
schloß und bei Madoni an die 43. SchD. grenzte. Als Gruppenreserve
wurden die Reste der Regimenter 10, 45 und 77 und des SchR. 36 in
rund fünf Bataillonen zusammengefaßt. FML. Fernengel mit zehn Ba-
taillonen der 43. SchD. und zwei Bataillonen des IR. 57 sperrte zwischen
Madoni und Zagorje den Eingang ins Cepovantal, während dem GM.
Hrozny mit den zehn Bataillonen der 57. ID. die Verteidigung des Ab-
schnittes Zagorje—Mt. S. Gabriele überantwortet war. Als Reserve für
das ganze XXIV. Korps waren die Bataillone 11/20 und III/55 der
73. ID. sowie ein Bataillon des IR. 57 bei Lokve aufgestellt.
Es standen also am. 25. August an der 22 km messenden Linie Log—
Mt. S. Gabriele 52 Bataillone, deren Mehrzahl schon hart gekämpft
und beträchtliche Verluste »erlitten hatte. Nicht verwendungsfähig waren
die 21. SchD. und die 106.LstID.; jene sollte sich in der Umgebung von
Chiapovano durch Einreihen von Marschformationen wieder aufrichten.
Die letztgenannte hatte ein gleiches bei Nemci und Lokve zu tun.
Festigung der Front des k. u. k. XXIV. Korps
465
Am Vormittag vom Armeekommando über den Verteidigungswert
der neuen Linie befragt (S. 461), legte FML. Scotti neuerlich in ein-
dringlicher Form dar, daß das Stehenbleiben auf dem Hochlande
von Lom und von Bainsizza in möglichst großem Abstand vom der
Cepovanfurche eine „Lebensfrage" für den Brückenkopf von Tolmein
sei. Gleichermaßen unterstrich FML. Goiginger diese Notwendigkeit;
er berichtete, daß die gewählte Widerstandslinie Kai—Madoni günstig
sei. Sie könne dauernd gehalten werden, doch müsse für ihre tech-
nische Ausgestaltung und eine ausgiebige Verstärkung, namentlich an
Artillerie, vor gesorgt werden. Der Mißerfolg der letzten Tage sei
„neben dem Versagen einiger Truppenkörper1) der gewaltigen, mehr
als dreifachen Überlegenheit der italienischen Artillerie und Minen-
werfer zuzuschreiben". Diese hätten nicht allein physisch verheerend
gewirkt, sondern auch entmutigend, weil die Truppen eine Unterstützung
durch gleichwertige Kampfmittel vermißten.
Im genannten Abschnitt war vorderhand ein Massienfeuer der
feindlichen Artillerie nicht zu befürchten. Es schadete also nicht, daß
hier keine ausgebauten Stellungen vorhanden w'aren. Im Gegenteil, die
Truppen fanden sich im natürlichen Gelände sogar besser zurecht als
im Gewirr der Wälle und, Gräben. Freilich mußte damit gerechnet wer-
den, daß die Gefechtslinie Schwankungen unterworfen sein werde.
Damit konnte man sich aber um so leichter abfinden, als das Armee-
kommando selbst die Preisgabe des ganzen Hochlandes nicht für un-
möglich gehalten hatte. Solcher Auffassung mochte auch das XXIV.
Korpskmdo. gewesen sein, als es anordnete, daß unter feindlichem
Druck allenfalls bis an den Westrand dés Cepovantales zurückgegangen
werden dürfe. Indessen sollten die Truppen der 73. ID. bald den Beweis
erbringen, daß sie eines so< weisen Spielraumes nicht bedurften.
Dort, wo die neue Widerstandslini(e an die alte Stellung anschloß,
im Süden beim Mt. S. Gabriele und im Norden bei Log und Mesnjak,
standen die Verteidiger weiterhin im Wirkungsbereich der italienischen
Artilleriemassen. In diesen Räumen behielten daher die Kampfhandlun-
gen das Merkmal der härtesten Materialschlacht. Namentlich der
heißumstrittene Mt. S. Gabriele wurde zu einer Stätte der Vernichtung
und des Verderbens.
Auf Seite der Italiener erreichten am 24. August abends das
II. Korps die Linie Gargaro—Bitez und das XXIV. Korps die Front
1) Gemeint waren offenbar die beiden Schützenregimenter 8 und 28. Eine
spätere Untersuchung zeigt aber, daß der Vorwurf nicht ganz gerechtfertigt war.
VI 80
466
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfronit
Slemo—Trusnje. Das XIV. Korps hatte Levpa durchschritten und rückte
gegen Koprivsce vor. Dem XXVII. Korps war es wegen der glück-
lichen Ereignisse im Süden endlich möglich gewesen, den rechten Flügel
gegen Hoje in Bewegung zu setzen. Die starke Mitte dieses Korps, idie
65. ID. und die 5. Alpinigruppe, hatte indessen vergeblich versucht, in
die Ortschaft Mesnjak einzudringen und die Höhe 549 südlich von
Log zu erstürmen. Der tapfer durchgeführte Angriff war durch die
Artillerie des XXVII. und des XIV Korps gut vorbereitet und unter-
stützt worden., „aber es gab in diesem Gebiete keinen Angriff, auf den
nicht ein Gegenangriff gefolgt wäre, und so war es weder am 24. noch
in den folgenden Tagen möglich, irgend einen Erfolg zu erringen" 1).
Am 25. August kam es wieder bei Mesnjak, bei Hoje und um die
Höhe -<¡>- 549 zu lebhaften Kämpfen. Sie brachten den Italienern keinen
Erfolg. Gegen die Gruppe FML. Goiginger entwickelte der Feind
starke Kräfte, führte aber keinen geschlossenen Angriff. Auf dem Vrh
Scur-<¡>- 814 (südwestlich von; Kai), bei Vrhovec, bei Podlesce und bei
Kuscarji, ferner bei Podlaka entspannen sich örtliche Gefechte, die
nachmittags bei Podlesce und bei Podlaka größeren Umfang annahmen.
Der Feind wurde überall zurückgewiesen, manchenorts erst nach Hand-
gemenge. Hiebei taten, sich das FJB. 12 und das Bataillon III/bh. 1 be-
sonders hervor.
Die an die Gruppe Goiginger südlich anschließende 43. SchD. hatte
sich in der neuen Lage noch nicht ganz zurecht gefunden. Als ihr
die Ansammlung von etwa 18 feindlichen Bataillonen in der Gegend
nördlich von Madoni gemeldet wurde, befürchtete sie, daß ihre nördlich
des Gepovantales aufgefahrenen Batterien in Gefahr kommen könnten.
Das hievon verständigte Korpskommando wendete sich an FML. Goigin-
ger und erhielt von diesem entschlossenen Führer kurzerhand bündig
zur Antwort, „was hinter den eben angreifenden feindlichen Truppen
folge, könne nicht beurteilt werden; er werde den Angriff abwehren.
Ein Zurückgehen ist keineswegs notwendig."
An diesem Tage war die 18. IBrig. der 57. ID. ¡auf dem Mt. S. Ga-
briele von der italienischen 11. ID. sehr heftig angegriffen worden.
Nach erbittertem Ringen mußte ein Teil der Stellung auf dem West-
hange aufgegeben werden. Die Linie lb ¡auf dem Nordgipfel des im
Trommelfeuer lodernden Berges wurde aber von Teilen des IR. 87 und
des ungarischen Landsturminfanteriebataillons 1/2 zähe gehalten, in-
dessen das FJB. 9 im Südteil der Hangstellung weiterhin ausharrte.
1) G elo s o, 152 f.
Mißlungene Angriffe der Italiener gegen die neue Stellung
467
Dieses Geschehen auf dem Mt. S. Gabriele hatte den Gdl. Lukas
bewogen, die zwei Bataillone der 73. ID., die als Korpsreserve bei
Nemci und Lokve zurückgehalten worden waren, dem GM. Hrozny zur
Verfügung zu stellen. Sie marschierten nach Voglarji. Damit schwand
für den FML. Goiginger die Aussicht, die beiden Bataillone zurückzu-
bekommen. Da er für den kommenden Tag einen größeren Angriff des
Feindes erwartete, bat er, ihm das nächste in Grahova eintreffende
Regiment zuzuweisen. Allein das Korpskommando konnte dieser Bitte
noch nicht willfahren. Das eben einlangende IR. 50 wurde vielmehr mit
Zustimmung des Armeekommandos als Korpsreserve nach Lokve und
Chiapovano geleitet.
In der Nacht auf den 26. August unterbrach ein erfrischender Ge-
witterregen die Kampfhandlungen. Als der neue Tag anbrach, setzten
die Italiener die Angriffe gegen den linken Flügel des XV. Korps fort.
Wieder Wurde die Höhe 549 südlich von Log hart umstritten, wo
die Bataillone V/47 und I/SchR. 37 heldenmütig Widerstand leisteten1).
Bei Mesnjak gelang es den Italienern durchzubrechen. Sie wurden aber
zurückgeworfen und mußten sich mit dem Besitz des Westteiles dieser
verstreuten Ortschaft begnügen. Gegen die Gruppe Goiginger ver-
brauchten die Italiener ihre Kräfte in Teilstößen, ohne irgend einen
bleibenden Srfolg zu erzielen. Es war ihnen offenbar noch nicht mög-
lich gewesen, ihre Batterien auf das Ostufer des Isonzo zu bringen.
Vormittags gelang es ihnen, in schneidigem Anlauf den Vrh Scur zu
ersteigen; aber die hier fechtende 47. IBrig., die allerdings nur
2300 Feuergewehre zählte, eroberte alsbald, den kahlen Bergrücken
zurück. So wie am Vortage waren die Höhen zwischen Vrhovec und
Madoni wieder Schauplatz wechselnder Gefechte, in denen die öst.-ung.
Truppen schließlich die Oberhand behielten.
Im Gebiete des Mt. S. Gabriele wurde die Absicht des Feindes
merkbar, den Berg von Norden her zu umfassen. Truppen in der Stärke
etwa einer Division gingen näher an den Eingang zum Cepo vantai und
an Zagorje heran. Nachmittags nahmen sie nach kräftiger Vorbereitung
durch die Artillerie die Höhe -<¡>-561 südlich vom WH. Kai in Besitz.
Von der italienischen 8. ID. stürmte zu Mittag eine in vielen Linien tief
gegliederte Brigade aus dem Dolsattel gegen den Veliki Hri,b vor, wäh-
rend die andere Brigade von Westen her den Stirnangriff über Kra-
marca erneuerte; aber die tapferen Bataillone der 18. IBrig. wichen
nicht um einen Schritt zurück und nahmen den Italienern sogar
i) P i c h 1 e r, Das V./47. Bataillon in Vogelsang, IR. 47, 784.
30*
468
Der Hochsommer 1917 an der Süd Westfront
230 Gefangene ab. Als es dunkelte, verebbte das Vernichtungsfeuer der
beiderseitigen Artillerie — allerdings nur für kurze Nachtstunden.
So war wieder ein Tag glücklich überwunden. Dies bedeutete für
das Heeresgruppenkommando sehr viel, denn sein ganzes Sinnen konnte
allein nur darauf gerichtet sein, Zeit zu gewinnen. Noch am Vormittag
dürfte sich GO. Boro evie trüben Aussichten hingegeben haben, als er
der Heeresleitung die Frage vorlegte, was geschehen solle, „falls die
Armee ungeachtet ihrer heroischen Anstrengungen die gegenwärtige
Lage nicht mehr aufrecht zu erhalten vermöchte". Er wisse sich frei
von Pessimismus, wenn er Weisungen für diesen äußersten Fall erbitte.
Das tropfenweise Eintreffen einzelner Truppenkörper in großen Ab-
ständen sei nur ein momentaner Notbehelf, der die Lage im großen
nicht wesentlich ändern könne.
Möglich wäre aber auch, daß GO. Boroevic mit dieser Depesche
vornehmlich die vom Chef des Generalstabes am 22. August angedeute-
ten Absichten fördern wollte. Das Kommando der Südwestfront gab ihr
in seiner anschließenden Meldung jedenfalls die Deutung, daß alle
Umstände dazu drängen, ,,mit der italienischen Armee abzurechnen,
was nur durch eine Offensive möglich'4 sei.
Der Aus g ang der Schlacht
Wechselnde Entschlüsse der italienischen Heeresleitung
Wie schon ausgeführt wurde (S. 461), hatte Gen. Cadorna am
22. August angeordnet, daß die 3. Armee die Kriegshandlung unter-
breche. „Das Ergebnis des ersten Angriff Sprunges, der für gewöhnlich
der fruchtbringendste ist, war zu gering", schreibt der Marschall nach
dem Kriege. Er befürchtete, daß ein besseres Ergebnis nur mit großen
Verlusten und Schäden für die Truppen zu erkaufen wäre1). Nunmehr
sollte durch Verstärkung des Druckes der 2. Armee, die schon an-
sehnliche Erfolge verzeichnen konnte, eine vorteilhafte Rückwirkung auf
die Kriegshandlung der 3. Armee mittelbar ausgelöst werden. Zu die-
sem Zwecke wurde am 22. August dem Herzog von Aosta aufgetragen,
in nächster Zeit zwei Divisionen sowie eine größere Anzahl mittlerer
und schwerer Batterien und Minen wer fer an die 2. Armee abzugeben.
Die Artilleriemasse der 2. Armee stieg dadurch auf 1550 mittlere und
1) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 406.
Neue Mißerfolge der Italiener
469
schwere neben 850 leichten Geschützen an1). Gen. Capello- hinwider er-
hielt den Befehl, die Kriegshandlung fortzusetzen und das VIII. Korps
neuerlich in die Angriffsfront einzubeziehen, wodurch auch das Hin-
dernis auf den Höhen östlich von Görz weggeräumt werden sollte.
In seinen Denkwürdigkeiten wendet sich Cadorna gegen die ihm
von „böswilliger Seite" unterschobene Zumutung, er sei mit der ange-
gebenen Maßnahme von seinem ursprünglichen Entwürfe „Laibach—
Triest" abgekommen. Zum Gegenbeweis führt er an, die Heeresleitung
habe am 26. August die Armeeführer darüber unterrichtet, daß einer-
seits die Mittel für ein gleichzeitiges Fortführen der Kriegshandlung
nicht hinreichten und anderseits die bisherigen Ereignisse auf dem
Hochland von Bainsizza den Gegner nicht notwendigerweise zur Ver-
minderung seiner Widerstandskräfte auf dem Karste zwingen müßten.
Es werde deshalb erforderlich sein, der 3. Armee zur Wiederaufnahme
des Großangriffes namhafte Artillerie und alle entbehrlichen Minen-
werfer von der 2. Armee zu überstellen. Die Armeekommandanten soll-
ten hierüber das Einvernehmen pflegen, und der Herzog von Aosta
möge den Zeitpunkt bestimmen, wann er die Kriegshandlung, deren
Beschleunigung erwünscht sei, werde wieder beginnen können2).
Offenbar nahm Gen. Cadorna am 26. August an, daß die 2. Armee
ihr Ziel, das Hochland von Terno va, demnächst erreichen werde. Auch
Gen. Capello scheint große Hoffnungen gehegt zu haben, als er an die-
sem Tage dem XXIV. Korps eine Kavallerie division und drei Radfahr-
bataillone zur Verfügung stellte. Der Korpsführer sah sich allerdings
genötigt, die Reiterei im Isonzotal zu belassen, weil es auf dem Hoch-
land von Bainsizza an Wasser mangelte3). Die schöne Zuversicht sollte
auch sonst nicht belohnt werden.
Am 27. August konnten nirgends Fortschritte erzielt werden. Die
Mitte auf dem Hochland von Bainsizza sah sich einer nun schon durch
zahlreiche Batterien gestärkten Abwehrfront gegenüber, wogegen sie
selbst noch immer einer hinreichenden Artillerieunterstützung entbehrte.
Auch im Lomgebiet konnte kein Boden gewonnen werden. Der Raum
um den Mt. S. Gabriele wurde wieder heftig beschossen. Ein Angriff,
der zu Mittag gegen diesen nunmehr zum Schlüsselpunkt der Front
gewordenen Berg eingeleitet worden war, scheiterte. Das VIII. Korps
im Görzerland bereitete ein neues Unternehmen durch kräftiges Feuer
1) Geloso, 116.
2) C a dor n a, La guerra, Neudruck 1934, 412.
3) Caviglia, La battaglia della Bainsizza, 109.
470
Der Hochsommer 1917 an der Siidwestfront
vor und arbeitete sich an die gegnerischen Stellungen heran. Hiebet
prellten einzelne Abteilungen vor und holten sich blutige Köpfe. Schwü-
ler Südwind hatte an diesem Tage starke, die ganze Nacht anhaltende
Regengüsse gebracht. Es war eine Erquickung für alle, die auf diesem
öden Bergland ihre schwere Pflicht erfüllten.
Aber auch am 28. August, der im südlichen Bereich der italieni-
schen 2. Armee zu einem Großkampftag werden sollte, scheiterten alle
Bemühungen der mit anerkennenswerter Zähigkeit vorgehenden Ita-
liener. Der Angriff drückte mit seinem Schwergewicht gegen den Mt.
S. Gabriele und strahlte nördlich bis über die Höhen von M adoni und
südlich bis jenseits des Mt. S. Marco aus. Zugleich wurden die Vorstöße
auf dem Hochlande von Bains izza und von Lom kräftig fortgesetzt.
Namentlich das XXVII. Korps bemühte sich noch einmal, den schon
lange erstrebten Durchbruch gegen Lom zu erreichen. Es gelang ihm
nach kräftiger Artillerievorbereitung, mit dem rechten Flügel die Höhen
südlich vom 0;rte Hoje zu ersteigen, nicht aber, sich dort zu be-
haupten. Bei Mesnjak drang eine Sturmkolonne bis in die Nähe von
Dolgi Laz durch, mußte aber am Abend zerschlagen umkehren. Bei
Ma-doni und vor dem Eingang zum Cepovantal verbluteten in vergeb-
lichen Anstürmen die Brigaden Teramo, Aquila und Campobasso gegen
den linken Flügel der Gruppe Goiginger und gegen die 43.SchD., die
durch das IR. 57 verstärkt worden war. Im Hauptangriffsgebiete wurde
der Mt. S. Gabriele der Mittelpunkt heftiger Kämpfe. Vom Tages-
anbruch an bearbeiteten die italienischen schweren Batterien den be-
deutsamen Eckpfeiler mit ganzer Kraft. Zu Mittag begannen Anstürme
der Infanterie sowohl von Norden als ¡auch von Westen her. Das Rin-
gen, namentlich um den Nordgipfel Veliki hrib, dauerte bis in die
Nacht hinein und endete damit, daß die beiden Gegner schließlich mit
der letzten Granate in der Hand auf Wurfweite voreinander erschöpft
liegen blieben. Ebenso grimmig war der Kampf an der Linie Sv. Kata-
rina—Mt. S. Marco geführt worden. Namentlich im Panowitzerwald,
wo den Brigaden Gaeta und Bergamo das Linzer LstlR. 2 entgegentrat,
und beim Mt. S. Marco, wo die mutig vorstürmenden und von kühnen
Fliegern begleiteten Brigaden Porto Maurizio, Piemonte und Jonio es mit
den tapferen, kriegsgehärteten Männern des F JB. 2, des k.k. LstlR. 51
und des IR. 96 zu tun bekamen, war es scharf hergegangen; doch blie-
ben alle Stellungen im Besitz der Verteidiger. So hatte denn auch das
Eingreifen des VIII. Korps in den Kampf der italienischen 2. Armee
keinen Gewinn gebracht.
Verebben der Schlacht auf dem Nordflügel
471
Fruchtlos blieb die Kriegshandlung dieser Armee auch am 29. Au-
gust. Nach dem Scheitern eines letzten Vorstoßes bei Hoje und bei
Mesnjak wurde das Unternehmen auf dem Hochland von Bainsizza
und von Lom zu Mittag eingestellt. Damit schloß die Tätigkeit der ita-
lienischen Korps XXVII, XIV und XXIV ab, nachdem das IV. Korps
auf dem Nordflügel schon seit seinem ersten mißglückten Unternehmen
gegen den Mrzli Vrh geruht hatte. Die Kriegshandlung wurde jetzt nur
noch vom II., vom VI. und vom VIII. Korps im Schwergewichtsraum
um den Mt. S. Gabriele fortgeführt. Bei diesem Korps traten in den
nächsten Tagen mehrere frische Brigaden, darunter auch solche, die
früher der 3. Armee zugehörten, in den Kampf. Wie sehr das Hoch-
gefühl nachwirkte, das die Italiener beim Erkennen des gegnerischen
Rückzuges erfüllte, zeigte sich am 29. August, als eine aus zwei Infan-
teriebataillonen, einer Schwadron und einer Gebirgsbatterie gebildete
„fliegende Kolonne" versuchte, von Britof durch die Pforte beim
WH. Kai in das Cepovantal einzudringen1). Zu solchem Beginnen war
die Zeit wohl schon lange vorbei. Immerhin war es ein schneidiges
Stück, als die Gebirgsbatterie bei der Höhe -<¡>- 5612), wenige hundert
Meter vor dem IR. 24 der 43.SchD., Stellung bezog, und als die
Schwadron hoch zu Roß gegen das WH. Kai vorritt. Vergeblich stie-
ßen die Italiener auch gegen Zagorje vor, wo ihnen der linke Flügel
der 43.SchD. sowie das Bataillon III/69 der 5. IBrig. einen üblen Emp-
fang bereiteten. Sehr heftig wurde wieder um den Mt. S. Gabriele ge-
stritten. Trotz mehrfacher Anstürme der Italiener gaben die zähen
Verteidiger — es waren immer wieder dieselben Bataillone der
18. IBrig. —< nicht nach. Im Görzer Becken trat das VIII. Korps erst
nachmittags neuerlich an, offenbar deshalb, um der Artillerie mehr Zeit
für die Zermürbung des Gegners zu geben. Allein es war eine Täu-
schung. Die Angriffe kamen nicht über die erste Linie hinaus. Bei ein-
tretender Dunkelheit und dem nun einsetzenden Regen verstummte
endlich das Kampfgetöse.
Nun entschloß sich die Heeresleitung, den Großangriff der 3. Armee
gänzlich aufzugeben. Drückender Mangel an Schießbedarf zwang den
Gen. Cadorna, auf diese Kriegshandlung zu verzichten. Zugleich schrieb
er am 29. August der 2. Armee, daß der überaus große Verbrauch an
Menschen und Mitteln es erheische, auch das Vorhaben dieser Armee
zunächst auf solche in Gang stehende Unternehmen einzuschränken,
1) Brigate di Fanteria, Vili, 193.
2) Die Höhe ist in manchen Karten fälschlich mit -<>- 661 bezeichnet.
472
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
die noch zur örtlichen Vierbesserung der Gefechtslage dienen könnten.
Für späterhin habe jedoch Gen. Capello einen entscheidungsuchenden
Angriffsplan zu überlegen und vorzubereiten, der den ganzen Block
der gegnerischen Verteidigung im Görzer Becken zu Fall bringen müsse.
Gemeint sei der Raum zwischen der Wippach und dem Südrand des
Hochlandes von Ternova, den Mt. S. Gabriele und den Mt. S. Daniele
mitinbegriffen. Der Heerführer fügte bei, daß diese Kriegshandlung
mit höchster Tatkraft und unter stärkster Artillerie wirkung durchzu-
führen sein werde und für Mitte September in Aussicht genommen sei1).
Dieser Befehl enthielt die endgültige Absage an Gen. Capello in
bezug auf die von ihm bisher hartnäckig verfolgte Angriffsrichtung
gegen Tolmein. Er entschloß sich nun, den Absichten der Heeresleitung
zum Teil vorgreifend, den im Gange befindlichen Angriff gegen den
Mt. S. Gabriele sogleich fortzusetzen, nicht allein deswegen, weil die
Heeresleitung davon eine spätere Einwirkung der 2. Armee auf die
Kriegshandlung der 3. Armee erhoffte, sondern auch deshalb, weil der
wuchtige Bergklotz die Straße aus dem Isonzotal über den Dolsattel
in das Becken von Britof sperrte2).
Die Verschärfung der Kämpfe um den Mt. S. Gabriele
Seit dem Rückzüge auf dem Hochlande von Bainsizza und von Lom
waren nun fünf Tage vergangen. Als vom 26. August an frische Kräfte
bei der Isonzoarmee, allerdings nur „tropfenweise" — wie GO. Boroe-
vic es nannte — eintrafen, und auch die Auffrischung der zerschlagenen
Divisionen Fortschritte machte, besserte sich die Lage mit jedem neuen
Tage. Am 29. August konnte man schon mit dem Vollgefühl wieder-
gewonnener Sicherheit jede Gefahr, die für das Hochland bestand,
als überwunden betrachten. Es galt als feststehend, daß die neue Front-
linie ,auf dem genannten Hochland dauernd gehalten werden müsse;
daher wurden alle verfügbaren Mittel eingesetzt, um die Stellung tech-
nisch .auszugestalten.
Am 29. August übernahm GdK. Schönburg das Kommando über
den Abschnitt IIa, der von der Ortschaft Kai bis Sv. Katarina reichte.
Wegen der Räumung des Mt. Santo hatte der Mt. S. Gabriele, der schon
immer als Stützpfeiler des Schrankens vor dem Wippachtalbecken von
1) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 414.
2) Capello, 131.
Beginn des Kampfes um den M't. S. Gabriele
473
Wichtigkeit war, noch an Bedeutung gewonnen, da er nun auch als vor-
geschobenes Bollwerk für die Verteidigung des Hochlandes von Ternova
diente. Ursprünglich nur vom Westen her angreifbar, wurde der wuch-
tige, grau in den Himmel ragende Bergklotz seit dem 25. August durch
die italienischen Sturmwellen auch von Norden her umbrandet. Die
Verteidigung gegen Angriffe aus dieser Richtung war nicht allein des-
wegen schwierig, weil die technischen Abwehranlagen dafür nicht ge-
schaffen waren, sondern auch, weil nunmehr an Stelle der ursprünglich
im Becken von Britof und hinter dem Mt. Santo postierten, durch ihr
Seitenfeuer vortrefflich wirkenden eigenen Batterien solche des Feindes
Aufstellung nahmen.
Die Zahl der von den Italienern zur Bekämpfung des Gabriele-
abschnittes eingesetzten Batterien stieg von T,ag zu Tag, bis schließ-
lich neben der leichten Artillerie nicht weniger als 700 mittlere und
schwere Geschütze sowie einige hundert Minenwerfer vereint waren.
„Es war dies, bezogen auf die Ausdehnung des Zielraumes, die größte
Anhäufung von Feuerschlünden während des Krieges"1).
So rückte der schon seit dem 24. August heftig umtobte Mt. S. Ga-
briele immer stärker in den Mittelpunkt der Schlacht, die andernorts
schon im Erlöschen war. Nach viertägigem Ringen hatten die Italiener
am 29. abends eine Schanze bei der Nordkuppe 526 erobert. In der
folgenden Nacht entrissen die „Siebenundachtziger" dem Feind einige
von ihm eroberte Grabenstücke und nahmen dabei etwa 100 Mann ge-
fangen. Tags darauf bemächtigten sich die Italiener neuerlich eines
etwa 200 Schritte langen Stellungsteiles. Nun sollte das 1. Bataillon des
vor kurzer Zeit aus Tirol eingetroffenen IR. 50 den Gegenangriff füh-
ren; aber dieses Vorhaben scheiterte. Unverzagt trotzten unterdessen
in den anderen Abschnitten die im furchtbaren Eisenhagel zusammen-
schmelzenden Scharen der Bataillone 11/34 und IV/20 sowie des IR. 87
dem neuerlich anstürmenden Feinde. In der Nacht und dann am 31. Au-
gust vormittags hielt sich das Artilleriefeuer in mäligen Grenzen. Zu
Mittag schwoll es wieder an, und nach dreistündigem Trommeln be-
gann der Kampf der Infanterie von neuem. Der Feind vermochte die
beim Veliki hrib geschlagene Bresche um ein Stück zu erweitern. Zu-
nächst kämpfende Teile des IR. 87 sowie die in der Nacht herangeführ-
ten Bataillone II und HI/50 schritten zum Gegenangriff. Die Stellung
konnte jedoch nicht ganz zurückerobert werden. Indessen waren Vor-
stöße des Feindes bei Kramarca und Zagorje glatt abgewiesen worden.
1) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 415.
474
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
Am 1. September morgens saß der Italiener noch ,auf dem Veliki
hrib. Andauerndes Vorschieben starker feindlicher Kräfte aus dem
Isonzotal gegen den Dolsattel und von da auf den Westhang des Mt.
S. Gabriele und auch gegen den Veliki hrib sowie das andauernde
schwere Geschütz- und Minenfeuer ließen weitere Angriffe erwarten.
Um diesen zu begegnen, entschloß sich der Kommandant der 18. IBrig.,
Obst. Laxa1), von dem zur allmählichen Ablösung des IR. 87 bei Rav-
nica eingetroffenen Egerländer LstlR. 6, das nach Einreihen der Marsch-
truppen wieder in zweieinhalb Bataillone gegliedert war, ein Bataillon
bei Tag auf den Ostrand des Mt. S. Gabriele vorzuschieben. Der erwar-
tete Angriff erfolgte jedoch nicht, obgleich die italienische Artillerie
mit dem Beschießen des Gabrieleabschnittes fortfuhr. Am 2. September
nahm das Feuer ab. Die „Siebenundachtziger" engten den feindlichen
Einbruch auf dem Veliki hrib ein und verhinderten abends dessen Wie-
dererweiterung. Allmählich trat etwas Ruhe ein. Nun wurde dieses
prachtvolle südsteirische Regiment abgelöst. Es hatte den schwersten
Kampf durchgestanden, „den je ein österreichischer Truppenkörper
gekämpft hat"2).
Verglichen mit dem Geschehen auf dem Mt. S. Gabriele waren die
Kampfhandlungen dieser Tage an der übrigen Front des Abschnittes IIa
unbedeutend. Um diesen einen Schlüsselpunkt der Front verdichtete sich
das Sinnen und Sorgen aller höheren Führer, und brennend war die
Frage, ob der Eckpfeiler weiter gehalten werden könne. Niemand
konnte dafür einstehen. Der Divisionskommandant, GM. Hrozny, be-
richtete am 2. September: „Die Erfahrungen der bisherigen Kämpfe zur
Festhaltung des Gabriele verpflichten mich, nochmals zu melden, daß
diese Stellung, und zwar besonders der Veliki hrib, wegen der außer-
ordentlich ungünstigen taktischen Lage, keine Dauerstellung ist und
bei Fortdauer der gegenwärtigen ununterbrochenen starken feindlichen
Angriffe kaum länger standhalten kann." Auch der Führer des Ab-
schnittes IIa sah sich gezwungen, zu berichten, daß das Halten des Mt.
S. Gabriele „nicht voll gewährleistet" werden könne. Es stünden jetzt
zwar schon Truppen in hinreichender Zahl zur Verfügung, aber im
gegebenen Falle bedürfe man Truppen ganz besonderen Kampfwertes.
1) Dem Obersten des Generalstabskorps Wladimir Laxa wurde für die her-
vorragende Leitung der Verteidigung des Mt. S. Gabriele das Ritterkreuz des Militär-
Maria Theresien-Ordens verliehen.
2) V e i t h, Die Isonzoverteidigung vom Falle von Görz bis zur Eroberung von
Karfreit (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1932), 652.
Maßnahmen zur Behauptung des Mt. S. Gabriele
475
Die dem Abschnitt zugewiesenen Divisionen, die 19. und die 53. ID.,
seien nicht „karstgewohnt". Auch das von Tirol kommende SchR. 25
könne hier nicht verwendet werden, weil es bereits bei der Gruppe
Goiginger an wichtiger Stelle eingesetzt worden sei. Das siebenbürgische
IR. 50, das mehr als ein Jahr im Stellungskrieg in Tirol war, sei nicht
kämpf geübt; das erste auf dem Mt. S. Gabriele eingesetzte Bataillon
dieses Regimentes habe in der Nacht auf den 31. August versagt. Die
Truppen der 18. IBrig., die durch den tagelang nicht unterbrochenen
schweren Kampf vollständig erschöpft seien, müßten aber endlich ab-
gelöst werden. Das Bataillon 1/87 zähle nur mehr 185 Gewehre, auch
die anderen Bataillone hätten sehr stark gelitten. Das Abschnittskom-
mando beabsichtige die Ablösung nach und nach durch die Regimenter
der erprobten und nun wiederhergestellten 106. LstlD. vorzunehmen.
Allerdings seien bei dieser Division etwa vierzig von Hundert junge, nie
im Felde gewesene Soldaten. Es wäre daher sehr erwünscht, wenn für
den Mt. S. Gabriele ein frischer, erprobter Truppenkörper zur Ver-
fügung gestellt werden könnte. Das Armeekommando antwortete, daß
der Mt. S. Gabriele unbedingt gehalten werden müsse; denn es handle
sich um einen Kampf um Zeitgewinn bis zum Losbrechen der geplan-
ten Gegenoffensive, für die der Besitz des Mt. S. Gabriele eine Vor-
bedingung sei. Zugleich ließ der Armeeführer das GbSchR. 2 der
48. ID. vom Karstland dem GdK. Schönburg überstellen. Das Kom-
mando der Südwestfront hatte schon angeordnet, daß das ober öster-
reichische IR. 14 von Tirol an den Isonzo gefahren werde.
Der Gegenangriff des k. u. k. XXIII. Korps an der Küste
Auf dem Karste und an der Küste begnügten sich die Italiener
seit dem 24. August mit Artilleriefeuer und kleinen Unternehmen, die
über das Maß örtlicher Gefechte nicht hinauskamen. Manchmal aller-
dings wurde das Schießen so lebhaft, als gelte es der Vorbereitung
neuer Angriffe. Auch Flieger schwirrten über den Stellungen und war-
fen Bomben ab, sobald sie eine Batterie entdeckt zu haben glaubten.
Doch die Verteidiger ließen sich nicht täuschen; zu deutlich sprachen
die mit jedem neuen Morgen vermehrt auftauchenden Drahtverhaue,
daß der Feind keine Angriffe vorbereite, sondern eher solche von der
Gegenseite befürchte. Erfahrungen aus der zehnten Schlacht hatten
die Italiener gelehrt, auf der Hut zu sein. Gen. Cadorna empfahl dem
476
Der Hochsommer 1917 an der Südwes'tfront
3. Armeekmdo., um die erhielten Vorteile des XXIII. und des XIII.
Korps nicht zu verlieren, das Sperrfeuer in Front und Flanke bestens
zu organisieren; er schloß sein Schreiben mit folgenden Worten: „Wir
müssen uns vor Augen halten, daß uns auf dem Karste Truppen gegen-
überstehen, die ganz besonders in der Ausführung überraschender An-
griffe geschult sind"1).
Tatsächlich waren in den öst.-ung. Reihen solche Bestrebungen
rege. FML. Csicseries, der das Erbe des FML. Schenk angetreten hatte,
plante, so wie dieser es in der zehnten Isonzoschlacht unternommen
hatte, bei erster Gelegenheit den Feind anzugreifen und zurückzu-
schlagen. Auch die Beweggründe für dieses Vorhaiben waren die glei-
chen wie am 4. Juni: die Linie lc, in die das k.u.k. XXIII. Korps zu-
rückgedrückt worden war, lag zu nahe am Fuße der Hermada, um
der Artillerie volle Kraftentfaltung zu ermöglichen. Namentlich die
Flachbahngeschütze waren hier so gut wie ausgeschaltet. FML. Csicse-
rics hatte sich daher entschlossen, sobald es der Kräftezustand der
Truppen gestatten werde, zum Gegenangriff zu schreiten. Sein Plan
war, auf der ganzen Korpsfront mindestens die Linie la zu gewinnen.
Allein, gelegentlich einer mit dem Abschnittskommandanten, GO. Wurm,
in Sesana abgehaltenen Besprechung wurde diese Ansicht dahin abge-
ändert, daß nur im Hermadaabschnitt die Linie la anzustreben sei,
hingegen im Seloiabschnitt der Rückgewinn der Linie lc genügen werde.
Das Abschnittskommando bestimmte ferner, daß über die bezeichneten
Ziele nicht hinausgegangen werden solle; denn es müsse vermieden
werden, daß die 12. ID. und die Hälfte der 41. HID., die auf jeden
Fall als allgemeine Reserven zurückgehalten werden müßten, in den
Kampf hineingezogen würden.
Der Korpskommandant besprach sein Vorhaben mit den Divisions-
führern und ordnete am 29. an, daß das Unternehmen nach gründlicher
Vorbereitung am 4. September durchzuführen sein werde. Den Haupt-
angriff im Hermadaabschnitt habe wieder FML. Sehneider-Manns-Au zu
leiten, wozu ihm die Truppen der 28. und der 35. ID. sowie zwei Regi-
menter der 12. ID. zur Verfügung stehen sollten. Gleichzeitig habe der
Kommandant der 41. HID., FML. Schamschula, mit zwei Regimentern
dieser Division bei Selo zur Wiedereroberung der Linie lc vorzustoßen.
Die Leitung der Artillerie oblag dem Obst. Freih. v. Janecka. Dieser
regte an, nach einem schlagartigen Feuerüberfall auf der ganzen Karst-
front eine Pause von zehn Minuten einzuschalten, woraufhin der An-
1) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 408.
Erfolgreicher Gegenangriff beim XXIII. Korps
477
griffsraum eine halbe Stunde lang unter allerstärkstes Vernichtungs-
feuer genommen werden sollte. Das Korpskommando nahm diesen
Vorschlag in seine Befehle auf und betonte ausdrücklich, daß das Ge-
lingen des Unternehmens zum großen Teile von der zielsicheren Arbeit
der Artillerie sowie dem pünktlichen, entschlossenen Vorgehen der
Infanterie abhänge.
Die Vorbereitung des Angriffes konnte ungestört durchgeführt
werden, da in den Tagen um die Monatswende kein bedeutsames Er-
eignis an der Front die Maßnahmen störte. Am 3. September abends
war alles für das Unternehmen bereit. Obwohl der Infanterie nach den
schweren Kämpfen der ersten Schlachttage nur eine kurze Erholungs-
zeit gegönnt gewesen war, trat sie voll Zuversicht an. Am 4. September
frühmorgens war die Angriffsgruppierung beendet. Die Artillerie er-
öffnete planmäßig das Feuer. Im fahlen Mondlicht, das nach und nach
der Morgendämmerung wich, platzte schwerer Eisenhagel über dem
Feinde. Um 5h3° erhob sich die Infanterie, stürmte vor, und eine
Stunde später hatte sie im Hermadaabschnitt die Linie la fast überall
erreicht. Bei der Eroberung des südlichen Eisenhahntunnels, in dem
die Italiener einen sicheren Unterstand gefunden hatten, spielten sich
Ereignisse ab, die zu den erschütterndsten Erlebnissen des Krieges
gehören. Der Geschichte des IR. 47, das am Gegenangriff hervorragen-
den Anteil hatte, ist zu entnehmen, daß beim Tunneleingang eine gewal-
tige Explosion erfolgte, die zum Unheil für die dadurch eingeschlossenen
Italiener wurde. Nur wenige konnten flüchten, um in ihrem Gegner
diesmal einen hilfsbereiten Retter zu finden. Der im Innern des Tun-
nels wütende Brand währte volle zwei Ta,ge. Dann erst konnte man
zahlreiche verkohlte Leichen italienischer Soldaten aus Schutt und
Trümmern hervorholen1).
Das Unternehmen der Gruppe Schneider-Manns-Au hatte sie bis-
her nur wenig Verluste gekostet. Es war mit solcher Raschheit durch-
geführt worden, daß der verblüffte Feind sich erst spät zu Gegen-
maßnahmen aufzuraffen wußte. Kaum war es ihm glaubhaft, daß der
in viertägigem heißem Ringen eroberte Boden nun mit einem einzigen
Zugriff des Gegners fast ganz verloren sein sollte. Indessen hatte die
Honvéd auf der Seloplatte beim ersten Sprung ihr Ziel verfehlt. Wohl
war es ihr gelungen, in Selo einzudringen; am Westrand dieser zer-
störten Ortschaft stieß sie aber auf eine undurchdringliche Feuerwand
zahlreicher Maschinengewehre. Nach vergeblich gebrachten großen
*) Vogelsang, 624 f.
478
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
Opfern mußte sie schließlich am Abend in die Ausgangsstellung zurück-
kehren. Wenige Stunden zuvor war der Feind vor dem Hermada-
abschnitt zum Gegenangriff geschritten; er hatte südlich von Flondar
wieder ein Stück der Linie la zu gewinnen vermocht. Teile des IR. 51
und des IR. 62 sowie das Bataillon 11/47 warfen sich den Italienern
entgegen; bis zum Einbruch der Dunkelheit glückte es ihnen ,aber nur,
die neue Einbruchsstelle abzuriegeln. Hierauf befahl der Korpskom-
mandant dem FML. Schneider-Manns-Au, am nächsten Tage den Kampf
um die Linie la fortzusetzen und stellte ihm noch das ganze IR. 15 zur
Verfügung. FML. Schamschula sollte inzwischen neue Versuche, die
Linie lc zu gewinnen, unterlassen.
Am 5. September bei Tagesanbruch wurde im Hermadaabschnitt
der Angriff fortgesetzt und im prächtigen, schwungvollen Vorstoß
wieder die ganze Linie la erreicht. Die Ereignisse dieses Tages nahmen
dann einen ähnlichen Verlauf wie am Vortage, doch gelang es den
Italienern diesmal nicht mehr, in die vorderste Linie einzubrechen, die
fortan trotz mehrfacher Anstürme des Feindes im Besitze des k. u. k.
XXIII. Korps blieb.
Mit dem geschilderten Gegenangriff schloß die Schlacht auf dem
Südflügel ab. Die Verluste der Italiener waren zweifellos sehr groß.
An Gefangenen allein büßten sie 163 Offiziere und 6620 Mann ein. Die
anhaltende Ruhe in diesem Abschnitt ermöglichte es sodann, die 28.
und die 35. Division abzulösen, die sich gleichermaßen ihrer großen
Taten rühmen konnten.
F ortgesetztes Ringen um den Mt. S. Gabriele
Die italienische Heeresleitung hatte sich am 1. September veranlaßt
gesehen, den drei Tage vorher bekanntgegebenen Zeitpunkt für den Be-
ginn des Großangriffes im Görzer Becken auf Ende September zu ver-
schieben, weil sie befürchtete, daß der erforderliche Schießbedarf bis
Mitte des Monats nicht herbeigeschafft werden könnte1). Zur Sicherung
vor unvorhergesehenen Zwischenfällen durften die Vorräte für die mitt-
leren und schweren Batterien nicht unter eine festgesetzte Grenze sin-
ken, und nun war man schon nahe an diese Grenze angelangt. Der
Führer der 2. Armee war jedoch der Meinung, daß die Eroberung des
Mt. S. Gabriele nicht aufgeschoben werden dürfe, und trieb zur Fort-
1) Vgl. Fußnote *) auf S. 472.
Erbittertes Ringen um den Mt. S. Gabriele
479
Setzung dieses begrenzten Unternehmens um so mehr an, als der er-
hoffte Erfolg für das spätere, größere Vorhaben der Heeresleitung
von Nutzen sein mußte1). Er ordnete daher die Erneuerung des An-
griffes schon für den 4. September an.
Dieser überraschend angelegte Angriff traf die Verteidiger in
einem Augenblick der Schwäche. Gerade in der Nacht auf den 4. Sep-
tember war die Mehrzahl der schwer geprüften Truppen der 57. ID.
zunächst durch zwei Regimenter der 106. LstlD. ersetzt worden. Diese
Landsturmdivision hatte bei ihrem Heldenkampfe im Rohottale außer-
ordentlich große Verluste erlitten (S. 459). Nach kurzer, kaum hin-
reichender Auffrischung mußte sie nun an höchst bedeutsamer Stelle
wieder in die Front treten; denn man hatte wenig Vertrauen in die
19. ID., die schon vor Tagen, aber mit nur sechs Bataillonen, vom rus-
sischen Kriegsschauplatz eingetroffen war.
Die k. k. Landsturminfanterieregimenter 6 und 31, zusammen
2500 Feuergewehre zählend, hatten die Stellung auf dem Mt. S. Gabriele
kaum bezogen und sich im Dunkel der Nacht auch wohl kaum zurecht
finden können, als bei Morgengrauen überraschend der italienische
Sturmangriff einsetzte. Die Schanzen auf der Erhebung -<¡>- 552 gingen
verloren und alsbald auch der Hauptgipfel A 646. Mehr als 1000 Mann
fielen in Gefangenschaft. Die Lage war plötzlich sehr kritisch ¡geworden.
Rasch griff die trefflich geleitete Abwehrartillerie ein und legte dem
Feind, der schon den Osthang hinabstieg, eine Feuerwand vor. Das
Divisionskommando befahl das mährische LstlR. 25 zum Gegenangriff.
Langsam aber nicht zaghaft arbeitete sich das in viele kleine Gruppen
aufgelöste Regiment durch die nun vom Feinde auf den Ostfuß des;
rauchenden Berges gelegte Feuerzone vorwärts. Zu Mittag war der Gipfel
zurückgewonnen. Aber auch von der Westseite erstiegen neue italie-
nische Kräfte den S. Gabriele, und so kam es zu einem für beide Gegner
äußerst verlustreichen Ringen, bei dem die Schanzenreste, die Kaver-
nen und Unterstände mehrmals den Besitzer wechselten. Am Abend
meldete GM. Hrozny: „Die Lage ist etwas geklärter. Die Truppen des
rechten Flügels der 18. IBrig., es sind dies zurückgelassene Teile des
IR. 87 und des IR. 50 sowie des Land Sturmbataillons 1/2, ferner Teile
des LstlR. 6 und des GbSchR. 2, stehen in der alten Stellung bis knapp
nördlich -c¡>- 526. Von da verläuft die Kampflinie auf dem Osthanig zur
Trigonometerhöhe 646, dann weiter unverändert zum rechten Flügel
der 58. ID."
*•) Capello, Per la verità (Mailand 1920), 48 ff.
480
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
Am 5. September fand das grimmige Ringen seine Fortsetzung. Das
LstlR. 32 und zwei Bataillone des IR. 24 von der 43.SchD. schritten
zu neuem Gegenangriff. Auch die Italiener sandten frische Regimenter
in den Kampf. Und beide Artillerien hämmerten weiter. Als es endlich
Abend wurde, zeigte es sich, daß der Kampf an derselben Linie wie
am Vortage zum Stillstand kam. Die Reste des IR. 50 wurden zurück-
genommen. Da man erkannte, daß der Feind abermals neue Kräfte
heranführte, mußte mit der Fortsetzung des Kampfes gerechnet werden.
Also bat das Divisionskommando, ihm das k. u. LstlR. 6 zur Verfügung
zu stellen. Es war dies das Spitzenregiment der 53. ID., die in diesen
Tagen vom russischen Kriegsschauplatz eintraf. Wie erwartet, setzten
am 6. September morgens in der Tat wieder Massenangriffe ein. Der
Kampf wütete bis zum Abend fort und endete schließlich damit, daß
die Stellungen von den mit bewundernswerter Zähigkeit ausharrenden
Truppen behauptet wurden. Am 7. September setzten die Italiener nur
noch einmal zum Angriff an, der scheiterte. Ihre Artillerie feuerte
jedoch unablässig mit kaum verminderter Heftigkeit weiter.
Gen. Capello mußte sich später bittere Vorwürfe gefallen lassen,
daß er auf dem Mt. S. Gabriele Regiment auf Regiment ins Verderben
geschickt habe. Die Opfer müssen wohl außergewöhnlich groß ge-
wesen sein. Da das Unternehmen dennoch nicht zum erwarteten Erfolg
geführt hatte, schlug Gen. Capello vor, den hartnäckigen Verteidiger
durch ein unablässig bei Tag und Nacht fortgesetztes Massenfeuer
aller Batterien und Minenwerfer zur Verzweiflung zu treiben und zur
Übergabe zu zwingen. Es sollte ein Feuerkranz um den Berg gelegt
werden, der den Gegner vollkommen einschloß und ihm jede Zufuhr
und Unterstützung unterband1). Obgleich Gen. Cadorna Zweifel hegte,
ob diese ,,Feuerbelage rung" Erfolg haben werde, stimmte er dem Ver-
suche zu.
Die Berichte des 57. IDKommandos, das die Führung im Abschnitt
trotz Ablösung aller seiner Truppen beibehielt, brachten am 8., 9. und
10. September unter anderem immer wieder den einfachen Satz: das
schwere Feuer halte in unverminderter Heftigkeit an. In diese wenigen
Worte war ein Geschehen gekleidet, das furchtbarer kaum gedacht
werden kann. Eine belebte Schilderung sei hier am Platze 2) : „Tiefblau
1) Capello, Note di guerra, II, 132.
2) Nach Weber, Isonzo 1917 (Klagenfurt), 90. — Eine gut bebilderte Dar-
stellung bringt auch Hüb n er, Die elfte Sohlacht am Isonzo. 17. August bis S.Sep-
tember (Wien-Leipzig).
Dauerndes Massenfeuer auf den Mt. S. Gabriele
481
war der Himmel, tropische Hitze brütete über der Landschaft. Heiß
und trocken klang das Brüllen der Geschütze, die Stunde für Stunde
das gleiche Ziel beschossen. Von allen Seiten heulte es und winselte
es heran, krachte es in das splitternde Gestein. Schottermassen wurden
hochgerissen, hin und wieder ein Sandsack, ein Träger, ein Stück Well-
blech, ein Hindernisstab, — wurden hochgerissen, schlugen polternd
auf, lagen reglos, bis der nächste Einschlag sie aufs neue durcheinander-
warf. Menschen kauerten in dieser Hölle, da die Doppelposten der
Infanterie, dort ein Artilleriebeobachter. Ihre Augen waren gerötet,
stumpf ihr Blick; die Montaren übersät mit Steinsplittern, die Helme
verbeult. Der Berg war in den Pestgeruch der Verwesung gehüllt, in
süßlichen, unsagbar widerlichen Gestank. Leichen moderten auf seinen
Hängen, Freund und Feind. Niemand konnte sie holen. Manchmal schrie
ein in dem Trichterfeld Verlorener auf, schrie stundenlang um Hilfe
und Wasser, um Erbarmen. Aber nur selten hörte man ihn. Das Dröh-
nen und Krachen verschlang alles. Es zertrommelte das Gehör und
nahm von dieser Erde, was ohnedies nicht zu retten war. Die anderen,
die vielen, hockten in den Kavernen und warteten und warteten. Män-
ner, denen Kampf und Leidertragen nicht von Jugend auf im Blute lag.
Hier wurden sie hart und unerbittlich wie das Schicksal, das ihnen an
die Kehle griff. Der Berg war ihr Schicksal. Nur Haß war in ihnen und
der unbeugsame Wille, das Leben so teuer wie möglich zu verkaufen
an den Feind, •— an diesen Feind, den ihre Lippen mit jedem Donner-
schlag da draußen verfluchten."
Drei Tage dauerte die Feuerbelagerung. Etwa 45.000 Schuß wur-
den allein für diesen Zweck verschossen. Als aber am 11. und 12. Sep-
tember die Regimenter der Brigaden Foggia und Girgenti Ausschau
hielten, um die, wie sie hofften, zu blutiger Reife gelangte Frucht ein-
zuholen, stießen sie auf härtesten Widerstand, ja zu ihrer Überraschung
sahen sie sich — wie später noch auszuführen sein wird — sogar selbst
angegriffen.
Begreiflich ist es, daß die öst.-ung. Führer bis zur Heeresleitung
hinauf das Geschehen rund um den bedeutenden Eckpfeiler der Isonzo-
front mit ernster Sorge verfolgten. GO. Boroevic hatte am 5. September
gemeldet, daß dieser Raum trotz der ungeheuren Opfer und ungeachtet
aller ergriffenen Maßnahmen möglicherweise nicht weiter behauptet
werden könne. Aber er sei festen Willens, auch in solchem Falle das
nächst bedrohte XVI. Korps nicht etwa freiwillig zurückzunehmen, son-
dern nur dessen Nordflügel abzubiegen und den Widerstand fortzu-
VI 31
482
Der Hochsommer 1917 an der Südwes'tfrorat
setzen. Unterdessen trafen das oberö sterr. IR. 14 und die 20. HID. ein,
wodurch sich die Aussichten bedeutend besserten. Auch konnte man
wegen des offenkundig außerordentlichen Kräfte ver brauche s beim Feind
annehmen, daß seine Tätigkeit endlich erlahmen müsse. Es war nun
die Absicht, das IR. 14 einzusetzen, um die Lage auf dem Mt. S. Gabriele
zu bereinigen. Da die Unterführer jedoch über die Art und Weise der
Durchführung noch nicht ganz schlüssig waren, befahl GO. Boroevic,
mit dem Unternehmen zuzuwarten, bis eine kräftige, planmäßig zu-
sammengefaßte Artilleriewirkung gewährleistet sei. Die Batterien der
20. HID. sollten jedenfalls zugezogen werden. Zugleich wurde dem
GdK. Schönburg die 39. HIBrig. ( H on védinf anterieregimen te r 1 und 17)
unterstellt, um dem Vorhaben den nötigen Rückhalt zu geben und die
gedachte spätere Ablösung aller noch unter der Führung des 57. IDKom-
mandos stehenden verschieidentlichen Truppen anzubahnen. Dann sollte
das k. u. LstlR. 6 der 53. ID. an FML. Goiginger abgegeben werden,
damit diese Division mit der Ablösung der 73. ID. beginnen könne. Die
abermals vollständig abgekämpfte 106. LstlD., die kaum mehr als
1000 Feuergewehre zählte, war in den Raum von Haidenschaft zurück-
zuziehen, wo sich auch die Reste der 57. ID. einfanden. Sie hatten beide
außergewöhnlich hohen Blutzoll entrichtet.
Am 9. September mahnte GO. Boroevic noch einmal, den Gegen-
angriff auf den Mt. S. Gabriele nicht zu überstürzen. Allein die Nerven
der Unterführer waren durch das aufrüttelnde Geschehen so sehr be-
ansprucht, daß das am Osthange des Mt. S. Daniele schon seit dem
8. September bereitstehende IR. 14 in der Nacht vom 10. auf den
11. September losgelassen wurde, noch bevor alle Vorbereitungen voll-
endet waren. Um 8h abends trat das in zwei Gruppen geteilte Regi-
ment die Bewegung an. Im Irrlichtertanz der allseits aufblitzenden
Granaten verzögerte sich der Anmarsch; er wurde beim Aufstieg
über Stock und Stein derart gehemmt, daß zur Stunde, da die eigene
Artillerie befehlsgemäß einen halbstündigen Feuerüberfall durchführte,
die Kompagnien noch nicht in der Sturmstellung eingetroffen waren.
Nach Hellwerden sah sich die der Höhe -<¡> 552 zustrebende Gruppe
genötigt, das Unternehmen auf die folgende Nacht zu verschieben. Die
andere Gruppe ging indessen gegen die -<¡>- 448 vor. Sie erstürmte die
Schanzen, mußte sie aber bald wieder preisgeben, und es kostete ihr
Mühe, dem nachdrängenden Feind in der Ausgangsstellung Halt zu
gebieten. In der Nacht auf den 12. September wurde der Angriff gegen
die Höhe -<¡>- 552 weiter vorbereitet und dann noch vor Tagesanbruch
Die Heldentaten des IR. 14 auf dem Mt. S. Gabriele
483
überfallsartig durchgeführt. Von jungen Offizieren überaus schneidig
geführt, erstürmten die tapferen Oberösterreicher die Höhe, nahmen
600 Italiener gefangen und erbeuteten 12 Maschinengewehre 1).
Das Unternehmen des IR. 14 war gerade zu jener Zeit erfolgt, da
sich der durch Alpini verstärkte Feind anschickte, die Frucht seiner
Feuerbelagerung einzuholen. So entwickelten sich am 12. September
wieder sehr schwere Kämpfe, in die von beiden Seiten die Geschütz-
massen rücksichtslos hineinschossen. Erst nach stundenlangem Ringen,
namentlich um den Gabrielegipfel, mußten die Italiener einsehen, daß
ihr opfervolles Beginnen gescheitert war. Nach einem letzten Sturm-
versuch am 13. September nahm das Artilleriefeuer allmählich ab,
ohne daß die Kämpfe um den „Monte del morte", wie die Italiener den
Mt. S. Gabriele nannten, schon völlig zum Stillstand gekommen wären2).
Rückblick
Die elfte Isonzoschlacht wurde, wie die meisten ihrer Vorgängerin-
nen, von beiden Gegnern als Sieg gefeiert. Daß die Gewinnung der
Hochfläche von Bainsizza durch die Abwehr des schon sicher scheinenden
Durchbruches mehr als aufgewogen wurde, und daß zumal die Größe
der objektiven Leistung in dieser Abwehr dem Verteidiger das berech-
tigte Bewußtsein des Sieges gab, ist zweifellos. So empfanden denn auch
die öst.-ung. Truppen einmütig die Schlacht als Sieg, und ihre Stimmung
entsprach diesem Empfinden. Auf italienischer Seite kamen dagegen, trotz
des bedeutenden Raumgewinnes, die Enttäuschung über den trotz aller
Verheißungen ausgebliebenen Enderfolg und die Erkenntnis von der alle
Erwartungen übersteigenden Zähigkeit des Gegners sowohl in den Reihen
der Armee als auch in der öffentlichen Meinung des Landes unver-
kennbar zur Geltung. Trotzdem mochte in Baden und in Udine die
Lage umgekehrt beurteilt werden. Die k. u. k. Heeresleitung zumal durfte
sich über die Tatsache nicht hinwegtäuschen, daß ihr Sieg ein Pyrrhus-
sieg und allem menschlichen Ermessen nach der letzte Abwehrsieg
gewesen war. Gründe für diese Auffassung gab es mehr als genug. Die
x) IR. 14, Ein Buch der Erinnerung, 265 ff. In Erinnerung an die Wiedererobe-
rung des Mt. S. Gabriele durch das k. u. k. IR. 14 feiert dessen Nachfolgeregiment im
österreichischen Bundesheer, das oberösterreichische Infanterieregiment Nr. 14, den
12. September als Gedenktag.
2) Schwarte, V, 442.
31*
484
Der Hochsommer 1917 an der Süd Westfront
Verluste der elften Isonzoschlacht betrugen über 10.000Tote, mehr als
45.000 Verwundete und rund 30.000 Vermißte; die 20.000 Kranken mit-
inbegriffen, betrug der Gesamtabgang 110.000 Mann. Mochte auch die
Einbuße des italienischen Heeres eine weit größere gewesen sein, so
war doch der Abgang so empfindlich, daß das schon bestehende Miß-
verhältnis der Kräfte immer schwerer ins Gewicht fiel. In Österreich-
Ungarn war man schon längst genötigt, als Ergänzungsmannschaft fast
nur mehr die wieder kampffähig gewordenen Verwundeten heranzu-
ziehen; an 'eine volle Auffüllung der Stände war somit kaum mehr zu
denken. Der mit jeder Schlacht zunehmende Menschen verbrauch mußte
schließlich die Verteidigung derart schwächen, daß ihr Zusammenhalt
verlorenging. Es blieb also kein anderer Weg, als zum Gegenhiebe aus-
zuholen, um sich von dem andauernden Drucke zu befreien. Daß dieser
Gedanke schon zu Beginn der elften Schlacht bestanden hat, wurde
bereits dargelegt (S. 456).
Der Geländeverlust auf dem Hochlande von Bainsizza hatte gar
keine üblen Folgen. Im Gegenteil, die Zurücknahme der Verteidigungs-
linie hatte sogar zu einer Verkürzung der Front geführt, Anders wäre
es gewesen, wenn der Rückzug bis hinter das Gepovantal fortgesetzt
worden wäre. Dem glücklichen Umstand, daß die Italiener am 23. Au-
gust und auch an den nächstfolgenden Tagen die Gunst der Lage nicht
erkannten, namentlich aber dem rühmenswerten Eintreten bewährter
Unterführer war es zu verdanken, daß die sehr ernste Krise dieser
Tage überwunden wurde. In diesem Zusammenhange ist wohl auch zu
bedenken, daß ein Rückzug bis an den Nordrand des Ternovaner Hoch-
landes die Verteidigung des Gabrieleabschnittes außerordentlich er-
schwert, wahrscheinlich sogar zu dem Verluste dieses bedeutsamen Eck-
pfeilers geführt hätte ; denn man muß bezweifeln, ob die von drei Seiten
bestürmten Helden vom Mt. S. Gabriele einem gleichzeitigen Angriffe
-auch noch aus nordöstlicher Richtung hätten standhalten können. Von
dem Besitz dieses Gipfels hing ¡aber das Schicksal der Verteidigung im
Görzer Becken und der geplanten Gegenoffensive ab. Wenn ein Gipfel
es verdient, ein Heldendenkmal zu tragen, so ist es der Monte S. Ga-
briele, Unvergänglich wird mit dem Namen dieses Berges das Helden-
tum der ruhmreichen k.u.k. Armee verknüpft bleiben; aber auch der
Feind von damals braucht sich der Erinnerung an die Kämpfe, die den
Berg umtobten, wahrlich nicht zu schämen. Es gab Tage, an denen die
Entscheidung über diesen Eckpfeiler auf des Messers Schneide stand,
und es gab immer wieder beherzte Führer aller Grade, die die Zu-
Das Urteil des Feindes
485
versieht neu belebten. GdK. Schönburg gehörte zu diesen und wurde
hiefür mit dem Kommandeurkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens
ausgezeichnet.
Beim Schlußangriff gegen den Mt. S. Gabriele trieben die Italiener
die Materialschlacht auf die Spitze. Aber auch sonst war der Einsatz
an schweren Waffen auf ein bis dahin an der Isonzofront noch nicht
gekanntes Höchstmaß gesteigert worden, und dem entsprach auch der
Verbrauch an Schießbedarf. Auf öst.-ung. Seite wurden in der Zeit vom
18. August bis zum 6. September von den leichten Geschützen andert-
halb Millionen Schuß abgegeben, von den mittleren über ein Viertel
Million, von den schweren Mörsern 22.000 Schuß. Der Munitionsver-
brauch der elften Schlacht überstieg jenen der zehnten um ein volles
Drittel. Auch die Abnützung der Geschütze gibt Zeugnis von der unge-
heuren Anspannung aller Mittel in dieser schweren Schlacht. An die
38 v. H. der Geschütze waren unbrauchbar geworden; 36 Geschütze
gingen verloren1). Auch diese Zahlen nötigten, auf Mittel zu sinnen,
die dem unfruchtbaren, verzehrenden Abwehrkampf ein Ende bereiten
konnten; sonst war ein Zerreißen der Isonzofront allen Ernstes zu
besorgen.
Es hieße oft Gesagtes wiederholen, wollte man über den Geist und
die Haltung der Truppen hier nochmals Einzelheiten bringen. In einem
später erbeuteten, vom Kommando der italienischen 3. Armee ausge-
gebenen umfangreichen Behelf über das öst.-ung. Heer findet sich fol-
gende bemerkenswerte Stelle: „Angegriffen, schlägt sich die Truppe
sowohl wegen der Disziplin, wie auch wegen des Instinktes der Selbst-
erhaltung. Die Propaganda des Hasses gegen die Italiener ist eindringlich
und unermüdlich. Die Vermehrung der Prozente an Mannschaft sla-
wischer Nationalität — wir haben jetzt vor unserer Front 60 Prozent
Slaven, 16 Prozent Magyaren, 13 Prozent Deutsche und 11 Prozent Ru-
mänen2) — könnte den Glauben erwecken, daß die Truppen von gerin-
gerer Widerstandsfähigkeit wären. Doch hat uns die Erfahrung gelehrt,
daß sich dieselben Slawen, die sich an den anderen Fronten in Massen
ergeben, an unserer Front mit besonderer Hartnäckigkeit schlagen. Es
genügt, die Tschechen zu erwähnen, die sich mit unerreichter Zähigkeit
1) Nach Pinchetti, 296, sollen die Italiener 145 Geschütze erobert haben.
Hier sind jedenfalls die Infanteriegeschütze und Grabenmörser mitgerechnet. Diie
Angaben über die Zahl der erbeuteten Geschütze weichen in den verschiedenen, ita-
lienischen Darstellungen nicht unerheblich voneinander ab.
2) Die angegebenen Hundertteile waren annähernd richtig.
486
Der Hochsommer 1917 an der Süd Westfront
gewehrt haben und sich in den Kavernen lieber erschlagen ließen, statt
sich zu ergeben1)."
Für das italienische Heer bedeutete die elfte Isonzo Schlacht eine
ernst zu nehmende Einbuße nicht allein an lebender Kraft, sondern na-
mentlich auch am inneren Gehalt. Wenn diese Schlacht, nach den Wor-
ten des Marschall Cadorna „in Italien und außerhalb des Königreiches
wie eine der großartigsten Operationen des europäischen Krieges ge-
feiert wurde und auch größte moralische Wirkungen auslöste"2), so war
dies nur Schein und Selbsttäuschung, denn gewiß wäre eine Niederlage
von so ungeheurem Ausmaß, wie sie die Italiener im Oktober und
November 1917 erleben sollten, nicht möglich gewesen, wenn in den
vorhergegangenen Schlachten das Heer nicht schon sehr stark mit-
genommen worden wäre. Der in Zahlen faßbare Verlust an Streitern
Italiens betrug in der elften Schlacht 40.000 durch Tod und 108.000
durch Verwundung, 18.000 waren vermißt.
Die elfte Isonzoschlacht war die letzte Angriffshandlung des ita-
lienischen Heeres im Küstenlande. Durften nach ihrem Abschluß die
Italiener auch darauf hinweisen, dabei den größten Raumgewinn von
allen Isonzoschlachten errungen zu haben, so hatten sie in den zwei-
einhalb Jahren seit Kriegsbeginn bis zu ihrem heißersehnten strategi-
schen Ziel Triest aber doch erst ein Drittel des Weges zurückgelegt ;
bloß zwölf Kilometer maß der größte, von Sagrado bis Kostanjevicia
gemessene Fortschritt der Front und zehn Kilometer jener östlich von
Piava auf der Hochfläche von Bainsizza—Heiligengeist (vgl. Neben-
skizze auf Beilage 19).
Die geringe Größe dieses unter ungeheuren Hekatomben erfoch-
tenen Gewinnes einer noch dazu meist öden Karstlandschaft wird noch
sinnfälliger, wenn man das Anwachsen des Kräfte auf geböte s während
dieser dreißig Monate in Betracht zieht. Mit 18 Divisionen und 750 Ge-
schützen waren die Italiener zur ersten Schlacht im Juni 1915 ange-
treten, mit 51 Divisionen sowie 5200 Geschützen und Minenwerfern
gingen sie in die elfte Schlacht. Natürlicherweise wuchsen auch die öst.-
ung. Streitkräfte erheblich an; doch wie bescheiden nahmen sich ihre
Zahlen aus! — 8 Divisionen mit 354 Geschützen nahmen im Juni 1915
den Kampf am Isonzo auf, während in der elften Schlacht 24 Divisionen
mit 1880 Geschützen und 300 Minenwerfern dem Feind die Stirn boten.
x) Vgl. Anton Pit reich, Der österreichisch-ungarische Bundesgenosse im
Sperrfeuer (Klagenfurt 1930).
2) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 424.
Plan eines Angriffes auf den Pasubio
487
Heer und Volk Italiens erkannten auch immer mehr die Ergebnis-
losigkeit ihrer bisherigen opferreichen Bemühungen. Mangel an Zuver-
sicht griff um sich und lockerte das Gefüge der italienischen Heeres-
teile am Isonzo. Just zu diesem Zeitpunkt holten die Mittelmächte zum
Gegenschlag aus, dessen Schilderung der Inhalt des nächsten Haupt-
abschnittes bilden soll.
Die Ereignisse in Tirol und in Kärnten im Sommer 1917
Anfangs Juli nahm das Heeresgruppenkommando FM. Conrad wahr,
daß der Feind Kräfte von der Tiroler Front abziehe. In den Sieben Ge-
meinden näherte sich die Gruppierung des Feindes immer mehr jener
Besetzung, die er vor der Ortigaraschlacht innegehabt hatte. Auch von
der Etschtalgruppe der 11. Armee liefen ähnlich lautende Meldungen
ein. Truppenansammlungen in der Nähe der Eisenbahnstationen und
reger Zugsverkehr von der Tiroler Front an den Isonzo enthüllten deut-
lich die nächsten Absichten des Feindes.
Da sonach an der Tiroler Front in den nächsten Wochen keine
feindliche Angriffshandlung größeren Stiles zu besorgen war, kam der
Heeresgruppe die Aufgabe zu, die Isonzoarmee in der zu erwartenden
elften Isonzoschlacht mittelbar zu unterstützen. FM. Conrad vertrat die
Ansicht, daß ein größeres, wenn auch im Maße der vorhandenen
Streitkräfte begrenztes Unternehmen den Feind binden, sogar dessen
Kräfte anziehen und dadurch von der Julischen Front ablenken würde.
Namentlich ein Vorstoß zur Eroberung des Pasubioklotzes mochte auf
den Feind tiefen Eindruck üben und zugleich der Heeresgruppe nicht
nur örtlichen Vorteil für die Verteidigung bringen, sondern auch für
späterhin, falls eine neue Offensive aus Tirol zustande käme, von be-
deutsamen Nutzen sein. Der Angriff gegen den Pasubio wurde daher
in allen Einzelheiten überlegt.
Die Heeresleitung war derartigen Gedankengängen nicht abgeneigt;
allein sie hielt es angesichts der zunehmenden Ansammlung feindlicher
Kräfte vor der Isonzoarmee für unerläßlich, diese Armee zu verstärken.
Da sie aus der Ostfront keine Reserven abziehen konnte, wies sie den
FM. Erzherzog Eugen an, die erwünschten Truppenverschiebungen im
Bereiche des Südwestfront nach eigenem Ermessen durchzuführen. Wie
bereits dargelegt wurde, mußte ¡also FM. Conrad eine Reihe von Ein-
heiten an die Isonzoarmee abgeben (S.435f.).
488
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
Anfangs Juli standen insgesamt 155 Bataillone, 8000 Standschützen
und rund 1400 Geschütze in Tirol. Bis zum Beginn der elften Isonzo-
schlacht wurden 15 Bataillone und mehrere Batterien abbefördert. Da
die Frontlinie 340 km maß, und die Italiener schätzungsweise 250 Ba-
taillone davor stehen hatten, erschien die Durchführung des Pasubio-
unternehmens gewagt. Um die Landesverteidigung nicht zu gefährden,
mußte Conrad von jeder Angriffshandlung absehen. Er bat, eine wei-
tere Schwächung der Tiroler Front zu unterlassen, weil andernfalls
der Feind geradezu ermuntert werden könnte, sich gegen Tirol zu
wenden, dessen Eroberung er um so lebhafter anstreben mochte, je
mehr sich der Krieg dem Ende, also einem Friedensschluß, zuneigte.
„Der Idee, daß man in Tirol eine Schlappe hinnehmen müsse", schrieb
Conrad Ende Juli, ,,kann ich mich nicht anschließen, weil ich der An-
sicht bin, daß wir über genug Kräfte verfügen, um bei deren entspre-
chender Verteilung sowohl am Isonzo als in Tirol siegreich zu bleiben.
Ich kann ferner nicht umhin, der Erwartung Ausdruck zu geben, daß
es nach den Erfolgen gegen Rußland und den zu gewärtigenden am
Isonzo dazu kommen wird, daß Italien den vernichtenden Stoß erhält,
bei dem ein Vorbrechen aus Tirol, wie im Frühjahr 1916, zu entscheiden-
der Bedeutung gelangen muß. Bedingung aber hiefür ist, daß bis dahin
die Lage in Tirol unter allen Umständen aufrecht erhalten bleibt."
An der Kampflinie fanden im Juli und in der ersten Augusthälfte
keine erwähnenswerten Gefeichtshandlungen statt. Zeitweise aufflak-
kerndes Gewehr- und Geschützfeuer und an manchen Orten Gefechte
kleiner Abteilungen vermochten die Verteidiger nicht zu beunruhigen.
Indessen stellte die durch den Radiohorchdienst geförderte Beobachtung
zuverlässig fest, daß die Italiener in der Zeit von Ende Juni bis Mitte
August 17 Brigaden abgezogen hatten. Da das Eintreffen der Mehrzahl
dieser Brigaden in Friaul angezeigt wurde, also die Bedrohung gegen
die Isonzoiarmee zunahm, wogegen eine Gefahr für Tirol aufgehoben
erschien, ordnete das Kommando der Südwestfront an, daß FM. Conrad
abermals mehrere Einheiten zur Absendung bereitstelle.
Als dann die elfte Isonzoschlacht begonnen hatte, wurden zunächst
vier Bataillone (IR. 63 und IBaon. 1/64) .abbefördert. Unter dem Drucke
der Ereignisse auf dem Hochland von Bainsizza befahl FM. Erzherzog
Eugen, alle in Tirol entbehrlichen Truppen freizumachen. Dies konnte
nunmehr angesichts der erkannten Tatsache, daß die Italiener ihre
Kampflinie auf der Hochfläche von Asiago zurückverlegten, ohne Be-
sorgnis in größerem Maße geschehen. Das IR. 50 mit vier Bataillonen
Kämpfe im Ortlergebiet
489
und das SchR. 25 rollten alsbald ab. Noch vor Ende des Monats August
folgten das 26. SchBrigKmdo. und das SchR. 14.
Trotz dieser Abgaben wurden in der Zeit vom 21. bis zum 30. Au-
gust zahlreiche Sturmtruppunternehmen durchgeführt und dabei über
300 Gefangene und 6 Maschinengewehre eingebracht. Ein besonders
kühnes Unterfangen war die Eroberung der Trafoier Eiswandgipfelstel-
lung auf dem Ortler. Seit Jahr und Tag standen die kühnen Männer —
zumeist Kaiserschützen —, denen die Bewachung des höchsten Gebirgs-
stockes Tirols anvertraut war, im stummen Kampf gegen die Unbill
der gewaltigen Natur und waren dabei unermüdlich bestrebt, die Lage
der Abwehrstellung zu verbessern. Mitte März hatten sie durch einen
in monatelanger Arbeit unter dem ewigen Gletschereis geschlagenen
Stollen die ,,Hohe Schneid", die 3 km südlich des Stilfser Joches liegt,
den Italienern entrissen. Nach dem gleichen, allerdings langwierigen
aber erfolgversprechenden Verfahren sollte dann der Trafoier Eiswand-
gipfel, südlich der Ortlerspitze,, dessen Höhenmarke 3553 m aufwies,
erobert werden. Ende August war der Bau des etwa 2 km langen Eis-
tunnels so weit fortgeschritten, daß die kühne Hochgebirgskompagnie
ausfallen und zum Sturme schreiten konnte. Der Überfall gelang. Der
30 Mann zählende italienische Posten wurde samt und sonders gefangen,
der eroberte Gipfel rasch in Verteidigungszustand versetzt. Aber die
Kameraden der gefangenen Alpini sannen auf Vergeltung. Drei Tage
später stiegen sie ungeachtet des Maschinenge wehrfeuers, das ihnen
entgegenschlug, todesmutig über den Südgletscher aufwärts und er-
oberten die Eiswandspitze zurück1).
Solche kleine Unternehmungen der Tiroler Landesverteidiger ver-
mochten aber nicht, den Feind zu binden. Es zeigte sich, daß er unab-
lässig Truppen an den Isonzo verlegte, und zwar in viel weitergehendem
Maße, als er dies in der zehnten Schlacht getan hatte. Während die
Italiener im Mai an 300 Bataillone vor Tirol belassen hatten, sank jetzt
die Zahl bis auf 220, wobei überdies von jedem zurückgebliebenen
Bataillon je 75 Mann der jüngsten Jahrgänge zur Ergänzung der Isonzo-
verbände abgegeben wurden. Es war dies ein Beweis, daß die italie-
nische Heeresleitung im August entschlossen war, bis zum äußersten
zu gehen, um den Erfolg am Isonzo zu erzwingen. Der Verminderung
der Streitkräfte vor Tirol Rechnung tragend, verfügte sie dann Mitte
September, daß die 6. Armee aufgelöst werde. Das Val Suganagebiet mit
*) L e m p r u c h, Der König der deutschen Alpen und seine Helden (Stuttgart
1925), 102 f. — Alpini, 456 f.
490
Der Hochsommer 1917 an der Südwestfront
dem XVIII. Korps trat in dem Befehlsbereich der 4. Armee, das „Kom-
mando der Hochflächen von Asiago" wurde wiederhergestellt und der
1. Armee angegliedert1).
Dementsprechend konnte auch die Heeresgruppe Conrad weitere
Kräfte für die große Entscheidungsschlacht abgeben. Bis Ende August
hatte sie 28 Bataillone und 17 Batterien abgesendet. Nun wurde anfangs
September noch das IR. 14 abbefördert, dem — wie noch ausgeführt
werden wird — eine Reihe von Einheiten folgte.
In Kärnten herrschte im besprochenen Zeitabschnitt im allgemeinen
Ruhe. Auf dem linken Flügel der 10. Armee kam es bei der 93. ID. zur
Zeit des Beginnes der elften Isonzoschlacht zu örtlichen Gefechten, die
offenbar der Absicht des Feindes entsprangen, die Verteidiger abzu-
lenken. Dessenungeachtet konnte die 10. Armee zwei Bataillone an die
Isonzoarmee zeitgerecht abgeben.
1) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934,- 423.
DIE HERBSTOFFENSIVE
GEGEN ITALIEN
Die Vorbereitungen
H i e z u Beilagen 21, 22, 23, 24 und 25
Das Entstehen der Idee und des Angriffsplanes
Schon nach der zehnten Isonzosehlacht, die zwar mit einem erfolg-
reichen Gegenangriff öst.-ung. Truppen auf dem Südflügel ihr Ende
gefunden hatte, waren die Kommandos der Isonzoarmee und der
Südwestfront sowie das k. u. k. AOK. zur Erkenntnis gekommen, daß
die Isonzoarmee dem außerordentlich kräftezehrenden Kampfverfahren
schließlich doch erliegen werde. Ein elastisches Absetzen oder ein Aus-
weichen kam wegen der Nähe von Triest, dem heißersehnten Angriffs-
ziel der Italiener, nicht in Frage. Durchstieß der Feind die Front und
pflanzte er seine Fahnen auf der Hermada auf, dann waren Triest und
die Anlehnung an das Meer verloren; der linke Flügel wäre in der
Luft gehangen, denn für eine Verlängerung fehlte es an Kräften. Durch
ein solches Durchbrechen der Isonzofront hätten die Italiener aber auch
in den Hauptwall, der die einer belagerten Festung gleichenden Mittel-
mächte umgab, eine entscheidende Bresche geschlagen, die der Entente
die langersehnte Gelegenheit bieten konnte, ihre Übermacht an Streiter-
.massen und Kampfmitteln frei zu entfalten1).
Diese Gefahr konnte nur ein an der Isonzofront erfolgender großer
Gegenangriff beseitigen, der die Italiener weit zurückwarf. Hiefür man-
gelten aber noch viel mehr die erforderlichen Truppen. Da schien sich
Ende Juli durch die erfolgreiche Gegenoffensive der Verbündeten in
Ostgalizien das Blatt wenden zu wollen. Die Heeresleitung in Baden
hielt es für möglich, daß Rußland im Jahre 1917 nicht mehr die Kraft
für großangelegte Offensiven aufbringen werde, und wollte die hiedurch
im Osten gewonnene Sicherheit für einen Schlag gegen Italien aus-
nützen.
In einer vom 31. Juli datierten Denkschrift beurteilte die k. u.k.
Heeresleitung die möglichen Angriffsrichtungen. Jene aus Tirol heraus
erachtete sie als die für den Feind empfindlichste, die ihm sogar eine
Katastrophe bereiten könnte. Sie zweifelte jedoch daran, die erforder-
lichen gebirgsgeübten Truppen — mindestens zwölf Divisionen — selbst
*) Konopicky und Glaise, Vom Isonzo zum Piave (Schwarte, V, 424).
494
Die Herbstoffensive gegen Italien
bei größter Bereitwilligkeit der an der Ostfront befehligenden deutschen
Heerführer aufbringen zu können. Auch der zeitraubende Eisenbahn-
aufmarsch, bei dem schließlich doch alle Transporte auf der einzigen
Strecke Franzensfeste—Trient zusammenlaufen mußten, löste erhebliche
Bedenken aus.
Anders verhielt es sich am Isonzo. Hier standen schon 20 Divi-
sionen und eine starke Artillerie. Die k. u k. Heeresleitung glaubte je-
doch, daß die Isonzoarmee im Stirnangriff selbst bei Einsatz von
wesentlichen Verstärkungen auch unter sehr großen Opfern kaum einen
großen Erfolg würde erzielen können. Einen solchen hielt sie „nur durch
ein Aufrollen der italienischen Isonzofront aus dem Räume Tolmein—
Flitsch" für möglich. Es ist dies derselbe Raum, auf den FM. Conrad
in seiner Denkschrift vom 23. Jänner 1917, wenn auch in einem etwas
anderen Zusammenhange, hingewiesen hatte (S. 5). Der deutsche Be-
vollmächtigte, GM. Cramon, berichtete über diesen Angriffsplan schon
am 1. August an seine Heeresleitung mit dem Beifügen, daß man von
Baden aus gegebenenfalls deutsche Waffenhilfe erbitten werde1). Die
am 31. Juli einsetzende Flandernoffensive der Engländer machte es
jedoch der DOHL. zunächst unmöglich, Truppenabgaben zuzusagen.
Die am 20. August bei Verdun losbrechenden Angriffe der Franzosen
erhöhten die Spannung an der Westfront.
Cadornas Zurüstungen für einen neuen Ansturm, die klar erkannt
wurden, nötigten auch die hohen öst.-ung. Führerstellen, vorerst die
Abwehrmaßnahmen am Isonzo zu vervollständigen. Am 17. August be-
gann die elfte Schlacht, die an Gewalt alle früheren übertraf. Durch die
Tapferkeit unserer Truppen war es wohl gelungen, die Mitte und den
Südflügel der Isonzofront fast völlig zu behaupten. Der Nordflügel
war aber in eine unvorbereitete Linie zurückgedrückt worden. Ihre
Behauptung in einer neuen Entscheidungsschlacht wäre zumindest mit
besonders hohen Verlusten verbunden gewesen. Glückte die Abwehr
aber nicht, dann wäre der Brückenkopf von Tolmein verloren gewesen
und mit seinem Verlust die ganze Isonzofront unhaltbar geworden.
Als am 25. August die schwerste Krise der elften Schlacht über-
wunden zu sein schien, faßte Gdl. Arz am gleichen Abend die feste
Absicht, noch vor dem Winter jenen Gegenangriff zu unternehmen, den
er drei Tage vorher dem GO. Boroevic in Aussicht gestellt hatte (S. 456).
Nur einen solchen Angriff hielt er für geeignet, die Gefahr, von einem
zwölften Ansturm der Italiener durchbrochen zu werden, „radikal"
1) Schreiben des Generals Cramon vom 12. Oktober 1920 an GO. Arz.
Der erste Plan für den Angriff 495
zu beseitigen. Als Angriff sriehtung kam jetzt schon gar nur jene vom
Isonzo her in Betracht. Bei der Anhäufung feindlicher Kräfte im
Küstenlande und bei der durch den Verlust der Hochfläche von Bain-
sizza entstandenen schwierigen Lage wäre andernfalls zu besorgen ge-
wesen, daß man am Isonzo überwältigt würde, ehe ein Stoß aus Südtirol
vermocht hätte, dies mittelbar zu verhindern. Dazu sprachen neben
den sonst schon angeführten Gründen gegen den Angriff aus Tirol
auch noch die schon vorgeschrittene Jahreszeit und für den am Isonzo
die leichtere Möglichkeit, die Truppen zu versorgen.
Da im Küstenlande 40 italienische gegen 21 öst.-ung. Divisionen im
Kampfe standen, hätten zu einem frontalen Angriff mindestens noch
20 Divisionen herangeführt werden müssen. Drei öst.-ung. Divisionen
(19. ID., 20. HID. und 53. ID.) waren zur Verstärkung der Isonzofront
und erforderlichenfalls zur Teilnahme an der Offensive bereits im
Anrollen von der Ostfront (S. 401). Es wären sonach noch 17 Divisionen
nötig gewesen. Auf soviel Kräfte glaubte man nicht rechnen zu kön-
nen. Aber auch bei einer bescheideneren Vermehrung der Angriffs-
kräfte war die Mitwirkung des Bundesgenossen unerläßlich. Diesen
wollte man dazu bewegen, daß er der Isonzofront acht Divisionen zu-
führe und mit fünf ebensoviele öst.-ung. Divisionen im Osten ablöse.
Um der auf 3000 Geschütze geschätzten italienischen Artillerie kraft-
voll entgegenwirken zu können, sollten die 1800 eigenen Geschütze um
1000 vermehrt werden. In all diesen Fragen war eine Einigung mit
der DOHL. ehestens erforderlich.
Der Angriff war so gedacht, daß bei gleichzeitigen Täuschungs-
unternehmen deutscher Truppen an der Tiroler und der Kärntner Front
der Hauptschlag von öst.-ung. und deutschen Divisionen aus dem Räume
Tolmein—Flitsch in der allgemeinen Richtung auf Cividale ausgeführt
werden sollte1). Als Auftakt hielt man zunächst die Bereinigung der
Lage auf der Hochfläche von Bainsizza durch Wiedergewinnung der
alten Stellungen am Isonzo für erforderlich. Dann sollte bis in die
Linie Pta. di Montemaggiore—Mt. Lupia—Azzida—Piava—Salcano vor-
gedrungen werden. Es war also zunächst bloß an eine weitgehende
Stellungsverbesserung gedacht, welche die Isonzoarmeen in einen für
die Abwehr günstig gelegenen Abschnitt bringen sollte.
Kaiser Karl war durch die persönlichen Eindrücke, die er am
22. August an der Isonzofront empfangen hatte, gleichfalls von der
l) Schwarzlei t ne r, Karfreit (Österreichische Wehrzeitung, Jhrg. 1921,
Folge 23).
496
Die Herbstoffensive gegen Italien
Notwendigkeit eines befreienden Gegenangriffes überzeugt worden. Er
hatte aber, nicht zuletzt aus politischen Gründen, Bedenken, deutsche
Truppen auf dem italienischen Kriegsschauplatze kämpfen zu lassen,
und bat daher den Kaiser Wilhelm in einem am 26. August abgesandten
Schreiben, öst.-ung. Divisionen im Osten durch deutsche für die Süd-
westfront freizumachen. „Du wirst mich sicher verstehen", hieß es wei-
ter, „wenn ich ein besonderes Gewicht darauf lege, die Offensive gegen
Italien nur mit meinen Truppen zu führen. Meine ganze Armee nennt
den Krieg gegen Italien ,unseren Krieg4. Jeder Offizier hat von Jugend
auf das von den Vätern ererbte Gefühl, die Sehnsucht in der Brust,
gegen den italienischen Erbfeind zu kämpfen. Würden uns deutsche
Truppen auch auf diesem Kriegsschauplatze helfen, so würde dies nie-
derdrückend, auf die Begeisterung lähmend wirken. Nur deutsche Ar-
tillerie, besonders schwere, würden ich und meine Armee auf dem
italienischen Kriegsschauplatze begrüßen1)."
Arn 29. August traf GM. Waldstätten, der Chef der Operations-
abteilung des AOK., in Kreuznach ein, um bestimmte Vorschläge zu
erstatten. Gdl. Ludendorff zeigte zunächst wenig Neigung, darauf ein-
zugehen. Ihm wäre es lieber gewesen, durch Fortsetzung der Angriffe in
der Bukowina und bei Focsani die Moldau zu erobern und den Wider-
stand des Russenheeres zu brechen2) (S. 398). Allenfalls hätte sich dann
Rumänien zum Friedensschluß veranlaßt gesehen. Auch glaubte Luden-
dorff, wegen der noch im Gange befindlichen Flandernsehlacht nicht
genügend Kräfte freimachen zu können. Auf den Vorhalt des GM.
Waldstätten, daß eine Verbesserung der Lage am Isonzo für Österreich-
Ungarn von entscheidender Bedeutung sei, verfügte GFM. Hindenburg,
daß ein deutscher Beauftragter die Angriffsverhältnisse an Ort und
Stelle zu erkunden habe. Hiezu wurde der im Gebirgskrieg sehr erfah-
rene bayrische GLt. Krafft, zurzeit Stabschef einer Heeresgruppe an
der Westfront, bestimmt.
Am 1. September sandte Kaiser Wilhelm an seinen Verbündeten
ein Antwortschreiben, worin er eröffnete, es sei ihm unmöglich,
seine operative Reserve, die nach dem Siege bei Zloczów eben Riga
angreife, die aber auch jeden Augenblick zur Abwehr im Westen bereit
sein müsse, durch Ablösung öst.-ung. Divisionen im Osten festzulegen.
Dies „würde zu einer ernsten Gefahr für unsere gesamte Kriegführung
werden". Lasse es aber die Gesamtlage und ein Erfolg des Angriffes
!) Ins Italienische übersetzt bei C a b i a t i, Ottobre 1917, 27 f.
2) Ludendorff, 383 f.
Zusicherung deutscher Waffenhilfe
497
auf Riga sowie die Jahreszeit zu, dann sollte dem Gedanken einer
Isonzo-Offensive „nähergetreten und sie gemeinsam mit Truppen unse-
rer beiden Armeen durchgeführt werden".
Gleichfalls am 1. September unterrichtete der aus Kreuznach
rückgekehrte GM. Waldstätten in Marburg die maßgebenden Referen-
ten des Kommandos der Südwestfront und des Heeresgruppenkomman-
dos Boroevic von der geplanten Offensive, und tags darauf verständigte
die k. u. k. Heeresleitung das Frontkommando in Marburg von der Ab-
sicht, der Heeresgruppe Boroevic außer der ihr schon zurollenden
13.SchD. und der 20. HID. noch weitere acht bis neun Divisionen zu-
zuführen, mit denen „aus dem Räume von Tolmein die Offensive in
der allgemeinen Richtung Cividale zu ergreifen sein" werde. Hiefür
waren schon jetzt die materiellen Vorbereitungen mit „allergrößter
Energie" zu treffen.
Dem Gdl. Arz, der auf die Mitwirkung deutscher Divisionen schon
wegen ihrer reicheren Ausstattung mit Artillerie, Fliegern und beson-
deren Kampfmitteln größten Wert legte, war es indessen geglückt,
das Widerstreben des Kaisers Karl gegen die Teilnahme deutscher
Truppen an der geplanten Offensive zu beseitigen. In einem am 5. an
den Deutschen Kaiser abgesandten Schreiben gab Kaiser Karl der Hoff-
nung Ausdruck, die verbündeten Kräfte bald gegen den Feind im sieg-
reichen Vordringen zu sehen.
Mittlerweile hatte GLt. Krafft mit seinem kleinen Stabe die Er-
kundungen im Isonzoraume beendet. Er wurde vom k. u. k. Gstbsmjr.
Sigismund Ritt. v. Schilhawsky, dem Italienreferenten der Operations-
abteilung des AOK., geführt, der auch die beiden Operationsentwürfe
vom 31. Juli und 25. August verfaßt hatte. Am 8. September erstattete
Krafft in Kreuznach Bericht und empfahl die Isonzo-Offensive, obwohl
„sie unter den obwaltenden Schwierigkeiten an der Grenze des Mög-
lichen lag"1). Nun ging auch GFM. Hindenburg auf die Vorschläge des
neuerlich in Kreuznach anwesenden GM. Waldstätten ein. Die Durch-
führung wurde beschlossen, und Waldstätten durfte nach Baden die
so bedeutsame Depesche mit dem für die Offensive gewählten Deck-
worte absenden: „Waffentreue gesichert!"
Von deutscher Seite wurden zur Teilnahme an der Offensive be-
stimmt: das bisherige 6. Armeekmdo., Gdl. Otto v. Below, das jetzt die
Nummer 14 erhielt, das III. bayr. Generalkmdo., GLt. Freih. v. Stein, das
Generalkmdo. LI, württ. GLt. v. Berrer, sechs Infanteriedivisionen (5.,
1) Krafft, Der Durchbruch am Isonzo (Oldenburg 1926), I, 18.
VI 32
498
Die H erb sto f fens i ve gegen Italien
12., 26., 117., 200. ID. und Alpenkorps), eine Anzahl von Jäger- und
Sturmbataillonen, die später zur deutschen Jägerdi vision vereinigt
wurden, dann sehr starke Artillerie, Minenwerfer, Flieger und sonstige
Armeetruppen. Von öst.-ung. Einheiten wurden zu den schon zwischen
Tolmein und Flitsch stehenden Heereskörpern (XV. Korps mit 1. und
50. ID., dann vom Ostflügel der k. u. k. 10. Armee die 93. ID., die nach
Austausch einiger Bataillone1) als 55. ID. bezeichnet wurde) noch das
I. Korpskmdo., Gdl. Alfred Krauss, aus der Bukowina, die Edelweiß-
division und die 22. SchD. aus Tirol sowie die 4., die 29. und die 33. ID.
von der Ostfront herangezogen. Zur Ablösung der beiden Divisionen
aus Tirol wurde die 19. ID., die auf 15 Bataillone zu verstärken war,
vom Isonzo zur 11. Armee abbefördert.
Als die Offensive gegen Italien grundsätzlich beschlossen war,
wurde am 10. September die Art ihrer Durchführung zwischen Baden
und Kreuznach vereinbart, worauf zwei Tage später die Südwestfront
die erforderlichen Befehle erhielt. Den Oberbefehl über die aufgebote-
nen Angriffskräfte übernahm ausdrücklich Kaiser Karl, obwohl er seit
Dezember 1916 ohnehin Armeeoberkommandant war. Die Truppen in
Tirol und in Kärnten wurden dem unmittelbar an ihn gewiesenen FM.
Conrad unterstellt, und zwar die Rayone I und II an der Tiroler Westfront,
die 11. Armee und die 10. Armee, in die das bisher selbständige XX. Korps
eingegliedert werden sollte. Das Kommando der Südwestfront, FM.
Erzherzog Eugen, hatte die am Isonzo operierenden Kräfte zu be-
fehligen, und zwar das verstärkte k. u. k. I. Korps mit drei öst.-ung.
Divisionen und der deutschen Jäger division, die deutsche 14. Armee
mit sechs deutschen und drei öst.-ung. Divisionen, die Heeresgruppe
Boroevic mit der 2. Isonzoarmee (zehn Divisionen) und der 1. Isonzo-
armee (elf Divisionen), schließlich die drei öst.-ung. Divisionen starke
Heeresreserve.
Mit diesen Kräften sollte die Südwestfront an einem noch zu be-
stimmenden Tage ^wischen dem 10. und 20. Oktober die Offensive er-
greifen, um „die Italiener über die Reichsgrenze, wenn möglich bis über
den Tagliamento zurückzuwerfen". Hiebei erhielt die deutsche 14. Ar-
mee als erste Aufgabe „Nehmen des Gebirgsstockes der Jeza und damit
die italienische Front zu durchbrechen", während sich die 2. Isonzo-
armee „mit starkem nördlichem Flügel, das verstärkte I. Korps gegen
Bergogna—Karfreit dem Angriff anschließen" sollten. Hiezu wurde
!) Vier Landsturmbataillone wurden gegen das 1R. 7 der 94. ID. umgetauscht;
überdies erhielt die 55. ID. das bh. IR. 2 der 6. ID. zugewiesen.
Erweiterung des Angriffszieles
499
der DOHL. vorgeschlagen, das I. Korps bis zum Erreichen dieses Rau-
mes dem 14. Armeekmdo. taktisch zu unterstellen; später, wenn das
Korps die Westflanke der 14. Armee zu decken haben werde, sollte
es wieder dem Kommando der Südwestfront unmittelbar untergeordnet
sein. Durch diesen Angriff hatten die 14. Armee und die 2. Isonzoarmee
vorerst die Linie Cividale—Mt. Sabotino zu erreichen. Der 1. Isonzo-
armee wurde kräftiges Anfassen des Feindes aufgetragen, um ihn am
Verschieben von Truppen gegen unsere Hauptstoßrichtung zu hindern.
Auf die Wichtigkeit des Behauptens der Hochfläche von Lom, wovon
die Ausführbarkeit der Offensive abhing, wurde GO. Boroevic nach-
drücklich aufmerksam gemacht.
Als sich am 15. September Gdl. Below und sein Stabschef GLt.
Kr äfft beim Erzherzog Eugen in Marburg meldeten, kam es zur ersten
Aussprache über die bevorstehende Kriegshandlung. Der deutsche Ar-
meeführer, gestärkt durch das Kraftgefühl, so vorzügliche und ausr
gewählte Truppen zu befehligen, vertrat im Gegensatz zu den hohen
k. u. k. Befehlsstellen, die vornehmlich eine Vorverlegung der einge-
buchteten Abwehrfront in die Linie Cividale—Mt. Sabotino im Auge
hatten, die Auffassung, daß der Feind nicht bloß „wenn möglich" über
den Tagliamento zu werfen sei, sondern er richtete seine Absichten
über dieses Ziel hinaus1). Denn mit jedem Schritt über den Taglia-
mento hinweg mußte ein weiterer Teil der Kärntner und der Tiroler
Front der Italiener zusammenstürzen. Dadurch konnten die öst.-ung.
Verteidigungslinien wesentlich verkürzt werden und der Wehrmacht der
Donaumonarchie noch weit mehr fühlbare Erleichterungen erwachsen
als durch das Erreichen der von der k. u. k. Heeresleitung kürzer ge-
steckten Ziele.
Als Leitlinie der Offensive nahm Gdl. Below die Richtung von
Tolmein über Gemona und Tarcento gegen den Tagliamentoabschnitt
Cornino—Pinzano in Aussicht. Das Schwergewicht lag somit von allem
Anfang an auf dem rechten Flügel der 14. Armee. Diese erhielt deshalb
als erstes Ziel „die Linie Höhen nördlich von Cividale, Reichsgrenze
nordwestlich der Korada". Sie sollte so auch das Überschreiten des
Isonzo durch den rechten Flügel der 2. Isonzoarmee erleichtern, die,
mit der 14. Armee gleichzeitig angreifend, eine Linie zu erreichen hatte,
die von der Reichsgrenze nordwestlich von der Korada zum Mt. Santo
verläuft. Die Gruppe Krauss hatte nicht bloß eine örtlich gebundene
Flankendeckung bei Karfreit und Bergogna zu bilden, sondern auch
!) Kr äfft, I, 31.
32*
500
Die Herbstoffensive gegen Italien
weiterhin die rechte Flanke der 14. Armee zu schützen, sich somit der
Vorbewegung anzuschließen.
Im Sinne dieser Anträge Belows und der Weisungen des k. u. k.
AOK. erließ der Erzherzog Eugen am 18. September die erforderlichen
Befehle. Sie leiteten den letzten gemeinsamen Waffengang großen Stils
ein, den die beiden Mittelmächte jetzt dazu unternahmen, Italien
einen entscheidenden Schlag zu versetzen. Der ursprüngliche Plan für
die zwölfte Isonzoschlacht, die der bedrängten küstenländischen Front
bloß eine Entlastung bringen sollte, war zur Anlage einer Offensive
mit weitgesteckten Zielen ausgebaut worden, was allerdings anfangs
nicht allen beteiligten höheren Führer stellen in vollem Umfang klar
geworden war.
Der Aufmarsch
Die für die Offensive gewählten Ausgangsräume litten an dem
Nachteil, daß ein Heranführen der Truppen und sonstigen Angriffsmittel
mit Bahn bis in die Nähe der Kampfstellungen nicht möglich war. Die
von Aßling durch den Wocheiner Tunnel in das Bacatal führende, an
sich schon nicht sonderlich leistungsfähige Bahn war wegen der Ge-
fährdung durch italienisches Weitfeuer nur zwischen Podbrda und
Grahova benützbar. Die Strecke Villach—Tarvis war für Ausladungen
großen Stils wohl geeignet; sie konnte aber nur dem für den Angriff
bei Flitsch bestimmten I. Korps zugute kommen. Der Aufmarsch zum
Angriff wurde deshalb in zwei Zeitzügen geplant. Zuerst sollten die
mit Bahn herangeführten Divisionen in größeren, um die Ausladeorte
gelegenen Räumen versammelt werden, wo sie ihre Ausbildung und
Ausrüstung für den Gebirgskrieg zu vervollständigen hatten. Indessen
sollten die Angriffsartillerie, die Munition, das erforderliche Kriegs-
gerät und die Verpflegung in die Ausgangsstellungen geschafft werden.
Der Anmarsch und der Einsatz der Infanterie hatte — schon wegen
der Geheimhaltung — erst zum Schluß zu erfolgen.
Da im Westen und im Osten mehrere Angriffsdivisionen erst aus
der Front gelöst werden mußten1), konnte der Massentransport nicht
vor dem 20. September beginnen. Es wurde errechnet, daß er sich in
!) Es kamen die 4. und die 29. ID. aus Wolhynien, die 33. und die deutsçhe
5. ID. aus Ostgalizien, die 200. aus der Bukowina, die 117. aus Südost sie,benbürgen,
das Alpenkorps aus Rumänien, schließlich die 12. und die 26. ID. der Deutschen
vom westlichen Kriegsschauplatze.
Aufmarschräume und Verkehrsanlagen
501
etwa 30 Tagen abwickeln werde. Den Angriffsb eginn setzte man daher
für den 22. Oktober fest. Über die tatsächlich erfolgten Eisenbahn-
bewegungen unterrichtet die Beilage 21.
Als Aufmarschräume der Verbände der deutschen 14. Armee, deren
Kommando nach Krainburg zu gelangen hatte, wurde für vier Divisionen
das Savetal zwischen Laibach (dieses nicht inbegriffen) und Mojstrana, für
zwei Divisionen der Raum bei Klagenfurt und östlich davon bestimmt.
Die Heeresreserve hatte sich im Laibacher Becken, das I.Korps im Räume
Tarvis—Villach zu versammeln. Das Alpenkorps hatte zu Täuschungs-
zwecken mit seiner Infanterie und mit Gebirgsartillerie vorerst im
Räume um Trient auszuladen; die anderen Teile waren sogleich bis
Aßling zu führen. Gleichfalls zur Irreführung des Feindes sollten kleine
deutsche Abteilungen in Triest Quartiere für größere Einheiten vor-
her eiten.
Die Bahnanlagen in den genannten Räumen gewannen eine beson-
dere Bedeutung. Schon die zehnte Isonzoschlacht, noch viel mehr aber
die elfte gaben Veranlassung zu Stationserweiterungen und Rampen-
bauten an der Strecke Aßling—Grahova. Da die kurze Bahnstrecke
südlich des Wocheiner Tunnels samt der Seilbahn Grahova—Tribusa
für die Versorgung der bei Tolmein und auf der Hochfläche von Bain-
sizza kämpfenden Truppen jedoch nicht ausreichte, wurde auch auf
die weitab liegenden Bahnhöfe von Krainburg, Bischoflack und Unt.
Loitsch gegriffen. Zum Vorführen der hier ausgeladenen Güter war von
Bischoflack auf der Kirchheimer Straße bis Hotaule eine am 28. Sep-
tember fertiggestellte Pferdefeldbahn, von Unt. Loitsch über Idria bis
Straza eine motorisierte Feldbahn erbaut worden. Letztgenannte wurde
am 18. Oktober dem Betrieb übergeben, wenige Tage später aber durch
einen Erdrutsch unbenützbar; sie vermochte daher für den Aufmarsch
bei Tolmein fast gar nichts zu leisten.
Dem Frontabschnitt Krn—Flitsch—Rombon dienten die aus der
Wochein über den Bogatin -<¡>- 2008 gegen die Krnstellung führende
Feld- und Seilbahn, weiters die von Kronau über den Mojstrovkapaß
bis an das Ostende des Flitscher Beckens und die von Tarvis nach
Raibl führenden Seilbahnen; die letztgenannte hatte in einer durch einen
Bergwerksstollen führenden Elektrokleinbahn bis zum Orte U. Breth
eine Fortsetzung.
All diese Verkehrsanlagen kamen nun dem Auf mar sehe zugute,
genügten aber noch bei weitem nicht. Es mußte deshalb auch auf die
Straßen gegriffen werden. Nach Tolmein führten aus dem Krainburger
502
Die Herbstoffensive gegen Italien
Becken nur zwei schmale* meist lediglich für eingeleisigen Verkehr ge-
eignete Gebirgsstraßen, die eine über den Sattel von Podbrda, die
andere über jenen von Kirchheim. Die Straße von Loitsch über Idria
mündete schon bei Straza in die Kirchheimer Straße ein. Auf diesen
in Tagesetappen geteilten und mit rasch erbauten Ausweichen versehe-
nen Straßen wurde nun ein fahrplanartiger Verkehr eingerichtet. Wegen
der Flieger wurde nur bei Nacht an die Front marschiert. In ähnlicher
Weise bereitete das I. Korpskmdo. den Vormarsch seiner Truppen auf
der Prediler Straße und jener über den Mojstrovkapaß vor.
Die erste Berechnung der zu bewältigenden Auf mar schtransp orte
hatte einen Bedarf von 1900 Zügen ergeben, das wären 64 Militärzüge
im Tag gewesen, wozu noch 15 bis 20 Züge für den unentbehrlichen
Personen-, Zivilverpflegs- und Bahnregie ver kehr im unmittelbaren Aus-
laderaum kamen. Durch unerwartete Steigerung des deutschen Nach-
schubes und zahlreicher Einzeltransporte, dann wegen später noch hin-
zutretender Artillerie wuchs die Transportmenge in den dreißig Tagen
auf 2400 rein militärische Züge an. Sie enthielten rund 100.000 Wag-
gons, also etwa ein Drittel des für Kriegstransporte geeigneten Wagen-
standes der Monarchie. Die Mächtigkeit dieser Bewegung, deren Ab-
wicklung eine Glanzleistung des Feldeisenbahnwesens war, läßt sich am
besten daran ermessen, daß der Aufmarsch im Sommer 1914 gegen
Rußland täglich auf ¡allen sieben nach Galizien führenden Bahnlinien
120 Militärzüge umfaßte, wobei der Zi vil verkehr gänzlich eingestellt
war. Jetzt, im Oktober 1917, hatte zum Beispiel der Bahnhof Laibach
allein im Tage rund 120 Zugsabfertigungen und darüber auf allen ein-
mündenden Strecken und nach beiden Seiten zu bewältigen. Von gering-
fügigen Verkehrsunfällen abgesehen, wickelte sich diese Massentrans-
portbeweguAg klaglos ab.
Für den Aufmarsch der Artillerie waren bereits bis zum 19. Sep-
tember die Feuerstellungen ermittelt worden, worauf, wie schon er-
wähnt, die Batterien samt zugehöriger Munition möglichst unauffällig
in die hiefür bestimmten Räume gebracht wurden. Die Vermehrung der
Artillerie an der Südwestfront betrug rund 1500 Geschütze sowie 420
mittlere und schwere Minen wer fer, hie von 460 Geschütze und 216 Minen-
werfer der Deutschen. Diese Vermehrung kam fast ausschließlich den
Einheiten im Angriff,sraume zu (14. Armee samt I.Korps und Nordflügel
der 2. Isonzoarmee), denen insgesamt 1720 Geschütze zugeführt wurden.
Hiefür hatten auch die 1. Isonzoarmee und in geringem Maße die
Heeresgruppe Conrad Abgaben leisten müssen. Schließlich kam noch
Das Aufgebot an Artillerie
503
die Schießschulbrigade von Hajmáskér zur 14. Armee, wo sie ihre Aus-
bildung am Feinde fortsetzen konnte.
Die am 24. Oktober bei der 14. Armee wirkende Artillerie zählte
1678 Geschütze und 44 Minenwerferbatterien (-komp.), und bei der
gleichfalls zum Angriff befohlenen Gruppe Kosak 424 Geschütze und
23 Minenwerferbatterien. Insgesamt standen am Angriffstag zwischen
dem Rombon und dem Meere 3540 Geschütze und 78 Minenwerfer-
batterien (-komp.).
An öst.-ung. Munition wurde vom 8. September bis 16. Oktober
rund eine Million Schuß zugeschoben, darunter 10 v. H. Gasmunition.
Zu ihrer Verfrachtung benötigte man allein 2000 Waggons oder rund
60 Züge zu je 60 Achsen. Durch diese Zuweisungen — die Höhe der
deutschen Zufuhren ist nicht bekannt — sollte der Munitionsvorrat
beim Korps Krauss, bei der 14. Armee und beim Nordflügel der
2.1sonzoarmee auf 1000 Schuß für jedes leichte Feld-(Gebirgs-)geschütz,
800 für jede schwere Haubitze, 500 für jede 10.4 cm-Kan one und 200
für jeden 30.5 cm-Mörser gebracht werden. Für die anderen Teile der
Heeresgruppe Boroevic wurde eine um etwa ein Viertel geringere
Munitionsausrüstung vorgesehen.
Um die Artillerie wieder voll bewegungsfähig zu machen, erhielt
die Heeresfront Erzherzog Eugen 30.000 Artilleriezugpferde zuge-
wiesen1). Trotzdem begegnete das Auffahren der Batterien, namentlich
im Gebirge, nicht geringen Schwierigkeiten. Vielfach mußte Infanterie
mithelfen. Bei der Gruppe Krauss trugen Infanteristen bis in die letzte
Nacht vor dem Angriff die Artilleriegeschosse in die auf den Bergen
gelegenen Batteriestellungen; dennoch konnte der vorgesehene Schieß-
bedarf nicht überall voll bereitgelegt werden. Größere Ausfälle ergaben
sich beim Nordflügel der 2. Isonzoarmee.
Das vom 10. Oktober an fast andauernd von Regengüssen be-
gleitete sehr schlechte Wetter vermehrte die Schwierigkeiten des Auf-
marsches. Es hinderte aber die feindlichen Flieger, zu weitreichenden
Aufklärungsflügen aufzusteigen. Überdies dämpften die frühzeitig ein-
getroffenen deutschen Kampfflieger sehr bald den Unternehmungsgeist
der italienischen Piloten.
Die technischen Kräfte der Heeresfront Erzherzog Eugen wurden
1) Samt 136 fahrenden und 49 Tragtierstaffeln sowie 6400 losen Pferden be-
trug die Pferdevermehrung bei der Heeresfront Erzherzog Eugen 68.000, be,i der
Heeresgruppe Conrad, bei der auch Vorbereitungen bescheidenen Umfanges getrof-
fen wurden, 16.000 Pferde. Fast alle Pferde waren wegen Futtermangels unterernährt
504
Die Herbstoffensive gegen Italien
um 16 Sappeur-, 1 Brücken- und 45 Baukompagnien sowie um 41 Kriegs-
brückenequipagen vermehrt. Letztgenannte wurden wegen des Gebotes,
nur Kampftruppen in die vorderen Staffel der Marschsäulen einzu-
teilen, weit hinten eingereiht, was sich noch als nachteilig erweisen
sollte. Die Zuteilung von zahlreichen Telegraphenabteilungen, Sani-
tätsanstalten, 34 Autokolonnen, 30.000 Kriegsgefangenen als Arbeiter,
von viel Baugerät und der erforderlichen Verpflegung vervollständig-
ten die mit großer Umsicht betriebenen Vorsorgen.
Das Vorziehen der Infanterie hatte nach einem genau festgelegten
Marschplane am 16. Oktober zu beginnen und nahm von Bischoflack
bis Tolmein durchschnittlich sechs Nachtmärsche in Anspruch. Die 12.
und die 26. ID. der Deutschen hatten vorher aus dem Klagenfurter
Becken noch den Karawankenwall auf dem Seeberg- und dem Loiblpaß
zu überschreiten. Teile des Alpenkorps, die in den ersten Oktobertagen
von Tirol in die Wochein verschoben worden waren, gelangten von
hier auf einem Gebirgspfad nach Podbrda. An der Front hatten die
Divisionen nach Ablösung der sich sodann zusammenschiebenden Stel-
lungstruppen die in der Beilage 22 verzeichnete Ausgangslage einzu-
nehmen. Trotz der sehr gründlichen Vorbereitungen bereitete das elende
Wetter dem Vormarsche doch erhebliche Schwierigkeiten. Da sich wei-
ters beim I. Korps und bei der gleichfalls zum Angriff bestimmten
Gruppe Kosak der 2. Isonzoarmee (S. 503) wegen des langsamen und
verspäteten Zuschubes der Artillerie und der Munition die Angriffsvor-
bereitungen verzögerten, wurde der Vormarsch mitten während seiner
Durchführung zwei Tage lang angehalter. Der Beginn der Offensive
wurde schließlich für den 24. Oktober festgesetzt.
In der ersten Oktoberhälfte hatte es vorübergehend den Anschein,
als ob das ganze Unternehmen durch die zu dieser Zeit in Flandern
tobenden sehr schweren Kämpfe beeinträchtigt werden würde. Zwei
anfangs zur Verstärkung deir 14. Armee bereitgestellte deutsche Divi-
isionen (195. und 28. ID.) wurden in den Strudel der Kämpfe im Westen
gerissen. Auch die bei der Heeresfront Erzherzog Joseph in der Buko-
wina entbehrlich gewordene, sehr gebirgstüchtige 8. bayr. RD., die der
Gruppe Krauss zugedacht war, wurde Mitte Oktober statt nach Flitsch
nach Frankreich geführt. Am 10. Oktober eröffnete die DOHL., daß sie
die über die Divisionsartillerie hinaus zugewiesenen Feld- und schweren
Batterien sogleich nach den ersten Angriffstagen abziehen werde, und
am 12. drahtete sie, daß die 14. Armee auch mit der baldigen Abgabe
an Infanterie rechnen müsse. Als die Schlacht im Westen um den 18. ab-
Beeinträchtigung durch die Flandernschlacht
505
flaute, gestand die DOHL. das Verbleiben aller Truppen uneingeschränkt
wieder zu. Diese Nachricht hinterließ bei Gdl. Below aber doch den
Eindruck, daß die DOHL. die Teilnahme der 14. Armee an der Offen-
sive baldmöglichst beendet wissen wolle1). Um so mehr ging das
14. Armeekmdo. mit Feuereifer daran, die Vorbereitungen derart zu
treffen, daß sie einen vollen Erfolg verbürgten.
Unbestritten bleibt das große Verdienst, das sich der Chef des
Generalstabes, Gdl.Arz, und sein Chef der Operationsabteilung, GM.
Waldstätten, dadurch erwarben, daß sie die Offensive trotz der unzäh-
ligen Schwierigkeiten überhaupt zustande brachten.
Die Heeresgruppe Boro e vie
von Mitte September bis zum Beginn der Offensive
Hie zu Beilage 2 0
Als am 18. September der erste schriftliche Befehl des Erzherzogs
Eugen für die Offensive in Adelsberg eintraf, standen die beiden Ar-
meen des GO. Boro-evie noch ganz unter den Nachwirkungen der elften
Schlacht. Insbesondere auf dem Mt. S. Gabriele dauerte der Kampf noch
fort. Nach dem Einsätze des IR. 14 schien die Behauptung des blut-
gedüngten Berges wohl gesichert zu sein. Als die 57. ID. samt dem
Regiment Hessen am 17. die Stätte ihres ruhmreichen Wirkens verließ,
blieb der Berg der an ihre Stelle tretenden verstärkten 20. HID. anver-
traut, die sich aber — wie noch ausgeführt werden wird — noch wei-
terer italienischer Angriffe erwehren mußte.
Der genannte Befehl des Kommandos der Südwestfront trug der
Heeresgruppe Boroevic auf, mit der am Nordflügel stark zu haltenden
2. Isonzoarmee „den Angriff gleichzeitig mit der deutschen 14. Armee
aufzunehmen und vorerst die Linie Reichsgrenze nordwestlich Korada—
Mt. Santo zu erreichen". Der 1. Isonzoarmee fiel die schon erwähnte
Aufgabe des Bindens feindlicher Kräfte zu. Die Heeresgruppe hatte das
XV. Korps am 3. Oktober und die 13.SchD. am 12. an die Armee
Below abzugeben, sich aus überzähligen Truppen eine neue Division
zu bilden und überdies vor Beginn der Offensive eine Division von der
1. zur 2. Isonzoarmee zu überstellen.
Diese Aufträge bereiteten der Heeresgruppe nicht unerhebliche
!) Kr äfft, I, 36 f.
506
Diö Herb sto f fensi ve gegen Italien
Schwierigkeiten. GO. Boroevic sah seine nächste Aufgabe nach wie vor
in der unbedingten Behauptung der an vielen Stellen noch nicht ge-
festigten Front, weil dies eine der Grundbiedingungen für die gesicherte
Vorbereitung der Offensive war. Die anbefohlene Beteiligung der
2. Isonzoarmee am Angriff warf in Adelsberg das Problem auf, ob die
Heeresgruppe dem Durchbruchs angriff der 14. Armee den Vortritt zu
lassen ,und sich ihm Staffel weise anzuschließen haben werde oder ob sich
der Nordflügel der Heeresgruppe unmittelbar am Durchbruch zu be-
teiligen habe1). Letzteres war vornehmlich vom artilleristischen Stand-
punkt schwierig, da doch beide Isonzo armeen ihre Stellungen unbedingt
behaupten und überdies den Schein eines allseits erfolgenden Angriffes
erwecken sollten. Hiefür reichte die Artillerie der Heeresgruppe allein
nicht aus.
Zuletzt beschloß GO. Boroevic, auf dem Nordflügel der 2. Isonzo-
armee eine aus der 73. ID. und der 35. ID. bestehende Angriffsgruppe
unter FML. Kosak zu bilden. Die 73. ID. hatte vom 10. Oktober an die
Nummer 60 zu führen. Die bloß acht Bataillone zählende 35. ID., die am
12. Oktober die 13.SchD. ablöste, wurde durch das schon bei Lom
stehende IR. 64 und das Bataillon 1/63 auf zwölf Bataillone gebracht.
Zuweisungen an Artillerie durch das k. u. k. AOK. und Abgäben der
Armee Wurm, wodurch die 2. Isonzoarmee um rund 400 Geschütze und
200 Minenwerfer verstärkt wurde, ermöglichten es, bei der Gruppe
Kosak eine zur Not ausreichende Feuerkraft zu vereinigen. Hinter die
Angriffsgruppe Kosak wurde noch die 57. ID. gestellt. Da das Kom-
mando der Südwestfront diese Kraft samt der — wie später noch er-
wähnt werden wird — der 2. Isonzoarmee zugewiesenen 29. ID. aber
noch immer für zu schwach hielt, wurde die 28. ID. vom Südflügel der
Heeresgruppe nach Chiapovano verschoben. Dem sich lange hinziehen-
den Zweifel über den Angriffsbeginn der Gruppe Kosak bereitete das
Kommando der Südwestfront am 21. Oktober dadurch ein Ende, daß es
ausdrücklich befahl, der Infanterie angriff Kosaks habe mit jenem des
nördlich anschließenden XV. Korps der 14. Armee gleichzeitig zu beginnen.
Die 1. Isonzoarmee bemühte sich, dem Feinde an der ganzen Front
ernsthafte Vorbereitungen vorzutäuschen. Hiezu begann schon am 15. Ok-
tober ein einheitlich geleitetes Einschießen der gesamten Artillerie, dem
drei Tage später vom Südflügel aus schweres Fernfeuer gegen Grado
folgte. Wegen der geringen Geschützzahl erhielt die 1. Isonzoarmee für
dieses Täuschungszwecken dienende Schießen für jede Division täglich
x) Anton P i t r e i c h, Manuskript.
Neue Kämpfe auf dem Mt. S. Gabriele
507
1500 Schuß zugestanden, indes die Divisionen der 2. Isonzoarmee im
Tage nur 1000 Schuß verbrauchen durften. Überdies wurden Angriffs-
unternehmen im Wippachtale und zur Wegnahme der Westkuppe des
Fajti hrib vorbereitet, die in zeitlicher Übereinstimmung mit dem Durch-
bruch bei Tolmein erfolgen sollten.
Von den Heeresreserven, die anfänglich durch die Heeresgruppe
Boroevic zu versorgen waren, wurde die 33. ID. bei Laibach, die 4. bei
Ob. Laibach und die 29. ID. aus Raumgründen zunächst bei Haiden-
schaft untergebracht. Letztgenannte diente hiemit eigentlich schon mehr
den Zwecken der Heeresgruppe Boroevic, wurde ihr auch anfangs
Oktober unterstellt und hinter den Nordflügel in den Ternowaner Wald
verschoben, um nötigen Falles der Gruppe Kosak als Verstärkung zu
dienen. An Stelle der 29. ID. trat die 13.SchD. zur Heeresreserve über.
Die ganze Heeresreserve (4., 33. ID. und 13.SchD.) wurde sodann zur
Regelung ihres Vormarsches und ihrer Versorgung an das 14. Armee-
kmdo. gewiesen. Diesem wurde zur materiellen Versorgung der einge-
teilten öst.-ung. Truppen die neuaufgestellte Quartiermeisterabteilung 6
beigegeben. Die Artillerie der 4. und der 33. ID. hatten an der artille-
ristischen Vorbereitung des Durchbruches bei Tolmein mitzuwirken. Die
als Verfügungstruppe aus der Front gelöste 43. FABrig. wurde mit
Bahn zum I. Korps nach Flitsch verschoben. Die Reserve der Heeres-
gruppe Boroevic jhatte die bei Haidenschaft stehende 106. LstlD. zu
bilden. Da zur anbefohlenen Aufstellung einer neuen Division keine
Kräfte zur Verfügung standen, wurden die 1. und die 187. LstlBrig. als
63. ID. zusammengezogen, deren Masse bei der 58. ID. östlich von Görz
in der Front stand.
Die Kamp fer eignisse am Isonzo hielten auch nach dem 15. Septem-
ber die Verteidiger in Atem, die Vorbereitungen zur Offensive wurden
dadurch allerdings nicht beeinträchtigt. Der Brennpunkt der Ereignisse
war wieder der Mt. S. Gabriele. Am 19. September wurde die hier seit
zwei Tagen in der Front stehende 20. HID. in den Abendstunden vom
Feinde berannt. Obwohl der Angriff Überfalls artig, ohne vorangehende
Feuervorbereitung unternommen wurde, schlug er vollkommen fehl und
vermehrte nur die ohnehin schon ungewöhnlich hohen Einbußen des
Feindes. Ein gleiches Mißgeschick widerfuhr ihm auf der Hochfläche von
Bainsizza vor dem Abschnitt der 21. SchD., die eben durch die 53. ID.
abgelöst wurde. Der 22. September sah diese Division imj Vorstoßen,
um die von ihrer Vorgängerin bei Kuscarje verlorenen vordersten Grä-
ben zurückzugewinnen. Das Unternehmen erzielte aber nur einen halben
508
Die Herbstoffensive gegen. Italien
Erfolg. Die sehr abgekämpfte 21. SchD. wurde bald darauf als Reserve
hinter den Südflügel der 1. Isonzoarmee verschoben.
Am 28. flammte der Kampf von neuem auf. Die nach kurzen
Feuerstößen am Vor- und am Nachmittag unternommenen Angriffe der
Italiener wurden von der 20. HID. abgeschlagen. Nachts ging aber die
viel umkämpfte Geschützkaverne samt dem nördlich anschließenden,
bis zur Straßenkote 367 sich hinziehenden Graben verloren. Am 30. ver-
breiterte sich der Kampf auf die ganze Front des seit dem 18. aus der
20. HID. und der 43. SchD. bestehenden IV. Korps und auf den Süd-
flügel des XXIV. Korps, das die 53. und die 24. ID. in der Front und
die 9. knapp dahinter in Reserve stehen hatte. Alle angegriffenen Front-
teile konnten behauptet werden, bei der 53. ID. waren hiezu Gegenstöße
erforderlich. Am 30. vertrieb die 20. HID. den Feind auch aus der Ge-
schützkaverne und nahm allseits die vorderste Kampflinie in Besitz1).
An den beiden ersten Oktobertagen war die Kaverne wieder das
Ziel hartnäckiger, aber schließlich doch ergebnislos verlaufender ita-
lienischer Anstürme, wobei der Feind sogar 6 Offiziere und 400 Mann
in den Händen der wackeren Verteidiger lassen mußte. Aus der Reihe
der sich noch bis zum 20. Oktober fortsetzenden Kämpfe um den Mt. S.
Gabriele sollen nur ein am 6. zwischen 5h und 10h vormittags wieder-
holt unternommener Angriff und ein in der Nacht vom 8. auf den 9.
versuchter Überfall Erwähnung finden; beiden Unternehmungen des
Feindes blieb ein Erfolg versagt. Desgleichen schlug die 60. (früher
73.) ID. am 15. bei Mesnjak einen gegen die Mitte ihres Abschnittes
gerichteten italienischen Angriff ab.
Die Begebenheiten in Tirol und in
von Anfang September bis zum 2 4.
Hiezu Beilage 4
Der Heeresgruppe FM. Conrad erwuchs für die bevorstehende
Offensive die undankbare Rolle, Kräfte abzugeben und dennoch die
Vorbereitungen für einen Angriff vorzutäuschen. In der Tatsache, daß
der Feind der Heeresgruppe Conrad in ungefähr doppelter Stärke ge-
genüberstand, lag eine besondere Erschwernis der Aufgabe.
GM. Richard Müller, der Generalstabschef des Feldmarschalls,
1) Obst. Karl Kratochwil v. Szentkeresztliegy, Kommandant der 81. HIBrig.,
erwarb sich hiebei das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens.
Kärnten
Oktober
Truppenabgaben aus Tirol für die Isonzofront
509
wurde schon am 2. September nach Marburg berufen und über den Plan
zur Offensive unterrichtet. Tags darauf erhielt die Heeresgruppe die
Weisung, das Edelweißdivisionskommando und sieben Bataillone, die
alle dem XIV. Korps zu entnehmen waren, zum Abgehen bereitzu-
stellen. Das 11. Armeekmdo. bestimmte hiefür das IR. 59, das 3.KJR.
mit je drei Bataillonen und das Bataillon I/KJR. 4, die durch andere
Truppen des Edelweißkorps aus der Front gelöst und in Trient, Aldeno
und Caldonazzo vintergebracht wurden. Hier war ihnen bis zur Abbeför-
derung eine kurze Frist zur Erholung und Angriffsschulung gegönnt1).
Am 12. September erhielt die Heeresgruppe den Befehl, weitere
15 Bataillone (hievon sechs der Kaiserschützen und neun des III. Korps)
samt einem Divisionskommando abzugeben, wofür als Ersatz die 19. ID.
vom Isonzo nach Tirol verschoben wurde. Das Heeresgruppenkomman-
do befahl, das 22. SchDKmdo. samt der 43.SchBrig. (SchR. 3 und 26),
die 98.KSchBrig. (KSchR. I und II) und das bh. IR. 2 der 6. ID. abzu-
befördern. Der Entzug von (samt dem IR. 14) 25 gebirgstüchtigen Ba-
taillonen, wofür die nicht gleichwertige 19 ID. statt mit 15 nur mit
12y2 Bataillonen eintraf2), empfand FM. Conrad als empfindliche
Schwächung, insbesondere, als er noch zum Abgeben von 5 Gebirgs-,
2 schweren Haubitz- und li/2 Mörserbatterien verhalten wurde. Wohl
rollte vom 15. September an gleichzeitig mit der 19. ID. das deutsche
Alpenkorps in Tirol ein; es durfte hier aber nur bis Anfang Oktober
bleiben.
Nun meldete vom 15. September an die 11. Armee über Verstärkun-
gen des Feindes vor dem III. Korps; das XX. Korps wußte über außer-
ordentlich starken Autoverkehr von Süden gegen Cortina d'Ampezzo
und Alleghe zu berichten. Diese bedrohlichen Anzeichen wurden ver-
mehrt durch einen am 18. erfolgten Überfall der Italiener im Suganertale.
An diesem Tage um lh nachts durchstießen fünf Bataillone nach
Überrumpelung der Feldwachen die Stellung der k. u. k. 18. ID. und
drangen in Carzano ein. Der Überfall konnte gelingen, weil einige
pflichtvergessene Angehörige des Bataillons V/bh. 1, darunter ein Re-
serveoberleutnant slowenischer Nationalität, in verräterischer Weise die
zum Teil österreichische Uniformen tragenden Feinde führten.
Jene fünf Bataillone waren die vorderste Stoßstaffel der in zwölf
Sturmsäulen angesetzten italienischen 15. ID., die durch zugeteilte Rad-
x) S c h e m f i 1, 3. KJR. im Weltkrieg, 466. — Hoen, IR. 59 im Weltkrieg, 572.
2) Das IR. 81 kam nur mit eineinhalb statt mit drei, das IR. 50 bloß mit drei
statt mit vier Bataillonen nach Tirol.
510
Die Herbstoffensive gegen Italien
fahrbataillone, Panzerkraftwagen, Autobatterien und motorisierte Ab-
teilungen zu einem tiefen, bis Trient reichenden Durchstoß im Suganer-
tale befähigt werden sollte. Gelang das Unternehmen, dessen Anregung
zum Teil von den Überläufern ausgegangen war, so gedachte man zur
Ausweitung des Erfolges auf die bis Feltre gestaffelt in Reserve stehende
62. ID. zu greifen1). Das Eindringen der Feinde wurde aber bald be-
merkt, und die stehengebliebenen Flügel zunächst der Einbruchsstelle
riegelten sich ab. Hierauf eilten kleine Reserven selbsttätig noch vor dem
Morgengrauen von allen Seiten herbei und führten einen konzentrischen
Gegenangriff gegen den Feind, der in der Absicht, nach Borgo vorzu-
stoßen, schon bis in die Nähe der Batterien gelangt war. Er wurde —
schwerste Verluste erleidend — bald zurückgeschlagen. Schon vormit-
tags war die frühere Lage wiederhergestellt, ehe noch die eiligst heran-
geführten Divisions- und Armeereserven eingetroffen waren2). Der von
den Italienern im Bunde mit den verräterischen Überläufern unternom-
mene Vorstoß war völlig gescheitert und hatte Cadorna um hochflie-
gende Hoffnungen betrogen.
Einen Tag nach dem Überfall der Italiener bei Carzano< sprengten
sie auf dem Colbricon (südwestlich vom Rollepaß) eine große Mine.
Am 20. September unternahmen sie einen starken Angriff gegen unsere
Sief Stellung, der ihnen aber nur schwere Verluste eintrug. Am 21. ver-
suchten sie auf der Marmolata die Wegnahme eines größeren Teiles
unserer Verteidigungsanlagen, mußten sich aber bloß mit dem Gewinn
einer Kaverne begnügen.
Diese auffallenden Anzeichen italienischer Regsamkeit veranlaßten
den FM. Conrad, in einem eingehenden Bericht auf die Gefahren einer
weiteren Schwächung der Besatzung Tirols hinzuweisen. Am l.Juli
hatte er noch über 155 Bataillone und 1417 Geschütze verfügt; jetzt
unterstanden ihm nur mehr 116 Bataillone (hievon bloß 69 vollwertige)
und 1296 Geschütze, denen schätzungsweise 253 Bataillone und 2000 Ge-
schütze gegenüberstanden. Im besonderen wies der Marschall auf die
x) P i n c h e 11 i, 329 ff. — Pettorelli-Lalatta. „I.T.O." (Mailand 1931),
145 ff. — Derselbe, Il sogno di Carzano (Bologna 1926), 83 ff. — P i v k o, Cardano
(in slowenischer Sprache, Marburg 1924). — Schreiben des Marschalls Cadorna vom
5. Jänner 1927 an GdA. Krafft.
2) Ho en, Waldstätten-Zipper er und Seifert, Die Deutschmeister
(Wien 1928), 725 ff. — Feichtmeier, Nachtgefechte (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg.
1926, 142 ff.). — Die Verluste der Italiener betrugen, insoweit festzustellen war,
17 Offiziere und 896 Mann an Toten und Gefangenen. Der Verteidiger hatte bloß
10 Offiziere und 306 Mann an Toten, Verwundeten und Vermißten eingebüßt.
Täuschungsmaßnahmen in Tirol
511
Vielsprachigkeit der meisten Bataillone hin sowie auf die sich bedenk-
lich mehrenden Fälle von Fahnenflucht und Überlaufen zum Feinde,
wofür der Grund bei der Mannschaft nicht selten im Hunger, bei Offi-
zieren aber fast immer in der nationalen Gesinnung zu suchen war.
Trotzdem bestand das Kommando der Südwestfront auf allen an-
befohlenen Truppenabsendungen und auf der Durchführung von Maß-
nahmen zur Täuschung des Feindes. Von diesen versprach sich der
Marschall allerdings keinen großen Erfolg. Als de;r Feind am 27. und
am 28. September im Adamellogebiet und in den Judicarien zu größeren
Stoßtruppunternehmen losbrach, bot sich Gelegenheit, bei der durch-
wegs geglückten Abwehr auch zwei Bataillone des deutschen Alpen-
korps mitwirken zu lassen. Als dieses Korps vom 30. an nach der
Wochein abfuhr1), kamen von der Westfront drei deutsche Sturm-
bataillone, von denen eines be,im XIV. Korps auf dem Pasubio, eines
beim III. auf der Ortigara und das dritt° im Abschnitt Pustertal bei
Peutelstein und auf dem Mt. Piano zur Durchführung von Vorfeld-
unternehmen eingesetzt wurden. Auf dem letztgenannten Berge wollte
man hiebei von der auf dem steilen Nordhang gelegenen Stellung bis
auf den flachen Oberteil gelangen. Dem am 22. Oktober unternommenen
Angriff war aber kein Erfolg beschert.
Von Mitte Oktober an funkten überdies zwischen dem Gardasee und
dem Suganertale 21 deutsche Radiostationen irreführende Befehle, und
schließlich erhoffte man sich aus der vom 15. bis zum 23. Oktober wäh-
renden Anwesenheit des Kaisers Karl in Bozen eine Täuschung des
Feindes.
Die Ansammlung starker italienischer Kräfte im Suganertale —
es wurden vier Infanterie-, zwei Bersaglieribrigaden sowie einige Al-
pini- und Radfahrerbataillone festgestellt — ließ mit Recht an einen
Erfolg der versuchten Irreführung der Italiener glauben. Diese Masse
des Feindes bedeutete jetzt aber schon eine Gefahr und veranlaßte das
Heeresgruppenkommando, das seit dem 3. Oktober der Heeresleitung
unmittelbar unterstellt war, alle an andern Stellen entbehrlichen Reser-
ven eiligst ins Suganertal heranzuführen. Überdies bat FM. Conrad am
20. Oktober den in Bozen weilenden Chef des Generalstabes um sechs
Bataillone von der russischen Front. Solche waren zur Stunde zwar
nirgends verfügbar, aber einige Tage später erging der Befehl, die im
Osten entbehrliche 9. KD. samt dem Kommando des Kavalleriekorps
Hauer nach Tirol zu führen. Die nach Tirol anrollende 9. KD. wurde
!) Ein deutsches Jägerbataillon blieb noch etwa zwei Wochen in den Judicarien.
512
Diei Herbstoffensive gegen Italien
jedoch am 29. Oktober zur 7. Armee abgedreht, kurz darauf das Kom-
mando des Kavalleriekorps Hauer aufgelöst. Mittlerweile begann aber
die 12. Isonzoschlacht und löste an der Südostfront von Tirol die Span-
nung, die in den letzten Wochen auf ihr gelastet hatte.
Nicht minder schwierig lagen die Verhältnisse bei der die Grenze
Kärntens und das Quellgebiet des Isonzos deckenden, schon seit langem
sehr schwach gehaltenen 10. Armee. Sie hatte an das von ihrem Ost-
flügel aus vorbrechende I. Korps die für einen Angriff im Gebirge aus-
zustattende 55. ID. abzugeben und überdies mit den übrigen Kräften
die rechte Flanke dieses Korps durch einen Begleitangriff zu schützen.
Zur Vereinfachung der Befehlsverhältnisse hatte die 10. Armee das
den Ostabschnitt befehligende Gruppenkommando Gdl. Erzherzog Peter
Ferdinand am 10. September nach Tirol abzusenden, wo es am 16. in
Meran den Befehl über die Rayone I und II übernahm. Vom 20. an
unterstand der Abschnitt Flitsch dem mittlerweile hier eingetroffenen
I. Korpskmdo., das bis 3. Oktober, ehe es zur 14. Armee übertrat, an
das k. u. k. 10. Armeekmdo'. gewiesen war Dieses stattete nun in selbst-
loser Weise das Korps Krauss mit geblrgstüchtigen Feldbataillonen,
Hochgebirgskompagnien, Bergführern, schweren Batterien und Kriegs-
gerät aller Art aus. Diese Schwächung minderte aber die Fähigkeit der
10. Armee, dem Feinde — wie gefordert — an anderer Stelle einen
drohenden Angriff vorzutäuschen und noch Kräfte für ein Begleitunter-
nehmen zu erübrigen.
Bereits am 8. September hatten Freiwillige Kärntner Schützen am
Granudaberge (südwestlich von Malborgeth) durch einen schneidigen
Vorstoß dem Feinde erheblichen Abbruch getan. Nun brachen zu dessen
Irreführung am 18. Oktober von allen Frontabschnitten der zu beiden
Seiten vom Plöckenpaß stehenden 94. ID. Sturmtrupps vor. Auf dem
Kl. Pal glückte es den Abteilungen des FJB. 8, in die italienischen Stel-
lungen einzubrechen; ein Großteil der Besatzung fiel den tapferen Jägern
zum Opfer. An den andern Stellen lösten die Sturmtrupps heftiges
Abwehrfeuer der Italiener aus, das im Plöckenraume, wo stets eine
Spannung bestand, noch einige Tage anhielt.
Schließlich wurde vereinbart, zur unmittelbaren Unterstützung des
Korps Krauss Teile der 59. GbBrig. im Seebachtale gegen den Nevea-
sattel vorbrechen zu lassen, was aber nur im Zusammenwirken mit
einer vom Rombon über die Prevalascharte vorstoßenden rechten Seiten-
abteilung des Korps Krauss Erfolg versprach. Mehr konnte die bis aufs
äußerste geschwächte 10. Armee nicht leisten. Sie besaß fast durchwegs
Zurückfallen der Italiener in die Verteidigung
513
minder angriffstüchtige Bataillone. Hievon waren nicht einmal alle in
der Abwehr verläßlich. Am 2. Oktober liefen von dem aus trachom-
kranker Mannschaft des Esseger IR. 78 gebildeten Bataillon VII/104
zwei Offiziere und 22 Mann zum Feinde über.
Obwohl nach Abgabe des Flitscher Abschnittes das in Villach ge-
legene Hauptquartier des 10. Armeekmdos. schon ganz seitwärts von
seinem Armeebereiche lag, behielt GO. Krobatin seinen Standort bei.
Von der ursprünglich beabsichtigt gewesenen Unterstellung des die
Dolomitenfront schützenden XX. Korps unter das 10. Armeekmdo.
(S. 498) war man abgekommen, um eingelebte Befehls- und Nachschub-
verbindungen nicht ändern zu müssen.
Die hohe italienische Führung
zwischen der elften und der z wö lften Isonz oschlacht
Nach der elften Isonzoschlacht, in der den Italienern die Eroberung
der Westhälfte der Hochfläche von Bainsizza geglückt war, hatte Gen.
Cadorna geplant, den Angriff nach gründlicher Vorbereitung Ende Sep-
tember vom Südteil dieser Hochfläche aus über die Ausläufer des Ter-
nowaner Waldes weiterzuführen. Alsbald änderte er aber sein Vorhaben.
Bestimmend hiefür war, daß die 300.000 Mann, die die Italiener in der
zehnten und in der elften Schlacht eingebüßt hatten, wegen des abneh-
menden Zustromes an Ergänzungen in absehbarer Frist nicht ersetzt
werden konnten, dann die Voraussicht, daß das Auffüllen der Muni-
tionslager längere Zeit beanspruchen werde. Das wasser- und wege-
arme Gebiet, auf dem die Mitte der 2. Armee nunmehr stand, konnte
nicht ohne weiteres als Ausgangsraum für eine neue Offensive ein-
gerichtet werden. Auch mochten den italienischen Generalstabschef —
wenngleich sich die Armee im August aufopfernd geschlagen — die
zunehmenden Disziplinwidrigkeiten, die noch zu besprechen sein wer-
den, von einer neuen Kraftprobe abgehalten haben. Des weiteren stand
der Zusammentritt der Kammer bevor, die stets strenge Rechenschaft
forderte, ob die gebrachten Blutopfer mit dem Ausmaße der Eroberun-
gen im Einklang standen. Auch wußte man von erheblichen Verstärkun-
gen des Gegners bei Chiapovano. Schließlich besorgte man, daß der
Niederbruch des russischen Heeres die öst.-ung. Heeresleitung befähigen
mochte, noch weitere freigewordene Divisionen an den Isonzo zu werfen.
V * 33
514
Die Herbstoffensive gegen Italien
Aus all diesen Gründen und unter Hinweis auf die durch Aussagen
von Überläufern begründete Möglichkeit eines gegnerischen Angriffes
erließ das italienische Höchstkonimando am 18. September an die 2.
und die 3. Armee den Befehl, alle Angriffsvorbereitungen einzustellen
und sich für eine „bis zum äußersten" gehende Abwehr einzurichten1).
Wohl auch hiemit im Zusammenhange plante Cadorna, am mittleren
Tagliamento eine Reservearmee von 200 Bataillonen zu bilden, um all-
fälligen Angriffen von Tirol oder vom Küstenlande her kräftig ent-
gegentreten zu können. Die hiefür am 3. Oktober erlassenen Befehle
kamen aber wegen des Widerstrebens der Armee- und Korpskomman-
danten, Truppen abzugeben, nicht zur Ausführung2).
Den Entschluß, nunmehr in die Abwehr zu fallen, teilte Cadorna
am 21. September den beiden Westmächten mit. Er fühlte sich auch
ihnen gegenüber zur Einstellung der Offensive berechtigt, da er der
Meinung war, die Ende Juli in Paris eingegangene Verpflichtung, eine
Offensive großen Stils zu führen, mit der elften Schlacht voll eingelöst
zu haben. Cadorna begründete seinen Entschluß, in die Verteidigung
zurückzufallen, damit, daß der Gegner am Isonzo Verstärkungen er-
halten habe, und daß sich die Verluste der Italiener seit Anfangs Mai
— die Kranken inbegriffen — auf 720.000 Mann beliefen3). Die Preis-
gabe des Angriffsgedankens verstimmte aber die Verbündeten Italiens,
die an eine Offensive der Mittelmächte im Südwesten nicht glauben
wollten. Sie zogen daher einen Großteil der beim italienischen Heer
befindlichen schweren Batterien (200 Geschütze) ab.
Inzwischen begannen Nachrichten über die Mitte September erfolgte
Sperrung der österreichischen Grenze gegen die Schweiz, über das Er-
scheinen einer bayrischen Division in Südtirol und über Truppenver-
schiebungen von Trient weg die italienische Heeresleitung schwer zu
beunruhigen. Cadorna überprüfte hierauf selbst die Abwehrmaßnahmen
an der Tiroler Front sowie den Straßen- und Befestigungsbau auf dem
Gebirgsstock der Grappa. Dann wandte Cadorna sein Augenmerk der
Isonzofront zu, an der wegen der zufließenden öst.-ung. und deutschen
Verstärkungen mit örtlichen Angriffen gerechnet werden mußte. Ins-
besondere galt Cadornas Interesse der Hochfläche von Bainsizza.
Hier war der Führer der 2. Armee, Gen. Capello, den am 10. Ok-
!) Cadorna. La guerra, Neudruck 1934, 420 f.
2) Relazione della commissione d'inchiesta. Dall'Isonzo al Piave — weiterhin
als „Bericht der Untersuchungskommission" bezeichnet — (Rom 1919), I, 30.
3) Robertso n, 442.
Meinungsverschiedenheiten Zwischen Cadorna und Capello
515
tober erlassenen Weisungen des Höchstkommandos, auf der Hochfläche
von Bainsizza nur die Feldhatterien und die leicht beweglichen Ge-
schütze mittleren Kalibers zu belassen, nicht nachgekommen. Er wollte
sich auch nicht dazu verstehen, einen sich voraussichtlich durch ein
kurzes Zerstörungsfeuer ankündigenden Angriff der Österreicher ledig-
lich durch ein Gegenvorbereitungsfeuer niederzuhalten. Der sehr tat-
freudige, aber auch eigenwillige Armeeführer beharrte darauf, daß der
geglückten Abwehr unverzüglich ein Gegenangriff zu folgen habe. Er
beließ daher Kräftegruppierung und Artillerieaufstellung im allgemei-
nen unverändert und verständigte seine Korps, daß gegebenen Falles
im Gegenangriff der Mt. S. Gabriele, Ravnica und der Ostrand der
Bainsizza zu gewinnen sein werden1).
Aus dieser Verschiedenheit der Ansichten ergab sich ein lebhafter
Meinungsaustausch zwischen Cadorna und Capello, der mit einem a.m
20. Oktober erlassenen Befehl der Heeresleitung seinen Abschluß fand.
In diesem Befehl wurde die 2. Armee verständigt, daß iim Falle eines
gegnerischen Angriffes auf eine großangelegte Gegenoffensive aus
Rücksicht auf die schwachen Stände und wegen Ergänzungsschwierig-
keiten verzichtet werden müsse. Die 2. Armee, deren Stärke für die
bloße Abwehr aber völlig ausreichend zu sein schien, wurde lediglich
ermächtigt, örtliche Gegenangriffe solchen Umfanges auszuführen, wie
im Hinblick auf die gebotene Sparsamkeit mit den Kräften noch ver-
antwortet werden konnten2).
Dieser Befehl, der eine tiefgreifende Änderung der Aufstellung
der 2. Armee hätte auslösen sollen, langte gleichzeitig mit Nachrichten
über das unmittelbare Bevorstehen eines insbesondere gegen die 2. Ar-
mee gerichteten Angriffes ein. Weitgehende Verschiebungen erschienen
nunmehr undurchführbar. Gen. Montuori, der Vertreter des vorüber-
gehend erkrankten Gen. Capello, ordnete daher nur kleine Truppen-
verschiebungen an, die zum Teil ebensowenig verwirklicht wurden wie
die erwogene Rückverlegung taktisch ungünstig gelegener Frontteile im
Flitscher Becken und auf den Hängen des Mrzli- und des Vodilvrh.
Hatten die bisher eingelaufenen Nachrichten in Udine immer mehr
die Auffassung gefestigt, daß aus dem Räume Flitsch—Tolmein ein
Angriff drohe, an dem auch starke deutsche Kräfte teilnehmen würden,
!) Cab iati, Ottobre 1917, 47.
2) Capello, Per la verità, 251 f. — Heydendorff, Cadorna - Capello. Die
italienische Führung vor der Schlacht bei Karfreit (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1933,
854 ff.).
33*
516
Die Herbstoffensive gegen Italien
so brachten der 20. und der 21. Oktober schon fast völlige Klarheit. An
diesen Tagen waren nördlich von Tolmein drei öst.-ung. Offiziere —
einer tschechischer, die beiden andern rumänischer Volkszugehörigkeit —
zum Feinde übergelaufen und machten ganz konkrete Angaben. Ein Korps
werde bei Flitsch, starke Kräfte sollten aus dem Räume zwischen dem
Krn und Lom vorbrechen, mit dem Ziele, die Linie Mt. Mia—Matajur—
Kolovrat zu gewinnen. Die k. u. k. 50. ID. werde zwischen dem Krn und
dem Isonzo, die deutsche 12. ID. von Dolje aus im Isonzotal, weiter
südlich das, angeblich drei Divisionen starke Alpenkorps und die
200. ID. gegen die Jeza angreifen. Drei weitere deutsche Divisionen
stünden dahinter in Reserve. Der Angriff werde durch ein Gasschießen
eingeleitet werden, dem ein anderthalbstündiges, namentlich mit Minen-
werfern auf die Infanterielinien ausgeführtes Zerstörungsfeuer folgen
soll. Als Angriffstag sei der 25. oder der 26. Oktober in Aussicht ge-
nommen, er könne aber auch vorverlegt werden 1). Die Überläufer er-
wähnten schließlich noch, daß sich die Angriffe nach Süden bis zum
Meere ausdehnen würden.
Um sich über die getroffenen Verteidigungsmaßnahmen Überzeu-
gung zu verschaffen, hatte Cadorna schon am 19. Oktober zwei Oberste
seines Stabes zur 2. Armee entsandt. Die Berichte, namentlich die über
das IV. und das XXVII. Korps, lauteten, auch was die moralische Ver-
fassung der Truppen anbelangt, durchaus zuversichtlich. Die beiden
Oberste meldeten übereinstimmend, daß an der Front keine Anzeichen
eines bevorstehenden Angriffes wahrzunehmen seien; auch ein plan-
mäßiges Einschießen habe bisnun nicht stattgefunden.
Cadorna tat aber noch ein übriges: er fuhr am 22. selbst zu den
beiden am meisten bedroht erscheinenden Korps IV und XXVII. Auf
die Bedenken, die der Führer des IV. Korps äußerte, befahl Cadorna
sogleich die Verschiebung der im Natisonetal nördlich von Ci vi dale
stehenden 34. ID. des VII. Korps zum IV. nach Karfreit. Diese Divi-
sion war durch die 62. von der Tiroler Front zu ersetzen. Ansonsten
hegten die beiden Korpsführer keinerlei Bedenken.
Auch im großen erlaubte das Kräfteverhältnis, dem gegnerischen
Ansturm vertrauensvoll entgegenzusehen. Die in Udine angestellten
Berechnungen über die Truppenstärke der Verbündeten ergaben —
neun deutsche Divisionen mitgerechnet — 53 gegnerische Divisionen
mit 645 Bataillonen, hievon vor der 3. Armee 71/2 Divisionen mit 92,
vor der 2. Armee 28 Divisionen mit 329 Bataillonen; den Rest vermutete
1) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 431 ff.
Die Kräfteverteilung des italienischen Heeres
517
man in Kärnten und in Tirol. Demgegenüber betrug die Streitmacht
Italiens 63 Infanteriedivisionen mit 856 Bataillonen. Hie von wählte die
3. Armee 9 Divisionen mit 108 Bataillonen und 1196 Geschützen, die
2. Armee 25 Divisionen mit 353 Bataillonen und 2430 Geschützen. An
der Gebirgsfront (Karnische Gruppe, 4. und 1. Armee sowie selbstän-
diges III. Korps) hielten 22 Divisionen mit 281 Bataillonen die Stellun-
gen besetzt. Von den 114 Bataillonen der Heeresreserve standen nur 15
hinter der Tiroler Front ; 3 Divisionen mit zusammen 39 Bataillonen waren
zum Eingreifen bei der 2. Armee bereit, 4 Divisionen mit 60 Bataillonen
hinter der 3. Armee gruppiert. Von den 4 Kavalleriedivisionen war die
1. zum größten Teil auf die Korps der Isonzofront aufgeteilt, die 2.
stand als Heeresreserve am Natisene. Die beiden andern verließen eben
ihre weit hinter der Front gelegenen Erholungsquartiere, um gegen den
Isonzo vorzumarschieren1).
Wie aus vorstehenden Ausführungen erhellt, war die italienische
Heeresleitung über den bevorstehenden Angriff der verbündeten Mittel-
mächte im allgemeinen gut unterrichtet. Sie erwartete sehr zutreffend
den Hauptstoß aus dem Räume zwischen Flîtsch und Lom mit de,m
Schwergewicht über Tolmein; sie rechnete aber irrigerweise auch mit
Angriffen weiter südlich bis zum Meer. Die Täuschungsmaßnahmen
der 1. Isonzoarmee trugen somit die erwünschten Früchte. Die Kräfte-
gruppierung der Italiener entsprach aber selbst der eben erwähnten,
nicht voll zutreffenden Annahme nur annähernd, weil ein erheblicher Teil
der Heeresreserve hinter der weniger bedroht erscheinenden 3. Armee
aufgestellt war. Dies ist erstaunlich, weil das italienische Höchstkom-,
mando über die Zahl, und die Verteilung der gegnerischen Divisionen
eine ziemlich richtige Vorstellung hatte. Da die italienische 3. Armee und
der Südflügel der 2. zunächst gar nicht angegriffen wurden, sollte die
verfügte Aufstellung der Armee- und Heeresreserven, deren Masse im
Räume zwischen Palmanova, Gormons und Cividale zusammengeballt
war, noch schwerwiegende Folgen haben. Den Zeitpunkt für das Los-
brechen der Offensive wußten die Italiener zunächst nicht. Hier erwies
es sich als außerordentlich zweckmäßig, daß die Verlautbarung des
Angriffsbeginnes vom Kommando der Südwestfront erst am 22. Okto-
ber erfolgte. Am 23. entnahmen die Italiener mitgehörten Telephon-
gesprächen, daß der Beginn der gegnerischen Feuervorbereitung für
den 24. Oktober, 2hfrüh, angesetzt sei2). Im Vertrauen auf die Stärke
1) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 440 ff.
2) Bericht der Untersuchungskommission, II, 43.
518
Die Herbstoffensive gegen Italien
ihrer Verteidigung traf die italienische Führung aber keine weiteren
Maßnahmen.
Die italienischen Verteidigungsstellungen
Hiezu Beilage 24
Das ganze Küstenland war, soweit es sich im Besitze des Feindes
befand, von einem ungeheuren Stellungsnetz überzogen. Die Mehrzahl
der vielen Gräben war von den Italienern bei den Angriffen aus-
gehoben worden. Daher waren sie auch im Raum¡e um Görz und auf
der Hochfläche von Comen am dichtesten. Aus Gründen der Vorsicht
hatte die italienische Heeresleitung aber auch schon vom Kriegsbeginn
an hintere Stellungen anlegen lassen, die teilweise sogar jenseits der
Reichsgrenze lagen. Im gebirgigen Teil¿ der Isonzofront nördlich von
Piava, wo im Vergleich zu den gewaltigen Schlachten, die bei Görz und
auf der Karsthochfläche getobt hatten, weniger hartnäckig gefochten
worden war, gab es natürlich auch weniger Stellungen. Die vorhandenen
gewannen aber durch das Gebirgsgelände eine besondere Stärke; sie
waren — namentlich die hinteren — unabhängig von den während des
Kampfes aufgetretenen Forderungen in Berücksichtigung der möglichen
gegnerischen Angriffe angelegt worden.
Diesen zu beiden Seiten des oberen Isonzos im Angriffsraume der
deutschen 14. Armee gelegenen Stellungen kam nun bei der bevor-
stehenden Offensive eine besondere Bedeutung zu. Sie waren durch
Fliegeraufnahmen und zum Teil durch unmittelbare Sicht den öst.-ung.
Befehlsstellen bekannt und wurden auf Karten so eingezeichnet, wie
es die Beilage 24 zeigt.
Die vorderste Stellung vom Wischberg A 2660 bis zum Mt. S. Ga-
briele lag unseren Verteidigungsanlagen meist knapp gegenüber; sie
bestand in den Tälern aus mehreren hintereinander angelegten, von den
Berghängen aus flankierten Linien, so im Seebachtale vor dem Nevea-
sattel, im Becken von Flitsch und gegenüber dem Nordteil des Tol-
meiner Brückenkopfes. Vor dessen Südteil trat die feindliche Stellung,
das von Ciginj nach Selo führende Tal freilassend, weit zurück und
krönte den von der Höhe Jeza A 929 über den Hradvrh A 687 gegen
Doblar sich hinziehenden Rücken. Ihr waren auf den gegen das vor-
genannte Tal abstreichenden bewaldeten Abfallsrücken bastionsartige
Befestigungen vorgelagert. Am schwächsten war die erste Stellung der
Die Schlüsselpunkte der italienischen Stellungen
519
Italiener naturgemäß auf der Hochfläche von Kai, wo sie erst seit
dem Verebben der elften Schlacht im Entstehen war.
Die zweite Stellung zog sich von der Enge bei Saga über den Po-
lounik zum Vrsic A 1897, dann vom Krn über die Pleca -<J>-1304, bei
Selisce das Isonzotal überquerend, auf den Kolovrat. Die dritte Stel-
lung, vielfach nur bruchstückweise angelegt, verlief vom Ucee atale
westlich von Saga über den Stol A 1668, den Starijskivrh A 1136, den
Volnik A 793 nach Idersko und bildete, das Isonzotal nördlich und
südöstlich von Karfreit sperrend, einen Brückenkopf um diesen Ort.
Die Fortsetzung zog sich von Luico über den Kolovratrücken zur Jeza.
Das Stück des Kolovratrückens zwischen der Grenzhöhe A 1114
und der Jeza war eine Schlüsselstellung, denn von hier zweigten —
abgesehen von der gegen Doblar streichenden ersten Stellung — noch
je eine Verteidigungslinie auf die beiden, den Judrio begleitenden
Höhenzüge ab. Die östliche verzweigte sich von der Korada A 812 auf
die verschiedenen Höhenrücken des Coglio; die westliche verlief über
das stark befestigte Castel del Monte westlich der Reichsgrenze bis zur
Ebene. Dahinterliegende Befestigungsanlagen bei Azzida sperrten das
Natisonetal vor dem Austritt aus dem Gebirge. Vergleichsweise schwach
war das Hintergelände der italienischen Front auf der Hochfläche von
Bainsizza bedacht. Als zweite durchlaufende Stellung konnte hier eigent-
lich erst die auf dem westlichen Isonzoufer von Doblar bis Piava ver-
laufende Stellung gelten, die bis zur elften Schlacht die vorderste war,
weiters das zwischen dem Isonzo abwärts von Piava und dem Rohot-
bache gelegene Stellungsnetz, das nach der zehnten Schlacht als Aus-
gangsstellung für den Angriff auf die Bainsizza gedient hatte.
Wollte man, wie es die Absicht war, mit der deutschen 14. Armee
bis in die Linie Gemona—Höhen nördlich von Cividale—Reichsgrenze
nordwestlich der Korada vordringen, so war das rasche Bezwingen
des Stellungsknotens auf der Rückenlinie zwischen der Höhe A 1114
und der Jeza von ausschlaggebender Bedeutung, denn von hier aus
konnte man die auf beiden Judrioufern angelegten Stellungen von
Norden her aufrollen und auch in das befestigungsfreie Gelände nörd-
lich von Cividale vordringen. Für den Vorstoß der Gruppe Krauss,
die den Schutz der rechten Flanke der 14. Armee zu besorgen hatte,
wurden die Befestigungen bei Saga und auf dem Stol zu Angelpunkten.
Jene mußten genommen werden, damit dann starke Teile durch das
Ucceatal gegen Westen vordringen könnten. Der Besitz des Stolrückens
war wichtig, damit diese im Ucceatale vormarschierenden Truppen
520
Dio Herbstoffensive gegen Italien
nicht zu besorgen hätten, von dort in der südlichen Flanke angefallen
zu werden; auch konnten nur dann die bis Karfreit gelangten Kräfte
über Robic durch das Natisonetal, gegen Cividale vorbrechen.
Vorstehende Erwägungen hatten einen bestimmenden Einfluß auf
die Abfassung der Weisungen für den Angriff.
Die Angriffsbefehle
Hiezu Beilage 24
Die Masse der Infanterie der 14. Armee rückte erst am 22. Oktober
in die genauestens ermittelten Ausgangsräume ein. Sie hatte daher nur
wenig Zeit, um sich mit ihren meist sehr schwierigen Angriff saufgaben
vertraut zu machen. Um das Einrücken dieser neuen Truppen in die
Stellung nicht zu verraten, hatten deutsche Vorkommandos und Er-
kunder die österreichische Kappe zu tragen. Die öst.-ung. Truppen, die
im Flitscher Becken das bh. IR. 4 der 55. ID. ablösten, erhielten den
Fes, und der Imam des Regiments ließ auf dem Rombon inmitten alpen-
ländischer Kämpfer auch weiterhin seinen Ruf zum Gebet erschallen.
Die Anweisung für die Durchführung des Unternehmens erfolgte
durch eine ganze Reihe von Befehlen. Diesen waren Besprechungen zwi-
schen den höheren Kommandanten vorausgegangen. Sehr bedeutungs-
voll waren jene, die die beiden verantwortlichen Männer des deutschen
14. Armeekmdos., Gdl. Below und GLt. Krafft, mit dem Kommandanten
des I.Korps, Gdl. Krauss, geführt hatten. Alle drei Generale waren
sich darüber einig, daß der Tagliamento nicht das Mindestziel der
Offensive sein konnte; ihre Absichten reichten im Gegensatz zu jener
der k. u. k. Heeresleitung darüber hinaus. Aus den Darlegungen des Gdl.
Krauss war im besonderen zu entnehmen, daß er gewillt war, die
Italiener zu überrennen, nicht mehr zum Stehen kommen zu lassen und
den Stol in einem Zuge zu nehmen1).
Da GLt. Krafft nach gelungenem ersten Durchbruch eine neue
Abwehrfront des Feindes auf den Höhen östlich von Cividale, mit dem
linken Flügel etwa auf dem Mt. Juanes, erwartete, sollte das I. Korps
den italienischen Nordflügel umfassen. In der Folge gedachte man die-
ses Korps nach rechts in die Venetianer Alpen vordringen zu lassen,,
!) Kr äff it, I, 31. — Krauss, Die Ursachen unserer Niederlage, 2. Aufl.
(München 1921), 220. — Derselbe, Das Wunder von Karfreit (München 1926), 24 f.
Angriffsbefehl des Gdl. Below
521
um die italienische Front vor der 10. Armee zum Einsturz zu bringen.
Gdl. Krauss meinte hingegen, daß es zweckmäßiger wäre, wenn sein
Korps gegebenenfalls nach links einschwenken würde, um die italie-
nische 3. Armee abzuschneiden. Schließlich blieb es bei den Absichten
des deutschen Armeekommandos. Die von diesem festgelegten An-
griffsrichtungen, die Vorrückungsstreifen und die ersten, von den
Divisionen womöglich in einem Zuge zu erreichenden Abschnitte sind
aus der Beilage 24 zu entnehmen.
Gdl. Below, dessen Armee die Hauptträgerin des Angriffes war,
stellte ihr mit Befehl vom 4. Oktober die Aufgabe, den Feind „aus dem
für die Verteidigung ungünstigen Karstgebiet heraus und hinter den
Tagliamento" zurückzuwerfen. Hiezu sollte die 14. Armee „die feind-
liche Front bei Flitsch und Tblmein durchbrechen, um dann zunächst
die Linie Gemona—Gegend Cividale zu gewinnen". Die Armee hatte
„von Anfang an dauernd den Nachdruck auf den rechten Flügel" zu
legen. Um nach geglücktem Durchbrechen der ersten feindlichen Stel-
lung bis in die vorbezeichnete Linie vordringen zu können, erachtete
Gdl. Below „den einwandfreien Besitz der verbindenden Talstraße
Flitsch—Saga—Karfreit—Tolmein" für unerläßlich. Hiezu sollte „die
Linie Canin—Pta. di Montemaggiore—Mt. Mia—Mt. Matajur—Mt. S.
Martino—Mt. Hum—Tribild, sp.—Höhen von Kostanjevica in ununter-
brochenem, Tag und Nacht fortgesetztem Vordringen als erstes Ziel
erreicht werden". Diese Höhen wurden deshalb als Ziele bestimmt, weil
man sie als die Hauptstützpunkte des von den Italienern teilweise be-
reits eingerichteten hinteren Verteidigungsabschnittes ansah und der
Mt. Mia sowie der Mt. Matajur überdies die Torpfeiler des Natisone-
tales waren, durch das man raschestens in die Ebene gelangen wollte x).
Beim Vorstoßen von diesen Höhen gegen die Linie Gemona—Cm-
dale erwartete man eine starke Gegenwirkung des Feindes, hauptsäch-
lich gegen den rechten Armeeflügel sowie von dem großen Straßen-
knotenpunkt Cividale her. „Es kommt alles darauf an", hieß es in dem
Armeebefehle Belows weiter, „dem Feinde nicht Zeit zu lassen, in
einer Flankenstellung auf der Hochfläche von Juanes oder nordöstlich
Cividale nachhaltigen Widerstand vorzubereiten oder zu leisten."
Der deutsche Armeeführer gab seinen Truppen für das bevor-
stehende schwierige Unternehmen auch taktische Lehren. „Grundsatz
für jede Angriffshandlung im Gebirge", schrieb er, „ist Gewinnen und
Innehalten der Höhenlinien, um auf den Landbrücken zum nächsten
x) Schreiben des GdA. Krafft vom 17. März 1926 an den Gdl. Alfred Krauss.
522
Die Herbstoffensive gegen Italien
Ziel zu gelangen. Vermeintliche Umwege auf den Höhenlinien sind
einem Überschreiten von Tälern und tiefen Schluchten vorzuziehen. Dies
kostet mehr Zeit und größere Anstrengungen. Die Täler sind zum
raschen Nachziehen geschlossener Reserven, der fahrenden Artillerie
und für den Nachschub zu benützen. Jede Höhenkolonne muß freien
Auslauf nach vorwärts haben; dadurch ergeben sich immer Möglich-
keiten, einem etwa hängengebliebenen Nachbar durch Einschwenken in
den Rücken seines Gegners weiter zu helfen." Nach; diesem Befehle
bekannte sich das deutsche 14. Armeekmdo. somit im wesentlichen zu
der im öst.-ung. Heere eingelebten Höhentaktik. Gdl. Krauss hingegen
legte das Hauptgewicht auf den „Durchstoß im Tale", weil hier rasches
Vorwärtskommen möglich sei; auf den Höhen sollte der Feind nur
scharf angepackt werden. Allerdings hat, wie sich zeigen wird, auch
eine deutsche Division durch einen planmäßigen Talstoß entscheidende
Erfolge erzielt1).
Gleichzeitig mit diesen allgemeinen Weisungen wurden auch die
Angriffsgruppen gebildet und ihnen ganz bestimmte Aufgaben gestellt.
Die Gruppe Gdl. Krauss (k. u. k. I. Korpskmdo. mit Edelweißdivi-
sion, 22. SchD:, 55. ID. und deutscher Jäger division) hatte den Haupt-
stoß im Flitscher Tale über Saga in einem Zuge bis auf den S toi zu
führen und gleichzeitig die Hänge des Rombon und des Canin bis zum
Skutnik zu säubern. Eine starke linke Kolonne hatte den Vrsic zu
nehmen, dann über Ravna, Karfreit bis Staro Selo vorzustoßen, um das
Karfreiter Becken zu öffnen, hiezu — wenn nötig — die Stolstellung
von Osten her aufzurollen und dann in der Richtung auf den Mt. Car-
nizza anzugreifen. Im weiteren Verlauf war für die versammelte Kraft
der Gruppe Krauss als Hauptstoßrichtung Monteaperta und der Mt. le
Zuffine vor gezeichnet. Teilkräfte der Gruppe Krauss hatten zum Schutz
der rechten Flanke der Armee von Saga auf Resiutta und Venzone an-
zugreifen. Der linke Flügel der 10. Armee sollte sich, wie schon erwähnt
(S. 512), durch ein Unternehmen gegen den Neveasattel diesem Angriff
anschließen. Als gemeinsames Ziel für die inneren Flügel der 10. Armee
und der Gruppe Krauss wurde das Fellatal von Pontebba bis Gemona
bezeichnet.
Für die Gruppe GLt. Stein (III. bayr. Korpskmdo. mit k. u. k.
50. ID., deutscher 12. ID., Alpenkorps und deutscher 117. ID.) galt
als erstes Hauptangriffsziel der Mt. Matajur. Hiefür war unerläßliche
!) Lequis, Einiges zum „Wunder von Karfreit". (Deutscher Offizier-Bund,
Berlin, Heft 10 von 1927.)
Die Aufgaben der Angriffsgruppen
523
Vorbedingung die rasche Wegnahme des Stellungsknotens bei A 1114.
Im weiteren Verlauf sollten die Gruppen Krauss und Stein zur Besitz-
nahme des Höhenstockes Mt. Juanes zusammenwirken.
Die Gruppe GLt. Berrer (deutsches Generalkmdo. LI. mit der
200. und der 26.[1. württembergischen] ID.) hatte sich nach Wegnahme
des Jezablockes und Vorstoß über Drenchia und Höhe La Glava zu-
nächst des Mt. S. Martino (Kapelle -<¡>- 965) zu bemächtigen. Der Einsatz
der in zweiter Linie gehaltenen Division wurde auf dem linken Flügel
über den Mt. Hum gegen den Mt. S. Maria Mna. empfohlen. Die vor-
dere Division hatte die Vorrückung vom Mt. S. Martino auf dem Rücken
gegen den Mt. S. Bardolomeo fortzusetzen.
Die von der Gruppe FML. Scotti (k. u. k. XV. Korpskmdo. mit
k. u. k. 1. und deutscher 5. ID.) zuerst zu lösende Aufgabe war, der
2. Isonzoarmee das Überschreiten des Isonzos zu erleichtern; daher
hatte sie als erstes Angriffsziel mit der 1. ID. die Höhe Globocak und
den Ort Kostanjevica zu nehmen. Die Division zweiter Linie, die
deutsche 5. ID., war auf der Landbrücke von Srednje nachzuziehen, und
es sollte ihr die für die ganze Gruppe geltende Hauptrichtung auf
Castel del Monte gegeben werden. Das Herüberziehen der 1. ID. von
Kostanjevica auf den Mt. S. Giovanni glaubte man vom Vordringen der
2. Isonzoarmee abhängig machen zu sollen.
Von der Heeresgruppe Boroevic hatte die auf dem Nordflügel der
2. Isonzoarmee gebildete Gruppe FML. Kosak (60. und 35. ID.) über
den Avscekgraben hinweg die Höhe von Vrh zu erobern. Hiedurch sollte
der hier stehende starke Feind am Eingreifen in den Durchbruchsraum
der 14. Armee gehindert werden. Die Eroberung von Vrh galt aber
auch als Vorbedingung für den Uferwechsel im Räume Auzza—
Ronzina. Um dieses Überschreiten des Isonzos zu erleichtern, hatten
sich einige Bataillone der 57. ID. mit Gebirgsartillerie und Brückengerät
am linken Flügel des XV. Korps dem Angriff der 1. ID. anzuschließen.
Nach vollzogenem Ufer Wechsel hatte die ganze 57. ID. den Kolovrat-
rücken entlang auf die Korada vorzustoßen; ihr sollten die 28. und die
29. ID. folgen. Zur Führung dieser sonach aus drei Divisionen be-
stehenden Gruppe, die zwischen dem XV. Korps und der Gruppe Kosak
eingeschoben werden sollte, war das vom russischen Kriegsschauplatz
herangeholte II. Korpskmdo., Gdl. Kaiser, das am 19. Oktober in Bre-
sowitz (7 km westlich von Laibach) eingetroffen war, in Aussicht ge-
nommen. Das XXIV. Korps hatte sich dem Angriffe der Gruppe Kosak
anzuschließen.
524
Die Herbstoffensive gegen Italien
Als Reserve des Südwestfrontkommandos standen im Bereiche der
14. Armee die 33. und die 4. ID. sowie die 13.SchD. bereit. Es war
geplant, sie mit einigem Abstand über Tolmein und St. Luzia nach
Kar freit nachzuführen. Von hier aus konnten sie je nach Bedarf die
Gruppe Krauss oder die Gruppe Stein verstärken. Die Führung ver-
mochte daher das Schwergewicht des Stoßes noch zu vermehren.
Das ganze Unternehmen war somit als ein großer Durchbruchs-
angriff aufgebaut, der in Staffeln nach rechts vorwärts Raum zu ge-
winnen und den Zweck hatte, den Feind mit der stärksten Gruppe im
Norden tief zu durchstoßen und am Tagliamento zu überholen. Für
den ersten Ansturm waren in der vorderen Linie acht Divisionen (fünf
öst.-ung. und drei deutsche) der 14. Armee angesetzt. Links neben ihnen
griffen auch noch zwei Divisionen der Heeresgruppe Boroevic an. Den
acht Angriffsdivisionen folgten in zweiter Linie vier deutsche Divisio-
nen und schließlich die aus drei öst.-ung. Divisionen gebildete Heeres-
reserve, Die Verbündeten waren somit dem Feinde im Durchbruchsraum
fast doppelt überlegen, indes die Stärke der Heeresgruppe Boroevic
nicht ganz zwei Drittel jener ihres gegenüberstehenden Feindes betrug1).
Zur Einleitung des Angriffes sollte am Angriffstag von 2h bis
4h 30 früh Gas geschossen werden, um die Besatzung der vordersten
italienischen Kampfgräben, zu erledigen und die erkannten feindlichen
Batterien lahmzulegen. Für 6h 30 früh war der Beginn des Vernichtungs-
schießens der Artillerie angesetzt, dem sich um 7h früh jenes der Minen-
werfer beizugesellen hatte. Um 8h früh hatte die Infanterie bei Tolmein,
eine Stunde später die bei Flitsch zum Sturme anzutreten.
Die zwölfte Isonzoschlacht
(24. bis 27. Oktober)
Die Durchbrüche bei Flitsch und Tolmein
Hiezu Beilagen 2 4, 25 und 26
Der erste Schlachttag #
Das seit Wochen regnerische Wetter besserte sich auch am 24. Ok-
tober nicht. Noch nachts setzte ein feiner Sprühregen ein, dem nach
1) Pohl, Die Kriegführung der Mittelmächte gegen Italien (Mil. wiss. Mitt.,
Wien, Jhrg. 1926, 157).
Die artilleristische Vorbereitung des Angriffes
525
vorübergebender Aufheiterung des Himmels heftige Regengüsse und
auf den Höhen Schneestürme folgten. Berg und Tal waren nebelver-
hangen. Die Feuervorbereitung der genau eingeschosseneil Batterien
des Angreifers wurde dadurch aber wenig beeinträchtigt. Pünktlich
um 2h früh begann an der ganzen Angriffsfront die schauerliche Sym-
phonie der Artillerieschlacht. Zunächst wurde gegen die erkannten
feindlichen Batterien und gegen die erst:; Stellung Gas geschossen. Die
Artillerie des Feindes antwortete sofort, und seine mächtigen und zahl-
reichen Scheinwerfer suchten nervös unsere Batterien und unsere vor-
dersten Linien ab. Alsbald wurde das italienische Feuer schwächer und
auch die Scheinwerfertätigkeit nahm ab. Das Gas hatte offensichtlich
gut gewirkt und hinderte die italienische Artillerie, das anbefohlene
„Gegenvorbereitungsfeuer" gegen unsere dicht aufgefüllten Sturmstel-
lungen abzugeben1). Es hätte der Angriffsinfanterie schwere Verluste
zufügen und dadurch eine empfindliche Störung des ganzen geplanten
Unternehmens hervorrufen können.
Nach der vorgesehenen zweistündigen Feuerpause setzte um 6h 30
früh schlagartig das Vernichtungsfeuer aller Angriffsbatterien ein, das
sich gegen die italienischen Stellungen, die bekannten Standorte der Be-
fehlsstellen, Munitionslager, Anmarschwege und auf die gefürchteten
Kavernengeschütze richtete. Samt dem Feuer der nach einer halben
Stunde mitwirkenden Minenwerfer erzielte die artilleristische Vorbe-
reitung überall — außer gegen hochgelegene Felsstellungen — die er-
strebte Wirkung. Der Feind erwiderte nur mehr schwach; der Talnebel
hinderte ihn besonders daran, seine in verdeckten Flankierungsanlagen
eingebauten Kanonen und Maschinengewehre gegen die vorstürmende
Infanterie spielen zu lassen. Dies kam dem Angreifer sehr zugute.
Für den Angriff im Räume bei Flitsch hatte Gdl. Krauss von allem
Anbeginn an den Durchstoß im Isonzotale in Aussicht genommen ge-
habt2). Daher setzte er jetzt die 22. SchD., GM. Rudolf Müller, als
tief gegliederte Stoßgruppe im Tale an; sie sollte, alle drei feindlichen
Stelinngen durchbrechend, in einem Zuge bis auf den Stol vordringen.
Um im Tale zwischen Flitsch und dem Fluß jeden feindlichen Wider-
stand auszuschalten, wurde hier das deutsche Pionierbataillon Nr. 35
mit seinen besonders wirksamen Gasminenwerfern eingesetzt. Hinter der
22. SchD. hatte die Masse der Edelweißdivision, GM. Edi. v. Wieden, zu
folgen, um nach dem Erreichen von Saga den Stoß durch das Tal der Uccea
1) Cablati, Ottobre 1917, 117.
2) Krauss, Wunder von Karfreit, 13.
526
Die Herbstoffensive gegen Italien
nach Westen fortzuführen. Die vom Obst. Spiess befehligte 216. IBrig.
dieser Division hatte den Feind vom Rombon hinunterzuwerfen, Pluzne
und die Prevalascharte zu nehmen und beim Angriff der 59. GbBrig. der
10. Armee gegen den Neveasattel mitzuwirken. Der 55. ID. war auf-
getragen, unterstützt vom linken Flügel der 22. SchD., am ersten Tag
die vorderste italienische Stellung auf dem Vrsic zu durchstoßen und
dann den Ostteil des Polounikrückens zwischen Jama pl. und Krasji vrh
sowie den Sattel bei Planina za Kraju zu nehmen. Ihr weiteres» Ziel
war Karfreit, von wo aus sie auf den Stolrücken, nach Creda und auf
den Mt. Mia Abteilungen vorzutreiben hatte; allenfalls war durch
sie auch der Mt. Matajur zu besetzen, wenn dies noch nicht das Korps
Stein getan haben sollte. Die deutsche Jägerdivision hatte der Haupt-
stoßgruppe im Tale zu folgen und über Saga nach Karfreit zu rücken.
Um 9h vorm. brachen die vordersten Abteilungen der 22. SchD. aus
ihren Sturmstellungen vor und vermochten sich bald der ersten italie-
nischen Gräben zwischen der Steilstufe nördlich von Flitsch und der
Straße zu bemächtigen. Südlich davon war jedes Leben ausgelöscht,
denn das deutsche Gas hatte verheerend gewirkt1). Nach Überwältigung
der noch Widerstand leistenden Abteilungen der italienischen 50. ID.
erstürmten das Marburger SchR. 26 2) und Tiroler Kaiserschüteen die
Ruinen des Ortes Flitsch. Weiter vordringend wurde, nachdem Teile
des Grazer SchR. 3 eingesetzt worden waren, gegen lh nachm. auch die
zweite Stellung durchbrochen. Bis zum Abend war Pluzne genommen;
die jetzt durch die Masse der 98. KSchBrig. verstärkte Spitze des Stoß-
keiles war bis zur abgebrochenen Brücke bei Pod Celom vorgedrungen.
Teile des SchR. 3 besetzten nun auch die dritte Stellung. Die mittler-
weile hereingebrochene Nacht, der wildschäumende Bokabach und das
auf der Talenge von Pod Celom liegende Feuer der eigenen Artillerie,
mit der eine Verständigung nicht gelang, hinderten die 22. SchD., noch
während der Nacht nach Saga vorzurücken. Sie hatte insgesamt 3000 Ge-
fangene, 36 Geschütze und 50Maschinengewehre eingebracht3).
x) Heydendorff, Der Gaswerferangriff bei Flitsch am 24. Oktober 1917
(Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1934, 311 ff.).
2) Dem Kommandanten des SchR. 26, Obstlt. Florian Freih. v. Pasetti, wurde
für die hervorragende, initiative Führung seines tapferen Regiments das Ritterkreuz
des Militär-Maria Theresien-Ordens zugesprochen.
3) In Erinnerung an das hervorragend capfere Verhalten der SchR. 3 und 26
feiert das Nachfolgeregiment im österreichischen Bundesheere, das steierische Alpen-
jägerregiment Nr. 9, das die Überlieferung der beiden Regimenter zu pflegen hat,
den 24. Oktober als Gedenktag.
Schwierigkeiten auf dem Rombon und dem Vrsic
527
Der Brigade Obst. Spiess war es wegen des Schneetreibens und der
Ungangbarkeit des vereisten Felsgeländes nicht möglich gewesen, in
die italienische Rombonstellung einzudringen. Auch hatte die Artillerie
mit ihren unter anderen atmosphärischen Verhältnissen ermittelten
Richtelementen nicht ausreichend gewirkt. Die Angriffstruppen, die
nur mit größter Mühe bis vor die unversehrten Drahthindernisse ge-
langt waren, wurden schließlich in ihre Ausgangsgräben zurückgenom-
men. Ähnliches Mißgeschick traf auch die 59. GbBrig. im Seebachtale.
Um der 216. IBrig. vorzuhelfen, wurden einundeinhalb Bataillone der
Talgruppe über Pluzne gegen den Rücken der Rombon Verteidiger an-
gesetzt. Die im Tale nachrückende 217. IBrig. der Division Wieden ge-
langte bis Flitsch. Die deutsche Jäger di vision rückte im Socatale mit
ihren Anfängen bis Za Otoke nach.
Die 55. ID., GM. Schwarzenberg, die wegen des schlechten, auch
die Genauigkeit des Artilleriefeuers beeinträchtigenden Wetters erst
um 9h 30 vorm. zum Angriff vorbrach, war vom Glück weniger be-
günstigt als die 22. Schützendivision. Der unmittelbar nach einer Spren-
gung gegen den Vrsic unternommene Angriff führte wohl zur Besitz-
nahme der dortigen vordersten Gräben. Vom Aufrollen der Stellung
bis zur Vrata mußte aber wegen des Schneetreibens, der Vereisung
des Bodens und starken italienischen Feuers Abstand genommen wer-
den. Der über die Dol pl. gegen den Sattel bei Planina za Kraju geführte
Vorstoß der Hauptangriffsgruppe traf auf eine voll besetzte und tapfer
verteidigte hintere Stellung und drang nicht durch. Die Angreifer
hatten sogar Mühe, sich hier gegen die in den ersten Abendstunden ein-
setzenden Gegenstöße der italienischen 43. ID. zu behaupten. Das
Bataillon IV/7 vermochte jedoch bis knapp unter den Grat des Polounik-
rückens zwischen Jama pl. und Krasjivrh vorzudringen1).
Obwohl die 55. ID. wegen der vorhin erwähnten Widrigkeiten ihr
Tagesziel nicht zu erreichen vermocht hatte, wirkte sich ihr Vorgehen
doch in bedeutsamer Weise aus. Die ersten übertriebenen Meldungen
der italienischen 43. ID. über die bei Planina za Kraju erlittenen Miß-
erfolge, die wegen Zerstörung der Telephonverbindung nicht mehr
richtiggestellt werden konnten, hatten das italienische 50. IDKmdo. ver-
anlaßt, die bisher behaupteten Stellungen bei Cezsoca, auf der Jama pl.
x) Das Kärntner Infanterieregiment Nr. 7 (früher Alpenjägerregiment Nr. 11)
des österreichischen Bundesheeres, als Nachfolgetruppenkörper des ehemaligen k. u. k.
IR. 7> feiert in Erinnerung an das besonders tapfere Verhalten der „Khevenhüller"
bei Flitsch den 24. Oktober als Gedenktag.
528
Die Herbstoffensive gegen Italien
und die dritte Stellung bei Saga räumen zu lassen. Dies kam der Tal-
gruppe der Gruppe Kraus» im hohen Maß zugute. Der Aufstieg auf
den Stol war freigegeben.
Im Hauptangriffsraum bei Tolmein trat die Infanterie schon um
8h früh zum Angriff an. Die am rechten Flügel des Korps Stein ste-
hende, vom GM. Gerabek befehligte 50. ID. hatte in ihrem ausgedehn-
ten Frontabschnitt zwischen dem Krn und dem Vodilvrh zunächst
Nebenaufgaben zu erfüllen. Sie sollte den Feind nördlich vom Isonzo
binden, ihm die Möglichkeit zu flankierendem Wirken nehmen und
dadurch der deutschen 12. ID. und dem Alpenkorps das Vordringen
gegen das erste Hauptziel, den Mt. Matajur, erleichtern.
Nach einer Minensprengung glückte es der Nordgruppe der 50. ID.,
dem Feinde die Krnplatte zu entreißen und die Krnspitze À 2245 ab-
zuschnüren. Südlich davon durchbrach die 3. GbBrig. unter Obst. Edi.
v. Tlaskal die Hangstellung und drang schon um 11h vorm. in das Dorf
Krn ein. Die links anschließende 15. GbBrig., Obst. Koschak, rückte
trotz heftigen feindlichen Geschützfeuers auf dem Rücken des Mrzli
vrh vor, entriß dem Feinde die Vorkuppe A 1186 und rollte mit einem
Bataillon die italienische Stellung nach Süden bis Gabrije auf. Dadurch
kam auch der Angriff des rechten Flügels der deutschen 12. ID. in
Fluß, dessen erster Anlauf von Dolje her nicht durchgedrungen war.
Die italienische 46. ID. zog sich nun in die vom Kozljak über die Pleca
und Vrsno nach Selisce verlaufende zweite Stellung zurück. Im schnei-
digen Nachstoß und durch Aufrollen von Norden und von Süden her
entriß die Brigade Koschak dem Feinde auch den Südteil dieser hin-
teren Verteidigungslinie.
Die deutsche 12. ID., GM. Lequis, stand mit je einem Regiment
bei Dolje und vor dem Tolmeiner Schloßberg bereit; das dritte Regi-
ment war Reserve südöstlich von Tolmein. Nachdem die k. u. k. 15. Gb-
Brig. bei Gabrije und das Alpenkorps bei St. Daniel der Division das
Vorbrechen ermöglicht hatten, stieß sie auf beiden Isonzoufern tal-
aufwärts vor. Sie nahm die erste und die hintere Stellung, eroberte
Batterien und erreichte bereits um lh nachm. Idersko. Hier wechselte
das auf dem Nordufer vorgegangene Regiment herüber, und nun stieß
die 12. ID. unaufhaltsam gegen Karfreit vor, wo die letzte zur Hand
befindliche Reserve des italienischen IV. Korps, die vordere Brigade
der 34. ID., noch einen Widerstand versuchte.
Inzwischen war auch die 15. GbBrig. der k. u. k. 50. ID. auf dem
Nordufer weiter vorgerückt und stand am Abend bei Ladra und
Vorstoß der deutschen 12. ID. bis über Karfreit
529
Idersko. 7000 Gefangene und 90 Geschütze waren in die Hand der
tapferen 50. ID. gefallen, die durch ihr sehr schneidiges Vorgehen
entscheidenden Einfluß auf den Erfolg des ersten Angriffstages ge-
nommen hatte.
Ein Halbbataillon und eine Gebirgsbatterie der 50. ID. hatten sich
der deutschen 12. ID. angeschlossen, deren scharf zugreifendes Spitzen-
regiment um 4h nachm. in Karfreit eindrang und 2000 Italiener zu Ge-
fangenen machte. Der der italienischen 43. ID. erteilte Befehl, mit
ihren Reserven von Drezenca aus nach Süden gegen die Flanke des im
Isonzotal vordringenden Gegners vorzustoßen, kam wegen der sich
überstürzenden Ereignisse nicht zur Ausführung. Ein verstärktes deut-
sches Bataillon stieg zur Sicherung der linken Flanke gegen Luico bis
Golobi auf, wo es allerdings Mühe hatte, sich gegen überlegenen Feind
zu behaupten1).
In Karfreit liefen den Deutschen noch zahlreiche aus dem Krn-
gebiet zurückflutende italienische Abteilungen in die Hände, darunter
auch der Kommandant der 43. Division. Ungeachtet der bisherigen An-
strengungen — die 12. ID. war bereits 15 km tief hinter die feindliche
Front vorgedrungen — setzte die Division den Vormarsch fort. Die
Vorhut erreichte um nachts die Reichsgrenze südlich von Robic;
sie hatte unter zahlreichen Kämpfen 23 km Marsch zurückgelegt. Die
Masse der Division bezog in Creda und in Staro Selo Nachtquartier.
15.000 Gefangene, 100 Geschütze und zahlreiches sonstiges Kriegsgerät
waren der vorläufige Siegespreis der Division. Ihr unbekümmert um
Flanke und Rücken bis tief ins Herz des feindlichen Stellungsnetzes
geführter Stoß gehört zu den kühnsten und erfolgreichsten Taten des
Weltkrieges2).
Inzwischen war auch das vom bayr. GM. Ritt. v. Tutschek befehligte
Alpenkorps mit Erfolg an seine besonders schwierige Aufgabe geschrit-
ten. Es trat gleichfalls mit zwei Regimentern in vorderer Linie und mit
einem in Reserve aus dem Abschnitt Sv. Maria gegen die Höhe À 1114
zum Angriff an.
Die vorderste italienische Stellung bei St. Daniel und bei Woltschach
wurde schon im ersten Ansturm überrannt. Dann begann der Aufstieg
auf den beiden über KovacicpL und über -<¡>-732 abstreichenden Berg-
rücken. Der rechts vorgehenden Kolonne glückte es bis zum Mittag
!) Fiedel, Geschichte des Infanterie-Regiments von Winterfeldt (2. Ober-
schlesisches) Nr. 23 (Berlin 1929), 202ff.
2) K rafft, I, 59.
vi
84
530
Die H er b s to f f e ns i ve gegen Italien
durch geschicktes, teils frontales, teils umfassendes Vorgehen, die zweite
Stellung bei Kovacicpl. und bei Foni zu durchstoßen und hiebei zahl-
reiche Batterien zu erobern. Als auch die Höhe Hevnik gefallen war,
richtete sich der Angriff gegen die festungartig ausgebaute Höhe
A 1114. Schweres Artilleriefeuer scheuchte die Verteidiger, eine Brigade
der 19. ID., in ihre Deckungen; dann brachen bayrische Stoßtrupps
in die ringförmige Befestigung ein. Um 5h 30 nachm. war die Höhe
A 1114, der eine Schlüsselpunkt der italienischen Kolovratstellung, im
Besitz der Deutschen1). Die Eroberer befanden sich hier allerdings in
einer sehr ausgesetzten Lage, denn das links vorgehende Regiment war
bei der Rückfallkuppe -<¡>-732 vor der in Wald und Gestrüpp verdeckt
angelegten Stellung hängen geblieben. Alle Umfassungs- und Um-
gehungsversuche hatten bis zum Einbruch der Nacht keine Änderung
der Lage herbeizuführen vermocht. Das dritte Regiment rückte der
erfolgreichen rechten Kolonne auf den Hevnik nach.
Die Reserve der Gruppe Stein, die 117. ID., wurde hinter dem
Alpenkorps nachgezogen und erreichte wegen der starken Verstopfung
der Straßen erst ¡am 25. früh Tolmein, wo sie vor dem Weitermarsch
zu kurzer Ruhe überging.
Von den beiden hintereinander aufgestellten Divisionen des Korps
Berrer, dem die Eroberung der Höhe Jeza vorgezeichnet war, stand die
vordere, die vom GM. Ernst v. Below geführte deutsche 200. ID., im
Mittelteil des Tolmeiner Brückenkopfes. Ihr Angriffsgelände war eben-
so schwierig als jenes des Alpenkorps. Auch bei ihr hatten die beiden
Regimenter des ersten Treffens auf je einem Abfallrücken dem An-
griffsziele zuzustreben. Insoweit sich die ersten Schützenlinien nicht
schon am Abend vorher an die vordersten Gräben der Italiener heran-
geschoben hatten, wurde die Talsohle bei Ciginj in der Früh hinter
der Feuerwalze rasch durchmessen und die Reihe der ersten Ver-
schanzungen erstürmt. Beim Angriff auf die Höhe blieb das rechte
Regiment vor der zweiten Stellung bei -<¡>-428 liegen; dafür glückte dem
linken der Wurf. Im engen Anschluß an den südlichen Nachbar er-
klomm es unter fortgesetzten Kämpfen bis 2h nachm. die Rückenlinie.
Nach Norden aufschwenkend, nahm es eine Stunde später eine Vor-
kuppe der Jeza und in den Abendstunden die gleichfalls mit allen Mit-
teln der Befestigungskunst ausgebaute Jezahöhe selbst. Hiemit war der
zweite Knotenpunkt des italienischen Stellungsnetzes im Besitze der
!) Das Königlich Bayerische Infanterie-Leibregiment im Weltkriege 1914--1918,
314 ff.
Die Erfolge der k. u. k. 1. ID.
531
200. ID., der 99 Geschütze, 75 Maschinengewehre, 45 Minenwerfer und
Tausende von Gefangenen in die Hände gefallen waren. Das Regiment
der Divisionsreserve folgte abends auf dem Je sen jakrücken nach. Die
deutsche 26. ID. kam nach ermüdendem Marsche auf der durch den,
regen Verkehr sehr überlasteten Idriastraße zum größten Teil erst wäh-
rend der Nacht nach St. Luzia.
Die südlichste Angriffsdivision der 14. Armee war die k. u. k. 1. ID.,
FML. Metzger, des XV. Korps. Sie hatte sich im äußersten linken Teil
des bisher von ihr verteidigten Brückenkopfes zusammengeschoben.
Gleich der 50. ID. seit zweieinhalb Jahren am oberen Isonzo im Stel-
lungskrieg stehend, hatte auch der 1. ID. bisher weder eine ausgiebige
Erholung gegönnt noch Gelegenheit zur Ausbildung geboten werden
können. Jetzt fiel der 1. ID. eine schwierige Doppelaufgabe zu: Angriff
nach Westen zum Durchstoß der feindlichen Stellungen und Vordringen
nach Südwesten, um der 2. Isonzoarmee den Weg über den Fluß zu
öffnen. Die erstgenannte Aufgabe, über Cemponi und Jazne bis in die
zweite Stellung zwischen Bizjaki und Avska vorzustoßen und dann nach
Kostanjevica zu rücken, hatte die 7. GbBrig. zu lösen. Die 22. GbBrig.
sollte zunächst den Hrad vrh erstürmen und sodann Hand auf die
Isonzobrücken zwischen Ronzina und Loga legen; zur Unterstützung
hatten ihr vier Bataillone und zwei Gebirgsbatterien der 57. ID. unmit-
telbar zu folgen.
Noch während der Nacht hatten sich die Angriffsbataillone der
1. ID. über das Niemandsland an die Bergfüße her ange schoben. Der
sodann am 24. folgende, bergauf geführte Angriff gestaltete sich sehr
verlustreich, weil die vielfach im Walde gelegenen Stellungen von den
Minenwerfern der großen Entfernung halber und von der Artillerie
der schweren Beobachtungsmöglichkeit wegen nicht hatten gründlich
zerstört werden können. Dennoch brachen die ersten Sturmabteilungen
der vom Obst. Budiner befehligten 7. GbBrig. schon zwischen 10h und
llh vorm. beim Bildstock 631 und nördlich davon in die feindliche erste
Stellung ein. Hier gruppierte sich die Brigade zum weiteren Angriff,
um über die Talfurche hinweg gegen die zweite Stellung vorzudringen.
Unterdessien war die 22. GbBrig., Obst. v. Hellebronth, bei 606 gleich-
falls in die vorderen italienischen Verschanzungen eingedrungen, und
um 4h nachm. war auch der Hrad vrh in ihrem Besitz.
Die gegen die zweite Stellung vorgehende Brigade Budiner traf
außer auf die aus der ersten Stellung geworfenen Alpinibataillone der
19. ID. noch auf eine frische Brigade der Reserve des XXVII. Korps.
34*
532
Die Herbstoffensive gegen Italien
Dennoch glückte es schneidig vorstürmenden Stoßtrupps, bei -<¡>-781 in
die Schanzen einzudringen und den Feind nach Süden aufzurollen1).
Um 6h abends wurden sodann nach wirkungsvoller Feuervorbereitung2)
die Gräben zwischen Pusno und Srednje von der Masse der Brigade
gestürmt und nach bis in die Nacht währendem Nahkampfe erobert.
Ein breiter Einbruch in die zweite Stellung des Feindes war der treff-
lichen 1. ID. des FML. Metzger geglückt. Nur der stark befestigte, hoch
aufragende Globacak hielt sich noch. Die l.ID. hatte demnach schon
am ersten Kampftage bei Überwindung von insgesamt 900m Steigung
und einem Raumgewinn von 5 km Tiefe zwei italienische Stellungen
durchstoßen und im Rahmen des großen Durchbruches „eine Leistung
ersten Ranges vollbracht"3). Sie konnte über eine Beute von 77 Ge-
schützen. und 32 schweren Minenwerfern sowie über 4600 eingebrachte
Gefangene Meldung erstatten.
Die deutsche 5. ID. rückte, als sie vom günstigen Fortschreiten der
Division Metzger Kenntnis erhielt, bald nach und nächtigte mit zwei
Infanterieregimentern und Gebirgsartillerie bei Cemponi, mit dem Rest
bei St. Luzia. Die vorgeschobene Gruppe der 57. ID. erreichte spät
nachts die östliche Rückfallkuppe des Hrad vrh und Selo.
Die auf dem Nordflügel der 2. Isonzoarmee stehende Gruppe FML.
Kosak war bei ihrem Angriffe vom Glück weniger begünstigt. Der
rechte Flügel der 60. ID., FML. Ludwig Goiginger, drang wohl über
den vor seiner Stellung liegenden waldigen Talgraben vor und nahm
etwa 450 Italiener der 65. ID. gefangen. Südlich von Hoje eroberte die
vom FML. v. Podhoránszky befehligte 35. ID. die ganze erste Stellung
des Feindes und führte 43 Offiziere un'd 1230 Mann der italienischen
64. ID. als Gefangene ab. Die 60. ID. mußte aber vor starken Gegen-
angriffen bald in ihre Ausgangsstellung weichen. Nachmittags versuchten
der Südflügel der 60. ID. und die 35. ID. neuerlich vorzubrechen, um
wenigstens bis an den Avscekgraben heranzukommen. Der Angriff, der
1) Dem Leutnant Árpád Bertalan des bh. FJB. 3, der sich bei der Erstürmung
der italienischen Stellungen in hervorragender Weise auszeichnete, wurde das Ritter-
kreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens zugesprochen.
2) Zur Erinnerung an das besonders erfolgreiche Verhalten des bei der 1. ID.
eingeteilt gewesenen FKR. 4 feiert dessen Nachfolgetruppenkörper, das Wiener
leichte Artillerieregiment (früher Brigadeartillerieabteilung) Nr. 1, den 24. Oktober
als Gedenktag.
3) Kr äfft, I, 81. — Dem FML. Joseph Metzger wurde für die hervorragende
Führung seiner Division nach seinem im Jahre 1921 erfolgten Ableben das Ritterkreuz
des Militär-Maria Theresien-Ordens zuerkannt.
Die Mitwirkung der 2. Isonzoarmee
533
auf unerschütterten Feind stieß und von der eigenen Artillerie nicht
ausreichend vorbereitet worden war, drang nicht durch.
Weiter südlich vermochte sich das IR. 30 der 60. IBrig. auf dem
Kirchenrücken von Sv. Tomaz festzusetzen. Die Stoßtruppunternehmen
der 24. ID. lösten starke Besetzung der italienischen Stellungen und
heftiges Abwehrfeuer aus. Teile der 53. ID. vermochten bei Kuscarji
dem Feinde einige Gräben zu entreißen und diesen Gewinn zu be-
haupten Gleiches glückte der 20. HID. auf dem Mt. S. Gabriele.
Die Verbündeten konnten mit dem Ergebnis des ersten Schlacht-
tages vollauf zufrieden sein. Auf einer Breite von 32 km war die ita-
lienische Front aufgerissen. Von Flitsch gegen Saga war bereits die
dritte Stellung durchstoßen. Westlich von Karfreit standen die An-
greifer sogar schon hinter der ganzen Befestigungszone. Die Reste der
italienischen Frontdivisionen, die im Krngebiet noch die erste Stellung
hielten, waren dadurch bereits abgeschnitten. Durch diesen Erfolg
wurde eine der Leitideen des Operationsplanes verwirklicht, die offen-
bar auch darauf hinauslief, den auf dem östlichen Isonzoufer stehenden
italienischen Heeresteilen durch tiefe Vorstöße gegen Saga und Karfreit
den Rückzug zu verlegen1). Auf dem Kolovratrücken hatten sich die
Angreifer zu Herren der Knotenpunkte des italienischen Stellungsnetzes
gemacht. Die unerwartet große Zahl der Gefangenen sowie die unge-
heure Beute ließen die Größe des Erfolges und die Erschütterung des
Feindes ermessen.
Das in Krainburg weilende Kommando der deutschen 14. Armee
hatte über die glänzenden Anfangserfolge seiner Divisionen Meldung
erhalten. Vom Vordringen der 12. ID. über Karfreit hinaus und von
der Eroberung der wichtigen Höhen A 1114 und Jeza hatte es bis zum
Abend jedoch keine Kenntnis. Da der Angriff aber überall den vor-
gezeichneten Zielen rastlos zustrebte, sah sich Gdl. Below nicht ver-
anlaßt, weitere Befehle zu geben.
Der Kommandant der 2. Isonzoarmee, Gdl. Henriquez, plante, den
Angriff der Gruppe Kosak am 25. unter Einsatz von Reserven wieder-
holen zu lassen. Da sich aber Mangel an Schießbedarf einstellte, und die
35. ID. wegen ihrer außerordentlich geringen Stände2) die eroberte
1) Horsetzky, Zum Durchbrudh von Tolmein 1917 (Schweizerische Monats-
schrift für Offiziere aller Waffen, Frauenfeld, Jhrg. 1927, Hefte 2 und 3).
2) Das IR. 51 meldete einen Stand von 15 Offizieren und 155 Feuergewehren,
das IR. 62 58 Offiziere und 806 Feuergewehre. Beijn IR. 63 zählten zwei Bataillone
zusammen bloß 300 Mann; nur das IR. 64 hatte noch 55 Offiziere und 1413 Gewehre.
534
Die Herbst-offensive gegen Italien
Feindstellung während der Nacht sogar wieder aufgegeben hatte, wurde
es für aussichtsreicher gehalten, das Schwergewicht auf das westliche
Isonzoufer zu verlegen. Die Masse der 57. ID. hatte am 25. dorthin
abzurücken, um, an die 1. ID. anschließend, im Streifen zwischen dem
Isonzo und der Linie Selo—Kostanjevica, in dem schon ihre vor-
geschobene Gruppe stand, anzugreifen. In den durch den Uferwechsel
der 57. ID. freigewordenen Raum hatte die 28. ID. mit je einer Bri-
gade nach Kai (östlich von Selo) und nach Dol (im Cepovantale) zu
gelangen. Hinter ihr hatte die Masse der 9. ID. (17. IBrig.) an das schon
nördlich des Fahrweges Chiapovano Inf.—Podlesce stehende IR. 80 auf-
zuschließen.
Beim Feinde wurden die höheren Kommandos erst spät und unvoll-
ständig von der Katastrophe unterrichtet, die am 24. Oktober miit
elementarer Gewalt über den Nordflügel der italienischen Isonzofront
hereingebrochen war. Das tief nach hinten auf Befehlsstellen und Weg-
knoten niederschlagende Feuer weittragender Kanonen der Verbündeten
hatte alle Verbindungen unterbrochen.
Auf die Nachricht vom erfolgreichen Angriff des Gegners bei
Flitsch und Tolmein wurde dem VII. Korps — wie schon seit Tagen
vorgesehen — die Besetzung des Kolovratrückens mit der Front nach
Norden anbefohlen. Der König gab dem Korpsführer um llhvorm.
noch persönlich Anweisungen. Die 3. ID. rückte hierauf mit der Spitzen-
brigade auf die Rückenlinie nördlich von Drenchia, die beiden anderen
Brigaden hingen im Cosizzatale zurück. Von Her 62. ID. besetzte die
eine Brigade den Mt. Matajur, die andere rückte nach Luico, wo sie
mit der Seitenhut der deutschen 12. ID. zusammenstieß. Diese schwache
Abteilung zurückzuwerfen und 700 m tief in das Isonzotal gegen die
vorrückenden Deutschen hinabzustoßen, dazu hatte sich der Führer des
italienischen VII. Korps bei dem dichten Nebel nicht zu entschließen
vermochtx).
Die letzte intakte Reserve des IV. Korps, die zweite Brigade der
34. ID., die nach Bergogna im Anmärsche war, wurde abends ange-
wiesen, den Stol zu besetzen und die Täler bei Creda und Stupizza
abzuriegeln. Die am 24. bei Nimis (3 km östlich von Tarcento) ein-
getroffene 7. Alpinigruppe hatte auf die Pta. di Montemaggiore zu
rücken.
Um. auf dem schwer gefährdeten Nordflügel der überstarken,
26 Divisionen zählenden 2. Armee eine straffe Befehlgebung sicherzu-
1) Bericht der Untersuchungskommission, II, 137.
Maßnahmen der italienischen Heeresleitung
535
stellen, wurden das VII. Korps und die beiden durch den Ansturm
des Gegners zertrümmerten Korps IV und XXVII dem Glt. Montuori
untergeordnet, der bis zum 23. Oktober zeitweilig die 2. Armee be-
fehligt hatte (S. 515); ihm führte die Heeresleitung noch die 53. ID.
ihrer Reserve zu. Diese Division sollte gleichfalls zur Sperrung des
Natisonetales bei Stupizza verwendet werden. Gen. Capello, der sein
Hauptquartier von Cormons nach Cividale verlegte, trennte aber die
auf dem östlichen Isonzoufer stehenden Divisionen 65, 22 und 64, die
sich des Angriffes der Gruppe Kosak erwehrt hatten, vom XXVII.
Korps ab und schlug sie dem XXIV. zu *).
Als am Abend eine Hiobsbotschaft nach der andern in Udine ein-
langte, wurde man um den noch feststehenden Nordflügel der auf
dem östlichen Isonzoufer stehenden Front besorgt. Das Höchstkom-
mando befahl um 9h 30 nachts, die auf der Hochfläche von Bainsizza
stehenden Truppen in die Hauptwiderstandslinie zurückzuführen. Der
Südflügel des XXVII. Korps, sowie das XXIV. und das II. Korps rück-
ten noch in der Nacht in die Linie Globocak—Vrh—Mt. Santo ab. Der
Riß in der Front verbreiterte sich dadurch allerdings um weitere
19 Kilometer. Um den linken Eckpfeiler dieser neuen Verteidigungs-
linie besonders zu verankern, wurde die aus zwei Bersaglieribrigaden
bestehende 47. ID. des, XXVIII. Korps gegen den Globocak in Marsch
gesetzt. Die Heeresleitung unterstellte dem GLt. Capello noch das
XXX. Korps (16. und 21. ID.) der Heeresreserve, das nach Nimis ge-
langen sollte, sie traf Vorsorgen zur Absendung der 60. ID. nach Ber-
gogna2), ließ auch zwei Divisionen an der Tiroler Front zum Abrollen
bereitstellen und wies die 3. Armee an, gleichfalls zwei Divisionen der in
ihrem Bereich befindlichen Reserven zur Unterstützung der 2. Armee
bereitzuhalten.
Eine Stunde vor Mitternacht verlautbarte das Höchstkommando
noch die Linien, in denen im Falle weiteren Zurückweichens tatkräftig
Widerstand geleistet . werden sollte: 1)... Pta. di Montemaggiore—
Stol—Starijski vrh—Staro Selo—Mt. Matajur—-Kolovratrücken—Jeza—
Globocak, 2) Pta. di Montemaggiore—Mt. le Zuffine—Mt. Lupia—Mt.
Mia—Mt. Matajur—Mt. S. Martino—Mt. Hum—Globocak, und 3) Pta.
di Montemaggiore—Mt. le Zuffine—Mt. Carnizza—Mt. Juanes—Mt.
Madlessena—Mt. Purgessimo—Castel del Monte—Korada. Alle drei
Verteidigungslinien nahmen somit von der Pta. di Montemaggiore ihren
1) Cablati, Ottobre 1917, 148.
2) Ebenda, 151.
536
Die Herbstoffensive gegen Italien
Ausgang, woraus schon die von Cadorna diesem Berge zugemessene Be-
deutung erhellt. Schließlich befahl Cadorna, die Tagliamentobefestigun-
gen instand zu setzen und zwei neue Brückenköpfe zu erbauen1). Doch
all diese Maßnahmen zur Aufrichtung einer hinteren Verteidigungsfront
sollten sich als undurchführbar erweisen.
Die Vollendung des Durchbruches
(25. und 26. Oktober)
Hiezu Beilage 27
Bei der Gruppe Krauss hatte die Vorhut der 22. SchD. nach mühe-
vollem Überschreiten des Torrente Boka um 3h früh den Vormarsch an-
getreten. Da der Feind, schwache Reste der 50., der 43. und der 46. ID.,
verstärkt durch einige frische Bataillone, sich auf die Sperrung des
Ucceatales und auf die Besetzung des Stol beschränkte, kam die Vorhut
noch vor Tagesanbruch unangefochten nach Saga, aus welchem Ort die
Italiener unter Zurücklassung zahlreicher Geschütze knapp vorher
eiligst abgezogen waren. Die Vorhut der 22. SchD. bezog sodann bei
Serpenizza eine Stellung zur Absperrung des Isonzotales gegen Osten.
Hinter der Vorhut nachrückend, schickte sich der Kommandant der
98. KSchBrig., Obst. Sloninka, mit dem KSchR. I und dem 1. Bataillon
des KJR. 3 zur Eroberung des Stol an. Dieser Gruppe hatte die Masse
der 22. SchD. zu folgen. Die 217. IBrig. der Edelweißdivision sollte nach
Uccea vordringen. Die 216. IBrig. hatte bereit zu sein, dem Feinde
nach Räumung seiner Stellungen nachzustoßen. Der 55. ID. wurde vom
I. Korpskmdo. entschiedenes Vordringen auf Karfreit aufgetragen. Die
deutsche Jägerdivision, der jetzt die drei deutschen Sturmbataillone aus
Tirol nachgeführt wurden, hatte über Flitsch im Isonzotale zu folgen.
Erfreulicherweise heiterte sich das Wetter endlich auf. Die Sonne
trat hervor und durchwärmte die übernächtigen und durchnäßten
Krieger.
Die in drei Kolonnen aufsteigende Gruppe Sloninka eroberte bis
zur Mittagszeit die Vorberge des Stol, den Hum und den Prvi Hum. Auf
diese Bedrohung hin begann der Feind um 6h nachm., den Rückzug
einzuleiten2). In den ersten Nachtstunden entrissen die unaufhaltsam
3) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 486 f.
2) Bericht der Untersuchungskommission, I, 136 f.
Die Eroberung des Stol
537
vordringenden Kaiserschützen der zurückgelassenen italienischen Nach-
hut den Sattel -<!>- 1450 und brachten 400 Italiener als Gefangene ein.
Am 26. Oktober um 3h früh standen sie auf dem Gipfel des Stol À 1668,
dessen Behauptung Cadorna noch 36 Stunden vorher als besonders
wichtig bezeichnet hatte1). „Das Unglaubliche war geglückt!" schreibt
GdA. Krafft in seinem Werke über den Durchbruch am Isonzo. „Durch
kühnes, rasches Zufassen hatten die tapferen Schützen die gewaltige
Bergstellung ohne jede nennenswerte Mithilfe der Artillerie erstürmt.
Sie hatten buchstäblich ihren Auftrag erfüllt, durch Tag und Nacht
unentwegt im Vorgehen zu bleiben, bis die für den Erfolg des Angriffes
aus dem Flitscher Becken entscheidende Stellung in ihrer Hand war2)."
Das Bataillon I/KJR. 3 rückte nun sogleich auf der Rückenlinie
gegen die Pta. di Montemaggiore weiter. Die Kaiserschützen stiegen
gegen Süden ab, drangen schon um 7h früh in Bergogna ein, wo ihnen
5000 überraschte Italiener als Gefangene und namhafte Beute in die
Hände fielen. GM. Müller war mit der Masse seiner Division über den
Stolsattel nach Bergogna gefolgt. In der Erkenntnis, daß rasche Ver-
folgung viel Blut spare, setzte er nach einer mehrstündigen Rast in den
ersten Nachmittagsstunden die Vorrückung gegen Westen fort. Nach-
dem italienische Nachhuten bei Platischis geworfen waren, drangen
die Vortruppen der 43.SchBrig. trotz der durch eine Straßensprengung
verursachten Verzögerung bis. auf den Mt. le Zuffine und den Mt. Ca-
vallo vor, welche Höhen sie knapp vor einem heranhastenden italieni-
schen Regiment des IV. Korps in Besitz nahmen. Die übrigen Teile der
Brigade nächtigten in Platischis. Die 98.KSchBrig. erreichte spät abends
den Ort Montemaggiore.
GM. Wieden, der mit der 217. IBrig., Obst. Edi. v. Mollinary, durch
das Ucceatal vorzudringen hatte, durchbrach schon um llhvorm. die
Talstellung. Nachdem das Bataillon 1/14 eine Vorkuppe der Höhe
Skutnik und eine Kaiserjägerkompagnie den Mt. Caal -<!>- 1296 erstürmt
hatten3), war der Widerstand des Feindes im Ucceatal gebrochen. Die
217. IBrig. gelangte nach ermüdendem Marsche am 25. abends bis in
das Dorf Uccea und setzte nach einer kurzen Nachtruhe tags darauf
noch in der Dunkelheit den Vormarsch fort. Zwei Bataillone der
„Hessen" mit einer Gebirgsbatterie drangen, nachdem das 1. Bataillon
1) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 488.
2) Krafft, I, 106.
3) IR. 14, Ein Buch der Erinnerung, 127. — S c h e m f i 1, KJR. 3 im Welt-
krieg, 472.
538
Die Herbstoffensive gegen Italien
in den Morgenstunden die Spitze desi Skutnik A 1719 erklommen hatte,
in das obere Resiatal ein und erreichten am 26. den Mt. Sounovich und
den Ort Stolvizza. Je ein Bataillon des IR. 14 und des: KJR. 3 nebst
zwei Gebirgsbatterien hatten auf der in der Karte eingezeichneten
Straße nach Resiutta vorzudringen; sie kamen auf immer schlechter
werdendem Wege bis auf den Nizkivrh. Um dem fächerförmig aus-
einanderstrebenden Korps Krauss in der Hauptrichtung ein Schwer-
gewicht zu geben, dann aber auch, um die Zahl der im Becken von
Karfreit sich zusammendrängenden Divisionen zu verringern, hatte
dieser Kolonne die vom preuß. Obst. v. Wodtke befehligte deutsche
Jägerdivision samt der fahrenden Artillerie zu folgen. Das KJR. 3 (2.
und 4. Bataillon) samt einer Gebirgsbatterie hatte über den P. diTana-
mea und die Forcella Musi nach Venzone zu rücken.
Teile dieses Regiments bemächtigten sich am 26. früh des Tana-
meapasses. Als die auf der Pta. di Montemaggiore vereinzelt stehende
7. Alpinigruppe das Anrücken mehrerer gegnerischer Kolonnen be-
merkte, entschloß sie sich zum Rückzug. Das auf dem Grat herankom-
mende 1. Bataillon der Dreierkaiserjäger vermochte hierauf noch vor
Einbruch der Abenddämmerung eine italienische Nachhut zu vertreiben
und den Gipfel zu besetzen1). Diese Begebenheit sollte die Entschlie-
ßungen der italienischen Heeresleitung noch in entscheidender Weise
beeinflussen. Das Kommando der Karnischen Gruppe, durch die Er-
folge des Korps. Krauss sehr beunruhigt, hatte bereits am 25. abends
seine spärlichen Reserven und die ihm vom Höchstkommando zur Ver-
fügung gestellte 8. Alpinigruppe, im ganzen sechs Bataillone und vier
Batterien, in das Resiatal gelenkt.
Die deutsche Jägerdivision erreichte am 26. abends, durch stehen-
gebliebene Beutegeschütze und Gefangenenzüge erheblich aufgehalten,
das Tal östlich vom Dorfe Uccea. Als sich herausstellte, daß die in
der Karte eingezeichnete, von Uccea über den Nizkivrh ins Resiatal
führende Straße nur ein steiler Saumpfad war, wurde die fahrende
Artillerie wieder nach Serpenizza zurückgeschickt. Sie konnte erst spä-
ter durch das Natisonetal ihren Divisionen nachgeführt werden2).
Vor der 216. IBrig. waren die Italiener während der Nacht auf
den 25. vom Rombon abgezogen und hatten eine hintere Stellung auf
x) S c h e m f i 1, KJR. 3 im Weltkrieg, 480. — Derselbe, Der Fall des Monte-
maggiore bei der Herbstoffensive 1917 gegen Italien (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg.
1934, 518 ff.).
2) P f 1 i e g e r, Holsteinisches Feldartillerie-Rgmt. Nr. 24 (Oldenburg 1922), 167.
Neue Erfolge der Gruppe Krauss
539
dem Vratni Vrh besetzt. Teile des, IR. 59, die westlich vom Vratni Vrh
gegen die Prevalascharte vorgingen, mußten an dem kräftigen Wider-
stand erkennen, daß der Feind auch hier zur Abwehr entschlossen sei.
Inzwischen waren die Italiener auf dem Vratni Vrh vollkommen um-
stellt worden; am 26. Oktober in der Früh, als sie es für aussichtslos
ansahen, sich durchschlagen zu können, ergab sich die ganze Besatzung
in der Stärke von 40 Offizieren und 880 Mann1). Insgesamt waren bei
der 216. IBrig. in den drei ersten Kampftagen gegen 2000 Gefangene
und 4 Geschütze eingebracht worden.
Die nördlich anschließende 59. GbBrig. hatte bei ihrem am 25. im
Seebachtale unternommenen Angriffe keinen Erfolg. Sie mußte sich
damit bescheiden, die Wegnahme der vom Feinde noch festgehaltenen
Prevalascharte durch die Brigade Spiess abzuwarten. Dann mochte die
italienische Stellung auf dem Neveasattel von selber fallen.
Die 55. ID., die am 25. bei Tagesanbruch die am Vortage ohne
durchschlagenden Erfolg angegriffene Stellung geräumt fand, stieß
in die Becken von Ravna und Drezenea nach. Die Höhen Krasjivrh,
Vrsic und Vrata fielen nach Kampf mit italienischen Nachhuten. Am
25. abends stand die Division, die 4000 Gefangene, 70 Geschütze und
1000 Tragtiere der italienischen 43. ID. mitführte, in Idersko und Kar-
freit. Tags darauf erreichte sie, ohne ins Gefecht zu treten, Sedulja
und Borjana östlich von Bergogna.
Bei der 50. ID. bemächtigte sich die Nordgruppe am 25. der Krn-
spitze und — im Vereine mit Teilen der 55. ID. — der Höhe Kozljak.
Die 3. GbBrig. sammelte sich am Nachmittag bergabwärts ; sie war
durch den Abtransport der Gefangenen, deren Zahl 10.000 schon über-
schritten hatte, stark in Anspruch genommen. Die 15. GbBrig. erreichte
mit der Masse am Abend Robic; zwei Bosniakenbataillone stiegen auf
den Mt. Mia auf. Die 50. ID. wurde am 25. ,abends der Gruppe Krauss
überwiesen, um diese zu einem kräftigen Vordringen über Platischis
gegen Tarcento zu befähigen.
Die Masse der deutschen 14. Armee ging am 25. daran, die (Divi-
dale im Norden und im Nordosten umgebenden Höhen zu bezwingen.
Bei der Gruppe Stein zog die deutsche 12. ID. zunächst die zurück-
behaltenen Reserven in die vordere Linie nach Golobi vor, um die hier
gegen eine bedeutende Überlegenheit kämpfende Seitenabteilung (S. 529)
zu verstärken. Die im Natisonetal südlich von Robic fechtenden Batail-
lone hatten, am Morgen den Angriff frisch eingetroffener Regimenter
*) H o e n, IR. 59 im Weltkrieg, 607.
540
Die Herbstoffensive gegen Italien
der italienischen 53. ID. abzuwehren. Auch das deutsche Alpenkorps, das
seine Reserve auf die Höhe A 1114 herangezogen hatte, mußte hier in
der Früh heftige, von Truppen der 19. und der 3. ID. der Italiener
ausgeführte Angriffe abschlagen. Indessen durchbrach die tags vorher
bei A 732 hängengebliebene linke Kolonne die italienische Stellung und
erstieg bis 11h vorm. den von der Siemenkapelle 869 gekrönten
Schlußrücken.
Nun ging es an das Aufrollen der italienischen Kolovratstellung.
Durch sehr geschicktes, zum Teil in schußtoten Räumen erfolgendes Vor-
gehen von Abteilungen des Alpenkorps wurde zunächst derKuk À 1243
genommen. Dann glückte es im Verein mit den bei Golobi stehenden Ba-
taillonen der deutschen 12. ID., die sich bis jetzt gegen zahlreiche An-
griffe einer Bersaglieribrigade der 62. ID. hatten wehren müssen, die
Masse dieser Brigade gefangenzunehmen. Das vorderste Bataillon des
Alpenkorps drang noch von Osten her gegen den Mt. Matajur vor, des-
sen nördlicher Vorberg schon am 25. um 7h 30 früh von einer Kom-
pagnie der 12. ID. erstiegen worden war. Bei dieser Division zählte man
am Abend dieses Tages schon gegen 10.000 Gefangene, die ihr von
allen Seiten, namentlich von Norden her, von den abgeschnittenen Teilen
des italienischen IV. Korps zugeströmt waren.
Die in zweiter Linie nachfolgende 117. ID. gelangte am 25. abends
nach Kamno und Selisce.
Bei der Gruppe Berrer säuberte die deutsche 200. ID., deren
zurückgebliebene rechte Angriffssäule schon bei Morgengrauen auf der
Jezahöhe eingetroffen war, zum Teil gemeinsam mit der südlichen
Gruppe des Alpenkorps den Raum südlich der Höhe A 1114. Sie ge-
wann bis zum Abend Trinco, Prapotnizza und Clabuzzaro und stellte
sich für den am nächsten Tag gegen den Mt. S. Martino und den Mt.
Hum zu richtenden Angriff bereit. Die fahrende Artillerie der 200. ID.
sowie die des Alpenkorps werden über Idersko gegen Luico heran-
geführt. Die zweite Division der Gruppe Berrer, die 26. ID., die am 26.
in die vordere Linie rücken sollte, bezog mit je einem Infanterieregi-
ment bei Jesenjak, in Ciginj und in Modrejce Nachtquartier.
Die Gruppe Scotti hatte am 25. die Angriffe zur Eroberung der
Höhen Globocak und Mt. Hum fortzusetzen. Ihr weiteres Vorrücken
in südwestlicher Richtung sollte der 2. Isonzoarmee, deren rechte Flü-
geldivision, die 57. ID. der Gruppe Kosak, schon auf das westliche
Isonzoufer gelangte, das Vordringen über die Hochfläche von Bainsizza
erleichtern.
Neue Weisungen des 14. Armeekommandos
541
Die k. u. k. 1. ID. griff den Globocak an und vermochte nach har-
tem Kampfe gegen das italienische XXVII. Korps, der die Truppen des
FML. Metzger durch blutige Verluste etwa ein Sechstel ihres Standes
kostete, die Höhe um llhvorm. zu erstürmen. Die 7. GbBrig. kam hier-
auf nicht mehr weit über die eroberte Höhe hinaus. Die 22. GbBrig.
setzte sich noch in den Besitz von St. Paul. 4000 Gefangene und 60 Ge-
schütze waren der Siegespreis der tapferen 1. Division. Die vordersten
Bataillone der 57. ID. gelangten nach Ronzina; die Masse dieser Divi-
sion reichte bis nach Selo zurück.
Die deutsche 5. ID. hatte sich nördlich der k. u. k. 1. in die Front
einzuschieben, um am 26. den Mt. Hum von Osten her zu nehmen.
Das Spitzenregiment überschritt aber noch am 25. den Judrio und
arbeitete sich, durch feindliches Feuer stark gehemmt, bis nahe ,an
den Mt. Hum heran. Die beiden andern Infanterieregimenter gelangten
nach Srednje und Pusno. Die fahrende Artillerie blieb in Ciginj zurück,
um je nach der Lage über Idersko—Luico oder über Doblar nach-
gezogen zu werden.
Durch den von der Armee Below am 25. Oktober erfochtenen Er-
folg hatten sicjh die beiden von Flitsch und von Tolmein ausgegangenen
Durchbruchsangriffe nach vorne zu einem großen Durchbruchskeil
zusammengeschlossen. Das deutsche Armeekommando in Krainburg war
durch eingelangte Nachrichten und Meldungen ziemlich zutreffend über
die Begebenheiten unterrichtet. Es glaubte allerdings, daß noch keine
starken Reserven (angeblich nur zwei Brigaden) gegen die 14. Armee
eingesetzt worden seien; stärkere Kräfte (vier Brigaden) hätten die
Front vor der 2. Isonzoarmee verstärkt. Da die Kampfkraft der ge-
schlagenen italienischen Divisionen wegen der ungeheuren Geschütz-
verluste nur mehr gering eingeschätzt wurde, war diese eingetretene
Schwächung des Feindes noch mehr ein Anreiz zu schärfstem Nach-
drängen. Deshalb erhielt die Gruppe Krauss am 25. abends als nächste
Ziele Resiutta, dann die Höhenlinie Pta. di Monte maggiore—Mt. le Zuf-
fine—Mt. Carnizza. Die drei anderen Korps sollten die Randberge
Mt. Juanes und Mt. Madlessena (Gruppe Stein), Mt. Purgessimo (Gruppe
Berrer) und die Höhen um Castel del Monte (Gruppe Scotti) gewinnen,
auf denen im besonderen das Kommando der Südwestfront einen star-
ken neuen Widerstand des Feindes erwartete.
Von den Armeereserven hatte die 13. SchD., die der Gruppe Stein
als Ersatz für die an die Gruppe Krauss abgegebene 50. ID. zugewiesen
wurde, am 26. nach Woltschach zu rücken. Die 33, und.die 4. ID., die
542
Die Herbstoffensive gegen Italien
am 25. nach Grahova und nach St. Veitsberg vorgezogen worden waren,
hatten wegen der bei Tblmein noch nicht entwirrten Verkehrsstockung
am 26. in den zwei genannten Orten zu verbleiben.
Für das weitere Vordringen im Natisonetal hatte die deutsche
12. ID. der Gruppe Stein und die jetzt schon zum- Korps Krauss ge-
hörende k. u. k. 50. ID. gemeinsames Angreifen vereinbart. Die inneren
Flügel sollten über Stupizza und Höhe -<!>- 872 südöstlich vom Mt. Juanes
vorgehen.
Von der vorne stehenden 15. GbBrig. der 50. ID. stießen die zwei
Bataillone des bh. IR. 1 vom Mt. Mia herab gegen das Natisonetal. Sie
kamen den gegen die Reichsgrenze angreifenden Italienern in Flanke
und Rücken und brachten dadurch die Entscheidung. Der Feind wich
zurück. Nun vermochten die vorderen Bataillone der Division Lequis
vorzurücken, denen noch ein Regiment von Luico her und die fah-
rende Artillerie folgten; sie erreichten um 2hnachm. Stupizza und Loch
und stiegen unter Kämpfen mit Abteilungen des zurückweichenden ita-
lienischen XXVIII. Korps bis zum Abend zur Höhe -Ç- 872 auf. Zwei
¡andere Bataillone der 15. GbBrig. umgingen die Predolschlucht im
Norden und besetzten den Mt. Lupia, Robedisce und Prossenicco. Eine
zur Aufklärung vorgesandte Kompagnie der 50. ID. erreichte am 26.
abends den Mt. Juanes, vertrieb die dort stehende rechte Flügelabteilung
des IV. Korps und fand die in unseren Karten eingezeichnete Panzer-
befestigung unfertig und unbesetzt. Sie trat mit den auf der Höhe A 872
eintreffenden Deutschen in Verbindung. Der Rest der 15. GbBrig. stand
bei Logje, Podbela und Creda; die 3. GbBrig. wurde am 26. abends bei
Karfreit und Ladra vereinigt.
Unterdessen kamen auch die Ereignisse östlich vom Natisone rasch
in Fluß. Ein Bataillon des Alpenkorps war noch vor Sonnenaufgang
gegen den Mt. Matajur aufgestiegen, der von einer Brigade der italie-
nischen 62. ID. besetzt war (S. 534). Teile des Bataillons erstürmten
nach Kampf mit dem sich hartnäckig wehrenden Feinde den Gipfel
und machten 100 Offiziere und 4500 Mann zu Gefangenen; überdies
wurden 14 Geschütze und zahlreiche Maschinengewehre erbeutet1).
Hiemit war wieder einer der Angelpunkte des Durchbruchsraumes in
den Besitz der Verbündeten gefallen.
Das Alpenkorps trat nun in drei Kolonnen die Vorrückung gegen
Südwesten an, um das ihm vorgezeichnete Ziel, den Mt. Madlessena,
zu gewinnen. Nachdem mehrere Nachhutstellungen des Feindes im
!) S p r o e s s e r, 282 ff.
Eroberung dies Mt. Matajur und des Mt. Hum
543
Rieccatale bezwungen worden waren, traf das Korps gegen Abend nörd-
lich von Azzida ein, wo es auf Teile des italienischen XXVIII. Korps
stieß, die hier zur Sperrung der zusammenmündenden Täler eine Stel-
lung bezogen hatten. Das bei Luico verbliebene Regiment der 12. ID.
rückte über den Südhang des mittlerweile eroberten Mt. Matajur vor
und vereinigte sich bei Pulfero mit seiner Division, von der eine ge-
mischte Abteilung gleichfalls gegen die Ortschaft Azzida vorgetrieben
worden war.
Die 117. ID. marschierte am 26. von Kamno nach Robic nach. Von
der 13. SchD. traf das vorderste Regiment in Woltschach ein; die Masse
der Division hing bis ins Idriatal zurück.
Beim Korps Berrer eroberte die 200. ID. am Vormittag nach kur-
zem, fast verlustlosem Kampfe den Mt. S. Martino und rückte sodann
über den Mt. S. Bardolomeo vor. Westlich davon näherte sich das Alpen-
korps dem Orte Azzida. Die sich in die Kampffront einschiebende 26.
(württembergische) ID., GLt. v. Hof acker, erreichte mit dem vordersten
Regiment Mersod. sp.; die hinteren Teile erstreckten sich auf dem vom
Mt. S. Maria Mna. gekrönten Rücken bis Crai.
Beim k. u. k. XV. Korps erstürmte das vorderste Regiment der
vom GM. v. Wedel geführten deutschen 5. ID., durch das eigene Artil-
leriefeuer eher gehemmt als unterstützt, am Vormittag den von der
italienischen 3. ID. verteidigten Mt. Hum. 80 Offiziere, darunter zwei
Brigadekommandanten und 3500 Mann sowie 61 Geschütze und 51 Ma-
schinengewehre fielen dem erfolgreichen deutschen Regiment in die
Hände x), das bei seinem Angriff von einem Bataillon der 200. ID. von
Norden her begleitet worden war. Bei der nachmittags fortgesetzten
Vorrückung der 5. ID. gewannen ihre Spitzenabteilungen noch den
Mt. S. Giovanni. Die fahrende Artillerie steckte in dem von Doblar
nach Norden führenden Tale.
Die k. u. k. l.ID. eroberte im Vordringen gegen Südwesten um
llhvorm. Kambresko und stand am Abend in Britof am Judrio und bei
St. Jakob nordöstlich der Korada. Auf dieser hatte die 47. Bersaglieri-
di vision des XXVII. Korps eine Verteidigungsstellung bezogen. Süd-
östlich anschließend über die Höhe Planina und das Dorf Piava bis
Paljevo standen die sieben sehr durcheinandergewürfelten Divisionen
10, 49, 22, 30, 64, 65 und 68 des italienischen XXIV. Korps. Gegen
sie war am 26. die k. u. k. 57. ID., GM. Hrozny, vorgerückt. Sie war
*) Schöning, Leib-Grenadier-Regiment König Friedrich Wilhelm III. (1. Bran-
denburgisches) Nr. 8 (Oldenburg 1924), 256.
544
Die Herbst-offensive gegen Italien
seit dem Morgen dieses Tages dem II. Korpskmdo., Gdl. Kaiser, unter-
stellt, das* noch die Divisionen 9, 28 und 29 über den Isonzo vorzu-
führen hatte.
Der in der Nacht auf den 25. Oktober begonnene Rückzug der
Korps XXIV und II der Italiener ermöglichte auch der 2. Isonzoarmee
die Vorrückung. Die Gruppe Kosak stieß bei der Wiederholung des
am ersten Schlachttage nicht durchgedrungenen Angriffes» am 25. früh
nur mehr auf Nachhuten, die keinen nachhaltigen Widerstand leisteten.
Die über Canale im Isonzotale zurückhastenden Hauptkräfte des ita-
lienischen XXIV. Korps wurden von den Fliegern der 2. und der
1. Isonzoarmee sehr empfindlich heimgesucht; in 119 Feindflügen wur-
den auf sie Bomben im Gesamtgewichte von 61/21 abgeworfen. Am
Abend erreichte der rechte Flügel der k. u. k. 60. ID. Loga, die inneren
Flügel der 60. und der 35. ID. gelangten bis vor Vrh. Das XXIV. Korps,
Gdl. Lukas, vermochte jetzt gleichfalls vorzudringen und kam mit der
24. ID. bis vor Bate, mit der 53. ID. bis vor Sveto. Die 43.SchD. des
IV. Korps gewann Madoni und trieb Nachrichtenabteilungen gegen Vo-
dke und den Mt. Santo vor. Während der Nacht begann der Feind
auch südlich des Westendes des Gepovantales abzubauen.
GO. Boroevic hatte die 2. Isonzoarmee am 25. Oktober angewiesen,
mit dem rechten Flügel über Auzza und Ronzina energisch vorzugehen.
Daraufhin wurden noch am selben Tage hinter der bis Ronzina und
Selo gelangten 57. ID. die 28. und die 9. ID. in den Raum nördlich
und westlich von Kai, die 29. ID. bis Chiapovano Inf. nachgeführt.
Da sich das italienische XXIV. Korps iti der Nacht auf den 26.
fast ganz auf das westliche Isonzoufer gezogen hatte und auch die Masse
des II. Korps am 26. zwischen Zagora und dem Mt. Santo das Ufer
wechselte, vermochte die 2. Isonzoarmee die Verfolgung an diesem Tage
fortzusetzen. Sie vollzog sich allerdings unter heftigen Kämpfen mit
italienischen Nachhuten, so bei der 35. ID. um den Kuk À 711, bei der
24. ID. um den Jelenik A 788 und bei der 53. ID. um den Kobilek
> 627. Die Beute der Gruppe Kosak in den drei Schlachttagen betrug
200 Geschütze, überdies' waren 15.500 Gefangene eingebracht worden.
Das XXIV. Korps konnte über die Erbeutung von 24 Geschützen,
34 Maschinengewehren und über 1260 Gefangene Meldung erstatten.
Am 26. abends standen vom II. Korps die 57. ID. bei Nekovo Grn.
und DL, dahinter die 28. ID. bei Ronzina und Auzza, die 9. in Avscek
und Levpa und die 29. in Kai. Von der Gruppe Kosak war die 60. ID.
von Canale aus bis Liga und Mia. Zell auf den Kolovrat aufgestiegen;
Die Armee Henriquez erreicht den Isonzo
545
die 35. ID. erreichte zwischen den Orten Morsko undBodrez den Isonzo.
Die 24. ID. des XXIV. Korps drang bis vor Désela vor; die S3. ID.
war bis zum Abend zu beiden Seiten des von Ravne nach Vodice füh-
renden Fahrweges in heftige Kämpfe verstrickt. Eine Nachrichtenabtei-
lung dieser Division und ein den andern Truppen weit voraneilendes
Bataillon des SchR. 22 der 43. SchD. entrissen der auf dem Ostufer ver-
bliebenen italienischen 8. ID. die Höhe A 652 südlich von Vodice;
die Masse der 43. SchD. gelangte bis Slatna, Gargaro und Britof. Die
20. HID. meldete, daß der ihr auf dem Westhange des; Mt. S. Gabriele
gegenüberstehende Feind noch emsig an seinen Stellungen baue.
Vor der 1. Isonzoarmee zeigte sich der Feind am 25. sehr beun-
ruhigt und beantwortete die geringste Bewegung mit heftigem Sperr-
feuer. Namentlich der Nordflügel des k. u. k. XXIII. Korps östlich von
Selo, wo in der Tat ein Unternehmen geplant war, wurde das Ziel solch
heftiger Feueranfälle. Am 26. konnte der Rückmarsch, von zahlreichen
italienischen Troßabteilungen, von Batterien und auch von Infanterie
beobachtet werden. Zur Fesselung des Feindes brach die 17. ID., GM.
Ströher, nach einem schon früher genau vorbereiteten Plane um 4h
nachm. vor und entriß dem italienischen XI. Korps die Trigonometer-
höhe des Fajti hrib und den südlich anschließenden Stellungsteil;
3500 Italiener wurden in die Gefangenschaft abgeführt.
Am Abend des dritten Schlachttages* war das italienische Stellungs-
netz zwischen dem Rombon und dem Mt. Santo von den beiden sieg-
reichen Armeen Below und Henriquez in 50 km Breite und — zwischen
dem Krn und dem Mt. Juanes gemessen — in einer Tiefe von 20 km
völlig durchstoßen. Die Verbündeten standen schon vor der dritten
und letzten der von Cadorna am 24. Oktober bezeichneten Linien
(S. 536), in denen die italienische 2. Armee energischen Widerstand
leisten sollte. Auf der Pta. di Montemaggiore und auf dem Mt. Juanes
waren Abteilungen des unaufhaltsam vorstürmenden Korps Krauss aber
sogar schon in diese Linie eingedrungen. Dies veranlaßte die italienische
Heeresleitung zu Entschlüssen von weittragender Bedeutung.
Cad orna s Entschluß zum Rückzug
Als am 25. Oktober die italienische 2. Armee vor den unausgesetz-
ten Angriffen der öst.-ung. und deutschen Truppen Höhe um Höhe
und Stellung um Stellung verlor, fuhr ihr Führer, GLt. Capello, dessen
Gesundheitszustand sich neuerlich verschlechtert hatte, in den ersten
vi
35
546
Die Herbstoffensive gegen Italien
Nachmittagsstunden zur Berichterstattung nach Udine. Er beschwor
Cadorna, Tceine frischen Truppen mehr in die verlorene Schlacht zu
werfen, sondern die Armee raschestens vom Feinde loszulösen und
hinter den Tagliamento zurückzuführen. Cadorna pflichtete dieser An-
sicht bei, beauftragte Capello jedoch, seine Lagebeurteilung schriftlich
niederzulegen.
Capello hob nun den tiefen Durchbruch beim IV. Korps, den star-
ken Druck des Gegners auf Luico und den Verlust der Jeza hervor,
wodurch auch die Front auf der Hochfläche von Bainsizza unhaltbar
geworden sei. Des weiteren tadelte er die Haltung der Truppen, von
denen viele in geradezu „lächerlicher Weise" Widerstand geleistet
hätten1). Um die noch vorhandenen Regimenter dem Vaterlande zu
erhalten, erachtete es Capello als die schmerzlichste, in diesem Augen-
blick aber auch als die beste Lösung, unter dem Schutze von Nachhuten
wenigstens bis an den Torre, allenfalls sogar bis an den Tagliamento,
zurückzugehen.
Nachdem sich Capello vergewissert hatte, daß das Oberkommando
an der Ausarbeitung der Rückzugsbefehle arbeite, gab er in Cividale
die Richtlinien für den Rückzug an den Tagliamento aus. Bei dieser
Rückbewegung sollte zunächst in der gegenwärtigen Kampffront, so-
dann in der vom Höchstkommando bezeichneten dritten Verteidigungs-
linie und schließlich am Torre vorübergehend Widerstand geleistet
werden. Nach Erlassen dieser Weisungen übergab Capello wegen seiner
Erkrankung das Armeekommando an GLt. Montuori, der bisher den
linken Flügel der Armee befehligt hatte.
In Udine war man inzwischen wegen der zu erwartenden Rückwir-
kungen des Rückzuges auf die noch östlich von Görz und auf der Hoch-
fläche von Comen haltende 3. Armee und wegen der hiebei kaum zu
vermeidenden Einbuße an schwerem Geschütz schwankend geworden.
Am 25. um 8h3° abends wurde der neue Armeeführer, GLt. Montuori,
befragt, ober den Rückzug für unerläßlich ansehe. Nach Anhörung seiner
Korpskommandanten meldete Montuori, er halte einen letzten Wider-
stand in der Linie Pta. di Montemaggiore—Mt. Purgessimo—Korada
für möglich. Hierauf gab Cadorna den schon vorbereiteten Rückzugs-
befehl nicht aus und wies die 2. Armee zum äußersten Widerstand auf
den genannten Randbergen an2).
!) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 490. — Capello, II, Beilage
68, 391.
2) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 495.
Wechselnde Entschlüsse Cadornas
547
Zur leichteren Lenkbarkeit der übergroßen Armee wurden zwei
Befehlsgruppen gebildet. Die Korps IV, XXVIII, VII und XXVII wur-
den dem GLt. Etna, die südlich anschließenden Korps XXIV, II und
VI dem Gen. Ferrerò unterstellt, wobei das letztgenannte Korps im
besonderen zum Rückzug in den Brückenkopf von Salcano angewiesen
wurde. Das östlich von Görz stehende VIII. Korps hatte in den Ver-
band der 3. Armee zu treten. Entgegen den Warnungen Cap ellos, die
noch vorhandenen Reserven einzusetzen, wurden zur Stärkung der Front
die 21. ID. dem IV. Korps, die 23. und die 25. ID. dem XXVIII., je eine
Brigade der 60. ID. dem VII. und dem XXVII., die 30. ID. dem XXIV.
Korps und die 16. ID. dem Gruppenkommando GLt. Etna unterstellt.
Das Kommando des XIV. Korps scheint an der Front vorübergehend
ausgeschaltet worden zu sein. Eine Brigade der 13. ID. wurde hinter das
XXIV. und das II. Korps geschoben. Hiemit waren von den 195 Batail-
lonen der Reserven, die am 24. früh hinter der 2. Armee gestanden
hatten, 131 Bataillone ausgespielt.
Die 3. Armee wurde von Cadorna angewiesen, den Abschub der
schweren Artillerie in den Raum von Treviso zu beginnen und das
Zurücknehmen der Front in die Linie des Vallonetales und der Isonzo-
brückenköpfe bis einschließlich Görz vorzubereiten.
Als bis zum 26. früh in Udine keine weiteren Unglücksnachrichten
eintrafen, begann Cadorna neuen Mut zu schöpfen. Dessen ungeachtet
wurden von der Heeresleitung planmäßig alle Vorbereitungen für den
Rückzug an den Tagliamento fortgesetzt. Die vom GLt. Tassoni be-
fehligte Karnische Gruppe erhielt aus den Heeresreserven die 63. ID.
zugewiesen. Der 2. Armee wurden noch die 20. ID. und die 2. KD. in
Aussicht gestellt, dafür sollte sie die ganz zerschlagenen Divisionen 34
und 50 sofort zur Auffrischung zurückziehen. Der Kommandant der
2. Armee beabsichtigte, die seiner linken Gruppe zugewiesene 16. ID.
nach Torreano, die 10. ID. des XXIV. Korps und die zweite Brigade
der 13. ID. nach Corno di Rosazzo und Manzano als Reserve zu stellen.
Bald liefen aber wieder neue Hiobsbotschaften bei der Heeres-
leitung ein. Diese ver ani aß ten Cadorna am 26. nachmittags, die Befehle
für den Fall eines nicht mehr vermeidbaren Rückzuges auszugeben.
Dieser durfte allerdings erst auf seinen ausdrücklichen Befehl an-
getreten werden. Cadorna nahm sich vor, den Rückzug anzuordnen,
sobald der Gegner die Pta. di Montemaggiore genommen haben werde.
Denn die Entf ernung von die sem Berge bis zu den Tagliamento -
brücken bei Cornino und Pinzano war ohnehin nur mehr halb so groß
35*
548
Die Herbstoffensive gegen Italien
wie der Weg, den der rechte Flügel der 2. Armee und die 3. Armee von
der vordersten Kampflinie bis zu den Brücken bei Codroipo und La-
tisana zurückzulegen hatten1).
Nach diesen Weisungen Cadornas war der Karnischen Gruppe, die
schon am 26. mit dem Zurücksenden der schweren Batterien nach Spi-
limbergo zu beginnen hatte, der Rückzug in die „Karnischen Voralpen"
zugedacht, womit das Gebirge südlich und westlich vom oberen Taglia-
mento gemeint war. Die Werke auf dem Mt. Festa -<¡>-1071 (4 km west-
lich von Venzone), aber auch die noch östlich vom Tagli amen to bei
Resiutta gelegenen Höhen sollten unbedingt behauptet werden. Die
2. Armee hatte auf das westliche Tagliamentoufer zwischen dem Ge-
birgsfuß und den Brücken westlich von Codroipo, die 3. Armee in den
Raum südlich davon bis zum Meere zurückzugehen. Beim Rückzug, der
unter dem Schutze starker Nachhuten zu erfolgen hatte, sollten die 2.
und die 3. Armee am Torre einen Zwischenhalt einschalten. Die Zu-
weisung der 20. ID. an die 2. Armee wurde aufgehoben. Diese Division
und die 33. wurden als „Spezialkorps" zusammengefaßt und zur Siche-
rung der Brücken über den mittleren Tagliamento eiligst dorthin ge-
lenkt. Hiemit waren bis auf die hinter der 3. Armee stehende 4. ID. und
eine Brigade der 2. Armee alle Verfügungstruppen ausgespielt.
Die 4. Armee hatte gleichfalls die Rückbewegung damit einzuleiten,
daß sie die schwere Artillerie in die Ebene nach Pederobba und Monte-
belluna zurücksandte. Sie hatte Vorbereitungen zu treffen, um ge-
gebenen Falles in eine Linie zurückzugehen, die von der Wasserscheide
zwischen Tagliamento und Piave (hier Anschluß an die Karnische
Gruppe) über die Sperren von Pieve di Cadore, den Talursprung des
Maèbaches, den Colle Duran A 1736, die Talsperren von Agordo, über
S. Martino di Castrozza und die Höhe Remitte A 1785 (nördlich von
Lamon) zum Nordteil der Hochfläche von Asiago verläuft2).
Schließlich berichtete Cadorna über die hereingebrochene Kata-
strophe, die getroffenen Maßnahmen und den Willen, am Gebirgsrand
Widerstand zu leisten, dem Kriegsminister. Er verschwieg ihm ,auch
nicht die Größe der bisherigen Verluste, und daß sich etwa zehn Regi-
menter in Massen ergeben hatten, ohne zu kämpfen. Für den Ersatz
der Verluste bat er um Zusendung von Ergänzungen an den Piave3).
1) Schreiben des Marschalls Cadorna vom 22. Oktober 1926 an den GdA. Krafft.
2) Bericht der Untersuchungskommission, I, 168 ff.
3) Vigano, La nostra guerra (Florenz, 1920), 341. —- Bericht der Unter-
suchungskommission, I, 174 und II, 472.
Weisungen Cadornas für den Rückzug
549
Wohl hatte Cadorna am 26. nachmittags die Armeeführer Montuori
und Herzog von Aosta wissen lassen, daß die Stellungen auf den Rand-
bergen nördlich von (Dividale, bei Görz und >am Vallone um den Preis
jeglichen Opfers zu halten seien. Im Grunde genommen war es ihm
seit dem Verlust des Stol, wie er in einem nach dem Kriege an GdA.
Krafft gerichteten Briefe eröffnet1), doch nur mehr um Zeitgewinn zu
tun, weil er den sofortigen Rückzug eines Heeres von einer Million
Streiter samt dem seit zweieinhalb Jahren aufgestapelten Kriegsgerät
durch die bloß 50 km breite Ebene nicht für ausführbar hielt.
Als Cadorna jedoch am 27. Oktober bald nach Mitternacht die
Meldung über den Verlust der Pta. di Montemaggiore erhielt, da
schwand bei ihm jede Hoffnung, die Front noch weiter behaupten zu
können. Er beschloß, die 3. und die 2. Armee sowie die Karnische
Gruppe hinter den Tagliamento, weiters die 4. Armee so weit zurück-
zuführen, daß bei einem etwaigen weiteren Rückzug alle Armeen bis
in die vom Altissimo über den Mt. Grappa zum Piave führende letzte
Verteidigungslinie ungefähr gleich lange Wege zurückzulegen haben
würden2).
Um 2h 30 früh erhielt zuerst die Karnische Gruppe den Befehl zum
Rückzug, der im Sinne der schon erlassenen Weisungen auszuführen
war. Zwanzig Minuten später trug der Draht den Rückzugsbefehl zur
3. Armee. Die 2. Armee wurde um 3h 20 früh hievon verständigt. Ihr
wurde im besonderen eingeschärft, zur Rettung des Heeres die schon
mehrfach genannte, über Lusevera, Mt. le Zuffine, Mt. Madlessena, Mt.
Purgessimo und Körada zum Mt. Sabotino führende Linie nachhaltig zu
verteidigen. Der Rückzug sollte sodann vom linken Flügel aus be-
ginnen. Die Korada und der Mt. Sabotino waren „bis zum äußersten"
zu halten, um das ungestörte Loslösen des VI. und des VIII. Korps zu
ermöglichen. Zuletzt wurden die 4. und die 1. Armee angewiesen; sie
hatten "sich wegen des Flügelanschlusses im Abschnitt zwischen dem
Mt. Civetta A 3220 (südöstlich vonAlleghe) und der Cima Maora (süd-
östlich von Borgo) selbst zu einigen. Der 4. Armee wurde noch die Vor-
bereitung der Verteidigung auf dem Mt. Grappa übertragen.
In einem Nachtrag wurde der Brückenkopf von Codroipo der
3. Armee, jener von Pinzano der 2. Armee zugewiesen. Die aus dem
Hinterland herangezogenen Kavallerie di visionen 3 und 4 wurden nach
Pordenone und Motta di Livenza gewiesen. In die erstgenannte Stadt
!) Krafft, II, 278.
2) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 498.
550
Die Herbstoffensive gegen Italien
hatte auch das 2. Armeekmdo., in die zweite das 3.Armeekmdo. zu ge-
langen. Cadorna begab sich am 27. nachmittags mit seiner Operations-
abteilung nach Treviso; der andere Teil der Heeresleitung übersiedelte
nach Padua1).
Das Zurückwerfen der italienischen Nachhuten
am 2 7. Oktober
H i e 2 u Beilage 2 7
Die Verfolgungskämpfe der Armee Below
Das rasche Vordringen der Armeen Below und Henriquez nach
Westen und Südwesten ließ am 26. Oktober in Baden die Auffassung
reifen, daß — wenn der Feind vor der 1. Isonzoarmee nicht bald ab-
zöge — es möglich werden könnte, ihn noch östlich vom Tagliamento
schwer zu schädigen. Voraussetzung hiefür war, daß der Angriffs-
schwung der 14. Armee durch Zuführen von Reserven erhalten blieb.
Da aber die hinteren Divisionen, namentlich die Heeresreserven, wegen
der noch immer sehr starken Beanspruchung der Straße im Isonzo tal
nicht nachgeführt werden konnten, versuchte man eine Verstärkung der
14. Armee durch Verengung ihres Angriffsstreifens zu erreichen. Die
südliche Armeegrenze sollte daher, wie die k. u. k. Heeresleitung am
26. um lh nachm. befahl, weiter nach Norden in die Linie Torrente Co-
sizza—Natisone bis Cividale verlegt werden. Als Ziel der 14. Armee
wurde das „Erreichen der Linie Gemona—Cividale mit starkem rechtem
Flügel" bezeichnet.
Bei dieser Verengung wären aber die am Feinde stehenden Grup-
pen Berrer und Scotti zugunsten der 2. Isonzoarmee aus der Front her-
ausgedrückt worden. Das deutsche 14. Armeekmdo. erhob Einspruch
dagegen, und das Kommando der Südwestfront bestimmte hierauf als
neue Grenze zwischen den Bereichen der Generale Below und Boroevic
die Linie Judrio—Colobrida—Firmano—Orzano—Ortsmitte von Udine—
Tomba—S. Odorico am Tagliamento—Pozzo.
Mit dem gleichen Befehle der Heeresleitung wurden jene Teile des
I. Korps, die über die Prevalascharte in das Raccolanatal vorstoßen soll-
ten, sowie die Edelweiß- und die deutsche Jäger di vision, die ins Resia-
tal gelangten, der 10. Armee unterstellt; als Armeegrenze wurde eine
!) Bericht der UntersuchungskommissLon, I, 197 ff.
Neue Vorrückungsstreifen bei den Verbündeten
551
durch die Höhen Skutnik, Mt. Sounovich, Mt. Musi, Mt. Plauris gekenn-
zeichnete Linie bestimmt. Allerdings sollte dies erst eintreten, sobald
die 10. Armee, die auf Amaro und Stazione per la Carnia gewiesen
wurde, die Möglichkeit hatte, diese Truppen über Chiusaforte zu ver-
sorgen. Das 14. Armeekmdo. erblickte aber in der Abtrennung der bei-
den Divisionen eine höchst unerwünschte Schwächung seiner Kraft1.).
Dem vor der 1. Isonzoarmee stehenden Feinde sollte ein plan-
mäßiges Abziehen nicht gewährt werden. Die Armee des FZM. Freih.
v. Wurm sollte daher im entsprechenden Zeitpunkt mit zusammen-
geballter Kraft in der Richtung über Görz gegen Cormons angreifen,
wozu auch die in Reserve gehaltene 106. LstlD. heranzuziehen war.
Diese Maßnahme kam auch einer Anregung Ludendorffs entgegen, der
es für wünschenswert hielt, daß der im Gebirge fechtende Feind sol-
cherart vernichtend getroffen werde.
Der Kommandant der italienischen 2. Armee, GLt. Montuori, hatte
für den 27. angeordnet, daß jedes Korps zehn schlagkräftige Bataillone
mit leichter Artillerie als Nachhut in der Stellung auf den Randbergen
zu belassen habe. Alle übrigen Truppen — die Artillerie voraus —
waren zunächst hinter den Torre zurückzuführen. Als die Truppen der
deutschen 14. und der 2. Isonzoarmee nach einer verhältnismäßig ruhi-
gen Nacht am 27. sehr zeitlich früh wieder ihre Vorrückung aufnahmen,
trafen sie auf diese Nachhuten, stellenweise .aber auch auf feindliche
Hauptkräfte, die den Rückzug noch nicht angetreten hatten.
Beim Korps Krauss setzte GM. Wieden im Sinne der vom deutschen
14. Armeekmdo. am 26. erlassenen Weisungen alles daran, um mög-
lichst rasch Resiutta und Venzone zu erreichen und dadurch den vor
der 10. Armee stehenden Feind abzuschneiden. Hiezu drang die Gruppe
Wieden in drei Kolonnen vor. Sowohl dem über Stolvizza als rechte
Kolonne vorrückenden IR. 14 (zwei Bataillone) als auch der von Uccea
über Gni vizza vormarschierenden deutschen Jäger di vision, der das dritte
Bataillon des IR. 14 und ein Kaiserjägerbataillon als Vorhut voran-
schritten, war S. Giorgio als Ziel gesteckt. Hier hatten stärkere feind-
liche Kräfte der Karnischen Gruppe, darunter auch schon Teile der
herangeführten 63. ID., eine Sperrstellung bezogen. Der Feind besaß
auch mehrere Batterien, indes der Angreifer nur über fünf Gebirgs-
geschütze mit sehr wenig Munition verfügte. Die rechte Kolonne ent-
riß dem Feinde die Höhen Tolsti vrh und -fr 9822) in dem Streben,
1) Kr äff t, I, 135.
2) IR. 14, Ein Buch der Erinnerung, 128 f.
552
Die Herbstoffensive gegen Italien
von hier aus einen Handstreich auf die Sperre Chiusaforte zu unter-
nehmen. Die Vorhut der Hauptkolonne trat abends östlich von S.Gior-
gio ins Gefecht, indes die deutsche Jägerdivision mit den Anfängen bis
Gost gelangte. Von der linken Kolonne mußte das Bataillon II/KJR. 3
einem heranhastenden Alpinibataillon neuerlich den Tanameapaß ent-
reißen; es drang sodann bis Musi vor und schob sich bei Nacht und
Sturm bis nahe an die Forcella Musi hinan. Das von der Pta. di Monte-
maggiore auf dem Kamm nach Westen rückende Bataillon I/KJR. 3
gelangte wegen des fürchterlichen Unwetters nicht viel über den Mali
vrh À 1558 hinaus 1).
Rechts von der Division Wieden erneuerte die 216. IBrig. am 27.
ihr Bemühen, die Prevalascharte in Besitz zu nehmen. Das Unternehmen
mißglückte jedoch abermals wegen der starken Gegenwehr des Feindes
und des außergewöhnlich schweren winterlichen Unwetters, das auf
den Höhen niedergegangen war. Dieses hatte bei den ihm schutzlos
preisgegebenen Truppen zahlreiche Erfrierungen herbeigeführt2). Dafür
vermochte die 59. GbBrig. der 10. Armee trotz zähen Widerstandes des
Feindes und heftiger Regenschauer die vier im Seebachtale hinterein-
ander liegenden Stellungen zu durchbrechen. Im Sinne der vom Höchst-
kommando erlassenen Befehle für den Rückzug gingen nach Einbruch der
Dunkelheit die Truppen der italienischen 36. ID. aus dem Raccolana-und
dem Dognatale sowie von Pontebba zurück. Kurz darauf räumte auch
die italienische 26. ID. ihre auf dem Karnischen Kamm zwischen Pon-
tebba und dem Mt. Peralba gelegenen Stellungen3).
Von den übrigen Divisionen der Gruppe Krauss traf die 22. SchD.
am 27. auf die Nachhuten des italienischen IV. Korps. Die 98. KSchBrig.
entriß ihnen gegen Abend Monte apert a ; die 43. SchBrig., unterstützt
von einigen Abteilungen der 50. ID., erstürmte den Mt. Jauer. Die Masse
der 15. GbBrig. (Division Gerabek) rückte in der Richtung auf die Orte
S. Gervasio und Attimis vor, die ihr als Marschziele angegeben worden
waren. Sie traf auf Truppen der 21. und der 34. ID. der Italiener, die
ursprünglich Auftrag hatten, dem Gegner den Eintritt in die Ebene
über den Sattel von Canebola durch einen Gegenangriff zu verwehren.
Im Sinne der am Morgen eingetroffenen Weisungen für den Rückzug
beschränkten sich die Italiener dann auf die Verteidigung der Höhen
Mt. Nagrad und Mt. Carnizza, die ihnen die Brigade Koschak und das
!) S che m f il, KJR. 3 im Weltkrieg, 480.
2) Hoen, IR. 59 im Weltkrieg, 610 ff.
3) Bericht der Untersuchungskommission, I, 180 und 205.
Eroberung von Cividale
553
vorgeschobene Bataillon III/7 der 55. ID. bis zum Abend nach hartem
Kampfe und fast ohne Unterstützung durch Artillerie entriß. Die sieg-
reichen Bataillone sahen bereits die italienische Ebene vor sich liegen.
Die S.GbB^ig. gelangte bis Platischis und Prossenicco. Die 55. ID.
nächtigte als Korpsreserve in Borjana und Creda.
Von den beiden Mittelkorps der deutschen 14. Armee, die im allge-
meinen in westlicher Richtung gegen den Straßenabschnitt zwischen
Colloredo und dem Nordrand von Udine vordringen sollten, war dem
Korps Stein der Streifen nördlich der Linie Togliano—Ziraceo—
Grions—Feletto—Plaino, dem Korps Berrer der Raum südlich davon
zugewiesen worden. Die Eroberung von Cividale fiel daher dem Korps
Berrer zu. Dessen ungeachtet strebten auch Teile der beiden Divisionen
Steins dieser Stadt zu. Die Richtungen, die die Angriffe am 27. Oktober
nahmen, wurden daher vielfach von den Unterführern bestimmt.
Immerhin vermochte GLt. Stein die Masse der deutschen 12. ID.
zum Vorrücken vom Mt. Juanes gegen Eaedis zu veranlassen, wohin ein
Regiment unter Verfolgungskämpfen bis zum Abend gelangte. Andere
Teile der Division nächtigten in Masarolis, die Artillerie mit etwas
Infanterie in Sanquarzo östlich von Cividale. Vom Alpenkorps erstürmte
eine Kompagnie schon um 10h vorm. den stark befestigten Mt. Madie,s-
sena. Hiemit war das letzte Bollwerk, das Cividale im Norden schützte,
gefallen. Drei Bataillone des Alpenkorps griffen nun diese von Nach-
huten des italienischen XXVIII. Korps verteidigte Stadt an und drangen
um 3h nachm. in sie ein. Der Feind hatte knapp vorher eiligst den bren-
nenden Ort verlassen. Am Abend vermochte GM. Tutschek alle Ab-
teilungen des Alpenkorps am Bergfuß zwischen Campeglio und Tagliano
zu sammeln. Die deutsche 117. ID. rückte von Robic nach Stupizza nach,
die 13.SchD. gelangte mit ihren vordersten Truppen in den Raum
Robic—Suzid; die übrigen Teile waren wegen der noch immer nicht
behobenen Straßenverstopfungen weit abgeblieben.
Beim Korps Berrer sollte die auf Cividale angesetzte 200. ID. zu-
warten, bis der der Stadt östlich vorgelagerte und sehr stark befestigte
Mt. Purgessimo von der deutschen 26. ID. von Norden her genommen
war. Die Bereitstellung und die Angriffsvorbereitungen dieser Division
verzögerten sich jedoch. Von Ungeduld getrieben, faßte nun ein Jäger-
regiment der 200. ID. die Höhe von Westen an. Dies ließ den Wider-
stand des Feindes rasch erlahmen. Ehe noch der Mt. Purgessimo von
den Württembergern der 26. ID. erstürmt worden war, wandte sich die
200. ID. gegen Cividale, das sie hinter den Bataillonen des Alpenkorps
554
Die Herbstoffensive gegen Italien
durcheilte; Teile rückten bis in die Nacht hinein bei strömendem Regen
noch nach Ziracco, Grions und Remanzacco vor. Die 26. ID., die schließ-
lich den Mt. Purgessimo im Westen umgangen hatte und in den ersten
Nachmittagsstunden durch einen Rückenangriff bezwang, durchschritt
sodann gleichfalls Cividale. Vorgeschobene Teile drangen noch bis Selvis
und Premariacco vor. Außer reicher Beute fielen den Württembergern
6000 Gefangene in die Hände.
Dem Korps Scotti war für den 27. zunächst die Eroberung der von
Castel del Monte gekrönten Höhe vorgezeichnet, wozu die deutsche
5. ID. auf der Rückenlinie anzugreifen hatte. Die k. u. k. 1. ID. sollte
zuerst das Judriotal vom Feinde säubern und sodann — wenn erforder-
lich — von Osten her gegen Castel del Monte vorgehen. In weiterer
Folge hatte das Korps über Firmano, Orzano nach Udine vorzurücken.
Das Spitzenregiment der 5. ID. eroberte um 4h nachm. allein den
stark ausgebauten und von einer Nachhut des italienischen VII. Korps
hartnäckig verteidigten Mt. Spigh; hiebei streckten über 3000 Italiener
ihre Waffen. Die 1. ID., die den Kolovratrücken dem II. Korps über-
lassen und auf das westliche Judrioufer hinüberwechseln sollte, fand
alle Brücken über den hochangeschwollenen Wildbach zerstört. Außer-
dem schlug starkes feindliches Artilleriefeuer von der Korada herüber,
das mit den zur Hand befindlichen zwei Gebirgsgeschützen nur wenig
wirkungsvoll erwidert werden konnte. Um unnötige Verluste zu vermei-
den, wartete die Division bei Britof und Melina die Dunkelheit ab. Dann
erst rückte sie in den zugewiesenen Nächtigungsraum Colobrida—S. Pietro
di Chiazzacco—Miscek ab, den sie wohl ohne Kampf, jedoch sehr spät
nachts, mit Teilen sogar erst am 28. vormittags, erreichte. Unterdessen
hatte das vordere Regiment der deutschen 5. ID. spät nachmittags im
scharfen Nachdrängen auch Castel del Monte erstürmt und weitere
600 Gefangene eingebracht. Das Regiment nächtigte auf dem Kampf-
felde. Die beiden anderen Regimenter rückten nach Janich und auf
den Mt. S. Giovanni nach. Die Artillerie erreichte auf der Höhenstraße
erst den Raum knapp südlich der Jeza. Die Division war somit auf
20 km Länge auseinandergezogen.
Die Ereignisse bei der Heeresgruppe Boroevic
Das Kommando der 2. Isonzoarmee war bereits am 26. Oktober
mittags der Ansicht gewesen, daß sich der Feind vor der Armee im
Nächtliche Erstürmung der Korada
555
Rückzug befände und einen nachhaltigen Widerstand erst in der Linie
Korada—Planina—Verhovlje—Mt. Sabotino leisten werde. Fielen die
Höhen Korada und Planina, so mußte auch die weiter gegen Osten sich
hinziehende Verteidigungslinie zusammenstürzen. Deshalb wurde das
II. Korps zur raschen Wegnahme der Korada, die Gruppe Kosak zur
Eroberung der Planina angespornt. Das XXIV. und das IV. Korps soll-
ten gegen den Isonzo abwärts von Piava vordringen.
Die Befehlgebung in dem schmalen Räume zwischen Judrio und
Isonzo, wo sich nach dem Abschwenken der 1. ID. noch immer fünf
Divisionen zusammendrängten, vollzog sich jedoch unter nicht unerheb-
lichen Schwierigkeiten. Die höheren Kommandos waren weit abgeblie-
ben und die Fernsprechleitungen wurden oft unterbrochen. Jedoch im
Drange nach vorwärts führten die Unterführer selbsttätig ihre Truppen
gegen den Feind, ohne auf Befehle zu warten.
Gdl. Kaiser, der Führer des II. Korps, wies den FML. Schneider-
Manns-Au an, mit der 57. und der 28. ID. die Korada anzugreifen.
Die erstgenannte Division befand sich bereits auf dem Kolovratrücken.
Die 28. ID. hatte während der Nacht den Isonzo bei Auzza überschrit-
ten und war sodann gegen Kambresko auf gestiegen. Die 9. ID. hatte
dieser Gruppe als Reserve zu folgen. Die 29. ID. wurde am 27. in
Auzza angehalten, um im Bedarfsfalle der 14. Armee als Verstärkung
zu dienen. Von der Gruppe Kosak waren drei Bataillone der 60. ID.
zeitlich früh von Liga und Mia. Zell auf dem Schlußrücken gegen die
Korada vorgebroöhen. Ihnen folgte nun die 57. Division. Die Masse
der 60. ID. ging auf dem Osthang des Kolovratrückens vor. Die 35. ID.
begann bei Morsko in Booten und bei Canale über eine Brücke den
Isonzo zu überschreiten.
Der Angriff gegen die von der 47. Bersaglieridivision des XXVII.
Korps verteidigte Korada gewann wegen der starken Feuerwirkung des
Feindes nur langsam Raum. Dazu litt unsere Infanterie Mangel an
Schießbedarf, denn der Nachschub war wegen Verstopfung der Straßen
nicht nachgekommen. Da italienische Überläufer von der bei ihren
Truppen herrschenden großen Verwirrung zu berichten wußten, ergriff
FML. Ludwig Goiginger gegen Abend den Befehl über alle zwischen
Judrio und Isonzo fechtenden Truppen, um durch sofortigen Angriff
die Korada zu nehmen. Hiezu sollten die 57. und die 60. ID. auf dem
Rücken von Nordosten her vordringen, die 35. ID. und wenigstens die
vordere Brigade der 9. ID. von Süden her diese Höhe umfassen.
Unterdessen hatten die Verteidiger der Korada die Nachricht vom
556
Die Herbstoffensive gegen Italien
Fall des Mt. Purgessimo erhalten und begannen auf Befehl des XXVII.
Korpskmdos., um 9h abends den Rückzug nach Pradamano (südöstlich
von Udine) einzuleiten. Als dann die 57. ID. kurz nach Mitternacht
gegen die Korada angriff, vermochte sie den letzten Widerstand ita-
lienischer Nachhuten zu überwinden und sich des Gipfels zu bemäch-
tigen. Die 60. ID. verbrachte die Nacht bei Kamenca, die 35. bei Lozice.
Vor ihnen wich das italienische XXIV. Korps zurück, das Nachhuten
auch auf dem östlichen Isonzoufer zurückgelassen hatte.
Gegen diese Nachhuten und gegen die den Rückzug des II. Korps
schützende italienische 67. ID. drang das k. u. k. XXIV. Korps mit den
inneren Flügeln seiner beiden Divisionen auf Piava vor. Die 24. ID.,
FML. Urbarz, entriß dem Feinde nach hartem Kampfe die Höhe -<¡>-535
südlich von Paljevo und gewann abends Piava, wo noch während der
Nacht eine Brigade über eine unzerstörte Brücke das Ufer wechselte.
Die 53. ID. vertrieb vormittags den Feind vom Rohotbach und nahm
dann durch Angriff von Ost und Süd trotz des starken, vom westlichen
Isonzoufer herüberschlagenden italienischen Artilleriefeuers den steil
aufragenden Kuk À 611. Die hierauf gegen den Fluß absteigenden
Patrouillen fanden alle Übergänge zerstört. Da wegen des Hochwassers
ein Brückenbau viel Zeit erfordert hätte, verschob sich die Division mit
der rechts stehenden Brigade noch am Abend gegen Piava, um hier
am 28. Oktober hinter der 24. ID. den Isonzo zu überschreiten. Der Rest
der Division nächtigte bei Vodice.
Beim IV. Korps säuberte die 43.SchD. den Monte Santo von feind-
lichen Nachhuten und stand abends überall am Ostufer des hochange-
schwollenien Flusses. Die 20. HID. drängte dem über Salcano auf das
Westufer weichenden italienischen VI. Korps scharf nach und entriß
ihm in Handgranatenkämpfen alle auf dem Westhang des Mt. S. Ga-
briele angelegten Stellungen.
Von den hinteren Divisionen des II. Korps nächtigte die 28. ID.
in Podbreg und Kambresko, die 9. ID. an der Talstraße zwischen Ajba
und Ronzina und die 29. ID. in Auzza und Levpa.
Die bisherige Beute der 2. Isonzoarmee betrug 42 schwere, 25 mitt-
lere und 220 leichte Geschütze. Das IV. und das XXIV. Korps hatten
insgesamt 3500 Italiener als Gefangene abgeführt.
Bei der 1. Isonzoarmee hatte sich die 17. ID. am 27. früh in ihrer
tags zuvor eroberten neuen Stellung (S. 545) zunächst eines nach starker
Feuervorbereitung unternommenen italienischen Gegenangriffes zu er-
wehren; er wurde von der Infanterie, durch schlagartig einsetzendes
Rascher Raumgewinn der 1. Isonzoarmee
557
Sperrfeuer vortrefflich unterstützt, glatt abgeschlagen. Dann begann
sich die 17. ID. zur Fortsetzung des Vorstoßes bereitzustellen.
Mittlerweile mehrten sich die Anzeichen eines bevorstehenden
Rückzuges des Feindes, wie zahlreiche Sprengungen hinter der feind-
lichen Front, Rückmarsch langer Troß- und Artilleriekolonnen und der-
gleichen mehr. FZM. Wurm befahl daher nachmittags den allgemeinen
Angriff auf der Hochfläche von Comen, wobei vorläufig der Ostrand
des Vallone durch Staffel weises Vorgehen des VII. und des XXIII.
Korps gewonnen werden sollte.
Um 4h nachm. brachen die 17. und die 48. ID. zum Angriff vor,
der — wie am Vortage — durch Fliegergeschwader unterstützt wurde.
Da das feindliche Artilleriefeuer schwächer als sonst war, vermochte
die Infanterie in einem Zuge bis auf die Pecinka. À 291 vorzudringen
und hiebei fast 9000 Gefangene einzubringen. Die hierauf vorstoßende
44. SchD. entriß dem Feinde den Volkovnjak -<¡>-284.
Die Leichtigkeit, mit der dieser Erfolg erfochten wurde, ergab
sich teilweise daraus, daß der Herzog von Aosta im Sinne der für den
Rückzug hinter den Tagliamento ausgegebenen Weisungen des Höchst-
kommandos seinen Korps ,am 27. befohlen hatte, unter Zurücklassung
je einer Brigade als Nachhut nach Einbruch der Dunkelheit an den
Westrand des Vallone zurückzugehen. In der darauffolgenden Nacht
vom 28. auf den 29. sollte dann die Hochfläche von Doberdò geräumt
werden. Auf die düsteren Nachrichten über die Vorgänge bei der 2. Ar-
mee wurde später auf den Zwischenhalt am Vallone verzichtet.
Das italienische VIII. Korps hatte Görz zu räumen und sich hinter
den Isonzo zurückzuziehen. Der wachsamen k. u.k. 58. ID. war diese
Rückbewegung nicht entgangen. Das kroatische IR. 96 drängte unter
lebhaften Kämpfen nach und setzte sich kurz nach Mitternacht in den
Besitz von Görz, auf dessen zerschossenem Kastell es die kaiserEche
Fahne hißte. Bei der 14. ID. stürmte das- FJB. 11 in der Nacht über die
noch brennende Brücke bei Mainizza über den Isonzo und faßte mit
Patrouillen auf dem Mt. Fortin festen Fuß.
Das Ergebnis der zwölften Isonzoschlacht
Am Abend des vierten Schlachttages waren die Italiener im ganzen
Kampfraum zwischen dem Mt. Peralba und dem Meere im Rückzüge;
ein 160 km langes Stück der von ihnen bis zum 24. Oktober gehaltenen
558
Die Herbstoffensive gegen Italien
Front war eingestürzt. Die italienische 2. Armee war vernichtend ge-
schlagen. Die Zahl der Gefangenen, die sie eingebüßt hatte, betrug
schon mehrere Zehntausend, und viele hundert Geschütze hatte sie den
siegreichen Gegnern überlassen1). Sie zeigte alle Anzeichen beginnen-
der Auflösung. Dazu waren nahezu alle Heeresreserven aufgebraucht,
was der italienischen Heeresleitung die Möglichkeit benahm, den Gang
der Kriegshandlungen zu beeinflussen. Das Heil lag nur mehr in einem
möglichst raschen Rückzug hinter den durch Regengüsse zu einem
gewaltigen Hindernis gewordenen Tagliamento.
Bei den Verbündeten, die einen der eindrucksvollsten Siege der
Kriegsgeschichte erfochten hatten, war das Korps Krauss am 27. im
unaufhaltsamen Vordringen gegen Resiutta, Venzone und Gemona; sein
linker Flügel stand am Höhenrande vor Tarcento. Die beiden Mittel -
korps Belows waren bei Cividale bereits in die Ebene vorgebrochen;
ihre Vortruppen eilten bei Nacht und Regensturm bis an den Torre vor.
Der linke Flügel der deutschen 14. Armee und die 2. Isonzoarmee hat-
ten dem Feinde die starke Höhenstellung Castel del Monte—Korada—
Mt. Santo entrissen. Wegen der Zertrümmerung ihrer 2. Armee traten
die Italiener auch vom Karnischen Kamm und von der Hochfläche von
Comen den Rückzug an und gaben den Armeen Krobatin und Wurm
den Weg zur Verfolgung frei. Zudem verfügten die Verbündeten am
27. noch über sehr starke Reserven. Neun Divisionen (deutsche 117. ID.,
13. SchD., 4., 33., 28., 9., 29. ID., 106. LstlD. u^d 21. SchD.) folgten
noch unangetastet der vorderen Kampflinie na;ch; überdies war die
55. ID. vorübergehend in die-zweite Linie getreten. Diese starken Ver-
fügungstruppen gaben der hohen Führung die volle Berechtig^^ng, west-
lich vom Tagliamento liegende Ziele ins Auge zu fassen.
Die ungewöhnliche Größe des erfochtenen Erfolges hatte seine Ur-
sache zunächst in der äußerst gewissenhaften, bis ins einzelne gehenden
geistigen und materiellen Vorbereitung des Durdhbruchangriffes. Die
verantwortlichen Führer beim deutschen 14. Armeekmdo. und bei dem
eine gewisse Sonderstellung genießenden k. u. k. I. Korpskmdo. waren
auf Grund reicher Kriegserfahrung von der Erkenntnis durchdrungen,
daß eine aus mehreren Stellungen bestehende Verteidigungszone nie-
mals in abschnittsweisen Einzelschritten, sondern nur in einem großen
Ruck, der über die letzte Befestigung»- und Artillerielinie hinaus ins
freie Gelände gelangt, durchstoßen werden kann. Alle ihre Maßnahmen
!) Nach dem öst.-ung. Pressebericht vom 27. Oktober waren bis dahin 60.000 Ge-
fangene und 500 Geschütze eingebracht und 26 Flugzeuge abgeschossen worden.
Die Grundlagen des Erfolges
559
zielten daher darauf hin, dieser Forderung zu entsprechen. Insbesondere
wurden den Divisionen der vordersten Linie weitgesteckte Angriffsziele
bekanntgegeben, was sich aufs beste bewährte, weil, bei dem unerwartet
raschen Vordringen zeitraubende Verzögerungen durch Warten auf neue
Befehle vermieden wurden. Innerhalb der vorgezeichneten Angriffs-
streifen drangen die Divisionen unbekümmert um die Nachbarn unauf-
haltsam vor. Der kühne Kampfgeist, der alle Führer vom höchsten bis
zum niedersten erfüllte, brachte einen ungeheuren Schwung in die ganze
Angriffshandlung. In edlem Wetteifer errangen öst.-ung. und deutsche
Divisionen Erfolge, die man in solch kurzer Zeit und in einem derartig
schwierigen Gelände früher kaum für möglich gehalten hätte. Das
selbsttätige Handeln der Unterführer bis zum Sturmtruppkommandan-
ten war es, das hier die größten Triumphe feierte.
Die höchste Anerkennung wird dem Angreifer durch den Feind
selbst, durch die italienische Untersuchungskommission, zuteil, die bei
ihren gewissenhaft durchgeführten Arbeiten in vorurteilsfreier Weise
auch das Verhalten des Gegners erörtert. Sie hebt die große Kriegs-
erfahrung der Heere der Mittelmächte hervor, ihre Geschicklichkeit
in der Vorbereitung und Verschleierung der Angriffsmaßnahmen, die
Kunst, den Wetteifer zwischen öst.-ung. und deutschen Truppen aus-
zunützen, was ihnen schon gegen Rußland, gegen Serbien und gegen
Rumänien große Erfolge eingetragen habe; sie rühmt die Vorteile einer
einheitlichen Führung im Durchbruchsraume durch einen oft bewährten
Armeekommandanten und schließlich die wahre Tollkühnheit einzelner
Trupp enverbände.
„Mit dem Freimut, der demjenigen zusteht, der den Endsieg er-
focht", läßt sich weiter die Untersuchungskommission vernehmen1),
„müssen wir anerkennen, daß der gegnerisiche Angriffsplan genial und
äußerst kühn war, und daß er mit Scharfsinn, Entschlossenheit und
nach einem bisher nicht bekannten Verfahren durchgeführt wurde,
wobei sich die Überraschung, die Grundlage jeder Kriegshandlung,
nicht so sehr durch die Wahl des Angriffsraumes als durch die Rasch-
heit in der Ausnutzung des ersten Erfolges ergab. Der Gegner wußte
diesen über alles Erwarten weit hinausgehenden ersten Erfolg bis zu.m
äußersten auszunützen, indem er ohne Ruh und Rast und unbekümmert
um die Gesetze der Kriegskunst 'die Verfolgung aufnahm und bis zur
letzten Grenze der menschlichen Leistungsfähigkeit forttrieb. Er ver-
eitelte dadurch, daß wir uns in Rückhaltstellungen wieder aufrafften.
1) Bericht der Untersuchungskommission, II, 552.
560
Die Herbstoffensive gegen Italien
Schließlich muß auch anerkannt werden, daß der Gegner mit groß-
artigem strategischem Blick, die Gegebenheiten der Lage völlig beherr-
schend,, die Hauptkräfte immer dort vorführte, wo es für uns am
gefährlichsten war."
Die Angriffsvorbereitungen der Verbündeten waren darauf abge-
stimmt .worden, einen unerschütterten, zur nachhaltigen Verteidigung
entschlossenen Feind zu bezwingen. Die auch von italienischer Seite
hervorgehobene Gründlichkeit dieser Vorbereitungen sowie die Güte
der Truppen und ihr fester Angriffswille boten die Gewähr dafür, daß
aller Wahrscheinlichkeit nach ein Erfolg auch gegen einen Feind erzielt
worden wäre, der zäheren Widerstand geleistet hätte, als es im Okto-
ber 1917 der Fall war. Zur. Überraschung der Angreifer setzten sich
die Italiener aber vielfach nur matt zur Wehr. Dies begünstigte das
Vordringen der Verbündeten und vergrößerte ihren Erfolg.
Die Ursiachen des moralischen Niederbruches des italienischen
Heere sì reichen eigentlich bis zum Eintritt des Königreiches in den
Weltkrieg zurück. Damala wurde wohl die Armee mobilisiert, aber
nicht das Volk von der Notwendigkeit des bewaffneten Eingreifens
überzeugt. Die methodische Kriegführung Cadornas verlängerte den
Krieg und vermochte keinen entscheidenden Erfolg zu erzielen. Nach
elf Isonzoschlachten betrug der größte Raumgewinn, von Sagrado bis
Kostanjevica gemessen, bloß zwölf Kilometer ! Das war für 2V2 Jahre
Krieg zu wenig. Dabei hatt,e das Heer schwere Blutopfer gebracht.
Etwa 300.000 Tote und 740.000 Verwundete betrug der Ausfall an
Kämpfern vom Kriegsbeginn bis nach der elften Isonzoschlacht1). Wie
in allen Heeren, so waren unter diesen Opfern die besten Offiziere
und die tapfersten Soldaten, Als die Heeresleitung neue Regimenter
in großer Zahl aufstellte, fehlte es an den erforderlichen erfahrenen
Führern. Diese Neuaufstellungen verwässerten somit den inneren Ge-
halt des Heeres. So kam es, daß schon während der zehnten Isonzo-
schlacht einzelne Regimenter sich schwachmütig gezeigt hatten (S. 180).
Die elfte Isonzoschlacht hatte auch keine Kriegsentscheidung, ge-
bracht, und, als nach ihrem Abschluß -der Übergang in die Dauer-
stellung befohlen wurde, löste die Aussicht, noch einen Kriegswinter
im Schützengraben verbringen zu müssen, stellenweise tiefe Nieder-
geschlagenheit aus. Die vom Hinterlände aus betriebene defaitistische
Propaganda, genährt durch die Revolution in Rußland, unterhöhlte
x) Zusammengestellt nach dem Bericht der Untersuchungskommission, II,
Tabelle 33.
Die Ursachen der italienischen Niederlage
561
weiter d(ie Moral der Truppe und vergrößerte die Zahl der Deserteure,
deren es am 1. November 1917 im Hinterlande etwa 66.000 gab1). Auch
die Unbeliebtheit mancher Führer, so namentlich des wohl sehr tat-
kräftigen, aber auch kaltherzigen Kommandanten der 2. Armee, GLt.
Capello, trug zu dem geringen Kampfwillen der gerade im Angriffs-
raum der Verbündeten stehende;! Truppen der italienischen 2. Armee
bei. Dies macht es erklärlich, daß während der Zwölfteln Isonzoschlacht
zahlreiche Regimenter vollkommen versagten und vor weitaus schwä-
cheren Abteilungen der Angreifer oft schon rïach kurzer Gegenwehr
die Waffen streckten.
Eine weitere Ursache der Niederlage war auch der häufige Wech-
sel der Kommandanten. Von den Maßregelungen durch Enthebung vom
Kommandp wurden bis zum Oktober 1917 307 Generale und Oberste
betroffen. In zehn Monaten stürzten 24 Korpskommandanten, Ein In-
fanterieregiment, das 144., hatte im Oktober 1917 den 41. Kommandan-
ten seit Kriegsbeginn. Kein Wunder, daß, wenn eine Truppe in eine
kritische Lage gestellt war, es dem Führer nicht selten am erforder-
lichen Wagemut, an der Verantwortungsfreudigkeit zu selbständigem
Handeln fehlte2). Die italienische Heeresleitung hatte den moralischen
Niedergang des Heeres wohl schon frühzeitig erkannt und war ent-
schlossen dagegen eingeschritten; jedoch — wie die Ereignisse während
der zwölften Isonzoschlacht ergäben — ohne Erfolg.
Dies berührt auch die Frage der höheren Führung. Ohne auf die
verschiedenen Fälle einzugehen, wo zweckmäßigeres Handeln der Unter-
führer die Lage im einzelnen hätte zum Besseren wenden können, soll
nur die Frage der Armee- und Heeresreserven herausgegriffen wer-
den. Obwohl Cadorna über den Raum, aus dem der Angriff der Ver-
bündeten bevorstand, zutreffend unterrichtet war, hatte er — wie schon
erwâïhnt (S. 517) — die starken Verfügungstruppen zu weit im Süden
stehen lassen. Als dann der tiefe Einbruch der Verbündeten erfolgte,
wurden alle Reserven tropfenweise eingesetzt, aber fast immer nur in
dem Streben, den Gegner aufzuhalten. Der Gedanke, die Lage durch
einen von starker Hand geführten Ge¡gensc:hlag der Armee- und Heeres-
reserven zu wenden, lag dem italienischen Höchstkommando ferne.
Cadorna hatte sich offenbar die Erkenntnisse, die sich aus früheren
1) Kr äfft, I, 164.
2) Über den moralischen Zustand des italienischen Heeres geben sehr ausführ-
lichen Aufschluß der Bericht der Untersuchungskommission, II, 442 bis 537, und
Cab iati, Ottobre 1917, 96 bis 105.
VI
86
562
Die Herbstoffensive gegen Italien
großen Abwehrschlachten des Weltkrieges ergeben hatten, nicht zu
eigen gemacht. Er scheint allerdings auch bereits das Vertrauen zu
seinem Heere, ein so schwieriges Gegenunternehmen wagen zu können,
verloren gehabt zu haben x).
Die Schlacht bei Codroipo — Latisana
(28. Oktober bis 1. November)
Hiezu Beilage 2 8
Der Wettlauf zum Tagliamento
Absichten und Befehle
Im Laufe des 27. Oktober hatten die höheren Befehlsstellen der
Verbündeten den Eindruck gewonnen, daß der Feind binnen kurzem
alle östlich des Tagliamento befindlichen Heerestbeile hinter diesen Fluß
zurücknehmen werde. Gründe für diese Annahme waren — abgesehen
vom raschen, vielfach fluchtartigen Zurückweichen der geschlagenen
italienischen 2. Armee — das Abbauen der italienischen Funkstationen
vor der 1. Isonzo- und der 10. Armee, weiters die Beobachtung,
daß die Italiener auf der Hochfläche von Comen, die im Laufe der:
Zeit dort aufgestapelten gewaltigen Vorräte an Kriegsgerät verbrann-
ten und sprengten. Der Feuerschein der Explosionen war am Abend
sogar in Adelsber^g wahrzunehmen. Blieben nun die Divisionen der schon
weit vorgedrungenen deutschen 14. Armee in raschem Vormarsch, so
konnten sie mindestens ebenso schnell an den Tagliamento gelangen,
wie die Masse des noch südlich vom Durchbruchsraume stehenden
italienischen Heeresteiles. Neue große Erfolge schienen zu winken.
Erzherzog Eugen erließ daher am 27. Oktober um 7h20 abends an
die 14. Armee und an die Heeresgruppe Boroevic einen Befehl, in dem
es hieß: „Durch rasche Besitznahme des Tagliamentoüberganges west-
lich Codroipo ergibt sich die Möglichkeit, dem Feinde den Rückzug zu
verlegen. Demnach hat der linke Flügel der 14. Armee über Udine,
Richtung Codroipo, vorzugehen. Für das Vorgehen der Heeresgruppe
GO. Boroevic über die Linie Udine—Cervigíiiano folgen seinerzeit auf
Grund der sich bis dahin ergebenden Lage Befehle."
*) Schreiben des Marschalls Cadorna vom 30. September 1926 an GdA. Krafft.
Die Befehle der Armeekommajidanten
563
Diese Weisung war offenbar durch die Meldung über ein am 27.
zwischen den Kommandos der deutschen 14. und der 2. Isonzoarmee
getroffenes Übereinkommen ausgelöst worden, demzufolge die 14. Armee
ihren linken Flügel auf die Brücken von Codroipo ¡ansetzen werde. Denn
die 2. Isonzoarmee, in deren Vorrückungsstreifen Codroipo fiel, die laber
noch zwischen der Korada und dem Mt. Santo im Kampfe stand, hätte
schwerlich rechtzeitig bei Codroipo eintreffen können, um der zurück-
flutenden italienischen 2. Armee den Übergang über den hochange-
schwollenen Fluß zu verlegen1). Nunmehr wurde die Abschnittsgrenze
zwischen der 14. Armee und der Heeresgruppe Boroevic aus der Linie
Udine—S. Odori co—Pozzo (S. 551) zur Bahnlinie Udine—Codroipo—
Casarsa nach Süden verschoben. Um die Armee Below zu kraftvollem
Vordringen zu befähigen, verstärkte sie der Erzherzog Eugen durch die
4. und die 33. ID. der Heeresreserve. Zu gleichem Zwecke hatte GO.
Boroevic die 29. ID. und nach Zulässigkeit auch das IV. Korps für die
Verschiebung zur 14. Armee bereitzustellen.
Hier ist zu erinnern, daß die seinerzeit in Kreuznach getroffenen
Vereinbarungen eine Waffenhilfe der deutschen 14. Armee nur bis zum
Erreichen des Tagli amento vorgesehen hatten. Gdl. Below hatte aber
stets im Sinne gehabt, bei einem großen Siege seine Armee auch über
diesen Fluß hinweg vorzuführen2). Er wies daher, obwohl die Zustim-
mung der DOHL. noch ausstand, seine Korps am 27. Oktober um 10h
nachts an, die Tagliamentobrücken bei Ragogna, Dignano und Codroipo
zu gewinnen, ehe sie der Feind zerstöre. Hiezu wurden die Gefechts-
streifen links durch folgende Linien festgelegt: für die Gruppe Kraus s
Colloredo—S. Daniele (Südrand)—Vacile; für die Gruppe Stein Plaino—
Silvella—Gradisca; für die Gruppe Berrer Chiavris—S.Marco—Coder-
na—Arzenutto und für die Gruppe Scotti durch die bereits genannte
Bahnstrecke Udine—Codroipo—Casarsa di Delizia.
Gdl. Henriquez hatte am 27. nachmittags über die Kampfereignisse
bei seinen Korps noch keine genauen Nachrichten. Er hielt aber einen
Widerstand des Feindes auf der Korada und dem Mt. Sabotino nicht
mehr für wahrscheinlich und stellte seiner Armee die Aufgabe, „den
Feind in südwestlicher Richtung, linker Flügel hart an Cormons vorbei,
in die Ebene zu verfolgen". Hiebe ihatte sich das II. Korps der Höhen
zwischen Ipplis und Corno di Rosazzo zu bemächtigen. Das XXIV. Korps
sollte mit der Masse auf die Höhen nördlich von Cormons rücken, indes
!) Krafft, I, 159.
2) Ebenda, I, 158; II, 75.
36*
564
Die Herbstoffensive gegen Italien
nach Hum und Podsabotin nur schwache Verbindungsabteilungen zu
entsenden waren. Die zwischen den beiden Korps befindliche Gruppe
Kosak hatte über Nebola vorzurücken und je nach der Gefechtslage
rechts oder links einzugreifen. Die 29. ID., deren Überweisung an die
14. Armee in Aussicht genommen war, hatte bei Levpa und Kai, das
IV. Korps bei Salcano stehen zu bleiben; dieses sollte erst dann aus-
geschieden werden, sobald die beiden Isonzoarmeen westlich vom Isonzo
miteinander in Verbindung getreteil wären.
FZM. Wurm hatte für den 28. dem XVI. Korps das Vorstoßen über
Görz auf Cormons, dem VII. Korps entschiedenes Ausnützen seines bis-
herigen Erfolges und Vordringen bis zum Vallone und dem XXIII.
Korps das Vorgehen auf Monfalcone befohlen. Das Vorrücken der
1. Isonzoarmee hatte trotz der Schwächung zu erfolgen, die dadurch ent-
stand, daß auf Befehl der Heeresleitung vom 27. Oktober die 21. SchD.
und die 106. LstlD. samt ihren Artilleriebrigaden nach Tirol abzu-
senden waren, sobald der Feind vor der Armee wich. Diese Anordnung
des k. u. k. AOK. erging zur gleichen Zeit, zu der FM. Conrad um Ver-
stärkung bat, um sich — wie er bereits am 26. nach B'aden hatte mel-
den lassen — im geeigneten Augenblick der Offensive anschließen zu
können1). Da der Vorstoß aus Südtirol jedoch erst in zehn bis vierzehn
Tagen erfolgen konnte, es aber wünschenswert war, die Italiener schon
jetzt eine Bedrohung von dort befürchten zu lassen, hatten die deutschen
Funkstationen in Südtirol ihren Täuschungszwecken dienenden Verkehr
fortzusetzen.
Die von den hohen Befehlsstellen der Verbündeten am 27. abends
getroffenen Verfügungen bezweckten sonach, mit der deutschen 14. Ar-
mee raschestem die Tagliamentobrücken zwischen Ragogna und Co-
droipo zu erreichen. Die 2. Isonzoarmee sollte aus dem Hügelgelände
des Coglio nach Südwesten bis an den Höhenrand zwischen Ipplis und
Cormons vordringen, indes die 1. Isonzoarmee mit rein westlicher Stoß-
richtung den Feind verfolgen sollte. Die schwache 10. Armee wurde
über Amaro und Tolmezzo in das Quellgebiet des Tagliamento ge-
wiesen. Überdies wurden die ersten Maßnahmen getroffen, um dem
Feinde von der Hochfläche der Sieben Gemeinden aus in die Flanke
zu fallen.
Auf Seite der Italiener hatten die 2. und die 3. Armee im Sinne der
1>) GdA. Krafft schreibt, daß ein Vorstoß aus Südtirol auch vom deutschen
14. Armeekmdo. am 27. in Baden angeregt wurde (Krafft, I,' 135 und 156). In den
Akten des k. u. k. AOK. war jedoch hierüber kein Hinweis aufzufinden.
Vorübergehender Halt der Italiener am Tagliamento 565
Weisungen Cadornas abschnittsweise hinter den Tagliamento zurück-
zugehen (S. 549). Der Karnischen Gruppe war der ohne Zwischenhalt
auszuführende Rückzug in die im Tagliamentoknie gelegenen Vorberge
der Venetianer Alpen aufgetragen worden. Allerdings dachte Cadorna
nicht an eine nachhaltige Verteidigung hinter dem nur durch das augen-
blickliche Hochwasser zu einem Hindernis gewordenen Tagliamento. Er
wollte hier lediglich der zerschlagenen 2. Armee eine kurze Atempause
gewähren, dann aber — wie er es schon seit dem 24. Oktober abends
im Sinne hatte — das Heer bis auf den Gebirgsstock der Grappa und
hinter den Piave zurückführen. Die vier intakten Korps der 3. Armee
allein schienen ihm aber zu schwach zu sein, um allenfalls die 75 km
lange Flußstrecke der Meduna und des Tagliamento zwischen dem
Mt. Corda (10 km nordwestlich vom Ort Meduno) und dem Meere ver-
läßlich zu halten. Auch besorgte er einen gleichzeitigen Angriff der
Heeresgruppe Conrad aus Südtirol, der im Falle des Gelingens dem
noch im östlichen Venetien haltenden italienischen Heere den Rückzug
verlegen mußte. Daher sollte am Tagliamento nur ein Kampf um Zeit-
gewinn geführt werden1).
Gen. Montuori teilte die von ihm befehligte 2. Armee in drei Grup-
pen, die bis zum 28. Oktober früh eine Zwischen Stellung bezogen haben
sollten. Links hatte Gen. Etna (IV. Korps sowie 16. und 21. ID.) im An-
schluß an die Karnische Gruppe von Trasaghis bis Qualso Stellung zu
beziehen. Die 2. KD. hatte im besonderen die Niederung des Torre zwi-
schen Tarcento und Nimis zu schützen. Die Mittelgruppe des Gen. conte
PetittL (XXVIII., VII. und XXVII. Korps) sollte hinter dem Torre von
Qualso bis Pradamano, dann auf den Hügeln bis Manzano haltmachen.
Von hier bis Podgora hatte die rechte Gruppe, Gen. Ferrerò (XXIV.,
II. und VI. Korps), mit nach Norden gerichteter Front zwischen Man-
zano und Podgora das Abziehen der 3. Armee zu sichern. Den Befehl
für die Fortsetzung des Rückzuges hinter den Tagliamento behielt sich
der Armeeführer vor, der sein Hauptquartier vorübergehend nach
Codroipo verlegte.
Der Kommandant der 3. Armee, Herzog von Aosta, erkannte am
27. abends die durch den Durchbruch des Gegners bei Cividale seiner
Armee drohende schwere Gefahr, abgeschnitten zu werden. Er ver-
zichtete daher auf die geplant gewesene abschnittsweise Räumung der
Karsthochfläche und traf alle Maßnahmen, um den weiteren, rasch
durchzuführenden Rückzug hinter den Tagliamento gegen Osten und
!) Cadornas Schreiben vom 30. September 1926 an den GdA. Krafft.
566
Die Herbstoffensive gegen Italien
Norden zu sichern. Hie zu hatte die auf vier Brigaden verstärkte 4. ID.
in den am unteren Torre und am Sdobba (Unterlauf des Isonzo) an-
gelegten Brückenköpfen den Abmarsch der Armee zu decken. Weiters
sollten je eine Brigade der vier Korps, unter einheitliches Kommando
gestellt, in einer hinteren, von S. Maria la Longa über Palmanova und
Torre Zuino zur Aussamündung sich hinziehenden vorbereiteten Ver-
teidigungslinie eine zweite Nachhut Stellung beziehen.
Die Verteidigung des Tagliamentoabschnittes fiel nach der Weisung
Cadornas bis Trasaghis der Karnischen Gruppe, von hier bis aus-
schließlich der Brücken bei C. Pte. d. Delizia (westlich von Codroipo)
der 2. Armee und weiter nach Süden bis zum Meere der 3. Armee zu.
Das Spezialkorps (20. und 33. ID.) wurde, wie schon erwähnt (S. 548),
auf der Bahn nach Pinzano geführt, um die als besonders wichtig ¡ange-
sehenen Übergänge zwischen diesem Ort und Cornino zu schützen,1).
Der Rückzug der Italiener
in den Karnischen und Julischen Älfyen am 28. und 29. Oktober
Der 28. Oktober sah die Verbündeten trotz eines schauderhaft
stürmischen und regnerischen Wetters im ganzen Räume zwischen dem
Plöckenpaß und dem Meere allerorts in raschem Vormarsch.
Bei der k. u.k. 10. Armee waren die vom GO. Krobatin für den
Angriff eingeleiteten Truppen Verschiebungen noch nicht durchgeführt,
als der gegenüberstehende Feind am 28. abends den Rückzug hinter den
oberen Tagliamento anzutreten begann. Der wachsamen 94. ID., FML.
Edi. v. Lawrowski, die im Falle eines Zurückweichens der Italiener bis
Paluzza vordringen sollte, entging das Lockerwerden des Feindes nicht.
Am Abend erstürmte das Kärntner F JB. 8 den Gr. Pal; noch in der
darauffolgenden Nacht trat die 25. GbBrig. durch den Plöckenpaß den
Vormiarsch nach Timau an. Am 29. abends zog die 94. ID., die jetzt dem
10. Armeekmdo. unmittelbar unterstellt wurde, in die vom Feinde eben
verlassenen Orte Paluzza und Paularo ein. Sie hatte bereit zu sein,
nunmehr in westlicher Richtung vorzurücken, wobei die noch auf dem
Karnischen Kamm zwischen dem Mt. Per alba und dem Wolayersee
stehende Gruppe des Obst. Edi. v. Fasser den Drehpunkt bilden sollte.
Der östliche Flügel der 10. Armee wurde dem Gtìl. Hordt unter-
stellt. Die 29. GbBrig. sollte durch das Aupatal nach Moggio vorstoßen.
!) Bericht der Untersuchungskommission, I, 189 ff.
Der Raumgewinn im Gebirge am 28. Oktober
567
Sie setzte sich am 28. in den Besitz von Pontebba und erreichte am 29.
Grauzaria. Die auf Resiutta gewiesene 59. GbBrig. nahm am 28. mit
der Nordgruppe den Somdognasattel; die Südgruppe drang in das
Racoolanatal ein und erreichte mit Vortruppen Saletto. Tags darauf
nächtigte diese Brigade in Chiusaforte, nachdem die Besatzung dieser
starken italienischen Sperrfestie trotz des Befehles, bis zum Äußersten
Widerstand zu leisten, vor dem k. u. k. FJB. 30 die Fahne gestrichen hatte *).
Die Karnische Gruppe der Italiener wurde vom 29. Oktober an als
XII. Korps dem 2. Armeekmdo. unterstellt, damit der weitere Rückzug
voii diesem einheidich geleitet werden könne. Von den Divisionen des
Korps erreichten am 29. abends die 26. Ampezzo, die 36. und die Masse
der 63. das rechte Tagliamenitoufer südlich von Villa Santina und von
Tolmezzo. Die Fellabrücke bei Stazione per la Carnia wurde zerstört.
Teile der 63. ID. samt einigen Alpinibataillonen gingen bei Braulins
über den Fluß und sprengten die dortige Tagliamentobrücke 2).
Im Zusammenhang mit dem Rückzug des italienischen XII. Korps
begann am 29. auch der rechte Flügel der italienischen 4. Armee sich
vom Gegner abzusetzen und gab das Winkler- und das Tilliacherjoch frei.
Die am Nordflügel der Armee Below vorstrebende Gruppe Krauss
setzte am 28. den außerordentlich schwierigen Gebirgsmarsch fort, um
das untere Fellatal und die Ebene bei Gemona und Tarcento zu erreichen.
Bei der durch die deutsche Jägerdivision verstärkten Edelweiß-
division vermochten am 28. die rechte Höhenkolonne nördlich von
S. Giorgio einige Bergstellungen, die Talgruppe diesen Ort selbst zu
nehmen. Tags darauf warf GM. Wieden zunächst italienische Nachhuten
zurück; er machte sich abends zum Herrn von Resiutta. Der Ausgang
ins Fellatal war erzwungen. Das KJR. 3, das als linke Kolonne über
Musi vorgerückt war, bemächtigte sich am 28. des westlich davon ge-
legenen Überganges, der Forcella Musi, und öffnete sich dadurch den
Abstieg nach Venzone. Am 29. stand die Vorhut der Dreierkaiserjäger
bei der Costa Majaron3).
Ein Nachlassen des Schneesturmes im Rombongebiet ermöglichte
es der 216. IBrig. am 28., endlich an die Prevalascharte heranzukom-
men. Die tapferen Verteidiger, denen durch das Vordringen der 59. Gb-
Brig. der Rückweg verlegt war, ergaben sich; rund 200 Italiener und
6 Geschütze fielen in die Hände des IR. 59, das in diesem wilden Fels-
x) Bericht der Untersuöhungskommission, I, 222.
2) Murari, Un episodio di guerra nelle prealpi carniche (Mailand 1935), 92.
8) Schemi il, KJR. 3 im Weltkrieg, 486.
568
Die Herbstoffensive gegen Italien
gelände außergewöhnlichen Entbehrungen ausgesetzt gewesen war1).
Die Masse der Brigade Spiess rückte sodann der Gruppe Wieden nach
und nächtigte am 29. in Saga.
Die 22. SchD. setzte am 28. den Vormarsch von Monteaperta und
Platschitis zunächst bis Villanova fort und trieb je ein Bataillon zum
Sattel beim Kreuz-<¡>- 1093, 3 km östlich von Geniona, und nach Vedronza
vor. Dann schob sie sich — ohne ein Geschütz — gegen die italienische
Befestigungsgruppe auf dem Mt. la Bernadia heran, deren Kern das
Panzerfort Lonza war. Die Werke waren aber unbestückt und fielen
schon nach einem kurzen Gefecht in die Gewalt der rasch zugreifenden
Schützen. Vorhuten, die hierauf noch bis Tarcento vorstießen, fanden
abends in dem wildschäumenden Torre mit der vom Feind gesprengten
Brücke ein unüberschreitbares Hindernis. Das Feuer mehrerer noch auf
dem Westufer haltender Alpinibataillone schlug herüber.
Am 29. rückte die 98. KSchBrig. der Division Müller nach Monte-
nars. Das Bataillon vom Sattel beim Kreuz -<¡>- 1093 drang in Gemona ein
und brachte hiemit den Mittelpunkt des befestigten Lagers „Friuli
Nord" in unseren Besitz. Kurz darauf sprengten die Italiener die Werke
auf der Höhe A 571 östlich von Ospedaletto. In der Nacht flog — wie
schon erwähnt — auch die nach Braulins führende Brücke in die Luft.
Die Masse der 22. SchD. gelangte am 29. abends nach Bau eines Not-
steges nach Tarcento und schob Vortruppen gegen die von verschie-
denen kleinen Orten gekrönten Höhen bei Buja vor.
Die 50. ID., die wegen der hochangeschwollenen Sturzbäche alle
Pferde hatte zurücklassen müssen, erreichte, am 28. unter unbedeuten-
den Plänkeleien die für den 27. vorgezeichnet gewesenen Marschziele
S. Gervasio und Attimis. Tags darauf vermochte sie lediglich zwei Ba-
taillone bis Martinazzo vorzutreiben. Die Masse der Division mußte in
S. Gervasio die Fertigstellung von Übergängen über den Hochwasser
führenden Torrente Cornappo abwarten. Die 55. ID., die am 28. in
Platschitis genächtigt hatte, kam am 29., hinter der 22. SchD. nach-
rückend, nach Nimis und Molmentet.
Gdl. Krauss, der am 29. in Nimis eintraf, konnte mit besonderer
Genugtuung auf die Leistungen und Erfolge seiner Truppen blicken.
Seine Gruppe hatte den Feind in sechstägigen Kämpfen und Märschen
durch schwierigstes Gebirgsgelände mit dem rechten Flügel über die
Fella und den Tagliamento geworfen und sich mit dem linken Flügel
den Austritt in die Ebene erzwungen.
*) H o e n, IR. 59 im Weltkrieg, 613 f.
Die Einnahme von Udine
569
Durchbruch durch die italienische Front am TL orre
(28. Oktober)
Neue durchschlagende Erfolge waren am 28. Oktober der über
Cividale und östlich davon vorbrechenden Masse der Armee Below
be schieden.
GLt. Stein hatte der deutschen 12. ID. den Abschnitt von Majano
bis Pagnaceo, dem Alpenkorps jenen von hier bis Udine als Ziel gegeben.
Der Vormarsch der weit auseinandergebogenen Divisionen gestaltete
sich wegen der reißenden Torrenten, die vor und zwischen den Trup-
penteilen zu Tale stürzten, ganz besonders schwierig. Dafür erleichterte
der rasche Rückzug des Feindes anfangs den Vormarsch der Deutschen;
kampflos kam die 12. ID. von Faedis bis nach Savorgnano und Primu-
lacico, wo ihr der Torre Halt gebot. Das Alpenkorps, das von Ronchis
und Ziracco aus -den Hügeln bei Torreano zustreben sollte, vermochte
nur mit den vordersten Abteilungen Belvedere und Salt zu erreichen.
Hier bei Salt setzten sich diese durch raschen Zugriff noch in den Besitz
der unbeschädigten Brücke und drangen bis Godia vor. Die deutsche
117. ID. rückte in die vom Alpenkorps verlassenen Quartiere nach. Die
13. SchD. schloß im Räume Robic—Suzid auf.
Bei der Gruppe Berrer waren die beiden Divisionen in der stür-
mischen Regennacht vom 27. auf den 28. Oktober fast ununterbrochen
weitermarschiert, um die vom Armeekommando vorgezeichnete Linie
Plaino—Nordrand von Udine zu erreichen. Die überGrions vorrückende
200. ID. überrannte im Morgengrauen mit ihrer Vorhut über den hier
furtbaren Torre hinweg den Feind bei Beivars und riß hiemit die
Front des italienischen VII. Korps auf. Nach Abwehr eines Reiter-
angriffes gelangte das Spitzenibataillom um 10hvorm. an den Nordrand
von Udine heran. Im Inneren der Stadt, die vom Großteil der Bevöl-
kerung verlassen war, plünderten italienische Soldaten und lichtscheues
Gesindel die herrenloisen Wohnungen und Läden. Das deutsche Batail-
lon drang nun in Udine ein und hatte inmitten der zahlreichen zu Ge-
fangenen gemachten Italiener um so mehr einen schweren Stand, als
von Süden und Osten her Abteilungen des italienischen XXVII. Korps
die Deutschen aus der Stadt zu werfen versuchten. Nach Eintreffen wei-
terer deutscher Truppen wurde jedoch Udine völlig in Besitz genom-
men. Abends stand die 200. ID. nordwestlich davon bei Feletto Umberto
und Colugna.
570
Die Herbstoffensive gegen Italien
Die deutsche 26. ID. überwand gleichfalls noch in den Morgen-
dämmerung östlich von S. Gottardo den Torre. Hiebei fand der Korps-
führer, GLt. Berrer, der im Kraftwagen über die eigenen Vortruppen
hinaus vorgefahren war, den Heldentod1). Die 26. ID. erweiterte so-
dann den Einbruch in der italienischen Front und stand am Abend
in Udine. Der Führer der Division, GLt. Hofacker, übernahm an Stelle
Berrers das Kommando über die Gruppe.
Durch den tiefen Einbruch der 200. und der 26. ID. war die ita-
lienische 2. Armee in zwei Teile gespalten. Die Gruppen Etna und
Petitti (IV., XXVIII., VII. und XXVII. Korps) wichen im Laufe des
28. in die Linie Taroento—Tavagnacco—S. Vito di Fagagna zurück. Die
Gruppe Ferrerò (XXIV., II. und VI. Korps) stand abends aber noch
immer in der Linie Buttrio in Piano—Manzano—Podgora. Die von Udine
nach Codroipo führende Straße war somit von kampfkräftigen Truppen
völlig entblößt; und gerade auf dieser Straße hasteten Troß- und Artil-
lerieabteilungen der 2. Armee sowie unzählige mit Hausrat beladene
Fuhrwerke der verängstigten Bevölkerung gegen die Übergänge bei
C. Pte. d. Delizia, die jedoch im Bereiche der 3. Armee lagen. Massen-
schreck und mangelnde Verkehrsregelung brachten es während der
Nacht mit sich, daß sich die Fuhrwerke vor den Brücken ineinander
unentwirrbar verkeilten. Alsbald setzte sich diese Verkehrsstockung auf
der ganzen Reichsstraße über Codroipo bis Campoformido fort und
bildete ein etwa 20 km langes Hindernis.
Gegen die vom GLt. Ferrerò befehligte rechte Flügelgruppe der
italienischen 2. Armee drangen das Korps Scotti und die 2. Isonzoarmee
vor. Von der Gruppe Scotti, die über Udine gegen den Tagliamento
zwischen Rivis und der Bahnbrücke bei C. Pte. d. Delizia gewiesen war,
kam die deutsche 5. ID. mit der Masse kampflos nach Remanzacco und
Orzano; ein Regiment erreichte sogar Udine. Die k.u.k. 1. ID. ver-
mochte wegen verschiedener Verzögerungen erst um 4h nachm. gegen
ihre Marschziele Selvis und Gerneglons anzutreten und gelangte daher
mit den Anfängen nur bis Firmano ; sie blieb somit erheblich hinter der
deutschen 5. ID .zurück.
Bei der 2. Isonzoarmee zwängten sich ¡am 28. nach der Eroberung
der Korada das II. Korps und die Gruppe Kosak im Mündungswinkel
des Judrio und der Reicca zusammen. Vom II. Korps, Gdl. Kaiser, er-
reichte die 57. ID. den Raum Dolegna—Vercoglia, die 28. ID. Prepotto,
Colobrida und Senico; Teile der 28. hingen noch bis Ajba am Isonzo
!) Kr äfft, II, 40.
Vordringen der 2. Isonzoarmee im Coglio
571
nach. Die Kriegsbrücke bei Auzza mußte wegen des Hochwassers ab-
getragen werden. Die gleichfalls von der Korada absteigende 60. ID.
der Gruppe Kosak gewann Venco. Die 35. ID., die zeitlich früh einen
noch südwestlich von Piava haltenden Feind vertrieb, rückte bis S. Lo-
renza di Nebola.
Das XXIV. Korps, G dl. Lukas, dessen 24. ID. bis zum 28. früh bei
Piava vollzählig auf das westliche Isonzoufer übergegangen war, drang
über Verhovlje bis auf die Höhen nördlich von Cornions vor und brachte
60 italienische Offiziere und 3000 Mann als Gefangene ein. Die der
24. nachfolgende 53. ID. erstieg kämpfend die Höhen bei Quisca und
Hum. Sie hatte Fühlung mit der am rechten Flügel der 1. Isonzoarmee
vorgehenden 58. ID., die Görz im Straßenkampfe säuberte und durch
eine Umgehung von Norden her sich nach hartem Kampfe in den
Besitz der in früheren Isonzoschlachten vielumstrittenen Podgorahöhe
setzte. Das IV. Korps, von dem Honvédabteilungen den Mt. Sabotino
erstiegen, blieb im allgemeinen stehen.
Vor der 2. Isonzoarmee hielt die Gruppe Ferrerò befehlsgemäß
mit nach Norden gewandter Front an der Bahnlinie Pr ad amano—Görz.
Hiebei stand das italienische XXIV. Korps am linken Flügel bis Cor-
mons, das II. von hier bis westlich von Lucinico und das VI. bei diesem
Dorfe in hakenförmiger Aufstellung.
GLt. Montuori wollte, obwohl seine Armee bei Udine durchbrochen
war, am Torre und in der Linie Pradamano—Lucinico auch noch am
29. bis zum Abend Widerstand leisten, offenbar, um das Abfließen des
Trosses zu ermöglichen. Hiebei sollten örtliche Einbrüche des Gegners
nicht Anlaß zum allgemeinen Rückzug geben, sondern abgeriegelt wer-
den. Den. Rückzug hinter den Tagliamento, der mit den am Gegner
stehenden Divisionen erst am 29. nachts anzutreten war, wollte er mit
den Gruppen Etna und Petitti in einem Zuge, mit der Gruppe Ferrerò
in zwei Märschen ausführen lassen, wobei letztgenannte die nach Vis-
cone und Versa führenden Straßen mit der 3. Armee gemeinsam be-
nutzen sollte. Eine an die Heeresleitung gerichtete Bitte Montuoris, der
2. Armee auch den Übergang über die Brücken westlich von Codroipo
zu gestatten, wies Cadorna ab1).
Der Rückzug der 2. Armee, insbesondere ihres rechten Flügels,
mußte sich demnach sehr schwierig gestalten, dies um so mehr, als
das Hochwasser die Brücke bei Bonzicco beschädigt und die Kriegs^
brücken bei S. Odorico und Rivis abgerissen hatte. Um seinem rechten
!) Bericht der Untersuchiungskommission, I, 210 f.
572
Die Herbstoffensive gegen Italien
Flügel doch den Übergang bei Codroipo zu ermöglichen, setzte sich
Montuori mit dem 3. Armeekmdo. unmittelbar ins Einvernehmenx).
Unterdessen wälzte sich bereits ein Strom von Fuhrwerken, flüchtenden
Soldaten und Landesbewohnern den Brückein zu. Der Rückzug bot bei
der 2. Armee immer mehr das Bild der Auflösung.
Bei der 1. Isonzoarmee erfocht die 58. ID. des XVI. Korps den
schon erwähnten Erfolg auf der Podgorahöhe. Das Gefecht dauerte
bis zum Morgengrauen des 29. und trug der Division des FML. Freih,
v. Zeidler eine Beute von über 2000 Gefangenen, 16 Geschützen und
20 Maschinengewehren ein. Die 14. ID. wurde bei Mainizza durch
das Hochwasser auf dem Ostufer aufgehalten. Die Divisionen 44, 17
und 48 des VII. Korps erreichten den Isonzo zwischen der Wippach-
mündung und S. Pietro d. Isonzo. Von der Mittel division vermochte
das IR. 39 noch vor einem den Isonzo neuerlich anschwellenden
Wolkenbruch rasch auf das Westufer überzugehen. Vom südlich an-
schließenden XXIII. Korps nahmen Vortruppen der 41. HID. bereits um
7 h früh den Bahnhof von Monfaleone. Abends stand diese Division bei
Turriaco, die 10. ID. vor den gesprengten Brücken bei Pieris und die
12. bei S. Canziano. Da die Italiener den Isonzodamm bei Casisegliano
durchstochen hatten, war südlich davon das Anland des Flusses über-
schwemmt.
Die vor der Armee Wurm zurückhastende italienische 3. Armee
hatte am 28. bereits um 10h30vorm. den Isonzo hinter sich gebracht.
Am Abend ließen sich das XI. Korps bei Castions di Strada, das XXIII.
bei S. Giorgio di Npgaro, das VIII. nördlich von Palmanova und das
XIII. südlich davon zu einer kurzen Nachtruhe nieder. Die l.KD. und
die 4. ID. bezogen an den Unterläufen des Torre und des Isonzo^ ©ine
Nachhutstellung. Östlich des Nordflügels dieser Nachhut stand aber
noch fast die ganze Gruppe Ferrerò der 2. Armee.
Das lange Ausharren der Gruppe Ferrerò entsprach den Wünschen
Cadornas, da es dadurch möglich zu werden schien, die 3. Armee ohne
nennenswerte Einbuße auf das schützende Westufer des Tagli amento
zu bringen. Ihr Führer, der Herzog von Aosta, bemühte, sich auch sehr
darum. Er wies das VIII. Korps an, etwaige Flankenstöße des Gegners
von Udine her durch Gegenangriff abzuwehren; der l.KD. wurde der
Schutz der Flanke zwischen Mortegliano und dem Tagliamento auf-
getragen. Schließlich sollten alle vier Korps je eine Brigade als zweite
Nachhut ausscheiden. Diese weitgehenden Sicherungsmaßnahmen waren
!) Cab iati, Ottobre 1917, 243.
Mangel an Reiterei beeinträchtigt die Verfolgung
573
durchaus gerechtfertigt; denn das Einströmen ungeordneter Massen von
Truppen und Trains der 2. Armee in den Bereich der 3., die Gefähr-
dung der Brücke bei Madrisio durch das Hochwasser, das ¡auch den
geplanten Bau von vier Notbrücken verhinderte, und insbesondere das
rasche Vordringen des Gegners übe:r Udine hatten für die 3. Armee
bereits eine recht bedrohliche Lage geschaffen.
Im Gegensatz zu den schweren Sorgen im italienischen Lager
herrschte in den Hauptquartieren zu Baden und Marburg sowie im
engen Gefolge des Kaisers Karl, der mit dem Chef des Generalstabes
am 28. un,d am 29. die hohen Befehlsstellen der Isonzofront besuchte*
gehobene Stimmung. Sehr genau war man über die Ereignisse des Tages
allerdings nicht unterrichtet. Man wußte, daß Cividale, die Korada und
Görz erobert worden seien. Italienischen Funksprüchen war die bevor-
stehende Räumung von Udine und Osoppo zu entnehmen. Auch erfuhr
man aus dem italienischen Heeresbericht, daß der linke Flügel der
2. Armee in den Julischen Alpen durchbrochen worden war, man las
in ihm auch die ungewöhnlich scharfen Tadelsworte, mit denen Cadorna
das Verhalten mancher Truppen dieser Armee geißelte. Da man in
Baden annahm, daß der Feind nun den linken Flügel seiner 2. Armee
verstärken werde, stimmten die k. u. k. Heeresleitung und das Kom-
mando der Südwestfront darin überein, daß die bisher zurückgehaltenen
Reserven (13., 4. und 33. ID.) raschestens dem eigenen Nordflügel nach-
geführt werden sollten.
Allgemein erscholl jetzt der Ruf nach Kavallerie, Radfahrern und
Panzer autos für eine schnelle Verfolgung. Das I. Korpskmdo. hatte schon
am 18. Oktober darum gebeten, ebenso die deutsche 5. ID., als sie sich
Cividale näherte. Die k. u. k. Heeresleitung verfügte aber über keine
berittenen Kavallerie divisioinen mehr. Die wenigen Radfahrerkompag-
iiien standen im Pustertal und an der Küste, und Panzerautos hatten
wir fast keine. Zweifellos hätte man — wenn frühzeitig eingeleitet —
solche Truppen (allenfalls aus dem Heere des Verbündeten) bereit-
stellen können. Man hatte einen so großen Erfolg aber nicht erwartet.
Es bleibt auch fraglich, ob die Reiterei durch die angepferchten Täler
rechtzeitig hätte durchkommen können.
Erzherzog Eugen beabsichtigte, wie er am 28. die Heeresleitung
und die Generale Boroevic und Below wissen ließ, den beiden Isonzo-
armeen nach dem Erreichen der Linie Udine—Gervignano wieder rein
ost-westlich verlaufende Vorrückungsräume zuzuweisen, und als Grenze
zwischen der deutschen 14. und der 2. Isonzoarmee die Linie Südrand
574
Die Herbstoffensive gegen Italien
Udine—Tomba—S. Odor ico—Pozzo zu bestimmen. Die südlich dieser
Linie manövrierenden Divisionen Belows sollten unter Befehl des GO.
Boroevic treten und durch dessen nachfolgende Divisionen ersetzt wer-
den. Auch plante der Erzherzog, sich das Korps Kraus« wieder unmit-
telbar zu unterstellen.
Das allgemeine Streben der hohen Führung am 28. war somit ¡auf
eine rasche Verfolgung in westlicher Richtung gerichtet, um die Fluß-
übergänge in Besitz zu nehmen und den Nordflügel der Heeresfront zu
verstärken. Man befaßte sich demnach bereits auch in Biaden und Mar-
burg mit dem Gedanken, die Verfolgung über den Tagliamento hinweg
fortzuführen. Der Chef des Generalstabes scheint sich jedoch an diesem
Tage, wie er sich gelegentlich seines Besuches in Adelsberg beim Heeres-
gruppenkommando vernehmen ließ, damit noch nicht sehr befreundet
gehabt zu haben1).
F ortsetzung der Verfolgung in der Ebene um 29. Oktober
Das deutsche 14. Armeekmdo. erließ für den 29. keine neuen Be-
fehle. Es erhoffte, daß sich bei den Italienern, trotz ihres Vorsprunges
von einem Tage, ;am Tagliamento große Stauungen ergeben würden,
und daß es dadurch möglich sein werde, ihnen dort neuen Abbruch zu
tun2). Gdl. Below verließ mit dem engeren Stab am 29. früh Krainburg,
um sich nach Cividale zu begeben. Unterdessen setzten auch seine Korps
der Mitte und des linken Flügels die Verfolgung fort.
Von der Gruppe Stein, bei der der Armeebefehl vom 27. abends am
29. früh noch immer nicht eingelangt war, hatten die beiden vorderen
Divisionen nördlich und südlich der Linie Fagagna—Rodeana—Spilim-
bergo vorzudringen und sich der Übergänge über den Tagliamento zu
bemächtigen. Die deutsche 12. ID. gelangte bis Caporiacco, das Alpen-
korps bis Fagagna und S. Vito di Fagagna. Die 117. ID. rückte bis Sa-
vorgnano und Primulacco, die 13.SchD. nach Povoletto undRonchis nach.
GLt. Hof acker erhielt am 29. früh von dem am 27. erlassenen Ar-
meebefehl Kenntnis, der seine Gruppe in den durch die Linien Piaina—
Silvella—Gradisca und Chiavris—S. Marco—Arzenutto abgegrenzten
!) Tagebuchaufzeichnungen des GM. Anton Ritt. v. Pitreich, damals Chef der
Operationsabteilung des Heeresgruppenkommandos Boroevic.
2) Kr äfft, II, 48.
Rückzug der Armee Montuori hinter den Tagliamento
575
Vorrückungsstreifen gewiesen hatte. Die 200. ID. erreichte unter leich-
ten Gefechten Cisterna und Flaibano. Aufklärer fanden den Taglia-
mento noch immer undurchwatbar und die Brücke bei Bonzicco zerstört
vor. Die 26. ID. kam fast kampflos bis Meretto di Tomba und stellte
Vorposten am Tagliamento auf.
Bei der Nord- und der Mittelgruppe der italienischen 2. Armee
vollzog sich der Rückmarsch dank dem eiligen Tempo der Truppen
ohne sonderlichen Druck durch den Gegner. Allerdings entledigten sich
die Flüchtenden gerne aller sie belastenden Ausrüstungsgegenstände,
mitunter auch der Waffen, was die Verfolger sinnfällig die Größe ihres
Erfolges erkennen ließ. Da das Hochwasser die Brücke bei Bonzicco
zerstört hatte, wies GLt. Montuori die Gruppe Etna auf Cornino, die
Gruppe Petitti, die bei Bonzicco hätte übergehen sollen, zur Brücke bei
Pinzano und die Gruppe Ferrerò auf Codroipo. Das italienische IV.
Korps ging nun mit der Masse bei Cornino über den Tagliamento; die
Reste des VII. Korps und das XXVIII. überschritten bei Ragogna den
Fluß. Zwei Divisionen des IV. Korps, die 16. und die 34. ID., bezogen
am Ledrakanal und bei S. Daniele d. Friuli, das XXVII. Korps im An-
schlüsse bis Villanova eine brückenkopfartige Aufstellung. Die 2. KD.,
die die von Udine heranrückenden Deutschen durch mehrere tapfere
Angriffe aufzuhalten versucht hatte, stand abends gleichfalls am Ledra-
kanal bei Majano. Das Spezialkorps richtete sich auf dem Westufer
zwischen Peonis und Pinzano zur nachhaltigen Verteidigung ein1).
Die Südgruppe der Armee Montuori hatte sich der Vorstöße der
Gruppe Scoiti zu erwehren. FML. Scotti war am 28. von Slap nach
Kambresko nachgeritten und hatte mit der deutschen 5. ID. keine Ver-
bindung. Der Führer dieser Division, GM. Wedel, der wegen des weiten
Abbieibens der k. u. k. 1. ID. mit der Möglichkeit italienischer Flanken-
stöße rechnete, plante, am 29. zuerst in Udine aufzuschließen, nach
Süden und Südwesten aber bloß Sicherungen vorzutreiben. Unterdessen
war das Spitzenregiment schon gegen Codroipo aufgebrochen und er-
reichte, durch die Straßenverstopfungen vielfach aufgehalten, nach
Zurückwerfen einer italienischen Kavalleriebrigade am Abend Basaglia-
penta. Das zweite Regiment kam unter leichten Gefechten bis Campo-
formido. Das dritte aber wurde südlich von Udine in lebhafte Kämpfe
verstrickt, in die auch ein Bataillon der 1. ID. eingriff, indes die Masse
dieser Division bis an den Ostrand von Udine gelangte.
Weit hinter der Front vermochten am 29. endlich auch die Divi-
!) Bericht der Untersuchungskommission, I, 217 ff.
576
Die Herbstoffensive gegen Italien
sionen der Heeresreserve (33. und 4. ID ) mit dem Nachrücken zu be-
ginnen. Sie gelangten bis Tolmein und Woltschach.
Der Vorstoß der deutschen 26. ID. und der Gruppe Scotti in der
Richtung gegen Codroipo störte sehr empfindlich das vom GLt. Ferrerò
geplante Rückzugsmanöver. Das XXIV. Korps hätte mit der Bersaglieri-
division zwischen Pasian di prato, mit zwei Infanteriedivisionen zwi-
schen Mortegliano, Pozzuolo und Campoformido und mit zwei weiteren
Divisionen zwischen Basagliapenta und Meretta di Tomba Stellung neh-
men sollen, um das Abfließen der zwei andern Divisionen dieses Korps,
ferner des II. und des VI. Korps sowie des Nordflügels der 3. Armee
über Codroipo zu schützen.
Diese etwas umständlichen Bewegungen kamen aber nicht in der
vorgesehenen Weise zur Durchführung. Die Bersaglieridivision wurde
südlich von Udine durch den Gegner recht unsanft angefaßt; das Be-
setzen der anderen Nachhutstellungen durchkreuzten die deutschen
Regimenter der 26. und der 5. Division. Am Abend standen drei italie-
nische Divisionen zwischen Basagliapenta und Mortegliano. Die Ber-
saglieri lösten sich nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Gefecht,
in das sie westlich von Pradamano verwickelt worden waren. Von
der 1. KD. stand eine Brigade in Pozzuolo, die andere war — wie vor-
hin gesagt — gegen Codroipo geworfen worden. Drei Divisionen des
XXIV. Korps und eine des II. zwängten sieh durch die vollgepfropften
Straßen von Codroipo und über die Brücken auf das westliche Taglia-
mentoufer. Die Masse des II. Korps näherte sich um Mitternacht Morte-
gliano; das VI. Korps marschierte südlich davon auf den beiden nach
Codroipo führenden Straßen.
Den Brücken westlich von Codroipo strebten aber auch die beiden
nördlichen Korps der 3. Armee zu. Um mit ihnen rasch und gesichert
den Uferwechsel vornehmen zu können, bat der Herzog von Aosta
Cadorna, der rechte Flügel der 2. Armee möge in seiner nach Norden
gerichteten Schutzstellung möglichst lange verharren. So schoben sich
das XI. und Teile des VIII. Korps der 3. Armee vor das VI. der 2. Ar-
mee ein. Die Masse des VIII. mußte die Nacht auf den 30. Oktober, so
wie die vorhergehende, noch immer nördlich von Palmanova verbringen.
Die beiden südlichen Korps, das XIII. und das XXIII., hatten am 29.
'den Tagliamento erreicht und begannen über die zur Not wiederher-
gestellte Brücke bei Madrisio und über die bei Latisana den Übergang.
Den Rückmarsch sicherten gegen Osten hin die vier Nachhutbrigaden
in der Linie Palmanova—Aussamündung. Sie gingen in der Abend-
Einzug des Kaisers Karl in Görz
577
dämmerung an die Stella zurück und überließen der 4. ID., die am
Cormorbach Stellung bezogen hatte, den Rückenschutz1). Die Korps
VI, II und VIII standen am 29. abends demnach noch feindwärts die-
ser Nachhut.
Die Heeresgruppe Boroevie setzte am 29., stellenweise unter Ver-
folgungskämpfen, den Vormarsch fort. Wegen ihres sehr geringen
Pferdebestandes beim Troß und auch bei der Artillerie galt für sie als
Richtlinie, vom Lande zu leben, Bespannungen und Truppentrains durch
Beutepferde und Beitreibungen zu improvisieren.
Bei der 2. Isonzoarmee kam das II. Korps mit der 28. ID. bis Cerne -
glons und Pradamano, mit der 57. bis Buttrio und Oleis. Die Gruppe
Kosak bezog mit der 60. ID. in Percotto, Camino und Soleschiano, mit
der 35. in Corno di Rosazzo und Venco, mit der 9. in Nebola und Ver-
coglia Nachtquartier. Beim XXIV. Korps wurde die 24. ID. bei S. Gio-
vanni di Manzano durch die gesprengte Bahnbrücke aufgehalten. Die
53. ID., die in Verfolgungsgefechten dem Feinde 1800 Mann und 40 Ge-
schütze abnahm, zog unter dem Jubel der Bevölkerung in Cormons ein.
In diese Stadt rückte mittags auch die 58. ID. der 1. Isonzoarmee,
die nach Abschluß des Kampfes um die Podgorahohe, der bis zum
29. Oktober früh gewährt hatte, 2000 Gefangene, 16 Geschütze und
20 Maschinengewehre als Beute meldete. Die zweite Division des XVI.
Korps, die 14. ID., die bei Mainizza den Isonzo überschritten hatte,
kam unter leichten Kämpfen mit der Vorhut bis Fratta; der Nächti-
gungsbereich der Division dehnte sich bis Farra. Von der neugebildeten
63. ID., GM. Ritt. v. Soretic, wurde die Masse der Truppen nach Görz
verlegt. Kaiser Karl selbst hielt, begleitet vom Chef des Generalstaibes
und vom GO. Boroevic, hoch zu Roß an ihrer Spitze Einzug in die
rückeroberte Stadt. Das VII. Korps hatte Aufenthalt durch die zer-
störten Brücken. Erst zu Mittag wurde die Eisenbahnbrücke bei Sagrado
benutzbar, über die bis zum Abend die Infanterie der 44. und der hal-
ben 48. ID. das Ufer wechselte. Beim XXIII. Korps wurde gleichfalls
erst am frühen Nachmittag ein Steg bei Pieris fertig. Ihn benützte zu-
erst eine zusammengesetzte Abteilung der 10. ID., die noch über Cer-
vignano nach Torre Zuino marschierte. Dann setzte am 29. noch ein
Infanterieregiment der 10. ID. über den Fluß. Das Kommando des
Abschnittes Trie st traf die ersten Maßnahmen, um den Küstenschutz
über Duino hinaus zu verlängern.
Am 29. abends befand sich der in Friaul stehende Teil des italie-
!) Cab iati, Ottobre 1917, 257.
VI 37
578
Die Herbstoffensive gegen Italien
nischen Heeres in einer außerordentlich kritischen Lage. Die 2. Armee
war völlig entzweigerissen. Ihre Masse, zwölf zum Teil bis auf geringe
Reste zusammengeschmolzene Divisionen, standen im Tagliamentobogen
zwischen Ampezzo und Spilimbergo. Vier Infanteriedivisionen und die
2. KD. schützten auf dem Ostufer in einer brückenkopfartigen Auf-
stellung die Übergänge bei Cornino und Pinzano. Das aus allerdings
unbe stückten Werken bestehende verschanzte Lager „Friuli Nord", das
diesen Zwecken hätte dienen können, war bei Gemona und Tarcento
bereits eingedrückt1).
Die Südgruppe der 2. Armee stand noch mit allen zwölf Divisionen
auf dem östlichen Tagliamentoufer zwischen Codroipo und dem Torre.
Sie hatte, gleich den beiden nördlichen Korps der 3. Armee, über die
Brücken bei C. Pte. d. Delizia das Ufer zu wechseln. Diesen fünf ita-
lienischen Korps (XXIV, II, VI, XI, VIII) standen die Gruppen Hof-
acker und Scotti zwischen dem Tagliamento und Udine gefahrdrohend
in der Flanke, indes die schon bis an den Torre und an den Natisone
vorgedrungene 2. Isonzoarmee ihnen auf den Fersen folgten. Um die
beiden südlichen Korps der 3. Armee (XIIIund XXIII), die bei Madri-
sio und Latisano schon mit dem Übergang begannen und durch eine
zweifache Nachhut gegen das Nachdrängen der 1. Isonzoarmee ge-
schützt waren, mochte man weniger besorgt gewesen sein. Ob aber
die oben angeführten fünf Korps aus dem tiefen, nach Osten nach-
hängenden Sack würden entschlüpfen können, das war die bange Frage,
die die italienische Führung am 29. abends besonders schwer be-
drücken mußte.
Versuch eines Ab sehne i den s der italienischen 3. Armee
Entschlüsse und Befehle für den 30. Oktober
Von der bis zum 29. abends eingetretenen Lage konnten sich die
hohen Befehlsstellen der Verbündeten wegen der schlechten Drahtver-
bindungen kein klares Bild machen. Gewitterneigung erschwerte den
Funkverkehr. Dazu saßen die Kommandos der 1. und der 2. Isonzo-
armee noch in Sesana und Unt. Loitsch, das der Heeresgruppe Boroevic
in Adelsberg, das 10. Armeekmdo. in Villach, und das Kommando der
Südwestfront in Marburg. Nur Gdl. Below war am 29. nach Cividale
!) Heydendorff, Die Rolle der Tagliamentobefestigungen 1915—1917 (Mil.
wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1934, 390 ff.).
Entstehung des Planes für den Südstoß
579
vorgefahren. Hier kam ihm ein besonderer Antrag des GLt. Hofacker
zur Fortführung der Offensive zu.
Hofacker hatte die sehr zutreffende Vorstellung, daß sich seine;
Gruppe und die des GLt. Stein tief in die Front des Feindes eingebohrt
hätten, und daß Teile der italienischen 2. Armee und die ganze 3. noch
östlich vom Tagliamento ständen. Hofacker vertrat die Meinung, daß
es nach Besitznahme von Codroipo durch einen nach Süden auf Lati sana
gerichteten Stoß möglich werden müßte, erhebliche Teile des feind-
lichen Heeres abzuschneiden. Hiezu gedachte Hof acker die 200. ID. auf
Codroipo anzusetzen, die 26. und die 5. ID. aber zu beiden Seiten der
Stella nach Süden vorstoßen zu lassen. Mit der 5. ID., die am 29. mit
ihrem vorgesetzten Gruppenkommando Scotti nicht in Verbindung stand,
hatte Hofacker das unmittelbare Einvernehmen bereits selbst gepflogen.
Das Kommando der deutschen 14. Armee stimmte der Ansicht
Hofackers im allgemeinen zu. Es vermeinte aber, in der Verfolgung der
vollständig geschlagenen italienischen 2. Armee doch auf das Westufer
des Tagliiamentos gelangen zu können. Ein dort nach Süden geführter
Stoß müßte naturgemäß einen noch viel größeren Erfolg zeitigen, als
ihn Hof acker anstrebte. Da ein schnelles Überschreiten des jetzt von
reißendem Wasser ausgefüllten breiten Flußbettes jedoch nicht sicher
war, sollte auch auf dem Ostufer gegen Lati&ana vorgegangen werden.
Für diesen Plan, der beiden Möglichkeiten Rechnung trug, erließ Gdl. Be-
low am 29. Oktober um 10h nachts in Cividale die erforderlichen Befehle.
Nach diesen sollten die Gruppen der Generale Krauss, Stein und
Hofacker zwischen dem Gebirgsfuß und S. Vito al Tagliamento über die-
sen Fluß hinweg die Verfolgung „bis zur Vernichtung des italienischen
Heeres fortsetzen". Gdl. Below nahm diesen Entschluß auf sich, obwohl
für eine Vorrückung über den Tagliamento die Zustimmung der DOHL.
noch nicht eingelangt war. Die Gruppe Scotti, verstärkt durch die 117. ID.
der Gruppe Stein, hatte „über die Linie Basagliapenta—Pozzuolo—Lau-
zacco in der allgemeinen Richtung auf Latisana vorzustoßen". Außer-
dem wurden die 4. und die 33. ID. der Heeresreserve zum Nachrücken
bis nach Robic und Karfreit angewiesen1).
Von dem vom Gdl. Below am 29. abends erlassenen, die 2. Isonzo-
armee sehr wesentlich berührenden Befehl konnten wegen des Mangels
an Verbindungen die Kommandos der Südwestfront, der Heeresgruppe
Boroevic und der 2. Isonzoarmee nicht verständigt werden. Ebenso hatte
1) K r a f f t, II, 66 £., 72 ff. — H o f a c k e r, Die Krisis der italienischen Armee
im Oktober 1917 (Militär-Woohen-Blatt, Berlin 1921, Heft 12).
87*
580
Die Herbstoffensive gegen Italien
man in Marburg von den Räumen, die die 14. Armee am 29. gewonnen
hatte, keine Kenntnis. Man wußte nur, daß sie über Cividale hinaus vor-
gedrungen war, und daß die Armee Henriquez den Torre erreicht hatte.
Erzherzog Eugen plante nun gleichfalls, die Offensive über den Taglia-
mento fortsetzen zu lassen, wollte die nächsten Ziele aber erst bestim-
men, nachdem er von der Lage bei der 14. Armee Kenntnis erlangt
haben würde. Es ergingen daher am 29. von Baden und Marburg keine
neuen Weisungen. Die Heeresleitung verfügte lediglich die Absen dung
der 43. SchD. in ihre ostgalizische Heimat. An ihrer Statt wurde die
9. ID. dem IV. Korps zugewiesen. Dieses Korps und die 29. ID. sollten
vom Heeresgruppenkommando Boroevic als Reserve der Südwestfront
nach Udine nachgeführt werden.
Da sich die Heeresgruppe Boroevic der Linie Udine—Ger vignano
näherte, sah ihr Führer die ihm mitgeteilte Absicht des Kommandos
der Südwestfront, nunmehr die Armeen wieder in rein westlicher Rich-
tung vorrücken zu lassen, als Befehl an. Dementsprechend wies er
der 2. Isonzoarmee den Raum südlich der Linie Orzano—Ortsmitte
Udine—Tomba—S. Odorioc—Pozzo und der 1. Isonzoarmee jenen süd-
lich der Linie Cormons—Medeuzza—S.Maria la Longa—Mortegliano—
S. Vidotto ¡als Vorrückungsstreifen zu. Nach diesen Befehlen mußte es
am 30. ;an den inneren Flügeln der Armeen Below und Henriquez zu
Kolonnenkreuzungen kommen.
Das italienische Höchstkommando legte naturgemäß das Haupt-
gewicht darauf, seine noch östlich vom Tagliamento befindlichen Divi-
sionen bei Vermeiden aller nicht der Sicherung des Rückzuges dienenden
Gefechte möglichst rasch ¡hinter den schützenden Fluß zu bringen. Hier
hatten sich die noch kampfkräftigen Einheiten am Westufer zur Ver-
teidigung einzurichten, um den zerschlagenen Teilen der 2. Armee das
Abfließen in das als Erholungsraum gedachte Gebiet zwischen Brenta
und Bacchiglione zu ermöglichen1). Hiebei sollte die 2. Armee der Ge-
birgsfront erhöhte Aufmerksamkeit zuwenden, insbesondere dem Ab-
schnitt zwischen dem durch ein noch bestücktes Werk gekrönten Mt.
Festa und dem Ort Ragogna.
Cadorna hegte auch Besorgnisse für die Tiroler Front; ein Durch-
bruch in diesem Raum konnte die völlige Einkreisung des Heeres be-
deuten. Daher sollte die 3. Armee ein Korps zu zwei Divisionen nach
Brescia und eines zu drei Divisionen in den Raum südlich der Sieben
Gemeinden nach Thiene, Bassano und Cittadella verschieben.
1) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 513.
Cadornas Plan für die Besetzung der Piavefront
581
Die Fortsetzung des Rückzuges an den Piave anzubefehlen, behielt
sich Cadorna vor. Er plante — wie schon angeführt (S. 565) — die neue
Verteidigungsfront hinter dem Unterlauf des Piave und auf den Höhen
zwischen dem Mt. Grappa und dem Altissimo aufzubauen. Hiezu sollte
die 3. Armee mit vier Korps (hiebei das VI. von der 2. Armee) vom
Meere bis z um# Mon te Ilo, die 4. Armee mit ebenso vielen Korps und vier
von den Franzosen angekündigten Divisionen zwischen dem Mantello
und dem Mt. Grappa, die 1. Armee westlich davon Stellung nehmen.
Die Nachricht von der katastrophalen Niederlage der Italiener
löste in den Hauptstädten und bei den Heeresleitungen der beiden West-
mächte Bestürzung aus. In Paris sprach man von einem Sedan des ita-
lienischen Heeres. Nicht ohne Schuldbewußtsein, die von Italien früher
erbetene Waffenhilfe nicht gewährt zu haben, beriet man über die jetzt
zu treffenden Maßnahmen. Man kam überein, den Italienern Kräfte
zuzuschieben, weiters die in Flandern und nordöstlich von Soissons im
Gange befindlichen Angriffe verstärkt fortzusetzen, um dadurch wo-
möglich deutsche Truppen aus Italien abzuziehen. Am 29. Oktober wa-
ren die ersten Staffel französischer und englischer Divisionen auf dem
Wege nach Venetien. Der französische Generalstabschef, Gen. Fo-ch,
reiste am 28. Oktober selbst ins italienische Hauptquartier1).
Der Vorstoß auf Codroipo und Latisana
(30. und 31. Oktober)
Das rasche Vordringen der Verbündeten über Udine hinaus er-
füllte den GLt. Ferrerò mit größter Besorgnis, denn es vermochte das
Abfließen seiner drei Korps über die Brücken westlich von Codroipo
empfindlich zu stören. Zur Sicherung des Flußüberganges seiner Gruppe
bestimmte Ferrerò mit Zustimmung des Herzogs von Aoista das VIII.
Korps der 3. Armee. Dessen 59. ID. hatte in der Linie Villaorba—Ba-
sagliapenta—Lestizza eine Brückenkopf Stellung zu beziehen. Zum un-
mittelbaren Schutz der Brücken wurden nebst anderen Verbänden
Marsehfoirmationen in der Stärke von 4000 Mann bestimmt. Die Masse
des VIII. Korps (7. und 48. ID.) und die 1. KD. hatten überdies zur Ab-
schwächung des gegnerischen Druckes auf Codroipo mit drei Gruppen
i) F o ch., II, S. XXXVI. — H.M., La vérité sur la guerre 1914—1918 (Paris
1930), II, 93. — Herb ilion, Souvenirs d'un officier de liaison pendant la guerre
mondial (Paris 1930), 155 f. — P a 1 a t, La part de Foch dans la Victoire (Paris 1930), 118
582
Die Herbstoffensive gegen Italien
von Süden her in der Richtung auf Campoformido, Orgnano und Pasian
Schiavonesco Gegenangriffe auszuführen1).
Von der Gruppe Hofacker blieb die Masse der 200. ID. am 30. zu-
nächst in ihren Quartieren. Teile schoben sich näher an den Tagli amento
heran. Die 26.ID. drang vonMeretto di Tomba gegenCodroipo vor. Rechts
von ihr, das Ufer entlang, rückten je lein Bataillon der beiden Divisionen
vor. Diese zwei Bataillone durchbrachen die Brückensicherung des Fein-
des, die südlich der permanenten Werke aufgestellt war, und stürmten
kühn durch die bei den Übergängen zusammengeballten feindlichen
Massen hindurch bis auf die Brücken vor. Die Straßenbrücke war aber
schon zerstört. Die Eisenbahnbrücke und die südlich davon eingebaute
Kolonnenbrücke wurden vom Feinde knapp vor den Deutschen ge-
sprengt. In der Hand der beiden Bataillone blieben 12.000 Gefangene.
Nach der Brückensprengung war für Freund und Feind ein wei-
terer Übergang um so weniger möglich, als bei Föhn neuerlich nieder-
gehende Regengüsse den Fluß noch mehr ansteigen ließen. Vorher hatte
am 30. nur die 67. ID. des XXIV. Korps das Westufer «zu erreichen
vermocht. Die später herankommenden italienischen Kolonnen sahen
sich bemüßigt, nach Süden umzukehren.
Die 26. ID. hatte indessen um Codroipo einen harten Kampf zu
führen. GLt. Ferrerò, der in der Stadt sein Hauptquartier hatte, leitete
selbst die Verteidigung. Endlich, nach Einbruch der Dunkelheit, neigte
sich der Sieg den Württembergern zu, die 15.000 Gefangene einbrachten.
Die Menge des erbeuteten Kriegsgerätes war gar nicht zu übersehen,
Die Reste der italienischen 59. ID., die Hauptträgerin des Widerstandes
gewesen war, wichen nach Süden aus.
Bei der zum Stoß nach Südwesten bestimmten Gruppe Scotti hatten
die deutsche 5. ID. in zwei Kolonnen über Rivolto und Fiambro auf
Rivignano«, die 117. ID. über Pozzuolo und Talmassons auf Torsa und
die k. u. k. l.ID. über Mortegliano vorzurücken. Die 5. ID. kam unter
lebhaften Kämpfen gegen mitunter noch von Osten nach Westen mar-
schierende italienische Kolonnen und, sehr oft aufgehalten durch das
die Straßen versperrende italienische Kriegsgerät, erst am Abend nach
Rivolto, Bertiolo und Fiambro. Hier verebbte ihr Angriffsschwung.
Von der 117. ID. stieß das ihrer Haupttruppe weit vorausgeeilte Vorhut-
regiment vor Pozzuolo auf die zweite Brigade der italienischen 1. KD.,
die hier auf die zum Gegenangriff nach Norden befohlene Brigade des
1) Bericht 'der UntersochmgskommissLon, I, 241 ff. — C a b i a t i, Ottobre
1917, 272.
Die Gefechte bei Pozzuolo und Mortegliano
583
VIII. Korps wartete. Von der k. u. k. 1. ID. brach die 7. GbBrig. schon
bei Tagesanbruch von S. Gottardo nach Mortegliano auf; die 22. GbBrig.
folgte in größerem Abstand nach.
Gegen den Vorrückungsraum der Gruppe Scotti schob sich von
Osten her das k. u. k. II. Korps heran. Es hätte im Sinne eines vom
Kommando der 2. Isonzoiarmee am 29. abends erlassenen Bef ehles mit
dem rechten Flügel vom Südrand Udine über Tomba gegen denTaglia-
mentoabschnitt S. Odorico—Ri vis rücken sollen. Der Korpskommandant,
G dl. Kaiser, hatte nachts aber vom Stoß Scottis nach Südwesten Kennt-
nis erlangt. Um eine Vermengung der Kolonnen zu verhindern, hielt
er seine beiden Divisionen an der von Udine nach Palmanova führen-
den Bahn an und ließ beim 14. Armeekmdo., das nach Udine über-
siedelt war, um Abhilfe bitten.
Gdl. Below, von dem raschen Herankommen der 2. Isonzoarmee
überrascht, verstand sich sofort dazu, die 117. und die 1. ID. wieder
nach Westen in den Raum nördlich der Bahn Udine—Codroipo zurück-
zudrehen. Die 5. ID., die Latisana am nächsten war, sollte gleiches aber
nur dann tun, wenn sie den Eindruck gewinnen sollte, daß keine er-
heblichen Teile des Feindes mehr östlich vorn Tagliamento ständen1).
Auf diese Weisung hin hielt FML. Scotti die Masse der 117. ID.
in Udine an. Sie rückte abends, unter Zurücklassung eines Regiments
als zeitweilige Besatzung, nach Basagliapenta und Blesisano. Von der
1. ID. wurde die 22. GbBrig. nach Pasian di Prato abgedreht. Das Vor-
hutregiment der 117. ID. war um Pozzuolo mit der diesen Ort hart-
näckig verteidigenden italienischen Reiterei in einen ernsten Kampf
verwickelt. In dieses Gefecht griffen von Carpeneto her Teile der deut-
schen 5. ID., von Osten anmarschierend die 10. GbBrig. der 60. ID. der
Gruppe Kosak und von Süden her eine Brigade des italienischen
VIII. Korps ein. Die Italiener, gar\z besonders die tapferen Reiter, ver-
suchten zu Fuß und zu Pferd ihrer Angriffsaufgabe nachzukommen,
bis sie schließlich gegen 5h nachm. den Anstürmen der Verbündeten er-
lagen; 800 Mann fielen als Gefangene der an diesem Tage besonders
erfolgreichen 10. GbBrig. in die Hände. Die 7. GbBrig. der 1. ID., die
in Mortegliano auf ein Regiment der 47. Bersaglieridivision gestoßen
war, vermochte dieses nach heißem, für beide Teile verlustreichem
Kampfe erst abends aus dem Dorfe zu werfen. Die mittlere und die
linke Kolonne des italienischen VIII. Korps ließen von der Vorrückung
ab, als sie westlich von Pozzuolo auf deutsche Truppen stießen.
!) Krafft, II, 88.
584
Die Herbstoffensive gegen Italien
Durch das Abschwenken der Masse der Gruppe Scotti, vor der am
30. gegen 20.000 Italiener die Waffen gestreckt hatten, war für das
II. Korps wenigstens der Raum südlich der Bahn freigeworden. Abends
gelangten die 28. ID. nach Campoformido, Carpeneto und Basaldella
und die 57. ID., der die 10. GbBrig. den Schauplatz ihres Sieges über-
ließ, nach Po&zuolo und Terrenzano. Nur die sehr ermüdete 7. GbBrig.
der 1. ID. blieb in Mortegliano. Die weitab stehende deutsche 5. ID.
wurde von diesen Verschiebungen nicht betroffen.
So war durch einsichtsvolle Maßnahmen der Generale Below,
Kaiser und Scotti am 30. eine Vermengung der beiden Korps wohl ver-
mieden worden. Ein Nutznießer dieser Rücksichtnahme Belows war —
wie sich noch erweisen wird — aber auch der Feind!
Der Gruppe Ko>sak war als Vorrückungsziel das östliche Taglia-
mentoufer zwischen Rivis und C. Pte. d. Delizia (diese nicht inbegriffen)
zugewiesen. Noch vor Antritt des Vormarsches glückte es der 10. Gb-
Brig. der 60. ID., der von Norden her zurückweichenden Bersaglieri-
di vision 30 Offiziere und 2000 Mann als Gefangene abzunehmen. Das
spätere erfolgreiche Eingreifen dieser Brigade in das Gefecht bei
Pozzuolo ist schon geschildert worden (S. 583); sie nächtigte knapp
östlich dieses Ortes, die 2. GbBrig. nordöstlich davon. Die 35. ID. kam
ibis Risano und Perootto. Die schon zum IV. Korps gehörende 9. ID.
gewann den Raum um Manzano.
Das XXIV. Korps, das den Brücken bei C. Pte. d. Delizia zustreben
sollte, erreichte mit der 24. ID. Lavariano und Perser e ano, mit der
53. ID., die durch zerstörte Brücken vor den Wildbächen Torre und
Natisone sehr aufgehalten worden waren, die Orte Trivignano und
Viscone-
Die beiden südlichen Korps der 2. Isonzoarmee hatten somit am
30., durch die Nachbarn unbehindert, in ihren Vormarschstreifen nach
Westen vorzurücken vermocht. Die ganze Front der Armee, deren Divi-
sionen zwischen Campoformido und Viscone nach links zurückgestaffelt
waren, wies jedoch eine scharf nach Südwesten gerichtete Front auf.
Von dem als Reserve der Südwestfront zurückbehaltenen IV. Korps
standen die 29. ID. und die 20. HID. wie am Vortage in Chiapovano
und Salcano. Die 43. SchD. rüstete für den Abmarsch nach den Einlade-
bahnhöfen.
Die 1. Isonzoarmee hatte sich südlich der Linie Cormons—Tri-
vignano Udinese—Mortegliano—S. Vi dotto vorzube wegen. Da hier wegen
der breiten Sumpfzonen sehr wenige Straßen von Osten nach Westen
Kritische Lage der Italiener südlich von Codroipo
585
führen, Flieger im Räume östlich der Linie Palmanova—Grado keinen
Feind mehr sichte ten, sollten die Korps weiterhin nur mit je zwei Divi-
sionen vorrücken. Je eine Division hatte in Palmanova, in Stras,soldo
und südlich von Cervignano zurückzubleiben.
Das XVI. Koirps erreichte ohne Kampf mit der 58. ID. Viscone,
Chiopris und Borgnano, mit der 14. Palmanova. Die 63. ID. hielt noch
bei Görz. Vom VII. Korps standen abends die 44. und die 48. ID. in
Bagnarla und Strassoldo, Vortruppen in Gonars. Die 17. ID. war bei
Gradisca zurückgeblieben. Vom XXIII. Korps war das vorgeschobene
Detachement am 30. in S. Giorgio di Nogaro eingezogen, Patrouillen
streiften bis nach Zellina und Carlinoi. Die Masse der 10. ID. erreichte
Cervignano,. Aus Mangel an Brücken über den Isonzo begann die 12. ID.
ihre Truppen bei Isola Morosini zu überschiffen. Die 41. HID. hielt
noch bei Pie ris und Turriacco auf dem östlichen Isonzoufer.
Für den Südflügel des italienischen Heeres bedeutete der 30. Oktor
ber den Höhepunkt der Krise, die er beim Rückzug über den Taglia-
mento durchzustehen hatte. Wegen des Verlustes der Brücken westlich
von Codroipo mußten sich die hieher gewiesenen Kolonnen gegen die
beiden letzten Übergänge bei Madrisio und bei Latisana zurückziehen.
Deshalb ballten sich die völlig durcheinandergewürfelten Verbände der
Korps II, VI, Vili, XI und XXIV im Jftaum zwischen Varmo, Torsa,
Muzzana und dem Tagliamento zusammen. Sie waren nur durch die
von Pozzuolo zurückgegangene Infanteriebrigade des VIII. Korps bei
Fiambro und Talmassons und durch Teile der 4. ID. westlich von
S. Giorgio di Nogaro gesichert. Das XIII. und das XXIII. Korps er-
reichten bei Madrisio und bei Latisana das westliche Ufer.
Durch einen Stoß, wie ihn GLt. Hofacker beabsichtigt hatte, wäre
den noch auf dem Ostufer befindlichen Italienern höchstwahrscheinlich
der Rückzug verlegt worden. Aber auch der tatsächlich in der Richtung
gegen Latisana angesetzte Angriff der Gruppe Scotti hätte den Feind in
die übelste Lage bringen können, wenn die deutsche 5. ID. ihr Ziel
Rivignano erreicht hätte und die beiden andern Divisionen nicht abge-
dreht worden wären.
Gdl. Below war am Abend dieses Tages über die Lage seiner
Armee und über jene des k. u. k. II. Korps im allgemeinen zutreffend
unterrichtet. Von der Sprengung der Brücken westlich von Codroipo
hatte er keine Kenntnis; er hatte allerdings auch wenig Hoffnung mehr,
diese Übergänge unversehrt in die Hände zu bekommen. Der Kampf-
verlauf am 30. Oktober und im besonderen die hohe Zahl von 60.000
586
Die Herbstoffensive gegen Italien
eingebrachten Gefangenen ließen ihn richtig erkennen, daß noch starke
Teile des feindlichen Heeres östlich vom unteren Tagliamento standen,
denen der Rückweg über Codroipo aber schon verlegt war. Er konnte
nach der Meinung Belows, der vom Vorhandensein einer Brücke bei
Madrisio nichts wußte, nur über Latisana erfolgen.
Der Führer der 14. Armee kam nun wieder auf den Gedanken eines
dorthin zu richtenden Vorstoßes zurück, durch den der Feind neuerlich
schwer geschädigt werden konnte. Below glaubte, diese Erfolgsmöglich-
keit nicht unausgenützt lassen zu dürfen, wenngleich er wußte, daß sein
linker Flügel hiebei tief in den Vorrückungsraum der 2., ja sogar in
jenen der 1. Isonzoarmee hineingeraten werde. Eine Rückfrage in Mar-
burg oder in Adelsberg war undurchführbar, weil es noch immer an
Drahtverbindungen mangelte. Below entschloß sich daher, auf eigene
Verantwortung den Flankenstoß anzubefehlen. Er wurde darin noch
durch eine seltsamerweise von der DOHL. eingelangte Depesche be-
stärkt, in der es hieß, ¡daß „das Eintreffen von Teilen der 14. Armee vor
Latisana für die Vernichtung der Italiener von entscheidender Bedeu-
tung werden könne"1).
FML. Scotti erhielt nun den Auftrag, die Verfolgung am 31. mit
der 117. und der 1. ID. auf Latisana fortzusetzen. Die deutsche 5. ID.,
die zur Furt bei Varmo vorzurücken hatte, wurde der Gruppe Hofacker
überwiesen und sollte ihr bei ihrem Angriff über die Brücken bei C. Pte.
d. Delizia von Süden her beistehen. Von dem der 200. ID. schon am 30.
erteilten Auftrag Hof, ackers, von S. O dorico hinter der 26. ID. nach
Süden zu rücken, um zwischen dem Tagliamento und der Stella gegen
Latisana vorzustoßen, hatte man in Udine keine Kenntnis.
Aber noch eine zweite Gruppe setzte am 31. zum Stoß auf Latisana
an. FML. Goiginger, der Kommandant der 60. ID., hatte am 30. nachts
von dem der Gruppe Scotti erteilten Auftrag Kenntnis erlangt. Er be-
urteilte die Lage ähnlich wie das 14. Armeekmdo. und entschloß sich
gleichfalls, aus der beim Feinde herrschenden Verwirrung durch einen
nach Südwesten gerichteten und „bis Treviso" fortzusetzenden Vorstoß
größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Da er ebenfalls der Verbindung mit
seinem vorgesetzten Gruppenkommando Kosak entbehrte, ergriff er als
rangältester Divisionär die Befehlgebung und wies seine 60. ID. über
Pozzuolo, Fiambro auf Varmo, die 35. ID. über Mortegliano (Westteil),
Talmassons auf Rivignano und die benachbarte 24. ID. des XXIV. Korps
über Mortegliano (Ostteil), Torsa, Ariis auf Campomolle; die 9. ID.
!) Krafft, II, 99.
Vordringen der Gruppe Goiginger bis Madrisio
587
sollte nach Risano nachrücken. Damit der Vorstoß nicht vereinzelt
bleibe, forderte er auch noch das II. Korps auf, sich Ihm anzuschließen.
So traten am 31. früh die 200. und die 5. ID. H of ackers, die bei-
den Divisionen Scottis und, ;auf Befehl Goigingers, vier Divisionen der
2. Isonzo armee zum Flankenstoß nach Süden und Südwesten an, indes
alle landern Teile der Heeresgruppe Boroevic in ausgesprochen west-
licher Richtung weitermarschierten.
Beim Feinde setzten die Truppen des Südflügels in ununterbroche-
nem Rückmarsch bei Madrisio und Latisana den Uferwechsel fort. Der
Regen hatte aufgehört; die Flüsse führten aber noch immer Hochwasser.
Zum Schutze des Rückzuges waren am 31. vier Brigaden als Nachhuten
in der Linie Belgrado—Romans und an der Stella ¡ausgeschieden 1). Auf
diese Nachhuten trafen die vordringenden Verbündeten.
Die 200. ID., die, an Codroipo westlich vorbei, nach Süden rückte,
kam mit der Vorhut unter leichten Kämpfen bis Gradiscutta. Hieher
gelangte ¡auch die 5. ID., die mit Teilen abends noch bis Madrisio vor-
stieß, um jenseits des Flusses zur Unterstützung der 26. ID. auf S. Vito
al Tagliamento einzuschwenken.
Die Gruppe Scotti, die wegen Ermüdung der Truppen erst ¡am
späten Vormittag aufbrach, wurde durch andere, von Osten nach Westen
rückende Kolonnen vielfach aufgehalten. So vermochte die 117. ID. nur
bis Flambruzzo und Ariis zu gelangen; die Vorhut hastete allerdings
noch bis Madrisio. Von der k.u. k. 1. ID. kam die von Pasian di Prato
aufbrechende 22. GbBrig. nur bis Pozzuolo. Die 7. GbBrig. marschierte
im Sinne eines früheren Befehles von Mortegliano nach Campoiformido
und Pasian di Prato. Die 1. ID. fiel somit beim Stoß nach Südwesten ;aus.
Um so raumgreifender schritt die 60. ID. aus. Sie drang über Ro-
mans, das die italienische Nachhut bereits geräumt hatte, bis Madrisio
vor und traf mit der 10. GbBrig. um 8h 30 abends vor der vom Feinde
in Brand gesteckten Brücke ein. Das Feuer wurde gelöscht und noch
nachts die Wiederherstellung der am Westende überdies gesprengten
Brücke in Angriff genommen. Am 1. November früh sahen sich die vor-
bauenden Pioniere nur etwa 30 Meter vom westlichen Ufer getrennt,
von dem nur ganz schwaches Gesehützfeuer herüberschlug. Da erhielt
die 60. ID. den strikten Befehl des FML. Ko,sak, sofort nach Norden in
den Raum nördlich der Straße Codroipo—C. Pte. d. Delizia abzurücken.
Unbegreiflicherweise nutzte FML. Goiginger die Gunst des Augenblicks
nicht aus und ließ von der Flußüberschreitung ab, der eigentlich nichts
*) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 517.
588
Die Herbstoffensive gegen Italien
mehr im Wiege stand. Hiemit blieb die Möglichkeit unausgenutzt, die
hier noch gar nicht gefestigte italienische Uferverteidigung zu durch-
stoßen unid auf dem Westufer die Rückmarschlinie des Feindes zu
unterbinden.
Die vor neuen Erfolgen stehende 60. ID. wurde angehalten, weil
sich jetzt doch die vom GO. Boroevic erlassenen Weisungen, in denen
die Vorrückungsstreifen bis zum Tagliamento festgesetzt waren (S. 580),
fühlbar zu machen begannen. Eine Stütze erwuchs dem GO. Boroevic bei
diesem Entschluß in einem vom Erzherzog Eugen am 30. erlassenen Be-
fehle, demzufolge bei der Fortsetzung der Offensive jede Armee in
dem ihr zugewiesenen Vorrückungsraum den Tagliamento zu über-
schreiten habe; der 14. Armee wurde als südlichste Marschlinie die von
Pozzo ausgehende, über Pordenone, Prata, Fontanella nach Tezze füh-
rende Straße zugewiesen. Nach einer andern, ebenfalls am 30. ergange-
nen Verfügung des Erzherzogs, sollten jene Divisionen der 14. Armee,
die sich in den Bereich der Heeresgruppe Boroevic eingeschoben hatten,
unter Befehl des Generalobersten treten, der dafür in zweiter Linie
nachfolgende Divisionen gleicher Zahl an Gdl. Below abgeben sollte.
Da mit diesen Befehlen jene Verfügungen, die für den Vorstoß auf Lati-
sana erlassen worden waren, nicht im Einklang standen, ergab es sich
am 31., daß bei allen Korps der 2. Isonzoarmee Marschänderungen vor-
genommen werden mußten.
Das II. Korpskmdo. hatte in der Nacht auf den 31. von den Ver-
fügungen Belows und Goigingers für den Stoß auf Latisana Kenntnis
erlangt. Die Verlockung war groß, sich diesem erfolgversprechenden
Unternehmen anzuschließen. Dennoch glaubte Gdl. Kaiser, den wieder-
holten und nachdrücklichen Befehlen des Kommandos der 2. Isonzo-
armee, ohne jede Rücksicht auf das Verhalten der 14. Armee am Marsch
nach Westen im zugewiesenen Streifen festzuhalten, nicht entgegenhan-
deln zu dürfen. Er beschloß jedoch, um den Südstoß nicht zu stören, sein
Korps erst nach dem Vorbeimarsehe der Divisionen Soottis durch Cam-
poformido an den Tagliamento zwischen S. Odo rico und Ri vis rücken
zu lassen. Als nachmittags gelegentlich einer Besprechung in Udine beim
14. Armeekmdo. dessen Stabschef, GLt. Krafft, die Freihaltung des Rau-
mes am Tagliamento für die 14. Armee und, um neuerliche Kolonnen-
kreuzungen zu vermeiden, das sofortige Anhalten des II. Korps forderte,
verstand sich Gdl. Kaiser auch dazu. Allerdings war mittlerweile die
28. ID. bis nach Tomba, Blessano und Bressa, und die 57. ID. nach
Orgnano, Campoformido und Basaldella gelangt. Das II. Korps hatte
Wechselnde Marschrichtungen bei der 2. Isonzoarm.ee
589
somit dem ihm vom 14. Armeekmdo. erteilten Befehle entsprochen und
dennoch die Marschrichtung gegen Westen eingehalten.
Der vom FML. Kosak für den 31. Oktober erlassene Befehl zum
Vormarsch in den Elußabschnitt Rivis—C. Pte. d. Delizia gelangte nicht
zu den Divisionen. Wohl aber führte sie FML. Goiginger, wie schon aus-
geführt wurde, auf eigene Verantwortung gegen Latisana vor. Als
FML. Kosak am 31. davon erfuhr, traf er alle Maßnahmen zum Um-
lenken seiner Truppen. Die 9. ID. wurde im Räume Pozzuolo—Risano
zum Halten gebracht. Die 35. ID. konnte noch rechtzeitig nach Basag-
liapenta und Nespoledo abgedreht werden. Die 60. ID. bekam den Be-
fehl zum Marsch nach Norden aber erst am 1. November früh in
Madrisio.
Die vom FML. Urbarz befehligte 24. ID. des XXIV. Korps hatte
sich dem Vorgehen Goigingers angeschlossen und marschierte von La-
variano über Mortegliano und Torsa nach Ariis. Hier traf sie mit der
44. SchD. des VII. Korps zusammen, die den Ort eben feindlichen Nach-
huten entrissen hatte. Die gesprengte Brücke über die Stella konnte aber
bis spät nachts nicht benützbar gemacht werden; daher nächtigte die
24. ID. gemeinsam mit den Teilen der 44. SchD. in Ariis und in Torsa.
FML. Urbarz, der mit dem XXIV. Korpskmdo. keine Verbindung
hatte, befahl als rangälterer Divisionär am 31. früh der 53. ID., über
Castions di Strada und Muzzana gleichfalls Marschrichtung auf Latisana
zu nehmen. GM. v. Stöhr, der Kommandant der 53. ID., drehte hierauf
seine Vorhut von Bicinicco auf Castions di Strada ab, wo sie aber schon
mit Truppen des XVI. Korps zusammenstieß. Eine auf erbeutete Last-
kraftwagen gesetzte Abteilung der 53. ID. fuhr sogar bis Palazzolo vor
und traf die hier schon im Kampfe gegen feindliche Nachhuten stehende
Vorhut der 10. ID. an. Nach dreimaligem Eingreifen des XXIV. Korps-
kmdo s., wodurch die Division abwechselnd nach Latisana und nach
Codroipo gewiesen wurde, bezog sie schließlich in Mortegliano und
Castions di Strada Nachtquartier.
Die Divisionen der 1. Isonzoarmee wurden in ihrem Vormarsche
durch keine Richtungsänderungen beeinträchtigt, wohl aber durch das
von Norden her erfolgende Einströmen der nach Latisana strebenden
Truppen der 2. Isonzoarmee. So kreuzte den Weg der von Palmanova
gegen Codroipo marschierenden 14. ID. des XVI. Korps bei Castions di
Strada die 53. ID. des XXIV. Korps. Der Nächtigungsbereich der 14. ID.
dehnte sich daher von Fiambro bis Gonars. Die 58. ID. belegte abends
den Raum um Palmanova. Der 44. SchD. des VII. Korps wurde bereits
590
Die Herbstoffensive gegen Italien
Erwähnung getan; ihre Marschquartiere streckten sich bis Corgnolo. Die
vorgeschobene Abteilung der 10. ID. traf westlich von Palaz&olo auf
die Nachhut der italienischen 3. Armee, die — weil sie den Stellaabschnitt
zu früh geräumt hatte — wieder vorgetrieben worden war. Die Italie-
ner, Teile der 4. und der 61. ID., wurden zurückgedrängt, deckten ,aber
später in einer Aufstellung knapp vor Latisana das Abfließen der letz-
ten Truppen der 2. und der 3. Armee.
Die übrigen Divisionen der 1. Isonzoarmee standen am 31. abends
in den a,m Vortage bezogenen Quartieren. Am 31. um, 9h abends wurde
die Eisenbahnbrücke bei Pieris wieder für Infanterie benützbar; hierauf
begann die 41. HID. mit dem Übergang. Die 12. ID. wurde bei ihrer Fluß-
übe rschiiffung am 31. durch Motorboote der Kriegsmarine unterstützt.
Auch besetzte ein Landungsdetachement des Kreuzers „Admiral Spaun'
an diesem Tage Grado, das der Feind zwei Tage vorher verlassen hatte1).
Am 1. November wurde die Lage bei Latisana vollständig bereinigt.
Vor dem Angriff der Vortruppen der 10. ID. zog sich die italienische
Nachhut nach heftigem Straßenkampfe auf das Westufer zurück und
sprengte nachmittags die Brücken. Ein durch die vorzeitige Sprengung
abgeschnittenes Bataillon wurde gefangen.
Der Ausklang der Schlacht
In der Schlacht bei Codroipo—Latisana hatten die Verbündeten
einen neuen, gewaltigen Sieg errungen. Die Zahl der bis zum 2. Novem-
ber eingebrachten Gefangenen war bei der deutschen 14. Armee allein
auf 200.000 Mann gestiegen2). Die ungeheure Menge des in den Ort-
schaften, auf allen Straßen und auch auf Nebenwegen vorgefundenen
Kriegsgerätes war noch gar nicht zu übersehen. Eine flüchtige Schätzung
sprach allein von 1700 erbeuteten Geschützen. Es währte noch Wochen
und Monate, ehe die ganze Beute geordnet und ihrer Verwendung zu-
geführt werden konnte. Verpflegsgüter, Pferde und Fuhrwerke wurden
allerdings sofort zur Deckung des eigenen Bedarfes herangezogen; sie
ermöglichten es den Armeen, ohne auf Nachschub zu warten, weiter
vorzurücken. Daß die von den öden Karstlandschaften kommenden
i-) Kriegsar.c'hiv (Marinearchiv), Österreich-Ungarns Seekrieg 1914—1918,842.
2) Die Gruppe Krauss 'hatte bis zum Monatsende 45.000 Gefangene, 340 Ge-
schütze und mehrere hundert Maschinengewehre eingebracht; 25.000 Gefangene und
120 Geschütze entfielen auf die k. u. k. 50. Division.
Beurteilung des Vorstoßes auf Latisana
591
ausgehungerten Soldaten sich zuweilen allzu sehr an den ihnen schon
fast unbekannten Genußmitteln gütlich taten, soll nicht bestritten wer-
den. Es wurden aber rascfaestens Maßnahmen getroffen, um eigenmäch-
tiges Beitreiben durch Einzelpersonen zu verhindern. Daß jedoch auch
italienische Truppen und Gefangene geplündert hatten, ist bereits er-
wähnt worden (S. 569).
Der große Erfolg hatte sich vornehmlich durch das rasche Vor-
stoßen der aus dem Gebirge herausgetretenen Divisionen über Udine
auf Codroipo und durch die Wegnahme der Brücken bei C. Pte. d. Delizia
ergeben. Gewaltige Massien italienischer Streitkräfte, die zum Teil des
festen Gefüges schon entbehrten, wurden dadurch im Mündungswinkel
des Tagliameoto zusammengepreßt. Die Möglichkeit, dies zu ihrer
Vernichtung auszunützen, hatten feindnahe Führer schon am 29. Oktober
abends erkannt. Die 1. Isonzoarmee anzuhalten und mit der 2. Isonzo-
armee und mit den beiden linken Korps Belows am 30. Oktober früh
nach Süden zu stoßen, hätte, wie man heute annehmen darf, das Er-
ringen eines neuen großen Erfolges einleiten können. Die zahlreichen,
aus der Linie Palmanova—Codroipo von Norden nach Süden führenden
Straßen hätten ein solches Unternehmen sehr begünstigt. Wegen unzu-
länglicher Verbindungen zu den noch weit abgebliebenen höheren Führer-
steilen der Heeresgruppe Bor oe vie und zum Kommando der Südwestfront
war es jedoch nicht dazu gekommen; und auch der tatsächlich, aller-
dings nur mit drei Divisionen, unternommene Südstoß wurde im Laufe
des 30. in seinem Schwünge noch gemindert. Dadurch glückte es sehr
bedeutenden Teilen des Feinides, über Madrisio und Latisana das ret-
tende Westufer des zu einem breiten Strom angeschwollenen Taglia-
mento zu gewinnen.
Am 31. Oktober versuchten erheblich stärkere Kräfte der Verbün-
deten neuerlich, die auf dem Ostufer zurückgebliebenen Italiener zu
fassen. Jedoch nur wenn die Verbündeten zu sehr früher Stunde bis
an die Brücken bei Latisana gelangt wären, hätten sie wahrscheinlich
noch ansehnlichere Reste des feindlichen Heeres abschneiden können.
Sie trafen ;aber erst abends bei Madrisio* ein; um diese Zeit war das
Ostufer vom Feinde schon fast völlig geräumt. Die Verbündeten griffen
hier ins Leere.
Durch das Vordringen der Gruppen Hofacker und Scotti sowie der
2. Isonzoarmee gegen Codroipo und Latisana hatte sich das Schwer-
gewicht über die tagelang ungeklärten Bereichsgrenzen seitlich hinweg
nach Süden verschoben. Am 31. abends standen die zwei genannten
592
Die Herbstoffensive gegen Italien
Korps der 14. Armee mit allen Teilen im Bereiche der Heeresgruppe
Boroevic und drei Divisionen der 2. Isonzoarmee im Vorrückungsraume
der Armee Wurm. Da der Feind das ganze östliche Tagliamentoufer
preisgegeben hatte, und der Übergang bei Madrisio im letzten Augen-
blick von uns aufgegeben worden war, lag kein Grund für ein Ver-
harren in dieser Zusammenballung mehr vor. Dies um so weniger, als
Übergangsversuche, die am 1. November von der deutschen 26. ID. bei
Codroipo, von der 200. nordwestlich von Gradiscutta und von der 5.
bei Madrisio unternommen worden waren, wegen der reißenden Strö-
mung und des unzureichenden Brückengerätes erfolglos blieben1). Auf
den vom Erzherzog Eugen anbefohlenen Austausch der in den Nachbar-
bereich geratenen Divisionen der 14. Armee durch nachfolgende Kräfte
der Heeresgruppe Boroevic ging Gdl. Below nicht ein2). Da jetzt aber
die beiden Isonzoarmeen auch an den Tagliamento herandrängten, ent-
standen zahlreiche Reibungen. Diese durch die unklaren Befehls Verhält-
nisse recht verwirrte Lage wurde — wie noch auszuführen sein wird
— erst in den ersten Novembertagen bereinigt.
Der schließlich nicht voll befriedigende Ausgang der Schlacht
kann die Größe des erfochtenen Sieges nicht schmälern. Tiefbewegten
Herzens dankte auch Kaiser Karl in einem ¡am 2. November erlassenen
Armeebefehl allen im nunmehr befreiten Küstenlande fechtenden Krie-
gern. Er wandte sich im besonderen an die Isonzoarmeen und gedachte
,,all der glänzenden Leistungen, die seit Pfingsten 1915 von Führern
und Truppen gegen Italien vollbracht worden sind". In noch weiter-
reichender Rückschau hieß es dann: „An den Wachtfeuern in Friaul
leben für meine Wehrmacht stolze Erinnerungen wieder auf, Erinne-
rungen an längst vergangene Ruhmesepochen, in denen die soldatische
Jugend meines unvergeßlichen Großoheims, des Kaisers und Königs
Franz Joseph, wurzelt und die von den Namen meiner Altvorder ein
Karl und Albrecht und von dem Radetzkys nie und nimmer zu trennen
sind. . .
1) K r-aff.t, II, 129 ff. — Von Seite des 14. Armeekmdos. wurde damals geltend
gemacht, es sei nicht angängig, daß so starke deutsche Kräfte unter öst.-ung. Kom-
mando träten. Auf Einspruch des k. u. k. AOK. bei der DOHL. gestand diese dem
Kommando der Südwestfront das übrigens selbstverständliche Recht zu, deutsche
Divisionen, die in den Raum einer öst.-ung. Nachbararmee gelangten, dem betreffen-
den Armeekommando zu unterstellen. In der Folge kam es aber nicht mehr zu
einer Unterstellung einer deutschen Division unter ein öst.-ung. Armeekommando.
2) Ebenda, II, 105.
Weisungen für den Vormarsch der 10. Armee
593
Das Erzwingen des Überganges über den Tagliamento
Hiezu Beilage 29
Vordringen der 10. Armee und der Gruppen Krauss und
Stein bis an den Tagliamento
(30. Oktober bis 1. November)
Während der Südflügel der Armee Below und die Heeresgruppe
Boroevic in den letzten Oktobertagen dem Feinde bei Codroipo und
Latisana neuerlich eine entscheidende Niederlage beibrachten, strebten
nördlich davon die Divisionen der Verbündeten dem Tagliamento zu,
um ihn zu überschreiten.
Das 10. Armeekmdo. beabsichtigte, die 94. ID., FML. Lawrowski,
mit der Masse zwischen Comegliano und Villa Santina, mit einer Neben-
gruppe bei Tolmezzo zu versammeln; die Gruppe Fässer sollte, bis der
Anschluß an das XX. Korps der Heeresgruppe Conrad hergestellt war,
bei Sappada und Forni verbleiben. Die Gruppe Hordt hatte zunächst
bei Moggio und Resiutta aufzuschließen. In dieser Lage beabsichtigte
GO. Krobatin sodann so lange zu verharren, bis die links benachbarte
Gruppe Wieden ihren Vormarsch durch das Fellatal vollzogen hätte und
die großen Schwierigkeiten des« Nachschübe s auf den vielfach zerstörten
Straßen und Wegen behoben sein würden. Die k.u. k. Heeresleitung,
von diesem Vorhaben Krobatins in Kenntnis gesetzt, wies den General-
obersten am 29. neuerlich zum Vormarsch in das Cadorebecken an;
die Masse seiner Armee hatte aus den genannten Versammlungsräumen
im Tagliamento tale, die Gruppe Fasser über den Col Rementera und
über Sappada vorzurücken. Um hiebei die Übereinstimmung mit der
14. Armee zu wahren, löste die Heeresleitung die 10. Armee aus den
Verband der Heeresgruppe Conrad und unterstellte sie vom 31. Oktober
an dem Erzherzog Eugen.
Die 94. ID. erreichte am 30. mit der 25. GbBrig. Comegliano. Die
57. GbBrig. focht gegen Nachhuten der italienischen 36. ID. bei Ced-
archis. Tags darauf gewann die Division Lawrowski Tolmezzo und Villa
Santina. Ein weiteres Vorrücken verwehrte der Feind, der mit der
26. ID. bei Ampezzo stand, mit der 36. aber zwischen Preone und Ca-
vazzo auf dem Südufer des Tagliamentos Stellung bezog und das Tal
sowie die Übergänge durch Feuer beherrschte. Die in Sappada stehende
VI 38
594
Die Herbstoffensive gegen Italien
Gruppe Fasser hatte die rechte Flügelabteilung der italienischen 4. Ar-
mee vor sich, die auf dem Mt. Terzo pic. À 2334 und auf dem Mt. Curie
A 2035 schanzte. Vortruppen dieses Feindes wurden von der Gruppe
Fasser am 1. November aus Gr an villa vertrieben. Von der Gruppe Hordt
schloß die 29. GbBrig. in Moggio, die 59. GbBrig. in Resiutta auf.
Die auf dem rechten Flügel des italienischen XII. Korps stehende
63. ID. hielt den Bergfuß des Mt. S. Simeone zwischen Cavazzo und
Trasiaghis besetzt. Sie und die Geschütze des Sperrforts Mt. Festa ver-
hinderten bei Tag jeden Verkehr :auf den zum Teil abgesprengten Tal-
straßen, die von Stazione per la Carnia nach Westen und nach Süden
führten.
Nun hatte Gdl. Krauss noch am 28. Oktober der Gruppe Wieden
befohlen, die Bahn zwischen Racoolana und Stazione per la Carnia in
Besitz zu nehmen, eine stärkere Abteilung nach Tolmezzo vorzutreiben
und mit der Hauptkraft beiderseits des Mt. S. Simeone nach Süden vor-
zugehen, wobei die diesen Berg krönenden Befestigungen durch Hand-
streich genommen werden sollten. Die 22. SchD. hatte nach Gemona zu
rücken und die Hand auf Osoppo und die Brücke bei Braulins zu legen.
Daß diese Brücke schon gesprengt war, wußte man noch nicht.
Gdl. Krauss konnte jedoch mit der Gruppe Wieden keine Verbin-
dung erlangen. Um ihr den Austritt aus dem Fellatale zu erleichtern,
wies er am 30. früh die 22. SchD. an, nach Norden vorzugehen. Wieden
war unterdessen am 30. mit der nördlichen Kolonne der Edelweißdivi-
sion bis vor Stazione per la Carnia gelangt, konnte nun aber wegen des
vom Westufer herüberschlageniden italienischen Feuers nicht weiter. Die
Dreierkaiserjäger erreichten Venzone. Die deutsche Jäger di vision hielt
noch auf der Straße zwischen Ponte und Resiutta. GM. Wieden plante,
sie auf dem nördlichen Talhang nach Tolmezzo zu weisen, damit sie
dann über Cavazzo und den Mt. S. Simeone vordringe. Die Edelweiß-
division (217. IBrig.) sollte im Tagliamen total nach Süden rücken.
Bald nach Mitternacht auf den 31. Oktober erhielt Gdl. Krauss
endlich vom GM. Wieden einen Lagebericht, dem die Schwierigkeiten
eines Flußüberganges nächst der gesprengten Brücke bei Stazione per la
Carnia zu entnehmen waren. Da Krauss auch über das von der 10. Ar-
mee im Tagliamentotal geplante Vorgehen unterrichtet war, wies er die
Gruppe Wieden an, auf das Einschwenken über den Mt. S. Simeone zu
verzichten und mit allen Teilen auf dem Ostufer südwärts nach Artegna
(Edelweißdivision), Ospedaletto und Venzone (Jägerdivision) zu mar-
schieren. Die 22. SchD., die am 30. mit Teilen Ospedaletto und Osoppo
Vordringen der Gruppen Krauss und Stein gegen den Tagliamento 595
kampflos besetzt, vom Westufer aber starkes Feuer erhalten hatte,
sollte am 31. ruhen.
Dem GM. Wieden glückte es, seine beiden Divisionen am 31. noch
vor Tagesanbruch auf der teilweise abgesprengten und durch feindliches
Feuer gefährdeten Talstraße fast verlustlos in die anbefohlenen Räume
zu führen. Nur Teile der Jägerdivision konnten erst am nächsten Tage
folgen. Die Edelweiß- und die Jägerdivision durften sich am 1. Novem-
ber wohlverdienter Rast erfreuen. Die 22. SehD. wurde an diesem Tage
südwärts nach Tomba und Mels verschoben, um erforderlichen Falles
der 50. und der 55. ID. beispringen zu können.
Diese beiden Divisionen hatte Gdl. Krauss am 30. Oktober gegen die
Brücken bei Cornino und Pinzano angesetzt. Waren diese Übergänge ge-
nommen, so sollte die 55. ID. diese Brücken mit je einer Brigade über-
schreiten und auf dem Westufer kleine Brückenköpfe vorbauen. Die
50. ID. hatte über beide Brücken zu folgen und sich sodann südlich der
55. im Räume Pinzano—Valeriano—Oltrerugo zu sammeln. Der 55. ID.
wurde noch scharfe Aufklärung nach Nordosten aufgetragen.
Indessen durchschritt am 30. das von der 55. ID. vorgesandte Ba-
taillon IV/bh. 4 nach heftigem Ortsgefecht Majano, entriß, durch eine
Batterie und Maschinengewehre der deutschen 12. ID. unterstützt, dem
Feinde die starke Stellung bei Susans und stieß bis zur Eisenbahnbrücke
bei Comino vor. Etwa 1500 Gefangene und eine Beute von 6 Geschützen
und 31 Maschinenge wehren sandte das tapfere Bataillon zu seiner Divi-
sion zurück, die mittlerweile in Tarcento eintraf. Die 50. ID., die das
Panzerwerk Tricésimo ohne Verteidiger und ohne Geschütze vorfand,
erkämpfte sich gegen eine Brigade der italienischen 16. ID. bei Tomba
den Übergang über den Ledrakanal und kam noch nach C. Gentilini
und bis nahe ;an Majano heran.
GLt. Stein, der vermeint hatte, kampflos bis an den Tagliamento
und vielleicht sogar über ihn hinaus gelangen zu können, sah sich am
30. in seinen Hoffnungen getäuscht. Die deutsche 12. ID., die bei Pin-
zano über den Fluß gehen sollte, um sodann nach Südwesten einzu-
schwenken, stieß bei S. Daniele sowie nördlich und westlich davon auf
sehr hartnäckigen Widerstand, den sie erst gegen 4h nachm. zu brechen
vermochte. Ungefähr 10.000 Gefangene und 50 Geschütze der 16. und
der 34. ID. sowie der 2. KD. des Feindes blieben in der Hand der
Deutschen.
Die Höhen bei S. Daniele und bei Susans waren nämlich die Schlüs-
selpunkte einer brückenkopfartigen Aufstellung der Italiener, in der
38*
596
Die Herbstoffensive gegen Italien
die Divisionen 43, 16, 13 und 34 den Rückzug der übrigen Teile der
2. Armee zu decken hatten. Diese Linie war nun vom Bataillon IV/bh. 4
bei Susans und von der deutschen 12. ID. bei den Orten S. Tommaso und
S. Daniele durchbrochen worden. Fluchtartig ging der Feind über die
Eisenhahnbrücke bei Cornino, über eine Pilotenjochbrücke nördlich von
Pinzano und über eine steinerne Straßenbrücke bei Pinzano selbst zurück.
Das verfolgende Bataillon IV/bh. 4 stürmte nun über die Eisenbahn-
brücke vor; mitten auf der Brücke angelangt, zwang ¡aber starkes Feuer
die tapferen Bosniaken in ihrem ungestümen Siegeslauf zu Boden. Die
über S. Daniele nachstoßende deutsche 12. ID. kam indessen vor dem
hochragenden und von einer Brigade des italienischen Spezialkorps
besetzten Mt. Ragogna zum Stehen. So glückte es den Italienern im
letzten Augenblick, die Verbündeten am Überschreiten des Flusses zu
hindern. Sie vermochten daher an den beiden folgenden Tagen mit der
Masse des Spezialkorps und mit den Resten der Korps VII, XXVIII,
und XXVII eine Aufstellung am Westufer zwischen Trasaghis und den
Brücken bei C. Pte. d. Delizia zu beziehen. Das zerschlagene IV. Korps
wurde hinter das Spezialkorps in Reserve zurückgezogen.
Das Alpenkorps der Gruppe Stein sollte bei Dignano und Bonzicco
den Fluß- überschreiten. Es rückte am 30. in zwei Marschsäulen vor,
die — ohne auf Feind zu treffen — den Fluß erreichten. Von der rech-
ten Kolonne zweigten sodann zwei Bataillone mit vier Batterien gegen
Norden ab und beteiligten sich am erfolgreichen Kampf der 12. Divi-
sion. Die Masse des Alpenkorps traf weiterhin Übergangsvorbereitun-
gen bei Bonzicco. Die nachrückende 13.SchD. erreichte Pagnacco und
Feletto nordwestlich von Udine.
Mit Spannung harrte Gdl. Below der Nachrichten über die erste
Flußbezwingung. Bedauerlicherweise hatten alle Divisionen zu wenig
Brückengerät. Das deutsche wurde erst :am 28. Oktober aus Rumänien
abgesendet. Die öst.-ung. Kriegsbrückenequipagen waren in den end-
losen Troßkoloninen weit hinten eingeteilt und konnten jetzt nicht vor-
kommen; überdies waren sie vielfach ganz ungenügend bespannt. Da der
angeschwollene Tagliiamento mit einer Stromgeschwindigkeit von 6 bis
S sm dahinfloß, und das Westufer vom Feinde stark besetzt war, schie-
nen die Übergangsversuche nicht sonderlich aussichtsvoll zu sein. Ge-
lang aber der Übergang, dann sollte die Armee mit stark gehaltenem
rechtem Flügel am Gebirgsfuß entlang gegen Vittorio vorrücken und
mit Teilen nur so weit in das Gebirge hineingreifen, um das Vorgehen
in der Ebene gegen ein von den Höhen herunterschlagendes Flanken-
Die Eroberung des Mt. Ragogna
597
feuer schützen zu können. Die Gruppe Krauss wurde am 30. nochmals
angewiesen, sich nachdrücklich um den Übergang bei Gemona und
Comino zu bemühen. Sie sollte in weiterer Folge auf Sacile, die Gruppe
Stein auf Pordenone Richtung nehmen1).
«Am 31. Oktober setzten die 55., die 50. und die deutsche 12. ID.
den Kampf um die Tagliamentoübergänge fort (siehe Nebenskizze auf
Beilage 29). Die 55. ID., die auf Cornino gewiesen war, gelangte zu-
nächst bis Buja und Mels. Unterdessen traf die 3.GbBrig. der 50. ID.
bei der Eisenbahnbrücke ein; sie sollte hier den Fluß überschreiten,
nach Pinzano vorstoßen und dadurch die dortigen Übergänge für die
Masse der Division aufriegeln. Bald nachher rückte die 26. GbBrig. der
55. ID. zur Bahnbrücke heran. Beide Brigaden griffen nun nachmittags
den auf der Insel Colle Clap at eingenisteten Feind an; ihr Ansturm
glückte aber nicht. Kein bessere,s Schicksal hatte ein während der Nacht
von je einem Bataillon der beiden Brigaden unternommener neuerlicher
Versuch. Diese Mißerfolge ließen erkennen, daß ohne ausgiebige Feuer-
unterstützung durch Artillerie bei Cornino nichts auszurichten war.
Gegen den die Brücken bei Pinzano beschirmenden Feind, der in
einer gut verdrahteten Stellung auf dem Mt. Ragogna stand, brachen
am 31. Oktober die deutsche 12. ID. und die 15. GbBrig. der 50. ID. von
Süden und Osten her zum Angriff vor; Teile der 3. GbBrig. schlössen
sich von der Eisenbahnbrücke her in wirksamer Richtung dem Unter-
nehmen an. Doch auch dieses litt unter dem Mangel einer kräftigen
artilleristischen Unterstützung; die Batterien hatten zu wenig Munition.
Daher vermochte sich die Brigade Bologna, der zahlreiche, auf dem
Westufer aufgestellte Batterien Beistand leisteten, auf dem Mt. Ragogna
zu behaupten. Sie hatte den gemessenen Befehl erhalten, „um jeden
Preis und so lange als möglich Widerstand zu leisten". Die Brücken
sollten nur im Augenblicke höchster Gefahr gesprengt werden2).
Der 1. November brachte auf dem Ostufer endlich die Entscheidung.
Die 50. ID. erstürmte die Gipfelhöhe des Mt. Ragogna und stieß bis
zur mittleren Brücke durch. Die deutsche 12. ID. kam aber, obwohl sie
ihren linken Flügel verstärkt hatte, nur schwer gegen die südliche
Brücke vor. Da sprengte der Feind um llh30vor'm. die beiden Brücken.
Die italienische Brigade, die sich bisher auf dem Mt. Ragogna helden-
mütig gewehrt hatte, gab nun den Widerstand auf; 50 Offiziere und
3000 Mann streckten die Waffen. Der hierauf von Teilen der 12. ID.
1) Kr äfft, II, 117.
2) Bericht der Untersuchungskommission, I, 256 f.
598
Die Herbstoffensive gegen Italien
und einem vorgezogenen Regiment der 13. SchD. unternommene Ver-
such, den Tagliamento knapp südlich der gesprengten Steinbrücke zu
durchfurten, erwies sich, obgleich der Wasserstand langsam fiel, noch
als unausführbar. Von den nachrückenden Divisionen der Gruppe Stein
erreichte die Masse der 13. SchD. am 1. November S. Daniele, • die
deutsche: 117. ID. Flaibano.
Bei Cornino hatte der Feind noch vor Tagesanbruch die kleine
Insel Colle Clapat geräumt und hierauf den zweiten Teil der von hier
auf das Westufer führenden Bahnbrücke gesprengt. Die Insel, die einen
guten Ausgangspunkt für die Fortsetzung des Unternehmens bot, wurde
hierauf durch ein Bataillon der 3.GbBrig. besetzt.
Die in Reserve gestellte Gruppe Scotti lag am 1. November mit
der 1. ID. im Räume um Udine, mit der 4. ID. in jenem um Cividale
und mit der 33. ID. bei Karfreit in Ruhequartieren.
Die Entwirrung der Lage bei der Heer es gruff e Boroevié
(1. November)
Die 2. Isonzoarmee versammelte sich am 1. November im Räume
um Codroipo, da sie westlich davon den Tagliamento überschreiten
sollte. Am Herankommen bis an den Fluß wurde sie aber durch deutsche
Truppen und Trains gehindert, die alle knapp am Ufer gelegenen Ort-
schaften dicht belegt hatten. So blieb das II. Korps am 1. November in
den am Vortag erreichten Räumen. Von der Gruppe Kosak kam die
35. ID. nach Gradisca, die 60. nach Pozzo, Goricizza und Beano; das
XXIV. Korps bezog in Passariano und Rivolto Quartiere.
Vor diesen öst.-ung. Truppen stand die deutsche Gruppe Hofacker
der 14. Armee am Tagliamento, und zwar mit der 26. ID. westlich
von Codroipo, mit der 200. südwestlich davon und mit der 5. ID. bei
Madrisio. Im Sinne der vom Erzherzog Eugen am 31. Oktober erlas-
senen Weisung sollte nun die Gruppe Hofacker unter Befehl des Kom-
mandos der 2. Isonzoarmee treten. Sie wurde von diesem hiezu auch
angewiesen, doch kam es nicht zur Ausführung des Befehles.
Das Kommando der 2. Isonzoarmee verlegte am 1. November sein
Hauptquartier von Unt. Loitsch nach Cormons. Dadurch ergab sich die
höchst willkommene Gelegenheit zu einer Aussprache mit einem höhe-
ren Generalstabsoffizier des deutschen 14. Armeekommandos. Ami. No-
vember abends wurde in Cormons vereinbart, daß die im Räume der
Vormarsch der Isonzoarmeen an den Tagliamento
599
2. Isonzo armee noch mit Übergangs versuchen beschäftigten deutschen
Truppen einstweilen ihre Tätigkeit fortzusetzen und dem Gdl. Below
unterstellt zu bleiben hatten. Die Divisionen der 2. Isonzoarmee sollten
dessenungeachtet in ihren Streifen bis an den Fluß heranrücken und sich
bereitstellen, um hinter den Deutschen die Vorrückung anzutreten. Jen-
seits des Flusses hatten sich die drei deutschen Divisionen wieder in
ihren Armeebereich zu verschieben1). So glückte es durch mündliche
Besprechung rasch, die Entwirrung in die Wege zu leiten.
Das Kommando der 1. Isonzoarmee hatte schon am 30. Oktober
seine vorderen Divisionen zum scharfen Nachdrängen über den Taglia-
mento angewiesen. Jenseits des Flusses hatten zunächst aber nur das
aus den Divisionen 14, 44 und 48 zu bildende VII. Korps und das
XXIII. mit der 10. ID. und der 41. HID. vorzurücken, wobei diese
Divisionen auf Kosten der übrigen — 12., 17., 58. und 63. ID. — mobil
zu machen waren. Diese letztgenannten hatten samt dem XVI. Korps-
kmdo. im Raum südlich von Palmanova zu beiden Seiten der Reichs-
grenze zu verbleiben.
Am 1. November erreichte die 14. ID. des XVI. Korps Passariano
und Fiambro, die 58. ID. dehnte ihre Unterkünfte von Palmanova bis
Gonars aus. Von der noch westlich von Garz stehenden 63. ID. hatte
je eine Brigade nach Udine und Palmanova als Besatzung zu gelangen.
Vom VII. Korps erreichte die 44. SchD. nördlich und südlich von
Madrisio den Fluß. Die Arbeiten an der beschädigten Brücke hatte nach
dem Abmarsch der 60. ID. eine Pionierkompagnie der deutschen 117. ID.
fortgeführt, wegen Verluste aber bald eingestellt. Der Feind war wach-
sam geworden und verhinderte durch Feuer jede Bewegung am Ufer.
Darunter litten aucft die Übergangsvorbereitungen der deutschen 5. Di-
vision. Die k.u. k. 48. ID. stand an der Reichsgrenze bei Strassoldo,
die 17. noch am Isonzo bei Sagrado.
Die an der Spitze des XXIII. Korps vordringende 10. ID. breitete
sich nach der Eroberung von Latisana am Ostufer aus. Die 41. HID.
nächtigte zwischen S. Giorgio di Nogaro und Gervignano. Die 12. ID.
hatte ihre Überschiffung über den unteren Isonzo beendet und rückte
nach Terzo und Aquile ja.
Das als Reserve der Heeresfront bestimmte IV. Korps stand am
1. November mit der 29. ID. noch in Chiapovano und Lokve, mit der
20. HID. im Räume um Görz und mit der 9. ID., die jetzt erst erfuhr,
daß sie zum IV. Korps gehörte, in Pozzuolo.
i) Kr äff t, II, 135.
600
Die Herbstoffensive gegen Italien
Gegenüber der Heeresgruppe Boroevic ordnete sich die italienische
3. Armee, Vili., XI., XIII. und XXIII. Korps, von den Brücken bei
C. Pte. d. Delizia bis zum Meere zur Verteidigung des westlichen Taglia-
mentoufers. Die zwei südlichen Korps der 2. Armee, das XXIV. und
das II., sowie das jetzt zur 3. Armee gehörende VI. sammelten sich
dahinter zwischen Casarsa und S. Vito al Tagliamento. Das aus den
Divisionen 4, 7 und 58 neugebildete XXV. Korps wurde bei Porto-
gruaro bereitgestellt.
Der Vorstoß über den Tagliamento
Die Maßnahmen der hohen Führung hei Freund und Feind
Am 1. November stand abwärts von Villa Santina kein Italiener
mehr auf dem östlichen Tagliamentoufer. Auf dem Westufer hielt der
Feind aber scharfe Wacht und hatte bis jetzt jeden Übergangs versuch
zu vereiteln vermocht. Wollten die Verbündeten ihre Vorrückung fort-
setzen, so mußten alle Bestrebungen auf ein rasches Überschreiten des
Tagliamentos gerichtet sein, ehe sich hier der Widerstand der Italiener
versteifte.
Unterdessen hatte am 29. Oktober Ludendorff in Baden angefragt,
wie man sich hier das Weiterführen der Kriegshandlung denke, wenn
wegen der gespannten Lage an der Westfront fünf deutsche Divisionen,
dorthin abgezogen werden würden. Das Kommando der Südwestfront,
zur Stellungnahme aufgefordert, meldete, daß es auch in diesem Falle
die Offensive über den Tagliamento fortzusetzen beabsichtige, um den
bisher erreichten Erfolg auszugestalten und eine kürzere Front herzu-
stellen. Da die 14. Armee am weitesten voraus sei, käme — damit der
Fortgang der Offensive nicht beeinträchtigt werde — eine Abgabe
deutscher Divisionen erst nach erfolgtem Überschreiten des Tagliamentos
in Frage. Gdl.Arz drahtete hierauf am 1. November an GFM.Hinden-
burg, daß sich nach seiner Ansicht und nach jener des Kommandos der
Südwestfront „die Operationen bis an den Piave fortsetzen lassen".
In diesen Tagen legte auch FM. Conrad dem Oberkommando in
Baden seine Gedanken über die Teilnahme seiner Heeresgruppe an der
Offensive dar. Er glaubte nicht, daß es den Italienern gelingen werde,
sich noch östlich vom Piave zur Schlacht zu stellen. Sollten sie aber am
Westufer dieses Flusses Widerstand leisten, dann käme, um sie daran
Vorschläge Ludendorffs für die Verfolgung
601
zu hindern, besonders einem über die Sieben Gemeinden geführten
Stoß Bedeutung zu, für den möglichst starke Kräfte verfügbar gemacht
werden sollten. Der Marschall kam somit wieder auf seinen Königs-
gedanken zurück und war hochgestimmt, ihn nun endlich ausführen
zu können.
Die Heeresleitung sagte wohl zu, alles zu tun, um den Feind auch
vom Piave zu werfen. Zur Stunde nahm sie eine weitere, über die schon
eingeleitete Verschiebung der 21. SchD. und der 106. LstlD. hinaus-
gehende Verstärkung der Heeresgruppe in Tirol jedoch nicht in Aus-
sicht, obwohl sich bereits überblicken ließ, daß bei der Heeresgruppe
Boroevic schon wegen des schmäler werdenden Raumes zunächst gar
nicht alle Divisionen entfaltet werden könnten. Die vorerwähnte An-
kündigung der DOHL., allenfalls fünf deutsche Divisionen abzuziehen,
scheint aber auch dazu beigetragen zu haben, daß man in Baden eine
Verschiebung weiterer Kräfte aus Friaul nach Tirol gar nicht in Er-
wägung zog, weil man die in der Ebene vorrückende Heeresmacht nicht
allzu sehr schwächen wollte.
Da anfangs November mit dem Eintreffen französischer und eng-
lischer Truppen in Oberitalien gerechnet werden mußte, gab Gdl.
Ludendorff am 1. November dem k.u.k. AOK. seine Ansichten über
die Fortführung der Offensive bekannt. Er empfahl, dem Weitermarsch
bis zur Livenza den Charakter ,,einer geschlossenen Vorwärtsbewegung"
zu geben, „aus der jederzeit zur Schlacht übergegangen werden" könne.
Die inneren Flügel der 10. und der 14. Armee sollten stark gehalten
und über die Höhen am Nordrand der Ebene vorgeführt werden, wo-
bei die 10. Armee Richtung auf Belluno zu nehmen hätte. Südlich der
14. Armee sollte eine Isonzoarmee, allenfalls zunächst gestaffelt, vor-
rücken. Die weniger beweglichen Divisionen sollten auf dem westlichen
Tagliamentoufer Brückenköpfe bauen. Bei der Heeresgruppe Conrad
wären der noch zu verstärkenden 11. Armee und der 10. die Höhen
nördlich von Bassano sowie jene südlich von Feltre und Belluno als Ziele
zuzuweisen. Schließlich bezeichnete Ludendorff das Freimachen deutscher
Kräfte im Osten durch Truppen der Isonzoarmeen als dringend er-
wünscht. Schon am 29. Oktober hatte er angeregt, sechs bis acht der
im zweiten Treffen nachfolgenden öst.-ung. Divisionen hiefür zur Ver-
fügung zu stellen, um einige deutsche Divisionen für den Westen frei-
zumachen.
Gdl.Arz stimmte den Anregungen für die der 11. und der 10. Armee
zu stellenden Aufgaben sowie dem beantragten Bau von Brückenköpfen
602
Die Herbstoffensive gegen Italien
am Tagliamento zu und bezeichnete nochmals „das Erreichen der Piave-
linie als vorläufiges Ziel unserer Operationen in Venetien".
Zu einer Abgabe von Kräften wollte sich Gdl. Arz jedoch noch
nicht verstehen. Er bat Hindenburg, alle sieben deutschen Divisionen
an der Südwestfront zu belassen, um „im wohlverstandenen, wechsel-
seitigen Interesse der Mittelmächte. . . die Operationen in Venetien
zu einem möglichst definitiven, gedeihlichen Abschlüsse" zu bringen.
Sollten für die Westfront Kräfte jedoch dringend nötig sein, so empfahl
Arz, schon wegen der gebotenen Sparsamkeit mit Kohle und Fahr-
betriebsmittel eher auf die an der italienischen Front stehenden deut-
schen Divisionen zu greifen, wobei er aber Wert darauf legte, daß doch
zwei bis drei deutsche Divisionen in Venetien verblieben. Keinesfalls
wollte er einem Austausch deutscher Kräfte im Osten durch Divisionen
der Isonzoarmeen zustimmen. Er gab Hindenburg; zu wissen, daß dies
von der k. u. k. Armee als „schwere Kränkung, als Zweifel in ihre
Tüchtigkeit empfunden werden" würde, und er glaubte es nicht ver-
antworten zu können, wenn „wir uns auf dem italienischen Kriegs-
schauplätze dauernd durch deutsche Truppen vertreten ließen!"
Der Südwestfront ließ Gdl. Arz am 2. November im Auftrage des
Kaisers die Weisung zukommen, daß bei der vom Tagliamento zum
Piave beschleunigt durchzuführenden Vorrückung der Südflügel, der
auch den kürzesten Wieg zurückzulegen hatte, möglidhst stark gehalten
werde. Am Piave sollte dann „durch kräftigen, raschen Stoß in nörd-
licher oder nordwestlicher Richtung dem nördlichen feindlichen Armee-
flügel größtmöglicher Abbruch" getan werden. Die k. u. k. Heeresleitung
bekannte sich hiemit dazu, das Schwergewicht auf dem linken Heeres-
flügel zu belassen, und erhoffte sich, durch ihn den Feind vom Piave
verdrängen zu können. Die vom FM. Conrad und von der DOHL. emp-
fohlene Verschiebung von Kräften aus Venetien nach Tirol kam für das
k. u. k. AOK. somit nicht mehr in Frage.
Nach einem vom Erzherzog Eugen am 30. Oktober erlassenen Be-
fehle hatte nun jede Armee innerhalb ihres Vorrückungsstreifens den
Tagliamento zu überschreiten. Der 14. Armee wurde als südlichste
Marschlinie die Straße Pozzo—Pordenone—Prata—Fontanella—Tezze
zugewiesen. Südlich davon hatte GO. Boroevic vorzudringen. Als Grenze
zwischen der 14. und der 10. Armee wurde eine über den Mt. Simeone,
Mt. Faeit, Mt. Ciuf zum Mt. Naiarda verlaufende Linie bestimmt.
Am 2. November verfügte Erzherzog Eugen die Verschiebung der
Edelweißdivision und der 22. SchD. vom Korps Krauss zur 10. Armee
Das Eingreifen -der Generale Fodh und Robertson
603
Diese nunmehr so verstärkte Armee sollte, um die ihr aufgetragene
Vorrückung nach Pieve di Cadore aufnehmen zu können, vorerst den
Feind von den Höhen südwestlich von Tolmezzo vertreiben. Von die-
sem Unternehmen erhoffte man sich offenbar auch eine mittelbare För-
derung der bisher ergebnislos gebliebenen Übergangs ver suche Belows
über den Tagliamento.
In den gleichen Tagen und Stunden wurden auch im Hauptquartier
der italienischen Heeresleitung schwerwiegende Entschlüsse gefaßt. Der
französische Generalstabschef, Gen. Foch, der am 30. Oktober morgens
in Treviso mit Cadorna die erste Besprechung hatte, eröffnete diesem,
daß die französische 10. Armee unter Gen. Duchene zunächst mit vier
Divisionen im Anrollen sei. Die beiden Generalstabschefs einigten sich
sodann darüber, daß am Piave eine neue Front aufzubauen sei, in der
die Entente divisionen sogleich den Montello zu be setzen hätten, den
Cadorna als den am meisten gefährdeten Abschnitt ansah. Jedoch noch
am selben Tage kam Cadorna wegen Nachrichten, die er über die Ver-
sammlung starker gegnerischer Kräfte im Trentinischen erhalten hatte,
davon ab; er befürchtete nun eher einen österreichischen Vorstoß in
den Judicarien. Hierauf willigte Foch darin ein, daß zwei französische
Divisionen vorerst in Brescia und zwei in Verona ausgeladen werden
sollten. Dafür wurde auf die geplant gewesene Verschiebung eines Korps
der italienischen 3. Armee nach Brescia, verzichtet.
Tags darauf, am 31. Oktober, traf ¡auch der englische General-
stabschef, Gen. Robertson, in Treviso ein und brachte die Zusage, daß
zunächst zwei britische Divisionen herangeführt würden. Er und sein
französischer Kollege empfahlen Cadorna, dem Gegner schon das Über-
schreiten des Tagliamento streitig zu machen, unbedingt aber mit Hilfe
der französischen und der englischen Divisionen, die vorerst weiter
hinten aufmarschieren sollten, am Piave und im Trentinischen Wider-
stand zu leisten. Foch und Robertson verfehlten hiebei nicht, darauf
hinzuweisen, daß die Truppen der Westmächte den Italienern nur einen
Rückhalt zu bieten vermöchten, und daß das Schicksal Italiens von der
Haltung seines eigenen Heeres abhänge1).
Unterdessen erließ Cadorna am 30. und am 31. Oktober alle für
die Vorbereitung des Rückzuges nötigen Weisungen. Er bestimmte
neuerlich, daß am Piave die 3. Armee mit vier Korps den Abschnitt
vom Meere bis einschließlich Pte. Priula (südwestlich von Susegana)
und die sechs Ententedivisionen jenen von hier bis Vidor zu besetzen
!) P a 1 a t, Fodh, 120 £. — F o c h, XXXVI f. — C a b i a t i, Ottobre 1917, 261 f.
604
Die Herbstoffensive gegen Italien
hätten; westlich anschließend sollte die drei Korps starke 4. Armee eine
Stellung bis einschließlich der Hochfläche der Sieben Gemeinden be-
ziehen. Cadorna regelte weiters das Übereinstimmen des Zurückwei-
chens der 4. und der 2. Armee und bezeichnete als Grenze zwischen
beiden die östlich vom oberen Piave verlaufende Höhenlinie Rozzo—Mt.
Cridóla—C. Duranno—Crep Nudo—Mt. Cavallo, des weiteren Vittorio
und Nervesa. Die 2. Armee hatte -— wie geplant — sodann aus der
Front zu scheiden und in Reserve zu treten.
Wegen der wenigen Straßen, die der 4. Armee zufielen, wurde sie
angespornt, den Rückzug zu beschleunigen und die Artillerie zuerst
zurückzusenden; Troß und sonstiges Kriegsgerät durften zurückgelassen
werden. Das :auf dem linken Flügel der 2. Armee stehende XII. Korps
wurde im besonderen angewiesen, so lange auszuharren, bis die 4. Ar-
mee, deren Durchzug durch Lorenzago auf acht Tage veranschlagt
wurde, abgeflossen wäre. Die vier Kavallerie di Visionen wurden in den
westlich der Meduna gelegenen ebenen Raum Vivaro—Aviano—Corde -
nons verlegt. Sie sollten, als Reiterkorps vereinigt, einem den Tagliamento
im Bereiche der 2. Armee überschreitenden Gegner entgegentreten.
Als Grenze zwischen der 2. und der 3. Armee hatte die Linie C. Pte.
d. Delizia—S.Vito ,al Tagliamento—Villotta—Motta di Livenza—Oder-
zo—Ponte di Piave zu gelten. Wurde der Rückzug vom Tagliamento an-
getreten, so hatte das Kommando der 3. Armee auch für den Schutz des
Rückzuges der 2. Armee zu sorgen, wozu ihm dann das Verfügungsrecht
über das Kavalleriekorps zustand1). Weisungen für den Neubau von
Brücken über die Livenza und den Piave, für 'das Auffangen aller flüch-
tigen Soldaten an der Livenza und Vorsorgen für Brückensprengungen
durch die Nachhuten vervollständigten die Vorsorgen für den Rückzug.
Durch die den Italienern am 1. November geglückte Abwehr meh-
rerer von öst.-ung. und deutschen Truppen unternommener Übergangs-
versuche gewann Cadorna den Eindruck, daß der Druck des Gegners
nachlasse. Er begann neuen Mut zu schöpfen und befahl am 2. Novem-
ber der 3. und der 2. Armee, am Tagliamento möglichst lange auszu-
harren, um für das Ordnen der Verbände Zeit zu gewinnen. Er behielt
sich vor, gegebenenfalls anzuordnen, daß an diesem Flusse sogar dau-
ernd Widerstand geleistet werde. Doch schon die Ereignisse am
2. November und an den beiden folgenden Tagen sollten die Aussichts-
losigkeit dieses Vorhabens erweisen.
*) Bericht der Untersuchungskommission, I, 249 ff, 260 ff. — Cadorna, La
guerra, Neudruck 1934, 515 f.
Flußbezwingung bei Cornino
605
Der gewaltsame Flußübergang bei Cornino und Pinzano
(2. bis 4. November)
H i e z u Nebenskizze von Beilage 28
Als der Mt. Ragogna am 1. November erobert war, befahlen die
Generale Krauss und Stein ihren Divisionen, in der nun folgenden Nacht
den Übergang über den Ragliamento zu erzwingen. Die deutsche Jäger-
division sollte bei Trasaghis und Braulins übergehen und dann nach
Süden stoßen, um der 55. ID. bei Cornino das Übersetzen des Flusses
zu erleichtern. Der 50. ID. wurde aufgetragen, bei Pinzano den Fluß
zu überschreiten. Bei der Gruppe Stein hatte die deutsche 12. ID., ge-
folgt von der 13. SchD., gleichfalls bei Pinzano das Westufer zu gewin-
nen, sich hierauf nach Süden zu wenden, um dem Alpenkorps und der
117. ID. bei Bonzicco hinüberzuhelfen. Noch weiter südlich sollte die
Gruppe Hofacker bei C. Pte. d. Delizia das Ufer wechseln.
Am 2. November früh mußten die Korpskommandanten aber er-
fahren, daß keinem der Übergangsversuche ein Erfolg beschert gewesen
war. Es war klar, daß nur planmäßig angelegte Unternehmungen zum
Ziele führen konnten.
Gdl. Krauss beschloß nunmehr, die Jäger di vision doch wieder nord-
wärts nach Amaro zu verschieben, wo sich schon eines ihrer Bataillone
— allerdings auch erfolglos — mit Über gangs versuchen abmühte. Die
Division sollte von dort beiderseits des Mt. S. Simeone nach Süden vor-
dringen, um den Übergang der Hauptkraft der Gruppe Krauss bei Cor-
nino zu erleichtern. Indessen war an dieser Stelle erkundet worden,
daß der abgesprengte Brückenrteil derart im Wasser lag, daß für ein-
zelne Leute das Hinüberkommen möglich schien. Der Korpskomman-
dant leitete nun selbst die erforderlichen Vorbereitungen. Er zog die
Artillerie der 50. ID. heran und ließ durch sie und jene der 55. ID. vor
die Übergangsstelle eine Feuerglocke legen.
Um 6h abends kletterte das bewährte Bataillon IV/bh. 4 auf Leitern
und über die aus dem Wasser herausragenden abgesprengten Brücken-
felder, die als Notsteg benützt wurden, hinüber. Trotz lebhaften Feuers
der Italiener wurde die auf dem Westufer liegende Brückenschanze und
das Dorf Cornino erstürmt. Eine Kompagnie stieß in südwestlicher
606
Die Herbstoffensive gegen Italien
Richtung sogar bis Flagogna und auf den Mt. Albignons vor1). Obwohl
weit überlegene Teile des italienischen Spezialkorps wütende Gegen-
angriffe unternahmen, vermochten sich die todesmutigen Bosniaken zu
behaupten. Sie waren die erste Truppe, die auf dem Westufer festen
Fuß gefaßt hatte.
Während der Nacht und am nächsten Tage folgten auf dem glei-
chen halsbrecherischen und zeitraubenden Wege — ein Bataillon be-
nötigte für den Übergang durchschnittlich fast drei Stunden — die
38.IBrig. und die 26. GbBrig. Jene drang am 3. bis S. Rocco, Somp-
cornino, Manazo on s und auf den Mt. Santo -<¡>- 474 vor; die 26. GbBrig.
bemächtigte sich der Orte Colle und Campeis. Hiebei wurden 70 Offi-
ziere und 2500 Mann der Italiener als Gefangene und 10 Geschütze als
Beute eingebracht. Nun konnte auch an den Bau eines festen Steges1
geschritten werden.
Der Vorstoß des BataillonsTV/bh. 4 hatte offenbar die Aufmerk-
samkeit des bei Pinzano stehenden Feindes abgelenkt. Daher glückte es
Pionieren der deutschen 12. und der k. u. k. 50. ID. in der gleichen
Nacht, bei C. Pontaiba mit dem Bau eines Steges zu beginnen, der am
3. um 3h nachm. fertig wurde und über den noch am selben Tage je
ein Bataillon der beiden Divisionen überging.
Unterdessen hatten die zwei als Verstärkung der 10. Armee be-
stimmten Divisionen den Marsich nach Norden angetreten (S. 602). Als
aber am 3. November abends einem mitgelesenen italienischen Funk-
spruch entnommen wurde, daß das italienische XII. Korps zurückzu-
gehen habe, wurde die 22. SchD. in ihrem Nordmarsche in Gemona
angehalten und wieder dem Gdl. Krauss unterstellt. Da weiters ent-
ziffert wurde, die am linken Flügel des italienischen XII. Korps ste-
hende 26. ID. habe der Gruppe Krauss in die nördliche; Flanke zu fallen,
wies Erzherzog Eugen die 10. Armee zum unverzüglichen Angriff an,
um dieses Vorhaben des Feindes zu durchkreuzen.
Gdl. Below, der die vom italienischen XII. Korps in der Linie Cor-
nino—Vigo (bei Lorenzago) neuzubildende Abwehrfront bei Cornino
schon durchbrochen wußte, entschloß sich am 3. November abends, die
Verfolgung mit starkem rechten Flügel „gegen und über die Linie Lon-
garone—Vittorio—Tezze" fortzusetzen. In entsprechend abgegrenzten
Streifen sollte die Gruppe Krauss (50., 55. ID., deutsche JgD. und
x) Redl, Die Tagl i a m en t o fo r eie rung bei Cornino und das Bataillon IV/bh. 4
(Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1923, 157 ff.). — K r a f f t, II, 137 ff. — Krauss,
Das Wunder von Karfreit, 63 f.
Vorrückungsziele der 14. Armee
607
22. SchD.) den Abschnitt Mt. Citta (7 km nordöstlich von Longarone)—
Vittorio, die Gruppe Stein (deutsche 12. ID., Alpenkorps, 13. SchD.) den
anschließenden Abschnitt bis Conegliano und die Gruppe Hofacker
(deutsche 26. und 117. ID.) jenen bis Tez&e erreichen. Hiezu hatte die
Gruppe Hof.acker vorher den Vorrückungsraum der 2. Isonzoarmee zu
räumen, dann mit der 117. ID. bei Bonzicco das Alpenkorps abzulösen,
östlich von Spilimbergo eine Brücke zu schlagen und die 26. ID. nach
S. Vito di Fagagna zu verlegen. Als Armeereserve hatten sich die Gruppe
Scotti (1., 4. und 33. ID.) im Räume (Dividale—Udine—Savorgnano, die
deutsche 200. ID. bei Moruzzo (10 km nordwestlich von Udine) und
die deutsche 5. ID. in Udine und in Pagnacco bereitzuhalten.
Indessen stand bei Cornino die 55. ID. als erste geschlossene grö-
ßere Einheit fest auf dem westlichen Ufer. Südlich von ihr schützten
drei Bataillone der 12.*) und der 50. ID. in einer brückenkopfartigen
Aufstellung den bei C. Poptaiba erbauten Übergang. Da neuerlichen
Übergangs ver suchen bei Bopzicco wieder ein Erfolg versagt war, blie-
ben für das Überschreiten nur die Stege bei Cornino und bei Pinzano.
Die am 3. abends erlassenen Befehle der Generale Krauss und Stein
regelten nun die Fortsetzung der Verfolgung und des Uferwechsels. Die
55. IDt hatte nach Cavasso und Toppo, die 50. nach Sequals undLestans
und die über Cornino nachf olgende Jägerdivision über Flagogna, Anduins
und S. Francesco nach Tramonti di mezzo vorzudringen. Die zuletzt
genannte Division war als begleitende Höhenkolonne in Aussicht genom-
men und wurde verständigt, daß sie sodann über Claut nach Longarone
und später voraussichtlich über Belluno nach Feltre zu rücken haben
we;rde. Die 22. SchD. sollte über Cornino nachfolgen. Bei C. Pontaiba
hatten zuerst die deutsche 12. ID., danij die 50. ID., die Artillerie der
55. ID. und schließlich die 13. SchD. den Fluß zu überschreiten.
Am 4. November früh stieß die 55. ID. noch ohne Artillerie nach
Travesío vor, wo sie starken Widerstand zu brechen hatte, hiebe!
2200 Italiener zur Waffenstreckung zwang und 6 Geschütze erbeutete.
Dann drang sie noch bis an ihre Tagesziele Cavasso und Toppo vor
und schnitt dadurch dem nördlich davon im Gebirge stehenden italie-
nischen XII. Korps die beiden in die Ebene führenden Rückzugswege
ab. Teile dieses Korps wurden vom Spitzenregiment der deutschen
Jägerdivision bei Peonis, wohin es nach dem Uferwechsel statt nach
Anduins vorgerückt war, angefallen und festgehalten.
*■) Es war mittlerweile noch ein zweites deutsches Bataillon auf das Westufer
gelangt.
608
Die Herbstoffensive gegen Italien
Hinter dem ersten Regiment der deutschen Jägerdivision stürzte um
1/2lh nachm. der Notsteg bei Comino ein. Daher trat im Übergang eine
Unterbrechung ein, die bis zum Morgen des nächsten Tages dauerte.
Bei Pinzano, wo der Steg wegen Ausgestaltung zu einem auch für
Fuhrwerke benutzbaren Übergang zunächst gesperrt war, rückten von
4hnachm. an die deutsche 12. ID., die Gebirgsartillerie der 55. ID. und
ein deutsches Jägerregiment über den Fluß.
Indessen war das schon am 3. übergegangene Bataillon II/18 der
50. ID. nach Kampf mit italienischen Panzerwagen bis Lestans vor-
gedrungen; es entriß einer vierfach überlegenen, aus Radfahrern und
Reiterei gebildeten feindlichen Gruppe noch den Hügel -<¡>-255 nordwest-
lich des Dorfes. Die gleichfalls schon am 3. auf das Westufer gelangten
zwei Bataillone der deutschen 12. ID. durchstießen in südlicher Richtung
die lockere Front der italienischen 33. ID und drangen über Baseglia
bis nahe an Spilimbergo heran. Die Masse der 12. ID. sammelte sich
zwischen Valeriano und Pinzano, um noch während der Nacht nach
Tauri ano zu marschieren.
Von. den übrigen Teilen der Gruppen Krauss und Stein warteten
die 22. SchD. bei Susans, die 50. ID. östlich der Brücke bei C. Pontaiba,
die 13. SchD. in S.Daniele und das Alpenkorps in Giavons und Rode ano
auf den Abruf zum Übergang. Von der durch die 2. Isonzoarmee ab-
gelösten Gruppe Hof acker erreichte die deutsche 26. ID. am 4. Novem-
ber Meretta di Tomba und Flaibano. Die 117. ID. war an Stelle des
Alpenkorps bei Bonzicco an das Flußufer getreten, ohne den Übergang
bewerkstelligen zu können. Die fünf Divisionen der Armeereserve stan-
den ¡am 4. abends in ihren Quartieren.
Der Führer der Nordgruppe der italienischen 2. Armee, Gen. Etna,
hatte :am 4. das noch durch die 16. ID. verstärkte Spezialkorps zur
Rückeroberung der Talausgänge bei Paludea und Travesío aufgerufen.
Als der Gegenangriff aber nicht einmal über die ersten Ansätze hinaus-
kam, wurde das Korps hinter die Cellina zurückgenommen1). Hiemit
war auch das Schicksal, der 36. und der 63. ID. des italienischen XII.
Korps besiegelt, dies um so mehr, als es von Norden her auch von der
k.u. k. 10. Armee angefallen wurde.
Bei dieser Armee erreichte die Edelweißdivision, die — um Ver-
luste durch das noch fortdauernde Feuer des Werkes Mt. Festa zu ver-
meiden — wieder während der Nacht das Engtal durchschritt, mit der
216. IBrig. am 4. früh Tolmezzo; die auf einen Umgehungsweg über
1) Cablati, Ottobre 1917, 312.
Vorbrechen der 10. Armee auf das südliche TagLiamentoufer 609
Mogessa gewiesene 217. IBrig. kam am Abend dieses Tages nach Illeg-
gio. Die 59. GbBrig. erreichte abends Villa Santina und Tolmezzo. Die
29. GbBrig. rückte bis Stazione per la Carni a vor.
_ Krobatins Plan war es nun gewesen, ehe er sich gegen das Cadore
wandte, mit der 94. ID. zuerst den Mt. Corno und — zur Unterstützung
der Gruppe Hordt — den Mt. Lovinzola zu nehmen. Gdl. Hordt sollte
mit der 59. GbBrig. und der Edelweißdivision über Pozzis nach Tra-
monti, mit einer Nebenkraft längs des Cavazzosees nach Süden stoßen.
Die 29. GbBrig., die ihre vier Trachombataillone (V., VI. und VII./104
und I./HIR. 316) zur 7. Armee in die Waldkarpathen abzusenden hatte
und als Ersatz zwei Landsturmbataillone erhielt, sollte als Reserve in
Moggio bleiben.
Auf den an die 10. Armee gerichteten Auftrag des Erzherzogs
Eugen, sofort anzugreifen (S. 606), entriß die 94. ID. in der Tat schon
am 4. der italienischen 26. ID. den Mt. Corno und vertrieb, allerdings
unter erheblichen Verlusten, Truppen der 36. ID. bei Preone vom Süd-
ufer des Tagliamentos. Dieser starke Druck von Norden und Süden
veranlaßte nun das italienische XII. Korps, sich mit der 36. und der
63. ID. nach S. Francesco zurückzuziehen; es hoffte, über Tramonti und
die Forcella Clautana durchschlüpfen zu können. Die Südgruppe der
italienischen 26. ID. sollte hiezu bei Navarons eine Sperrstellung gegen
Süden beziehen. Die Nordgruppe dieser Division zog auf den Mauria-
paß ab und trat in den Verband der 4. Armee1).
Die Übergangsversuche der Heeresgruppe Boroevic
zwischen dem 2. und dem 4. November
Auf einen vom Kommando der Südwestfront geäußerten Wunsch
erfolgte die Ablösung der Gruppe Hofacker durch Divisionen der Hee-
resgruppe Boroevic, im Gegensatz zur ursprünglichen Absicht (S. 599)
noch vor dem Überschreiten des Tagliamentos. Bis zum 4. November
früh hatte von der 2. Isonzoarmee das II. Korps mit der 28. ID. den
Flußabschnitt zwischen S. Odo rico und Ri vis besetzt; hinter ihr stand
die halbe 57. Division. Die nur mehr 5400 Gewehre zählende Gruppe
Kosak breitete sich zwischen Rivis und Goricizza aus. Vom XXIV.
Korps stand die 24. ID. an den östlichen Brückenenden bei C. Pie. d.
Delizia, die 53. ID. südlich davon bei S. Vidotto. Die 5. IBrig. der 57.ID.
*) Bericht der Untersuchungskomniission, I, 301 £.
VI 89
610
Die Herbstoffensive gegen Italien
hielt als Armeereserve östlich von Codroipo. Die halbe 63. ID. (187. Lst-
IBrig.) stand in Udine.
Bei der 1. Isonzoarmee hatten die 14. ID. des XVI. Korps zwischen
Bugnius und Varmo, die 44. SchD. des VII. Korps bei Madrisio und die
10. ID. des XXIII. Korps bei Latisana das Ostufer besetzt. Von den
anderen Divisionen standen die 58., die 48. und die 17. ID. in ihren
bisherigen Räumen (S. 599). Die l.LstlBrig. der 63. ID. rückte von
Görz nach Palmanova heran. Die 41. HID. war bis Palazzolo und Muz-
zana nachmarschiert. Die 12. ID. bezog in Cervignano und südlich
davon Unterkünfte. In Cer vignano schlug am 3. auch das Kommando
der 1. Isonzoarmee sein Hauptquartier auf. GO. Boroevic übersiedelte
am 4. von Adelsberg in das 6 km südöstlich von Udine gelegene Dorf
Pradamano. Das IV. Korps rückte als Reserve der Heeresfront mit
der 20. HID. nach Cernoglons und Buttrio, mit der 29. ID. nach Pre-
mariaeco; die 9. ID. verblieb in Pozzuolo.
Als GO. Boroevic am 3. November vom geglückten Übergang bei
Cornino Kenntnis erhielt, spornte er seine beiden Armeen unter Hin-
weis darauf, daß am Tagliamento nur noch Nachhuten des Feindes
stünden, zum unverzüglichen Vorbrechen über den Fluß an. In einem
zweiten Befehl erinnerte der Generaloberst an die ungeheure Einbuße
von 260.000 Gefangenen, 40.000 Mann blutige Verluste und von
2300 Geschützen, die der Feind seit dem 24. Oktober zu beklagen habe,
und die er nur zum geringsten Teil ersetzt haben könne. Der Über-
gang müsse daher — wenn schon nicht als Handstireich, so doch als
planmäßiges Unternehmen — gelingen.
Der Wunsch des GO. Boroevic, den Fluß bereits in der Nacht auf
den 4. November zu bezwingen, war aber schon der kurzen Zeit wegen
nicht erfüllbar. Wohl glückte es hier und dort, so namentlich bei der
28. ID., die seichteren östlichen Flußarme zu überbrücken. Der reißende,
tiefe und im feindlichen Feuer liegende Westarm blieb unbezwungen.
Das Schwergewicht wurde nun auf das XXIV. Korps gelegt, dem alle
technischen Kompagnien, das geringe vorhandene Brückengerät und
die mittlerweile herangekommene schwere Artillerie zugewiesen wur-
den. Den übrigen Korps war aufgetragen worden, das Unternehmen des
XXIV., bei dem wieder die allerdings nur 1600 Gewehre zählende 24. ID.
voranschreiten sollte, durch Scheinübergänge zu unterstützen.
Am 4. November um 7h abends begannen westlich von Codroipo
unsere Geschütze die Uferstellungen des Feindes zu beschießen. Dann
setzte als erstes das IR. 45 der vom FML. Urbarz befehligten 24. ID.,
Flußübergang des XXIV. Korps bei Codroipo
611
teils furtend, teils mit Behelfsmitteln — es standen nur sieben Kähne
und italienische Pontons zur Verfügung — südlich der Eisenbahnbrücke
über den bis zu 1.3 m tiefen, reißenden und eiskalten Fluß. Nach llh 80
nachts folgte auf dem gleichen Wege das IR. 77, dem sich zwei Land-
sturmregimenter der 53. ID. anzuschließen hatten. Das anfänglich recht
lebhafte Feuer des Feindes verstummte, als unsere Infanterie auf dem
westlichen Ufer festen Fuß gefaßt und die bestückten Brückenwach-
häuser genommen hatte. Es wurde bald klar, daß nur italienische Nach-
huten das Westufer besetzt gehalten hatten.
In der Tat hatte Cadorna schon am Vormittag, als er von der Ver-
schlechterung der Lage im Räume westlich von Cornino Kenntnis er-
langt hatte, an die 2. und die 3. Armee die Weisung erlassen, in der
Nacht auf den 5. November den Rückzug an den Piave anzutreten1).
Der tiefgreifende Vorstoß der k. u. k. 55. ID. bis an die Meduna war
es gewesen, der letzten Endes Cadorna die Unmöglichkeit eines wei-
teren Ausharrens am Tagliamento erkennen ließ. Da die italienische
4. Armee, wie noch auszuführen sein wird, bereits am 3. aus den Dolo-
miten zurückzugehen begonnen hatte, kamen alle, im weiten Räume
zwischen dem Cismone und dem Tagliamento kämpfenden Heeresteile
in Bewegung. Nach viertägigem Stillstand am Tagliamento begann eine
neuen Phase des Feldzuges.
Die Verfolgung bis zum Piave und in den Dolomiten
(5. bis 10. November)
Hiezu Beilage 30
Maßnahmen der hohen Führung
Noch bevor Cadorna am 4. November den Befehl zum Rückzug er-
ließ, hatte er schon alle erforderlichen Maßnahmen für eine geregelte
Rückbewegung des Heeres und für die Einrichtung des Raumes auf
dem westlichen Piaveufer als starke Verteidigungsfront getroffen. So
hatte er sich schon am 2. bemüht, die ungeordnete KordonaufStellung
am Tagliamento in eine tiefgestaffelte Gruppierung umzuwandeln, die
auch den Rückzug an den Piave erleichtern sollte2). Den die 2. und
1) Bericht der Untersuchungskommission, I, 297.
2) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 520.
39*
612
Die Herbstoffensive gegen Italien
die 3. Armee schützenden Nachhuten wurde aufgetragen, beim Rückzug
zunächst in der Linie Cellinabach—Casarsa—Unterlauf des Tagli-amento,
weiters an der Li venza und schließlich auch am Monticano Halte ein-
zuschalten.
Der neue Verteidigungsabschnitt sollte aus mehreren hintereinan-
derlLegenden Linien bestehen, wozu die bereits geschaffenen Anlagen
des befestigten Lagers von Treviso auszunützen waren. Zur frühzeitigen
Besetzung der ersten Linie hatte die 3. Armee, der der Raum vom Meer
bis Pte. Priula zufiel, je eine Brigade in die vier Korpsabschnitte voraus-
zusenden. Gleiches hatte die 4. Armee in dem ihr zugewiesenen Ab-
schnitt, der von Pte. Priula über den Mt. Grappa bis S. Marino im
Brentatale reichte, zu verfügen. Überdies sollten die beiden linken
Korps der 3. Armee den Abschnitt zwischen Ponte di Piave und Pte.
Priula vor der 2. Armee erreichen, weil diese bis dorthin einen länge-
ren Weg zurückzulegen hatte. Die Artillerie war in entsprechender
Gliederung gleichfalls frühzeitig aufzustellen. Hiezu erhielt die 4. Ar-
mee die gesamte Artillerie der 2. Armee zugewiesen. Die 3. Armee
wurde durch 50 im Hinterlande neugebildetie Maschinengewehrkompag-
nien verstärkt.
Als am 4. November an die beiden am Tagliamento stiebenden Ar-
meen der Befehl zum Rückzug erlassen wurde, verstärkte sich bei
Cadorna die Sorge um die 4. Armee, weil diese — obwohl sie um
36 Stunden früher den Rückzugsbefehl erhalten hatte — mit ihrem
rechten Flügelkorps, dem I., noch bei Pieve di Cadore stand. Es konnte
sich nun ergeben, daß die an ihrem linken Flügel zurückgeworfene
2.Armee so rasch wich, daß der Gegner vor dem I.Korps bei Valdob-
biadene am Piave erschien. In diesem Falle hätte dieses Korps, dem die
Besetzung des Montello zugedacht war, über Feltre und durch das
Brentani ausweichen müssen, was einen dreitägigen Zeitverlust be-
deutet haben würde. Um solches zu verhindern, eiferte Cadorna die
4. Armee am 4. November neuerlich zur Beschleunigung ihres Rückzuges
an. Die 2. Armee sollte dagegen an der Li venza ein bis zwei Tage und
am Monticano noch einen Tag ausharren. Cadorna verhehlte sich aller-
dings nicht, daß das Tempo der 2. Armee sehr wesentlich vom Gegner
beeinflußt werden würde. Im schlimmsten Fall gedachte er den Mon-
tello durch das II. und das XXIV. Korps besetzen zu lassen, da diese
Korps — allerdings noch sehr erholungsbedürftig — bereits am 4. No-
vember südlich vom Montello eingetroffen waren. Schließlich wurden
die 2. und die 3. Armee am 5. November angewiesen,, mit Nachhuten
Cadornas Befehle zum Beziehen der neuen Front
613
so lange an der Li venza zu halten,, bis das Höchstkommando den Befehl
zur Fortsetzung des Rückzuges geben werde, damit die 3. Armee in
voller Or dnung den Piave abschnitt bese tzen könne 1).
Die neuerliche Verschlechterung der Lage der 2. Armee hatte Cadorna
am 3. November veranlaßt, an den Ministerpräsidenten einschreiben zu
richten, in dem er mit voller Offenheit das Unheil, das über das Heer
hereingebrochen war, zugab und über dessen moralische Erschütterung
keinen Zweifel bestehen ließ. Er eröffnete seiner Regierung, daß er —
wenn es ihm gelingen sollte, die 3. und die 4. Armee in guter Ordnung
bis an den Piave zu bringen — die Absicht habe, an diesem Flusse die
letzte Karte auszuspielen und sich zur Entscheidungsschlacht zu stellen.
Denn bei einem weiteren Rückzug bis an die untere Etsch oder bis an.
den Mincio, einem Rückzug, dem sich auch die 1. Armee anschließen
müßte, würde die Masse der Artillerie eingebüßt und das Heer um
den Rest seiner Schlagkraft gebracht werden. Zum Schluß schrieb Gen.
Cadorna, es scheine ihm angemessen, „daß die Regierung abseits der
militärischen Gründe jene Maßnahmen in Erwägung ziehe, die meine
Kompetenz und meinen Pflichtenkreis überschreiten"2). Kriegshisto-
riker von hohem Ansehen, wie die Generale Caviglia und Segato, sind
der wohl zutreffenden Meinung, daß der letzte Satz des Berichtes
Cadornas nur als eine Anregung zur Einleitung von Friedensverhand-
lungen ausgelegt werden könne.
Indessen versammelten sich am 5. November zu Rapallo die Re-
gierungsvertreter Englands, Frankreichs und Italiens, dann die beiden
Generalstabschefs Foch und Robertson mit je zwei Generalen und als
Vertreter Cadornas Gen. Porro, um über die den Italienern zu gewäh-
rende Waffenhilfe zu beraten. Auf die neuerlich vorgebrachten Besorg-
nisse der italienischen Heeresleitung wegen eines gegnerischen Vorstoßes
über den Tonalepaß und durch das Val Camonica befahl Foch, die Aus-
ladung der französischen 10. Armee ganz in den Raum westlich des
Gardasees zu verlegen. Die weiteren Ausführungen Porros, daß den
377 in der Front stehenden italienischen Bataillonen 661 gegnerische
gegenüberstünden, und daß 12 bis 15 deutsche Divisionen nach Südtirol
im Anrollen seien, begegneten jedoch bei den Generalstabschefs Frank-
reichs und Großbritanniens berechtigtem Zweifel. Da Porro auch noch
„Sicherheiten für eine erfolgreiche Abwehr am Piave" erbat, wobei er
1) Cad o r n a, La guerra, Neudruck 1934, 547 f.
2) Caviglia, Le tre battaglie del Piave (Mailand 1934), 4. — Segato,
L'Italia nella guerra mondiale (Mailand 1927), I, 515.
614
Die Herbstoffensive gegen Italien
den Wunsch nach einer aus englischen und aus französischen Divisionen
gebildeten Manövriermasse äußerte, wurde die Stärke der Unterstützungs-
armee auf acht, von den beiden Westmächten zu gleichen Teilen bei-
zustellenden Divisionen erhöht1). Offenbar hat der von Foch und
Robertson mißliebig aufgenommene Wunsch Cadornas, immer stärkere
Kräfte der Alliierten nach Italien zu ziehen, die durch die Niederlage
erschütterte Stellung Cadornas schließlich ebensowenig gebessert, wie sein
verblümter Antrag auf Einleitung von Verhandlungen mit dem Gegner.
Für die siegreichen Verbündeten hatte die Erzwingung des Taglia-
mentoüberganges eine Lage geschaffen, die zur Fassung neuer Ent-
schlüsse zwang.
Gdl. Ludendorff ließ am 3.November das k. u. k. AOK. wissen, daß
er die Offensive in Venetien nur bis zum Piave fortzusetzen gedenke.
Hierauf würden deutsche Truppen aus Venetien abgezogen werden, vor-
ausgesetzt, daß die Entente nicht mehr als etwa acht bis zehn Divisionen
nach Italien überführe. Bei dieser Gelegenheit eröffnete Ludendorff
auch zum ersten Male, daß die DOHL. im Frühjahr 1918 einen Waffen-
erfolg im Westen anstrebe. „Hiebei werden möglichst starke deutsche
Truppen verwendet. Die Teilnahme von k. u. k. Divisionen wird will-
kommen sein, Artillerie schon vorher jederzeit."
Diese Zielsetzung der DOHL. wurde von Baden aus mit Absicht
nicht weiter bekanntgegeben, um den Schwung der Verfolgung durch
allfälliges Herausziehen von Divisionen und durch Ablösungen nicht zu
beeinträchtigen2). In Unkenntnis derselben befahl Erzherzog Eugen am
4. November die Fortsetzung der Offensive, um mindestens die Brenta
zu gewinnen. Hiezu sollten sich die bereits am Feinde stehenden und
die in nächster Zeit über den Tagliamento gelangenden Divisionen den
Italienern an die Fersen heften, um dem Feinde ein Festsetzen am Piave
unmöglich zu machen.
Im einzelnen wurde dem GO. Boroevic aufgetragen, raschestens,
wenn vorerst auch nur mit einigen Divisionen, vorzudringen, und so
womöglich den vor der 14. Armee zurückweichenden Feind nach Westen
abzudrängen; überdies sollte der Generaloberst Venedig nehmen und
im Einvernehmen mit dem Kommando der Flotte den Küstenschutz
organisieren. Die 14. Armee, deren Vorrückungsstreifen im Norden zu-
gunsten der 10. Armee verschmälert wurde, hatte ,,im unaufhaltsamen
Vorstoß die Brentalinie zu erreichen" und hie durch auch der italienischen
x) P a 1 a t, Foch, 124.
2) Schrieiben des GM. Alfred Waldstätten an das Kriegsarchiv, vom 27. März 1936.
Entschluß zur Vorrückung bis an die Brenta
615
4. Armee alle über Belluno, über Feltre und aus dem Räume ¿wischen
Cismon und Brenta nach Süden führenden Rückzugslinien zu verlegen.
Die 10. Armee sollte über Longarone und über Pieve di Cadore nach
Belluno, Feltre und Primolano vorrücken und sich später, gemeinsam mit
dem Ostflügel der Heeresgruppe Conrad, in den Besitz des Südrandes der
Hochfläche der Sieben Gemeinden zwischen dem Mt. Buso A 810 und
dem Mt. Gengio A 1351 setzen. Die drei Divisionen 9, 20 und 29 der
Heeresreserve sollten im größeren Abstand hinter der 2. Isonzoarmee
nachrücken.
FM. Conrad hatte schon am 29. Oktober nach Baden gemeldet,
daß er am 10. November mit annähernd fünf Divisionen aus dem Räume
beiderseits von Asiago in der Richtung auf Valstagna vorzubrechen ge-
denke. Erforderlichen Falles sollten außerdem 18 Bataillone des XX.
Korps über den Rollepaß gegen Fiera di Primiero angreifen. Auf den
östlich davon befindlichen Straßen waren hinter dem weichenden Feinde
Detachement in Bataillonsstärke bereits angesetzt, die zu einem spä-
teren Zeitpunkt auf Befehl der Heeresleitung in den Verband der
10. Armee treten sollten.
Gegen die befohlene Einengung des Vorrückungsraumes der 14. Ar-
mee erhob Gdl. Below Einspruch, weil er die Gruppe Krauss mit
vier Divisionen bereits auf der längs des Höhenfußes führenden Straße
und nördlich davon angesetzt hatte. Auch besorgte er, daß die Vor-
rückung seiner Armee an dem starken Abschnitt zwischen Pontenelle
Alpi, dem Lago di S. Croce und Vittorio zum Stocken kommen könnte,
wenn nicht Kräfte von Norden her hinter diesen Abschnitt herum-
griffen. Below bat, da nach seiner Meinung die 10. Armee und das
XX. Korps Longarone später erreichen mußten als der Nordflügel der
14. Armee, um das Benützungsrecht der jetzt in den Bereich der 10. Ar-
mee fallenden, von Meduno über die Forcella Clautana nach Longarone
fuhrenden Straße, um mit seinen Kräften auch auf dem westlichen
Piaveufer nach Süden vorstoßen zu können.
Der am 5. November im Gefolge des Kaisers Karl in Udine weilende
Gdl. Arz teilte die Ansicht Belows über die Wichtigkeit eines raschen
Erreichens von Longarone, bezeichnete es aber als im übrigen für be-
langlos, ob Truppen der 10. oder der 14. Armee auf der vorerwähnten,
dorthin führenden Straße den Vortritt hätten. Erzherzog Eugen gestand
hierauf der 14. Armee die Mitbenützung dieser Straße zu1).
i) Kr äfft, II, 179.
616
Die Herbstoffensive gegen Italien
Die Verfolgung bis an den unteren Piave
Vom Tlagliamento bis zur Livenza
(5. bis 7. November)
Das 10. Armeekmdo. hatte von seinen schwachen Kräften die
94. ID., wie schon ausgeführt wurde (S. 593), über Lorenz ago gegen
Pieve di Cadore angesetzt. Die Schilderung ihrer Kämpfe wird im Zu-
sammenhange mit der Eroberung des Cadore gebracht werden. Die aus
der 59. GbBrig. und der Edelweißdivision gebildete Gruppe Hordt sollte
raschestens in das Becken von Tramonti vorstoßen, um den noch östlich
davon stehenden feindlichen Kräften den Rückzug zu verlegen. Bei
diesem Vormarsch, bei dem die 59. GbBrig. an die Spitze der Kolonne
trat, verursachte der Übergang aus dem Quelltal des Tagliamento von
Grasia nach Tramonti di sopra erhebliche Schwierigkeiten. Die Edel-
weißdivision vermochte am 5. abends mit der 216. IBrig. bei Tolmezzo
das Südufer zu gewinnen; die nachfolgende 217. IBrig. und hinter ihr
die als Armeereserve bestimmtie 29. GbBrig. gelangten nach Tolmezzo.
Bei der 14. Armee hatte die Gruppe Krauss im Sinne der vor-
erwähnten Erwägungen Belows (S. 615) den Befehl erhalten, Truppen
ihres rechten Flügels durch das Gebirge rasch auf Longarone vorzu-
treiben; sie sollten auf dem westlichen Piaveufer flußabwärts drücken,
um hiedurch jeden Widerstand des Feindes möglichst schnell zu brechen.
Als Verstärkung erhielt die Gruppe Krauss das württembergische Ge-
birgsbataillon und die drei deutschen Sturmbataillone, von denen das
erstgenannte der Jäger division, je ein Sturmbataillon den Divisionen 22,
50 und 55 zugewiesen wurden.
Gdl. Krauss befahl der Jäger di vision, bei Avasinis und vor dem
Mt. Corno nur die nötigsten Kräfte zu belassen, mit der Masse aber
über Gerchia und Chievolis nach Longarone vorzudringen. Von der
Hauptkraft des Korps, die den Gebirgsfuß entlang vorrücken sollte,
hatten die 55. ID. bis Montiereale und die 50. bis Arba, Vortruppen bis
Aviano (55. ID.), Ponte di Giulia und S.Leonardo (50. ID.) zu gelangen.
Die 22. SchD. sollte nach Travesio und Manazzons folgen.
Indessen hatte sich die Jäger division am 5. mit einem Regiment
an der vom Feinde hartnäckig verteidigten Stellung zwischen Avasinis
und dem Mt. Corno festgebissen. Die Masse war im Sinne eines anderen,
Allgemeine Vorrückung am 5. November
617
in seinem Ursprünge nicht mehr feststellbaren Befehlesx) durch das
Azzinotal im Vorrücken gegen S. Francesco. Sie stieß bei Pielungo auf
die Hauptkraft der italienischen Divisionen 36 und 63 und verwehrte
ihnen, sich nach Südwesten durchzuschlagen. Diese feindliche Kolonne
bog nun nach Westen in das Becken von Tramonti ab, wohin auch eine
Nebenkolonne von S.Francesco über S.Vincenzo strebte2).
Das Vorrücken der 55. ID., die das Herankommen ihrer Artillerie
abwartete, erlitt durch den Einsturz der Behelfsbrücke bei Cornino eine
Verzögerung. Immerhin vermochte ihre Vorhut gemeinsam mit jener
der 50. ID. bei Colle die Meduna zu überschreiten. Zwei andere
Bataillone der 55. ID., die von Meduno aus gegen Barcis gewiesen
waren, schlugen die Südgruppe der italienischen 26. ID. bei Navarons
und Poffabro zurück. Ein Bataillon rückte längs des Höhenrandes nach
Montereale. Die 50. ID. und die 22. SchD. erreichten die ihnen vor-
gezeichneten Ziele.
Bei der Gruppe Stein marschierte die deutsche 12. ID. in zwei Ko-
lonnen über Tesis und Vivaro, den mittlerweile abgeflossenen Torrente
Cellina durchschreitend, nach S. Leonardo und S. Foca. Hier stieß sie
dem von Montereale nach Süden abziehenden italienischen Kavallerie-
korps in die Flanke und warf es gegen Westen zurück. Eine S ei ten-
abteilung der 12. ID. eilte am westlichen Tagliamentoufer nach Süden,
um der Gruppe Hofacker den Übergang bei Bonzicco zu erleichtern.
Doch hier war der Feind schon abgezogen, und Teile der 117. ID. ver-
mochten noch am 5. auf der wiederhergestellten Brücke das Ufer zu
wechseln. Die hinteren Divisionen der Gruppe Stein (Alpenkorps,,
13. SchD.) und der Gruppe Hofacker (deutsche 26. ID.) sowie die fünf
Divisionen der Armeereserve blieben in ihren Quartieren.
Die Heeresgruppe Bor oe vie vermochte am 5. November nun auch
in breiter Front den Tagliamento zu überschreiten. Dem II. Korps der
2. Isonzoarmee, das raschestens Abteilungen nach Pordenone vortreiben
sollte, um der 14. Armee das Vorwärtskommen zu erleichtern, glückte es
aber nur, ein Bataillon der 28. ID. über einen beiTurrida erbauten Steg
auf das Westufer zu bringen. Von der Gruppe Kosak gelangten bei
Rivis einige Bataillone der 35. ID. über den Fluß, indes die 60. ID. ihre
beiden Brigaden bei Goricizza vereinigte. Das XXIV. Korps setzte seine
während der Nacht begonnene Durchfurtung (S.610f.) auch am Tage
fort. Nachmittags wurde die Eisenbahnbrücke für Infanterie benützbar.
1) Kr äfft, II, 175.
2) Cablati, Ottobre 1917, 314.
618
Die Herbstoffensive gegen Italien
Bis zum Abend erreichte die 24. ID. Azzano Decimo und Taj edo. Die
53. ID., die am Morgen noch einige auf dem Westufer gelegene kleine
Befestigungen zu bezwingen hatte, vereinigte abends die Masse ihrer
Infanterie in S. Vito ,al Tagliamento. Eine linke Seitenabteilung rückte
flußabwärts vor, um der nördlichen Flügel division der 1. Isonzoarmee,
der 14. ID., beim Übergange beizustehen.
Der 14. ID. glückte wegen des Mangels an Kähnen aber nur die
Überschiffung eines Nachrichtendetachements. Die Division stand am
5. abends noch bei Gradiscutta. Wohl aber brach die 44. SchD. unter
Kampf mit feindlichen Nachhuten bei Madrisio über den Fluß vor und
gewann bis zum Abend Bagnarola und Cor do vado; Verfolgungsabtei-
lungen setzten dem Feinde über Sesto nach. Die 10. ID. überschiffte
nördlich und südlich von Latisana den Fluß und kam bis Portogruaro
und Fossalta. Das der Division nunmehr für die Verfolgung zugewie-
sene halbe DR. 7, das bis jetzt im Küstenschutz gestanden war, trabte
bis an den Lisonbach. Die gleichfalls überschiffte 41. HID. erreichte mit
ihrer Infanterie Concordia und Giussago. Die übrigen Divisionen der
Heeresgruppe warteten in ihren Quartieren das Freiwerden der Vor-
marschstraßen ab.
Auf Seite des Feindes waren die beiden Armeen am 5. kampflos
hinter die Livenza zurückmarschiert; sie sollten hier ein bis zwei Tage
halten. Am Abend stand die 3. Armee mit den Korps XXIII, XIII, XI
und VIII sowie mit der wieder als Nachhut bestimmten 4. ID. am Fluß
zwischen Torre di Mosto und Mansuè. Je eine Brigade dieser Korps
wurde schon in die künftigen Verteidigungsabschnitte ¡an den Piave
zurückgesandt. Das XXV. und das VI. Korps bezogen im Räume um
Treviso Erholungsquartiere. Von der 2. Armee hatten sich die noch
kampfkräftigeren Teile (XXVII., XXVIII., Spezialkorps und Masse
des Kavalleriekorps) nach kurzem Zwischenhalt an der Cellina gleich-
falls hinter die Livenza zurückgezogen. Die 3. KD. stand bei Aviano.
Die Südgruppe der 26. ID. bezog bei Poffabro und auf der Forcella
Clautana Sperrstellungen. Die schon von allen Seiten umstellten Divi-
sionen 36 und 63 strebten dem Becken von Tramonti zu. Die ¡anderen
Korps (VII., XXIV. und II.) waren längs der Leitlinie Sacile—Cone-
gliano—Montebelluna im Rückmarsch hinter den Piave.
Am 6. November erreichten die in der Ebene vordringenden Hee-
resteile der Verbündeten allseits die Livenza. Beim XXIII. Korps be-
gannen die vorderen Brigaden der Divisionen 41 und 10 zwischen Torre
di Mosto und Corbolone mit Übergangs Vorbereitungen. Tags darauf,
Kämpfe an der Livenza
619
am 7. November, waren von der unermüdlich vordringenden 10. ID. bei
S. S tino di Livenza bereits sechs Kompagnien überschifft, die sich gegen
einen Gegenangriff einer italienischen Brigade behaupteten. Die 12. ID.
war bis zum 7. bei Latisana aufgeschlossen; ein von ihr bis C. Villaviera
vorgetriebenes Detachement sollte von der Lagunenflottille der Kriegs-
marine durch den Can. Niceloso an die Mündung der Livenza befördert
werden. Beim VII. Korps erreichte die 44. SchD. am 6. abends Motta
di Livenza und brachte am 7. mit Behelfmitteln das SchR. 21 über den
Fluß. Die am 6. bis Sesto und Cordovado nachrückende 14. ID. wurde
am 7. links von der 44. SchD. in die Front eingeschoben. Die 48, ID.
erreichte am 7. Madrisio. Von dem noch weiter hinten befindlichen
XVI. Korps stand die 58. ID. in Fluimignano und Gonars, die 17. in
Ajeîlo und Campolongo und die l.LstlBrig. in Palmanova.
Bei der 2. Isonzoarmee gelangte vom XXIV. Korps die 53. ID., die,
weil sie nur aus ungarischen Landsturminfanterieregimentern bestand,
von nun an die Bezeichnung 64. HID. zu führen hatte1), bis Quarta-
rezza und Frattina. Sie mußte eine ihrer Brigaden, die frühzeitig bis
Motta di Livenza und damit in den Bereich des VII. Korps gelangt war,
von dort wieder abziehen. Daher blieb die Gelegenheit, noch am 6.
abends über die bei Motta di Livenza befindliche, nur unvollkommen
gesprengte Brücke überzugehen, unausgenützt. Die 24. ID. zog mit ihrer
Vorhut am 6. in Me duna di Livenza ein. Tags darauf schoben sich beide
Divisionen des XXIV. Korps näher an den Fluß heran, und zwei Ba-
taillonen der 24. ID. glückte es, westlich von Meduna di Livenza das
Westufer zu gewinnen. Das II. Korps gelangte mit der 57. ID. bis Pa-
siano und Tiezzo, mit der 28. bis Loppola; letztgenannte Division hatte
das IR. 28 bis Visinale vorgeschoben. Am 7. vermochten auch zwei Ba-
taillone der 57. ID. nordwestlich von Meduna di Livenza den Wider-
stand italienischer Nachhuten zu überwinden und auf dem Westufer
festen Fuß zu fassen. Die Gruppe Kosak, die mit je einer Division den
Korps XXIV und II zu folgen hatte, nächtigte am 7. mit der 60. ID.
in Vilotta und Sbrajovacoo, mit der 35. in Fiume und Orcenico. Das
IV. Korps stand am 7. mit der 20. HID. noch immer bei Buttrio, mit
der 29. ID. in Pozzuolo; die 9. rückte nach Codroipo vor. Die halbe
63. ID. war nach wie vor Besatzung in Udine.
Auch der Südflügel der 14. Armee vermochte am 6. mit Vortrup-
pen bis an die Livenza vorzudringen. Die 117. ID. der Gruppe Hof acker
rückte, nachdem <¿e den, Tagliamento bei Bonzicco überschritten hatte,
x) Dafür erhielt die an der rumänischen Front stehende 71. ID. die Nummer 53.
620
Die Herbstoffensive gegen Italien
am 6. kampflos bis Pordenone und Tamai vor. Ihre Vortruppen erreich-
ten Brugnera, wo die Division tags darauf nach einem Kampf mit der
italienischen 49. ID. den Fluß zu überschreiten vermochte. Die nach-
rückende 26. ID. gelangte am 7. nach Porcia und Pordenone. Von der
Gruppe Stein drang die deutsche 12. ID. am 6. von der Cellina gegen
Fiaschetti, Sacile und Cavolano vor. Gegen Abend entspann sich hier
mit der Nachhut der italienischen 2. Armee (Teile des Spezialkorps und
der 49. ID., Reiterei und Panzerautos) ein lebhaftes, die Nacht über
anhaltendes Gefecht. Am 7. glückte es sodann den Deutschen, Sacile
durch eine Umgehung von Süden her zu nehmen1). Die nachfolgende
13.SchD. erreichte am 7. Rover e do in piano; das Alpenkorps überschritt
bei Pinzano den Tagliamento.
Von den beiden in der Ebene vordringenden Divisionen der Gruppe
Krauss kam am 6. — wie befohlen — die SO. bis S. Martino und S.
Leonardo, die 55. bis Malnisio; ihre Vortruppen überschritten sogar
noch die von Rove redo in piano nach Aviano führende Straße. Tags
darauf schob sich im Vordringen gegen Polcenigo die 15. GbBrig. der
50. ID. vor die 55. ID. und brach in diesem Ort sehr rasch den Wider-
stand der italienischen 16. ID. des Spezialkorps. Bald darauf entbrannte
nördlich des Livenzaursprunges ein neues Gefecht, in das außer der
15. GbBrig. und der Artillerie der 50. ID. noch Truppen der 55. ID.,
der deutschen 12. ID. und deutsche Flieger eingriffen. Nach vierstün-
digem Kampfe wurde der Feind geworfen, der etwa 1000 Gefangene
in den Händen der Sieger ließ. In der Verfolgung gelangte die 15. Gb-
Brig. bis Caneva, ihre Vorhut bis Villa di Villa. Die 3. GbBrig. erreichte
den Raum östlich von Polcenigo. Die 50. ID. war somit ganz vor die 55.
gelangt; diese bezog in Budoia und Aviano Quartier.
Da sich die Verbündeten schon am 7. an mehreren Stellen den
Übergang über die Li venza erzwungen hatten, nahm Cadorna seine bei-
den Armeen bereits nach eintägigem Aufenthalt von dort zurück. Die
2. Armee sollte in der Linie Colle Umberto—Pianzano—Gajarine—Por-
tobuffole neuerlich Front machen. Starke Teile der allgemeinen Nach-
hut wichen aber darüber hinweg bis an den Oberlauf des Monticano;
es ergaben sich dadurch zwei hintereinanderliegende Nachhutlinien. Bei
der 3. Armee, die das Tempo des Rückzuges selbst zu bestimmen hatte,
bezogen die Nachhuten am 7. abends zwischen Oderzo und Ceggia und
hinter dem Can. Piavon neue Stellungen. Die Masse der vier Korps der
3. Armee stand bereits hinter dem Piave abwärts von Pte. Priula. Das
i) Kr äfft, II, 185, 190 f.
Preisgabe der Livensa durch die Italiener
621
II. Korps war zur Besetzung des Montello schon am 6. zur 4. Armee
getreten, der auch noch das XXIV. Korps überwiesen wurde. Desglei-
chen wurde ihr auch das XII. Korps zugeschlagen, da dessen Rück-
zugslinie in ihren Bereich führte1).
Die Gefangennahme der 36. und der 63. italienischen Division
Unterdessen hatte sich aber im Becken von Tramonti das Schick-
sal der 36. und der 63. ID. des italienischen XII. Korps bereits erfüllt.
Da sich die deutsche Jäger division von diesen beiden italienischen
Divisionen, die sie auch am 6. November bei Gerchia aufhielt, noch
nicht hatte loslösen können, bestimmte Gdl. Krauss die 22. SchD., die
am 6. bei Meduno eingetroffen war, zum Vormarsch über Longarone
auf Belluno und wies ihr noch das württembergische Gebirgsbataillon
zu. GM. Müller beschloß nun, mit der 43.SchBrig., dem Gebirgsbatail-
lon und zwei Gebirgsbatterien über Chievolis, Forcella Clautana und
Longarone nach Belluno zu ¡rücken, indes die 98. KSehBrig. über Ma-
niago, Andreis, Barcis, durch das Calteatal, über den Sattel südlich des
Mt. Tremol À 2007 und Farra den Weg nach Belluno zu nehmen hatte.
Bald nach Antritt des Vormarsches vernahm GM. Müller Gefechtslärm
von Tramonti di sotto her. Er bog dorthin ab und warf die schon bis
hieher gelangten Teile der beiden italienischen Divisionen zurück ;
1200 Italiener fielen in Gefangenschaft. Die Kolonne GM. Müller näch-
tigte hierauf bei Chievolis; die 98. KSehBrig. erreichte abends Maniago.
Mittlerweile vervollständigte die Gruppe Hordt, die mit der Masse
von Norden her über Grasia, mit dem Bataillon 11/59 von Preone über
S. Francesco und S. Vincenzo gegen das Becken von Tramonti vordrang,
die Einkreisung. Im einzelnen vermochte letztgenanntes Bataillon ge-
meinsam mit dem Bataillon V/7 der 59. GbBrig. bei Selva Piana nach
einem bis in die Morgenstunden des 7. währenden Gefecht 5000 Ita-
liener zur Waffenstreckung und zur Übergabe von 24 Geschützen zu
zwingen. Das 1. Bataillon des KJR. 4 brachte bei Pielungo 30 Offiziere
und 800 Mann als Gefangene und 34 Kanonen als Beute ein. Vor klei-
nen Abteilungen deutscher Jäger legten in Tramonti und Campone etwa
3000 Italiener die Waffen nieder. Insgesamt wurden 10.000 Mann als
Gefangene abgeführt. Ein kleiner Rest des Feindes schlug sich in das
1) Bericht der Unter s uahungskommission, I, 337.
622
Die Herbstoffensive gegen Italien
enge Gebirgstal nach Sei vis durch; ihn erreichte später das gleiche
Schicksal1).
Am 6. abends sah auch die Besatzung des Mt. Festa, gegen den eine
Hochgebirgskompagnie der 10. Armee angesetzt war, jeden weiteren
Widerstand als nutelos an und sprengte das Werk. Es hatte durch die
andauernde Beschießung des engen Tagli amen to taie s die Benützung der
darin führenden Straße unterbunden und die dort vorrückenden Heeres-
körper der Verbündeten zu zeitraubenden Umwegen gezwungen. Die
nach Süden abziehende Werksbesatzung lief schließlich der Jägerdivi-
sion in die Arme. Diese rückte am 7. im Sinne eines am Vortage erhal-
tenen Befehles nach Meduno und Cavasso.
Die weiteren Kampfhandlungen der Gruppe Hordt, die am 6. mit
der Masse in Tramonti di sopra und disotto, mit der 217. IBrig. in
Grasia nächtigte, sowie jene der 22. SchD. werden im Zusammenhange
mit der Eroberung des Cadore geschildert werden.
Von der Livenza zum unteren Piave
(8. bis 10. November)
In den letzten Tagen der Verfolgung bemühte sich das deutsche
14. Armeekmdo., das Schwergewicht auf dem Nordflügel zu verstärken,
also mehr Truppen in das obere Piavetal nach Belluno einströmen zu
lassen, um dann mit ausreichender Kraft über Feltre gegen Bassiano
vordringen zu können. Auch war es der Wunsch des Gdl. Below, die
Befehlsgewalt im oberen Piavetal nicht mit dem Kommando der 10. Ar-
mee, die gleichfalls über Belluno nach Feltre gewiesen war, teilen zu
müssen2).
Dieser Plan Belows, mit dem Schwergewicht über den Gebirgsfuß
vorzurücken, um die Piavefront auf dem Westufer von Norden her auf-
zurollen, stand jedoch nicht im Einklang mit dem von der k. u. k. Hee-
resleitung am 2. November erlassenen Befehl, wonach das Schwergewicht
auf den Südflügel der Heeresgruppe Boroevic zu legen war, um auf
dieser in der Ebene führenden und kürzeren Vormarschrichtung die
italienische Piavefront von Süden her aus den Angeln zu heben. Aller-
dings hatte man in Baden darauf verzichtet, die Verwirklichung dieser
Absicht nachdrücklich zu betreiben; man widerstrebte aber anderseits
*) Murari, 257 f.
2) Kr äff t, II, 187 f.
Nachh'utgefechte am Monticano
623
dem Ansinnen, weitere Kräfte aus der venetianischen Ebene der Heeres-
gruppe Conrad zuzuführen. Allerdings plante man, eineinhalb Divisio-
nen von der Heeresgruppe Boroevic der Ostfront zu überweisen.
Zur Erleichterung der Führung verfügte Gdl. Below am 7. eine
Teilung der überstarken Gruppe Krauss; sie sollte vom 8. an nur mehr
aus der 22. SchD., der Jä,gerdi vision und dem Alpenkorps bestehen.
Über die 55., die 50. und die nachzuziehende 1. ID. sollte das in Reserve
stehende XV. Korpskmdo., FML. Scotti, die Befehlgebung übernehmen.
Überdies wurde die 200. ID. der Gruppe Hof acker nachgesendet; die
drei anderen Divisionen der Armeereserve (deutsche 5., öst.-ung. 4.
und 33. ID.) hatten noch bei Udine zu verbleiben. Da Gdl. Krauss aber
noch vor Erhalt dieses Befehles die 55. ID. von Aviano nach Farra
(10 km östlich von Belluno) senden wollte, was auch im Interesse der
vom 14. Armeekmdo. so sehr gewünschten Stärkung des rechten Flügels
gelegen war, hatte die 55. ID. bei der Gruppe Krauss zu verbleiben.
Dafür hatte das Alpenkorps zu der am 9. November mittags neuzubil-
denden Gruppe Scotti zu treten.
Unterdessen erzielte die Gruppe Krauss am 8. erheblichen Raum-
gewinn. Die 15. GbBrig. kam am Nachmittag bis Vittorio, in welche Stadt
das vorgeschobene Bataillon 11/18 schon um 9h vorm. eingezogen war.
Die 3. GbBrig. gelangte nach Caneva. Die schließlich doch in der Ebene
vorrückende 55. ID. erreichte spät abends gleichfalls Vittorio. Die
Jägerdivision bezog in St.Lucia und Aviano, das Alpenkorps inTauriano
und Valeriano Quartier. Von der Gruppe Stein zog die deutsche 12. ID.
nach Vertreibung italienischer Nachhuten in Godega di S. Urbano und
Cordignano ein; die 13. SchD., die mit Teilen an diesem Gefechte teil-
genommen hatte, nächtigte in Orsago und Sacile. Auch die von Brugnera
über Gajarine vorrückende 117. ID. der Gruppe Hof acker stieß am
Monticano auf Widerstand, der nachts gebrochen wurde. Die nachfol-
gende deutsche 26. ID. kam mit den Anfängen bis Codognè, die 200.
rückte bis an die Tagliamentobrücke bei Bonzicco nach.
Bei der südlich anschließenden 2. Isonzoarmee hatte sich indessen
auch das IR. 28 der 28. ID. bei Portobuffole den Übergang über die
Livenza erzwungen. Der weitere Vormarsch des II. Korps wurde durch
die zahlreichen Wasserlinien mit ihren zerstörten Übergängen und durch
den Mangel an Brücken,gerät erheblich erschwert. Dennoch standen Vor-
huten am 8. November abends am Monticano, den Patrouillen an ein-
zelnen Stellen sogar noch durchwateten. Die Masse des Korps erreichte
Cornaro und Basalghelle (28. ID.), Mansuè und Fossabiuba (57. ID.).
624
Die Herbstoffensive gegen Italien
Beim XXIV. Korps, das bei Meduna die Livenza überschritt, erzwang
sich die Vorhut der 24. ID. gemeinsam mit Abteilungen der 57. ID. und
der 64. HID. bei Gorgo den Übergang über den Monticano und drang
noch bis Frassene vor. Die 64. HID. nächtigte östlich von Gorgo. Bei
der Gruppe Kosak blieb die 35. ID. stehen, die 60. rückte nach Pravis-
domiini und Villutta.
Die 1. Isonzoarmee überwand am 8. den Raum zwischen der Li-
venza und dem Can. Piavon. Das VII. Korps 'erreichte nach Zurück-
dräpgen der italienischen 4. ID. mit seinen beiden vorderen Divisionen,
der 44. und der 14., Fossalta und Chiarano; die 48. stand abends in
Cordo vado. Auch beim XXIII. Korps hatte die Vorhut der 10. ID. Ver-
folgungsgefechte zu bestehen, ehe sie vor Gessalto ankam. Dieser Ort
wu,rde abends gemeinsam mit dem von Nordosten her eingreifenden
IR. 48 der 14. ID. erstürmt. Die 41. HID., die der 10. ID. über den ein-
zigen Steg bei S. Stino gefolgt war, erreichte in der Dunkelheit Ceggia.
Die weit hinten nachfolgende 12. ID. bezog in Portogruaro Unterkünfte.
Das IV. Korps der Reserve der Südwestfront schob sich in den Raum
Codroipo—Basagliapenta—Mortegliano vor.
Von den Italienern standen am 8. abends bereits die Hauptkräfte
der 2. und der 3. Armee auf dem westlichen Pia veuf er. Lediglich das
Spezialkorps und die Divisionen 62, 23, 67 und 4 hielten als Nachhut
noch östlich des Flusses. Da nach dem Eindringen der Gruppe Krauss
in Vittorio die Verbindung zwischen der in der Ebene zurückgehenden
Masse des Heeres und dem noch im oberen Piavetal steckenden I. Korps
ohnehin unterbrochen war, hatten Versuche, den Gegner östlich des
Flusses noch weiter aufzuhalten, keinen Zweck. Die Nachhuten wurden
daher angewiesen, am 9. das Ostufer zu räumen1).
An diesem Tage gelangte die Heeresgruppe Boroevic bei trübem,
regnerischem Wetter mit den Vortruppen durchwegs bis an den Piave.
Das XXIII. Korps erreichte ihn zwischen Grisolera und S. Donà di Piave,
das VII. nördlich anschließend bis Salgaredo. Das XXIV. und Vortrup-
pen des II. Korps besetzten den Flußdamm zwischen Ponte di Piave und
Cimadolmo. Am 10. schlössen die Divisionen der ersten Linie nach vorn
auf. Die 28. ID. nahm südlich von Cimadolno noch einige Piaveinseln
in Besitz. Von den hinteren Divisionen rückte am 9. die 35. ID. nach
Pasiano vor. Überdies wurde das IV. Korpskmdo., samt der 29. und der
9. ID. vorgezogen, um am 12. das sehr standesschwache XXIV. Korps
abzulösen. In den Verband dieses dann nach Motta di Livenza und
x) Bericht der Untersuchungskommission, I, 357.
Vorverlegung der höheren Kommandos
625
Mansuè gelangenden Korps hatte die 20. HID. zu treten, die nach Az-
zano Decimo vorgezogen wurde.
Nun verlegten sich auch die hohen Befehlsstellen nach vorne. Das
Kommando der 2. Isonzoiarmee kam am 10. nach P asiano, jenes der 1.
am 11. nach Portogruaro. GO. Boroevic bezog gleichfalls am 11. in
S. Vito al Tagliamento .Quartier. Das Kommando der Südwestfront, das
ursprünglich nach Klagenfurt übersiedeln wollte, sandte seine Quartier-
macher nach Udine, wo der Generalstabschef, GM. Konopicky, bereits
am 10. abends eintraf.
Bei der 14. Armee ging die 117. ID. der Gruppe Hof acker am 9.
nach Überschreiten des Monticano gegen Tezze und Susegana vor. Ehe
sie sich noch zum Angriff auf den bei der E. St. Susegana angelegten
Brückenkopf entfaltete, räumte ihn die italienische Nachhut und sprengte
die Bahnbrücke; die Straßenbrücke wurde ein Raub der Flammen. Die
26. ID. bezog in Codognè und Francenigo, die 200. in Pordenone Unter-
künfte. Die Gruppe Stein erreichte den Piave am 9. mit der 13.SchD.
gegenüber dem Mantello. Die deutsche 12. ID. gelangte nach Pieve di
Solighetto und S. Pietro di Feletto. Tags darauf stieß diese Division vor
Vidor auf eine Brigade des italienischen IX. Korps. Es glückte ihr
wohl nicht, den Feind — wie geplant — zu überrumpeln; aber in der
Nacht auf den 11. räumte dieser auch hier das Nordufer und sprengte
die Brücke. Von der neugebildeten Gruppe Scotti erreichte die im
Soligotal vorgehende 50. ID. am 9. mit der 15. GbBrig. Miane und Cison
diValmarino, mit der 3. GbBrig. Vittorio; tags darauf gewann die Di-
vision die Enge des Piavetales zwischen S. Vito und Vas. Das Alpen-
korps nächtigte am 9. in Aviano und am 10. in Serravalle, Vittorio und
Cordignano. Die 1. ID. erreichte am 10. mit den Anfängen Aviano.
Von der Gruppe Krauss rückte die 55. ID. am 9. von Vittorio gegen
Belluno vor, traf aber schon am Südende des Lago di S. Croce auf eine
feindliche Nachhutstellung, die sie am selben Tage nicht zu bezwingen
vermochte. Tags darauf war der Feind abgezogen. Dafür nahm die
Division am Nordende des Sees ein italienisches Bataillon gefangen,
das von der auf Farra vorstoßenden 98. KSchBrig. nach Süden abge-
drängt worden war. Die Nacht verbrachte die 55. ID. in Castion, süd-
lich von Belluno; die gesprengte Brücke hinderte sie daran, in Belluno
einzuziehen. Die Jägerdivision rückte am 9. nach Vittorio und Cor-
dignano und rastete hier auch am nächsten Tage.
Gdl. Below, der zwei Tage in Pordenone geweilt hatte, verlegte
sein Hauptquartier am 10. nach Vittorio.
VI 40
626
Die Herbstoffensive gegen Italien
Das Eingreifen der Heeresgruppe Conrad
Hiezu Beilage 30
Die italienische 4. Armee im Cadore
Nach dem Zusammenbruche der Julischen Front und mit Beginn
des Abbröckeins der Italiener vom Karnischen Kamm mußte nun auch
die Dolomitenfront ins Wanken geraten. Hier stand in weitem Bogen
vom Mt. Peralba an Kärntens Westgrenze bis zum Nordabf all der Hoch-
fläche der Sieben Gemeinden die italienische 4. Armee, GLt. Nicolis di
Robilant, mit drei Korps in der Gesamtstärke von 90 Bataillonen und
904 Geschützen1). An ihrem Ostflügel deckte das I.Korps mit der
1. ID. den Raum zwischen dem Karnischen Kamm und den Tofanen,
mit einer Gruppe von fünf Alpinihataillonen das Gebiet um den Falza-
regopaß. Das IX. Korps hielt den Raum zwischen dem Col di Lana und
dem Tale von S. Pellegrino mit der 18., das Gebiet des Rollepasses
mit der 17. Division. Das XVIII. Korps stand mit der 56. ID. in den
Fassaner Alpen, mit der 15. und der 51. ID. im Suganertale.
Auf öst.-ung. Seite hielt das XX. Korps, Gdl. Roth, mit der 49.
und der 52. ID. die Dolomitenfront. Hiefür standen ihm 49 Bataillone 2)
und 16 Standschützenabteilungen, ferner 409 Geschütze, darunter 229
ortsfeste, zur Verfügung. Das Suganertal sperrte die 18. ID. der 11. Ar-
mee mit 12 Bataillonen3), drei Standschützenabteilungen und 106 Ge-
schützen, davon 36 unbewegliche.
Der auf den befestigten Raum von Cadore—Maè gestützten ita-
lienischen 4. Armee waren zu Kriegsbeginn wichtige Aufgaben zugeteilt
worden, deren Erfüllung sie aber bisnun, nach mehr als zwei Kampf-
jahren, kaum nähergekommen war. Weder der oft versuchte Einbruch
in das Pustertal noch der seit Mitte 1916 wiederholt angesetzte Stoß in
das Fleimstal waren geglückt, und nur an wenigen Stellen dieser Hoch-
gebirgsfront, wie im Gebiete der Tofanen, auf dem Col di Lana und
auf dem Rollepaß, sowie auf Teilen des Fassaner Kammes hatten die
a) Bericht der Untersuchungskommission, I, Tafel 4. — Rivista di artrgleria e
genio, Oktoberheft 1933, 1385.
2) Darunter zwölf Landsturmbataillone sowie fünf aus Trachomkranken for-
mierte Infanteriebataillone, die nur in abgesonderten Abschnitten verwendbar waren.
3) Davon 3 Va Bataillone Landsturm und Freiwillige Schützen.
Verzögerungen im Rückzug der italienischen 4. Armee
627
Italiener örtliche Erfolge erzielt, deren Bedeutung keinesfalls den ge-
brachten Opfern entsprach. Diese kärglichen, aber so schwer errungenen
Vorteile aufzugeben, zögerte die italienische Dolomitenarmee bis zum
allerletzten Augenblick.
Cadorna hatte schon am 26. Oktober der 4. Armee vorbereitende
Weisungen für den Fall zukommen lassen, daß ein Rückzug der 2. und
der 3. Armee hinter den Tagliamento das Zurücknehmen der Dolo-
mitenfront auf die Linie des „äußersten Widerstandes" — das war eine
von Rozzo über die Befestigungen von Vigo, den Felsrücken des Mt.
delle Marmarole, den Mt.Antelajo und den Mt. Pelmo zum Rollepaß
verlaufende Linie — nötig machen würde (S. 548). Diesen Weisungen
folgte am 27. Oktober der Rückzugsbefehl.
GLt. Robilant trat jedoch den anbefohlenen Rückzug zunächst nicht
an, sondern traf bloß Vorbereitungen für die Ausgestaltung und Be-
setzung der neuen Widerstandslinie sowie für das Zurückführen des
Gerätes, da er der Meinung war, die Räumung der bisnun innegehab-
ten Stellungen und das Beziehen der neuen Linie könnten jederzeit
rasche s tens durchgeführt werden.
Das italienische Höchstkommando mußte jedoch schon bald die
Wahrscheinlichkeit in Betracht ziehen, daß die am Tagliamento gebil-
dete neue Front nicht längere Zeit standhalten werde. Dann konnte
auch das Cadore nicht weiter behauptet werden. Um die für diesen
Fall nötigen Vereinbarungen zu treffen, berief Cadorna die Komman-
danten der 1. und der 4. Armee für den 29. Oktober nach Treviso a) ;
die Einzelheiten wurden am 31. Oktober bei einer neuerlichen Unter-
redung dieser Generale festgelegt. Trotz dieser Vorbesprechungen rech-
nete aber Robilant noch immer darauf, daß die Rückbewegung der 3.
und der 2. Armee am Tagliamento dauernd zum Stehen kommen werde,
und zögerte daher, die Ergebnisse zweijähriger Anstrengungen preis-
zugeben. Dies rief bei Cadorna lebhafte Besorgnisse wach. Der Rückzug
der italienischen Karnischen Gruppe (XII. Korps) hinter den oberen
Tagliamento hatte die 4. Armee, wie bereits ausgeführt wurde (S. 567),
schon am 29. dazu gezwungen, ihren Ostflügel abzubiegen. Setzten die
am Tagliamento stehenden italienischen Armeen den Rückzug fort, so
erschien es Cadorna schon damals fraglich, ob die 4. Armee noch recht-
zeitig aus den Dolomitentälern werde abziehen können.
Trotz der aus diesen Erwägungen am 31. Oktober erfolgten An-
weisung Cadornas, die Rückverlegung der Front zu beschleunigen,
!) Caviglia, Le tre battaglie del Piave, 23.
40*
628
Die Herbstoffensive gegen Italien
setzte die 4. Armee in den ersten Novembertagen ihre Vorkehrungen
mit methodischer Langsamkeit fort. Noch am 2. November glaubte
GLt. Robilant das italienische Höchstkommando darauf aufmerksam
machen zu müssen, daß -er den Rücken der Tagliamentofront nur in den
bisherigen Stellungen verläßlich sichern könne, während in der künftig
zu besetzenden Linie „äußersten Widerstandes" wegen des Mangels an
Vorkehrungen für die Versorgung der Truppen kein längeres Stand-
halten zu erhoffen sei.
Dieses Zögern der 4. Armee, den unvermeidlich gewordenen Rück-
zug anzutreten, dauerte auch dann noch an, als GLt. Robilant über die
seit dem 31. Oktober eingetretene Verschärfung der Lage und die
daraus entstehende Notwendigkeit, den Rückzug der Dolomitenarmee
aus dem Gebirge zu beschleunigen, aufgeklärt worden war. Nun griff
Cadorna entschieden ein, um die schon früher geschilderte Gefahr
abzuwenden, der sich Robilant offenbar nicht voll bewußt war. Das
schwierige Führungsproblem, die Rückbewegung der 4. Armee mit dem
erzwungenen Rückzug der 2. Armee in Einklang zu bringen, war nur
durch schleunigstes Austreten der erstgenannten unter Preisgabe des
nicht mehr zu bergenden Geräts zu meistern1).
Diesen Erwägungen entsprechend, ordnete das italienische Höchst-
kommando noch ;am 2. November nachts an, daß das 4. Armeekom-
mando die Befehle für die Rückbewegung in die neue Stellung unver-
züglich auszugeben habe, und daß die Korps dieser Armee am nächsten
Morgen hinter dieser Linie gestaffelt zu sein hätten. Der Ostflügel
und die Mitte der JDolomitenarmee begannen am 3. November nun end-
lich den unvermeidlich gewordenen Rückzug in den Tälern des Ansiei,
des Boite und des Torrente Maè (I. Korps) sowie im Agordinischen
(IX. Korps), .allerdings ohne das vom Höchstkommando für diesen Tag
festgesetzte Ziel erreichen zu können. Inzwischen war die Tagli amento-
front unhaltbar geworden. Dem Entschlüsse Cadomas entprechend, den
nächsten nachhaltigen Widerstand am Piave zu leisten, erhielt daher die
4. Armee noch im Laufe des 3. Novembers den Befehl, den Rückzug bis
zum Piave fortzuführen (S. 612).
Die von General Robilant auch diesmal erhobenen Vorstellungen
galten der Befürchtung, ein allzu beschleunigter Rückzug der 2. Armee
werde das Zurückziehen der 4. Armee aus dem Gebirge gefährden. Ob-
zwar Cadorna versuchte, den Rückmarsch der 2. Armee zu verzögern,
mußte er doch am 4. November die Dolomitenarmee darauf aufmerksam
i) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 526 ff.
•
Beginn des Rückzuges bei der italienischen 4. Armee 629
machen, daß es sich bei der 2. Armee um eine erzwungene Rückbewe-
gung handle, und daß die Bedrohung der Rückzugslinie der 4. Armee
im Piavetal eine selbstverständliche Folge der langsamen Ausführung
der Befehle des Höchstkommandos sei; die Beschleunigung des Rück-
marsches mit allen Mitteln sei unerläßlich.
In der Nacht auf den 5. November kam der Rückzug der italieni-
schen 4. Armee endlich in Schwung. Die Kolonnen des I. Korps strebten,
im Osten durch die verstärkte 26. ID. des XII. Korps gedeckt, dem be-
festigten Räume von Cadore—Maè zu, jene des IX. Korps aus dem
Agordinischen und dem Primor in den Raum von Fonzaso. Auf dem
Fassanerkamm und im Suganertale hielt das XVIII. Korps zunächst
seine bisherigen Stellungen. Nur die auf seinem Nordflügel stehende
56. ID. sollte nach Maßgabe der Rückbewegung des IX. Korps ihre
Stellungen räumen und auf die Höhen südlich des Val Cia und der Linie
Canale S. Bovo—Imer zurückweichen, um die Flanke des Korps gegen
Einwirkung von Norden her zu decken.
Es war allerhöchste Zeit geworden, denn schon schickte sich die
öst.-ung. 10. Armee an, vom Quelltal des Tagliamento her in das Cadore
einzubrechen.
Die Vorbereitungen zur Offensive bei der Heeresgruppe Conrad
FM. Conrad hatte schon am 26. Oktober auf Grund der vom Isonzo
einlangenden Nachrichten bei der k. u. k. Heeresleitung angefragt, ob
die Verschiebung einer Anzahl von Divisionen vom Küstenlande nach
Südtirol möglich und jetzt schon zweckmäßig wäre. An diesem Tage
glaubte man in Baden jedoch noch an dem Grundsatze, alle verfüg-
baren Kräfte an der entscheidenden Front zu vereinen, festhalten zu
müssen. Wohl aber wies das Heeresgruppenkommando am 27. Okto-
ber das 10. und das 11. Armeekmdo. sowie das XX. Korpskmdo. an,
folgende Möglichkeiten einem Vorstudium, besonders in materieller
Hinsicht, zu unterziehen: allgemeines Vorgehen aus den gegenwärtigen
Stellungen und Vorstoß bei Zusammenfassung mehrerer starker Grup-
pen innerhalb der betreffenden Heereskörper oder Stoß mit bloß einer
zusammengeballten Kraft, die aus dem ganzen Heeresgruppenbereich
in den Raum der 11. Armee zu verschieben wäre. Für den zweiten Fall
sollte das XX. Korps eine Höchstzahl seiner besten Bataillone und alles
verfügbare Kriegsgerät beistellen. Hievon wurde, wie schon (S. 615)
dargelegt, die k. u. k. Heeresleitung verständigt.
630
Die Herbstoffensive gegen Italien
Dieses Vorhaben stützte sich auf die Annahme, daß auf die Zu-
weisung frischer Kräfte zunächst nicht zu rechnen sein werde und daher
nur ein örtlicher Stoß in Betracht käme, der aber den Feind bald und
an empfindlicher Stelle treffen müsse, sollte er auf die Gesamtlage
mitentscheidend einwirken. So waren einerseits rasche Versammlungs-
möglichkeit und gesicherter Zuschub für die Stoßgruppe Grundbedingung,
anderseits war der Stoß in einen Raum zu führen, der dauernd be-
hauptet werden konnte und eine günstige Ausgangsstellung für weitere
Angriffsunternehmen bildete.
Nach verläßlichen Nachrichten zählte das auf dem Nordteile der
Hochfläche stehende italienische XX. Korps derzeit bloß 56.000 Mann
gegenüber einer Stärke von 145.000 Mann während der Ortigaraschlacht.
Diese erhebliche Schwächung der italienischen Kräfte zwischen dem
Astioo und dem Suganertale wies ebenso wie die Rücksicht auf die eben
erwähnten Anforderungen auf die Hochfläche von Asiago hin. Wenn es
gelang, in kräftigem Vorwärtsdringen den Südostrand der Hochfläche
zu erreichen, so bestand für den Feind geringe Aussicht, die Piavefront
behaupten zu können.
Auf dieser Beurteilung der Lage gründete sich in der Folge das
Eingreifen der Heeresgruppe Conrad. Noch am 27. Oktober teilte der
Feldmarschall dem FZM. Scheuchenstuel und dam Gdl. Roth mit, daß
er beabsichtige, mit den in Tirol zur Verfügung stehenden Kräften
einen Angriff durchzuführen. Hiezu sei beabsichtigt, drei Divisionen
westlich von Asiago zu versammeln, und zwar die schon dort stehende
19. ID., bei der die für den Angriff weniger geeigneten Truppen aus-
zutauschen waren, ferner eine zweite Division, die aus Verbänden der
11. Armee zusammengestellt werden sollte, und schließlich eine aus
neun Bataillonen des XX. Korps zu bildende Division. An artilleristi-
schen Verstärkungen waren 43 mittlere und schwere Geschütze der
11. Armee und 12 leichte und zwei schwere Geschütze des XX. Korps
in den künftigen Angriffsraum zu leiten.
Kaum war dieser Befehl ausgegeben, als eine Verständigung aus
Baden einlangte, wonach der am Isonzo heranreifende große Erfolg
die Verlegung von ein bis zwei Divisionen nach Südtirol erlaube und
die Heeresgruppe alle Vorbereitungen zu treffen habe, um mit diesen
Kräften so bald als möglich aus dem Suganertal anzugreifen. FM. Con-
rad wies in seiner Antwort auf die bereits eingeleiteten Vorbereitungen
für einen Angriff bei Asiago hin, von wo aus die Ebene am raschesten
zu erreichen sei, und erlangte die Zustimmung der Heeresleitung für
Verschiebung von zwei Divisionen nach Tirol
631
diese Angriffsrichtung. Nun konnte auch der Angriffsraum entspre-
chend den auf fünf Divisionen angewachsenen Stoßkräften verbreitert
und das Ziel bis Valstagna im Brentatale erstreckt werden.
Am 28. Oktober teilte das AOK. mit, daß die 21. SchD. und die
106. LstlD. *) für die Verlegung nach Südtirol bestimmt seien, die am
gleichen Abend mit dem Verladen begännen. Zugleich wurden vier
Fliegerkompagnien vom Isonzo nach Tirol verlegt. Diese Kräfte konn-
ten bis zum 8. November in Südtirol einlangen. Je eine Division sollte
südlich von Trient und im Suganertale ausgeladen werden; beide hatten
in den Verband der 11. Armee zu treten. Als Angriffstag wurde der
10. November in Aussicht genommen.
Am 28. Oktober ergingen auch die Befehle für die neue Zusammen-
setzung der 52. ID.2); diese sollte bis zum 2. November im Etschtal
nördlich von Trient versammelt und ihre Verlegung auf die Hochfläche
von Asiago bis zum 5. durchgeführt sein.
Die Zusammenstellung dieser Division begegnete aber ernsten
Schwierigkeiten. Ihre Bataillone waren auf der 80 km langen Hoch-
gebirgsfront in ausgedehnten Stellungen zerstreut und seit langem im
Stellungskrieg ohne Ablösung verwendet worden; ihre Versammlung
konnte größtenteils nur im Fußmarsche, zum Teil auf verschneiten
Wegen, vollzogen werden. Ebenso erforderte die Umgruppierung für
den Angriff im Bereiche der 11. Armee umfangreiche Ablösungen und
Verschiebungen, die bei dem zunehmenden Mangel an Bespannungen
nur durch Aushilfen — den k. u. k. Armeen seit langem so wohlbekannt
— bewältigt werden konnten.
Schon am 28. Oktober machten sich Anzeichen der knapp bevor-
stehenden Räumung der italienischen Front in den Karnischen Alpein
bemerkbar; im besonderen war der Abbau der Funkstation der italie-
nischen 26. ID. in Paluzza bedeutsam. Diese Nachricht löste einen Befeihl
Conrads an die 49. ID. in den Dolomiten aus, das Abbröckeln der ita-
lienischen Front rechtzeitig wahrzunehmen und im eintretenden Falle
sogleich mit Streifabteilungen nachzustoßen, um umfangreiche Straßen-
zerstörungen zu verhindern. Die 10. Armee war an diesem Tage zur
Verfolgung in der Richtung auf den oberen Tagliamento vorgebrochen.
x) Mit 6000, bzw. 5200 Feuergewehren; Kriegsgliederung der beiden Divisionen
siehe Beilage 23, S. 7 und 8.
2) 52. ID.: FML. Heinrich Goiginger. 13. GbBrig.: Obst. Ritt. v. Paie, IBaone.
III/49, III/59, III/74, II/92, II/KSchR. II; Brig. Obst. Hohenberger: IBaone. I und
II/KJR. 2, III/K JR. 3, III/bh. 4.
632
Die Herbstoffensive gegen Italien
Am 29. Oktober erhielt FZM. Scheuchenstuel den vorbereitenden
Befehl zum Angriffe. Danach waren die italienischen Linien zwischen
Canove und der Höhe Katze 1223 (nördlich von Asiago) zu durch-
brechen; sodann sollte der Angriffsraum nach beiden Seiten über Gallio
und Fondi bis zum Mt. Lemme,rie verbreitert und die Höhen westlich
von Valstagna erreicht werden, um den Verkehr im Brentatale zu unter-
binden. Die unter dem Befehle des Gdl. Krautwald stehende Angriffs-
gruppe war aus den Divisionen 6, 19, 52, 21 und 106 zu bilden.
Die Fortschritte im Venetianischen und die an der Dolomitenfront
immer deutlicher werdenden Anzeichen für einen bevorstehenden Rück-
zug der Italiener veranlaßten den FM. Conrad zur Ausgabe eines neuen
Befehles, in welchem er seine Absicht mitteilte, im Falle einer Räumung
des Cadore durch die Italiener mit der Hauptkraft des XX. Korps über
den Rollepaß und durch das Cismontal gegen den Abschnitt Fonzaso—
Feltre vorzugehen. Die 49. ID. sollte starke Streifabteilungen mit Ar-
tillerie vortreiben. Auf das Vorgehen in das Piave tal legte Conrad
wegen der starken feindlichen Befestigungen und der zu erwartenden
umfangreichen Straßenzerstörungen weniger Gewicht. Dementsprechend
hatte Conrad auch schon am 30. beantragt, die 10. Armee mit Rücksicht
auf das gebotene Zusammenwirken mit der deutschen 14. Armee aus
seinem Befehlsbereich in jenen des Erzherzogs Eugen zu überweisen,
was vom AOK. auch verfügt wurde (S.593).
Die Verfolgung in den Dolomiten
(4. bis 10. November)
Der Abbau der italienischen Dolomitenfront war bei den Fort-
schritten der Verbündeten im Venetianischen um die Monatswende
immer wahrscheinlicher geworden; auch aus dem Verhalten des Feindes
konnte geschlossen werden, daß die Räumung des Cadore unmittelbar
bevorstehe1). Gdl. Roth traf daher Vorbereitungen, um den Italienern
nach Beginn des Rückzuges auf den Fersen bleiben zu können. Er ord-
nete für die Kräfte, die dem XX. Korps nach Abgabe der 52. ID. ver-
blieben waren, eine Gruppierung an, die am 10. November erreicht
sein sollte und die Bildung von Verfolgungskolonnen vorsah. Die
!) Wiederum lieferte der bewährte Abhorchdienst der öst.-ung. Führung wertvolle
Angaben. Ihnen war zu entnehmen., daß alle italienischen Funkstationen in den Be-
reichen des I. und des IX. Korps sowie der .56. ID. am 2. November abgebaut wer-
den sollten.
Verfolgung in den Dolomitentälern
633
Gruppe Obst. Edi. v. Maeindl (21. GbBrig.) sollte mit drei Bataillonen
und einer Batterie über den Kreuzberg auf Auronzo, mit einem Batail-
lon von Schluderbach über Misurina in das Ansieital vorstoßen.
Weiter nach Südwesten hatte unter dem Befehl des GM. Körper
(96. IBrig.) eine Reihe von kleinen Gruppen zur Verfolgung anzutreten.
Je ein Bataillon war zum Einbrüche über Peutelstein und über den Fal-
zaregopaß auf Cortina d'Ampezzo anzusetzen, um von dort im Boitetal
gegen Pieve di Cadore vorzugehen. Ein Bataillon und eine Batterie soll-
ten über Buchenstein, ein Bataillon über den Fedajapaß auf Allegfae,
zwei Bataillone über S. Pellegrino auf Cencenighe in das Cor de vole tal
einbrechen; von der letztgenannten Kolonne war aus Falcade eine Ab-
teilung zur Unterstützung der über den Rollepaß vorgehenden Haupt-
kraft zu entsenden. Diese Hauptkraft, 123/á Bataillone der 49. ID. unter
FML. Edi. v. Steinhart, hatte aus dem Travignolotale über den Rollepaß
und Imer in das Cismontal vorzustoßen. Von der 52. ID. sollten drei
Bataillone und eine Batterie im Tale des Vanoi, zwei Bataillone im
Westteile der Fassaner Alpen zur Verfolgung ansetzen.
Am 4. November begann die italienische Dolomitenfront abzubrök-
keln; an diesem Tage besetzten vorbrechende öst.-ung. Patrouillen die
jahrelang heißumstrittenen Stellungen auf den Drei Zinnen, auf dem
Mt. Piano, im Tofanagebiet und auf dem Colbricon. Am folgenden Tage
war die italienische 4. Armee in vollem Rückzüge. Die dem abziehenden
Feind auf dem Fuße folgenden Patrouillen trafen brennende Baracken-
lager, Magazine und allenthalben verstreutes Kriegsmaterial an. Die
umfangreichen Zerstörungen an Brücken und Straßen hemmten jedoch
die Verfolgung und zwangen die zu tatkräftigstem Nachstoßen ange-
spornten Kolonnen vielfach dazu, sogar die Tragtiere zurückzulassen.
Cortina d'Ampezzo, der Col di Lana, Caprile und S. Martino di Castrozza
wurden am 5. November von den Verfolgern besetzt.
Die italienische 17. ID. war in der Nacht auf den 5. November über
den Rollepaß abgezogen und ging auf Fonzaso zurück; die Deckung die-
ses Abmarsches durch Sperrung der Täler des Cismon und des Vanoi
übernahm die 56. ID., die nun ihrerseits mit der Räumung ihrer Stellun-
gen in den Fassaner Alpen begann. Die beiden anderen Divisionen des
XVIII. Korps hielten ihre Stellungen im Suganertal, dem Drehpunkt der
zurückschwenkenden Armeefront, unverändert fest. Vier Bataillone und
drei Gebirgsbatterien wurden von hier als Sicherheitsbesatzung auf den
Mt. Grappa zurückgesendet1).
*) Cablati, La riscossa (Mailand 1934), 51.
634
Die Herbstoffensive gegen Italien
Am 5. November beschloß FM. Conrad, den Vorstoß starker eigener
Kräfte über den Rollepaß zu unterlassen, da ihn der Feind aufgegeben
hatte; die dadurch frei werdenden Truppen hatten sich im Räume um
Trient zu sammeln und von dort ehestens zur Stoßgruppe auf den
Sieben Gemeinden abzurücken. Zum Vorgehen über den Rollepaß in
das Primör und in weiterer Folge auf Fonzaso wurde lediglich die
9. GbBrig.1) bestimmt. Alle sodann noch verfügbaren Truppen des
XX. Korps waren auf dem kürzesten Wege an die Bahn zu bringen,
entsprechend auszurüsten und in den Raum um Trient zu verlegen, wo
aus ihnen die 49. ID.2) neu aufzustellen war.
Mit diesem schwerwiegenden Entschlüssle verzichtete das Heeres-
gruppenkommando endgültig auf die Möglichkeit, dem noch im Suganer-
tale zurückhängenden Westflügel der italienischen 4. Armee durch einen
kraftvollen Stoß den Cismonfluß entlang empfindlichen Abbruch zu tun
und stärkere Kräfte in den Raum von Primolano und Feltre zu bringen.
Die aus den Dolomiten abziehenden italienischen Kolonnen konnten
den Rückzug unter dem Schutze ihrer Nachhuten, vom Gegner unbehelligt,
bewerkstelligen. Am 5. November abends erreichte das aus dem Agor-
dinischen und aus dem Primör zurückweichende italienische IX. Korps
mit seinen Hauptkräften den Raum um Fonzaso und westlich von Belluno,
und seine Nachhuten richteten sich in der „Linie des äußersten Wider-
standes" ein. Auf dem Ostflügel der 4. Armee erreichte die Masse des
I. Korps das Piavetal bei Pieve di Cadore und nördlich davon. Das Ab-
fließen der dort zusammenströmenden Truppenmengen, das an den
folgenden Tagen Staffel weise mit Zuhilfenahme der wenig leistungs-
fähigen Bahn und schleunig herangezogener Kraftwagenkolonnen ein-
setzte, sollten die in der erwähnten Widerstandslinie zurückgelassenen
starken Nachhuten gemeinsam mit den Festungstruppen des Cadore bis
zum 10. November abends decken. Zum Schutz gegen den von Osten
!) 9. GbBrig.: Oberst Lercher, IBaone. IV/12, IV/84, IV/87, KSchR. III (3);
8 Batterien.
2) Gliederung der 49. ID. um den 10. November:
Kmdt. FML. Edi. v. Steinhart
56. GbBrig. : Obst. Gustav v. Krammer, IBaone. III/73, I/KSchR. III,
k. k. LstlBaone. 29, 160, 161
179. IBrig. : Obst. Covin, IBaon. II/SchR. 5, k. k. LstlBaone. II, III,
168, 171
Sturmbaon. 49, 9 HochgbKompagnien
211/2 Batterien
Die Division sollte am 12. November verwendungsbereit sein.
Konzentrisches Vordringen gegen das Cadore
635
her gegen den oberen Piave heranrückenden Gegner wurden bei der im
Gebirge östlich vom Piave stehenden 26. ID. des XII. Korps frische
Truppen, zunächst eine Bersaglieribrigade, eingesetzt.
Die Gefahren, die der verspätete Rückzug für die italienische 4. Ar-
mee heraufbeschworen hatte, waren tatsächlich nicht gering. Die k. u. k.
10. Armee, die dem aus den Karnischen Alpen abziehenden Feind mit
der Hauptkraft zunächst an den oberen Tagliamento und mit der
Gruppe Obst. Fasser nach Sappada gefolgt war, hatte schon am 29. Ok-
tober den Auftrag erhalten, westwärts in das Cadore einzubrechen
(S. 616). Ungeachtet aller Schwierigkeiten, die das Gebirge, die Zer-
störung der Straßen, das schlechte Wetter und der hartnäckige Wider-
stand feindlicher Nachhuten bereitete, stand die 10. Armee, die zum
großen Teile aus Stellungstruppen zusammengesetzt und ganz unzu-
reichend mit Beförderungsmitteln ausgerüstet war, bereits am S.Novem-
ber zum Vorstoß gegen Westen bereit.
Obst. Fasser hatte am 3. den Abstieg in das oberste Piavetal be-
gonnen, wobei noch erheblicher Widerstand zu überwinden war; das
FJB. 8 bemächtigte sich an diesem Tage der Gebirgspässe südwestlich
von Sappada und näherte sich dem Col Rementera an der Ostfront der
Festung Cadore-Maè. Die Hauptkraft dieser Gruppe eroberte am 5.
den befestigten Mt. Terzo pice, und stand nun unmittelbar vor S. Ste-
fano di Cadore. Die Hauptkraft der 94. ID. erstürmte am 5. nach har-
tem Kampfe den Passo della Morte. Südlich vom oberen Tagliamento
war die schon geschilderte Einkreisung der Masse des italienischen
XII. Korps im Gange (S.621). Nach ihrem Abschluß konnte die Füh-
rung der Verbündeten aus diesem Räume auch die Hauptkraft der
10. Armee gegen das Cadore ansetzen.
Von der 9. GbBrig. waren sogleich nach Einlangen des Befehles zur
Verfolgung am 6. November früh das Bataillon IV/84 über den Rolle-
paß, zwei Kaisersehützenkompagnien in das Vanoital vorgeschickt wor-
den. Sie erreichten am Abend des gleichen Tages Fiera di Primiero
und Cavria, am nächsten Tage Mezzano und Canale S. Bovo.
Die im Cordevole- und Boitetal vorgehenden Verfolgungskolonnen
der 96. IBrig. gewannen gegenüber den schrittweise weichenden Nach-
huten der Italiener nur langsam Raum. Am 6. wurden Alleghe und Borea
besetzt. Die Kolonne im Gordevoletale erreichte nach einem Gefecht
bei Listolade ¡am 8. November Agordo, stieß aber dann bei der per-
manenten Straßensperre von Sasso di S. Martino auf die von starken
italienischen Nachhuten besetzte Widerstandslinie, die vom Feind auf-
636
Die Herbstoffensive gegen Italien
tragsgemäß bis zum 10. gehalten wurde. Erst am 11. fanden Erkunder
die Stellungen geräumt; der Weg in das Becken von Belluno war frei.
In ähnlicher Weise liefen sich die im Boitetale verfolgenden Bataillone
fest; sie konnten sich mit der 94. ID. erst nach deren Einrücken in
Pieve di Cadore vereinigen. Die Befestigungen und die ausgedehnten,
durch permanente Minenanlagen vorbereiteten Straßen- und Brücken-
zerstörungen hatten die Verfolgung im höchsten Maße gehemmt.
Beim italienischen I. Korps wurden am 6. November zehn Bataillone
aus dem Räume von Pieve di Cadore abgeschoben; noch harrten aber
namhafte Teile dieses Korps, seine Nachhuten, die Festungsbesatzung
und die 26. ID. des XII. Korps, der Abbeförderung, die bei den Fort-
schritten der 10. Armee immer dringender wurde. Schon näherte sich
an diesem Tage Obst. Fasser mit seiner durch ein Bataillon der 21. Gb-
Brig. verstärkten Gruppe1) der Nordfront der Festung, den Werken
von Vigo. Die 94. ID. schickte sich zum Angriffe gegen die Ostfront
beiderseits von Passo di Mauria an.
Am folgenden Tage, am 7. November, waren die ersten Anzeichen
bevorstehender Rückbewegung auch beim Feinde im Suganertale wahr-
zunehmen. Das italienische XVIII. Korps bezog seine vorbereitete Haupt-
kampflinie beiderseits von Strigno, beließ aber starke Nachhuten in den
bisherigen Stellungen.
Die 9. GbBrig., die ihre Versammlung am 6. durchgeführt hatte,
trat am 7. die Verfolgung in zwei Kolonnen — über den Rollepaß und
im Vanoitale — an; die Vorbewegung stockte jedoch schon am folgen-
den Tag. Die sechs Bataillone starke Nachhut der italienischen 56. ID.
hatte sich in den vorbereiteten Stellungen am Zusammenflusse des Cis-
mon und des Vanoi, auf den Höhen Viderne A 1585, Totoga -<¡>- 1706 und
Remitte A 1785 eingenistet. Die 9. GbBrig. war daher gezwungen, sich
durch Entsendung einer Umgehungskolonne über das Gebirge östlich
vom Cismon den Weg zu öffnen. Kostbare Zeit ging so verloren2).
Prächtige Erfolge errang die 10. Armee am 7. November. Ihre
94. ID. erstürmte nach elfstündigem Kampfe die feindlichen Stellungen
beiderseits vom Passo di Mauria und zwang abgeschnittene italienische
Abteilungen zur Waffenstreckung. Den Vorteil tatkräftigst ausnützend,
1) Die „Trachombataillone" I, III und VIII/104 der 21. GbBrig. waren nach
Erreichen von S. Stefano ins Pustertal zurückgekehrt, um so wie die übrigen Tra-
chombataillone (S. 609) zur 7. Armee abbefördert zu werden.
2) Wisshaupt, Vom Colbricon bis Fonzaso (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg.
1927, 523 ff.).
msmm
__
Eroberung von Pieve di Cadore 637
stieß diese Division sogleich nach Lorenzago nach und brachte so die
starken Befestigungen von Vigo zu Fall, deren Besatzungen sich, gleich-
wie zahlreiche Versprengte, der 94. ID. oder der von Norden eingrei-
fenden Gruppe Obst. Fasser ergaben. Die hiebei eingebrachte Kriegs-
beute war recht ansehnlich.
Am 8. November setzte die Division Lawrowski die Vorrückung auf
beiden Ufern nach Süden fort und besetzte in den ersten Nachmittags-
stunden nach Kampf den Ort Pieve di Cadore, wo ihr wiederum
4700 Mann und 21 Geschütze in die Hände fielen. Auch die nunmehr aus
dem Boitetal anschließende Verfolgungskolonne des XX. Korps brachte
noch über 1200 Gefangene ein. Stundenlang dauerten die Detonationen
ringsum an, da die Italiener Werke, Munitionslager, Brücken und Stra-
ßen sprengten. Die Menge des im Tale, in den verlassenen Stellungen
und in den Lagern preisgegebenen Kriegsgeräts ließ sich gar nicht ab-
schätzen. Die 94. ID. hatte seit Beginn des Vormarsches außerordent-
liche Leistungen vollführt und bis zum 8. abends über 10.000 Gefangene
und 97 Geschütze leiingebradht — Erfolge, die durch ausdauernde
Marschleistungen und scharfes Zugreifen errungen worden waren.
Den im Piavetal, zwischen Pieve di Cadore und Longarone, ab-
ziehenden italienischen Nachhuten und Truppenresten drohte inzwischen
v von Osten her eine neue Gefahr. Die 22. SchD., die an der Einkreisung
der italienischen Divisionen 36 und 63 mitgewirkt hatte, schickte sich
nun an, ihre Vorrückung mit der durch das württembergische Gebirgs-
bataillon verstärkten 43.SchBrig. gegen den Ort Longarone und mit der
98. KSchBrig. über Farra und Ponte nell'Alpi gegen Belluno fortzusetzen
(S.621). Beiden Kolonnen waren in Anbetracht der Jahreszeit, der
schlechten Wege und der Armut der schwach besiedelten und ausgeso-
genen Gebirgstäler, sowie bei den geforderten Marschleistungen, be-
sonders schwierige Aufgaben zugefallen, deren Bewältigung jedoch mit
prächtigem Schwünge gelang.
Die nördliche Kolonne näherte sich am 7. November der Forcella
Clautana, die tags darauf, bei Morgengrauen, von den rasch zugreifen-
den Württembergern genommen wurde. Diese erreichten bis zum Abend
Cimolais, die 43. SchBrig. nächtigte um Claut. Am 9. setzte GM. Müller
noch vor Tagesanbruch zum Angriffe gegen die italienische Riegel-
stellung westlich von Cimolais an, die der Feind schon um 8h vorm.
räumte, als er der Umgehungskolonnen gewahr wurde. Dieser rasch
erzielte Erfolg ermöglichte die Fortsetzung der Verfolgung in einem
schärferen Tempo, als ursprünglich beabsichtigt war. So setzte die aus
638
Die Herbstoffensive gegen Italien
einem Bataillon des südsteirisehen SchR. 26 und dem württembergischen
Gebirgsbataillon bestehende Vorhut den Marsch auf Longarone fort,
obzwar das Piavetal erst als Ziel des nächsten Tages in Aussicht ge-
nommen war. Die vorgesendeten deutschen Radfahrer meldeten, daß
sich im Piavetal ¿ahlreiche italienische Truppen und Troßteile befänden;
trotz schneidigen Vorgehens konnten die Radfahrer aber die Sprengung
der Piavebrücke nicht verhindern. Die ihnen auf dem Fuße folgenden
Vorhutkompagnien, je eine der Steirer und der Württemberger, über-
schritten den hochgeschwollenen Fluß auf einem teilweise überfluteten
Wehr uind riegelten die Talstraße südlich von Longarone ab1).
Während GM. Müller die Hauptkräfte der 43.SchBrig. trotz Er-
müdung der Truppen in klarer Erkenntnis der Lage auf Longarone
vorführte, gerieten die vorgeprellten Kompagnien auf dem Westufer
des Piave in Bedrängnis, zumal das Dunkel der Nacht und die beim
Feind herrschende Verwirrung die Lage noch erschwerten. Als die Ba-
taillone der 43.SchBrig. und die vom Norden den Piave entlang heran-
kommenden Vorhuten der 94. ID. in den Kampf eingriffen, streckten
am 10. November bei Morgengrauen 10.000 Italiener des I. Korps, vor-
nehmlich der Festungsbesatzungen, mit mehr als 100 Maschinengeweh-
ren, 17 Geschützen und vielem Kriegsgerät die Waffen. Wieder hatte
rücksichtsloses Nachdrängen wetteifernder Truppen der Verbündeten
und tatkräftige Führung glänzende Erfolge gezeitigt. Ein Teil der im
Talkessel von Longarone zusammengedrängten Truppenreste des ita-
lienischen I. Korps vermochte jedoch im Laufe der Nacht das Gebirge
westlich der Talstraße auf Seitenwegen zu überschreiten und sich da-
durch aus der Umklammerung zu retten.
Die nach Ponte nelle Alpi angesetzte Südkolonne der 22. SchD. hatte
inzwischen am 7. November zwei Alpinibataillone mit starker Gebirgs-
artillerie bei Barcis geworfen. Nach schwierigstem Gebirgsmarsch traf
GM. Sloninka in der Nacht auf den 10. November östlich vom Lago di
S. Croce ein. Er warf hier den Feind, dem in schneidigem Nachdrängen
der Kaiserschützen 600 Gefangene abgenommen wurden, und drängte
ein Bersaglieribataillon nach Süden ab, das — wie schon ausgeführt
wurde (S. 625) — von der von Fadalto über Ponte nelle Alpi nach Belluno
marschierenden 55. ID. entwaffnet wurde.
Die Gruppe Gdl. Hordt — Edelweißdivision und 59. GbBrig. —
hatte nach den Verfolgungskämpfen um Tramonti di sopra (S. 621) am
8. im Räume zwischen der Forcella Clautana und Chievolis genächtigt.
1) Schittenhelm, Wir zogen nach Friaul (Stuttgart 1936), 67 ff.
Zurückweichen der Italiener iirn Suganertale
639
Am nächsten Tage erreichte die Edelweiß division den Raum Cimolais—
Claut, die 59. GbBrig. Barcis. Am 10. trafen die Anfänge der Gruppe
im Piavetal ein, wo die Edelweißdivision hinter der 43. SchBrig. der
22. SchD. aufschloß. Die als Armeereserve hinter der 94. ID. nach-
folgende 29. GbBrig. wurde durch den Troß der genannten Division
aufgehalten, der die vom Feinde beschädigte Straße über den Passo di
Mauria nur schwer überwinden konnte. Die Brigade trat erst am 10.
den Marsch von Forni di sopra nach Lorenzago an.
Während sich so im Osten das Schicksal der italienischen Nach-
huten im Piavetal entschied, hatte das italienische XVIII. Korps in der
Nacht auf den 9. November den Rückzug im Suganertale angetreten.
Der Rückmarsch dieser Truppen wurde mit möglichster Beschleunigung
durchgeführt; denn die Divisionen dieses Korps waren ebenso wie die
17. ID. des IX. Korps für die Besetzung des Mt. Grappa bestimmt.
Am 9. November stellte sich die k.u. k. 18. ID. im Suganertale zur
Verfolgung bereit; ihre Vortruppen erreichten Ospedaletto und Pieve
Tesino. Am 10. November wurde die 1. GbBrig. auf Castel Tesino an-
gesetzt, um der 9. GbBrig. den Weg den Cismon entlang zu öffnen.
Unter dem Drucke der östlich vom Cismon angesetzten Umgehungs-
kolonne der Brigade Lercher hatten die italienischen Nachhuten jedoch
auch hier in der Nacht auf den 10. den Rückzug angetreten. Die 18. ID.
erreichte schon in den Mittagsstunden nach kampflosem Vormarsch
Castel Tesino und Grigno.
Im Piavetal hatte die Gruppe GM. Müller trotz aller Mühen und
des nächtlichen Kampfes in frischem Siegesschwung den Vormarsch
nach Süden fortgesetzt und erreichte nach einem Marsche von 24 km
noch am 10. November spät abends Belluno. Die nunmehr hinter die
Front gedrückte 10. Armee begann zwischen Longarone und Lorenzago
ihre Verbände zu ordnen.
Die Hauptkräfte der italienischen 4. Armee waren an diesem Tage
in die Grappastellungen eingerückt. Der zweifellos sehr schwierige
Rückzug war, obzwar verspätet angetreten, schließlich doch ohne allzu
bedeutende Einbußen durchgeführt worden, die zudem der Hauptsache
nach die aus den Karnischen Alpen in das Piavetal abgeschwenkten
Teile des XII. Korps und die Festungsbesatzungen betroffen hatten,
demnach das Gefüge der 4. Armee nicht sonderlich erschütterten. Die
Besetzung des Montello, die dem I. Korps zugedacht war, hatte aller-
dings das II. Korps übernehmen müssen (S. 612), weil der über Vittorio
und Vidor dorthin führende Weg vom Gegner schon verlegt war.
640
Die Herbstoffensive gegen Italien
Der Vorstoß gegen den Raum westlich vom Piave
Hiezu Beilagen 31 und 32
Entschlüsse und Befehle der Verbündeten
Als sich die Verbündeten am 9. November dem Piave näherten, ge-
wannen sie aus dem lebhaften, vom Westufer herüberschlagenden Feuer
des Feindes und aus seinen eifrigen Schanzarbeiten sehr bald den Ein-
druck, daß die Italiener hier zu nachhaltigem Widerstande entschlossen
seien. An einen von ungefähr zu unternehmenden Übergangsversuch
war daher um so weniger zu denken, als es an KriegsJbrückengerät und
Schießbedarf aller Art empfindlich mangelte. Im Becken von Belluno
begann sich der Nordflügel der 14. Armee vor die 10. zu schieben. Da
die Gruppe Krauss schon bis nach Feltre gewiesen war, diesem Räume
aber auch der Ostflügel der Heeresgruppe Conrad zustrebte, waren
neue Weisungen der hohen Befehlsstellen unerläßlich.
Das Kommando der Südwestfront schlug, um die Brenta zu er-
reichen, dem AOK. am 9. November einen Angriff aus zwei Fronten
vor, und zwar einen systematischen Übergang über den Piave, wobei
der ein geschlossenes Flußbett aufweisende Unterlauf hiefür am ge-
eignetsten bezeichnet wurde, und einen Vorstoß aus der Linie Feltre—
Castelletto (6 km nördlich von Arsiero). Diesen Angriff sollten westlich
der Brenta — wie für den 12. ohnehin geplant — Teile der Heeres-
gruppe Conrad, zwischen Brenta und Piave die Gruppe Krauss unter-
nehmen. Die naheliegende Heranziehung der 10. Armee ließ Erzherzog
Eugen wegen der schwierigen Versorgung so vieler Heereskörper in
dem an Hilfsquellen armen Gebirgsland jedoch außer Betracht und
beabsichtigte, diese Armee zunächst im Cadore anzuhalten.
Die k. u. k. Heeresleitung stimmte wegen des Zustandes des italie-
nischen Heeres, der ,,allseits energisches und frühzeitiges Anfassen
geboten erscheinen lasse", dem Vorschlag zu und betonte besonders
die Wichtigkeit eines Angriffes zwischen Brenta und Piave, der mit
jenem der Heeresgruppe Conrad möglichst gleichzeitig erfolgen sollte.
Eine Bemerkung ließ erkennen, daß man in Baden die 10. Armee noch
immer als „recht leistungsfähig" ansah.
Plan für die Fortsetzung der Offensive
641
In den Erörterungen, die nun folgten, waren sich alle Befehls-
stellen üher die Wichtigkeit eines zwischen Brenta und Piave zu füh-
renden Südstoßes einig. Verschieden waren nur die Ansichten über die
Stärkebeimessung und die Kommandoführung in diesem Räume sowie
über die Verwendung der 10. Armee, namentlich ihres Kommandos.
Die nächsten Entschließungen wurden keineswegs dadurch erleichtert,
daß der Chef des Generalstabes vom 5. bis 18. November im Gefolge
des Kaisers in Triest weilte, und an den täglichen Fahrten zu den
Truppen teilnahm. Auch trafen jetzt der Deutsche Kaiser und der
König von Bulgarien zu mehrtägigen Besuchen im Operationsgebiet ein.
Indessen erließ das Kommando der Südwestfront am 11. Novem-
ber Weisungen für die Fortsetzung der Offensive. Die Heeresgruppe
Boroevic und die Masse der 14. Armee hatten, falls ihnen nicht doch
ein überraschend durchgeführter Flußübergang gelingen sollte, einen
planmäßigein Angriff über den Piave in der allgemeinen Richtung Süd-
west auszuführen. Der durch die Edelweißdivision zu verstärkenden
Gruppe Krauss, die auch weiterhin dem deutschen 14. Armeekmdo.
unterstellt zu bleiben hatte, wurde der Angriff zwischen Brenta und
Piave aufgetragen. Der Rest der 10. Armee und die aus den Dolomiten
vorrückenden Gruppen des XX. Korps sollten bei Longarone und nörd-
lich davon angehalten und für einen späteren Vormarsch bereitgestellt
werden. Den Angriff westlich vom Cisman und der Brenta überließ
Erzherzog Eugen der Heeresgruppe Conrad. Das k. u. k. AOK., von
vorstehenden Anordnungen in Kenntnis gesetzt, betonte nochmals, wie
wichtig ihm die der Gruppe Krauss übertragene Aufgabe erscheine, und
setzte ihr das Erreichen des Mt. Tomba und des Mt. Grappa zum Ziel.
Damit war aber die Frage der Verwendung der 10. Armee noch
nicht gelöst. Ihr Führer, Freih. v. Krobatin, der am 5. November zum
Feldmarschall befördert worden war, wünschte zwischen Brenta und
Piave befehlen zu dürfen sowie die Zuweisung des XX. Korps und der
Gruppe Krauss. Überraschenderweise erhob am 13. auch FM. Conrad
Anspruch auf die Befehlgebung im genannten Räume, was das AOK.
mit dem Hinweis ablehnte, daß die Gruppe Krauss in erster Linie den
Übergang unserer am Piave stehenden Armeen zu fördern habe, daher
dem 14. Armeekmdo. unterstellt bleiben müsse. Auf die Nachricht vom
Eintreffen englisch-französischer Kräfte in der Lombardei hegte FM.
Conrad jetzt aber um den Raum beiderseits des Gardasees Besorg-
nisse — die übrigens auch vom Chef des Generalstabes geteilt wur-
den — und bat um Verstärkungen.
VI 41
642
Die Herbstoffensive geg¡e,n Italien
Inzwischen war vom GFM. Hindenburg die Anregung eingelangt,
das Höhengelände nördlich und östlich von Verona in Besitz zu neh-
men, um dem Feinde ein Halten an der Brenta, am Bacchiglione oder
an der Etsch unmöglich zu machen. Hiefür bot er die in den Vogesen
freigewordene deutsche 195. ID. an und schlug vor, diese gebirgs-
vertraute Division samt der deutschen Jägerdivision und dem Alpen-
korps unter der Führung des in der Bukowina entbehrlich gewordenen
Kommandos des Karpathenkorps je nach der Lage östlich oder mit
Teilen auch westlich vom Gardasee vorstoßen zu lassen. Er erhoffte
sich davon, daß die Entente zur Unterstützung der Italiener weitere
Kräfte von der Westfront abziehen werde.
In Baden blieb man aber dabei, das Hauptgewicht auf die Er-
oberung des Grappastockes zu legen. Da sich in Venetien überreiche
Kräfte befanden, befahl das AOK. die Verschiebung von drei Divisio-
nen in den Raum um Feltre, die dann samt der nach Trient heranzu-
führenden 195. ID. je n^ch Erfordernis zwischen Brenta und Piave
oder noch weiter im Westen verwendet werden sollten. Vorerst ver-
stärkte Erzherzog Eugen, der âm 14. November sein Hauptquartier in
Udine aufschlug, die Gruppe Krauss noch durch die 94. ID., die aus
den marsch- und kampftüchtigsten Bataillonen der 10. Armee und aus
sehr starker Artillerie neu gebildet wurde1). Die übrigen 16 Bataillone
Krobatins sollten bei Belluno soweit mobil gemacht werden, daß sie
an einem ruhigen Frontabschnitt Tirols eingesetzt werden könnten.
Unterdessen 'hatten die Befehlshaber der drei am Piave stehenden
Armeen ihre Weisungen für das Erzwingen des Überganges, deren
Einzelheiten noch anzuführen sein werden, erlassen. Zur Unterstützung
von der See her stellte das Flottenkommando die beiden alten Panzer-
schiffe „Wien" und „Budapest", die zwei Kreuzer „Spaun" und
„Aspern" und zwölf Torpedoboote im Triester Hafen bereit. Um die
Fortsetzung der Offensive mit einem eindrucksvollen gleichzeitigen
Massenübergang zu beginnen, wurde auf Antrag des GO. Boroevic das
Unternehmen bei allen drei Armeen für den 16. November anberaumt.
1) Neue Zusammensetzung de ir 94. ID., FML. tawrowski :
25. GbBrig. : GM. Ritt. v. Wasserthal, IBaon. III/18, FJB. 8 und 30, komb. FJB.,
k. k. LstlBaon. 10, 3 Hochgebirgskomp. ;
57. GbBrig.: Obst. v. Watterich, IBaone. V/7, VI/TKJ. 2, k. k. LstlR. 26 (3),
5 Hochgebirgskomp.;
Sturmbaon. 94;
94. RFABrig. : Obst. Mostböck mit 28 Batterien der GbAR. 3, 5, 17 und 203,
dann 1 FKBt. und 7 sHbBt.
Die Bahnlage in Venetien
643
Die Festsetzung dieses verhältnismäßig späten Zeitpunktes war
wegen der schwierigen Nachschubslage geboten. Das Kommando der
Südwestfront hatte ohnehin ein Drittel der in der Ebene stehenden Di-
visionen noch östlich vom Tagli amento zurückbehalten, um die übrigen
wenigstens zur Not beweglich zu machen. Dennoch ließ das Vorbringen
der Munition auch für diese verringerten Kampfkräfte, des Kriegsbrük-
kengerätes und der Verbindungsmittel sehr viel zu wünschen übrig. Denn
am 10. November führten bloß zwei Brücken bei Görz über den Isonzo;
die Fertigstellung einer dritten war erst am 20. zu erwartenx). Am
5. November war der Befehl zur Aufstellung der „Heeresibahn Südwest",
die den Betrieb auf den venetiani,sehen Eisenbahnen führen sollte, er-
lassen worden. Vorläufig wurde westlich vom Isonzo mit erbeutetem
rollendem Material (4 Lokomotiven und 400 Wagen), mit Schienenautos
und mit Generatorzügen ein Notverkehr eingerichtet. Für den Südflügel
der Heeresfront war auch der von der Kriegsmarine mit flachgehenden
1) Vor Beginn der Offensive, der zunächst bloß das Erreichen der Linie (Divi-
dale—Görz als Ziel gesetzt war, hatte der k. u. k. Feldeisenbahnchef Baukräfte und
Material bereitgestellt, um die Wocheinerbahn in Richtung Görz vorzutreiben, von
der aus die neue, transporttechnisch schwer erreichbare Front versorgt werden
sollte. Als sidh einige Tage nach dem Durchbruch das Anwachsen des Erfolges er-
kennen ließ, erwartete der Feldeiisenbahnchief, die beiden Vollbahnlinien von den
Kopfstationen Reifenberg und Prosecco über Görz und Monfalcone bald nach Westen
vortreiben zu können. - Dagegen hegte er geringe Hoffnungen, die dritte, im Ge-
birge führende und einer nachhaltigen Zerstörung besonders ausgesetzt gewesene
Bahn Tarvis—Pontafel—Gemo na rasch in Betrieb zu bringen.
Nach dem Rückzug der Italiener zeigte es sich aber, daß die beiden erst-
genannten Linien, die über ein Schlachtfeld führten, auf dem zweieinhalb Jahre
gekämpft worden war, sehr nachhaltig, vielfach sogar im Unterbau zerstört waren.
Die Mehrzahl der Baukräfbe mußte daher hier eingesetzt werden, während für die
über Pontafel führende Bahn, die überraschenderweise geringe Zerstörungen aufwies,
bescheidenere Arbeitskräfte genügten. Trotz aller Anstrengungen waren aber am
9. November, als die Armeen am Piave anlangten, die Kopfstationen noch immer in
Tarvis, Podmelec, Reifenberg und Prosecco. Die Front an der Piavemündung war
daher 100 km, jene westlich von Vittorio etwa 150 km von den Bahnenden entfernt.
Die geringe Zahl der vorhandenen Autokolonnen und Pferdetrains konnte den Nach-
schub nur notdürftig bewirken.
Erst am 17. November gelang die Fertigstellung einer Brücke bei Pontafel
und das Vortreiben des Bahnverkehres bis Udine. Nach der aim 20. erfolgten Wieder-*
her Stellung der Brücke bei Pieris wurde ein beschränkter Verkehr bis Latisana
möglich. Auf der Hauptlinie Görz—Udine konnte der Bahnbetrieb erst am 29. No-
vember aufgenommen werden. Am 1. Dezember seihoben sich die Kopfstationen nach
Vittorio, Conegliano und S. Stino di Livenza vor. Der Bahnnachschub vermochte somit
erst drei Wochen nach Erreichen des Piave in die Nähe der Front zu gelangen.
41*
644
Die Herbstoffensive gegen Italien
Barken auf den Lagunen eingerichtete Nachschubdienst von Nutzen.
Daß die ununterbrochen vorrückende Gruppe Krauss und die dem
weichenden Feinde im Hochgebirge nachfolgende 10. Armee am meisten
von den Nachschubschwierigkeiten betroffen waren, bedarf keiner be-
sonderen Erörterung.
Abwehrmaßnahmen der Italiener
Beim Feinde wurde in diesen Tagen eine bedeutungsvolle Ent-
scheidung getroffen. Am 8. November abends enthob der König von
Italien Cadorna seines Amtes und entsprach hiemit auch einer For-
derung, die der neue Ministerpräsident Orlando bereits am 28. Oktober
und die Generalstabschefs der Westmächte auf der Konferenz zu Ra-
pallo erhobein hatten., Als Nachfolger Cadornas wurde GLt. Diaz, bis-
her Kommandant des XXIII. Korps, bestimmt.
Als Cadorna die Dienstgeschäfte am 9. seinem Nachfolger übergab,
war der Rückzug in die neue V er tei digungsf r ont im wesentlichen be-
reits vollzogen. Die 3. Armee stand fest hinter dem Piave von der
Mündung bis zum Mondello. Diese Höhe selbst hatte; das II. Korps be-
setzt. Weiter im Westen zwischen dem Gardasee und der Brenta stand
die 1. Armee in ihren bisherigen Stellungen; sie mußte bloß ihren äußer-
sten rechten Flügel zurückbiegen. Noch nicht bezogen war in dieser
neuen, leicht gebogenen Front das Schlußstück zwischen Brenta und
Piave. Hier, auf dem Grappastock, hatte Cadorna aber schon im No-
vember 1916 Kavernen, Straßen, Seilaufzüge und eine Wasserleitung
erbauen lassen1). Die nun hierher gewiesenen Truppen der 4. Armee
fanden daher ein wenigstens zur Not eingerichtetes Verteidigungsfeld vor.
Waren die Verluste der Italiener seit dem Beginn der gegnerischen
Offensive, über deren Höhe an anderer Stelle Einzelheiten folgen wer-
den, auch ungewöhnlich groß, so schienen die vorhandenen kampf-
kräftigen Einheiten doch ausreichend, um die neue, bloß 130 km lange
Front zwischen dem Meere und Asiago, die um 220 km kürzer als
die am 24. Oktober innegehabte war, behaupten zu können. Der Aus-
fall der Masse der 2. Armee mochte übrigens um so eher verschmerzt
werden, als doch bedeutenide Verstärkungen der Westmächte eintrafen.
!) C a b i a t i, La riscossa, 32.
Die Waffenhilfe der Entente
645
Daher hatte auch König Viktor Emanuel eine durchaus zuversichtliche
Sprache geführt, als ihm die Konferenzteilnehmer von Rapallo am
8. November in Peschiera den eben albgeschlossenen Pakt zur Bildung
eines „Obersten Kriegsrates", der seinen Sitz in Versailles haben sollte,
zur Unterzeichnung vorlegten1). Cadorna wurde neben den Generalen
Foch und Wilson als der ständige militärische Vertreter Italiens in
diesem Rate bestimmt.
Über die Stärke der Italien zu gewährenden Waffenhilfe war bis-
nun jedoch noch keine Einigung erzielt worden. Die Vertreter der West-
mächte wollten 12 Divisionen geben, Orlando verlangte 15, Diaz 20.
Vorgreifend sei gesagt, daß schließlich sechs französische und fünf eng-
lische Divisionen nach Oberitalien kamen. Auf die Forderung des Gen.
Foch, dem Gegner so lange als möglich den Weg nach Feltre zu verlegen
und unbedingt den Mt. Grappa zu behaupten, wies GLt. Diaz besorgt
auf die schwache Besetzung des Montello bin. Da sich überdies die
öffentliche Meinung Italiens über das weite Abbleiben der französisch-
englischen Truppen vom Kampffelde erregte, wurde am 12. ihre Vor-
verlegung beschlossen. Drei französische Divisionen hatten in den Raum
Valdagna—Vicenza, die Engländer südlich davon in die Linie Vicenza—-
Montegalda vorzurücken. Nur eine französische Division sollte noch
westlich vom Gardasee stehen bleiben2).
Der neuen italienischen Heeresleitung unter dem GLt. Diaz erwuchs
nun die Aufgabe, den verfolgenden Gegner in der noch von Cadorna
bezeichneten Linie aufzuhalten. Diaz machte sich die Pläne seines Vor-
gängers vollkommen zu eigen und lehnte versteckte Versuche der neuen
Regierung, das neue Höchstkommando zu einer Zurücknahme des
Heeres bis an die Etsch und an den Mincio zu veranlassen, mit aller
Entschiedenheit ab3).
Da die Streitkräfte der verbündeten Mittelmächte in die Ebene
westlich vom Piave einzudringen strebten, die Italiener aber zur nach-
haltigen Verteidigung der von ihnen bezogenen neuen Linien entschlos-
sen waren, kam es Mitte November auf den Randbergen östlich von
Asiago und am Unterlauf des Piave zu einer neuen großen Schlacht.
Sie entbrannte zuerst westlich der Brenta, setzte sich dann auf dem
Grappastock fort, um schließlich auch das Westufer des Piave in ihren
Feuerkreis zu ziehen.
*) Caviglia, Le tre 'battaglie del Piave, 11. — Painlevé, Foch etPétain, 268.
2) Pal at, Foch, 128.
3) Cab iati, La riscossa, 38 ff.
646
Die Herbst-offensive gegen Italien
Das Nachstoßen der k. u. k. 11. Armee auf der
Hochfläche von Asiago
(10. bis 16. November 1917)
Der Rückzug des Nordflügels der italienischen 1. Armee
Als natürliche Folge der dufch den Rückzug der italienischen
4. Armee aus den Dolomiten geschaffenen Lage mußte nun auch die
1. Armee das an ihrem Nordflügel stehende XX. Korps, dessen Flanke
durch die Räumung des Suganertales entblößt wurde, entsprechend
zurücknehmen. Um den Anschluß zwischen der neuen italienischen
Grappafront und jener auf der Hochfläche von Asiago herzustellen,
war zunächst die südlich der Frenizelaschlucht verlaufende kürzeste
Linie in Erwägung zu ziehen. Diese Widerstandslinie ermöglichte vor
allem (beträchtliche Ersparnisse an unverbrauchten Truppen, deren die
italienische Führung zu diesem Zeitpunkt so dringend auf dem Mt.
Grappa und am Piave benötigte. Für diese Lösung setzte sich auch der
Kommandant des in diesem Räume stehenden XX. Korps ein1).
Der Frenizelaschlucht war im Norden der mächtige Bergklotz
des Mt. Meletta vorgelagert, der ein von der Natur geschaffenes Boll-
werk darstellt. Er war von der k. u. k. 6. ID. im Juni 1916 erst nach
hartnäckigen und verlustreichen Kämpfen genommen worden (Bd. IV,
5. 334) und mußte bald darauf wegen der Rückverlegung der Front
wieder geräumt werden. Das italienische XX. Koirps hatte dann die
Melettastellungen in jahrelanger Arbeit als hinteren Kampfraum aus-
gebaut. An der Nord- und der Westfront ,aus in den Felsen gehauenen
Kampfstellungen und Unterständen bestehend, mit vorbereiteten Ge-
schützständen ausgestattet, auf neuangelegten Straßen zugänglich und
mit Wasserversargungsanlagen versehen, bot dieser Kampfraum alle
Gewähr für einen nachhaltigen Widerstand. Zudem machte die Be-
hauptung des Melettastockes dem Gegner die Ausbreitung auf dem
Nordteil der Hochfläche und die Bedrohung des Brentatales von Westen
her ebenso strittig, wie sie den Rückhalt bot, um einen gegnerischen
Stoß von Asiago gegen Südost in der Nordflanke fassen z,u können.
Daß die Stellungen südlich der Frenzelaschlucht noch nicht hinreichend
ausgebaut waren, mochte schließlich zur Entscheidung der italienischen
!) Caviglia, Le tre battaglie del Piave, 25.
Die Stellungen der Italiener auf dem Mt. Meletta
647
Führung geführt haben, das Melettamassiv in die neue Abwehrstellung
einzubeziehen und die damit verbundenen Nachteile in Kauf zu nehmen,
die sowohl in dem wesentlich gesteigerten Kräftebedarf als auch in
der gefährdeten Lage dieses vorspringenden Stellungskeils lagen. Im
Sinne der Vorbesprechung mit dem Armeekommandanten zu Treviso am
29. Oktober wie;s Cadorna, als er am 4. November den Rückzug der 3.,
der 2. und der 4. Armee hinter den Piave verfügte, auch die 1. Armee
an, Vorbereitungen für das Zurückschwenken ihres rechten Flügels aus
der Linie Gallio—CimaMaora auf das Melettamassiv zu treffen1).
Der ursprünglich für den 6. November in Aussicht genommene Be-
ginn des Rückzuges auf dem Nordteil der Hochfläche und im Su-
ganertale wurde schließlich auf den 7. verschoben, um den auf den
Mt. Grappa gewiesenen Truppen des XVIII. Korps einen Vorsprung
zu gewähren2). Die staffelweise Rückverlegung, der die Räumung
der Magazine und das Zurückziehen der Artillerie vorangegangen
waren, wurde beim XX. Korps in den Nächten bis zum 10. Novem-
ber derart durchgeführt, daß die in den Stellungen verbliebenen Nach-
huten noch bis zum 9. den Eindruck voller Besetzung vorzutäuschen
vermochten. Am 10. bei Morgengrauen war die italienische 29. ID. in
den Melettastellungen eingerichtet. Von der 52. ID. deckten zwei Al-
pinibataillone den über Barricata nach Marcesina führenden Fahrweg;
vier Alpinibataillone sperrten das Brentatal, um die Verbindung mit der
4. Armee herzustellen.
Die Bereitstellung der k. u. k. 11. Armee
Aufmerksam verfolgte FM. Conrad die Fortschritte der im Vene-
tianischen vorgehenden verbündeten Armeen. Vielleicht mochte sich
doch noch Gelegenheit ergeben, frische Kräfte nach Tirol zu leiten,
um den ursprünglich für den 10. November beabsichtigten Stoß in die
Ebene nachhaltiger zu gestalten. In dem Hinweis, welche entscheidende
Rolle dieser Angriffshandlung zufallen könne, gipfelte auch die Lage-
beurteilung, die der Feldherr am 4. November nach Baden übermitteln
ließ, um ,,stets den Intentionen des AOK. entsprechend handeln zu
können".
!) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 534.
2) C a b i a t i, La riscossa, 56.
648
Die Herb Staffens ¿ve gegen Italien
Die für die vorgeschlagene Verstärkung der Kräfte in Tirol noch
verfügbare Zeit war angesichts der wenigen Tajge, die bis zum An-
griffsbeginn verblieben, schon recht knapp bemessen. Wie Conrad
in seiner Meldung ausführte, galt es, den Feind gänzlich zu schla-
gen, bevor die englisch-französische Hilfe wirksam werde; hiezu wäre
in erster Linie der Einsatz starker Kräfte in Tirol nötig. Mit ihnen
könne man entweder den beabsichtigten Stoß auf Bissano nachhaltig
gestalten oder — falls der Feind bis zur Etsch weiche — den sodann
bedeutsam werdenden Raum beiderseits des Gardasees verstärken. Zu
diesen Vorschlägen fühlte sich Conrad ¡angesichts der Lage in der
venetianischen Ebene um so mehr berechtigt, als am 4. November auch
eine Verständigung des Erzherzogs Eugen einlangte, wonach als Min-
destziel die Gewinnung der Brentalinie gesteckt wurde.
Aber auch diesmal vermochte Conrad nicht die erbetenen Verstär-
kungen zu erlangen; am 5. November erhielt die Heeresgruppe ebenso
wie die 10. Armee (S. 609 und 636) sogar Anweisung, ihre fünf Tra-
chombataillone und auch noch die k. u. 28. LstGbBrig. (gleichfalls fünf
Bataillone) ehestens zur Abbeförderung in die Bukowina bereitzustellen.
Auch eine Anforderung von Marschformationen der Heeresgruppe
Boroevic zur Auffüllung der durchschnittlich nur 650 Feuer ge wehre
zählenden Bataillone der Angriffsstaffel wurde abgelehnt.
Die am 5. November vorliegenden Nachrichten des Abhorchdienstes
und das Verhalten des Feindes, der seine hinteren Stellungen vom
Schnee säuberte, ließen erkennen, daß die Rückhewegung der Italiener
auf dem Nordteil der Hochfläche bevorstehe. Zweifellos wäre nun der
sofortige Angriff der 11. Armee erwünscht gewesen, um den Feind im
Beziehen der neuen Front zu stören. Daran war aber ¡angesichts desi
Rückstandes in der Bereitstellung der Angriffstruppen nicht zu denken;
versuchte doch das 11. Armeekmdo. schon am 4., eine Verschiebung
des Angriffstermins zu erlangen. Als nun der Feind mit der Räumung
des Cadore begann, stand auch, eine baldige Räumung seiner Stellun-
gen im Suganertale und nördlich von Asiago zu erwarten. Es war sogar
höchstwahrscheinlich, daß dieser Rückzug noch vor dem in Aussicht
genommenen Angriffstage erfolgen werde. Falls nun die Italiener ihre
neue Abwehrfront zwischen Asiago und Valstagna, also südlich der
Frenzelaschlucht, einrichteten, mußte die von Conrad gewählte Stoß-
richtung auf Valstagna unwirksam werden. Daher erhielt das k. u. k.
11. Armeekmdo. am 6. November den Befehl, falls der Feind auf dem
Nordteil der Hochfläche vorzeitig zurückweiche, den Hauptstoß nicht
Der Angriffsbefehl an die k. u. k. 11. Armee
649
gegen Valstagna, sondern über den Mt. Bertiaga, also statt gegen Osten
in südöstlicher Richtung zu führen.
Diesen verschiedenen Möglichkeiten konnte in den Angriffsvor-
bereitungen kaum entsprechend Rechnung getragen werden. Die daraus
entstehende Doppelgeleisigkeit barg die Keime des Mißerfolges in sich,
die zutage traten, als die Italiener nachhaltigsten Widerstand im Me-
lettamassiv leisteten.
Soweit sich am 8. November in Bozen übersehen ließ, waren die
Einwände des GO. Graf Seheuchenstuel gegen den Angriffsbeginn am
10. vollauf gerechtfertigt. Abgesehen von der Ermüdung der Truppen
wegen des beschleunigten Anmarsches war in Betracht zu ziehen, daß
der Angriffsgruppe an diesem Tage noch 61/2 Bataillone und über
100 Geschütze fehlen würden. Nach einer beim Kommando der Süd-
westfront eingeholten Orientierung war der Angriff gegen die Piave-
linie kaum vor dem 12. November zu gewärtigen. So entschloß sich
FM. Conrad am 8. November abends, an das 11. Armeekmdo. zu befeh-
len: „Angriffsbeginn endgültig am 12. November. Steht dann Feind
noch wie jetzt, bleibt Direktion Valstagna. Geht Feind vorher zurück,
dann derart folgen, daß Stoß unbedingt 12. mit Mitte über Mt. Bertiaga
geführt wird."
In Bozen hoffte man, daß die Vorbereitungen bis zum 12. Novem-
ber abgeschlossen sein würden; denn nicht nur die Verhältnisse ¡auf
der Hochfläche, sondern auch die Lage im großen erforderte die Ein-
haltung des nach Baden gemeldeten endgültigen Angriffstages.
Der Sto-ß aus Tirol bildete nunmehr, da sich die Anfänge der Ar-
meen des FM. Erzherzog Eugen dem Piave näherten, eine gewichtige
Vorbedingung, um die Offensive aubh weiterhin im Flusse zu halten.
Dementsprechend lautete der Befehl, den die k.u.k. Heeresleitung am
9. November nachts, also zur gleichen Zeit wie an den Erzherzog Eugen
(S. 640) auch an den FM. Conrad erließ: „Zustand des italienischen
Heeres erfordert allseits energisches Anfassen, und zwar allseits so
rasch als möglich. Südwestfrontkommando wurde verständigt, daß Hee-
resgruppe am 12. ¡aus dem Räume von Asiago in südlicher Richtung
angreift. Südwestfrontkommiando wurde angewiesen, daß möglichst
gleichzeitig ein kräftiger Dru,ck zwischen Piave und Brenta erwünscht
erscheint." Auffallend ist ¡an diesem Befehl, daß von einem Stoß in
südlicher Richtung die Rede ist, der weder bisher vorbereitet, noch in
der Folge versucht wurde.
Am 10. November früh hielt das 18 Bataillone starke italienische
650
Die Herbstoffensive gegen Italien
XX. Korps mit seinen beiden Divisionen 52 und 29 die Front von den
östlichen Brentahängen über den Mt. Meletta bis zum Mt. Zomo (2 km
östlich von Gallio). Vom XXII. Korps stand die 2. ID. von hier bis
jensieits der Ruinen von Asiago in einer seit längerem vorbereiteten
Widerstandslinie, dahinter die 57. ID. in Reserve, beide zusammen 21 Ba-
taillone zählend. Den Raum zwischen Asiago und dem Astico hielt das
XXVI. Korps mit 16 Bataillonen in den bisherigen Stellungen. Diese
drei Korps auf dem Ostflügel der italienischen 1. Armee unterstanden
dem Kommandanten der Truppen der Hochfläche, GLt. nob. Ricci
Armani, der noch sechs Bataillone in Reserve behielt; sie waren ihm am
27. Oktober aus dem Pasubioiabschnitt zur Verfügung gestellt worden.
Die Italiener verfügten somit auf der Hochfläche über insgesamt 61 Ba-
taillone und etwa 400 Geschütze.
Auf öst.-ung. Seite versammelten sich zwischen dem Nordrand der
Hochfläche und dem Mt. Dorole die 13 Bataillone starke Gruppe FML.
Edi. v. Kletter, von hier bis zum Astico das III. Korps mit vier Divisio-
nen, 41 Bataillonen. Die 106. LstlD. (9 Bataillone) stand als Reserve
der 11. Armee im Räume Ghertele—Mt. Rover, die 49. ID. (bisher sieben
Bataillone) bei Trient; von ihr wurde eine Brigade in den nächsten
Tagen nach Lavarone vorverlegt. Insgesamt wurden daher 70 Bataillone
bereitgestelltx).
Beim III. Korps waren am 10. November 30.000 Feuergewehre so-
wie 361 Geschütze (282 leichte, 62 mittlere und 17 schwere) verfügbar.
Der erste Ansturm auf die Hochfläche von Asiago
(10. bis 16. November)
Schon am 9. November bei Morgengrauen zeigte es sich, daß der
Feind seine vorgeschobenen Stellungen bei Asiago geräumt hatte. Ver-
folgende Abteilungen des III. Korps besetzten die Höhe Katze -<>-1223
*) Gliederung der Infanterie, soweit von Beilage 23 abweichend :
Gruppe FML. Kletter: Gruppe Obst. Schotsch, IR. 81 (3), IBaon. X/14, FJB. 7;
12. IBrig., IR. 35 (3), IR. 75 (3), komb. Baon., k. k. LstlBaon. 172.
III. Korps. 6. ID.: 1. KJgBrig., KJR. 1 (3), KJR. 2 (3); 11. IBrig., IR. 17 (3),
IR. 27 (3). — 19. ID.: 181. IBrig., Obst. Günste, IBaone. 1/22, 1/51, 1/102, FJB. 20,
2 HochgbKomp.; Gruppe Obst. Vidossich, IBaone. IV undi/2V/22, IV/27, X/59, V/bh. 1,
IV/KSchR. I. — 52. ID. laut Fußnote auf S. 631. — 21. SchD. laut Beilage 23, S. 17,
hiezu RdfBaon. Schönner.
Beginn der Vorrütckung der 11. Armee
651
und den Mt. Cimon -<¡>- 1768. Nach einer um 2h nachm. eingelangten
Meldung des 11. Armeekmdos. schien der Rückzug des Feindes in die
Linie Cm. Echer—Mt. di Val Bella—Mt. Meletta—Mt. Castelgomberto im
Gange zu sein, wo die Säuberung der Gräben vom Schnee fortdauerte.
GO. Scheuchenstuel wies daher den FML. Kletter an, ehestens die Vor-
rückung anzutreten, um die Nordflanke des III. Korps zu decken. Die-
ses hatte sogleich dem Feinde zu folgen und die Artillerie vorzuziehen,
damit am 12. der Hauptangriff in der Richtung Mt. Bertiaga mit zu-
sammengeballter Kraft erfolgen könne. So kam es am 10. November
zu einem Nachdrängen zwischen Asiago und dem Nordrande der Hoch-
fläche, das wohl zunächst Raumgewinn erzielte, aber dem ungeschlagen
zurückgehenden Feind gefährliche Blößen bot und die noch nicht be-
endeten Vorbereitungen für den planmäßigen Angriff in Unordnung
brachte.
Die Truppen am Nordflügel der Gruppe Kletter kamen, stellen-
weise bis zum Bauche in frischgefallenem Schnee watend, mühsam
an die italienischen Stellungen heran; diese waren von den feindlichen
Nachhuten, die noch am Vortage zu Täuschungszwecken an den Gräben
gearbeitet hatten, erst nachmittags geräumt worden. Weiter südlich be-
setzte die Gruppe Kletter an diesem Tage die italienischen Stellungen
auf dem Mt. Fiara und dem Mt. Baldo. Das III. Korps hatte früh-
morgens trotz ungünstigen Wetters — es schneite heftig auf der ganzen
Hochfläche — den Angriff begonnen. Schon am vorhergehenden Abend
hatten Abteilungen der k.u.k. 52. ID. die geräumten italienischen Stel-
lungen bei Canove, die 21. SchD. jene bei Camporovere besetzt; Vor-
truppen waren in das in Trümmern liegende Asiago eingedrungen. Die
Angriffsgruppe der 6. ID. hatte sich bis zum 10. mittags bereits des
Ortes Gallio und der Kreuzhöhe 1116 westlich des Mt. Sisemol
bemächtigt, als sie ein wuchtiger Gegenstoß in die Ausgangsstellung
zurückwarf.
Bei dieser Sachlage war es klar, daß vor Beginn des Angriffes in der
Richtung auf Mt. Bertiaga vorerst Sicherheit gegen Flankenangriffe aus
östlicher Richtung erforderlich sei. Das 11. Armeekmdo. wies demnach
den FML. Klétter und den Gdl. Krautwald an, am 11. November zu-
nächst in den Richtungen auf den Mt. Meletta und den Mt. Sisemol
möglichst viel Raum nach Osten zu gewinnen. Das III. Korpskmdo.
setzte nun die 21. SchD. gegen den Mt. Sisemol, die 6. ID. gegen Gallio
und den Mt. Longara an. Den Angriff gegen die letztgenannte Höhe
sollten drei Bataillone der Gruppe Kletter von Norden her unterstützen.
652
Die Herbstoffensive gegen Italien
Aber auch der 11. November brachte bei Asiago keine Fortschritte.
Der 6. ID. gelang es zweimal, den Mt. Longara zu nehmen; sie mußte
ihn jedoch immer wieder wegen hartnäckiger Gegenstöße überlegener
feindlicher Kräfte aufgeben. Das italienische Kommando der Truppen
auf der Hochfläche hatte hier seine Reservebrigade eingesetzt, die den
Kampf entschied. Nennenswerte Erfolge waren nur dem Nordflügel
der Gruppe Kletter beschieden, dem es trotz des tiefen Schnees in den
Abendstunden mit Hilfe eines aus dem Suganertaie aufgestiegenen
Bataillons der 18. ID. gelang, die auf der Barricata stehenden Alpini-
bataillone zu werfen, die nach großen Einbußen gegen den Mt. Lisser
zurückweichen mußten.
Nach den Erfahrungen dieses Kampftages war es unschwer zu
erkennen, daß sich die Italiener im Melettamassiv zu hartnäckigem
Widerstande festgesetzt hatten. Die unerläßlichen Vorbedingungen für
den Durchbruch in die Ebene, Sicherung der Stoßgruppe gegen Osten
und Gewinnung des für die Neugruppierumg der Angriffsartillerie
nötigen Raumes, hatte die 11. Armee trotz aller Opfer bisher nicht
erzielt. So entschloß sich GO. Scheuchenstuel, dem im Kampfraum wei-
lenden FM. Conrad zu melden, daß er den Beginn der für den 12. No-
vember anberaumt gewesenen entscheidenden Kampfhandlung auf einen
späteren Zeitpunkt verschieben müsse.
Das Heeresgruppenkommando hatte schon am 11. November vor-
mittags dafür vorgesorgt, daß die aus dem Primör und dem Suganer-
taie heranrückenden Kräfte raschestens in den Raum von Primolano
gelangten, um von dort in den Kampf auf der Hochfläche einzugreifen.
Die 18. ID., GM. v. Vidalé, in deren Verband am Vortage die 9. GbBrig.
getreten war, erhielt den Befehl, ohne Rücksicht auf eine Ermüdung
der Truppen noch am 11. ,abends die Höhen Cm. di Campo und Col di
Lan zu nehmen und mit Vortruppen Arsie und Primolano zu erreichen,
in welchem Räume die Division am 12. aufschließen sollte, um von
dort ehestens über Enego heranzurücken. Dieser Befehl war auf die
Vermutung aufgebaut, die Italiener würden nördlich von Primolano
kaum mehr Widerstand leisten. Da jedoch die 18. ID. im Gegensatz
hiezu nachhaltige Gegenwehr feindlicher Nachhuten brechen mußte,
verzögerte sich ihr Herankommen erheblich.
Die 9. GbBrig. hatte, nachdem sie das Cismontal am 10. November
geöffnet hatte (S. 639), tags darauf den Vormarsch in zwei Kolonnen
fortgesetzt1). Drei Bataillone gingen östlich vom Cismon auf die Höhen
!) Wisshaupt, Vom Colbricon bis Fonzaso, 525ff.
T"
^ v.-. s,ft'
Erfolge der k. u. k. 18. Division
653
nördlich von Fonzaso vor, drei Bataillone wurden über Lamon gegen
das Panzerwerk auf dem C. di Lan angesetzt. Der Marsich gestaltete
sich wegen des durchschnittenen Geländes sehr ermüdend; überdies
konnten die Tragtiere wegen einer gründlichen Straßensprengung zu-
nächst der Reichsgrenze der Truppe nicht folgen, sodaß die schweren
Maschinengewehre getragen und zwei Gebirgskanonenbatterien mit
Menschenzug fortgebracht werden mußten. Die Mehrzahl der Batterien
marschierte in das Fleimstal zurück, um im Bahntransport über Trient
in das Suganertal anzuschließen. Die östliche Kolonne erklomm nach
heftigem Kampfe im Laufe der Nacht den Mt. Avena und stieg am
12. früh in die Talebene ab, wo ihr bei Feltre und Arten zahlreiche
italienische Nachzügler in die Hände fielen. Das westlich vom Cismon-
tal vorrückende KSchR. III besetzte am 12. das Werk C. dì Lan, das
noch am Vortage heftig gefeuert hatte,, dann aber von seiner Besatzung
gesprengt worden war; die Kaiser schützen, stiegen dann nach F onzas o ab.
Die 1. GbBrig war am 11. wegen heftiger Kämpfe mit den italie-
nischen Nachhuten nur langsam vorwärtsgekommen. Sie konnte erst am
12. nachmittags nach erbittertem Ringen, bei dem sich die Meraner
Standschützen besonders hervortaten, das Panzerwerk Cm. di Campo
überwältigen. Von dem Alpinibataillon, das hier bis zum äußersten
Widerstand geleistet hatte, mußten 13 Offiziere und über 200 Mann die
Waffen strecken. Die Talkolonne der 18. ID., das FJB. 22 und vier
fahrende Batterien, hatte schon am Vortage die Reichsgrenze beiTezze
überschritten, die an diesem Tage von hier nach Osten bis zum Meere
zurückgewonnen war. Am 13. vormittags vereinigte sich die 1. GbBrig.
in Primolano.
Der 13. November sollte bei der 18. ID. zum Aufschließen und
£ur Rast benützt werden, der namentlich die 9. GbBrig. nach den be-
deutenden Anstrengungen der letzten Zeit dringend bedurfte. Diese
Brigade wurde am 13. dennoch nach Südwesten vorgewogen, kam aber
nur bis Arsie. Die 18. ID., deren Einlangen ¡auf der Hochfläche so
dringend erwartet wurde, erreichte daher am 14. November nur mit
der 1. GbBrig. die Hochfläche, wohin ihr am folgenden Tage die
9. GbBrig., auf die vorübergehend Gdl. Krauss Anspruch erhoben hatte,
über Primolano und Enego folgte.
Auf der Hochfläche waren die Kämpfe seit dem 12. neuerlich ent-
brannt. Das III. Korps hatte in den Morgenstunden dieses Tages den
Befehl erhalten, die italienischen Stellungen vom Mt. Meletta oder zu-
mindestens vom Mt. Meletta di Gallio bis zum Mt. Sisemol zu nehmen.
654
Die Herbstoffensive gegen Italien
Erst nach deren Wegnahme gedachte FM. Conrad den Stoß über den
Mt. Bertiaga zu führen. Die damit verbundene Verzögerimg in der Aus-
führung des für den 12. November festgesetzten Hauptschlages konnte
seiner Meinung nach die Gesamtlage nicht nachteilig beeinflussen, da
die Heeresgruppe Boroevic und die 14. Armee am Piave noch nicht auf-
geschlossen waren und daher ein Übersetzen des Flusses in den nächsten
Tagen recht unwahrscheinlich erschien.
Dieses Urteil Conrads wurde durch eine am 12. eingelangte Mit-
teilung des Kommandos der Südwestfront bestätigt, wonach der Feind
anscheinend am unteren Piave, im Räume zwischen Feltre und Bassano,
sowie auf der Hochfläche von Asiago ernsteren Widerstand zu leisten
beabsichtige. Sollte ein Überschreiten des Piave im abgekürzten Ver-
fahren nicht möglich sein, so sei ein planmäßiger Angriff nötig. Der
Heeresgruppe Conrad werde in dessen Rahmen, wie schon am 9. an-
geregt wurde (S. 649), der Angriff aus der Linie Feltre—Castelletto
(nördlich von Arsiero) in südlicher Richtung, und zwar im Abschnitte
westlich der Brenta, zufallen.
Das III. Korps stellte sich am 12. November vormittags zum An-
griffe in östlicher Richtung bereit. Eine planmäßige Vorbereitung der
Kampfhandlung war in Anbetracht der knappen Zeitspanne nicht mög-
lich; im Grunde genommen wurde nach dem am 10. und 11. geschei-
terten „Nachdrängen" nunmehr ein gewaltsamer Angriff versucht, der
gegen die wohlausgebauten, von unerschütterten Truppen verteidigten
Stellungen zunächst erfolglos blieb, bis sich die vom GM. Ritt. v. Schil-
hawsky befehligte 6. ID. in den Abendstunden des Mt. Longara und
des Ortes Gallio endgültig bemächtigte.
Am Abend des Kampftages berichtete FM. Conrad nach Baden, der
auf Störung des feindlichen Rückzuges abzielende Stoß des III. Korps
habe teils wegen verfrühten Rückzuges, teils wegen des hartnäckigen
Widerstandes des Feindes in seinen ausgebauten hinteren Stellungen
nicht zum angestrebten Erfolge geführt. Es sei noch nicht zu ersehen,
ob die Italiener die Meletta dauernd zu halten beabsichtigten oder
den Hauptwiderstand hinter der Assa- und der Frenzelaschlucht zu
leisten gedächten, was wahrscheinlicher wäre. Diese Ansicht teilte
auch das k.u.k. 11. Armeekmdo., das dementsprechend die Gruppe
FML. Kletter anwies, am 13. mit Unterstützung des Nordflügels des
III. Korps das Melettamassiv zu nehmen und den Raum bis zur Brenta
und zur Frenzelaschlucht zu säubern. Für diesen Angriff wurde dem
FML. Kletter vorübergehend die 110. LstlBrig. unterstellt.
Neuregelung der Kommandoverhältnisse in Tirol
655
Die Sicherung der Rückenfreiheit der an diesem Tage gegen die
Nordfront der Melettastellungen einschwenkenden Gruppe Kletter wurde
der östlich der Barricata vorgehenden Gruppe Obst. Schotsch anver-
traut, die schon in den Mittagsstunden das vom Feinde geräumte Pan-
zerwerk Mt. Lisser (A 1636) besetzte und am folgenden Tage die ganze
Hochfläche östlich des Gadenatales säuberte, wodurch ein neuer Zu-
gang zur Hochfläche, die — allerdings gesprengte — Straße über Ene-
go, freigemacht wurde.
Der Angriff am 13. November brachte nur unbedeutende örtliche Er-
folge. Teile der 21. SchD. und der 6. ID. nahmen die Kreuzhöhe 1116
südlich von Gallio endgültig in Besitz; die Angriffe der Kaiserjäger
gegen die Höhe östlich von Gallio blieben jedoch ergebnislos. Die
Gruppe Kletter erzielte auf dem der Meletta westlich vorgelagerten
Rücken Fortschritte ; vor der Nordfront des Mt. Meletta blieben die
Angriffsstaffel jedoch auf den Hängen stecken.
Während es sich nunmehr deutlich erwies, daß der Feind im
Melettamassiv nachhaltigsten Widerstand zu leisten beabsichtige, den
zu brechen die nächste Aufgabe der 11. Armee bilden mußte, traten
neue Sorgen wegen der schon erörterten Befürchtungen Conrads um
die Judiicarien (S. 641) an die Führung in Tirol heran. Um sie zu
bannen, stellte der Feldmarschall zunächst vier Bataillone der 49. ID.,
obzwar deren Verwendung auf der Hochfläche von Asiago dringend
erschien, als Reserve im Etschtal bereit. Dann versuchte er von der
Heeresleitung die Zuweisung von einer Brigade, bald darauf einer
Division, für den Raum Vallarsa—Etschtal—Judicarien zu erlangen.
Gleichzeitig wurden dort die Kommandoverhältnisse neu geregelt. Den
bisherigen Rayon III übernahm das XX. Korpskmdo. ; es wurde dem
Heeresgruppenkommando unmittelbar unterstellt. Das 49. IDKmdo. er-
hielt den Befehl über die Abschnitte Adamello und Judicarien,; an Ver-
stärkungen wurden dem XX. Korps zwei Hochgebirgskompagnien, drei
Lands'turmbataillone und sieben Batterien zugewiesen.
Diese Neuregelung der Befehlsverhältnisse war auch für den Fall
von Vorteil, als die von FM. Conrad wiederholt angeregte Unterneh-
mung aus den Judicarien heraus zur Tat werden würde. Die vom k.u. k.
AOK. anbefohlene Verschiebung von drei Divisionen aus Venetien nach
Fei tre und die Zuweisung der deutschen 195. ID. (S. 642) stärkten die
darauf gerichteten Hoffnungen des Feldmarschalls.
Inzwischen nahmen am 14. November die Kämpfe bei Asiago ihren
Fortgang. Die 18. ID., deren Eingreifen in das Ringen um die Meletta
656
Die Herbstoffensive gegen Italien
sehnsüchtig erwartet wurde, erreichte an diesem Tage mit der 1. Gb-
Brig.x) den Raum um Enego, die Talgruppe gelangte bis zum Dorf
Gismon. Vortruppen der 9. GbBrig. besetzten den ColTonder A 1132.
Die Gruppe Kletter kam auch an diesem Tage nicht vorwärts, zumal
schlechtes Wetter und Nebel eine Unterstützung durch die Artillerie
nicht zuließen. Ebenso blieben die Anläufe der 6. ID. und der 21. SchD.
zwischen dem Mt. Zorn o und dem Mt. Sisemol erfolglos.
Da nach einer Mitteilung des Kommandos der Südwestfront be-
absichtigt war, den feindlichen Widerstand am Piave durch einen kraft-
vollen Stoß zwischen Brenta und Piave zu brechen, wies Conrad die
11. Armee an, Vorkehrungen für einen gleichzeitigen Angriff an einer
noch zu ermittelnden Stelle zwischen der Brenta und dem Astico zu
treffen, der frühestens am 17. November beginnen sollte. Die bisnun
festgehaltene Absicht, von Asiago nach Südosten zu stoßen, war hiemit
zunächst aufgegeben. Die 11. Armee war aber genötigt, bis zu diesem
Tage die Vorbedingungen für den geplanten Vorstoß durch Wegnahme
des Melettamassiv zu schaffen; die verlustreichen Kämpfe mußten also
fortgesetzt werden.
Gegen die italienischen Melettastellungen wurde daher für den
15. November ein umfassender Angriff anbefohlen. Die 6. ID. sollte mit
der 1. KJBrig. den Mt. Zomo nehmen; sieben Bataillone der Gruppe
Kletter hatten gegen die Nordwest- und Westfront der Melettastellung
vorzugehen. Von der neu in den Kampf eingreifenden 18. ID. wurde die
1. GbBrig. gegen den Mt. Tondarecar A 1670 angesetzt; die ihr unter-
stellte Gruppe Obst. Schotsch (fünf Bataillone) sollte über das Gadena-
tal und den Ort Foza in den Rücken der Italiener stoßen. Die 9. GbBrig.
war an diesem Tage noch im Marsche auf Enego.
Diese, durch Ungunst des Wetters behinderte Bereitstellung der
Angriffstruppen war erst um 4h nachm. beendet. Die sodann einsetzen-
den Angriffe führten zunächst zu nennenswerten Erfolgen am Südflügel
der Gruppe Kletter, wo Teile der Infanterieregimenter 27 und 35 die
italienischen Vorstellungen nördlich des Mt. Zomo im Sturme nahmen;
auf dieser Höhe selbst behaupteten sich jedodi die Italiener. Bis zum
späten Abend fehlten beim Armeekoammando Meldungen über den Aus-
gang der Kämpfe um die Meletta; unter dem Eindruck der unzutreffen-
den Nachricht, die 1. GbBrig. habe den Mt. Tondarecar und den Mt.
Badeleeche A 1466 genommen, erteilte GO. Scheuchenstuel den Befehl
x) Neue Zusammensetzung: SchR. 36 (3), RBaon. IV/37, FJB. 22, k. k. LstlBaon.
164, i/^Baon. oö. FrwSchR.
Erlahmen des Angriffes gegen das Melettamassiv
657
zur Fortsetzung des Angriffes am 16. November, wozu die 18. ID. noch
nachts die 9. GbBrig. in der Richtung auf Foza heranzuziehen hatte.
Die Kämpfe gingen daher am 16. November weiter. In den Nach-
mittagsstunden setzte die 1. GbBrig. neuerlich zum Angriffe gegen den
Mt. Tondarecar an, ohne durchdringen zu können. Westlich der Meletta
mußte die Gruppe Kletter heftige italienische Gegenangriffe abwehren.
Um 9h abends erstürmte das 2. KJR. nach erbittertem Nahkampf den
Mt. Zomo, mußte ihn aber wegen starker Gegenstöße wieder räumen.
Unter diesen Umständen entschloß sich das 11. Armeekmdo., die
seit einer Woche im winterlichen Gebirge bei stockendem Nachschub
kämpfenden Truppen, die neben bedeutenden Kampf Verlusten ¡auch
erhebliche Standesabgänge infolge der Strapazen hatten1), keiner wei-
teren Zermürbung auszusetzen, sondern den Angriff gegen die Meletta
erst nach planmäßiger Vorbereitung fortzusetzen. Hie^u mußte vor
allem für ausreichende Artillerieunterstützung vorgesorgt werden. Bis-
her war der notwendige Stellungswechsel eines Teiles der schweren
Artillerie des III. Korps mit Rücksicht auf den geplanten Hauptangriff
unterblieben und mußte nun nachgeholt werden; ebenso erforderte das
Heranziehen der fahrenden Artillerie der 18. ID. in den Raum Enego—
Mt. Lisser wegen der umfangreichen Straßenzerstörung einige Tage,
In der nach Baden gerichteten Meldung über diesen Entschluß des
11. Armeekmdo'S. bat FM. Conrad neuerlich, ihm Verstärkungen zu-
kommen zu lassen, um durch entsprechenden Krafteinsatz die drei
feindlichen Wider Standslinien auf der Hochfläche durchbrechen zu
können; überdies betrieb er die Freimachung der nach der Verfolgung
in den Dolomiten in den Verband der 10. Armee getretenen Teile des
XX. Korps (fünf Bataillone, zwei Batterien), zumal die Heeresgruppe
die 28« LstGbBrig. abgegeben hatte. Das AOK. erklärte jedoch, es sei
nicht in der Lage, weitere Divisionen nach Tirol zu senden, so lange
die Italiener am Piave hielten.
Der Vorstoß zwischen Brenta und Piave
Die beiderseitigen Kräfte auf geböte und ihre Aufgaben
Während bei der Heeresgruppe Erzherzog Eugen die Verbündeten
am Piave für den Flußübergang rüsteten, rückte die Gruppe Krauss am
11. November gegen Feltre weiter vor. Die 55. ID. marschierte am Süd-
!) Das IBaon. III/27 hatte nur mehr einen Kampfstand von 100 Mann.
VI 42
658
Die Herbstoffensive gegen Italien
ufer des Piave nach Mei und begann hier eine Brücke zu bauen. Die
98. KSchBrig. besag in Castion die von der 55. ID. eben verlassenen
Unterkünfte. Die Jäger division nächtigte zwischen Ponte nelle Alpi und
dem Lago di S. Croce. Nördlich vom Piave ruhte die Hauptkraft der
22. SchD, in Belluno; die Division Wieden schloß zwischen Polpet und
Longarone auf. Tags darauf trat auch die Masse der 22. SchD. wieder
aus, wurde ¡aber bei Pont vor dem Torrente Cavorame durch zerstörte
Brücken zum Halten gezwungen; die Edelweißdivision folgte nach Se-
dico nach. Auch südlich vom Piave mußten die Truppen mit dem
Weitermarsche zuwarten, weil die Brücke bei Mei noch nicht fertig war.
In dieser Lage erhielt die Gruppe Krauss, bei der wieder dieselben
vier Divisionen wie bei Flitsch vereinigt waren, den Auftrag, aus der
Linie Fonzaso—Feltre nach Süden vorzugehen und das Grappamassiv
zu nehmen, um hiedurch den Hauptkräften den Übergang über den
Piave zu ermöglichen. Gdl. Krauss, der über die Absichten bei der
11. Armee, mit der er zusammenarbeiten sollte, keine Kenntnis hatte1),
nahm an, daß der Feind etwa in einer vom Mt. Tomba über den
Mt. Grappa und den Mt. Pertica bis Enego verlaufenden Linie Wider-
stand leisten werde. Um seine Streitkräfte in das richtige Verhältnis
zu bringen, wies er die Gruppe Wieden (22. SchD. und Edelweißdivi-
sion) in den Raum zwischen Feltre und Torrente Cismon, die 55. ID.
nach Feltre und südlich davon; die Jägerdivision sollte an den Corde-
vole folgen. Am 13. rückte hierauf die 43.SchBrig. über Feltre nach
Arten, Caupo und Rasai, die 55. ID. nach Überschreiten des Piave
nach Feltre. Die Edelweiß division, die nördlich von Feltre vormar-
schierte, erreichte spät nachts mit der 216. IBrig. Arsie, mit der
217. IBrig. Murle. Die 98. KSchBrig. marschierte über Mei nach S. Giu-
stina, die Jäger division über Belluno bis an den Cordevole. Durch die
Besetzung von Feltre und des Flußwinkels zwischen Cismon und Brenta
gelangten die Verbündeten in den Besitz der ,als Rochadelinie außer-
ordentlich wichtigen Straße, die das Becken von Belluno und Feltre
mit dem Suganertale verbindet.
Bis zum 13. abends ergaben die Aufklärung und mitgelesene italieni-
sche Funksprüche, daß der Feind entgegen der ursprünglichen Annahme
schon auf den nördlichen Ausläufern des Mt. Grappa und auf dem Mt.
Cornelia A 635 (nordwestlich von Quero) stehe, und daß das italie-
nische XVIII. Korps mit drei Divisionen aus der Ebene nach Norden
vorrücke. Unterdessen hatte GM. Rudolf Müller bereits das SchR. 26
1) Mitteilung des Gdl. Krauss an das Kriegsarchiv vom 17. April 1936.
Plan zur Eroberung des Mt. Grappa
659
gegen den Mt. Peurna A 1384 und das SchR. 3 gegen den Mt. Roncone
A 1166 angesetzt, damit sie am 14. diese Höhen nehmen. Zur Unter-
stützung des SchR. 3 wies GM. Wieden das in Giaron stehende Batail-
lon II/59 gleichfalls auf den Mt. Roncone. Von der 55. ID. hatten am
13. nachmittags zwei Bataillone den Feind aus St. Maria vertrieben;
deren weiteres Vordringen scheiterte aber an dem heftigen Feuer, das
ihnen aus dem südlich von St. Maria befindlichen Tunnel entgegenschlug.
Im Geiste seiner Ansicht, daß im Gebirgskrieg der Stoß im Tale am
raschesten Erfolg bringe, hatte sich Gdl. Krauss am 12. entschlossen,
den Grappastock im wesentlichen durch Durchstöße im Brenta- und
im Piavetal zu Fall zu bringen. Hiezu hatte die Gruppe Wieden, zu der
auch die 9. GbBrig. treten sollte, mit der Hauptkraft im Cismon- und
Brentatal auf Bassano, mit einem Regiment ,auf dem Rücken über
Mt. Roncone, Mt. Pertica A 1552 und Mt. Grappa A 1779 nach Crespano
und Semonzo vorzudringen. Vom Ort Cismon sollte eine Kolonne gegen
den Mt. Asolone A 1522 abgezweigt werden. Die Gruppe Schwarzen-
berg, 55. ID. und Jäger di vision, hatte sich, von der Artillerie der 50. ID.
unterstützt, im Piavetal und an dessen westlichen Begleithängen den
Weg nach Pederobba zu erzwingen; schwache Seitenabteilungen sollten
über den Mt. Tomba A 870, den Mt. Pallone A 1217 und den Mt. Grappa
in die Ebene vorstoßen. Erwies sich der sofortige Angriff als unaus-
führbar und das Heranführen weiterer Batterien nötig, so behielt sich
Gdl. Krauss vor, den Angriffsbeginn selbst zu bestimmen.
Die vier Divisionen der Gruppe zählten 45, zum Teil schon recht
standesschwache Bataillone. Die zwar starke Artillerie von etwa 60 Bat-
terien verfügte aber über sehr wenig Munition und war — weil durch
die zahlreichen Notübergänge aufgehalten — überdies bei Beginn des
Angriffes noch gar nicht zur Stelle.
Der Eindruck, den Gdl. Krauss bis zum 13. abends über den Feind
gewonnen hatte, war der Hauptsache nach zutreffend. Das mit der
Verteidigung des Mt. Grappa beauftragte XVIII. Korps war mit der
Masse durch das Brenta- und das Piavetal in die Ebene zurückmar-
schiert, um von hier aus die neuen Stellungen aus ,,klaren moralischen
Gründen"1) im Vormarsche zu besetzen. Der 51. ID. wurde der Mt. Aso-
lone, der 15. der Mt. Grappa und der 56. ID. der Mt. Spinuccia A 1303
zugewiesen. Die rechts anschließende 17. ID. des IX. Korps sollte den
Mt. Tomba verteidigen2). Das Sperren des Brentatales fiel — wie be-
1) Caviglia, Le tre battaglie del Piave, 275.
2) Cablati, La riscossa, 101 ff.
42*
660
Die Herbstoffensive gegen Italien
reits ausgeführt (S. 647) — der 52. ID. des zur 1. Armee gehörenden
XX. Korps zu. Da die Verteidigungsstellung auf dem Mt. Grappa der
nötigen Tiefe entbehrte, mußten auf Wunsch der Generale Foch und
Wilson auch die nördlichen Ausläufer, der Mt. Roncone, der Mt. Peurna
und der Mt. Tomatico A 1598 besetzt werden, wohin die aus den Fas-
saner Alpen absteigenden Alpini- und Bersaglieribataillone der bloß
sechs Bataillone und sechs Batterien zählenden 15. ID. geradewegs ab-
rückten. Hiedurch wurde aber just die Besetzung des wichtigen Mt.
Grappa sehr wesentlich geschwächt1).
Im ganzen standen vom Feinde zwischen Brenta und Piave 47 Ba-
taillone, 12 schwere und 40 leichte Batterien, denen im November nach
und nach noch 12 schwere Batterien folgten. Doch dies waren nicht
mehr zermürbte Truppen, wie sie die Verbündeten nach den Durch-
brächen bei Flitsch und Tolmein vor sich gehabt hatten, sondern fest-
gefügte Einheiten, von dem Willen beseelt, dem Gegner den Weg in
die Ebene unbedingt zu verwehren.
Auf die nun zwischen Brenta und Piave entbrennenden Kämpfe
übte das Gelände einen besonderen Einfluß aus. Vom beherrschenden
Punkt, dem Mt. Grappa, ziehen nach Norden zu beiden Seiten des
Stizzonehaches gegen Arten und Feltre zwei lange, allmählich niedriger
werdende und im Oberteile waldfreie Abfallrücken hin. Hie von ist der
westliche auf seinem wenn auch schmalen Oberteil gut gangbar; hier
führt auch ein stellenweise fahrbarer Saumweg. Der zerklüftetere öst-
liche Rücken umschließt gemeinsam mit einem vom Mt. Grappa über
den Mt. Pallone und den Mt. Tomba nach Osten streichenden Rücken in
mitunter steilen Felsabstürzen das Becken von Alano. Vom Mt. Grappa
nach Westen hin senkt sich das Gelände über den Mt. Asolone zu einer
kleinen Hochfläche ab, die dann ganz steil zur Brenta abbricht. Gegen
Süden fällt der Grappastock steil zur Ebene ab. Eine Straße windet sich
in zahlreichen Kehren über den Gipfel hinüber bis auf den Mt. Pertica.
Von den beiden Haupttälern, in denen das Durchstoßen erfolgen
sollte, ist das Brentatal samt dem unteren Teil des Gismontales von
Rocca bis Villa eine 20 km lange, bis zu 1000 m tiefe Schlucht, die auf
der Sohle nur Raum für die Straße und die Bahn freiläßt; bloß zwi-
schen der Gismonmündung und Ii Termine verbreitert sie sich auf
einige hundert Schritte. Von Nordwesten her münden die gleichfalls
schauerlich tiefen Schluchten des Val Gadena und des ValFrenzela ein.
Der Piave durchbrach zwischen der Sonnamündung und Pederobba zeigt
*) As sum, La prima difesa del Grappa (Turin 1924), 43ff.
Geländebesehreibung des Grappagebietes
661
wohl etwas weniger scharfe Formen, bietet auf der Talsohle bis Quero
aber auch recht wenig Entwicklungsraum. Erst südlich von Quero
wird das Tal breiter und schließt sich wieder bei Fener.
Ein am 11. November eingetretener Wettersturz brachte auf den
Höhen Schnee, in den Tälern Regen. Vom 14. früh an besserte sich
das Wetter bei zunehmender Kälte, die in den Bergen die Wege und
Steige vereiste.
Der erste Angriff gegen den Mt. Grappa
(14. bis 18. November)
Trotz der Weisung, mit der Hauptkraft im Brentatale durchzu-
stoßen, beließ GM. Wieden die gegen den Mt. Peurna und Mt. Roncone
angesetzten Truppen (S. 659) am 14. dorthin im Angriff, weil er dem
Vorgehen über die Höhen entscheidende Bedeutung beimaß. Er hielt
daher auch die Edelweiißdivision im Räume Arsie—Fonzaso an und ließ
noch am 13. abends durch den GM. Müller, der gleicher Ansicht wie
er war, seine Bedenken gegen den Talstoß dem Gdl. Krauss vortragen.
Dieser entschied jedoch, daß es bei der Ausführung seiner Befehle zu
verbleiben habe.
Indessen konnten sich die beiden Regimenter der 43. SchBrig., bei
denen noch keine Artillerie eingetroffen war, am 14. wegen des schwie-
rigen Geländes nur mühsam bis nahe an die Linien der Italiener heran-
arbeiten. Erst gegen Abend vermochte das SchR. 26 den Mt. Peurna
dem sich hartnäckig wehrenden Feinde zu entreißen. Die 98.KSchBrig.
traf in Porzen und Rasai ein.
Bei der Gruppe Schwarzenberg war den gegen den Mt. Tomatico
angesetzten zwei Bataillonen der 55. ID. kein Erfolg beschert. Dagegen
glückte den im Tale vorgehenden Bosniaken der 38.IBrig. die Erstür-
mung des Bahnhofes von St. Maria. Nachher mußten sie sich aber gegen
die westlich ansteigenden Höhen wenden, weil sie durch das von dort
he rüber schlagende Flankenfeuer am weiteren Vordringen gehemmt wur-
den. Nach schwerem Kampf entrissen sie nachmittags dem Feinde den
Rücken zwischen -<¡>-1178 und A 1093; auf dem Mt. Cornelia und der
Höhe -<¡>-791 behaupteten sich die Italiener aber noch. Diese Flanken-
bedrohung erweckte nun auch beim GM. Schwarzenberg Bedenken
gegen ein weiteres Vordringen im Tale, ohne sich vorher der Höhen
bemächtigt zu haben. Die Jäger di vision, Obst. Wodtke, erreichte Feltre.
662
Die Herbstoffensive gegen Italien
Die Kämpfe am 14. hatten nur geringe Erfolge gezeitigt. Im
Brentatal hatte die Vorrückung noch gar nicht beginnen können, weil
die Übergänge über den Cismon abwärts von Giaron zerstört waren,
und die in den Eisenbahngalerien bei Ii Termine eingebauten Maschinen-
gewehre und Geschütze die Annäherung verhinderten. Dennoch befahl
Gdl. Krauss — ungeachtet der Vorstellungen seiner Unterführer und
eineir Mahnung des deutschen 14. Armeekmdos., den Höhenangriff nicht
zu stiefmütterlich zu behandeln — die Fortsetzung der Vorrückung in
der von ihm vor gezeichneten Weise. Er nahm allerdings bei einem
Scheitern des Angriffes im Brentatale in Aussicht, dort von der Fort-
führung abzusehen und das Schwergewicht in das Piavetal zu verlegen,
um hier über Quero und den Mt. Tomba durchzustoßen. Offenbar hie-
für hielt er die 98. KSchBrig. als Korpsreserve zurück. Dies schwächte
die Stoßkraft der Gruppe Wieden, die überdies die ihr zugedachte
9. GbBrig., die am 13. in Arsie eingetroffen war, schon am 14. nach-
mittags wieder an die 11. Armee abgeben mußte.
Ungeachtet der ihn bedrückenden Zweifel beschloß nun GM. Wie-
den, am 15. mit der Masse seiner Division in die Brentaschlucht vor-
zustoßen. Allerdings sollte gleichzeitig GM. Edi. v. Merten mit dem
SchR. 3 und dem Bataillon 11/59 auf deim westlichen Hauptrücken und
das Bataillon I/KJR. 4 vom Dorf Cismon über die Höhe A 1284 gegen
den Mt. Pertica vorstoßen. Da der Feind, weil östlich vom Stizzone be-
drängt, nun auch den Mt. Roncone preisgab1), vermochte die Höhen-
kolonne GM. Merten am 15. bis vor den Mt. Prassolan A 1484 vorzu-
dringen. Das Bataillon I/KJR. 4 erstürmte die Höhe A 1284. Die von
Teilen des IR. 59 im Brentatale unternommenen Angriffsversuche
scheiterten jedoch2). GM.Wieden wurde dadurch in seiner Überzeu-
gung noch bestärkt, daß hier ein handstreichartiger Durchstoß nicht
möglich sei. Dafür wollte er den auf den Höhen bereits errungenen
Erfolg weiter ausbauen, wozu die Gruppe GM. Merten über den Mt.
Pertica und den Mt. Grappa, die 216. IBrig. vom Dorf Cismon gegen
die Höhe -<¡>-1458 (nordwestlich vom Mt. Asolone) vordringen sollten.
Bloß die 217. IBrig. hatte im Brentatal den Durchstoß zu versuchen.
Bei der 55. ID. eroberte die auf drei Bataillone verstärkte Höhen-
kolonne am 15. den Mt. Tomatico, den Mt. Santo, nahm 500 Italiener
gefangen und erreichte abends den schon vom SchR. 26 bezwungenen
Mt. Peurna. Der 38. IBrig. blieb aber auch an diesem Tage ein Erfolg
1) Caviglia, Le tre battaglie del Piave, 275.
2) H o e n, IR. 59 im Weltkrieg, 628.
Verlegen des Schwergewichtes in das Piavetal
663
gegen den das Tal beherrschenden Mt. Cornelia und gegen die Höhe
-<>-781 versagt. Für die Wegnahme dieser Höhen erschien eine kräftige
artilleristische Vorbereitung unerläßlich; erst nach Eroberung dieser das
Tal beherrschenden Erhebungen hielt der Kommandant der 38.IBrig.,
Obst. Graf Zedtwitz, den Durchstoß über Quero für ausführbar.
Das geplante Durchstoßen in den Tälern hatte somit auch am 15.
keine Fortschritte gemacht, wohl aber waren die Angriffe auf den
Höhen erfolgreich. Dennoch hielt Gdl. Krauss an seiner Absicht fest,
den Durchbruch nunmehr im Piavetal zu erzwingen. Denn hier lag
offensichtlich der Schlüssel der Lage. Ließen es einerseits der drohende
Winter und die elenden Verbindungen aus dem Becken Feltre—Fonzaso
nach Süden ins Gebirge nicht rätlich erscheinen, noch mehr Truppen
frontal in der Richtung Mt. Grappa anzusetzen, so bot anderseits das
Piavetal sichtlich die größten Vorteile. Es führten darin unzerstört
Straße und Bahn, das Becken Alano—Quero bot Bewegungsmöglichkeit,
der Nachschub war auch für starke Kräfte durchführbar; der Schluß-
rücken Mt. Tomba ist 870 m hoch geigen 1779 m des Mt. Grappa, und
— nicht zu unterschätzen — es bestand die Möglichkeit einer fort-
dauernden Wirkung der eigenen Artillerie vom linken Flußufer her
aus dem Räume S. Vito—Vidor in Flanke und Rücken des Feindes1).
Krauss wurde in seinem Entschluß noch dadurch bestärkt, daß — wie
noch auszuführen sein wird — ein Übergangsversuch der deutschen
12. ID. bei Vidor am 15. abends gescheitert war, und ihm ein Vor-
drücken auf dem Westufer um so mehr nötig erschien, Gdl. Krauss
befahl daher am 16. November vormittags der 55. ID., bis Alano und
Faveri vorzudringen; die nachrückende Division Wodtke hatte den
Mt. Tomba zu nehmen. Dann sollten beide Divisionen in der Linie
Mt. Tomba—Vittorazzi—Curognabach einen Brückenkopf beziehen. Die
Hauptkraft der 22. SchD. beabsichtigte Gdl. Krauss gleichfalls über
Feltre und Pederobba folgen zu lassen.
Der 16. November brachte der Gruppe Krauss bedeutsame Teil-
erfolge, aber noch immer nicht den erstrebten Austritt in die Ebene.
Die Höhenkolonne der 55. ID. näherte sich an diesem Tage der
Höhe A 1611 (nach der Spezialkarte Mt. Fontana secca A 1608). Im Tale
trat nach einem kurzen, aber kräftigen Feueranfall, an dem sich auch
die Artillerie der 50. ID. beteiligte, die Brigade Zedtwitz bei Einbruch
der Dunkelheit zum Sturm an und entriß der italienischen 17. ID. nach
*■) Mitteilung des GstbsObst. Primavesi, damals Gstbschef des I. Korps, an das
Kriegsarchiv (Mödling, 26. April 1936).
664
Die Herbstoffensive gegen Italien
hartem, bis Mitternacht währendem Kampfe die Höhen nordwestlich
von Quero1). Eineinhalb Stunden nach Mitternacht erstürmte ein deut-
sches Sturmbataillon diesen Ort selbst2). Nun war der Weg in das Becken
von Alano frei, in das am 17. vor Tagesanbruch die 26. GbBrig. und
später die dem GruppenJcommando Krauss wieder unmittelbar unter-
stehende deutsche Jäger divisi on vorrückten. Teile der 55. ID. sicherten
nach Westen hin gegen den auf dem Mt. Spinuccia und auf der Höhe
A 1611 noch immer stehenden Feind.
Bei der Gruppe Wieden kamen die vorderen Abteilungen der
217. IBrig. am 16. nur bis vor die Talsperre II Termine; hier gebot
ihnen das unvermindert heftige Feuer halt. Das IR. 59 der 216. IBrig.
zwängte sich mühsam durch das schluchtartige Tal, das von Cismon
nach Südosten führt. Erst am 17< vermochten die ,,Rainer" einige ita-
lienische Vorstellungen zu nehmen; gegen die von der italienischen
51. ID. auf der Höhe-<¡>-145 8 besetzten Gräben blieb ihnen ein Erfolg versagt.
Dafür glückte es der Höfaenkolonne GM. Merten, bis nahe an
ihr Ziel zu kommen. Ihre Vorhut, das nunmehr durch Zwei Gebirgs-
ge,schütze verstärkte Bataillon I/SchR. 3, erstürmte vormittags den Mt.
Pr assolan und nahm dem hier fechtenden italienischen Infanteriebatail-
lon 600 Mann als Gefangene ab. Eine Kompagnie der Grazer Schützen
stürmte weiter bis zur Höhe -<!>- 1484, eine kleine Abteilung sogar îïoch
bis über den Mt. Pertica hinaus. Wegen der ausgesetzten Lage wurde
die Kompagnie jedoch zurückberufen. Unterdessen besetzte das letzte
intakte Bataillon der italienischen 15. ID. den Mt. Pertica; hinter ihm
stand zunächst keine Reserve mehr.
Nach Ordnung der weit auseinandergezogenen Verbände setzte das
SchR. 3 um 2 h nachm. die Vorrückung fort und gewann — jetzt aber
schon nach Kampf -— die Höhe A 1484, wo es mit Rücksicht auf die
große Ermüdung der Mannschaft verblieb. Auf der Seite des Feindes
kam mittlerweile am Spätnachmittag doch noch ein Alpinibataillon auf
den Mt. Grappa und verstärkte die äußerst schwache Besatzung3). Als
am 17. die tapfern Dreierschützen und das schon auf 200 Mann zusam-
mengeschmolzene Bataillon I/KJR. 4 den Mt. Pertica angriffen, stießen
sie bereits auf einen nicht zu überwindenden Widerstand. Auch die am
16. vom SchR. 26 gegen die Höhe A 1611 unternommenen Vorstöße
!) In diesen für die eigenen Truppen ziemlich verlustreichen Nachtkämpfen
wurden 28 Offiziere und 1258 Mann an Gefangenen eingebracht.
2) Kr äfft, II.
3) A s s u m, 60;
Totlaufen des Angriffes im Grappagebiet
665
waren von keinem Erfolg begleitet. Der Zeitpunkt dafür, in einem
Zuge bis auf den Mt. Grappa zu gelangen, war vorbei.
Aber auch im Piavetal, wo der Durchstoß im wesentlichen durch
Überraschung des Feindes herbeigeführt werden sollte, sah sich G dl.
Krauss vor eine veränderte Lage gestellt. Obst. Wodtke, der Führer
der Jägerdivision, hatte sich wegen des heftigen, namentlich vom Mt.
Pallone herüberschlagenden Artilleriefeuers, dem seine Bataillone beim
Einrücken in das Alanobecken ausgesetzt waren, zur Verschiebung der
Vorrückung auf den 18. entschlossen. Als dann der Angriff losbrach,
trafen die deutschen Jäger auf außerordentlich hartnäckigen Wider-
stand. Nur unter bedeutenden Verlusten vermochten sie sich gegen
die Rückenlinie des Mt. Tomba vorzuarbeiten; der Gipfel A 870 blieb
in Feindeshand. Auch dem gegen den Mt. Spinuccia aufgestiegenen
württembergischen Gebirgsbataillon glückte es nicht, die dort ein-
genisteten Italiener zu vertreiben1)» Der Angriff im Grappagebiet war
auf einem toten Punkt angelangt. Es erschien aussichtslos, ihn durch
von ungefähr zu unternehmende Vorstöße überwinden zu wollen.
Daß es nicht gelungen war, den Grappastock in einem Zuge zu
nehmen, ist vornehmlich in der Verschiedenheit der Ansichten darüber
zu suchen, wohin das Schwergewicht Zu legen war2). Gdl. Krauss, dem
eine Wiederholung von Flitsch vorgeschwebt haben mochte, wünschte
den Mt. Grappa durch Durchstöße in den beiden, diesen Höhenstock
im Osten und im Westen abschließenden Tälern zu Fall zu bringen.
Die Unterführer widerrieten diesem Beginnen und redeten einer Vor-
rückung über die Höhen das Wort. Diese Zwiespältigkeit beeinträchtigte
den Erfolg.
Sicherlich stellten sich der einen wie der anderen Lösung bedeu-
tende Schwierigkeiten entgegen. Sie waren aber hier in den beiden
Tälern zweifellos erheblich größer als auf den Bergen. Im Gegensatz
zu den breiten Talbecken bei Flitsch undTolmein sind im Grappagebiet
1) Kr äfft, II, 227 ff.
2) Diese Frage ist nach dem Kriege lebhaft erörtert worden. Siehe hierüber:
Krauss, Ursachen, 238 ff. — Kr äfft, II, 206 ff. und 262 ff. — Rudolf Müller,
Richard Müller, Wieden und Schwarzenberg, Bei Flitsch und am Grappa
(Wien 1927), 14 ff. -— Handel-Mazzetti, Die erste Verteidigung des Grappa
im November 1917 (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1927, 515 ff.). — Steinitz, Über
die Kämpfe im Grappamassiv (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1927, 505 ff.). — Schren-
zel, Unsere letzte Chance im Weltkriege (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1932, 268 ff.).
— Assum, 43 ff. — Cablati, La riscossa 55, 101 ff. — Caviglia, Le tré
battaglie des Piave, 28 ff.
666
Die Herbstoffensive gegen Italien
das Tal des Piave und namentlich das der Brenta ungemein eng. Da,s
Brentatal bietet angreifenden Gruppen gar keinen, das Piavetal nur
sehr geringen Entwicklungsraum. Für erfolgreiche Talstöße fehlten auch
noch die erforderliche Kenntnis der feindlichen Stellungen, eine feuer-
bereite starke Artillerie und das so wirksame Gaswerfergerät. Den
Angriff im Brentatal hielt übrigens auch Gdl. Krauss bald für wenig
aussichtsreich. In dem immerhin einige Angriffsmöglichkeiten bieten-
den Piavetal hätte der Durchstoß nur dann vielleicht glücken können,
wenn Gdl. Krauss seinen Willen hiezu sofort auf die Unterführer über-
tragen hätte. Das Vordringen der Gruppe Schwarzenberg bis Alano war
aber sicherlich zum guten Teil den ;auf den westlichen Begleithöhen
errungenen Erfolgen zu danken. Dagegen beweisen die Kämpfe der
Kolonne Merten, daß einem kräftigen Angriff über die Höhen zwischen
Brenta und Stizzone gegen den Mt. Grappa ein durchschlagender Erfolg
hätte beschert sein können. Wäre der Kolonne Merten die 98.KSchBrig.
auf dem Fuße gefolgt, statt daß sie untätig bei Rasai belassen wor-
den war, dann wäre der Mt. Grappa höchstwahrscheinlich am 16. No-
vember von unseren Truppen erobert worden. Einem Aufriegeln der
beiden Täler von den Höhen aus und einem Austritt der Gruppe Krauss
in die Ebene wäre dann kaum mehr ein ernsthaftes Hindernis ent-
ge gen gestanden.
Es soll aber auch nicht verneint werden, daß das Vorgehen der
Gruppe Krauss, dem auch nach der in Baden herrschenden Anschau-
ung entscheidende Bedeutung zukam, durch den Ostflügel der Heeres-
gruppe Conrad in wirksamerer Art hätte gefördert werden können, als
es tatsächlich geschah. Hiezu hätten die 9. GbBrig. und die nördlich vom
Suganertale vorrückende Masse der 18. ID. (1. GbBrig.), von denen
die erstgenannte Fonzaso auch etwas früher als die Gruppe Wieden er-
reicht hatte, dem Gdl. Krauss dauernd unterstellt und sofort auf den
Mt. Grappa gewiesen werden können. Sie hätten, da es sich hier um
Stunden gehandelt hat, voraussichtlich in wirksamer Weise den Kampf
der Kolonne Merten um den Gipfel einleiten, vielleicht sogar vor dieser
allein entscheiden können. Die Überweisung der beiden Heereskörper
wäre aber Sache der Heeresleitung gewesen, die die Zweckmäßigkeit
einer solchen Überstellung — wie einer am 12. November verfaßten
Lagebeurteilung zu entnehmen ist — auch erkannt hatte. Dennoch
stimmte sie auf ein Ansuchen des FM. Conrad noch am selben Tage
zu, daß er die beiden Brigaden nach Säuberung des Flußwinkels zwi-
schen Brenta und Cismon auf die Hochfläche von Asiago heraufziehe.
Teilerfolge der Isonzoarmeen
667
Der Übergangsversuch am Piave
Für den Massenübergang, der für den 16. geplant war (S. 642), wur-
den von den drei Kommandanten der am Piave stehenden Armeen ein-
gehende Weisungen erlassen. Gdl. Below befahl der Gruppe Stein, bei
Vidor einen gewaltsamen Übergang zu unternehmen, wobei ihr die Gruppe
Scotti Beistand leisten sollte. Die Gruppe Hofacker hatte bei Nervesa
den Übergang zu erzwingen. Das weitere Ziel der 14. Armee war die
Brenta zwischen Valstagna und Piazzala. Bei der 2. Isonzoarmee wur-
den alle besonderen Kampf- und Übergangsmittel im Bereiche des
IV. Korps zusammengefaßt, um über S. Bartolomeo auf Treviso vorzu-
brechen. Das II. Korps wurde beauftragt, durch Scheinunternehmen die
Aufmerksamkeit des Feindes vom Hauptübergangspunkt abzulenken.
Das Kommando der 1. Isonzoarmee gab dem VII. Korps Preganziol und
dem XXIII. Mogi i ano als Ziel. Für alle Fälle wurde das noch weit
hinten stehende XVI. Korps am 13. mit der 58. ID. nach Madrisio und
mit der 17. ID. nach Portogruaro und Teglio Veneto vorgezogen.
Unterdessen hatten einige vor dem 16. unternommene Flußüber-
schreitungen für den Massenübergang scheinbar günstige Voraussetzun-
gen geschaffen. Beim II. Korps wurden schon vom 10. an nach und nach
kleine Abteilungen auf die Papadopoliinsel vorgetrieben, die bis zum
15. abends die Stärke von drei Bataillonen erreichten. Bei der 44. SchD.
gewann das GSchR. 1 am 12. bei Zenson das Westufer, erstürmte den
Damm1) und vermochte sich, tags darauf durch Teile des GSchR. 2 ver-
stärkt, gegen heftige Gegenangriffe des Feindes zu behaupten. Am 15.
wurde die 44. SchD. durch die 48. ID. abgelöst; es trat nun an Stelle
der Gebirgsschützen die 11. GbBrig. in dem andauernder Beschießung
und wiederholten Angriffen ausgesetzten kleinen Brückenkopf. Weiter
im Süden wollte sieh das XXIII. Korps schon am 13. eine Ausgangs-
stellung auf dem Westufer schaffen. Die 10. ID. mußte die Überschif-
fung bei S. Donà wegen starker Gegenwirkung aber bald einstellen.
Dagegen glückte es der 41. HID. an drei Stellen, den Unterlauf des
Flusses zu übersetzen und bis zum 15. in hartnäckigen Kämpfen gegen
italienische Küstenschutzabteilungen in Cortellazzo, Cavazuccherina,
Passarella d. so. und Chiesa nuova festen Fuß zu fassen.
Der Massenübergang stand aber unter keinem glücklichen Stern.
1) Das Kärntner Alpenjägerbaon. Nr. 1 des österreichischen Bundesheeres als
Nachfolgetruppenkörper des k. k. GbSchR. 1 feiert den 12. November als Gedenktag.
668
Die Herbstoffensive gegen Italien
Der wachsame Feind hatte die Ufer Stellungen stark besetzt. Das Nieder-
kämpfen seiner Maschinengewehrnester war wegen der unzureichenden
Artillerie, die noch dazu über wenig Munition verfügte, und wegen des
fast völligen Mangels an Minenwerfern*) nirgends geglückt. Das Über-
schiffungsgerät war gleichfalls unzureichend. So kam es, daß die von der
deutschen 12. ID. am 15. abends bei Vidor unternommenen Übergangs-
versuche scheiterten. Da dieser Übergang den Auftakt für die Fluß-
überschreitung der 13. SchD. und der Gruppe Hofacker bei Nervesa
bilden sollte, unterblieb nun auch diese. Eine Wiederholung wurde vom
Gdl. Below untersagt, weil sie ohne ausreichende Munition und Über-
schiffungsmittel nur zu neuen Mißerfolgen geführt hätte.
Noch tragischer verlief das Unternehmen bei der 2. Isonzoarmee,
bei der den Hauptstoß über den Fluß die am 12. in die Front gestellte
29. ID. des IV, Korps durchzuführen hatte. Während der Nacht auf den
16. November waren zwei Bataillone des oftbewährten IR. 92 auf das
Westufer gelangt, hatten S. Bartolomeo und Fagare erstürmt, zwei Bat-
terien erobert und über 500 Gefangene eingebracht. Dann aber traf das
Regiment eine Reihe heftiger, meist gegen seine Flanken gerichteter
Gegenangriffe von weit überlegenen Teilen des XI. und des XIII. Korps
der Italiener, vor denen die wackeren 92er an den Piavedamm zurück-
gehen mußten. Dichtes Sperrfeuer des Feindes ließ ein Überschiffen
von Verstärkungen nicht zu, und für das Zurückführen der beiden am
Westufer kämpfenden Bataillone, fehlte es an Pontons. Was von ihnen
nicht gefallen war, geriet am 17. in Gefangenschaft. Nur wenige Ver-
wundete waren schwimmend auf das Ostufer zurückgelangt2). Die von
der Papadopoliinsel vorgehenden Bataillone des II. Korps hatten den
tiefen und reißenden westlichen Flußarm nicht zu übersetzen vermocht.
Nach dem Mißerfolg bei der 29. ID. unterließ das VII. Korps auf
höheren Befehl den Vorstoß, der aus dem Brückenkopf von Zenson
heraus hätte geführt werden sollen. Weiter im Süden setzte nur die
41. HID. des XXIII. Korps ihr beharrliches Vorarbeiten im Mündungs-
gebiet des Piave fort. Der Feind wehrte sich dagegen, indem er die
Kriegsbrücken der 41. HID. unter andauerndes Feuer nahm und die
Dämme durchstach, wodurch der Westteil der großen Piaveinsel unter
Wasser gesetzt und ein weiteres Vordringen derHonvéd vereitelt wurde.
1) Die wirkungsvollen deutschen Minenwerfer waren schon abbefördert.
2) Die Verluste der beiden überschifften Bataillone des IR. 92 betrugen
764 Mann an Toten, Verwundeten und Ertrunkenen sowie 600 an Gefangenen (Der
Heimat Söhne im Weltkrieg, der 92er, Jhrg. 1933, Heft 10).
Das Seegefecht bei Cortelazzo
669
Die zur Unterstützung des Überganges von Triest ausgelaufenen
Schlachtschiffe „Wien" und „Budapest", die von 14 Torpedobooten
und zwei Seeflugzeugen begleitet waren, bekämpften die italienischen
Küstenbatterien bei Cortellazzo und wehrten einige von Venedig her-
beigeeilte feindliche Kriegsschiffe ab. Abends kehrten unsere Einheiten
wohlbehalten nach Triest zurück1).
Systematische Fortsetzung der Angriffe gegen die
Randberge
Anordnungen der hohen Führung
Der erste Ansturm der k. u.k. 11. Armee und der Gruppe Krauss
war Mitte November ;auf den die Ebene im Norden umsäumenden
Höhen zum Stehen gekommen. Dies hatte .auch den von der Heeres-
gruppe Boroevic versuchten Piaveübergang nachteilig beeinflußt. Um
noch vor dem Eingreifen der englisch-französischen Verstärkungen bis
an den Unterlauf der Brenta zu gelangen, hielt es die hohe Führung
für unerläßlich, den Stoß zwischen Asiago und dem Piave nach Süden
fortzuführen. Da der Feind vor der 11. Armee mehrere hintereinand er-
liegende Stellungen besaß, ein Angriff somit hier als sehr schwierig
erachtet wurde, wies die k. u.k. Heeresleitung wieder auf den Raum
zwischen Brenta und Piave hin.
Das Kommando der Südwestfront plante nun, wie es ;am 19. No-
vember nach Baden meldete, den „Piave von den Höhen südlich Feltre
aus systematisch durch staffelweisen Angriff bei kräftigem Zusammen-
wirken der Artillerie von Ost und Nord zu öffnen". Auf solche Weise
sollte die 14. Armee zunächst den Mt. Tomba, dann die Höhen südlich
des Curogn ab aches, den Mt. Sul der und schließlich den Montello neh-
men. Allenfalls sollten hiezu der Gruppe Krauss ein oder zwei der in
das Becken von Belluno verschobenen Divisionen der Heeresreserve zu-
gewiesen werden.
Die Heeresgruppe Boroevic hatte einen neuerlichen, planmäßigen
Flußübergang vorzubereiten, um sich dem Vorstoße der 14. Armee an-
schließen zu können. Bis dahin sollte der Feind „durch rege Tätigkeit
x) Kriegsarchiv (Marinearchiv), Österreich-Ungarns Seekrieg 1914—1918,
484 ff. .
670
Die Herbstoffensive gegen Italien
und demonstratives Verhalten. . . auch weiter in Spannung" erhalten
werden. Der Generaloberst nahm für dieses neuerliche Unternehmen
den 29. November in Aussicht. Es sollte wieder vom IV. Korps und von
den flußabwärts stehenden Heereskörpern durchgeführt werden. Hiezu
wurde der 2. Isonzoarmee das XXIV. Korps zur Verfügung gestellt.
Das XVI. Korps blieb Heeresgruppenreserve und sollte nach Maßgabe
des jenseits des Piave erzielten Raumgewinnes an die Li venza folgen.
Die Gruppe Kosak wurde nach dem Abmärsche der 35. ID. nach Bel-
luno aufgelöst; die 60. ID. trat zum XXIV. Korps. FML. Kosak erhielt
eine Verwendung an der Ostfront.
Bei der Heeresgruppe Conrad war auf der Hochfläche von Asiago
am 21. ein Angriff von Gallio über den Mt. Sisemol auf den M t. Ber-
tiaga geplant, durch den die Italiener in das Asticotai und in die Ebene
zurückgedrängt werden sollten. Allerdings konnte dieses Unternehmen
lediglich als eine Unterstützung des Vorgehens der Gruppe Krauss an-
gesehen werden. Ein weiterer, größerer Angriff der Heeresgruppe Con-
rad hing nach Ansicht des k. u. k. AOK. ganz vom Erfolg des Vorgehens
zwischen Brenta und Piave ab. Würde der Feind den Piaveabschnitt
räumen und hinter die Brenta oder den Bacchiglione zurückweichen,
dann sollten die Italiener durch eine Offensive östlich des Etschtales
auch zur Preisgabe der beiden letztgenannten Flußlinien gezwungen
werden. An diesem Unternehmen hätten die drei Divisionen der Heeres-
reserve teilzunehmen. Trat am Piave aber keine Änderung der Lage
ein, so erschien der Heeresleitung „jede weitere Aktion aus Tirol her-
aus ziemlich wertlos".
In diesen Tagen wurde auch das Schicksal der 10. Armee entschie-
den, die zweieinhalb Jahre lang an der Kärntner Grenze treue Wacht
gehalten und bei der Vorrückung trotz der geringen Offensivfähigkeit
der Mehrzahl ihrer Einheiten und ihrer außerordentlich dürftigen Troß-
ausrüstung hervorragende Leistungen vollbracht hatte. Diese Armee
wurde jetzt aufgelöst. Das Armeekommando hatte nach Trient abzu-
gehen, wo es am 22. November eintraf. Es wurde vom FM. Conrad be-
auftragt, einen aus dem Abschnitt der 56. SchD. mit insgesamt fünf
Divisionen im Et seht al gegen Verona auszuführenden Durchbruch zu
studieren. Bald darauf, am 28., hatte es die ganze West- und die Süd-
front von Tirol mit der Gruppe Erzherzog Peter Ferdinand, dem XX.
Korps und der 56, SchD. zu übernehmen. Dem 11. Armeekmdo., das
sein Hauptquartier von Trient nach Levico zu verlegen hatte, verblieben
das XIV. und das III. Korps und die Gruppe Kletter. Die Quartier-
Verlegung des 10. Armeekommandos nach Tirol
671
meisterabteilung 10 wurde zum Etappengruppenkommando Belluno um-
gestaltet und hatte gemeinsam mit den Quartiermeisterabteilungen, 6
und 11 die Gruppe Krauss in wirtschaftlicher Hinsicht zu betreuen. Für
die einheitliche Versorgung Tirols wurde die Quartiermeisterabteilung 11
als solche des Heeresgruppenkommandos ausgestaltet.
Von den Truppen der 10. Armee kam die 94. ID. — wie bereits
ausgeführt — zur Gruppe Krauss. Von der Gruppe Hordt, die ursprüng-
lich mit allen ihren 16 Bataillonen im Fußmarsch über Primolano nach
Tirol gelangen sollte, mußten noch vier Bataillone zur Verstärkung der
94. und der Edelweißdivision abgegeben werden. Im Bereiche der
11. Armee angelangt, wurde die Gruppe Hordt aufgelöst. Von den je
vier Bataillone starken Brigaden hatte die 96. IBrig. die 19. ID. an der
Assaschlucht freizumachen, die 59. GbBrig. kam zum XIV. Korps, und
die 29. GbBrig. wurde Heeresgruppenreserve südlich von Trient. Gdl.
Hordt wurde Militärkommandant in Hermannstadt.
Angriffe der Verbündeten in der zweiten Novemberhälfte
Die durch die vorübergehende Einstellung des Angriffes bei der
II. Armee entstandene Kampfpause wurde wohl durch heftige Gegen-
stöße des Feindes zwecks Rückeroberung seiner westlich des Mt. Me-
letta verlorenen Vorstellungen unterbrochen; dennoch bot sie Gelegen-
heit, die am schwersten mitgenommenen Truppen abzulösen. Die Gruppe
Kletter erhielt hiefür noch die zweite Brigade der 106. LstlD.; beim
III. Korps wurde die 6. ID. durch fünf Bataillone der 52. ID. und der
21. SchD. verstärkt.
Die Befehle des 11. Armeekmdos. für den nunmehr auf den 22. No-
vember verschobenen Angriff auf den Melettastock ergingen drei Tage
vorher. Die Wegnahme dieses nördlich der Frenzelaschlucht weit nach
Norden vorragenden Bergklotzes, die die Voraussetzung für den spä-
teren Hauptangriff der 11. Armee bildete, wurde wieder der Gruppe
Kletter übertragen. Hiezu hatte die verstärkte 106. LstlD. (191/2 Batail-
lone mit 11.000 Feuergewehren) den Mt. Meletta, die 18. ID. (11 Batail-
lone mit 4100 Gewehren) den Mt. Tondarecar und den Mt. Badelecche
anzugreifen. Zur artilleristischen Vorbereitung standen 140 Geschütze
bereit. Nach Eroberung der Meletta hatte das III. Korps die Höhen
östlich von Gallio zu nehmen und sich sodann zum Stoß nach Süden
672
Die Herbst-offensive gegen Italien
beiderseits der über den Mt. Sisemol zum Mt. Bertiaga führenden Leit-
linie zu gruppieren. Hiebei war den vier, 23.600 Gewehre zählenden
Divisionen dieses Korps die Hauptlast des entscheidenden Vorstoßes
zugedacht.
Das ¡als erstes Tempo vorgezeichnete Unternehmen gegen den
Mt. Meletta litt außer unter dem Zurückbehalten des III. Korps für
den Haup;tschlag noch an dem Übelstand, daß auch etwa 140 Geschütze
dieses Korps schon gegen den Mt. Bertiaga in Stellung gebracht worden
waren und gegen die Meletta nicht zu wirken vermochten. Die kurze
Vorbereitungszeit hatte einen Stellungswechsel nicht mehr zugelassen.
Dies sollte sich beim Kampf um die Meletta nachteilig fühlbar machen.
Auf italienischer Seite hatten das XX., das XXII. und das XXVI.
Korps bis zum 20. je eine Brigade als Verstärkung erhalten. Darunter
gab es einige Regimenter, die in der zwölften Isonzoschlacht vollkom-
men ¡aufgerieben, nun aber wieder aufgefüllt worden waren; ein Zeichen
erstaunlich raschen Wiedererstarkens des italienischen Heeres.
Der Angriff auf die Meletta begann am 22. bei klarem Wetter;
um llhvorm. fiel jedoch Nebel ein, der die Feuerunterstützung durch
die ohnehin unzureichende Artillerie unterband. Trotzdem versuchten
die Bataillone Kletters in wiederholten Anläufen, den Melettastock zu
bezwingen. Die 18. ID. gelangte hiebei bis vor die italienischen Draht-
hindernisse auf dem Mt. Badelecche und dem Mt. Tondarecar. Die
106. LstID., FML. Kratky, vermochte die nördliche Vorkuppe des Mt.
Meletta zu nehmen, und die 6. ID., die sich ¡dem Angriff von Westen
her angeschlossen hatte, erstürmte einige südwestlich des Gipfels ge-
legene Gräben. Der Feind, der starke Reserven heranführte, entriß
jedoch durch heftige Gegenstöße der 106. und der 6. ID. ihre teuer
erkauften Erfolge. Auch am 23. gelang es unsern Truppen nicht, den
hartnäckigen Widerstand des italienischen XX. Korps zu brechen. Das
Ringen fand erst am 24. November in den Morgenstunden ein Ende,
nachdem der seit dem 22. bei der 11. Armee verweilende Kaiser Karl
auf der Heimfahrt am 23. abends die vorläufige Einstellung der Unter-
nehmung auf der Hochfläche von Asiago angeordnet hatte.
Die hier im winterlichen Gebirge schon seit zwei Wochen hart
kämpfenden Truppen waren arg hergenommen und bedurften dringend
einer Erholung. Die Verluste der Heeresgruppe betrugen vom 10. bis
zum 24. November 562 Offiziere und 14.468 MannDie 11. Armee
1) Hievon: tot 47 Offiziere, 831 Mann; verwundet 262 Offiziere, 6352 Mann;
krank 239 Offiziere, 6723 Mann; vermißt 17 Offiziere, 582 Mann.
Neuerlicher Mißerfolg vor dem Mt. Meletta
673
verzeichnete im ganzen Monat November einen Abgang von 23.000
kranken oder verwundeten Soldaten. Zweifellos hatte auch der Feind
schwer gelitten; an der Tiroler Front hatte er vom 10. bis zum 25. No-
vember 240 Offiziere und 10.100 Mann allein an Gefangenen eingebüßt.
Trotzdem hatte das italienische Heer aus dem erfolgreichen Widerstand
in den Sieben Gemeinden ebenso wie aus jenem im Grappagebiet neue
Zuversicht geschöpft.
Der Zeitpunkt, in dem ein Erfolg der Heeresgruppe Conrad ent-
scheidenden Einfluß auf das Geschehen an der italienischen Front aus-
zuüben vermocht hätte, war verstrichen. Wenn auch der Feldmarschall
die Absicht, die Meletta zu bezwingen und die Italiener über die Fren-
zelaschlucht zurückzuwerfen, keineswegs aufgab, so konnte ihre Aus-
führung doch nur mehr örtliche Auswirkungen zur Folge haben. In der
Tat wurden nun bei der 11. Armee alle Vorbereitungen getroffen, um
am 3. Dezember den Angriff auf den Melettastock erneuern zu können;
gleichzeitig wurden die durch die bisherigen Kämpfe am meisten her-
genommenen Truppen zu einer kurzen Erholung zurückgezogen.
Bei der 14. Armee nahm Gdl. Below nach dem unbefriedigenden
Ausgang des Kampfes um den Mt. Tomba bestimmenden Einfluß auf
die Führung des Kampfes im Räume zwischen Brenta und Piave, um
hier doch noch den Weg in die Ebene zu erzwingen. Hiezu befahl er
am 19., den lästigen, zwischen dem Col dell'Orso und demMt.Spinuccia
keilartig nach Norden vorspringenden Teil der italienischen Stellung
wegzunehmen. Die Eroberung des Mt. Pallone, von wo aus ein gegen
den Mt. Tomba gerichteter Angriff flankiert werden konnte, war schon
am 16. angeordnet worden. Weiters wurde der Befehlsbereich des
Gdl. Krauss eingeengt; der Raum östlich der Linie Mt. Cornelia—
Mt. Tomba wurde samt der dort stehenden Jägerdivision dem FML.
Scotti zugeschlagen. Dieser hatte aus der Jägerdivision und dem Alpen-
korps das „Korps Tutschek" zu bilden, das im Anschluß an die
Gruppe Krauss den Durchbruchsangriff zwischen der vorgenannten
Korpsgrenze und dem Piave fortzuführen hatte.
Gdl. Krauss befahl der durch das württembergische Gebirgsbatail-
lon verstärkten Masse der 22. SchD., bei der jetzt die Kaiserschützen
in die Front zu treten hatten, die Höhe A 1611, den Mt. Spinuccia und
den Mt. Pallone zu erobern; dann sollte die italienische Front gegen
den Mt. Tomba hin aufgerollt werden. Der westlich vom Stizzonebach
stehenden Gruppe Wieden (Edelweißdivision und SchR. 3) wurde die
Wegnahme des Mt. Pertica, des Mt. Grappa und des Mt. Asolone samt
VI 43
674
Die Herbstoffensive gegen Italien
seinem nordwestlichen Ausläufer aufgetragen. Die 25. GbBrig. der
94. ID. hatte am 20. von Feltre in das Stizzonetal vorzumarschieren
und den Col dell'Orso zu nehmen. Die aus der Front gelöste 55. ID.
wurde als Korpsreserve in den Raum um Feltre gestellt.
Den am 20. und am 21. November von der Gruppe Wieden geführ-
ten Angriffen blühte zunächst kein Erfolg. Am 22. jedoch glückte es
dem SchR. 3, in kühnem Vorstoß den Mt. Pertica zu erobern und gegen
wütende Gegenangriffe der Italiener zu behaupten. Dieses Regiment
wurde durch die 57. GbBrig. abgelöst, worauf FML. Lawrowski die
Führung seiner 94. ID. im Abschnitt zwischen dem Mt. Pertica und dem
Col dell' Orso übernahm. Im Brent atale erstürmten schneidig geführte
Sturmabteilungen des IR. 14 die vom Feind bisher für uneinnehmbar
gehaltene Felsgalerie bei Ii Termine. Tags darauf stieß das Regiment
bis über S.Marino vor; gegen 480 Alpini, 20 Maschinengewehre, 1 Ge-
schütz und 15 Bomben werf er blieben in der Hand der tapfern „Hessen".
Dann vermochte aber auch diese Kerntruppe im Schluchttale der Brenta
nicht weiter vorzudringen. Bei der 22. SchD. brachte am 21. das
KSchR. I im Verein mit dem württembergischen Gebirgsbataillon die
Höhe A 1611 in seinen Besitz und nahm dem Feinde 400 Mann als
Gefangene und 23 Maschinengewehre ab; dann schob sich die 98. KSch-
Brig. nahe an den Mt. Spinuccia heran. Das am 25. von der 94. ID.
gegen den Col dell' Orso gerichtete Unternehmen führte aber bloß zu
einer kleinen Vorverlegung der Front.
Auf dem Mt. Tomba dauerte der Kampf fort. Am 22. vermochte
das Korps Tutsehek, am Westflügel durch das SchR. 26 und das Batail-
lon I/bh. 4 verstärkt, durch einen handstreichartigen Angriff die ganze
Rückenlinie vom Gipfel bis zum Piave zu erobern. Der Feind klammerte
sich aber am Südhang des Tombarückens fest. Ein weiteres Vordringen
hätte — gleichwie auf den Grappahöhen — neuer, planmäßiger An-
griffe bedurft.
Zu dieser Erkenntnis waren indes auch die hohen Befehlsstellen
gelangt. Bei einer Besprechung der Armeegeneralstabschefs, die am
21. beim Kommando der Südwestfront in Udine stattfand, wurde die
Anlage dieser neuen Durchbruchsschlacht beraten und als Zeitpunkt
die Tage zwischen dem 28. und dem 30. November festgesetzt. Die
Generale Boroevic und Below erließen am 25. die erforderlichen
Weisungen.
Einer so raschen Wiederaufnahme des Angriffes standen aber
außerordentliche Schwierigkeiten des Nachschubes, namentlich an Schieß-
Hemmnisse durch Nachschubschwierigkeiten und Kälte
675
bedarf entgegen. Auf den nur zur Not wiederhergestellten Strecken der
Heeresbahn Südwest reichte der Betrieb seit 23. November wohl schon
bis Fontana Fredda (westlich von Pordenone) und Portogruaro; aber
noch immer konnten dem Heere sbahnbereich über die Stationen Pon-
tafel und Cervignano nicht mehr als 12 bis 16 Züge im Tage übergeben
werden. Besonders schwierig gestaltete sich der Nachschub jedoch in
den Frontraum, der aus den Becken Belluno—Feltre und von Fonzaso
her versorgt werden mußte. Dorthin konnte man nur von Fontana
Fredda über Vittorio und Belluno, oder von Toblach auf der seit
18. November in Einrichtung befindlichen Etappenlinie ins obere Piave-
tal gelangen, während die Aushilfen aus dem Suganertal zunächst kaum
in Betracht kamen. Auf diesen Verbindungen mußten Kraftwagen-
kolonnen eingesetzt werden, die — weil ihre Autos meist nur mit
Eisenrädern versehen waren — in kurzer Zeit die durch die Regen-
güsse aufgeweichten Straßen ruinierten. Die Heeresgruppe Boroevic
hoffte, bei entsprechenden Bahnlei s tungen am 1. Dezember angriffs-
bereit zu sein. Die 14. Armee glaubte aber, nicht vor dem 3. oder 4. De-
zember die Offensive aufnehmen zu können. Den endgültigen Zeitpunkt
wollte das Kommando der Südwestfront noch bestimmen.
Indessen machten sich auch die Vorboten des Winters in recht un-
angenehmer Weise fühlbar. Bei der Gruppe Krauss lagen die Stellungs-
truppen ohne Winterbekleidung auf Schnee und nacktem Fels. Die
Stände verminderten sich daher erschreckend schnell; so zählte die
Edelweißdivision am 27. November nur mehr etwa 2000 Gewehre. Ab-
lösungen erschienen dringend nötig, um den ermüdeten und standes-
schwachen Frontdivisionen Gelegenheit zur Auffrischung zu geben.
Daher wurde die am 23. in Borgo eingetroffene 4. ID. der Heeres-
reserve dazu bestimmt, an die Stelle der E del weiß division zu treten.
Es währte allerdings bis in die ersten Dezembertage, bis die Division
Wieden in Fonzaso und Lamon Erholungsquartiere bezog. Die Jäger-
division wurde durch die deutsche 5. ID. abgelöst, die bisher in Udine
und Codroipo zurückgehalten worden war.
Von den übrigen Divisionen der Heeresreserve wurde die 33. ID.,
die am 21. in Feltre eingetroffen war, dem Gdl. Below als Armee-
reserve überlassen. Über die nach Cordignano gelangte 35. ID. erhielt
Erzherzog Eugen das Verfügungsrecht. Die in Palmanova stehende
24. ID, blieb Reserve der Heeresleitung. Die 187. LstlBrig. bestieg am
24. in Krainerend (6 km östlich von Divaca) die zur Fahrt in die
Bukowina bereitgestellten Züge.
43*
676
Die Herbstoffensive gegen Italien
Unterdessen hatte Gdl. Ludendorff von der Absicht, auf dem
westlichen Piaveufer nochmals den Durchbruch zu versuchen, Kenntnis
erlangt; er schlug vor, hiebei die deutsche 195. ID. knapp westlich
des Flusses einzusetzen. Das k.u.k. AOK. stimmte dem zu und ließ
die Division nach Feltre rücken. So blieb als Heeresreserve hinter der
11. Armee nur mehr die sehr erholungsbedürftige Edelweißdivision. Die
Erfolgsaussichten für einen Durchbruch westlich der Brenta schwanden
daher immer mehr dahin. Dennoch wurde sowohl bei der Heeresgruppe
Conrad als auch bei der Südwestfront an dem Gedanken, iam 3. oder
4. Dezember neuerlich zum Angriff anzutreten, festgehalten. Jedoch
dazu sollte es bei der 14. Armee gar nicht und bei der 11. Armee nur
mit einer viel bescheideneren Zielsetzung kommen.
Die Einstellung der Offensive
Auf der Rückreise aus dem Pustertal nach Baden hatten Kaiser
Karl und der Chef des Gener alst abes am 24. November in Ponte nelle
Alpi eine Besprechung mit Gdl. Below, der sich hiebei nachdrücklich
für die Fortsetzung der Offensive einsetzte, obwohl er aus den Äuße-
rungen des Kaisers, der eben die Einstellung des Angriffes gegen den
Mt. Meletta befohlen hatte (S. 672), keine sehr hoffnungsvolle Beurtei-
lung der Lage entnehmen mochte1). Tags darauf ließ sich der Oberste
Kriegsherr in Feltre auch vom Gdl. Krauss Vortrag halten. Der Führer
der Truppen im Grappagebiet erklärte, über den Ausgang der Gebirgs-
kämpfe nichts sagen zu können, daß er aber hoffe, vorwärts zu kom-
mein; nur müßten die Isonzoarmeen gleichfalls angreifen, um den
Feind daran zu hindern, seine Reserven gegen die Gruppe Krauss zu
werfen2). Diese Äußerungen der im entscheidenden Räume befehligen-
den Kommandanten bestärkten den Kaiser in seinem Vorhaben, die
Offensive weiterzuführen. Erzherzog Eugen und GO. Boroevic, die
für den 26. November früh nach Villach berufen worden waren, er-
hielten hierauf vom durchreisenden Allerhöchsten Oberbefehlshaber
dia Weisung, die für die Fortsetzung der Offensive ohnehin schon
ergangenen Befehle durchführen zu lassen3).
1) Kr äfft, II, 242.
2) Kraus s, Ursachen, 241.
3) Ar z, 183.
L-^ ■ jjäfMlflHpiia
Gdl. Below beantragt die Einstellung der Offensive
677
Die bei den Angriffsvorbereitungen täglich zunehmenden Schwie-
rigkeiten ließen im Stabe des Gdl. Below bald Zweifel darüber
aufkommen, ob gegen die offensichtlich zum nachhaltigen Widerstand
entschlossenen Italiener, bei denen bereits zehn bis dreizehn Divisionen
der Franzosen und Engländer eingetroffen sein mochten, ein schneller
und durchschlagender Erfolg zu erzielen sei. Schon in einer am 26.
unmittelbar an die DOHL. gerichteten Denkschrift hatte das deutsche
14. Armeekmdo. auf die Gefahren hingewiesen, die sich mit jedem ver-
lorenen Tag für den Angriff ergeben mußten.
Als nun die DOHL. von der Verschiebung des Angriffes sogar
auf den 3. oder 4. Dezember Kenntnis erlangte, besorgte sie, daß der
Stoß der Verbünde tea auch auf die Divisionen der Westmächte treffen
werde, von denen man erhebliche Teile und ein Armeekommando be-
reits im Räume um Vicenza wußte. Auch mußte nach dem Erzwingen
des Überganges über den Piave mit einem verstärkten Widerstand und
harten Kämpfen gerechnet werden. In Kreuznach hegte man Zweifel,
ob hiefür unsere rückwärtigen Verbindungen, insbesondere die .Bahn-
verhältnisse, bereits hinreichend gefestigt wären. Aus allen diesen.Grün-
den und sicherlich auch in Berücksichtigung der für das Frühjahr im
Westen geplanten großen Offensive (S. 614) fragte Gdl. Ludendorff am
29. November in Baden an, „ob es unter den veränderten Verhältnissen
nicht richtiger wäre, von einem weiteren Angriff abzusehen und an
dem für die Verteidigung besonders günstigen Piaveabschnitt, vielleicht
nach Verbesserung der Stellung des rechten Flügels und der Mitte der
14, Armee, unsere gemeinsame Offensive abzuschließen".
Das k. u. k. AOK. sah damals die Linie Arsiero, Asticotai bis Poia-
nella, Ospitale an der Brenta, diese abwärts bis östlich, von Padua,
dann Kanal Naviglio Brenta bis Venedig als das noch anzustrebende
Operationsziel an. Sein Erreichen hätte als besondere Vorteile den Ge-
winn eines weiteren Streifens reichen, hochkultivierten Landes und die
Möglichkeit geboten, die .zwischen dem Piave und dem Astico im
unwirtlichen, schon verschneiten Gebirge stehenden Truppen in die
Ebene verlegen zu können. Unter Anführung der verschiedenen Mög-
lichkeiten, wie dieser Abschnitt zu gewinnen wäre, wurde das Kom-
mando der Südwestfront zur Stellungnahme aufgefordert. Dieses ließ
sich nun hierüber noch am 29. vom 14. Armeekmdo. berichten.
Gdl. Below sah die Lage jetzt noch schwieriger an als drei Tage
zuvor. Er sprach insbesondere dem neuerlichen Stoß zwischen Brenta
und Piave keine Erfolgsmöglichkeiten zu; er erhoffte sich aber auch vom
678
Die Herbstoffensive gegen Italien
Vorbrechen der Heeresgruppe Boroevic über den Piave hinweg keinen
weitreichenden Raumgewinn und beantragte — örtliche Stellungsver-
besserungen ausgenommen — die Offensive einzustellen und eine
Dauerstellung einzurichten.
Das Kommando der Südwestfront pflichtete dem Antrag bei. In der
nach Baden gerichteten Meldung führte es noch aus, daß die durch
F,luß- und Geländeverhältnisse bedingte, räumlich weite Entfernung des
Hauptangriffsraumes der 14. Armee (Mt. Tomba) von jenem der Heeres-
gruppe Boroevic (Ponte di Piave) Nachteile in sich schließe, die zwar
bisher wenig in Betracht kamen, jedoch wesentlich würden, wenn man
mit der nahen Anwesenheit einer starken, schlagfertigen feindlichen
Reserve, den Entente di Visionen, rechnen müsse. Sollte das AOK. der
vorgeschlagenen Einstellung der Offensive zustimmen, wären noch
einige Stellungsberichtigungen vorzunehmen, so zwischen Brenta und
Piave nach vorwärts, am Piave selbst durch Räumung des Brücken-
kopfes bei Zenson.
Kaiser Karl erließ hierauf am 2. Dezember an das Kommando der
Südwestfront den Befehl: „Offensive einstellen! Dauerstellung ein-
richten, jedoch derart handeln, daß dem Feinde bis auf weiteres inten-
sive Vorbereitung einer allgemeinen Offensive vorgetäuscht wird. Daß
die Fortsetzung der Offensive aufgegeben ist, muß strengstes Ge-
heimnis bleiben!"
GFM. Hindenburg und FM. Conrad waren von diesem Entschluß
schon am 1. Dezember unterrichtet worden. Für die Heeresgruppe in
Tirol galt die Einstellung zunächst noch nicht; die 11. Armee hatte den
Angriff zur Wegnahme der Meletta durchzuführen. Der Südwestfront
wurde des weiteren angekündigt, daß sie sieben Divisionen, darunter
drei öst.-ung., abzugeben haben werde; in diesen war die k.u. k. 24. ID.
mitinbegriffeii, die vorher das ganze Operationsgebiet östlich des
Tagliamiento abzustreifen hatte, um die sich hier herumtreibenden
Marodeure, Nachzügler und Kriegsgefangenen aufzugreifen. Von den
deutschen Divisionen war die 195. schon am 30. November von der
DOHL. angefordert worden; sie hatte von Feltre wieder nach Trient
zur Einladung zurückzumarschieren. Ihr sollten die 12., die 5. und die
26. ID. so bald wie möglich folgen. Das Kommando der 14. Armee, die
beiden Generalkommandos LI und bayr. III sowie die vier gebirgs-
erfahrenen Divisionen (Alpenkorps, Jägerdivision, 200. und 117. ID.)
hatten bis auf weiteres auf dem italienischen Kriegsschauplatz zu
verbleiben.
Klärung aufgetauchter Zweifel
679
Die Kämpfe um die Dauerstellung im Dezember
Hiezu Beilagen 32 und 33
Die Eroberung des Melettamassivs
Ziele und Maßnahmen der Heeresgruppe FM. Conrad
Der am 23. November spät abends in Bozen eingetroffene Befehl,
dem gemäß weitere Unternehmungen auf den Hochflächen „vorläufig
einzustellen" waren, rief beim Heeresgruppenkommando Zweifel hervor.
Der oberste Kriegsherr hatte einige Stunden früher, beim 11. Armiee-
kmdo. weilend, dem GO. Scheuchenstuel beigestimmt, den von diesem
beabsichtigten Angriff gegen das Melettamassiv nach einer zur Herbei-
schaffung starker Artillerie unerläßlichen Unterbrechung zu erneuern,
und auch dem in ähnlichem Sinne ausklingenden Vortrag des FM. Conrad
nicht widersprochen. War demnach das eingetroffene Fernschreiben bloß
als eine schriftliche Bestätigung der gegebenen Zustimmung zu werten,
oder enthielt es einen neuen, vielleicht aus weiterreichenden Erwägun-
gen erfließenden Entschluß ? Zur Klärung drahtete FM. Conrad am
24. November nach Baden, er beabsichtige, den begonnenen Angriff in
der Folge schon deswegen fortzusetzen, weil die jetzige Lage auf der
Hochfläche auf die Dauer unhaltbar sei. Er bitte um Genehmigung
seines Vorhabens und um Zuweisung einer frischen, der 4. oder der
deutschen 195. Division. Die Antwort der Heeresleitung lautete, daß die
Aufgabe der Heeresgruppe in Tirol auch in der Folge darin bestehe,
die Italiener am Abziehen von Kräften zu hindern, „wozu durch mäch-
tige Artilleriewirkung unterstützte Teilaktionen durchzuführen sein
werden". Der Einsatz einer frischen Division für diese Zwecke könne
nicht zugestanden werden. Die im Etschtal stehende deutsche 195. ID.
sei vielmehr dazu ausersehen, „um den zwischen Brenta und Piave be-
absichtigten Vorstoß zu einem möglichst starken und vielleicht doch
noch entscheidenden Erfolg auszugestalten".
Der Ansicht Conrads, daß auch westlich der Brenta, also auf den
Hochflächen, kräftigst vorgestoßen werden solle, wurde also nicht bei-
gestimmt, aber es blieb dem Feldmarschall immerhin unbenommen, das
Vorhaben gegen die Melettahöhen als „Teilaktion" auszuführen. Aus
dieser Auffassung heraus ordnete er an, das nächste Ziel der 11. Armee
680
Die Herbstoffensive gegen Italien
bleibe „nach wie vor die Wegnahme des Mt. Melettakomplexes und das
Vortragen der eigenen Front zunächst bis an die Frenzelaschlucht".
Conrad entsprach damit in jeder Weise der vom 11. Armeekmdo. schon
am 23. November ausgesprochenen und den Unterführern bekannt-
gegebenen Absicht, den Angriff nach neuer Vorbereitung in einigen
Tagen zu erneuern. Die hiezu eingeleiteten Maßnahmen betrafen na-
mentlich das Herbeischaffen schwerer Batterien über Primolano und
Enego in den Raum um den Mt. Lisser. Da die Straße zwischen den
genannten Orten stellenweise zerstört war, mußte deren Wiederherstel-
lung abgewartet werden. So stand eine mehrtägige Kampfpause bevor,
während der bei verläßlichem Festhalten der gewonnenen Linie Ab-
lösungen durchgeführt, die Verbände geordnet und die Truppen mög-
lichst aufgefrischt werden sollten.
Als dem FM. Conrad am, 26. November vom Erzherzog Eugen mit-
geteilt wurde, daß die Heeresgruppe Boroevic wahrscheinlich am 29. No-
vember den Piave gewaltsam überschreiten, gleichzeitig Gdl. Below
den Feind zwischen Piave und Brenta angreifen werde, hätte Conrad
sein Vorhaben auf den Hochflächen gerne beschleunigt, um die Kriegs-
han dlungen in Einklang zu bringen. Allein, obgleich sechs technische
Kompagnien Tag und Nacht an der früher bezeichneten Straße arbei-
teten, war die Fertigstellung nicht vor dem 30. November zu erwarten.
Daher konnten auch die schweren Batterien voraussichtlich erst am
2. Dezember aufgefahren und feuerbereit sein. Conrad drahtete zurück,
daß er mit dem Angriff auf die Meletta erst am 3. Dezember beginnen
könne; sollten jedoch die Italiener infolge des Vorstoßes zwischen
Brenta und Piave schon vor diesem Zeitpunkte auf der Hochfläche
von Asiago zurückweichen, dann würde ihnen die 11. Armee mit allem
Nachdruck in der Richtung auf den Mt. Bertiaga nachstoßen. In der
gleichzeitigen Meldung an die Heeresleitung ersuchte der Feldmarschall
abermals, ihm wenn möglich eine frische Division zuzuweisen. Der
Bitte wurde aber wieder nicht willfahrt.
Die 11. Armee setzte unterdessen die Vorbereitungen eifrig fort.
Da vornehmlich die arg hergenommenen Truppen der 6. ID. und der
106. LstlD. der Ablösung bedurften, hiefür aber an frischen Einheiten
bloß die 179. IBrig. zur Verfügung stand, gestaltete sich das Umstellen
der Kräfte verwickelt und langwierig. Dabei erwies sich namentlich bei
der Gruppe FML. Kletter die angestrebte Erholungsmöglichkeit für die
jeweils aus der Front tretenden Einheiten als trügerisch, da auf dem
höchst unwirtlichen, zum Teil schon schneebedeckten Hochland außer
Neugruppierung der Kräfte bei Asiago
681
einigen von den italienischen Truppen stehengelassenen Barackenlagern
keine Unterkünfte vorhanden waren, die Schutz vor der in den lan-
gen Nächten sehr empfindlichen Kälte gewährt hätten. Im übrigen
befleißigten sich die italienischen Artilleristen, die erwähnten Baracken
zu zerstören und zu vergasen, so daß die Mehrzahl der Truppen auf
gegen Sicht geschützten Plätzen im Freien lagern mußte. Dieser Übel-
stand wurde einigermaßen dadurch wettgemacht, daß es den Truppen
nicht an Verpflegung und Kleidung mangelte, da man namentlich in
Primolano reiche Vorräte erbeutet hatte.
Indessen glückte es bis anfangs Dezember doch, die wichtigsten
der angestrebten Kräfteumstellungen zu verwirklichen. Bei der Gruppe
Kletter schieden die vier Regimenter der 106. LstlD. aus; sie gelangten
als Armeereserve ins obere Galmararatal. An ihre Stelle traten in der
Front vor dem Melettagipfel die Bataillone der 37. und der 181.IBrig.
unter dem Befehl des Kommandos der 106. Division. Beim III. Korps
wurde zunächst die 56. GbBrig. bei Asiago durch die 179. IBrig. ersetzt,
dann die 6. ID. vor dem Mt. Zomo durch die 56. und die 13. GbBrig.
sowie die Brigade Obst. Vidossich abgelöst, die dem 52. IDKmdo. unter-
stellt wurden. Die 6. ID. bezog den ruhigen, aber ausgedehnten Abschnitt
vom Westende Asiago bis zum Asticotai Die Gruppe FML. Kletter
zählte darnach 29 Bataillone, das III. Korps deren 41 und die Armee-
reserve 9 Bataillone. Einzelheiten der Kriegsgliederung und die Auf-
stellung der Infanteriekräfte anfangs Dezember zeigt die Beilage 33.
Auf Aufforderung des Heeresgruppenkommandos legte das 11. Ar-
meekmdo. den Entwurf für die Wiederaufnahme des Angriffes vor.
GO. Scheuchenstuel gedachte das Unternehmen in zwei Phasen durch-
zuführen. Am ersten Tage sollte der Mt. Badelecche und der Mt. Zomo
angegriffen und dadurch zunächst die ausgebauchte Stellung des Fein-
des hufeisenförmig zusammengedrückt werden. Am nächsten Tage war
dann die ganze Bergfeste der Meletta1) zu bezwingen. Als ersten An-
griff stag nahm er den 3. Dezember in Aussicht, weil eine nachdrück-
liche Mitwirkung der schweren Artillerie nicht vor diesem Zeitpunkt
gewährleistet werden konnte; ohne solche wäre aber der Erfolg fraglich
und mit großen Verlusten verbunden. Dazu erwähnte der Armeekom-
mandant noch, Seine Majestät habe ihm am 23. November persönlich
*■) Die Italiener nennen das besprochene Berggebilde kurzweg „Le Melette",
was etwa „die Kuppeln" der Hochfläche bedeuten mag. Der in den österreichischen
Karten als Mt. Meletta bezeichnete Hauptgipfel führt in den italienischen Karten
den Namen Mt. Fior.
682
Die Herbstoffensiye gegen Italien
den Befehl gegeben, „bei den ferneren Angriffen mit größter Scho-
nung für das Menschenmaterial zu verfahren".
Das Heeresgruppenkommando war mit dem begründeten Auf-
schieben des Zeitpunktes einverstanden, nicht aber mit dem gewählten
Angrif fsverfahren. Es ließ den Armeeführer wissen, daß es Teilangriffe,
die sich räumlich und zeitlich folgen, nicht gutheißen könne. Nach sei-
ner Ansicht wäre das ganze bogenförmige feindliche Frontstück „gleich-
zeitig" von Westen, von Norden und von Osten mit je einer Division
anzugreifen. FM. Conrad erinnerte sich wohl an die vor anderthalb
Jähren während der Maioffensive 1916 aus Südtirol aufgekommenen
und von ihm lebhaft bestrittenen Anschauungen, wenn er jetzt dem
Schreiben an den Armeeführer hinzusetzte: „Ein planmäßig vorberei-
teter und dann allseits mit größter Energie geführter Angriff erscheint
mir eine bessere Schonung des Menschenmaterials als Teilangriffe, die
keinen greifbaren Erfolg bringen. Das Armeekommando wolle melden,
wie es, den Intentionen des He e re sgr up penk omm ando s entsprechend,
den Angriff zu führen gedenke." GO. Scheuchenstuel legte nun dar,
daß das Unternehmen deshalb in zwei Phasen geteilt werde, um das
Artilleriefeuer jedesmal auf ein Höchstmaß örtlich vereinigen zu kön-
nen. Ein gleichzeitiges Beschießen der ganzen feindlichen Abwehrfront
würde die Artilleriewirkung zersplittern. Im übrigen könne die erste
Phase als eine Vorbereitung der zweiten Phase angesehen werden, die
dann, der Ansicht des Heeresgruppenkommandos vollkommen entspre-
chend, als „großangelegte einheitliche" Handlung gedacht sei. Diese
Darlegungen fanden in Bozen geteilte Aufnahme. Es wurde namentlich
dem Bedenken Ausdruck gegeben, daß die Führung des Hauptangriffes
an ein Vorspiel geknüpft werde, das ganz oder auch teilweise miß-
lingen könne, wodurch dann das ganze Beginnen in Frage gestellt wäre.
Auf Antrag seines Generalstabschefs, GM. Richard Müller, entschied
jedoch FM. Conrad, daß eine weitere Beeinflussung der Unterführer
zu unterlassen sei, um deren Selbstgefühl zu schonen und die Stim-
mung nicht zu verderben.
In den letzten Novembertagen fand an der ganzen italienischen
Front keine nennenswerte Gefechtstätigkeit statt. Die von der Heeres-
gruppe Boroevic und von der Armee Below für den 29. angezeigte Wie-
deraufnahme der Kriegshandlui^g unterblieb (S.674). Am Abend teilte
das Kommando der Südwestfront auf Anfrage der Heeresgruppe Con-
rad mit, es habe bereits am Vortage der Heeresleitung gemeldet, daß
der Angriffsbeginn auf den 3. oder 4. Dezember verschoben werde.
Der Plan zur Eroberung des Mt. Meletta
683
Da hielt es der Heeresgruppenkommandant für zweckmäßig, sein Vor-
haben mit jenem der Nachbarn in Einklang zu bringen, und regte dies
in Baden an. Ehe aber darauf eine Antwort eintraf, kamen Verfügun-
gen, aus denen auf die bereits beschlossene Einstellung der Offensive
gegen Italien geschlossen werden konnte. Die Heeresleitung ordnete
nämlich an, daß auf Ansuchen aus Kreuznach die im Bereiche der
11. Armee eingesetzten deutschen schweren Batterien abzubefordern
seien, ferner, daß die deutsche 195. ID. nach Trient zurückmarschieren
und dort die Züge zu besteigen habe. Dies veranlaßte den FM. Conrad,
die Heeresleitung anzurufen, um ihr darzulegen, daß seinem gegen das
Melett amassiv eingeleiteten Unternehmen auch in dem Falle freier Lauf
gelassen werden möge, als das größere Vorhaben am Piave unterbleiben
sollte. Tags darauf, am 2. Dezember, traf in Bozen der Befehl zum
allgemeinen Einstellen der Kriegshandlung ein. Er gestattete aber die
Fortsetzung jener eingeleiteten Unternehmen, die zur Besserung der
erreichten Stellungen führen könnten.
An diesem Tage sollten sich die zum Melettaangriff herangefah-
renen schweren Batterien einschießen. Allein, der über der Landschaft
liegende Nebel hinderte die Beobachtung, so daß auch die ausgesandten,
Artillerieflieger unverrichteter Dinge heimkehren mußten. Deshalb wurde
das Einschießen auf den 3. und der Beginn des Angriffes auf den
4. Dezember verlegt.
Die Vernichtung der italienischen 29. Division
Die Führer der italienischen Truppen auf den Hochflächen sahen
sich nach der Abwehr der Angriffe gegen das Melettamassiv in ihrer
Absicht bestärkt, diesen Bergstock dauernd festzuhalten, obgleich er
aus der allgemeinen Linie der zuletzt bezogenen Verteidigungsstellung
wie eine große Bastion vorragte. Ihr Besitz verhinderte ein Vorwärts-
gehen des' Gegners aus dem Becken von Asiago und bot zugleich die
Möglichkeit, das verlorene Gelände, das vom Melettastock beherrscht
wurde, gegebenen Falles zurückzuerobern. Hier konnten starke Kräfte
rasch herangeführt werden, da von Valstagna im Brentadurchbruch eine
Autostraße und zwei Drahtseilbahnen nach Foza, dem Mittelpunkt des
befestigten Raumes, heranführten. Dieser Bedeutung entsprechend war
die 29. ID., die die Bastion zu verteidigen hatte, derart verstärkt wor-
den, daß sie anfangs September 21 Bataillone zählte. Den linken Ab-
684
Die Herbstoffensive gegen Italien
schnitt vom Mt. Zomo zum Mt. Fior hielt die Brigade Perugia. In der
Mitte, beiderseits desMt. Castelgomberto, stand eine Alpiniobergruppe1).
Den rechten Abschnitt, Mt. Tondarecar—Mt. Badelecche, hatte die
1. Bersaglieribrigade besetzt. Von ihren drei Regimentern war das
dritte als Divisionsreserve bestimmt. Die Division verfügte ferner
über 160 Geschütze. Rechts von der 29. ID., am Südhang des Mt. Ba-
delecche an sie anschließend, standen drei Bataillone der 52. ID.; die
Masse dieser Division sperrte das Brentatal. Das XX. Korpskmdo.,
dem die beiden Divisionen unterstanden, verfügte ferner über eine In-
fanteriebrigade als Korpsreserve. Links von der 29. Division hatte die
2. ID. auf ihrem rechten Flügel die Brigade Liguria auf dem Mt. Zomo
eingesetzt/ Die West- und die Nordfront der großen Bastion waren sehr
gut befestigt. Es gab hier zahlreiche Betonbauten und im Felsen ein-
gesprengte Kavernen. Hingegen besaß die Ostfront (Mt. Tondarecar—
Mt. Badelecche), die erst Mitte November besetzt worden war, fast gar
keine technischen Anlagen. Hier lag die schwache Stelle der ganzen
Verteidigungsanlage, in deren Mittelpunkt der Mt. Miela A 1788 wie
ein mächtiger, bestückter Wachturm emporragte.
GO. Scheuchenstuel war über die Lage beim Feinde ziemlich
genau unterrichtet. Gemäß dem vom Armeekommando am 28. Novem-
ber gegebenen endgültigen Befehl sollte, wie schon erwähnt, der An-
griff an zwei Tagen erfolgen. Am ersten Tage hatte die 52. ID. den
Mt. Zomo in Besitz zu nehm,en und die 18. ID. den Mt. Badelecche zu
erobern, um von da aus gegen den Mt. Tondarecar im Norden sowie
gegen den Sasso Rosso, der mehr als 3 km südöstlich vom Mt. Bade-
lecche liegt, ,,aufzurollen". Am nächsten Tage war dann der allge-
meine, umfassende Angriff durchzuführen, wobei die 181. und die
37. IBrig. unter dem Befehl des FML. Kratky die Befestigungen auf
dem Melettagipfel und auf dem Mt. Castelgomberto bezwingen sollten.
Die 52. ID. sollte, falls der Mt. Zomo bis dahin bezwungen war, über
Ronchi weiter vorstoßen, während die 18. ID. in der ,,Richtung Foza
vorzudrücken und den Angriff gegen den Mt. Meletta durch eine von
Südost auf den Mt. Miela vorgehende Gruppe zu unterstützen hatte'6»
Ungeachtet dieses vielleicht allzu sehr ins einzelne gehenden An-
griffsplanes, in dem die Schwäche der feindlichen Aufstellung in der
Linie Tondarecar—Badelecche wenig Beachtung fand, kam es dank
der verständnisvollen Zusammenarbeit der Unterführer dennoch zur
x) Die Alpinfcbergruppen waren den Brigaden gleichzuhalten und bestanden
aus zwei oder drei Alpinñgruppen, die drei oder vier Bataillone zählten.
Erstürmung des Mt. Meletta durch die 18. Division
685
Bildung eines durchschlagsfähigen Schwergewichtes vor der bezeichneten
Stelle, indem FML. Kletter die 18. ID. durch das KSc'hR. III verstärkte,
so daß deren Führer, GM. Vidalè, bis zum Angriffstage an der Linie
Mt. Tondarecar—Mt. Badelecche neun Bataillone (IR. 81 (3), KSchR. III
(3), F JB. 22 und 7, IBaon.X/14) in erster Linie und drei Bataillone
(IV/12, IV/84, IV/87) in Reserve bereitstellen konnte. Er beließ
' dabei an der Linie Mt. Tondarecar—Castelgomberto nur drei Batail-
lone (LstlBaon. 164 und Oö. Frw. SchBaon. sowie IBaon. IV/37). Weiter
zurück stand noch das SchR. 36 in Reserve. Auch die Artilleriegruppie-
rung in diesem Räume, die der Artillerieführer der Gruppe Kletter,
GM. Ritt. v. Romer, leitete, war für eine Verdichtung des Feuers
auf den Angriffsabschnitt der 18. Division zugeschnitten. Hier hatten
58 leichte, 18 mittlere und 13 schwere Geschütze sowie 16 leichte und
37 schwere Minenwerfer zu wirken1). Auf der anderen Seite der Ba-
stion, vor dem Mt. Zomo, stellte die 52. ID. ihre 14 Bataillone bereit.
In ihrem Angriffsraum hatten 70 leichte, 15 mittlere und 14 schwere
Geschütze sowie etliche Minenwerfer den Sturm der Infanterie vor-
zubereiten. Die anderen Abschnitte der feindlichen Stellung sowie
namentlich die Batterien, waren durch 40 leichte und 24 mittlere
Geschütze niederzuhalten und mit Gelbkreuz- und Grünkreuzgranaten
zu vergasen.
Am 4. Dezember setzte nun auf dem Ostflügel des III. Korps und
bei der Gruppe Kletter bei klarem, stürmischem Wetter um 5h morgens
die Vergasung der feindlichen Sammelräume ein. Um 7h 30 vorm. stei-
gerte sich unser Artilleriefeuer gegen den Mt. Zomo, um 9h gegen den
Frontabschnitt Mt. Tondarecar—Mt. Badelecche zum Vernichtungsfeuer,
dem um 10hvorm. der Infanterieangriff folgte. Bei der 52. ID. drang
die erste Angriffsstaffel in die Stellung auf dem Mt. Zomo ein. Aber
ein bald danach von den Italienern kräftig vorgeführter Gegenangriff
zwang die Bataillone zum Zurückweichen. So war denn das Vorhaben
der 52. ID. alsbald gescheitert. Anders bei der 18. Division. Hier war-
fen sich die Bataillone der Stoßgruppe mit Ungestüm auf die Bersaglieri,
überwältigten diese und stießen ohne Rücksicht auf die Besorgnis wegen
des Eingreifens heranrückender italienischer Reserven rasch über die er-
oberte Stellung hinweg geradeaus weiter vor. Bald nach Mittag durch-
eilte die Meldung der 18. ID. den Draht, der Mt. Miela sei erobert
und ein paar Stunden später erhielt das Armeekommando in Levico
die überraschende Botschaft, daß auch der Gipfel der Meletta erstürmt
x) Darunter befand sich eine bayrische Minenwerferbatterie zu acht Rohren.
686
Die Herbstoffensive gegen Italien
worden sei. Was in den Vorwochen in tagelangem blutigem Ringen nicht
hatte erreicht werden können, war nun in wenigen Stunden vollbracht
worden. Kaiser schützen vom III. Regiment sowie die Oberösterreicher
vom Bataillon X/14 waren mit bewundernswerter Schneid über den
Mt. Miela, wohin auch Egerländer Feldjäger gelangten, weiter vor-
gedrungen und hatten ungeachtet der von Süden anrückenden italieni-
schen Reserven und der im Norden auf den Mt. Castelgomberto und bei
der Mga. Lora stehenden Alpini die höchstbetroffenen Verteidiger der
Melettaschanzen im Rücken angegriffen und nach wirrem Handgrana-
tenkampf zur Übergabe gezwungen1).
Durch das geschilderte kühne Vorgehen wurden alle Anordnungen
der höheren Führung überholt. Aus der Flut der einlaufenden Meldun-
gen war kein klares Bild über die Vorgänge zu gewinnen. Selbst als
die einbrechende Dunkelheit (etwa 4h nachm.) den Bewegungskampf
zum Stillstand brachte, blieb die Lage undurchsichtig. Immerhin konnte
jetzt festgestellt werden, daß der Mt. Zomo trotz neuer Versuche von
der 52. ID. nicht hatte vollständig genommen werden können. Die Er-
oberung des Melettagipfels bestätigte sich. Überraschenderweise befand
sich aber der Mt. Castelgomberto noch im Besitz des Feindes. Dagegen
erschien es begreiflich, daß die Kaiserschützen und die Einundachtziger
auf den Südhängen des Mt. Miela und des Mt. Badelecche noch in leb-
haftem Gefecht mit Truppen standen, die über Foza und Valcapra her-
angerückt waren; Flieger hatten am Nachmittag eine lange Infanterie-
kolonne im Anmarsch dahin beobachtet. Erfreulich war nun der nächste
Abendbericht des FML. Kletter, wonach die 18. ID. ihre Truppen zur
Verfolgung des gegen die vorgenannten Ortschaften wieder zurück-
weichenden Feindes aufgerufen habe, um am kommenden Tage die
beiden Bergzungen Foza—S. Francesco und Valcapra—Sasso Rosso vom
Feinde zu säubern. Diese Absicht entsprach vollkommen den Wünschen
des Armeekommandos, das nun auch dem III. Korps befahl, am S.De-
zember den Angriff fortzusetzen und wenn möglich auf dem Südrand
der oberen Val Frenzela (Valle dei Ronchi) festen Fuß zu fassen.
Der Erfolg des ersten Kampftages überstieg die kühnsten Hoff-
x) Einzelheiten über die Erstürmung der Meletta bringt: E h n 1, 69 ff. Die
dem eigenen Antrieb erprobter Unterführer entsprungene, überaus kühne Tat fand
höchste Anerkennung, indem das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens ver-
liehen wurde: dem Major Konstantin Valentini, Kommandanten des 2. Bataillons
des KSchR. III, dem Major Béla v. Szilley des HR. 15, Kommandanten des Batail-
lons X/14, und dem Oberleutnant Alois Windisch, Kommandanten der Maschinen-
gewehrkompagnie X/14.
Verfolgung bis an die Frenzelaschlucht
687
nungen. Der mächtigste Eckpfeiler des Feindes auf den Hochflächen
war mit einem einzigen scharfen Schlag zu Fall gebracht worden. Viele
tausende Italiener, darunter zwei Brigadegenerale, hatten die Waffen
strecken müssen, zahlreiche Geschütze wurden erbeutet. Es bestand kein
Zweifel, daß das gesteckte Ziel, die Frenzelaschlucht, am 5. Dezember
erreicht werden würde. Daher konnte man schon jetzt daran denken,
möglichst darüber hinauszugehen. GO. Scheuchenstuel gab den Unter-
führern seine Absicht kund, ,,in den nächsten Tagen die Linie Mt. Sise-
mol—Stenfle—Col del Rosso—Cold'Echele zu gewinnen", weshalb es
erwünscht wäre, daß das III. Korps ,,noch am 5. Dezember unter Mit-
wirkung der deutschen Batterien3) sich des Mt. Sisemol bemächtigen
würde".
In der Nacht fegte scharfer Nordwind eisigen Schnee über das:
Hochland. Als endlich der Morgen des 5. Dezember anbrach, erhob sich
der Kampf von neuem. Beim III. Korps setzte die 52. ID. den Angriff
auf den Mt. Zomo fort. Erst nach schwerem, Wechsel vollem Ringen ge-
lang es ihr, den von der tapferen Brigade Liguria hartnäckig verteidig-
ten Berg zu bezwingen. Gegenüber der Gruppe Kletter hatte sich der
Feind bei C. Stona, bei Foza und bei Carpenedi zu neuerlichem Wider-
stand gestellt. Das Gruppenkommando konnte es nicht verantworten,
mit den durch die empfindliche Kälte sowie durch die anstrengenden
Kämpfe hart mitgenommenen Truppen ohne Artillerievorbereitung dem
Feinde nachzustoßen. Erst um 2h nachm. ging daher die Infanterie der
18. ID. gegen den Feind vor und warf ihn nun gänzlich zurück. Das
niederösterreichische Infanteriebataillon IV/84 stieß hiebei bis an die
nach Valstagna hinabführende Serpentinenstraße vor und hinderte durch
rasches Zugreifen die Sprengung des Tunnels an der obersten Kehre
dieser Straße. Indessen waren Teile der 37. und der 181.IBrig. nach
mühsamem Überschreiten der Meletta nach C. Stona gelangt und hatten
die hier und bei Costaita noch ausharrenden Italiener in die Frenzela-
sohlucht zurückgeworfen, die dann bei II Buso von Patrouillen über-
schritten wurde. Während sich diese Kämpfe abspielten, ergab sich
um 2h nachm. das auf dem Mt. Castelgomberto eingeschlossene Alpini-
bataillon nach aussichtslosem Kampfe dem oberösterreichischen Frei-
willigen Schützenbataillon.
So war denn am 5. Dezember abends das am 4. begonnene Werk
beendet. Mehr als 16.000 Gefangene, 90 Geschütze, über 200 Maschinen-
*) Es waren dies eine 15 cm-Haubitz- und zwei 21 cm-Mörserbatterien, die
wegen ihrer wirkungsvollen Gelbkreuzgranaten hoch eingeschätzt wurden.
688
Die Herbstoffensive gegen Italien
gewehre, 80 Minenwerfer und zahlreiches sonstiges Kriegsgerät blieben
in der Hand der siegreichen Truppen. Die italienische 29. ID. war ver-
nichtet. Von ihren 21 Bataillonen waren nur 2000 Mann übriggeblieben.
Die vom Kommando der Truppen ;auf den Hochflächen mit Kraft-
wagen zugesandten Reserven, Brigade Verona und Brigade Regina, hat-
ten das Schicksal der 29. Division nicht mehr zu ändern vermocht.
Für den 6. Dezember beabsichtigte das 11. Armeekmdo., mit der21.SchD.
und Teilen der Brigade Vidossich den Mt. Sisemol zu nehmen. Die
Gruppe Kletter sollte sich mit der 37. IBrig. und der 18. ID. südlich der
F re nzela schlucht bei Ronchi festsetzen und ihre Artillerie zur späteren
Wegnahme des Col del Rosso heranziehen. Man verschloß sich indessen
nicht der Ansicht, daß der unerwartet große Erfolg noch erheblich
erweitert werden könnte, daß selbst ein Durchschlag bis an den Süd-
rand der Hochflächen möglich wäre, wenn dem Heeresgruppenkom-
mando jetzt noch eine oder zwei ganz frische Divisionen zu Gebote
gestanden hätten.
Am 6. Dezember hatte sich das Wetter ausgeheitert, doch hielt die
empfindliche Kälte an. Befehlsgemäß gingen das III. Korps; mit der
21. SchD. gegen den Mt. Sisemol, mit der 52. ID. gegen Stenfle und
Teile der Gruppe Kletter bei II Buso, zum Angriff vor. Der Mt. Sisemol
wurde nach außerordentlich heftigem Nahkampf genommen, wobei sich
das 4. Bataillon des KSohR. I besonders auszeichnete. Ein heftiger Gegen-
angriff wurde ¡abgeschlagen ; über 2000 Gefangene, viele Maschinen-
gewehre fielen in die Hand der Schützen. Die 52. ID. konnte aber nur
eine vorgeschobene Stellung nördlich von Stenfle erobern, während der
Angriff der 37. IBrig. bei II Buso im starken feindlichen Feuer über-
haupt nicht vorwärtskam. Da die gesteckten Ziele im großen ganzen
erreicht waren, ließ das Armeekommando die Kriegshandlung ein-
stellen und traf Vorbereitungen, um zu einem späteren Zeitpunkte den
Col del Rosso zu erobern.
Die Dezemberkämpfe im Grappa gebirg e
Die Eroberung des Col della Berretta und des Mt. Spinuccia
Als am 2. Dezember der Befehl der Heeresleitung zum Einstellen
der Offensive den Draht durchlief, befanden sich die Heeresgruppe
Boroevic sowie der linke Flügel der Armee Below am Piave, während
der rechte Flügel dieser Armee zwischen dem Piave und der Brenta
Angriffsaufgaben der Gruppe Krauss
689
noch nicht jene Linie erreicht hatte, die ihm als Dauerstellung dienen
konnte. Deshalb blieb bei der Gruppe Krauss die Absicht aufrecht, den
ursprünglich im Rahmen der allgemeinen Offensive für den 3. oder
4. Dezember vorbereiteten Angriff nunmehr zu dem Zwecke durchzu-
führen, um zumindest die westöstliche Kammlinie des Grappagebirges
zu gewinnen. Neue Schwierigkeiten, namentlich beim Herbeischaffen
des nötigen Schießbedarfes, zwangen dazu, den Angriffsbeginn hinaus-
zuschieben. Die verhältnismäßig rasche Abnützung der Truppe machte
zudem eine Reihe von Ablösungen erforderlich. An Stelle der Edel-
weißdivision war anfangs Dezember die 4. ID., FML. Pfeffer, getreten
(S. 675), ferner war die Ablösung der 22. SchD. durch Teile der deut-
schen 5. ID. eingeleitet worden. Nun wurde die am Piave beiderseits»
von Vidor stehende deutsche 200. ID. am 4. und 5. Dezember durch
die k. u. k. 35. ID. ersetzt und über Cison di Valmarino, S. Antonio, Miel
und Cesana in das Bergland südlich von Feltrie herangeführt, wo sie
die auf dem Mt. Fon tana secca verbliebenen Teile der 22. SchD. sowie
den linken Flügel der 94. ID. beim Gol dell'Orso ablöste. Die einheit-
liche Leitung der beiden deutschen Divisionen wurde dem Führer der
5. ID., GM. Wedel, übertragen. Unverändert blieben das deutsche
Alpenkorps auf dem Mt. Tomba und die 50. ID. am Ostufer des Piave
bei Valdobbiadene stehen. Sie bildeten zusammen mit der 35. ID. und
der bei Cison di Valmarino rastenden 1. ID. die Gruppe Scotti.
Gemäß den Anordnungen der Gruppe Krauss hatte das „Korps
Wedel" den Feind aus den Stellungen im nordwärts gewölbten Bogen
Gol dell'Orso—Mt. Solarolo—Haus -<¡> 1222—Mt. Spinuccia zu werfen und
dann den Rücken Mt. Pallone—Mt. Meate—Mt. Bocoaor in Besitz zu
nehmen. Die 94. ID. sollte den Grappaglpfel und den Mt. Coston er-
obern. Der 4. ID. wurde aufgetragen, zunächst den Mt. Asolone und
den Gol della Berretta zu gewinnen, dann den rechten Flügel bis zur
Casera d'Anna vorzutreiben, und ihre Talgruppe — ein verstärktes
Bataillon des IR. 49 — von S.Marino, wenn möglich bis Valstagna
vorstoßen zu lassen. Diese Erweiterung der Aufgaben der 4. ID. wurde
vorgenommen, nachdem am 5. Dezember westlich der Brenta der Ost-
flügel der 11. Armee den Sasso Rosso erobert und die Frenzelaschlucht
erreicht hatte; eine starke Artilleriegruppe der 11. Armee konnte jetzt
den Angriff der 4. ID. durch Seitenfeuer vorzüglich unterstützen. Die
Gruppe Krauss verfügte im übrigen über rund 350 leichte, 100 mittlere
und 10 schwere Geschütze; der Schießbedarf war jedoch sehr knapp
bemessen. Auch war es schwierig, die Geschütze heranzufahren, da
VI 44
690
Die Herbstoffensive gegen Italien
keine einzige Straße zu den Höhen hinanführte. Es. fehlte indessen nicht
an ernstem Bemühen; so wurden unter anderen zwei 15 cm-Haubi,tz-
batterien zum Teil mit Menschenkraft auf den Mt. Prassolan hinauf-
geschleppt.
Der Angriff hatte am 11. Dezember, und zwar bei jeder Witterung
zu beginnen. Als Reserve stellte Gdl. Krauss die 55. ID. nordöstlich
von Feltre in Bereitschaft. Die Edelweißdivision ruhte bei Fonzaso, die
22. SchD. im Raujme westlich von Belluno. Diese beiden Divisionen ka-
men für eine Wiederverwendung zunächst nicht in Betracht. Hingegen
war die bei Belluno versammelte deutsche Jäger division dazu aus-
ersehen, die deutsche 5. ID. nach erfolgter Frontverbesserung abzu-
lösen. Im Räume südlich von Belluno stand ferner die 33. Division.
Da sie über keine Gebirgsausrüstung verfügte, wurde sie wieder in
die Ebene zurückgeleitet, wo sie dann am 12. Dezember in Ablösung
deutscher Truppen an den abgesprengten Piavebrücken von Susegana
eingesetzt wurde. An ihrer Stelle sandte GO. Boroevic die 60. ID. nach
Vittorio, von wo sie Gdl. Below am 13. Dezember nach Belluno mar-
schieren ließ und dem Gdl. Krauss unterstellte.
Die Italiener waren in der Zeit des seit Ende November anhalten-
den Stillstandes im Grappagebirge nicht müßig geblieben. Die Lage
der Truppen, ihr seelischer Zustand sowie auch die Einrichtung der
Abwehr waren mit jedem Tage besser geworden. Anfangs Dezember
hatte das französische XXXI. Korps (47., 64. und 65. ID.) den Front-
abschnitt auf dem Südhang des Mt. Tomba, bei Pederobba und Cor-
nuda übernommen. Südöstlich anschließend war das englische XIV.
Korps (7., 23. und 41. ID.) auf dem Montello in die Front getreten.
Dadurch waren nicht nur zahlreiche italienische Truppen frei gewor-
den, sondern es hob sich auch allgemein ihr Selbstgefühl und Vertrauen.
Am 10. Dezember befanden sich. gegenüber den vier im Grappa-
gebirge zum Angriff antretenden öst.-ung. und deutschen Divisionen
vom Col Caprile bis zum Mt. Asolone das italienische XXVII. Korps
mit der 51. und der 59. ID., dabei zehn Alpinibataillone, im Gebiet
des Grappagipfels das VI. Korps mit der 66. ID. in der Front und
der VI. Alpiniobergruppe (acht Bataillone) sowie der 15. ID. in Re-
serve, dann im Räume Col dell' Orso—Mt. Solarolo—Ost. Monfenera das
XVIII. Korps mit der 56. und der 1. ID. sowie der III. Alpiniober-
gruppe (acht Bataillone) in der Front und der 24. ID. in Reserve.
Ferner stand das IX. Korps (17. und 18. ID.) zwischen Bassano und
Asolo als Reserve des 4. Armeekommandos.
Eroberung des Col della Berretta
691
Am Morgen des 11. Dezember waren die Berge in Nebel gehüllt.
Dessenungeachtet begannen in der Dämmerung die vorgerichteten Ge-
schütze ihr Zerstörungswerk. Als dann die Infanteriekämpfe einsetzten,
war die Artillerie allerdings durch den Nebel sehr behindert, dem
Bewegungsgefecht zu folgen.
Bei der deutschen 5. ID. erstürmte das preußische Leib-Grenadier-
Regiment 8 nach Überwindung heftigen Widerstandes den Mt. Spinuccia
und warf die Italiener auf dem gegen Südwesten streichenden Rücken
noch weitere anderthalb Kilometer zurück. Die beabsichtigte Fort-
setzung des Angriffes mußte aber unterbleiben, da die 200. ID. nach
Eroberung einiger Schanzen auf dem Ostfuß des Mt. Solarolo nicht
vorwärtskam und daher die rechte Flanke der Grenadiere bedroht
war1). Von der 94. ID. wartete der linke Flügel vergeblich auf das
Vorgehen der 200. ID. gegen den Col dell'Orso, während die Mitte
auf dem Mt. Pertica sich zu ihrer Überraschung selbst angegriffen sah
und, den Feind abwehrend, stehenblieb.
Ein eindeutiger Erfolg war nur der 4. ID. beschieden. Im Verein
mit dem Divisionssturmbataillon bemächtigten sich das böhmische IR. 88
und Teile des mährischen IR. 99 des Col della Berretta und der Casera
Spiedon2). Die Division gewann damit den Höhenrand ober dem Quell-
becken des Val S. Lorenzo, das nach Süden in die Ebene mündet. Schon
glaubten die ,,Neunundneunziger", auch den Mt. Asolone erklimmen zu
können, da stießen sie aber auf harten Widerstand. Alsbald mußten sie
sich, gleichwie die ,,Achtundachtziger", heftiger Gegenangriffe erweh-
ren, die auch am 12. Dezember noch fortdauerten. Die Italiener hatten
erkannt, daß der Verlust ihrer Hauptwiderstandslinie auf dem Hohen-
kamm die Gefahr eines tieferen Einbruches in das Val S. Lorenzo
bedeute, und rafften alle Kräfte zusammen, um den Col della Berretta
zurückzugewinnen. Auf der anderen Seite erblickte Gdl. Krauss im
ersten Erfolg der 4. ID. die Möglichkeit weiterer Fortschritte und ent-
schloß sich, das Schwergewicht auf den Westflügel seiner Gruppe zu
legen, da der Stirnangriff gegen den Grappaknoten auf unüberwindliche
Geländeschwierigkeiten stieß. Unter diesen Umständen entspannen sich
im Asolonegebiet äußerst harte und verlustreiche Kämpfe, die bis
Weihnachten fortdauerten.
Am 12. Dezember abends strahlte ein Funkspruch der italienischen
51. ID. die Nachricht aus, der Col della Berretta wäre zurückgewonnen.
x) Schöning, 274.
2) G all i an, Monte Asolone 1918 (Graz 1933), Iff.
44*
692
Die Herbstoffensive gegen Italien
Auf eine diesbezügliche Anfrage des Gdl. Krauss meldete FML. Pfeffer:
„Seit der Erstürmung durch unsere Truppen haben nur noch italienische
Gefangene die Höhe betreten." Tags darauf versuchte ein auf dem
linken Flügel der 4. ID. eingesetztes Bataillon des Brünner IR. 8 den
Mt. Asolane zu nehmen. Es gelang ihm nicht. Ansonsten hielten die
durch Kampf und Kälte erschöpften Geigner eine Atempause. Nun
stellte sich rechts vom IR. 88 das nieder österreichische IR. 49 mit zwei
Bataillonen, denen eines vom IR. 8 folgte, zum Angriff bereit. Am 14.
erstürmten die tapferen „Hesser" den Col Caprile, wobei sie ein ganzes
Alpinibataillon zwangen, die Waffen zu strecken1). Zur gleichen Zeit
ging der linke Flügel des italienischen VI. Korps gegen den Mt. Pertica
und vom Mt. Asolone gegen die Casera Spie don in der Absicht vor, das
XXVII. Korps zu entlasten. Das Vorhaben wurde vereitelt. Bei der ge-
lungenen Abwehr zeichneten sich das LstlR. 26 und das 6. Bataillon
des KJR. 2 der 94. ID. besonders aus. Am Abend übernahm FML. Goi-
ginger als Korpsführer den Befehl über die 4. und die 94. ID. sowie
über die 55. ID., deren Spitze von Fonzaso gegen Cismon heranrückte.
Gdl. Krauss hatte den bewährten Kommandanten der 60. ID., die sich
jetzt dem Städtchen Fei tre näherte, zur einheitlichen Führung des
reichten Flügels berufen. Da sich neuerlich Mangel an Schießbedarf
drückend fühlbar machte, sollte der Angriff erst am 18. Dezember er-
neuert werden. Das Korps Goiginger hatte dabei die Höhe -c¡>-1440 und
den Mt. Asolone in Besitz zu nehmen. Dem Korps Wedel blieb es über-
lassen, das nächste Angriffsziel im Rahmen der ursprünglichen Auf-
gabe zu wählen. Es sollte zudem so bald als möglich die 5. ID. ablösen,
die vom italienischen Kriegsschauplatz abgehen mußte.
Am 15. Dezember rang sich das IR. 49 bis nahe an die Casa d'Anna
heran. Auch das IR. 88 gewann im heftigen Kampfe gegen neu
auftauchende italienische Reserven einigen Boden, während das IR. 99
und Teile des IR. 8 neuerliche Angriffe des Feindes abwehrten. Nun
war es hoch an der Zeit, die durch blutige Verluste und harte Ent-
behrungen im fünftägigen winterlichen Gebirgskampf stark gelichteten
Reihen der 4. ID. abzulösen. Gemäß den Anordnungen des FML. Goi-
ginger trat die 55. ID. zunächst mit der 26. GbBrig. zwischen der 4.
und der 94. ID., also vor dem Mt. Asolone und beim Mt. Pertica, in
die Kampflinie. Teile des IR. 99 und ein Bataillon der 94. ID. wurden
zurückgenommen. Da der Aufstieg zum Kampfraum von Cismon durch
das Val Goza über einen steilen Saum weg führte, auf dem sich der
i) Ehrenbuch der Hesser, III, 29ff. — Alp ini, II, 1097, 385.
5££äMi
Ablösungen bei der 14. Armee 693
ganze Zu- und Abseihub der 4. ID. zusammenzwängte, konnte die zur
Ablösung des IR. 88 und des IR. 49 ausersehene 10. GbBrig. der 60. ID.
erst am 18. Dezember zur Stelle sein. Auch die beabsichtigte Ablösung
der 94. ID. durch die 2. GbBrig. kannte nicht früher erfolgen; daher
mußten die genannten Regimenter weiter ausharren.
Die Italiener, denen zwei gute Auffahrtstraßen zur Verfügung
standen, führten indessen frische Kräfte auf das Schlachtfeld und
hielten am 16. und 17. durch fortgesetzte Gegenstöße unsere Truppen
in Atem. Die öst.-ung. Artillerie griff hilfsbereit in die Kämpfe ein.
Dadurch verminderte sich allerdings der für die Angriffshandlung des
Korps Goiginger unter großen Mühen herangeschaffte Schießbedarf.
In diesen Tagen fanden bei der Armee Below weitere Umstellungen
der Kräfte statt. Die 50. ID. wurde vom linken Piaveufer zurückgezo-
gen, sodann nordwärts über den Fluß geführt und am 17. auf dem
Tombarücken an Stelle des Alpenkorps eingesetzt, das dann nach Campesa
und Cison di Valmarina gelangte. Dessen Führer, GM. Tutschek, über-
nahm jedoch an Stelle des GM. Wedel die Gefechtsleitung im Abschnitt
der 200. ID. und der deutschen Jäger division, die am 17. die deutsche
5. ID. ablöste. Ferner marschierte die l.ID. von Cison Valmarina
über Belluno in den Raum nördlich von Feltre, wo sie am 20. Dezem-
ber zur Verfügung des Gdl. Krauss eintraf.
Die Erstürmung des Mt. Asolone
Am 18. Dezember zogen bei Morgengrauen düstere Wolken über
das Kampffeld. Die Temperatur schwankte um den Gefrierpunkt. In
den Tälern des Grappagebirges regnete es. Auf den umnebelten Ber-
gen, von denen jetzt der Donner der Geschütze widerhallte, fiel Schnee.
Er mengte sich mit dem Dampf der berstenden Bomben und Granaten,
die den Angriff des Korps Goiginger einleiteten. Das unsichtige Wetter
begünstigte die Annäherung der Infanterie. Fast unbemerkt kam sie an
den Feind heran und überwältigte ihn im wirren Handgranatenkaimpf.
Den Kärntnern vom IR. 7 war es vorbehalten, den seit Tagen vergeb-
lich berannten Mt. Asolone zu bezwingen1). Dieser glänzende Erfolg
wurde durch das IR. 88 ergänzt, das die' Höhe -§~ 1440 eroberte, wäh-
rend das IR. 49 gemeinsam mit einem Bataillon des IR. 8 neuerlich bis
!) L ö h n e r, Monte Asolone — 18. Dezember 1917, Aus dem Tagebuch eines
jungen Khevenhüllers (Österr. Wehrzeitung 1926, Folgen 10 und 11).
694
Die Herbstoffensive gegen Italien
zur Casa d'Anna vorstieß. Vergeblich versuchten die Italiener in wieder-
holten Gegenangriffen die Lage wiederherzustellen. Die Sieger ließen
sich ihren Gewinn nicht mehr entreißen. Ja, das IR. 7 vermochte sogar
noch die Höhe östlich vom Asolonegipfel zu gewinnen, während sein
Schwesterregiment in der 26. GbBrig., das bh. IR. 4, den ganzen Berg-
rücken, der vom Mt. Pertica nach Süden in das Val Cesilla abstreicht,
vom Feinde säuberte und dann zähe behauptete. Die Verluste waren
auf beiden Seiten bedeutend. Das IR. 7 allein verlor über 600 Mann an
Toten und Verwundeten. Zudem litten die Truppen unter den Unbilden
der Witterung und den Schwierigkeiten der Versorgung ganz außer-
ordentlich. Namentlich die schon auf wenige hundert Mann zusammen-
geschmolzenen Regimenter der 4. ID., die mit bewunderungswürdiger
Ausdauer seit dem 11. Dezember kämpften und litten, waren nun
erschöpft. Am Abend begann ihre Ablösung durch die Bataillone der
10. GbBrig., die sogleich Gegenangriffe abwehren mußten. Die 2. Gb-
Brig. übernahm den Kampfabschnitt der 94. ID., indem sie dort zu-
nächst zwei Bataillone einsetzte.
Mit dem geglückten Angriff des Korps Goiginger wurden die auf
dem Westflügel der Gruppe Krauss angestrebten Ziele erreicht. Ein
von ungefähr aufgetauchter Gedanke, den Erfolg zu erweitern, mußte
fallen gelassen werden; denn der Widerstand des Feindes erwies sich
kräftiger, als man erwartet hatte. Zudem war dem Korps Tutschek
wieder kein Erfolg beschieden gewesen. Der Mt. Solarolo blieb im Be-
sitz des Feindes, der sogar mehrmals gegen die stockenden Truppen
der 200. ID. vorstieß. Auch die deutsche Jägerdivision konnte trotz
opferreichen Bemühens keine Fortschritte erzielen1). Unter solchen
Umständen wurde befohlen, das Unternehmen einzustellen und die
Dauerstellung in der erreichten Linie zu errichten. Damit war aber der
Kampf noch nicht zu Ende. Der Feind führte auch am 19. Dezember
heftige Gegenstöße, so namentlich beim Mt. Pertica, wo es stellenweise
nachmittags zu scharfen Handgranatenkämpfen kam. Am 20. raffte er
sich zum allgemeinen Gegenangriff auf. Beim Mt. Asolone, bei der Höhe
-<¡>- 1440, und knapp nördlich der Casa dAnna, wurde unter dem Eisen-
hagel der von beiden Seiten wuchtig einschlagenden Geschoße wieder
erbittert und diesmal bis zum späten Abend gerungen, ohne daß es
den Italienern gelungen wäre, einen Erfolg davonzutragen. Auch das
*) Spro-esser, 329 ff. — Schittenhelm, 95 f. — S c h ö n f e 1 d t, Das
Grenadier-Regiment Prinz Carl von Preußen Nr. 12 im Weltkrieg (Berlin 1924),
149. — Ehr en forth, 80ff.
Verebben der Kämpfe im Grappagebiet
695
Korps Tutschek mußte neuerlich ins Gefecht treten, um die erreichte
Linie zu behaupten. Auch am 21. Dezember unternahmen die Italiener
mehrere, von heftigem Artilleriefeuer begleitete Vorstöße. Erst am 22.
trat, anscheinend wegen des dichter werdenden Nebels und Schnee-
falles, der sehr ersehnte Stillstand ein. Die Italiener, die seit dem
11. Dezember in den Kampfraum des Korps Goiginger nicht weniger
als 19 Infanterieregimenter und 18 Alpinibataillone, in jenen des Korps
Tutschek 14 Infanterieregimenter und 8 Alpinibataillone ins Gefecht
geworfen hatten, waren nun wohl auch erschöpft. Neben hohen blu-
tigen Verlusten hatten sie mehr als 8000 Mann an Gefangenen ein-
gebüßt,
Das ursprünglich mit dem bescheidenen Ziel der Gewinnung einer
geeigneten Dauerstellung eingeleitete Unternehmen hatte sich zu einer
zwölftägigen schweren Schlacht entwickelt. Dankerfüllt für die be-
wundernswerte Leistung der Truppen hob Erzherzog Eugen in einem
Rundschreiben hervor: „In unwiderstehlichem Drange nach vorwärts
haben diese Braven, allen Unbilden der Witterung trotzend, dem
schwierigen Gelände Stein um Stein abgewonnen und — unterstützt
vom treffsicher geleiteten Artilleriefeuer — dem Feinde in harten
Kämpfen schier unüberwindliche Stellungen entrissen." An erster Stelle
gebührte diese hohe Anerkennung der 4. ID., die erstmalig auf dem
schwierigen italienischen Kriegsschauplatz eingesetzt worden war. Aber
audh die 55. ID., deren Führer, GM. Schwarzenberg, am 21. Dezember
das IR. 7 auf dem Asolonegipfel besuchte und dann berichtete, das
feindliche Artilleriefeuer sei ebenso heftig wie vormals auf der Karst-
hochfläche, verdiente volles Lob.
Der Ausk 1 ang der Dezemberkämpfe
Die Heeresleitung hatte schon am 5. Dezember, als sich die An-
griffe gegen den Melettastock ihrem erfolgreichen Abschlüsse näherten,
beim Heeresgruppenkoimmando in Bozen angefragt, in welcher Linie
die Dauerstellung bezeugen werden würde, und damit zu erkennen ge-
geben, daß sie eine großzügige Erweiterung des Melettaunternehmens
nicht ins Auge fasse. FM. Conrad befaßte sich nämlich angesichts des
neuerlich zutage getretenen Schwachmutes des Feindes mit dem Ge-
danken, die Front bis an den Rand der Hochflächen bei Bassano vor-
zutragen, ein Gedanke, der seiner Ansicht nach dann unschwer in die.
Tat umzusetzen war, wenn die Heeresleitung hiefür drei frische, stan-
696
Die Herbstoffensive gegen Italien
desstarke Divisionen zur Verfügung stellte. In Baden stand man solchen
Absichten jetzt sogar weniger ablehnend gegenüber. Allein, man ver-
fügte nicht über die erbetenen Kräfte und winkte daher ab. Conrad
mußte sich damit bescheiden, das vom 11. Armeekmdo. angeregte Unter-
nehmen zur Gewinnung der nächsten für die Überwinterung geeigneten
Linie Mt. di Val Bella—Col del Rosso gutzuheißen.
Dem durch die ungünstigen Verhältnisse auf der Hochfläche und
durch die empfindliche Kälte hervorgerufenen Verbrauch an Kräften
wurde durch oftmaligen Wechsel der Kampftruppen entgegengewirkt.
Die Ablösungen innerhalb der Heereskörper und auch dieser selbst fanden
in so bunter Reihe statt, daß nur die schließlich am 23. Dezember an-
genommene Aufstellung dargestellt wird (Beilage 33). An diesem Tage
wurde auch der Angriff zur Eroberung des Col del Rosso1 ausgeführt,
nachdem er schon für den 15. und dann für den 20. Dezember beab-
sichtigt gewesen war.
Inzwischen hatte FM. Conrad die Heeresleitung neuerlich gebeten,
ihm zwei gebirgstüchtige Divisionen, etwa die Edelweißdivision und die
22. SchD., zuzuweisen. Dieser Bitte kam insofern Bedeutung zu, ;als sie
der Heeresleitung den letzten Anstoß gab, am 21. Dezember die ganze
Gruppe Krauss (die genannten beiden Divisionen mitinbegriffen), dem
Heeresgruppenkommando Conrad zu unterstellen. Damit wurde die vom
Feldmarschall schon seit Wochen aus rein sachlichen Gründen ange-
strebte Einheitlichkeit der Führung an der ganzen Gebirgsfront ver-
wirklicht. Allerdings mußte gerade jetzt das Unternehmen der Gruppe
Krauss im Grappagebiet wegen der ungeheuren Geländeschwierig-
keiten eingestellt werden; auch war nunmehr die Jahreszeit schon zu
weit fortgeschritten, um an eine neue Angriffshandlung zu denken, die
im Sinne der früheren Ansichten Conrads etwa gleichzeitig und beider-
seits des Brentatales hätte geführt werden sollen. Die Eingliederung der
Gruppe Krauss in die Heeresgruppe Conrad erfolgte übrigens nur zu
dem Zwecke, um die Versorgung der Divisionen jenseits des Cismon
und der Brenta über die Nachschubwege des Suganertales zu gewähr-
leisten.
Der Befehlsbereich der Heeresgruppe Conrad wurde sonach am
22. Dezember bis zur Ostgrenze der Gruppe Krauss ausgedehnt, doch
blieb diese Grenze zunächst noch unbestimmt. FM. Erzherzog Eugen ge-
dachte sie nach Ablösung der noch westlich des Piave kämpfenden
deutschen Divisionen durch öst.-ung. Truppen und nach Überstellen
der auf dem Tombarücken stehenden 50. ID. an die Gruppe Krauss,
flMUUHiHaHHaHNHn
"À.>.vy.....■+?:■&?&£■
Eroberung des Col del Rosso
697
vom Piaveknie knapp nördlich von Quero ausgehend, auf der Kamm-
linie des gegen den Lago di S. Croce streichenden Gebirges zu ziehen.
Dadurch wären dann zehn Divisionen zur Heeresgruppe Conrad gelangt.
Diese Neuordnung mußte die Nachschubwege dieser Heeresgruppe,
namentlich die Bahn im Suganertal, außerordentlich belasten, weshalb
eine eingehende Prüfung der aufgeworfenen Fragen notwendig erschien,
die dann zu langwierigen Erörterungen führte.
Unterdessen trat der linke Flügel der 11. Armee zur Eroberung
der Linie Mt. di Val Bella—Col del Rosso— Col d'Echele an. Das Unter-
nehmen war besonders gründlich vorbereitet worden. An Artillerie
standen 440 leichte, 100 mittlere und 10 schwere Geschütze feuerbereit.
In der Nacht auf den 23. Dezember wurden zunächst die Batterien,
und die Sammelräume des Feindes ausgiebig mit Stickgasgranaten be-
schossen. Am Morgen schritten dann die inneren Flügel des III. Korps
und der Gruppe Kletter zum Angriff, und zwar: die 6. ID. mit der
12. IBrig. (IR. 17 und 27) und der Brigade Obst. Vidossich (Bataillone
1/51, 1/102, 1/27, X/59, F JB. 20 und Hoehgebirgskomp. 22), daneben
die 18. ID. mit der 9. GbBrig. (KSchR. III und Bataillone IV/87, IV/84
und IV/12) in der Front und mit der 181. IBrig. (fünf Bataillone) in
Reserve.
Das Wetter war dem Unternehmen nicht ungünstig. Auf dem
Kampf fei de lag etwa 20 cm hoher Schnee. Die Artillerieführer konnten
von ihren auf den Melettahöhen günstig gelegenen Aussichtspunkten
das Zerstörungsfeuer gegen die im Schnee deutlich sichtbaren Ziele
vorzüglich lenken. Die Infanterie hatte unter diesen Umständen ein
verhältnismäßig leichtes Spiel. In kurzer Zeit eroberte sie die ganze von
der italienischen 2. ID. (Brigaden Livorno, Verona und Toscana) ver-
teidigte erste Linie. Bei S toccar ed do geriet die Brigade Verona an den
Abstürzen der Frenzelasehlucht in die Klemme und mußte zum größten
Teil die W¡affen strecken1). Nur vereinzelt raffte sich der Feind zu
Gegenstößen auf. Bald nach Mittag waren alle Angriffsziele erreicht.
Das Bataillon IV/87 ging sogar darüber hinaus und besetzte den Mt. Me-
lago-. Es wurde aber später zurückgerufen, weil es der höheren Füh-
rung nicht im Sinne lag, die Kriegshandlung weiterzuführen, so sehr
der Erfolg dieses Tages dazu einladen mochte. Man brachte mehr als
8000 Italiener als Gefangene ein.
In den nächsten Tagen versuchten die Italiener die verlorenen
Höhen zurückzugewinnen. Regimenter der Brigaden Pisa, Regina und
1) Brigate di Fanteria, IV, 138, 152.
698
Die Herbstoffensive gegen Italien
Sassari sowie Bersaglieri traten in den Kampf. Das Tagebuch der
11. Armee verzeichnet, daß die mehrmals wiederholten Gegenangriffe
„nur den Erfolg zeitigten, daß sich die Gefangenenz ahi um weitere
2000 Mann erhöhte". Die Kampfhandlungen der Heeresgruppe Conrad
waren hiemit abgeschlossen. In den letzten Dezembertagen wurden
unerläßliche Ablösungen durchgeführt.
Die im Zusammenhang mit der allgemeinen Neuordnung an der
Südwestfront erfolgte Überweisung der Gruppe Krauss an FM. Conrad
führte nach eingehenden Erwägungen und Aussprachen der beteilig-
ten Führer schließlich dazu, daß die Gruppe Krauss zunächst mit den
Divisionen 1, 22, 28, 55 und 60 sowie der E del weiß division von der
Armee Below abgetrennt und vom FM. Conrad dem 11. Armeekmdo.
unterstellt wurde. Die 50. ID. auf dem Tombarücken blieb in der
Gruppe Scotti bei der Armee Below. Die Grenze zwischen dieser und
der Heeresgruppe Conrad war noch nicht endgültig festgesetzt, als
der Mt. Tomba Schauplatz neuer Kämpfe wurde.
Diesmal war es der Feind, der das schon erlöschende Feuer der
Schlacht neu entfachte. Am 27. und 28. Dezember versuchten stärkere
feindliche Erkundungsabteilungen auf dem Toimbarücken vorzustoßen.
Sie wurden abgewiesen. Am 29. lag tagsüber ununterbrochen starkes
Feuer auf den Stellungen der 50. Division. Tags darauf steigerte es
sich zum Vernichtungsfeuer. Unter gleichzeitigem Einsatz eines Flieger-
geschwaders ging um 4h nachm. französische Infanterie tiefgestaffelt
zum Angriff vor. In Wechsel vollem Ringen gelang es der französischen
47. Alpenjäger di vision, in die Linie der Verteidiger auf dem Mt. Tomba
und bei der -<¡>- 715 einzubrechen. Da G dl. Below über die Lage bei der
50. ID. bis spät abends keine verläßliche Meldung erhalten konnte, be-
fahl er, sofern es sich nur um einen örtlichen Einbruch handle, die
Lage durch Gegenstoß wiederherzustellen. Andernfalls, wenn etwa ein
größerer Teil unserer Stellungen verloren gegangen sein sollte, wäre
von einem Gegenangriff zunächst abzusehen. Am 31. Dezember stellte
es sich heraus, daß die 50. ID. stärker gelitten hatte, als angenommen
worden war. Da die nächsten Reserven nicht hinreichten, um die frühere
Stellung zurückzuerobern, befahl Gdl. Below, die schon bereitgestellten
deutschen Truppen nicht einzusetzen, sondern den Tombarücken auf-
zugeben. Die neue Hauptverteidigungsstellung sollte in der Linie Mt. Spi-
nuccia—Uson—Südrand Quero eingerichtet werden; davor war ein Vor-
feld bis an den Ornigobach festzuhalten. Die 50. ID. war sehr stark
mitgenommen worden. Ihr Verlust betrug 500 Tote, 1000 Verwundete
Verlust des Mt. Tomba
699
und 1600 Vermißte. Die Ablösung dieser Division war daher geboten.
Indessen konnte die neue Stellung ohne besondere Schwierigkeiten be-
zogen werden, da die Franzosen über den Tombarücken nicht weiter
vorgingen.
Diese erste Kampfhandlung französischer Truppen auf dem ita-
lienischen Kriegsschauplatz wurde damals viel besprochen. Die Fran-
zosen wiesen auf dieses Unternehmen als ein Musiter eines ¡modernen
Angriffsverfahrens hin, und gaben der Auffassung Ausdruck, daß der
hier angetroffene Feind viel minderwertiger sei als jener, den sie an
der französischen Front zu bekämpfen gewohnt seien. Der italienische
Militärschriftsteller Gen. Caracciolo tritt dieser Auffassung entgegen und
legt dar, daß die französische 47. Division ihren Erfolg in erster Linie
dem außerordentlich starken Einsatz an Artillerie (450 Geschütze) zu
verdanken hatte1).
Während im Dezember die geschilderten Kämpfe auf den Hoch-
flächen der Sieben Gemeinden und im Grappagebirge sich ¡abspielten,
verharrte der Frontabschnitt am Piave im allgemeinen in Ruhe. Die
Gefechtstätigkeit beschränkte sich auf einzelne kleine Unternehmen. So
wurde die Anwesenheit unserer Truppen auf dem Westufer des Piave
im Brückenkopf von Zenson von den Italienern unangenehm empfunden,
weshalb sie wiederholt Vorstöße unternahmen, die zwar fruchtlos blie-
ben, aber von den Verteidigern immerhin manches Opfer forderten.
Als man wahrnahm, daß der Feind durch Einsatz schwerer Geschütze
und Minenwerfer Größeres vorhabe, erwog man die Räumung des
Brückenkopfes. Diese erfolgte denn auch am 26. Dezember. Mit Be-
friedigung meldeten dann -die Beobachter noch durch mehrere Tage,
der Feind beschieße weiterhin die verlassene Brückenkopf schanze. Etwas
lebhafter ging es im Mündungsgebiet des Piave zu. Hier stand die
41. HID. auf dem Westufer des Hauptarmes, aber noch nicht unmittel-
bar am Sile, deim zweiten Mündungsarm. Am 9. Dezember griff die
Ho-nvéd den Feind bei Capo Sile an und warf ihn über den Fluß zurück,
wobei sie etwa 200 Gefangene einbrachte. Aber am nächsten Tage
setzten sich die Italiener doch wieder auf dem Ostufer fest. Das Ge-
fecht lebte mehrmals neuerlich auf. Am 18. Dezember gelang es einem
Honvédbataillon, sogar über den Sile vorzustoßen. Da es aber nicht
möglich war, ihm weitere Kräfte nachzusenden, mußte es am 20. auf das
Ostufer zurückgenommen werden. Nach und nach wuchs die Tätigkeit
der feindlichen Artillerie an. Hier meldeten sich auch wieder die be^
x) Cablati, La riscossa, 226 f.
700
Die Herbstoffensive gegen Italien
rüchtigten Schiffsgeschütze, die einst an der Sdobbamündung gestanden
waren und den Verteidigern der Hermada so hart zugesetzt hatten.
Deshalb erging der Ruf an die k. u. k. Kriegsmarine, irgendwie an der
Küste einzugreifen. Allein dazu war die Flotte aus verschiedenen Grün-
den, vornehmlich wegen der Minen- und Unterseebootgefahr, nicht in
der Lage. Es gab hiefür eine eindringliche Warnung, als am 10. Dezem-
ber ein italienisches Unterseeboot unsere Minensperre vor Triest durch-
schlich und das im Hafen vor Anker liegende ältere Schlachtschiff
„Wien" versenkte.
Betrachtungen
Vor- und Nachteile der Vorrückungsstreifen
Für die eben geschilderte große Angriffshandlung, die die Heere
der Mittelmächte im Herbst 1917 aus den Julischen Alpen quer durch
Verne tien bis an die Tore Venedigs führte, ist vor allem kennzeichnend
geworden, daß sie um ein Vielfaches über den Rahmen hinauswuchs,
der ihr ursprünglich gesteckt war. Nach der allerersten Absicht sollte
ein kurzer Gegenstoß die Isonzofront von dem schweren Drucke be-
freien, der zumal im Süden seit dem Sommer auf ihr gelastet hatte.
Zur Erreichung dieses Zieles konnte die Gewinnung der beherrschenden
Höhen nördlich von dividale und des Mt. Sabotino genügen; hatte man
diese, dann war auch der italienische Südflügel mindestens jeglicher
Bewegungsfreiheit in der Richtung auf Triest beraubt (S. 495). Aber
schon bei den Vorbesprechungen veranlaßte der Aufwand an Truppen
und Mittel, die jedenfalls benötigt wurden, die Generalstäbe der Ver-
bündeten, das Ziel weiterzustecken; der Italiener „sollte über die
Reichsgrenze, wenn möglich bis über den Tagliamento" zurückgewor-
fen werden (S. 498). Doch auch bei diesem Ziele blieb es nicht. Der
katastrophale Zusammenbruch des Feindes gab der Verfolgung einen
Schwung, dem auch am Tagliamento nicht Halt geboten werden konnte.
Aus einem Unternehmen, das, an der Ausdehnung des großen Kriegs-
geschehens gemessen, nach den ursprünglichen Absichten nur eine grö-
ßere Stellungsberichtigung geworden wäre, wurde so in nicht ganz vier
Wochen eine Angriffshandlung von gewaltiger Ausdehnung, eine der
größten und erfolgreichsten Offensiven in der Geschichte des Welt-
krieges.
Vorteil des einspringenden Frontwinkels
701
Der erste Akt dieser weitgreifenden Kriegshandlung war der
Durchbruch bei Flitsch und Tolmein. Die Wahl des einspringenden Win-
kels der Front als Durchbruchstelle hatte sich schon bei Gorlice (1915),
am Szurdukpaß (1916) und bei Zalosce (1917) gelohnt. Sie erwies sich
auch hier als überaus zweckmäßig. Im Gegensatz zu Angriffen aus einer
geraden oder einer ausspringenden Front führt der Vorstoß aus einem
einspringenden Winkel zu Beginn der Kampfhandlung zu einer Ver-
kürzung der Front. Den so wichtigen Flanken schütz kann der Stoßkeil
fürs erste unbekümmert den noch stehenden Frontteilen überlassen.
In weiterer Folge wird er von Truppen besorgt, die wegen der Front-
verkürzung aus der eigenen ersten Linie verdrängt worden sind3).
Alle diese Vorteile waren auch beim Durchbruch der Verbündeten am
oberen Isonzo fühlbar. Das Unternehmen wurde mit größter Gewissen-
haftigkeit vorbereitet. Die Truppe stürmte mit einem unvergleichlichen
Schwung in das italienische Stellungsnetz hinein. Regnerisches und
nebeliges Wetter erleichterten in den ersten Kampfstunden das Vor-
dringen in den Haupttälern. Die Angreifer standen in den entscheiden-
den Räumen bereits tief im Feinde, als dieser, obgleich durch Verräter
gewarnt, des über ihn hereingebrochenen Unglücks erst gewahr wurde.
Nach kaum 36 Stunden unaufhörlichen Kämpf ens und Marschierens
waren die wichtigsten Stützpunkte des italienischen Stellungsnetzes, der
Stol, der Mt. Matajur, die Höhen Jeza und Globocak, genommen. Am
vierten Schlachttage gewann die Armee Otto Below bei (Dividale die
Ebene, und das Erscheinen von Kaiserjägern auf dem Montemaggiore
gab Cadorna den letzten Anstoß, seine Stellungen am Isonzo endgültig
aufzugeben und den schon vorbereiteten Rückmarsch hinter denTaglia-
mento antreten zu lassen. Damit schlug auch den Karstkämpfern die
Stunde der Erlösung aus dem opferreichen Stellungskampf zweier Jahre.
Am 28. wurde auf dem Kastell des wiedereroberten Görz die schwarz-
gelbe Fahne hochgezogen.
Auf Seite der Verbündeten war für die Fortführung der Angriffs-
bewegung jedem Heereskörper ein Vorrückungsstreifen mit entspre-
chend weitgestecktem Ziele vo-rgezeichnet worden. Diese schon erprobte
Maßnahme hatte sich zunächst auch diesmal bewährt. Bei dem raschen
Vordringen der Angriffstruppen und dem oftmaligen Abreißen jeg-
licher Verbindung zu den höheren Befehlsstellen wäre es häufig unmög-
lich gewesen, die unterstehenden Heereskörper rechtzeitig mit Weisungen
zu versorgen. Allerdings sollten bei der Hast, mit der die Ereignisse
1) Kissing, Der strategische Durchbruch, 8Iff.
702
Die Herbstoffensive gegen Italien
abliefen, auch die Nachteile einer solch vereinfachten Befehlgebung
nicht ausbleiben.
Als der 29. Oktober zur Neige ging, hatten sich die Anfänge der
14. Armee, über Udine hinwegstürmend, aufwärts von Codroipo bereits
dem Tagliamento genähert, während die Heeresgruppe Boroevic um diese
Zeit erst die Reichsgrenze südlich von Cornions zu überschreiten begann.
Die 2. Armee der Italiener war vor den Heersäulen der Verbündeten
zertrümmert gegen den Tagliamento gewichen, indes weiter südlich
ihre 3. Armee auf ihrem Rückzüge von Görz und vom Karst noch weit
gegen Osten zurückhing. Gewaltige Massen der Italiener waren sonach
südlich der Linie Codroipo—Cormons von den Verbündeten überflügelt!
Die in die Augen springenden Erfolgsmöglichkeiten, die sich aus
dieser Lage ergaben, wurden von den feindnahen Korps- und Divisions-
führern und auch von dem seinen Truppen an den Fersen bleibenden
Armeekommando Below rasch erkannt. Am 30. Oktober schickten sich
zunächst fünf Divisionen der Gruppen Hofacker und Scotti zu einem
Vorstoß gegen Codroipo und Latisana an, bei dessen Gelingen Teile der
italienischen 2. und die Masse der 3. Armee abgeschnitten werden konn-
ten. Hofackers Württemberger nahmen Codroipo und legten die Hand
auf die ¡allerdings zerstörten Brücken westlich dieses Ortes. Die zahl-
reichen, auf diese Übergänge gewiesenen italienischen Truppenteile
mußten nach Südwesten abbiegen, wo ihnen außer den Brücken von
Latisana noch eine bei Madrisio — den Verbündeten allerdings unbe-
kannt — zur Verfügung stand.
Das gleichzeitige Vordringen der drei Divisionen Scottis gegen La-
tisana wurde an diesem Tage jedoch schon erheblich vom System der
,,Gefechtsstreifen" in Mitleidenschaft gezogen. Das Erscheinen des zur
2. Isonzoarmee gehörenden II. Korps, Gdl. Kaiser, in ihrem Vorrückungs-
raum veranlaßte Below noch am 30., diesen Divisionen, die von Udine
in stark südlicher Richtung vorzustoßen gehabt hätten, eine mehr süd-
westliche Stoßrichtung zuzuweisen (S. 583); dadurch wurde der Druck,
den sie auf die Nordflanke der dem unteren Tagliamento zuströmen-
den Italiener auszuüben vermochten, merklich geringer. Allerdings
waren die eben erwähnten Maßnahmen Below s wohl auch noch durch
ein zweites beeinflußt: durch den von ihm gleichfalls ;am 30. zunächst
noch ohne Zustimmung der Heeresleitungen gefaßten Entschluß, die
Offensive möglichst bald über den Tagliamento hinauszutragen.
Als nun aber am 30. abends von den Kampf fei dem südwestlich von
Udine bereits 60.000 Gefangene und eine Unmenge von Beute gemeldet
Der Schicksalspunkt Madrisio
703
wurden, und überdies ein Fernspruch der DOHL. auf die Erfolgsmög-
lichkeiten bei Latisana hinwies, kehrte Gdl. Below doch wieder teilweise
zu seinen ersten Absichten zurück. Die zwei Divisionen Hofackers soll-
ten zwar bereits, ähnlich wie weiter nördlich seit dem 30. die Gruppen
Stein und Krauss, mit der Bezwingung des Tagli amento befaßt sein.
Dafür gesellte sich den wieder auf Latisana gewiesenen Divisionen
Scottis links wertvolle Bundesgenossenschaft bei. Der Führer der k. u. k.
60. ID., FML. Ludwig Goiginger, hatte aus eigenem Entschluß den Be-
fehl über drei weitere, bei Pozzuolo eingelangte Divisionen ergriffen
und schloß sich dem Unternehmen Scottis a;n, freilich auch schon mit
weniger gegen Latisana, als weit darüber hinaus gerichtetem Blick; denn
er wollte über den Tagliamento in der Richtung Treviso vorstoßen.
Die stark ermüdete Gruppe Scotti kam im Sinne des Flankenstoßes nur
teilweise zur Geltung. Goiginger erreichte hingegen mit seiner 60. Divi-
sion, am 31. abends die nur an ihrem Westteil abgebrochene Brücke von
Madrisio und vermochte diese in der Nacht bis auf ein Feld von 30 m
Länge wiederherstellen zu lassen — als ihn am 1. November früh der
strikte Befehl der Heeresgruppe zum Abrücken gegen Codroipo ereilte.
Diese gewiß überraschende Maßnahme ist ausschließlich der völ-
ligen Unkenntnis zuzuschreiben, die in dem weit zurückgebliebenen
Hauptquartier deis Heeresgruppenkommandos über die Verhältnisse bei
Madrisio herrschte. Wohl aber hätte FML. Goiginger, einer der erfolg-
reichsten Truppenführer des öst.-ung. Heeres, die Reihe seiner Waffen-
taten um eine besonders glänzende vermehren können, wenn er in
jenem Augenblick den auf unzulänglichen Voraussetzungen beruhenden
Befehl seines Oberkommandierenden nicht befolgt hätte, sondern sei-
nem Entschlüsse treugeblieben wäre. Er hätte entweder durch einen
Südmarsch :auf dem reichten Flußufer den Übergang von Latisana völlig
¡abzuriegeln vermocht oder die Spitze einer starken Angriffsgruppe
bilden können, deren Aufgabe es gewesen wäre, den nördlich von
S. Vito al Tagliamento über den Fluß weichenden italienischen Korps
den Weg an den Piave zu verlegen. Unter allen Umständen wäre der
Übergang über den Tagliamento* schon am 1. November geöffnet ge-
wesen. Die Ursache für die bei Madrisio erfolgte Unterlassung des
Flußüberganges ist nicht zum geringsten Teile darauf zurückzuführen,
daß es das Kommando der Südwestfront und das Heeresgruppenkom-
mando Boroevic verabsäumt hatten, rechtzeitig auf die Wichtigkeit hin-
zuweisen, ,,irgendwo^ über den Tagliamento zu kommen"1).
!) FML. Konopicky an das Kriegsarchiv, Wien, 2. Mai 1936.
704
Die Herbstoffensive gegen Italien
Derlei Betrachtung, in einem wissenschaftlichen Werke sicherlich
nicht unangebracht, kann den bei Codroipo und Latisana trotz mancher
Reibungen errungenen Sieg gewiß nicht verkleinern. Mit Recht schloß
der öst.-ung. Generalstabsbericht am 1. November seinen Rückblick auf
die Ereignisse mit den Worten:
. Solcherart hat die zwölfte Is onz oschlacht in achttägiger Dauer
zu einem über alles Maß glänzenden Erfolg geführt. Die österreichi-
schen Küstenlande sind befreit, weite Strecken venetianisehen Bodens
liegen hinter den Fronten der Verbündeten. Der Feind hat in einer
Woche über 180.000 Mann an Gefangenen und 1500 Geschütze ein-
* gebüßt
Die Wiederverlegung des Schwergewichtes auf den
Nordflügel
Das Kommando der Südwestfront hatte einem Südstoß gegen Lati-
sana und einer hiebei möglichen Gefangennahme noch einiger tausend
Italiener keine besondere Bedeutung beigemessen. Ihm erschien es —
wie oben erwähnt — wohl besonders wichtig, an irgendeinem Punkt
das westliche Tagliamentaufer zu erreichen, um dort einen neuen gro-
ßen Erfolg zu erringein1), hatte aber unterlassen, dies rechtzeitig zu
befehlen. Es begrüßte daher in freudiger Überzeugung das Vorhaben
Belows, die Offensive entgegen den noch geltenden Befehlen über den
Tagliamento fortzuführen (S. 563). Vornehmlich dem Einflüsse des
Erzherzogs war es zu danken, daß sich nun auch G dl. Arz, der sich
ursprünglich mit den Ende Oktober erzielten Erfolgen zufrieden geben
wollte, gleichfalls für die Fortführung des Angriffes aussprach und
am 2. November im Auftrage des Kaisers die entsprechenden Weisun-
gen erließ (S.602). Hiebei war daran gedacht, den südlichen Heeres-
flügel, der bis zum Piave den kürzesten Weg zurückzulegen hatte,
möglichst stark zu halten. Er sollte dadurch befähigt sein, nach Über-
schreiten dieses Flusses in nordwestlicher Richtung vorzustoßen. Hie-
durch hätte es möglich werden können, nicht nur große Teile der 3.
und der 2., sondern auch der noch im Gebirge steckenden 4. Armee der
Italiener abzuschneiden.
Inzwischen hatten aber die nachgeordneten Befehlsstellen am Ta-
gliamento die Entwicklung schon in anderer Richtung festgelegt. GO.
Bonoevic hatte darauf gedrungen, den beiden Isonzoarmeen die ihnen
zugewiesenen Gefechts streifen zurückzugewinnen. Das Kommando der
1) FML. Konopicky an das Kriegsarchiv, Wien, 30. März 1936.
Gegensätzliche Ansichten über die Schwergewichtsbildung
705
Süd Westfront glaubte, unnötige Truppen ver Schiebungen an der Front
»am besten dadurch zu vermeiden, daß es die in den Bewegungsraum
der Heeresgruppe Boroevic abgeschwenkten Heereskörper der 14. Armee
dem GO. Boroevic unterstellen und der Armee Below dafür nachrückende
Divisionen der Heeresgruppe zuweisen wollte (S. 588). Diese Absicht
stieß aber beim deutschen Armeeführer auf Gegenvorstellungen, und
so geschah es, daß die gegen Madrisio angesetzten Divisionen der Grup-
pen Hofacker und Scotti und auch die der knapp vor dem Übergang
stehenden Gruppe Goiginger — im Gegensatz zur 1. Isonzoarmee durch-
aus mit ausreichenden Bespannungen ausgestattet und daher für einen
raschen Vorstoß viel eher geeignet — schon wieder flußaufwärts
abgerückt waren, ehe der Heeresbefehl vom 2. November einlangte, der
ein weiteres Vordringen mit stark gehaltenem Südflügel forderte (S. 602).
Unterdessen hatte ;am Abend dieses Tages die Division Schwarzen-
berg bei Cornino eben den ersten Fuß auf das westliche Tagliamento-
ufer gesetzt und so die Flußbezwingung eingeleitet. Das Kommando der
Südwestfront konnte daher am 3. November mit Berechtigung auf den
am Vorabend eingelangten Heeresbefehl die Bemerkung setzen: „Mo-
mentan gegenstandslos. . . die Verhältnisse zwingen vorläufig, das
Schwergewicht auf den nördlichen Flügel zu verlegen." Auch die Hee-
resleitung beschied sich1). Die Heeresgruppe Boroevic wurde zwar am
3. noch zur Verstärkung des Südflügels verhalten; es kam aber weder
am Tagliamento noch auch am Piave bei der 1. Isonzoiarmee zu einer
merkbaren Zusammenfassung der Kräfte. Wie sehr dennoch ein starker
Südflügel bedeutende Erfolge zu erringen vermocht hätte, bewiesen
das Gelingen des Übergangs der 44. SchD. bei Zenson und der Raum-
gewinn der 41. HID. im Mündungsgebiet des Piave. Ein italienischer
Kriegshistoriker steht nicht an, zu wähnen, daß ein starker Südflügel
der 1. Isonzoarmee ohne sonderlichen Aufenthalt die von ungefähr zu-
sammengerafften italienischen Küstenschutzabteilungen überrennen und
bis Venedig, dessen militärische Räumung anfangs November bereits
eingeleitet war, vordringen hätte können 2).
1) Im Gegensatz zum Kaiser und zum Generalstabschef war der Stellvertreter
des Zweitgenannten, GM. Waldstätten, vom Anbeginn der Auffassung, daß das Schwer-
gewicht wieder auf den rechten Flügel der Armee Below zu verlegen sei (GM. Wald-
stätten an das Kriegsarchiv, 27. März 1936). Für eine solche Kräftegruppierung sprach
sicherlich die Tatsache, daß die zahlreichen zu überschreitenden Wasserlinien zu-
nächst dem Gebirgsausgang leichter zu überqueren sind als in dem erheblich brei-
teren Unterlauf.
2) Valori, La guerra italo-austriaca 1915—1918 (Bologna 1920), 397.
VI
45
706
Die Her b Staffens i ve gegen Italien
Zwischen dem 1. November, an dem FML. Goiginger von Madrisio
abberufen wurde, und dem 4., an dem sich der Druck der bei Cornino
und Pinzano aufs rechte Tagliamentoufer gesetzten Kräfte der 14. Ar-
mee erst fühlbar machen konnte, war überdies eine für den feindlichen
Feldherrn sehr wertvolle Spanne Zeit verlaufen. Cadorna benützte sie,
den weiteren Rückzug hinter den Piave und auf den Grappastoek in
die Wege zu leiten. Dieser Rückzug ging denn auch im wesentlichen
planmäßig und, abgesehen von der Einkreisung zweier Divisionen bei
Tramonti (S. 621 f.), ohne größere Einbußen vonstatten. Die drei Tage
später erfolgte Gefangennahme von 10.000 Mann bei Longarone ist auf
das Schuldkonto des Kommandos der italienischen 4. Armee zu setzen.
Bei den in der Verfolgung begriffenen Verbündeten lag das Schwer-
gewicht jetzt wieder auf dem Nordflügel der 14. Armee. Dieser hatte
teilweise über die Randberge der Venetianer Alpen, teils ihren Fuß ent-
lang vorzurücken. Er mußte im Vergleich zur 1. Isonzo,armee einen er-
heblich längeren und schwierigeren Weg bewältigen und daher trotz
erstaunenswürdiger Marschleistungen und kühner Waffentaten später
als jene ¡am Piave eintreffen. Nach dem Erreichen von Vittorio und
Longarone gelangte er in den Raum, in welchem sich der Piave und die
Brenta am stärksten nähern und in engen, zum Teil schluchtartigen
Tälern den Weg in die Ebene bahnen. Hier war es, wo der rechte
Flügel der Armeen des Erzherzogs Eugen, die auf dessen Befehl min-
destens noch bis an die Brenta vorzurücken hatten, mit dem linken
Flügel der Heeresgruppe Conrad in Tuchfühlung trat.
Das Zusammenwirken der Südwestfront mit der
Heeresgruppe Conrad
FM. Conrad hatte sehr früh mit den Vorbereitungen zur Mitwir-
kung an der großen Offensive begonnen. Er ballte alle an der Dolo-
mitenfront irgendwie entbehrlichen Kräfte und die zwei, allerdings
recht schwachen Divisionen, die von der Isonzofront herangeführt wur-
den (21. SchD. und lOó.LstID.), auf dem Hochland der Sieben Gemein-
den zusammen, um nach Beendigung der Bereitstellung von Asiago
gegen Valstagna, demnach in geradewegs östlicher Richtung vorzustoßen.
Dieser Plan entsprang der Hoffnung, daß es möglich sein werde, den
noch in den Dolomiten steckenden Italienern den Rückweg durch die
Brentaschlucht zu verlegen.
Mögliche Angriffsrichtungen. der Heeresgruppe Conrad
707
Der Rückzug der Italiener ging aber rascher vonstatten, als es
Conrad erwartet hatte. Dieser nahm nun auch eine zweite Angriffs-
richtung in Aussicht : südöstlich über den Mt. Bertiaga gegen Bassano.
Andere Stoßrichtungen wären die über Arsiero oder — wie es Hinden-
burg vorgeschlagen hatte — den Gardasee entlang gewesen. Gelegent-
lich dachte Conrad sogar, und zwar für den Fall, als sich der weichende
Gegner erst in der Linie Verona—Venedig stellte, an einen Durchbruch
in den Judicarien. In jeder der drei letztgenannten Möglichkeiten hätte
aber eine noch festgefügte Abwehrfront des Feindes durchstoßen wer-
den müssen, wozu weder die Streitkräfte noch die Kampfmittel Conrads
ausreichten; auch ein Eingreifen der heranrollenden deutschen 195. ID.
hätte daran kaum etwas geändert. Auf jeden Fall legte der Feldmar-
schall besonderes Gewicht darauf, mit seinen verhältnismäßig schwachen
Kräften in Anlehnung an den Flügel der Truppen des Erzherzog Eugen
anzugreifen und damit offenbar den Schwung, der diesen Truppen noch
innewohnte, auch für sein eigenes Vorgehen auszunützen.
Die k.u. k. Heeresleitung hatte den Absichten Conrads eine ver-
gleichsweise nicht allzu große Aufmerksamkeit geschenkt. Sie be-
schränkte sich darauf, die Kommandos in Marburg und in Bozen von
den bestehenden Plänen wechselseitig zu unterrichten und setzte den
Erzherzog Eugen am 9. November noch dahin in Kenntnis, daß zur
Unterstützung des von Conrad für den 12. in Aussicht genommenen
Angriffes ein „möglichst gleichzeitiger, kräftiger Druck im Räume zwi-
schen Brenta und Piave erwünscht4' sei.
Die italienische 1. Armee wich mit ihrem Ostflügel aber noch vor
dem 12. November zurück und vermochte sich ziemlich unangefochten
auf dem Melettastock festzusetzen. Die wider dieses Bollwerk Mitte
November unter dem Befehl Conrads geführten Angriffe mißglückten,
und auch das Vorgehen der Gruppe Krauss im Grappagebiete erlahmte
(S. 695), bevor der Austritt in die Ebene erzwungen war. Ebenso schei-
terten am 15. und am 16. die Übergangsversuche, die am Piave unter-
nommen wurden.
In rückschauender Erkenntnis darf man sagen, daß es in dieser
letzten Feldzugsphase geboten gewesen wäre, alle rasch erlangbaren
Kräfte eiligst in den Raum zwischen Piave und Brenta zu werfen und
hier in der von der Heeresleitung gewünschten Entschiedenheit durch-
zubrechen, ehe der Widerstand des Feindes erstarkte. Außer den in
diesem Räume schon angesetzten Truppen wären noch die 9. und die
1. GbBrig. der 11. Armee und die später ohnehin zur Gruppe Krauss
45*
708
Die Herbstoffensive gegen Italien
tretende 94. ID. der 10. Armee entsprechend früh zuzuweisen gewesen.
War in weiterer Folge durch die Aufriegelung des Piaveschrankens
der Weg bis zur Brenta frei, dann konnte man gegebenenfalls alle im
Befehlsbereich des Erzherzogs Eugen entbehrlich gewordenen Kräfte
der Heeresgruppe Conrad überweisen, die dann auch die Brentafront
durch einen Flankenangriff aus den Angelin heben mochte. Durch solch
abschnittweises Vorgehen, das der Heeresleitung bei der am 13. Novem-
ber verfügten Verschiebung von drei Divisionen der Heeresreserve nach
Feltre vielleicht vorgeschwebt war, hätte man, einen nicht allzu zeitigen
Einbruch des Winters in den Bergen vorausgesetzt, möglicherweise noch
bis an die Etsch gelangen können.
Nachdem der Versuch, die italienische Grappastellung im Schwünge
der Verfolgung zu überrennen, mißglückt war, lohnte sich eine Wieder-
holung wohl kaum mehr, da das Gelände einen großzügigen Artillerie-
aufmarsch außerordentlich erschwerte und auch der Nachschub sehr
im Argen lag. Das hatten die schweren Kämpfe, die im Dezember bloß
um einer Stellungsverbesserung willen entbrannt waren (S. 695), mit
aller Deutlichkeit erwiesen. Für eine planmäßig angelegte Durchbruchs-
schlacht hätte sich dann wohl der Raum der 11. Armee, in den die
Suganertalbahn und vortreffliche Anmarschstraßen führten, besser ge-
eignet. Selbstverständlich wäre ein solches Unternehmen, wenn es auch
die Piavefront des Feindes zum Einsturz bringen sollte, mit erheblich
stärkeren Kräften durchzuführen gewesen, als sie FM. Conrad unter
seinem Befehl hatte. In diesem Zusammenhang ist überhaupt die Frage
zu streifen, inwieweit es möglich gewesen wäre, die Stoßgruppe Conrads
von Friaul und Veoetien her stärker mit Truppen zu bedenken, als es
in Wirklichkeit geschah. Nach fachmännischer Berechnung1) wäre es
durchführbar gewesen, bis Ende November zugleich mit der deutschen
195. ID. noch zwei Divisionen vom Isonzo mit der Bahn zur 11. Armee
zu befördern. Auch hätten Kräfte auf der Rocha de Straße von Vittorio
über Belluno, Feltre und Primolano in Fußmärschen in das Suganertal
verschoben werden können, so sie nicht auf dem Wege dahin, wie es
in der Tat geschah, anderen Zwecken (Ablösungen u. dgl.) dienstbar
gemacht wurden. Grundsätzlich ist wohl zu bemerken, daß auch ein
mit stärkeren Kräften unternommener Angriff auf dem Hochland der
Sieben Gemeinden kein leichtes Spiel gehabt hätte. Dafür sprechen die
Erfahrungen aus der Maioffensive des Jahres 1916. Nicht minder lassen
der am 22. November beim Angriff gegen die Meletta eingetretene Miß-
x) General Ing. Ratzenhof er an das Kriegsarchiv, Wien, 3. April 1936.
Das Abbleiben der höheren Kommandos
709
erfolg (S. 672) sowie die gewaltigen Anstrengungen, die die Wegnahme
dieses Gebirgsstockes am 4. und 5. Dezember forderten (S.685f.), die
Schwierigkeiten ermessen, die ein in die Tiefe greifender Durchbruch
in dem verkarsteten Waldgebirge südlich von Asiago zu überwinden
gehabt hätte. Die Anlage einer solchen neuen Durchbruchsschlacht, so-
ferne sie der hereinbrechende Winter überhaupt gestattet haben würde,
hätte aber sicherlich wochenlanger Vorbereitungen bedurft.
Wie immer man sich im übrigen zu solchen Möglichkeiten stellen
mag, so drängt sich doch wohl die Erkenntnis auf, daß die Tätigkeit
der obersten Leitung der Kriegshandlung zumal in diesen entscheiden-
den Tagen und da wieder namentlich an der Nahtstelle zwischen den
Truppen des Erzherzogs Eugen und des FM. Conrad die geboten ge-
wesene Regelung des Zusammenwirkens der einzelnen Heeresteile ver-
missen ließ. Ungenügende Kenntnis über die Vorgänge an den Brenn-
punkten der Kämpfe hatte dem k. u.k. AOK. eine solche Regelung
allerdings auch sehr erschwert. Rückschauende Betrachtung kommt an
der Tatsache freilich nicht vorbei, daß Truppe und mittlere Führung
auf dem großen Siegeszug vom Isonzo zum Piave die glanzvollsten Lei-
stungen vollbrachten, daß jedoch in der Tätigkeit der hohen und höchsten
Führung zweifellos die eine oder die andere Lücke wahrzunehmen ist.
Von den vor Beginn der Offensive an deir Isonzofront befehligenden
Armeekommandos war es lediglich das deutsche 14., das seinen Divi-
sionen ungesäumt an den Fersen blieb und auch die Fühlung mit den
vordersten Truppen fast nie verlor. Diesesi schon vor Riga erprobte
Kommando bewährte sich denn auch weiterhin über den von Kreuznach
gesteckten Rahmen hinaus als der treibende Geist. Dagegen vermochten
sich die Kommandos der Isonzoarmeen und der Heeresgruppe Boroevic
— gewiß eine Folge des zweieinhalb Jahre dauernden, von ihnen her-
vorragend geleiteten Stellungskrieges — zu Beginn der Offensive nur
schwer von der gewohnten Arbeitsstätte und von der eingelebten Arbeits-
weise zu trennen. Das Abreißen der Verbindung zu den vorstürmenden
Truppen in wichtigen Augenblicken war die unvermeidliche Folge1).
Auch die Einrichtung der obersten Leitung entsprach nicht allen Be-
dingungen. Daß es den kaiserlichen Oberbefehlshaber zu den kämpfenden
*) In einem später an das k. u. k. AOK. gelangten Bericht des Feldtelegraphen-
chefs wurde geltend gemacht, daß den Telegraphenbauabteilungen durch die „Aus-
tauschaktion" alle felddiensttauglichen Leute entzogen worden seien. Die als Ersatz
eingestellten mindertauglichen Landstürmer seien beim Vormarsch den Anforderungen
eines beschleunigten Vorbaues von Leitungen körperlich nicht gewachsen gewesen.
710
Die Herbstoffensive gegen Italien
Truppen drängte, entsprach seinem soldatischen Denken und wohl auch
dem Wunsche, aus der Stickluft der politischen Sorgen in die reinere
Atmosphäre der Armee zu flüchten. Die Sorglosigkeit, mit der er dabei
auch Gefahren nicht aus dem Wege ging, zeugte für die oftbewährte
Unerschroekenheit des jugendlichen Herrschers. Wohl ¡aber war es
kaum zweckmäßig, daß auch der Generalstabschef den Obersten Kriegs-
herrn grundsätzlich auf allen seinen Frontfahrten begleitete, indes der
Arbeits apparat in Baden bei Wien fernab seinen Pflichten oblag. Da
Gdl. Arz auf solche Weise ;als Begleiter des Kaisers tagsüber fast unab-
lässig den Standort wechselte, und die Verbindung zwischen Baden und
dem im Küstenland zurückgebliebenen Hofzug fast nur in den Abend-
stunden und zur Nachtzeit erfolgreich wirken konnte, kam es vor, daß
sich dringende Entscheidungen um halbe und ganze Tage verzögerten,
und daß die darauf fußende Befehlsgebung sehr oft vom ungestümen
Fluß der Geschehnisse überholt wurde. Gewiß hatte der Generalstabs-
chef auch für sein stetes Verbleiben in der Umgebung des Kaisers
triftige Gründe. Aber ihr Gewicht wurde doch zweifellos von den Nach-
teilen überwogen, die daraus für die Führung der einander hastig fol-
genden Ktiegshandlungen erwuchsen.
Die Einstellung der Offensive und ihr Ergebnis
In der Literatur ist auch mehrfach die Frage behandelt worden,
ob es durch eine Fortführung der Offensive möglich gewesen wäre,
den Italiener völlig in die Knie zu zwingen1);. Hiezu ist vor allem
zu sagen, daß die Angriffsbewegung schon wegen der in Oberitalien
eingetroffenen französischen und englischen Divisionen, die damals in
Kreuznach und Baden auf mindestens zwölf geschätzt wurden, nicht
ohne erhebliche Verstärkung der eigenen Kräfte fortzuführen gewesen
wäre. Da um diese Zeit alle im Osten stehenden öst.-ung. Divisionen ein-
gesetzt oder in der Ablösung deutscher Heereskörper begriffen waren,
hätte diese Verstärkung nur aus deutschen Divisionen bestehen können.
Mit ihnen hätte sich dann möglicherweise eine völlige Niederwerfung
Italiens erzielen lassen.
Aber die DOHL. war längst daran, die für das nächste Frühjahr
geplante große Entscheidungsoffensive vorzubereiten, zu der auch der
letzte, irgendwie entbehrliche Mann herangezogen werden sollte2).
*) Krauss, Ursachen, 220. — Kühl, II, 219.
2) Ludendorf f, 432 ff.
Möglichkeit völliger Niederwerfung der Italiener
711
Gdl. Ludendorff hatte bereits am 3.November in Baden seinen Offensiv-
plan angekündigt und damals schon den Piave als das anstreben s werte
Ziel in Venetien bezeichnet. Als dieser Fluß erreicht war, zeigten die
deutschen Heereskörper, deren Befehlshaber von den Ansichten der
obersten Führung wohl schon wußten, im Gegensatz zu früher keine
sonderliche Neigung mehr, den Angriff noch vorwärtszutragen. Schließ-
lich war es denn auch das 14. Armeekmdo., das den Antrag zur Be-
endigung der Kriegshandlutig stellte.
Damit war der große Feldzug zu einem, aus dem Blickfeld der
höchsten Kriegführung gesehen, nicht vollauf befriedigenden Abschluß
gelangt1). Er war mit einem vergleichsweise außerordentlich begrenzten
Ziele aufgenommen worden und in kurzer Zeit weit über diesen Rah-
men hinaus gediehen. Die ursprüngliche Zielsetzung hatte vielleicht
zur Folge, daß der nun einmal allein vollen Erfolg verheißende Ver-
nichtungsgedanke auch im weiteren Verlauf der Kriegshandlung nie
zu völliger Geltung kam. Die italienische 2. Armee wurde durch den
Durchbruch von Flitsch-Tolmein zerschlagen. Die 3. Armee wäre bei
Latisana ins Mark zu treffen gewesen. Durch einen Vorstoß über Ma-
drisio gegen Nordwesten hätten die Reste der 2. und die Masse der
zu lange im Gebirge verbliebenen 4. Armee abgeschnitten werden kön-
nen. Diese sicherlich gegebenen Möglichkeiten blieben ungenützt. Es
wurden wunderbare Leistungen im Kampfe um Stellungen, um Berge
und Flußlinien und auch im Marschieren durch Tag und Nacht voll-
bracht; aber das große Manöver kam dabei wohl in bedeutsamen
Augenblicken zu kurz. Das feindliche Heer entging der Vernichtung,
der es mehr als je ausgesetzt war.
Vergleicht man jedoch die Hochspannung, die im Sommer 1917
am Isonzo geherrscht hatte und von einer Stunde zur anderen zu einer
Katastrophe hätte führen können, mit dem im November auf der ita-
lienischen Walstatt Erreichten, so kann man den verbündeten Heeres-
leitungen das Recht zubilligen, daß sie am Schlüsse des Feldzuges mit
dem Erfolge zufrieden waren. In stolzem Wettstreit, der sich bei ge-
meinsamem Vorgehen stets fühlbar gemacht hatte, waren die Truppen
der verbündeten Mittelmächte vom Isonzo an den Piave vorgestürmt.
Sie durcheilten in siebzehn Tagen einen 120 km tiefen Raum, mußten
dabei immer wieder stark befestigte Bergstellungen oder Hochwasser
führende, vom Feinde gehaltene Flußlinien bezwingen. Die weit ge-
schwungene Front vom Astico bis zur Adria bei Monfalcone hatte
*) Hindenburg, 263.
712
Die Herbstoffensive gegen Italien
384km betragen; von Mitte November an zählte sie nur mehr 140km
und hatte sich also fast auf ein Drittel verkürzt. Die Front inVenetien
lag hinter einem starken, übersichtlichen Flußhindernis. Die neugewon-
nenen Gebirgsstellungen zwischen Asiago und dem Piaveknie bei Quero
waren wohl unbequem, aber doch gewiß zu behaupten. Die Frontver-
kürzimg machte das Herausziehen der deutschen Divisionen leicht, die
nach dem Auftreten von Ententestreitkräften in Oberitalien mit dem
stolzen Bewußtsein abziehen konnten, auch ihrer Westfront mittelbar
Erleichterung gebracht zu haben. Sie gestattete aber auch das Ausschei-
den zahlreicher Verfügungstruppen, die in Erholungsquartieren rasten
konnten. Der Nachschub an die Front in der Ebene war nach Betriebs-
aufnahme auf dem ganzen Netz der Heeresbahn Süd-West gesichert
(S. 643). Überdies gestattete das reiche Straßennetz nach Wiederher-
stellung der Brücken die volle Ausnützung des mechanischen Zuges. Der
Nachschub an die Gebirgsfront zwischen Brenta und Piave war dagegen
schwierig und blieb stets unzulänglich. Um das Vollbahnstück im oberen
Piavetal zwischen Vigo und Fei tre für den Nachschub auszunützen,
wurde eine von Niederdorf ausgehende, im Höhlensteintale führende
Feldbahn über Schluderbach hinaus vorgebaut, die südlich von Cortina
d'Ampezzo an eine italienische Schmalspurbahn und später an einen
Seilaufzug anschloß, daher nur geringes leisten konnte. Der Hauptnach-
schub mußte von Vittorio nordwärts über S. Croce nach Ponte nelle Alpi
zur Bahn vorgebracht werden, um dann aus dem Becken Feltre—Fon-
zasO' mit Tragtieren und Trägern zur Hochgebirgsfront zu gelangen.
Die Größe des erfochtenen Sieges offenbarte sich in nichts deut-
licher als in den Einbußen, die der Feind erlitten hatte. In der Zeit vom
24. Oktober bis zum 10. November hatte er 10.000 Mann durch Tod,
30.000 durch Verwundung und 293.000 durch Gefangennahme verloren.
An die 350.000 Flüchtlinge und Versprengte füllten die Etappe und
das Hinterland. Der Gesamtabgang an Kämpfern hat demnach fürs
erste 700.000 Mann betragen. Bis zum 20. November stieg diese Zahl,
wenn man die Kranken dazurechnet, nach amtlichen italienischen
Quellen auf 800.0001).
Diese gewaltigen Verluste bedingten naturgemäß auch eine Ver-
ringerung der Zahl der Heeresverbände. Bis zum 24. November wurden
22 Infanteriebrigaden, 3 Bersaglieriregimenter, 3 selbständige Bersaglieri-
bataillone, 15 Alpiniba.taillone sowie zahlreiche Maschinengewehrkom-
pagnien und Batterien aufgelöst. Der Verlust an Artilleriegerät betrug
Bericht der Untersuchungskommission, I, 373 f.
T-
Die Verluste bei Feind und Freund 713
3150 Geschütze und 1732 Minenwerfer ; rund 7000 Geschütze und
2400 Minenwerfer hatte das italienische Heer zu anfang Oktober 1917
besessen1). Überdies gingen 300.000 Gewehre, 3000 Maschinengewehre
und 2000 Maschinenpistolen verloren.
Gewaltig waren die Vorräte an Verpflegung, Bekleidung, Sanitäts-
mate rial usw., die den Verbündeten auf ihrem Vormärsche in die Hände
fielen. Die Soldaten der Mittelmächte, längst auf die schmälste Kost
gesetzt, konnten plötzlich, wenn auch nur für kurze Zeit, wieder aus
dem Vollen schöpfen, und die eine oder andere Lebensmittelsendung er-
reichte auch die Hungernden in der Heimat. Zum Schaden der Armee
war bei den eng umgrenzten Kampfzielen zu Beginn des Feldzuges auch
der Beutedienst nur unvollkommen organisiert, so daß ziemliche Men-
gen an Vorräten ungenützt zugrunde gingen.
Die Verluste der Verbündeten sind nicht genau zu erfassen. Die
Heeresgruppe Boroevic meldete vom 24. Oktober bis zum 1. Dezember
einen Abgang von 2353 Mann durch Tod und 12.343 durch Verwundung;
5709 Mann galten als vermißt2). Der Stand der bei der 14. Armee ein-
geteilten öst.-ung. Divisionen (die vordem zur 10. Armee gehörende
94. ID. miteinbezogen) verminderte sich in der gleichen Zeit um
16.400 Mann. Da die deutschen Divisionen an Streiterzahl etwas schwä-
cher waren, können ihre Abgänge auf 15.000 Mann beziffert werden.
In den Verlustmeldungen der Heeresgruppe Conrad sind für die Zeit
vom 10. bis 24. November 878 Tote, 6614 Verwundete, 6962 Kranke und
599,Vermißte aufgewiesen. Die Gesamtverluste der Verbündeten mögen
sich in den fünf entscheidenden Feldzugswochen daher auf 70.000 Mann
belaufen haben3).
Die Offensive der Verbündeten war vor der von Cadorna ge-
wählten Verteidigungslinie zum Stillstand gekommen. Gerechtes Urteil
wird dem Chef des italienischen Generalstabes zubilligen, daß er nach
dem jähen Zusammenbruch der 2. Armee von sich aus alles getan hat,
das Heer in seiner Gesamtheit vor einem ähnlichen Schicksal zu be-
wahren, und daß in diesem Zusammenhang seine Entschlußfassung und
seine Befehlgebung durchaus ihren Zwecken entsprachen. Als er die
*) Bericht der Untersuchungskommission^ II, Tafel 14. — Rivista di Artiglieria
e Genio, Jhrg. 1933, Oktoberheft. — Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 82.
2) Hiebei sind die Verluste der noch während der Operationen an die Ostfront
entsandten 43. SchD. und der 187. LstlBrig. nicht mitinbegriffen.
3) Über die Verluste der nach Tirol verschobenen Teile der 10. Armee liegen
keine Meldungen vor.
714
Die Herbstoffensive gegen Italien
Befehlsgewalt an seinen Nachfolger übergab, waren die grundlegenden
Anordnungen für die Wahl der neuen Abwehrlinie bereits erlassen.
Die Verkürzung der Kampffront kam hiebei natürlich auch dem ita-
lienischen Heere zustatten. Es konnte den Ausfall der 2. Armee ver-
schmerzen und fand, wenn auch durch die Aussicht auf die Hilfe der
Alliierten moralisch gestützt, dennoch aus sich selbst heraus die Kraft,
den verfolgenden Gegnern Halt zu gebieten.
Die italienische Heeresleitung war überdies bemüht, die ungewöhn-
lich hohen Verluste möglichst rasch zu decken. Am 24. November waren
bereits 170.000 Ersatzmänner, 50.000 Geneseoe und 80.000 Urlauber
an die Front gesandt worden; gleiches geschah mit 300.000 Verspreng-
ten und Fahnenflüchtigen, die vorerst in Sammellagern vereinigt wur-
den. Die gelichteten Verbände konnten somit noch im Jahre 1917 mit
insgesamt 600.000 Mann aufgefüllt werden1). Für den Ersatz der ver-
lorenen Waffen sorgten die ziemlich leistungsfähige Industrie Italiens
sowie die gewaltigen Rüstwerkstätten der Westmächte und ihres neuen
amerikanischen Bundesgenossen.
Der wirtschaftliche und moralische Wiederaufbau des italienischen
Heeres erhielt, abgesehen von der Unterstützung durch die Alliierten,
auch aus dem Innern des Landes mächtige Impulse. Das Kabinett Bo-
selli, das seit Juni 1916 ;am Ruder war, wurde gestürzt. An seine Stelle
trat die Regierung Orlando. Unter ihrer Förderung gründeten Sena-
toren und Deputierte im Dezember 1917 den „Fascio della difesa na-
zionale", der die entschlossene Fortführung des Kampfes auf seine
Fahne schrieb und unter dieser alle zu seinem Programm stehenden
Kräfte versammelte. So konnte es geschehen, daß ein fast in Auflösung
begriffenes Heer in wenigen Wochen wieder zu einem achtbaren Feind
geworden war, der sich entschlossen zeigte, das Spiel noch keineswegs
verloren zu geben.
Die Truppen der Mittelmächte hatten auf dem Siegeszug vom
Isonzo zum Piave Großes geleistet. Stolz und gehobenen Sinnes rüsteten
sich Österreich-Ungarns Kämpfer in ihren neuen Stellungen in den
Vicentinischen Alpen und am Piave für den vierten Kriegswinter. Das
in Venetien stehende Heer hatte durch seinen Sieg einen ungeheuren
Auftrieb erhalten. Dieses von der Truppe .ausgehende Kraftgefühl
stärkte auch die Heeresleitung, die dessen bedurfte, um mit Zuversicht
und Festigkeit die für das kommende Entscheidungsjahr nötigen Ent-
schlüsse fassen zu können.
1) Bericht der Untersuchungskommission, I, 374.
DER AUSKLANG
DES KRIEGSJAHRES 1917
Der Osten im letzten Jahresviertel 1917
Weiterer V e r f a 11 der Staatsgewalt und des Heeres
in Rußland
Im großen russischen Reiche waren dem kurzen kriegerischen Auf-
schwung, zu dem Kerenski das Heer im Hochsommer aufzustacheln ver-
mocht hatte, bald neue innere Wirren gefolgt, die das schwererschütterte
Staatswesen nicht zur Ruhe kommen ließen. Der von Kerenski ernannte
Höchstkommandierende, Gen. Kornilow (S. 320), vertrat nachdrücklich
die Ansicht, daß der Kriegszustand mit den Mittelmächten nur aufrecht-
zuerhalten sei, wenn die Befehlsgewalt und eine straffe Manneszucht
im Heere, selbst mit den schärfsten Mitteln, zugleich aber :auch die
Ordnung im ganzen Staate wiederhergestellt würden. Die Vorschläge
des Generals fanden in dem britischen Botschafter Buchanan einen
eifrigen Fürsprecher; denn begreiflicherweise lag der Entente viel
daran, daß Rußland nicht aus dem Kriege ausspränge1). Auch Kerenski
war von der Notwendigkeit überzeugt, daß die Wehrmacht durch
strenge Maßnahmen wieder aufgerichtet werden müsse 2) ; er war auch
auf einen Teil der Forderungen Kornilows eingegangen, scheute aber
davor zurück, den militärischen Führern zu einer Machtfülle zu ver-
helfen, die sich geigen die Regierung wenden könnte. So bildete sich
zwischen dem durch die Revolution emporgehobenen Staatslenker und
dem Oberbefehlshaber — beide Männer waren von grundverschiedener
Wesensart — ein immer schärferer Gegensatz heraus, der letzten Endes
zu einem Streit um den Besitz der Armee wurde 3). Auf den tatkräftigen
General, der seine Forderungen in sehr bestimmten Ton kleidete,
blickten die Offiziere und die bürgerlichen Kreise als den Retter
Rußlands. Dies bestärkte in Kerenski den Argwohn, daß die hohen
Offiziere auf eine Militärdiktatur hinarbeiteten4).
In Kornilows Programm spielte die Unterstellung des Petersburger
x) Buchanan, Meine Mission in Rußland (Berlin 1926), 216ff.
2) Smilg-Benario, Von Kerenski zu Lenin, 180ff.
3) Spannocchi, 168ff.
4) M a r t i n o w, Kornilow, 63 ff. — Kerenski, Erinnerungen (Dresden 1928),
382 ff.
7.18
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
Militärbezirkes unter die Stawka eine große Rolle; diese Maßnahme
wurde mit allenfalls notwendigen Kriegshandlungen im Bereiche des
Finnischen und des Rigaschen Meerbusens begründet. Schon anfangs
August war die russische Heeresleitung vom französischen Geheimdienst
verständigt worden, daß die Deutschen gegen Riga ein größeres Unter-
nehmen vorbereiteten. Als angebliche Gegenvorsorge ließ Kornilow
gegen Monatsende das III. Kavalleriekorps (l.DonKosD., UssuriKosD.)
und die Kauk. Einheim.KosD. von der Südwestfront hinter die Nord-
front verlegen. In Wahrheit wollte der Höchstkommandierende jedoch
mit diesen noch verläßlich scheinenden Truppen in Petersburg den
wachsenden Einfluß gewinnenden Sowjet beseitigen1).
Als die Deutschen die Offensive an der Rigafront begonnen hatten
(S. 407), bestand Kornilow darauf, daß ihm der Militärbezirk Peters-
burg zum Schutze der Hauptstadt unterstellt werde, und daß die Re-
gierung auch alle übrigen militärischen Forderungen erfülle. Unter
dem Ernst der Lage zeigte Kerenski Entgegenkommen und war auch
einverstanden, daß die Kavallerie zum Schutz der Regierung nach
Petersburg entsendet werde, um den bei der Verkündigung der Heeres-
reformen von Seite der Bolschewiken zu erwartenden Unruhen begeg-
nen zu können. Das Befehlsrecht über die Garnison der Hauptstadt
und das Handhaben ¡des Belagerungszustandes behielt sich jedoch
die Regierung vor. Kornilow forderte jetzt im Hinblick auf den drohen-
den Bolschewikenaufstand als beste Lösung vom Ministerpräsidenten
die Übergabe der gesamten Militär- und Zivilgewalt, den Rücktritt des
Ministeriums und gab die Absicht kund, selbst ein Kabinett zu bilden.
In der Nacht vom 8. auf den 9. September sprach Kerenski die Ab-
setzung des Generals aus und forderte den Generalstabschef der
Stawka, den Gen. Lukomski, auf, einstweilen den Oberbefehl zu über-
nehmen; dieser lehnte jedoch ab2). Am 9. September brandmarkte der
Ministerpräsident in einer öffentlichen Kundgebung das Vorgehen Kor-
nilows als Anschlag gegen die Staatsgewalt. Als Oberbefehlshaber
wurde der Kommandierende der Nordfront, Gen. Klembowski, be-
stimmt. Kornilow weigerte sich, von seinem Posten abzutreten und
wandte sich gleichfalls mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit. Die
Provisorische Regierung, hieß es in dem Schriftstück, stehe unter dem
Druck des bolschewikischen Komitees und handle im Einverständnis
*) M a r t i n o w, 56 ff.
2) Lukomski, Erinnerungen des Generals A. S. Lukomski (Berlin 1923), I,
220 ff.
Übernahme des militärischen Oberbefehls durch Kerenski
719
mit den Deutschen. Er, Gen. Kornilow, Sohn eines Kosake nbauern,
erkläre, daß er nichts für sich, sondern nur die Erhaltung des großen
Rußland erstrebe; er schwöre, daß er das Volk zum Siege über den
Feind führen werde, bis der Zusammentritt der gesetzgebenden Ver-
sammlung es dem Volke ermöglichen werde, selbst die neue Staatsform
zu bestimmen. Bevor er aber Rußland den Händen seines Erbfeindes,
den Deutschen, ausliefere, zie he er vor, auf dem Schlachtfeld zu ster-
ben1). Die Heerführer stellten sich in der Mehrzahl auf die Seite Kor-
nilows, Klembowski nahm den Oberbefehl nicht an. Trotzdem aber
hatte: Kornilow verspielt. Er hatte zwar die Generale, Stäbe und den
Großteil der Offiziere für sich, die Soldatenmass(e schlug sich jedoch
unter dem Einfluß des Frontkomitees auf die Seite Kerenskis. Der
Zentralrat der Arbeiter, Soldaten und Bauern zu Petersburg, wiewohl
er sonst der Provisorischen Regierung reichlich Schwierigkeiten zu be-
reiten pflegte, hatte seine Anhänger sofort zum heftigsten Widerstand
gegen das Vorhaben Kornilows aufgerufen, um die Früchte der Revo-
lution zu verteidigen. Dem III. Kavalleriekorps wurde der Schienen-
weg nach der Hauptstadt gesperrt, der Geist der Truppe überdies
durch Sendlinge umgestimmt.
Versuche, zwischen den beiden Machthabern Rußlands zu vermit-
teln, worum sich auch Gen. Alexejew sowie die Vertreter der Entente-
staaten bemühten2), schlugen fehl. Am 12. September übertrug die
Regierung dem Ministerpräsidenten Kerenski auch den militärischen
Oberbefehl; Gen. Alexejew ließ sich herbei, als Generalstabschef nach
Mohilew in die Stawka zu fahren, um den völligen Zerfall des Heeres
zu verhindern und das Los des Gen. Kornilow und seiner Anhänger
zu mildern3). Kornilow, Lukomski, dann der Kommandierende der
Südwestfront, Gen. Denikin, zwei seiner Armeeführer und eine Reihe
sonstiger Offiziere wurden verhaftet.
Als alter und erfahrener Soldat mächte Gen. Alexejew noch einen
letzten Versuch, die fortschreitende Auflösung der russischen Wehr-
macht zu hemmen. Er berichtete am 15. September nach Petersburg, das
Heer sei zu keiner größeren Kampfhandlung mehr geeignet, höchstens
zu kleinen Unternehmen einzelner Regimenter, allenfalls noch einzelner
*) Martino w, 100. — Smilg-Benario, Von Kerenski zu Lenin, 213 ff.
— Spannocchi, 176.
2) B o r i s s o w, General Michael Wassiljewitsch Alexejew (Wojennij Sbornik,
Belgrad 1922, 2. Heft). — Buchanan, 227 ff.
3) Martinow, 153ff.
720
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
Divisionen. Die Regierung müsse sich entscheiden und zu strengen Ge-
setzen aufraffen, falls sie noch auf eine Kampffähigkeit rechnen wolle1).
Dieser Mahnruf verhallte wirkungslos. Nach etwa zehntägiger Tätig-
keit schied Alexejew aus der Stawka. Zum Nachfolger ernannte Ke-
renski den Gen. Duchonin. An der Nordfront wurde Klembowski durch
den Revolutionsgeneral Tseheremisow ersetzt; als Befehlshaber der
Westfront behauptete sich noch Balujew, desgleichen überdauerte an
der Rumänischen Front Gen. Schtscherbatschew, der dem König Fer-
dinand zur Seite stand, alle politischen Schwankungen. Auch eine Reihe
von Armeeführern war ausgewechselt worden; im allgemeinen wurden
jetzt beim Besetzen von Führerstellen nicht mehr militärische, sondern
revolutionär-politische Eigenschaften geschätzt.
Die Südwestfront wurde dem Gen. Wolodtschenko (S. 320) anver-
traut, da er dem inzwischen entstandenen Natioinalrat der Ukraine
(Rada) genehm war. Zu den vielen Schwierigkeiten, die sich vor der
Provisorischen Regierung seit ihrem Bestände auftürmten, gehörten
die Bestrebungen russischer Randländer, das Gefüge der bisherigen
Reichseinheit zu lockern oder zu sprengen. Schon im Frühjahr 1917
war in der Ukraine der Wunsch nach Selbständigkeit erwacht2). Er
äußerte sich anfänglich in der Forderung, ukrainische Truppen in.
eigenen Korps (VI., XXXIV.) unter stammeszugehörigen Führern1 zu-
sammenzufassen; schließlich wurde geltend gemacht, daß der Bereich
der Südwestfront kein russischer, sondern ein ukrainischer sei. Auch
in Bessarabien hatten Führer rumänischen Volkstums eine Strömung ent-
facht, um das Gebiet als staatliches Sonderwesen von Großrußland zu
scheiden3). Der finnländische Landtag erstrebte die volle Unabhängig-
keit seines Landes; die Kerenski-Regierung beantwortete zwar dieses
Verlangen mit der Auflösung der Körperschaft und mit verstärkter Be-
setzung des Gebietes, trotzdem führten die Landesvertreter den poli-
tischen Kampf gegen die russische Zentralmacht weiter4).
Die Provisorische Regierung hatte durch die Niederwerfung des
„Kornilow-Auf standes" ¡an Macht nicht gewonnen5); im Gegenteil,
diese glitt immer mehr in die Hände der örtlichen Sowjets über, in
denen die radikale Linksströmung, zu Petersburg durch Lenin und
x) Spannocchi, 178 f.
2) Koro stowetz, Lenin im Hause der Väter (Berlin 1^28), 258 ff.
3) Kiritzesco, 384ff.
4) Smilg-Benario, Von Kerenski zu Lenin, 238 ff.
5) Ebenda, 228 ff.
Wachsende Gärung in Rußland
721
Trotzki vertreten, überwiegenden Einfluß erhielt. Die Soldatenmassen
an den Fronten wurden gleichfalls immer radikaler, ihr Mißtrauen
gegen die Offiziere wuchs. In ganz Rußland gärte es. Mit größter
Mühe brachte Kerenski anfangs Oktober ein neues, das vierte Koali-
tionskabinett zustande, dem Trotzki sofort die schärfste Gegnerschaft
ansagte. Eine Erklärung der Regierung verkündete, sie strebe den Ab-
schluß eines allgemeinen Friedens unter Ausschluß jeder Vergewalti-
gung an. Darüber werde sie sich demnächst bei einer Zusammenkunft
der interalliierten Mächte auf Grundlage der von der russischen Revo-
lution verkündeten Grundsätze zu verständigen trachten. Im Interesse
des Friedens werde die Regierung alle ihre Kräfte vereinen, um die
gemeinsame Sache der Verbündeten zu unterstützen, das Land zu
verteidigen und jedem Versuch, Rußland einen fremden Willen auf-
zuzwingen, energisch entgegenzutreten1). Die Botschafter Englands,
Frankreichs und Italiens forderten jedoch vom Ministerpräsidenten
in entschiedener Form, die Kampffähigkeit des Heeres zu heben2)
und durch Taten zu beweisen, daß die Regierung gesonnen sei, ihren
Willen an der Front wie im Hinterlande durchzusetzen. Damit werde
sich Rußland die vollste Unterstützung der Alliierten wahren. Kerenski
mußte erwidern, er werde diese Vorstellungen geheimhalten, da die
Bekanntga.be im Lande die größte Entrüstung hervorrufen würde. Er
vermochte nur eine unbestimmte Zusage zu geben, daß Rußland den
Krieg weiterführen werde. Die Zustände im Heer und im Hinterlande,
die trostlose Bahn- und Verpflegslage drängten, den Krieg zu beenden.
Ereignisse bei den Heeresfronten Erzherzog Joseph
und Prinz Leopold
(Oktober bis Mitte November)
Hiezu Beilage 3 4
Die gegen Rußland und Rumänien aufgebotenen Streitkräfte der
Mittelmächte hielten im Osten weiter Wacht (S.408). Aufmerksam ver-
folgten die Heeresleitungen und die hohen Befehlsstellen an der Front
die Vorgänge im russischen Reiche und deren Auswirkungen auf die
Kriegslage. Der Nachrichtendienst, für den die Russen selbst durch
ihre Funksprüche nach wie vor die wertvollsten Angaben beisteuerten,
!•) Smilg-Benario, Von Kerenski za Lenin, 254ff.
2) Buchanan, 233ff.
VI - 46
722
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
vermochte über die innerpolitischen Parteikämpfe in dem aufgewühlten
Staate ein ausreichendes und zutreffendes Bild zu liefern. Nach den
Schlägen, die die Deutschen im September dem russischen Noirdheere
(S. 407) zugefügt hatten, brauchten die Verbündeten wohl nicht mehr
damit zu rechnen, große Angriffshandlungen führen zu müssen. Nicht so
leicht und klar war aber von Führung und Truppe zu beurteilen, was sie
im besonderen dem jeweils gegenüberstehenden Feinde zutrauen durften.
Ließ der durch die Propaganda mit den Russen unterhaltene Verkehr
ihre Infanterie teilweise als eine kriegsmüde, kampfesunwillige, poli-
tisierende Soldatenmasse erscheinen, die ihre Offiziere absetzte und ver-
folgte, so hatten doch andere Waffen, namentlich Artillerie und Flieger,
mehr militärischen Gehalt bewahrt und scheuten, wenn schon das Fuß-
volk fast untätig verharrte und nur seine Gräben bewachte, vom Kampfe
noch keineswegs zurück. Das Gleiche galt von neugebildeten, besonders
ausgewählten Sturmabteilungen.
Anfangs Oktober gab das Kommando der Heeresfront Erzherzog
Joseph Leitgedanken für das weitere Verhalten aus. Bei der 1. Armee
seien für die nächste Zeit nur kleine Unternehmen des Feindes, so
besonders im Ojtozgebiet, zu erwarten, von Seite der Rumänen sei aber
auch ein größerer Angriff nicht ausgeschlossen,. Gegen die 7. Armee
scheine der Russe augenblicklich keine Angriffsabsichten- zu hegen,
seine Kräftegruppierung (S. 405) erlaube ihm aber eine plötzliche Ent-
schlußänderung. Eine verläßliche Abwehr müsse daher vorbereitet sein.
Beide Armeeführer wurden angewiesen, bisher stark beanspruchte Di-
visionen durch mehr geschonte auszuwechseln,, die Kräfte in die Tiefe
zu gliedern und rasch verschiebbare Reserven auszuscheiden. Auch vor
der k. u. k. 3. Armee, vor Czernowitz, standen erhebliche Russenkräfte.
Bei der I.Armee waren mittlerweile alle Truppen der 8. KD. ins
Sovejabecken gelangt (S. 404); die Verteidigiingsabschnitte der Gruppe
Marenzi (7., 8. KD.) und der deutschen 218. ID. wurden am 3. Oktober
der zur Heeresgruppe Mackensen gehörigen deutschen 9. Armee zu-
geschlagen. Weitere Neugliederungen innerhalb der 1. Armee folgten.
Aus dem XXI. Korps löste GO. Rohr durch Strecken der Nachbar-
divisionen die 3. KD. aus, die um die Monatsmitte den rechten Flügel
der 70. HID. (VI. Korps) übernahm. Dieser Abschnitt, der als Flanken-
schutz für die Gruppe Gerok wichtig war, wurde der deutschen 225. ID.
(Gruppe Woyna) und diese unmittelbar dem Befehle Geroks unterstellt ;
dem k. u. k. VIII. Korps wurde die südlich benachbarte 37. HID. ein-
gegliedert. Das Kommando der Gruppe Liposcak erhielt nunmehr die
Örtliche Kämpfe in der Bukowina
723
Bezeichnung Kommando des IX. Korps, nachdem diese bisher im Be-
reiche der 2. Armee bestandene Befehlsstelle dort aufgelassen worden
war. Der Feind beschränkte sich auf gelegentliches Störungsfeuer seiner
Batterien und auf Patrouillengeplänkel.
Mehr Obsorge des Heeresfrontkommandos erheischten die 7. und
die 3. Armee. Das 7.Armeekmdo. übersiedelte am 1. Oktober von Kim-
polung nach Kuty. Zu Beginn des Monats wurde die anfangs für die
Isonzofront bestimmte bayr. 8. RD. der 7. Armee auf Wunsch der
DOHL. nach dem Westen abbefördert (S. 504). Als Ersatz rückte die
bayr. KD. aus dem Bereich des XXVI. Korps zum Karpathenkorps; die
zur 3. Armee abgezweigte 1. preuß. KBrig. wurde jedoch zur Heeres-
gruppe Mackensen in die Walachei abgesendet. Am 3. Oktober verjagte
beim k. u. k. XXVI. Korps die deutsche 4. ErsD. (S.405), die in der
zweiten Septemberhälfte die Front nördlich der 40. HID. bezogen hatte,
die Russen aus Obermilleschoutz und fügte die neugewonnene Stellung
der Abwehrlinie ein. Der Feind vergalt dies in, den nächsten Tagein
mit einem ausgiebigen Artilleriefeuer zwischen den Flüssen Suczawa
und Sereth. Am 6. Oktober griff er nordwestlich der Stadt Sereth beim
Karpathenkorps die inneren Flügel der deutschen 1. und der öst.-ung.
31. ID. an und durchstieß bei Waschkoutz überraschend die vorderste
Linie. Die Angreifer, die 31. Russendivision, die auch zwei „Tanks"
verwendet hatten, konnten erst durch den Einsatz stärkerer Kräfte
— etlicher öst.-ung. und deutscher Bataillone — zurückgeschlagen
werden1). Die deutsche 4. ErsD. wurde nunmehr dem Karpathenkorps
untergeordnet, dessen Führer, GLt. Conta, schon seit der Abberufung
des Gdl. Krauss (S. 408) auch über das angrenzende XXVI. Korps als
Gruppenkommandant gebot, damit das wichtige Frontstück an der
Moldaugrenze von einer Hand gelenkt werde.
Am 10. Oktober deutete das Heeresfrontkommando den Armee-
führern Kövess und Kritek an, daß möglicherweise die Offensive in
die Moldau wieder aufgenommen werde; zur Vorbereitung sei der
Raum zwischen der Suczawa und dem Pruth durch Flieger rege auf-
zuklären. Schon am 16. teilte jedoch die DOHL. mit, an das Unterneh-
men sei in absehbarer Zeit nicht zu denken. Der Generalistabsehef der
Heeresfront, GM. Seeckt, faßte s¡ein Urteil über die Russen zurzeit
dahin zusammen, daß man ihrer militär-politischen Leitung trotz des
Friedensbedürfnisses der Massen noch immer Angriffspläne zutrauen
!) Die k. u. k. 31. ID. büßte 12 Maschinengewehre und über 1200 Mann ein, wo-
von der Großteil auf das IR. 44 entfiel.
46*
724
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
dürfe. Die Ausführbarkeit hänge wesentlich von der Stimmung der
Truppen ab. Diese sei schwer zutreffend zu beurteilen; denn wie wan-
delbar sie sei, habe der Sommer in Galicien bewiesen. Die 9. Russen-
armee scheine derzeit verhältnismäßig fest in der Hand ihrer Führer
zu liegen; die Mannschaft sei im Gegensatz zu deren Gebaren an
anderen Fronten gegen die Propagandaversuche sehr zurückhaltend.
Der Kleinkrieg im Vorfelde halte eine gewisse Spannung aufrecht.
Am 21. Oktober hieß die öst.-ung. Heeresleitung den Erzherzog
Joseph, vier Kavallerieregimenter oder eine geschlossene KD. zum
Abgehen nach Tirol bereithalten; hiefür wurde die 2. KD., die bei
der 3. Armee als Reserve ausgeschieden war, in Aussicht genommen.
Tags darauf wandte sich Gdl. Arz an die DOHL., das Oberkommando
Ost möge vom Nordflügel der Heeresgruppe Linsingen den Stab des
Kavalleriekorps Hauer und die 9. KD. zur Verfügung stellen. Die
Tiroler Front sei für die Isonzooffensive von Truppen sehr entblößt
worden, ein Angriff der Italiener auf das Suganertal sei nicht unwahr-
schemlich. Die DOHL. gab zu bedenken, daß GM. Seeckt jetzt Vo<rstöße
der Russen, als Hilfe für Italien möglich erachte; gleichwie die 7. Armee
über die bayr. KD. als bewegliche Reserve verfüge, wäre die 2. KD.
der 3. Armee zu belassen,. Das AOK. versprach hierauf, nachdem ihm
die 9. KD. zugesagt worden war, die 2. KD. nur im dringendsten Falle
abzuziehen,.
Seit dem 23. Oktober steigerten die Russen ihr Gesethützfeuer auf-
fallend gegen das XXVI. Korps (59. ID. und 40. HID.) der 7. Armee.
Die hohe Führung rechnete nunmehr mit einem Entlastungsangriff der
Russen zugunsten der Italiener und traf Gegenvo-rsorgen. Das AOK.
ließ das Polnische Hilfskorps1) aus Przemysl zur 3. Armee abrollen,
damit dieser allenfalls die Abgabe der 2. KD. an den südlichen Nach-
bar 'erleichtert werde. Erzherzog Joseph führte der 7. Armee von der
Gruppe Gerok die bayr. 15. RIBrig. (ein Regiment mit Artillerie) zu.
Auf Geheiß der DOHL. hatte das Oberkommando Ost bei der Heeres-
A) Die einstige Polenlegion (Bd. V, S. 436), Ende September 1916 in „Polnisches
Hilfskorps" umbenannt, sollte, nachdem die Mittelmächte am 5. November dieses
Jahres die Errichtung eines Königreiches Polen verkündet hatten, den Grund-
stock zu einer polnischen Nationalarmee abgeben. Der Gedanke mußte aber
im Sommer 1917 fallengelassen werden, denn der Werbeaufruf hatte im Lande
nur geringen Widerhall gefunden; von den eingerückten Leuten verweigerten viele
den Eid. Zwischen Pilsudski und dem deutschen Generalgouverneur, Gdl. v. Beseler,
kam es zum Bruch. Der Nationalheld und spätere Marschall wurde auf die Festung
Magdeburg gebracht. Die verwendbar scheinenden Truppen (rund 10.000 Mann)
Entspannung der Lage bei der k. u. k. 7. Armee
725
gruppe Böhm-Er moll i eine deutsche gemischte Brigade verladebereit
zu halten,. Der Feind war vor der Armee Kövess weiterhin sehr rege
und beschoß namentlich das XXVI. Korps anhaltend miit Artillerie.
Auch die russische Infanterie zeigte größere Wachsamkeit; besondere
Anzeichen eines bevorstehenden Angriffes waren jedoch nicht wahr-
zunehmen. Immerhin entschloß sich die öst.-ung. Heeresleitung, auch
noch die unterdessen bei der Heeresgruppe Linsingen auf die Bahn
gesetzte 9. KD., die auf der Fahrt nach Tirol bereits Lundenburg er-
reicht hatte (S.512), in die Bukowina abzudrehen; die Spitze lief am
3I.Oktober bei Czernowitz ein. In den ersten Novembertagen waren
die Division, ebenso die bayrischen und polnischen Zuschübe, vollzählig
versammelt. Mittlerweile war aber die Wahrscheinlichkeit eines Russen-
ansturmes bereits geschwunden, und am 6. November konnte die Lage
vor der 7. Armee als entspannt angesehen werden.
Auch bei den Heeresgruppen Böhm-Ermolli und Linsingen drückte
sich der Kriegszustand nur mehr in Kanonaden, gelegentlichen Luft-
kämpfen und vereinzelten Unternehmen von Stoßtrupps aus. Aus der
Gliederung der russischen Südwestfront verschwand anfangs Oktober
die im August gebildete 1. Armee (S.399); ihre Korps traten zu den
Nachbararmeen über, der Armeestab übernahm einen Abschnitt der
Nordfront. Bei der Heeresgruppe Böhm-Ermiolli setzte die deutsche
Heeresleitung den eingeleiteten Austausch der Streitkräfte fort (S. 408).
Die Südarmee gab bis Ende Oktober gegen die neuzugeführte deutsche
10. ErsD. die 24. RD. des XXVII. RKorps und ferner vom Nordflügel
den Stab des Beskidenkorps für den westlichen Kriegsschauplatz ab.,
Die Frointstrecke (Abschnitt „Jablonow") übernahm das Generalkmdo.
des XXV. RKorps, während dessen bisherigen Abschnitt „Czortkow"
der Führer der 15. RD. zu befehligen hatte. Beim k. u.k. XXV. Korps
wurde im Zuge eines umfassenden Neubaues des öst.-ung. Heeres, der
im nächsten Bande ausführlich behandelt werden wird, die 55. ID. in
des Polnischen Hilfskorps wurden im Herbst nach Przemysl verlegt, die öst.-ung.
Staatsangehörigen der Legionäre in das k. u. k. Heer rückversetzt und der verbleibende
Rest in eine gemischte Brigade zusammengefaßt. Ende Oktober waren zwei Infanterie-
regimenter marschbereit. — Vgl. L i p i n s k i, Der große Marschall (Einleitung
zu Josef Pilsudski, Erinnerungen und Dokumente [Essen 1935], I, 41ff.). —
H a u s n e r, Die Polenpolitik der Mittelmächte und die öst.-ung. Militärverwaltung
in Polen während des Weltkrieges (Wien 1935), 78 ff. — M i t z k a, Die k. u. k. Mili-
tärverwaltung in Russisch-Polen, bei Kerchnawe, Die Militärverwaltung in den
von den öst.-ung. Truppen besetzten Gebieten (Carnegiestiftung, öst.-ung. Serie, Wien
1928), 40f.
726
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
155. ID. (später 155. HID.) umbenannt und die 54. ID. in eine k. k.
SchD. umgewandelt. Sie erhielt; das von der 4. ID. (S. 408) im Osten
zurückgelassene SchR. 30 und saridte dafür das IR. 88 an die, italie-
nische Front nach.
Bei der 2. Armee gingen aus dem Abschnitt „Zloczow" im Wech-
sel mit der bayr. ErsD. die deutsche 22. und für die bayr. 14. die
deutsche 6. ID. nach dem Westen. Durch die Abgabe der k. u.k. 33. ID.,
die durch die deutsche 33. RD'. ersetzt worden war, war im Abschnitt
„Olejow" auch das k. u.k. IX. Korpskmdo. entbehrlich geworden
' (S. 723). Der Führer, FML. Kletter, erhielt ein Kommando in Südtirol
(S.650). Am Nordflügel der Heeresgruppe Linsingen übernahm nach
dem Abgai^g des GO. Hauer und der 9. KD. ein deutscher General
den Abschnitt „Tobol".
Nachdem die Deutschen den, im September vorgenommenen Nord-
teil ihrer Ostfront durch die Einnahme des Brückenkopfes von Jakob-
Stadt nach rechts gesichert hatten, sorgten sie noch für den Schutz
ihrer linken Flanke. Am 12. Oktober begann das wohlvorbereitete
Unternehmen zur Besetzung der dem Meerbusen von Riga vorgelager-
ten Inseln Ösel, Dago und Moon1). Obwohl die Stawka vom Vorhaben
des Gegners wußte, vermochten die russischen Land- und Seestreit-
kräfte keinen entschio«ssemen Widerstand zu leisten. Binnen einer Woche
waren die Verteidiger von der Inselgruppe vertrieben; die Baltische
Flotte der Russen zog sich zurück. Mit dieser Kriegshandlung endete
Rußlands Teilnahme am Weltkrieg. „Die Russen haben damals auf-
gehört, ein beachtenswerter Gegner zu'sein"2).
Ende Oktober ausgegebene Richtlinien des GFM. Prinz Leopold
von Bayern verfügten, an den alten Frontbereichen den Stellungs- und
Wegebau auf das Erhalten des Bestehenden zu beschränken und an den
neuen Frontstrecken (bei der deutschen 8. Armee und in Galizien) nur
eine erste Stellung mit einer Tiefenzone anzulegen. Der Krafteinsatz in
der vordersten Linie sei möglichst gering zu bemessen, dafür seien
aber aus den frei werdenden Truppen starke Reserven zu bilden und
diese eifrig zu schulen. Als Ziel der Frontpropaganda, die wieder trach-
ten sollte, bei den Russen Boden zu gewinnen, galt jetzt, die Friedens-
wünsche im Feindesheere zu fördern.
Am 3. November trafen die beiden Heeresleitungen Vereinbarungen
1) Tschischwitz, Armee und Marine bei der Eroberung der Baltischen
Inseln im Oktober 1917 (Berlin 1931).
2) Zajontschkowskij, Feldzug 1917, 107ff.
auf weite Sicht. Da der französische Kriegsschauplatz andauernd viel
Kräfte verzehrte, die DOHL. aber auch — wie bereits dargelegt wurde
(S.710) — im Frühjahr 1918 im Westen einen großen Schlag zu führen
gedachte, waren von der Mitte des Monats an vorerst die deutschen
Verbände der Heeresfront Erzherzog Joseph freizumachen. Ihnen hat-
ten jene der Heeresgruppe Böhm-Ermolli zu folgen. Das AOK. in Baden
wies hierauf der Heeresfront, die nur die 2. und die 9. KD. für Ab-
lösungen verfügbar hatte, folgende Kräfte zu: die 43. SchD., FML.
Fernengel, von der Isonzofront (S. 580), ferner aus Tirol zehn Trachom-
bataillone (S. 609 und 636) mit dem 63.IDKmdo., GM. v. Soretic, und
die fünf Bataillone zählende k. u. 28. LstGbBrig., Obst. Lähne. Nach dem
Abgang der letzten deutschen Division waren aus dem Bereich der
Heeresfront auch der deutsche Stab des Erzherzogs sowie die General-
kommandos Conta, Gerok und Litzmann abzubefördern. Die 7. Armee
hatte, dem im Vormonat erhaltenen Auftrag (S. 722) entsprechend, inner-
halb der Gruppe Habermann für den wichtigen Abschnitt Kimpolung
den Tausch der 5.HKD. und der 6. KD. (Gruppe Herberstein) mit der
51. HID. eingeleitet. Zur Heeresgruppe Linsingen kehrte die deutsche
42. ID, von Ösel zurück und löste im Abschnitt Kowel die 107. ID. ab.
Die Gefechtstätigkeit bestand auch im Monat November noch in
Artillerieduellen und Luftkämpfen; offenbar suchte die russische Füh-
rung, im Bewußtsein ihrer militärischen Schwäche, sich wenigstens, durch
eifrige Luftaufklärung vor gegnerischen Überraschungen zu sichern.
Am 12. nahmen bei der Heeresgruppe Woyrsch im Abschnitte des k. u. k.
XII. Korps von den letzten dort verbliebenen öst.-ung. Truppen Stürmer
des IR. 18 und die Pionierkomp. 2/2 an einem erfolgreichen Vorstoß teil.
Inzwischen hatten sich in Rußland Ereignisse von großer Tragweite
abgespielt.
Der Novemberumsturz in Rußland und seine
In Rußland hatte der Verfall des Heeres und der Staatsgewalt
noch zugenommenx). Anfangs November entbrannte ein scharfer Kampf
zwischen Kerenski und den Bolschewiken. Während Kerenski und
die Generale, gedrängt von der Entente, noch immer am Kriege
i) Kakurin, Der Zerfall der Armee im Jahre 1917 (Zentralnij archiv,
Das Jahr 1917 in Dokumenten und Aufzeichnungen, herausgegeben von Pokrowskij
und Jakowlew, Moskau und Leningrad 1925).
Truppenzuschübe von der Südwestfront
727
Auswirkung
728
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
festzuhalten suchten1), konnten die radikalen Linkskreise den kriegs-
müden Massen die willkommene und viel schlagkräftigere Losung des
Friedens entgegenstellen2). Der Petersburger Arbeiter- und Soldatenrat
bildete ein kriegsrevolutionäres Komitee, das die Gewalt in der Haupt-
stadt an sich riß, das einberufene Vorparlament verjagte und vom 7.
auf den 8. November die Regierung stürzte. Nach kurzem Versuch
eines bewaffneten Widerstandes mußte Kerenski fliehen. Um die Sol-
daten zu gewinnen, verkündeten die neuen Machthaber als Programm:
sofortiges Angebot eines demokratischen Friedens (ohne gewaltsamen
Landerwerb oder Entschädigungen), Übergabe der Herrengüter an die
Bauern, Übernahme der gesamten Macht durch die Sowjets. Ein Funk-
spruch trug den Friedensvorschlag in die Welt hinaus. An die Spitze
des Staates trat Lenin, Volkskommissär für Äußeres wurde Trotzki, den
Oberbefehl über das Heer erhielt statt des geflüchteten Kerenski der
bisherige Generalstabschef Duchonin.
Die Vorgänge in Rußland wurden, da man sich dort auch im inner-
politischen Zwiste fleißig der Funksprüche bediente, auf unserer Seite
bald bekannt. Schon am 12. November tauchten auf russischen Gräben
vor der 40. HID. (7. Armee) weiße Fahnen auf, bald folgten solche an
der Siebenbürger Grenze vor dem k. u. k. IX. und dem XXI. Korps so-
wie an anderen Frontstellen. Allerdings nahm russische Artillerie öfters
diese ersten Friedensfühler unter Feuer. Die Truppen der Mittelmächte
wurden nun angewiesen, dort, wo die Russen friedlich seien, auch jede
feindselige Tat zu unterlassen. Sollten einzelne Russenverbände einen
Waffenstillstand wollen, so seien solche Wünsche an die hohen Dienst-
stellen weiterzuleiten. Den Unterhändlern des Feindes sei aber klar
zu machen, daß ein wirklicher Waffenstillstand nur zwischen den Re-
gierungen geschlossen werden könnte. Von unserer Seite sei jedes
Drängen nach einem baldigen Frieden ebenso zu vermeiden wie eine
Stellungnahme für Lenin oder alles, was als Einmengung in innere
Verhältnisse Rußlands gedeutet werden könnte.
Dort begann nochmals, wie vorher unter Kerenski, zwischen der
neuen Staatsgewalt und der Stawka ein Kampf um da s Heer. Dieses
befand sich noch immer in der Hand der Generale, soweit deren Be-
*) Buchanan, 237 : Es galt, „Rußland bei der Stange zu halten (wenn wir
auch nicht erwarten konnten, daß es im Kriege eine mehr als passive Rolle spielen
werde), denn seine großen Ressourcen durften nicht den Deutschen zugänglich
werden".
2) Smilg-Benario, Von Kerenski zu Lenin, 258ff.
Russisches Friedensangebot
729
fehlsbefugnisse durch die vom Petersburger Sowjet abhängigen oder
zunehmend beeinflußten Soldatenkomitees nicht geschmälert oder auf-
gehoben waren. In der Nacht vom 20. auf den 21. November erhielt
der Höchstkommandiierende Duchonin von den Volkskommissären den
Auftrag, unverzüglich mit den Gegnern zwecks Einstellens der Feind-
seligkeiten in Verbindung zu treten1). Trotzki schlug allgemein sämt-
lichen kriegführenden Staaten vor, an allen Fronten sofort die Waffen
niederzulegen und Friedensverhandlungen aufzunehmen. Den Mittel-
mächten wurde das Angebot durch den Äther übermittelt.
Gen. Duchonin weigerte sich jedoch, namens des Rates der Volks-
kommissäre, der vom Auslände nicht als Regierung anerkannt sei, Ver-
handlungen mit dem Gegner anzuknüpfen. Sofort setzten die neuen
Staatslenker durch Fernspruch den ungehorsamen General ab und
ernannten den Kriegsminister, Reservefähnrieh Krylenko, zum Nach-
folger. Bis zu dessen Eintreffen blieb Duchonin auf seinem Posten. Die
in Rußland weilenden Vertreter der Ententemächte mußten nun doch zu
dem in alle Welt hinausgesandten Friedens vor schlag Stellung nehmen.
Die maßgebendere Macht im Reiche schien die Stawka zu sein, und
daher überreichten die bei dieser beglaubigten Militärbevollmächtigten
am 23. November dem Gen. Duchonin eine gemeinsame Note, die sich
gegen eine Verletzung des Vertrages vom 5. September 1914 scharf
verwahrte. Rußland hatte sich damals verpflichtet, weder einen Sonder-
frieden einzugehen, noch allein die Kriegshandlungen abzubrechen.
Einen gleichen Schritt unternahmen auch die Ententediploimaten in
Petersburg. Duchonin fühlte sich in seinem Widerstand gegen die Räte-
regierung bestärkt, zumal auch andere Befehlshaber ihm beistimmten,
und sich Krylenko* nicht unterordnen wollten. Lenin und Trotzki er-
klärten sich hingegen am 24. November in einem Runderlaß „An Alle!"
durch alte Verträge nicht gebunden und forderten neuerlich auf, den
Völkerkampf beizulegen.
Den Mittelmächten konnten die aus Rußland herüberklingenden
Wünsche nur genehm sein; boten sie doch Aussicht, das jahrelange Rin-
gen im Osten zu beenden und namhafte Streitkräfte für den Schluß-
kampf freizubekommen. Erzherzog Joseph und Prinz Leopold wurden
angewiesen, die Friedenssehnsucht der Russen auszunützen und deshalb
den Waffengebrauch auf das notwendige Vergelten von Feindseligkeiten
!) Spannocchi, 181 ff. — Buchanan, 251 ff. —■ Gukowskij, Die
Entente und die Oktoberrevolution (in russischer Sprache, Moskau-Leningrad 193l)p
55 ff. — Am Vorabend des Waffenstillstandes (Krassnij Archiv, XXIII), 195 ff.
730
Der Ausklang des Kriegs jähr es 1917
einzudämmen. Anzustreben sei, überall dort, wo sich der Feind hie zu
geneigt zeige, eine kurzfristige Waffenruhe abzuschließen und eine
solche dann auf größere Bereiche auszudehnen. Sollten die Russen einen
Waffenstillstand für die ganze Ostfront anbieten, so hatte das Ober-
kommando Ost die Verhandlungen zu leiten. Beide Heeresleitungen
vereinbarten hiefür einen Vertragsentwurf. Damit der Geist der Trup-
pen von den Russen nicht ungünstig beeinflußt und Verbrüderungen
der Soldaten hintangehalten würden, war der Verkehr mit dem Feinde
streng zu regeln und zu überwachen.
Schon am 25. November konnte Erzherzog Joseph nach Baden mel-
den, daß die 32. Russen division vor Czernowitz um eine Waffenruhe
bitte. Das 3. Armeekmdo. brachte dann mit dem XI. Russenkorps für
den ganzen Abschnitt der Gruppe Litzmann ein Abkommen zustande,
das am 29. in Kraft trat. Bei der 4. Armee einigte man sich zunächst
mit zwei russischen Divisionen der Besonderen Armee; ebenso waren
nördlich des Pripiatj örtliche Verhandlungen von Front zu Front in
Gang gekommen.
Inzwischen hatte sich Krylenko zum russischen Nordheere begeben,
den dortigen Befehlshaber nebst einigen widerstrebenden Generalen ab-
gesetzt und auf seine am 26. November gestellte Anfrage von der
DOHL. die Zusicherung erhalten, der Oberbefehlshaber Ost sei zum
Verhandeln ermächtigt1). Auf diese Zusage richteten Lenin und Trotzki
am 28. November einen überschwenglichen Rundspruch „An die Völker
der kriegführenden Länder" und legten einerseits den Regierungen des
Vielverbandes, anderseits den Mittelmächten samt ihren Verbündeten
die Frage vor, ob sie sich auf Grund der Formel „Kein gewaltsamer
Landerwerb, keine Entschädigungen, Wahrung -des nationalen Selbst-
bestimmungsrechte s'' am 2. Dezember an den Be;ratungstisch setzen
wollten, um das Blutvergießen zu beenden und einen neuen Winterfeld-
zug zu vermeiden. Mit einem Seitenhieb auf die Ententestaaten w'urden
die Volkermassen aufgerufen, der berufsmäßigen Diplomatie nicht zu
erlauben, die große Friedensmöglichkeit, die durch die russische Revo-
lution eröffnet worden sei, fallen zu lassen. Dieses neuerliche Anbot
der Rus sen, das den Ton auf einen allgemeinen Frie deins Schluß legt e ,
löste eine Antwort des öst.-ung. Außenamtes aus2). Am 29. November,
spät abends, erhielt der Generalstabschef, Gdl. Arz, vom Ballhausplatz
eine Depesche, die nach Zarskoje Selo zu funken war. Darin erklärte
!) Nowak, Generalmajor Hoffmann, II, 189f.
2) Glaise-Horstena.u, Die Katastrophe, 135.
——LJ.-^
Österreich-Ungarn zu Verhandlungen bereit 731
der k. u. k. Minister des Äußeren, Graf Czernin, die Regierung Öster-
reich-Ungarns sehe in den ihr zugekommenen Vorschlägen geeignete
Grundlagen, um Verhandlungen über einen Waffenstillstand und einen
Friedensvertrag einzuleiten; sie sei bereit, zur anberaumten Zeit ihre
Vertreter zu entsenden. Am 30. bestätigte Trotzki den Empfang der
Nachricht.
An den Fronten war das Verhalten des Feindes um die Monatswende
November-Dezember sehr verschieden. Die Rumänen blieben nach wie
vor streng feindselig gestimmt. Wenn russische Verbände sich noch
ähnlich verhielten, so waren sie offenbar dem bolschewikischen Einfluß
noch nicht ganz erlegen, und es vermochten sich dort dem Entente-
bündnis treue Führer noch einigermaßen durchzusetzen. Die im Ver-
bände der Rumänischen Front unter Gen. Schtscherbatschew stehenden
Russenarmeen 6, 4 und 9 zeigten sich einer Waffenruhe nicht geneigt,
nur mit dem an das XI. angrenzenden XXXIII. Korps der 8. Russen-
armee konnte die Armee Kritek am 2. Dezember zu einer Übereinkunft
gelangen. Die alten Kampfgefilde, so das Ojtozgebiet bei der 1. Armee
oder die Mitte der 7. Armee widerhallten zeitweise noch immer vom
Geschützdonner. Bei der Heeresgruppe Böhm-Ermolli ging gerade in
diesen Tagen auf etliche Abschnitte ein lebhafteres Störungsfeuer nie-
der, in der Luft tummelten sich kampfwillige Flieger. Die Heeresgruppe
Lissingen schloß hingegen am 1. Dezember in Kowel mit der Beson-
deren Armee eine Waffenruhe, bei den Heeresgruppen Woyrseh und
Eichhorn waren Teilabkommen gelungen und weitere Abmachungen im
Zuge. Aber auch trotz unterschriebener Verträge waren blutige Zwi-
schenfälle nicht ganz zu vermeiden; denn der seit dreieinhalb Jahren
entfesselte Kriegsbrand war nicht mit einem Guß zu löschen. Schließ-
lich verkündete der Kriegsminister Krylenko durch Rundispruch allen
russischen Fronten, daß im Einvernehmen mit dem deutschen Ober-
befehlshaber im Osten die nächste Zusammenkunft der beiderseitigen
Bevollmächtigten am 2. Dezember stattfinden werde; überall sei das
Feuer einzustellen. Wer diesen Befehl unterdrücke oder dagegen handle,
verfalle dem Standrecht. Auch die Mittelmächte sorgten dafür, diese
Nachricht sowohl unter ihren eigenen Truppen als auch unter den
Russen zu verbreiten.
Am 2. Dezember überschritten die Unterhändler der russischen
Räterepublik bei Dünaburg die deutschen Linien und begaben sich in
das Hauptquartier d,es GFM. Prinz Leopold von Bayern nach Brest-
Litowsk.
732
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
Die Waffenstillstandsverhandlungen
Der Vertrag von Brest-Litowsk
Die Vertreter der Mittelmächte hatten sich zur Vorberatung schon
einige Tage vorher in Brest-Litowsk eingefunden. Die deutsche Kom-
mission wurde aus dem Stabe des Oberkommandos Ost und einem Ab-
gesandten des Berliner Außenamtes gebildet; für Österreich-Ungarn
waren Obstlt. Pokorny, Mjr. Freih. v. Mirbach, ferner als Delegierter
des B allhaus plate es Legationssekretär Graf Csáky erschienen. Die Tür-
kei vertrat GdK. Zeki Pascha, Bulgarien Obst. Gantscheff. Am 3. De-
zember trafen die Bevollmächtigten des Rates der Volkskommissäre,
geführt von Joffe und Kamenew, ein. Die russische Abordnung zählte
acht stimmberechtigte Mitglieder, darunter einen Unteroffizier, Matro-
sen, Arbeiter, Bauern und eine Frau; als militärische Fachberater hatten
. die Russen einen Admiral und eine Anzahl Offiziere mitgebracht. Nach-
mittags eröffnete Prinz Leopold die Versammlung, weiterhin führte
sein Generalstabschef, GM. Hoffmann, den Vorsitz.
Die Mittelmächte hatten anfänglich gehofft, für die gesamte Ost-
front mit Rußland und Rumänien ein Abkommen treffen zu können.
Joffe leitete die Aussprache wieder mit der Aufforderung ein, über einen
Waffenstillstand ehestens zu einem demokratischen Frieden zu gelan-
gen, mußte aber zugestehen, daß er von den bisherigen Bundesgenossen
Rußlands keine Vollmacht hatte, auch in ihrem Namen zu sprechen.
Die Beratung wurde daher auf die nächstliegende Aufgabe beschränkt,
einen Sonderwaffenstillstand mit Rußland abzuschließen. Am S.Dezem-
ber erklärte Joffe, er müsse vor der endgültigen Fertigung des Ver-
trages noch eine Rücksprache in Petersburg pflegen. Als vorläufiges
Ergebnis wurde jedoch „zur Erleichterung der schwebenden Waffen-
stillstandsverhandlungen" zwischen dem Vierbund und Rußland eine
zehntägige Waffenruhe, beginnend am 7. Dezember um 12h mittags,,
kündbar mit dreitägiger Frist, vereinbart und unterzeichnet1). Die
Waffenruhe erstreckte sich auf alle Land- und Luftstreitkräfte zwischen
dem Schwarzen Meere und der Ostsee sowie auf dem türkisch-russischen
Kriegsschauplatz in Asien. Divisionsstarke oder größere Truppenver-
bände während dieser Zeit zu verschieben war nur zulässig, wenn der
Befehl hiezu bis zum 5. Dezember schon erlassen war. Die neue Über-
einkunft setzte die Sonderabkoimmen einzelner Befehlsteilen außer Kraft.
1) Vgl. Anhang Nr. 1.
Vereinbarung einer Waffenruhe
733
Während der auf eine Woche anberaumten Verhandlungspause
versuchte Trotzki, der russische Volkskommissar für auswärtige Ange-
legenheiten, vergeblich, die alliierten Mächte zur Teilnahme zu be-
wegen. Am 12. Dezember kehrten die Russen nach Brest-Litowsk zurück,
und am 15. spät abends, wurde statt des Übereinkommens über die
Waffenruhe ein ausführlicherer, in deutscher und russischer Sprache
ausgefertigter Vertrag unterschrieben1). Der Waffenstillstand war auf
vier Wochen, vom 17. Dezember, 12h mittags, bis zum 14. Jänner 1918,
befristet und konnte frühestens nach drei Wochen mit siebentägiger
Frist gekündigt werden; ohne Kündigung dauerte die Gültigkeit fort.
Während der Laufzeit waren Umgruppierungen für eine Offensive
untersagt, desgleichen operative, am 15. Dezember noch nicht ein-
geleitete Truppen ver Schiebungen. Der Vertrag bezog sich auch auf die
See- und die zugehörigen Luftstreitkräfte, schrieb das Einrichten eines
geregelten Verkehrs zwischen den Fronten vor und hob alle bisherigen
Abkommen auf. Die Unterzeichner verpflichteten sich, unmittelbar an-
schließend in Friedensbesprechungen einzutreten. Ein Zusatz betraf den
Austausch festgehaltener Zivilpersonen und von Invaliden, bessere Vor-
sorgen für die Kriegsgefangenen und endlich das Anbahnen kultureller
und wirtschaftlicher Beziehungen. Zur Regelung dieser Fragen sollte
eine von den beteiligten Staaten beschickte Kommission in Petersburg
zusammentreten. Auf die Bedingungen, die sich auf Kräftegruppierung
und Abziehen von Truppen bezogen, hatten besonders die militärischen
Vertreter der Russen, teils wegen ihres Verhältnisses zu den Westmäch-
ten, teils aus einem kaum verhehlten Mißtrauen gegen die zwei Kaiser-
reiche großes Gewicht gelegt. Eine ukrainische Sondermission, die sich
an dem Abschluß hatte beteiligen wollen, traf zu spät, erst nach der
Ausfertigung, ein.
Über den Friedensschluß ins Reine zu kommen, war Sache der
Staatslenker und Regierungen; Außenminister oder hohe Diplomaten,
begleitet von einem Stabe verschiedener Fachberater, machten sich nach
Brest-Litowsk auf den Weg.
Der Vertrag von Focsani
Der russische Oberbefehlshaber der Rumänischen Front, Gen.
Schtseherbatisehew, hatte die Regierung Lenin—Tro-tzki nicht anerkannt.
An der Seite des Königs von Rumänien, der über ein festgefügtes Heer
!) Vgl. Anhang Nr. 3.
734
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
gebot, konnte sich der General eine selbständigere Haltung erlauben ;
auch die Führer der 4. und der 6. Russenarmee — die Generale Ragoisa
und Zurikow — bekleideten anfangs Dezember noch ihre Posten, wäh-
rend an anderen Fronten die Befehlshaber im Revolutionstrubel schon
wiederholt gewechselt worden waren. Hier tief im Süden, weit ent-
fernt von der russischen Hauptstadt, hatte auch der bolschewikische
Einfluß die Soldatenkomitees noch nicht überwältigt. Als aber in Brest-
Litowsk die Verhandlungen eröffnet wurden, versagte auch an der
Rumänischen Front die schwache, unterwühlte Manneszucht der Russen
und drohte in offene Meuterei gegen die Offiziere umzuschlagen. Am
2. Dezember herrschte in Jassy Panikstimmung1). Noch versuchten die
Vertreter der Entente, vom russischen Oberkommandierenden eine ent-
schlossene Stellungnahme zu ihren Gunsten zu erreichen und verspra-
chen ihre Beihilfe. Am 3. Dezember mußte der General dem König
und seiner Regierung erklären, er sei der Truppen nicht mehr Herr2).
Um nicht Befehle von Leuten, denen Schtscherbatschew hiezu die Be-
rechtigung absprach, befolgen zu müssen f blieb ihm nur der Ausweg,
selbst dem Gegner einen Waffenstillstand anzutragen. Der Entschluß
versetzte Rumänien, das sich nicht besiegt fühlte, in eine Zwangslage.
Für sich allein vermochte das Königreich, dessen Armeen zwischen jene
des kriegsunwilligen Bundesgenossen eingekeilt waren, nicht weiterzu-
kämpfen. Ein Kronrat, dem auch die Armeeführer beiwohnten, mußte
am 4. Dezember zu Jasisy den unvermeidbaren Schritt genehmigen, die
Waffen niederzulegen. Man entschied sich für einen rein militärischen
Stillstand, der der Außenpolitik nicht vorgreifen sollte. Besonders der
temperamentvollen Königin Maria wollte der Gedanke, der Sache der
alliierten Mächte plötzlich abtrünnig zu werden, ganz unfaßbar erschei-
nen. Aber auch die ausländischen Berater mußten jetzt die Not des
Landes einsehen und jeden ferneren Widerstand als unmöglich erklären.
König Ferdinand übertrug den Oberbefehl über seine Heeresmacht dem
Gen. Presan.
Am 4. Dezember um lh 55 nachm. überreichten Parlamentäre des
XXIV. Russenkorps beim Stabe der k. u. k. 7. ID. im Trotusuabschnitt
ein französisches Schreiben des Gen. Schtscherbatschew und baten, den
Inhalt an GO. Erzherzog Joseph und GFM. Mackensen zu drahten.
Der Russe schlug Waffenstillstandsverhandlungen für den Bereich der
1) Marie, Queen of R o umani ä, The story of my life (London 1935).
III, 285 ff.
2) Kiritzesco, 376ff.
Waffenstillstandsangebot Rumäniens
735
Rumänischen Front vor und erbot sich, seine Unterhändler an einem
zu bestimmenden Tage nach Focsani zu senden1). Der Erzherzog ant-
wortete zunächst mit einer allgemein gehaltenen, schriftlichen Zusage
und holte Weisungen aus Baden ein. Gdl. Arz entschied, die Verhand-
lungen seien durch eine Kommission, gemeinsam mit Mackensen, zu
führen. Als Vertreter der öst.-ung. Monarchie wurden der Kommandant
der 14S.IBrig., GM. Hranilovic, ferner Obstlt. Ritt. v. Förster-Streffleur
und M jr. Ritt. v. Heimpel bestimmt. Hierauf verständigte Erzherzog Jo-
seph am 5. Dezember wieder schriftlich den Gen. Schtscherbatschew, der
Beginn der Besprechungen zu Focsani sei mit GFM. Mackensen zu ver-
einbaren.
Nunmehr war auch mit Angeboten rumänischer Führer zu rechnen;
die Antworten behielt sich das Heeresfrontkommando vor. In der Tat
überbrachten am 5. Dezember vor der k.u.k. 1. Armee Parlamentäre der
1., der 6. und der 8. Rumänendivision gleichlautende Zuschriften, daß
ihr Kommandant dem Beispiel der Russen, mit denen er in gleicher
Front stehe, zu folgen entschlossen sei; die Feindseligkeiten würden auf
rumänischer Seite von 8h vorm. an eingestellt. Ferner wurde vorge-
schlagen, eine Zusammenkunft von Abgesandten auszumachen und eine
Verbrüderung der Truppen zu verhindern. Ebensolche Anträge stellten
die Rumänen auch den Deutschen an der Serethfront. Das l.Armeekmdo.
erhielt den Auftrag, die Rumänen auf den Ausgang der Beratungen
von Focsani zu verweisen. Eine örtliche Waffenruhe könne unterdessen
mit den rumänischen Divisionen eingegangen werden; solche Abkommen
wurden auch geschlossen.
GFM. Mackensen übertrug den Vorsitz in Focsani dem Führer des
I. RKorps, GLt. Morgen2) ; namens der Türkei erschien Mjr. Nahsim
Bey, für Bulgarien Obstlt. Popoff. Am 7. Dezember mittags kamen die
Unterhändler des Feindes bei Märäsesti durch die deutschen Linien. An
der Spitze der russischen Abordnung, bestehend aus Offizieren — davon
zwei für die Ukraine — und Mannschaftsvertretern, stand der Führer
der 9. Armee, Gen. Keltschewski; das rumänische Hauptquartier vertrat
der Vizegeneralstabschef, Gen. Lupescu, mit einigen Begleitern. Inzwi-
schen war die in Brest-Litowsk abgeschlossene, vorläufige Waffenruhe,
die sich nach ihrem Wortlaut auf die gesamte Ostfront bis zum
Schwarzen Meere erstreckte (S. 733), bereits gültig geworden. In Focsani
erklärten jedoch die Abgesandten beider Feindbeere, das Abkommen von
x) Erzherzog Joseph, V, 726 ff.
2) Morgen, 126ff.
736
Der Aasklang des Kriegsjahres 1917
Brest-Litowsk nicht zu kennen. Die Rumänen sahen den Kreis um Lenin
überhaupt nicht als gesetzliche, zu einem Vertragsabschlüsse berechtigte
Regierung an, die Russen, unter denen wohl Sozialisten, aber sehr
wenig Anhänger der Bolschewiken waren, dachten kaum anders. Beim
Erörtern, in welcher Höhe Truppenabgaben von der Front während des
Stillstandes zulässig sein sollten, stießen die beiderseitigen Ansichten
hart aufeinander. Die Feind Vertreter, unter denen die Rumänen streng
für die Westmächte eingestellt, die Russen zwar entgegenkommender,
aber augenscheinlich doch bedacht waren, die Entente nicht zu ver-
stimmen, wollten höchstens zwei Divisionen auf einen anderen Kriegs-
schauplatz verschieben lassen. Die Mittelmächte beharrten hingegen auf
der in Brest-Litowsk bereits bewilligten Formel, alle am 5. schon anbefoh-
lenen Truppenbewegungen durchführen zu dürfen. Vorübergehend wurde
die Aussprache abgebrochen und die Delegierten des Gen. Schtscher-
batschew kehrten nach Märäsesti zurück. Am 9. Dezember einigte man
sich endlich, und um 10h 30 abends unterfertigten alle Bevollmächtigten
das in französischer Sprache abgefaßte Schriftstück1).
Die Vertragsunterzeichner schlössen einen „provisorischen Waffen-
stillstand", bis eine verfassunggebende Versammlung in Rußland über
Krieg und Frieden entschieden haben würde. Die Kündigungsfrist be-
trug 72 Stunden. Der Vertrag trat sofort in Kraft und erstreckte sich
auf die Land-, Luft- und Flußstreitkräfte zwistchen dem Dniester und
der Donaumündung; er verlor seine Geltung, falls ein Waffenstillstand
ausdrücklich für die ganze Front zwischen Ostsee und Schwarzem
Meere abgeschlossen werden sollte. Bis zum 5. Dezember verfügte Trup-
penbewegungen wurden erlaubt. Das Betreten der neutralen Zone zwi-
schen den beiderseitigen Drahthindernissen war verboten, Überschreiter
dieser Zone waren als kriegsgefangen anzusehen. Für diese strengen
Bestimmungen, die jeden Verkehr unter den gegnerischen Truppen aus-
schalten sollten, waren die Rumänen eingetreten. Die Russen hatten
daran kein Interesse, sondern eher am Gegenteil; sie gestanden sogar
ein, daß ihre Befehl ss teilen nicht mehr die Macht besäßen, ihr Leute
zum genauen Befolgen solcher Befehle zu verhalten. Die Neutralität der
Küste zwischen den Donauarmen, die Schiffahrt auf dem Stromunter-
lauf und auf dem Schwätzen Meere sollte eine gemischte Sonderkom-
mission mit dem Sitz in Odessa regeln. Schon nach wenigen Tagen
schlug Gen. Schtscherbatschew vor, diese Zusammenkunft wegen unge-
klärter Verhältnisse, die in Odessa herrschten, in Focsani zu eröffnen.
x) Vgl. Anhang Nr. 2.
Truppenabsendungen von der Ostfront
737
Nach dem Wortlaut wäre der Vertrag von Focsani am 15. Dezem-
ber durch den ihm folgenden von Brest-Litowsk, der sich ausdrücklich
auf alle Russenfronten bezog, schon aufgehoben worden. Dessen Rechts-
kraft lehnte aber Schtscherbatschew, wie er am 23. Dezember dem
GFM. Mackensen mitteilte, ab, da in Brest-Litowsk ohne Einverständnis
und ohne Teilnahme des rumänischen Oberkommandos verhandelt worden
sei; für die zwischen dem Dniester und dem Schwarzen Meere stehen-
den Russen wie für die Rumänen gelte nur das Abkommen von Focsani.
Die öst.-ung. und die deutsche Heeresleitung konnten diese Auffassung
zwar den Rumänen zubilligen, hinsichtlich der Russen sollte die Frage
in Brest-Litowsk geklärt werden.
Zwischen Krieg und Frieden
(Mitte November bis Ende Dezember)
Hiezu Beilage 34
Während das Hauptbestreben der Mittelmächte dahin zielte, den
Krieg gegen Rußland beizulegen, wurden die von beiden Heeresleitun-
gen angeordneten Truppenabsendungen und der dadurch bedingte Wech-
sel in der Besetzung der Ostfront fortgesetzt. Rücksichten auf den
Feind konnten nicht mehr hinderlich wirken, den raschen Ablauf
hemmte vielmehr der Zustand der Bahnen. Denn der Ausbau und die
Leistungsfähigkeit der in Siebenbürgen und in der Bukowina (S. 396)
endenden Strecken hatten noch nicht das wünschenswerte Maß erreicht.
Der mehrjährige Krieg hatte Güte und Zahl des Fahrparkes stark
herabgemindert; außerdem war zurzeit die große Offensive gegen
Italien im Gange.
Die Heeresfront Erzherzog Joseph gab zunächst Mitte November
die bayr. KD. an die Heeresgruppe Mackensen ab. Um die Ablösungen
zu erleichtern (S. 727), wies Gdl. Arz vom südwestlichen Kriegstheater
noch die 187. LstlBrig. und das Gruppenkmdo. Kosak (S. 675Und 670),
ferner das XII. Korpskmdo. zu, das von der Heeresgruppe Woyrsch
aus dem Raum von Barano wicze herangeholt wurde. Gleichzeitig aber
wurde die Absicht angedeutet, der Heeresfront weitere Kräfte zu ent-
ziehen, falls die Streitmacht der Russen weiterhin abgebaut werde.
Diese lösten, wie schon seit längerem festgestellt wurde, die im Früh-
jahr neuerrichteten Divisionen wieder auf; zudem entschwanden den
Kampftruppen mit der sinkenden Manneszucht zahlreiche Fahnen-
VI 47
738
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
flüchtige. Bis Ende November war aus der k. u.k. 1. Armee die deutsche
225. ID. und der Stab des XXIV. RKorps (Gdl. Gerok) nach dem
Westen gefahren. Das öst.-ung. VIII. Korps setzte sich nunmehr aus der
37. HID,, der 53. ID. (früher 71., S. 619), und der 39. HID. zusammen;
das VI. Korps umfaßte die 3. KD., die 70. HID. und die k. u. 28. LstG.b-
Brigade. Bei der 7. Armee gliederte sich die Gruppe Habermann (XI.
Koirps) in die Gruppe Herberstein (S. 727), die 63. ID., die 51. HID.
und die 11. HonvédkavaHeriedivision. Aus dem Karpathenkorps war
die deutsche 1. ID. geschieden, die 4. ErsD. tauschte mit der 74. HID.;
die 9. KD., die 31. ID. und die 43.SchD., zu der aus Wolhynien noch
das SchR. 16 der 46. SchD. rollte, schützten die Front. Im Bereich der
3. Armee, bei der Gruppe Litzmann, waren die 2. KD. und die Polen
eingesetzt worden. Das AOK. machte jedoch aufmerksam, die polnische
Infanterie nicht in der ersten Linie zu verwenden, da die Gefahr einer
politischen Beeinflussung durch die Russen bestand. Die 16. RD. fuhr
nach Westen, die 83. ID., die 15. bayr. RIBrig. nebst zwei deutschen
Landsturminfanterieregimentern waren dem Oberkommando Ost zu
überweisen.
Bereits aus den ersten Besprechungen zu Brest-Litowsk hatten die
Vertreter der Mittelmächte ersehen, daß der Feind auch während eines
Waffenstillstandes im Osten möglichst viel Kräfte der Gegner binden
wolle. Beide Heeresleitungen beeilten sich daher, noch vor Abschluß des
Vertrages durch Erlassen entsprechender Befehle die erwünschten Ver-
bände verfügbar zu machen. Das k.u.k. AOK. forderte von der Heeres-
front Erzherzog Joseph, die 30., die 59. ID. und die 70. HID. aus der
Front zu ziehen; das Oberkommando Ost verlangte von der Heeres-
gruppe Bohm-Ermolli drei deutsche Divisionen, weitere sollten folgen.
So kam es im Dezember an der ganzen Front südlich vom Pripiatj zu
großen Veränderungen sowohl bei den Stäben und deren Befehlsberei-
chen wie bei den Besetzungstruppen. Hatte man bisher noch grundsätz-
lich schlagkräftige Verbände gegen andere, wenn auch nicht gan£
gleichwertige, ausgetauscht, so nahm man jetzt, da die Russen offen-
kundig auf einen Frieden hinarbeiteten, auch eine Schwächung der Front
in Kauf, um durch Strecken der Abschnitte Truppen auszusparen.
Schon ;am 2. Dezember war der Generalstabschef der Heeresfront
Erzherzog Joseph, der GM. Seeckt, abberufen worden, um einen glei-
chen Posten im ottomanischen Heere anzutreten; zum Nachfolger er-
nannte Kaiser Karl den Kommandanten der k. u.k. 32. ID., FML. Freih.
v. Willerding. Nachdem die deutsche 4. ErsD. von der 7. Armee abge-
Verpflegskrise an der Ostfront
739
rollt war, folgte auch der Stab des Karpathenkorps mit GLt. Conta
nach. Bei der 3. Armee wurde Gdl. Litzmann (GenKmdo'. des XXXX.
RKorps) durch das Gruppenkmdo. FML. Kosak ersetzt (S. 738). Mitte
Dezember erhielt die 3. Armee den Auftrag, allmählich die deutschen
Verbände der Südarmee abzulösen. Hiezu wurden die 30. und die
59. ID. von der 7. Armee nach Norden in Marsch gesetzt und das
XII. Korpskmdo., FZM. Braun (S. 738) zugewiesen. Die aus dem frü-
heren Abschnitt des Korps stammende einzige Kampftruppe, das IR. 18,
wurde gleichfalls nach Galizien gefahren und trat schließlich zur
30. Division. Die S3, und die 15. RD., ferner das Generalkmdo. des
XXV. RKoirps rollten von der Südarmee ab. Später sollte dann das
3.Armeekmdo. daran gehen, durch das XIII. Korps bei der 2. Armee
deutsche Divisionen aus dem Abschnitt Zloczów zu lösen. Die dort
freigemachte bayr. 14. ID. ging ohne Ersatz ab, desgleichen von der
Heeresgruppe Linsingen die 42. und die 108. ID. der Deutschen. Andere
warteten hier wie bei Böhm-Ermolli auf das Einladen. Die eingeleiteten
umfassenden Truppenbewegungen waren Ende Dezember noch lange
nicht beendet; die Kräfteverteilung bei Jahresschluß 1917 ist der Skizze 2
der Beilage 34 zu entnehmen. Die angebahnte Neugliederung der öst.-
ung. Divisionen (S. 625) bedingte zudem einen vielfachen Wechsel von
Regimentern, Bataillonen und Artillerie verbänden.
Während des ganzen Monats Dezember bereitete den öst.-ung.
Befehlsstellen das Ernähren von Mann und Pferd große Sorgen. Die
Zufuhr von Lebens- und Futtermitteln aus dem Hinterland stockte oder
setzte tageweise ganz aus. An Mehl trat ein empfindlicher Mangel ein.
Die Verpflegsgebühr mußte vermindert werden, zahlreiche Pferde stan-
den um. Das AOK. räumte den Lebensmittelzügen den Vorrang vor
allen anderen Transporten ein; die Einflußnahme auf die Zentralbehör-
den des Reiches bot jedoch weder rasche noch fühlbare Abhilfe. Zu
dem namentlich vom l.Armeekmdo. in Siebenbürgen vorgeschlagenen
äußersten Mittel, im eigenen Lande Beitreibungen durchzuführen, ver-
mochte sich Gdl. Arz nicht zu entschließen. Wie sich die Lage im
Innern der Monarchie, die nunmehr über drei Jahre die Lasten des
Krieges zu tragen hatte, und wie sich die Stimmung mancher Volks-
kreise verschlechterten, kam wohl auch darin zum Ausdruck, daß die
Heeresfront Erzherzog Joseph am Jahresende angewiesen wurde, Feld-
truppen zum Aufrechterhalten der Ordnung in Industriestädten aus-
zuwählen.
Als der Kriegslärm an den Fronten verhallt war, fanden sich vor
47*
740
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
unseren Linien bald Angehörige des öst.-ung. und des deutschen Heeres
ein, die aus russischer Gefangenschaft entwichen waren. Für die Auf-
nahme solcher „Heimkehrer" mußte besonders vor gesorgt werden. Es
handelte sich nicht nur darum, dem Einschleppen von Seuchen vor-
zubeugen; die größere Gefahr la.g auf geistigem und moralischem Ge-
biete. Diese bisher den wechselvollsten Schicksalen unterworfenen Leute
konnten, wenn sie wieder in die Reihen ihrer einstigen Kameraden
eintraten, hier sehr leicht die in Rußland aufgesogenen Gedanken
ausstreuen und bei den Mittelmächten das Heeresgefüge und den Kampf-
willen untergraben. Es war anzunehmen, daß die Russen die Rückkehr
solcher Gefangener als Verfechter der neuen Lehren sogar förderten.
Die Heimkehrer waren von der Truppe abzusondern, nach ihrer Gesin-
nung auszuholen, über die Kriegslage zu unterrichten und hierauf zu
den Ersatzkörpern heimzusenden.
Anfangs Dezember entschied sich in dramatischer Weise das Ge-
schick der russischen Heeresleitung, der Stawka1). Der Verlauf der in
Brest-Litowsk geführten Verhandlungen wurde durch Funkspruch all-
gemein im Reiche und an der Front kundgemacht. Diesen Verlautbarun-
gen konnte das Lager des Gen. Duchonin nichts entgegensetzen, das
den Wünschen des Volkes und des Heeres in höherem Maße entspro-
chen hätte. Die Stawka verstummte und damit war das Los des ge-
wesenen Oberbefehlshabers und seiner Anhänger besiegelt. Fähnrich
Krylenko kam mit einer Matroseneskorte nach Mohilew und besetzte
die Stawka. Duchonin, dem gesicherte Fahrt nach Petersburg zugesagt
worden war, wurde von einer verhetztem. Soldatenschar aus dem Zuge
geholt und grausam ermordet2). Die ausländischen Militärbevollmäch-
tigten hatten sich beim Nahen Krylenkois nach Kiew in Sicherheit be-
geben. Gen. Kornilow und andere mit ihm Verhaftete, die bei Mohilew
untergebracht waren, konnten aus dem Gewahrsam entweichen. Die
zentrale, regelmäßige Geschäftsführung durch die Stawka hörte auf.
Da die Verpflegung des Feldheeres schon seit langem schwierig war,
hatte der Kriegsminister bereits Ende Oktober — der Heeresverbiand
umfaßte damals insgesamt noch rund zehn Millionen Mann — eine
Stande,sverringerung vorgeschlagen3). Die älteren Mannschaftsjahrgänge
wurden nach und nach entlassen.
Nach dem Abschluß des Waffenistiiistandes ging das Heer seinem
1) Spannocchi, 195ff.
2) Lukomski, I, 250.
3) Knox, II, 697.
Das Ende der Stawka
741
endgültigen Zerfall entgegen1). Die Entlassungen, die Ankündigung
der bevorstehenden Demobilisierung erweckten in allen Soldaten den
sehnlichsten Wunsch, in die Heimat zurückzukehren. Regimenter und
höhere Verbände weigerten sich, vorne befindliche Truppen abzulösen,
mansche Einheiten verließen eigenmächtig die Front. Stäbe und Anstal-
ten konnten nicht mehr arbeiten, weil ihnen die Leute entliefen. Vor
dem Treiben der radikalen Soldatenkomitees begannen hohe und nie-
dere Offiziere nach dem Süden und Südosten des Reiches zu flüchten.
Dort sowie in Sibirien schritten einzelne Generale daran, gleichgesinnte
Anhänger um sich zu scharen und Freiwilligenarmeen zu bilden, um
die Petersburger Machthaber zu bekämpfen.
Auch auf die Rumänische Front griff die bolschewikische Zersetzung
über. Gen. Ragoisa mußte die Führung der 4. Armee niederlegen. In
einem Russenlager bei Jassy arbeitete ein Verschwörerherd auf den
Sturz des rumänischen Königtums hin; dem General Schtscherbatschew
drohten Haft und Tod. Gemäß einem Ministerratsbeschluß wurde der
Aufruhr am 22. Dezember von rumänischen Truppen niedergeschlagen ;
die Stadt Jassy und Gen. Schtscherbatschew wurden befreit2). Inzwischen
hatte sich die Ukraine als selbständiger Staat erklärt, der sich den
Volkskommissären Rußlands nicht unterordnete. Schtscherbatschew war
mit der ukrainischen Regierung in Verbindung getreten und erhielt auch
die Südwestfront (S. 720) unterstellt3). Sein ganzer Befehlsbereich galt
als eine ukrainische Front. Das Umwandeln der hier stehenden Truppen
in nationale, rein ukrainische wurde fortgesetzt; die großrussischen
Verbände sollten ausgeschieden werden.
Aber auch in Rumänien wollten viele russische Soldaten nach dem
Waffenstillstand nicht mehr vorne an der Front bleiben, sondern heim-
wärts ziehen. Zügellose Scharen unter selbstgewählten Führern drohten
plündernd das Land zu überschwemmen. Das rumänische Oberkom-
mando traf Maßnahmen, um mit 13 Divisionen und Teilen der Kaval-
lerie in gedehnter Aufstellung an Stelle der unverläßlichen Russen die
Gebietsgrenzen zu schützen und mit den restlichen Truppen die Sicher-
heit im Innern gegen die früheren Kampfgefährten zu wahren. So
geriet ein Großteil der russischen und rumänischen Streitkräfte in der
Moldau in Bewegung. Was da trotz des Waffenstillstandes beim Feinde
!) Spannocchi, 195 ff. und Beilage 6. — Vgl. auch K a k u r i n.
2) Kiritzesco, 379ff.
3) Wahl, Zur Geschichte der weißen Bewegung (Die Tätigkeit des General-
adjutanten Schtscherbatschew) [in russischer Sprache, Revall935], 21ff.
742
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
vorging, war von den Führern der Verbündeten nicht gleich zu durch-
schauen. Am 31. Dezember meldete die k. u.k. 1. Armee, vor dem VI.
und dem IX. Korps seien die Stellungen der 4. Russenarmee größten-
teils geräumt; in den verlassenen Gräben nördlich des Csobanostales
tauchten nur vereinzelte Rumänenpoisten auf. Die DOHL. wurde gegen
Schtscherbatschew argwöhnisch und gab der öst.-ung. Heeresleitung ihre
Bedenken bekannt. Ein Verschieben starker, großrussischer Verbände von
der ukrainischen Front nach Norden würde gegen den Waffenstillstands-
vertrag verstoßen. Mit Rußland einerseits Frieden zu schließen, wäh-
rend sich Schtscherbatschew anderseits auf der ukrainischen Front mit
Hilfe ¡der Entente bis zum Frühjahr zu einem ernsten Gegner entwickeln
könne, würde für die Mittelmächte eine ganz unmögliche Lage ergeben.
Der Russengeneral könne dann nach Gutdünken den Frieden anerken-
nen oder nicht; jedenfalls wären erhebliche Kräfte gebunden. Sehe man
im Jänner 1918 noch nicht klar, so wäre der Vertrag von Focsani zu
kündigen und zu umfassenden Gegenmaßregeln zu schreiten.
Wie sich bald herausstellte, waren diese Besorgnisse unbegründet.
Das Heer, das seit seiner Schöpfung durch Peter den Großen ein euro-
päischer Machtfaktor gewesen war, und dem kein Gegner die Anerken-
nung versagen konnte, war 1917 zerbrochen. Das Gesamtbild, das sich
den Mittelmächten vom einstigen gewaltigen Zarenreiche darbot, blieb
Wirrnis, Gärung und Zerfall.
Die Westfront im letzten jahresdrittel 1917
H i e z u Beilagen 1 und 36
Nach den Meutereien im französischen Heere im Frühjahr 1917,
die zwar mit drakonischer Strenge unterdrückt worden waren, besaß
Frankreich auch im späteren Verlaufe dieses Jahres nicht die Fähigkeit,
große Angriffshandlungen durchzuführen. Seine Heeresleitung stellte
sich daher auf das Zuwarten ein; sie wartete auf die amerikanische
Hilfe und auf die Masseneinstellung der Tanks. Die Engländer wieder,
die durch den Krieg der deutschen Tauchboote empfindlich geschädigt
wurden, setzten außer den noich zu erörternden maritimen Gegenmaß-
nahmen auch zu Lande alle Kräfte dazu ein, um den Deutschen deren
an der belgischen Küste gelegenen U-Bootstützpunkte zu entreißen. Dies
führte zur hunderttägigen Schlacht in Flandern, deren dritte Phase in
der zweiten Septemberhälfte begann. Um aber auch weiter im Süden
Örtliche Angriffe der Franzosen
743
die Deutschen unter Druck zu stellen, beschloß die französische Heeres-
leitung, wenigstens einige sehr gründlich vorbereitete örtliche Unter-
nehmen ausführen zu lassen.
Das erste wurde bei Verdun durchgeführt, wo die Franzosen nach
achttägigem Vernichtungsfeuer am 20. August zu beiden Seiten der Maas
etwa 4 km weit vorbrachen und den Deutschen auch den letzten Rest
ihrer im Frühjahr 1916 gemachten Eroberungen entrissen. Es währte
bis Anfang Oktober, ehe der Kampf an der Maas verstummte. Hiebei
waren es weniger die verhältnismäßig geringen Geländeeinbußen als
jene an Mann und Gerät, die die Deutschen empfindlich trafen, da
zur gleichen Zeit ihre 4. Armee bei Ypern die außerordentlich kräfte-
zehrende Dauerschlacht zu führen hatte. Im August zählte man hier
sechs, im September vier und im Oktober wieder sechs Großkampftage1).
Bald nach dem Abflauen der Kämpfe bei Verdun traf die Heeres-
gruppe Deutscher Kronprinz ein zweites Mißgeschick. Sie wurde am
23. Oktober am Bruchpunkt der Front nordöstlich von Soissons, an der so-
genannten „Laffaux-Ecke", angefallen und eingedrückt. Als Folge ergab
sich die Nötigung, auch den bisher standhaft verteidigten Chemin des
dames-Rücken aufzugeben. Wiederum waren es vornehmlich die Ver-
luste an Streitern und Kampfgerät, die schmerzlich empfunden wurden;
am ersten Schlachttag waren 8000 Deutsche in französische Gefangen-
schaft geraten. Erst anfangs November kam die Front hier zur Ruhe.
Fast unmittelbar darauf verbreiterte sich die Ypernschlacht nach
Süden, da die Engländer jetzt auch gegen den rechten Flügel der deut-
schen 6. Armee angriffen. Die Kräfte der Briten und Belgier erlahmten
jedoch, ehe sie ihr Ziel, die Vertreibung der Deutschen aus Flandern,
zu erreichen vermochten. Immerhin war die Spannung an der deutschen
Front so groß geworden, daß die DOHL. im Oktober zweimal daran
dachte, von der italienischen Front deutsche Kräfte abzuziehen (S. 504
und 600). Der rasche, durchschlagende Erfolg, der am Isonzo errungen
wurde, ermöglichte es dann, wenigstens schwere Artillerie und Minen-
werfer, die bei der Verfolgung zunächst nicht benötigt wurden, eiligst
nach Frankreich zu führen.
Um in Flandern bestehen zu können, waren die übrigen deutschen
Frontabschnitte aufs äußerste geschwächt worden. Das war den Eng-
ländern nicht entgangen. Sie beschlossen, dies auszunützen und bei dem
überraschend auszuführenden Angriff Tanks, dieses bisnun neue Kampf-
1) Reichskriegsministerium, Gefechtskalender des Deutschen Heeres
im Weltkriege 1914/1918 (Berlin 1935), 10.
744
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
mittel, in Massen einzusetzen. Als Angriffspunkt wurde der Raum
bei Cambrai gewählt und die Vorbereitungen wurden so vorsichtig ge-
troffen, daß die Geheimhaltung vollkommen gelang.
Der vom englischen Tankkorps (378 Kampf- und 98 Gerätewagen)
und sechs Infanteriedivisionen am 20. November ausgeführte Angriff
traf die deutsche 2. Armee im wesentlichen unvorbereitet. Ihre Front
wurde durchbrochen; drei englische Kavalleriedivisionen näherten sich
bereits zur Verfolgung, und auch die benachbarten Franzosen zogen
zum gleichen Zweck bei Péronne ansehnliche Kräfte zusammen. Doch
die über ihren Erfolg selbst überraschten Engländer verstanden ihn •
nicht auszunützen. Dies gab den Deutschen Zeit, ihre Front zu festigen
und einen Gegenangriff vorzubereiten, den sie am 30. November unter-
nahmen. Bis zum 5. Dezember entrissen sie den Engländern den größ-
ten Teil des verlorenen Bodens und führten 9000 Mann als Gefangene
und 150 Geschütze als Beute weg.
Der Masseneinsatz von Tanks war das wichtigste Ereignis an der
deutschen Front. Die DOHL. begann nun gleichfalls, die Erzeugung von
Kampfwagen in die Wege zu leiten. Wegen Überlastung der deutschen
Industrie und wegen des Rohstoffmangels war der Vorsprung der
Feinde aber nicht mehr einzuholen. Bis Anfang 1918 konnte Deutsch-
land nur 75 Beutetanks und 15 eigene Kampfwagen in Verwendung
nehmen1).
Bis zum Ende des Jahres 1917 vermochte sich die deutsche West-
front — von einigen Einbeulungen abgesehen — erfolgreich zu be-
haupten. Hiebei hatte es sich aber gezeigt, daß das Halten in reiner
Abwehr bei dem ungeheuren Materialaufwand der Feinde nicht mehr
gesichert war. Die Raumeinbußen bei Verdun, bei Ypern, bei Laffaux
und bei Cambrai waren mit Verlusten an Streitern und Geschützen ver-
bunden, die weit größer waren als bei einem gutgeführten eigenen An-
griff. Auch war die Disziplin nach der mehr als dreijährigen Dauer
des Krieges zweifellos bereits gelockert. Traten deutsche Truppen
aber zu einem Angriff an, wie bei Zloczów, bei Tolmein oder beim
Gegenangriff bei Cambrai, dann zeigten sie sich den Feinden noch
immer überlegen. Deshalb war auch im Heere die Erkenntnis allgemein,
daß nur ein Angriff zu Lande den Krieg siegreich beenden könne2).
Im Gegensatz zu der erfolgreichen strategischen Verteidigung, auf
die das Verhalten des deutschen Westheeres im Jahre 1917 abgestimmt
1) Kahl, II, 235.
2) Ludendorff, 434.
Das Ergebnis des Tauchbootkrieges
745
war, wurden die Erwartungen Deutschlands auf den uneingeschränk-
ten U-Bootkrieg nicht erfüllt. Wohl wurden von Mai bis August —
gleich wie in den drei vorangegangenen Monaten (S. 130) — wieder
monatlich 800.000 bis 1,000.000 und vom September bis Dezember im
Monat 600.000 bis 700.000 Tonnen feindlichen Schiffsraumes versenkt.
Es wurden somit im Jahre 1917 der feindliche und der neutrale Schiffs-
park durch U-Boote um 7.5 Millionen Tonnen und durch Minen um
1.5 Millionen Tonnen vermindert. Die Voraussage des deutschen Ad-
miralstabes, daß der Tauchbootkrieg England schon nach fünf Monaten
zum Frieden zwingen werde, erfüllte sich jedoch nicht1).
In den ersten Monaten hatte es allerdings so geschienen, als ob es
möglich werden könnte, Großbritannien niederzuzwingen. Der Admiral
Jellicoe spricht in seinem Buch direkt von den „schwarzen Tagen des
uneingeschränkten U-Bootkrieges" und bezeichnet die damalige Lage
Englands als äußerst kritisch, als „die schlimmste in der 'englischen
Geschichte". Und der englische Minister Churchill erklärt in seinen
Denkwürdigkeiten: „Das U-Boot untergrub nicht nur äußerst rasch
das Leben auf den britischen Inseln, sondern auch die Grundlagen der
Kräfte der Alliierten. Die Gefahr eines Zusammenbruches im Jahre 1918
stand schwarz und drohend am Horizont2)." Dennoch glückte es Eng-
land, dank der gesteigerten Abwehrmittel, seiner unerschöpflichen
Hilfsquellen und der großen organisatorischen Tatkraft der Vereinigten
Staaten von Amerika, der Gefahr Herr zu werden.
England baute neue Schiffe mit einer Gesamttonnage von etwa
2 Millionen Tonnen, womit allerdings kaum ein Viertel des Gesamt-
verlustes von 9 Millionen Tonnen wettgemacht war. Es beschlagnahmte
aber auch rücksichtslos alle Schiffe der Neutralen, deren es habhaft
werden konnte. Es organisierte großzügig die Bekämpfung der U-Boote
und der Minengefahr durch Schiffe und Flugzeuge. Mindestens 200.000
Mann waren hiefür eingestellt; mit dem Minensuchen beschäftigten sich
allein 3200 englische Fahrzeuge mit 25.000 Mann Besatzung. Zum
besseren Schutz der Transporte wurden diese in Geleitzügen zusam-
mengezogen, die durch leichte Seestreitkräfte gesichert waren und den
deutschen U-Booten das Herankommen an die Transport dampf er er-
schwerten. Durch alle diese mit größter Tatkraft durchgeführten Maß-
nahmen gelang es England, den nahen Sieg der U-Boote abzuwenden.
Daß aber auch die den Feinden bekanntgewordenen inner politischen
1) Kühl, II, 156.
2) Churchill, Die Weltkrisis 1916—1918 (Wien 1928), II, 80.
746
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
Schwierigkeiten der Mittelmächte, die teils schon ausgeführt wurden
(S.419f.), teils noch zu erörtern sein werden, den Willen Englands zum
Durchhalten verstärkt und dadurch die U-Bootwaffe stumpf gemacht
haben, soll nicht verschwiegen werden.
Weitab von den Schlachtfeldern Europas und Vorderasiens wurde
1917 auch in Ostafrika gekämpft. Die unter Befehl des preuß. GM.
v. Lettow-Vorbeck stehende, noch immer unbezwungene Schutztruppe
Deutsch-Ostafrikas mußte wegen der allseitigen Umstellung durch viel-
fach überlegene Kräfte des Feindes ihr Land räumen. Sie brach in der
Stärke von 300 Weißen und 1700 Einheimischen Ende November auf
portugiesisches Gebiet durch, erstürmte eine Grenzfeste, rüstete sich
mit den Waffen des Feindes aus und schickte sich dann zur Rückkehr
nach Deutsch-Ostafrika an.
Der Orient im zweiten Halbjahr 1917
Hiezu Beilage 35
Die Begebenheiten in Albanien und in Mazedonien
Bis Mitte August 1917 begnügten sich die dem k. u. k. XIX. Korps
gegenüberstehenden Feinde mit unbedeutenden örtlichen Vorstößen, die
zumeist schon von unseren Sicherungen leicht abgewehrt werden konn-
ten. So scheiterten unter anderen am 16. Juli ein Angriff mehrerer
italienischer Kompagnien westlich von Virzeza im Quellgebiete der
Tomorica, am 3. August ein italienischer Übergangsversuch über die
untere Vojusa und der Vorstoß einer französischen Abteilung aller
Waffen am Devoli südlich von Kucaka. Am 7. August warfen bosnische
Jäger und Albanerabteilungen ein über die Vojusa bis zum Ort Toci
(nordwestlich von Tepelini) vorgedrungenes italienisches Bataillon über
den Fluß zurück.
Der wachsenden Bedeutung, die der Feind dem albanischen Kampf-
räume beimaß, wurde auch von der k. u. k. Heeresleitung in den Mitte
Juni an das XIX. Korpskmdo. erteilten Weisungen Rechnung getragen.
Nach diesen war geplant, sobald öst.-ung. und deutsche Verstärkungen
bereitstünden, die Straße Biklista—Korea—Herseg zu gewinnen. Auch
ein Angriff auf Valona wurde erwogen. Nach einigen Wochen, als mit
Rücksicht auf die Gesamtlage von einer Verstärkung der albanischen
Front Abstand genommen werden mußte, begnügte man sich in Baden
Verteidigungsaufgabe des k. u. k. XIX. Korps
747
jedoch damit, dem XIX. Korps aufzutragen, die Stellungen an der
Vojusa in nachhaltigster Verteidigung festzuhalten. Das Korps hatte
hiezu eine möglichst starke Artillerie in die Front einzusetzen und die
noch nördlich vom Semeni stehenden Kampftruppen vorzuziehen. Der
Küstenschutz sollte lediglich die Umschlagplätze S. Giovanni di Medua
und Du razzo sowie die nördlich von Kavaja knapp an der Küste füh-
renden Nachschublinien decken. In den übrigen Küstenabschnitten wa-
ren nur Beobachtungsabteilungen zurückzulassen, zum Schutze der
Rochadelinie im Skumbitale südlich des Flusses neue Stellungen zu
erkunden und stützpunktartig auszubauen.
Obwohl die Feinde auch nach der Verlegung zweier englischen
Divisionen von Mazedonien nach Palästina den Truppen des Vierbundes
auf dem Balkan noch immer überlegen waren, zögerte Gen. Sarrail
aus Ungewißheit darüber, wo die Mittelmächte ihre in Rußland frei-
werdenden Kräfte zum Einsatz bringen würden, zu einem entschei-
denden Schlag auszuholen. Die Kampfmüdigkeit seiner Truppen1)
lähmte den Willen des Führers. Selbst dann, als die Schlachten bei Focsani
und am Unterlauf des Sereth das in Mazedonien stehende Heer der
Entente im August zu erhöhter Tätigkeit hätten anspornen müssen,
blieb seine Aufgabe: „den Feind bei einem möglichst geringen Einsatz
an Infanterie und tunlichster Ausnützung der Artillerie durch örtliche
Angriffe festzuhalten2)." Nur im Südosten Albaniens steigerten sich
die vom Gen. Sarrail anbefohlenen Handstreiche, Artilleriefeuerüber-
fälle und Fliegerangriffe zu einer größeren Kampfhandlung, als am
19. August zwei französische Kolonnen mit Artillerie unsere Freischaren
südwestlich von Moskopoije zurückdrückten. Hiedurch erweiterte der
Feind auch den Bereitstellungsraum für eine bei Korea sich sam-
melnde französische Angriffsgruppe, die westlich des Ohridasees vor-
zustoßen hatte.
Dem XIX. Korpskmdo. waren die Angriffsvorbereitungen des Fein-
des nicht verborgen geblieben; es fehlte jedoch an frischen Kräften, um
dem offenbar gegen die inneren Flügel des Korps Trollmann und der
Heeresgruppe Scholtz geplanten französischen Vorstoß erfolgverspre-
chend entgegentreten zu können. Lediglich zwei Landsturmbataillone
und drei Gebirgsbatterien konnten freigemacht und in Elbasan zur Ver-
fügung der Gruppe I/XIX des FML. Gerhauser bereitgestellt werden;
*) Herbillon, Du général en chef au gouvernement sous les commandements
des gén. Nivelle et Pétain (Paris 1930), 143.
2) Larcher, 209.
748
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
eine weittragende Kanonenbatterie wurde von Ohrida nach Pogradec
vorgesandt. Die Heeresgruppe Schölte versprach Unterstützung durch
eine über den See heranzuführende Abteilung (drei Radfahrerkompag-
nien, zwei Schwadrotnen und zwei Geschütze) und befahl dem deutschen
Obst. v. Reuter, dem nunmehr die in der Seenenge stehenden Truppen
unterstellt waren, sich für einen Angriff gegen die ihm gegenüber-
stehenden Russen bereitzuhalten.
Tatsächlich beabsichtigte die französische Orientarmee, das ganze
Gelände zwischen dem Malik- und dem Prespasee, einschließlich der
Enge von Pogradec und der Höhen westlich und nordwestlich davon
(Kamiarücken und Mokra planina), in Besitz zu nehmen, um dadurch
einerseits das XIX. Korps von der deutsch-bulgarischen Front zu tren-
nen, anderseits aber den Zusammenhang zwischen den französischen
und italienischen Heeresflügeln zu festigen. Hiezu sollte eine unter dem
Gen. Jacquemot aus französischer Infanterie, aus Spahis und aus Sene-
galesen zusammengesetzte Division die an der Cerava und südlich
bis zur Höhe Gradiste stehenden gegnerischen Truppen festhalten und
mit der im Waldgelände zwischen dem Devoli und Moskopolje bereit-
gestellten Hauptstoßgruppe über die Kamia und die Mokra planina
durchbrechen1). Demgegenüber hatte die k. u.k. 20. GbBrig., die seit
August 1917 vom Obst. Edi. v. Lerch geführt wurde, den Auftrag, im
Falle eines erzwungenen Rückzuges eine von Pogradec über den Kamia-
rücken verlaufende Stellung zu halten und die dem Korps vom k. u, k.
AOK. vielleicht dann doch zugewiesenen Verstärkungen abzuwarten.
Vor dem am 7. September einsetzenden Vernichtungsfeuer leichter
und mittlerer Artillerie der Franzosen wichen die bis Placa vor-
geschobenen Freischaren auf die Hauptstellung an der Cerava zurück.
Die um Korea versammelten französischen Angriff Struppen, die in
Nachtmärschen herangeführt worden waren, drangen am 8. September
in den Morgenstunden mit ihrem westlichen Angriffsflügel beiderseits
von Tresova überraschend über den Devoli vor und erreichten am
selben Tage noch die Höhen zwischen Strekanj und Babien. Hingegen
stürmten die Franzosen vergeblich gegen die Gradistehöhe an. Erst
nachts wichen die dort haltenden, im Westen bereits umfaßten öst.-ung.
Grenzjäger gegen die Höhe Kozel zurück.
Bis zum Abend des folgenden Tages erkämpften sich die Spahis
den Südwestteil der Kamiahöhe, während die französische Infanterie
weiter nach Norden und Nordosten vorstieß und den zähen Verteidiger
!) Dey g as, 147, 148.
Wechselvolle Kämpfe der 20. GbBrig.
749
am Flusse Cerava, drei Bataillone der 20. GbBrig., nötigte, die Stel-
lung zu räumen. Die bei Grabovica (südlich des Ceravaknies) bis zum
letzten Augenblick wiederholt geführten Gegenangriffe, die Bemühun-
gen des Obst. Lerch, mit Unterstützung deutscher Radfahrer dem west-
lich davon vordringenden Gegner in einer Rückhaltstellung zwischen
Prenisti und Causli Halt zu gebieten, und nicht zuletzt das aufopfe-
rungsvolle Ausharren der öst.-ung. Gebirgsbatterien erleichterten es der
Brigade, die vom XIX. Korpskmdo. befohlene Linie zwischen der
Ruinenhöhe am Ohridasee und dem Nordostteil der Kamia zu be-
ziehen. Überdies wurde eine kleine Reserve, bestehend aus dem vom
Obst. Reuter beigestellten deutschen Detachement und zwei öst.-ung.
technischen Kompagnien nördlich von Pogradec bereitgestellt.
Das der Brigade Lerch neuerlich aufgetragene Festhalten der
wichtigen Enge bei Pogradec schien um so sicherer gewährleistet zu
sein, als es der KamiabeSatzung (eineinhalb Bataillone), unterstützt
durch deutsche Radfahrer, am 10. September gelang, den westlich um-
fassenden Angriff dreier französischer Bataillone abzuschlagen. Da gab
eine bulgarische Kompagnie auf der Ruinenhöhe diesen wichtigen Punkt
preis; die rasch herbeigeholte Reserve vermochte die Höhe zwar im
Laufe der Nacht wiederzugewinnen, unterlag aber am Morgen des fol-
genden Tages der feindlichen Übermacht.
Durch das deutsche Detachement, eine öst.-ung. Pionierkompagnie
und zwei öst.-ung. Gebirgsbatterien am Wege längs des Sees und durch
Nachhuten auf der Mokra planina gedeckt, ging die Brigade Lerch bis
auf die Höhen südöstlich von Radokal in eine dort im Frühjahr 1917
vorbereitete Stellung zurück. Nachhuten setzten sich nördlich von Udu-
niste und auf der Höhe A 1704 fest. Am 12. September früh führte
Obst. Lerch seine Truppen in die Linie der Nachhuten vor, ohne vom
Feind daran gehindert zu werden.
Dieser nützte wider Erwarten seinen Erfolg durch einen entschei-
dungsuchenden Vorstoß über Lin gegen die Straße Struga—Elbasan
nicht aus, sondern zog die zusammengesetzte Division, einem Einspruch
des um seine Vormachtstellung in Albanien bangenden Italiens nach-
gebend, nach Florina zurück. Nur zwei französische Regimenter deckten
auch weiterhin den Raum um Pogradec. Die Gegnerschaft der Feinde
kam der 20. GbBrig. bei der Festigung ihrer Lage sehr zustatten. Die
Italiener hatten das Vorgehen ihres Verbündeten bisher nur durch eine
Beschießung des Klosters Pojani von der See her und der anschließen-
den öst.-ung. Vojusastellung durch Artillerie sowie durch kleinere, über
750
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
den Osum bei Cerevoda geführte Vorstöße unterstützt. Nun bekam der
Ostflügel der Brigade Lerch noch durch ein neueingetroffenes deutsches
Bataillon erhöhte Widerstandskraft. Am 13. September trat die Brigade
in den Verband der neugebildeten Ohridadivision des preuß. GM. Pos-
seldt, dem als zweite DispO'sitionseinheit die Gruppe Obst. Reuter östlich
des Ohridasees unterstand.
Obst. Lerch glaubte, die ihm übertragene Doppelaufgabe, Sperrung
der im Skumbitale gegen Elbasan führenden Wege und Schute des
rechten Flügels der Heeresgruppe Schölte vor etwa gegen den Raum
Struga—Ohrida gerichteten feindlichen Vorstößen, am besten durch ein
verläßliches Festhalten der derzeit besetzten Stellung zu erfüllen. GM.
Posseidt verstärkte die Brigade noch durch ein sächsisches Jäger- und
ein bulgarisches Infanteriebataillon und stimmte der vom Obst. Lerch
angeordneten Vorverlegung der Verteidigung in die Linie beiderseits
der Höhe A 1704 zu.
Diese Vorbeugungsmaßnahmen waren sehr berechtigt; hatte doch
Gen. Sarrail aus Paris, wohin die Kunde über den italienischen, die
gemeinsame Sache schädigenden Einspruch gelangt war, die. Weisung
erhalten, die so erfolgreich begonnene und vorzeitig abgebrochene
Offensive westlich des Ohridasees ehestens wieder aufzunehmen. Die
nun zum zweiten Male in beschwerlichen Nachtmärschen aus Florina
herangeführten französischen Regimenter stießen aber nunmehr auf
eine gefestigte Front. Ein Einbruch, der ihnen ¡am 21. September bei
Golik glückte, wurde durch einen Gegenstoß der Bataillone 1/98 und
IV/SchR. 23 wettgemacht, und tags darauf wurde auch noch die Höhe
Krcova — auf französischen Karten als Fort Douaumont bezeichnet —
durch planmäßigen Angriff genommen. Weiter östlich, bis zur Höhe
A 1704, blieben alle ihre Anstürme ohne Erfolg.
Die Möglichkeit einer Ausbreitung der feindlichen Angriffe gegen
Westen hatte das XIX. Korpskmdo. veranlaßt, drei Bataillone der
211. LstlBrig. über Durazzo heranzuholen und überdies der 47. ID. vier
Gebirgshatterien zu unterstellen. Das AOK. sah sich nun doch genötigt,
aus Bosnien, Serbien und Montenegro, trotz der in den zwei letzt-
genannten Ländern noch immer gärenden Volksbewegung, insgesamt
vier Bataillone und zwei Gebirgsbatterien dem XIX. Korps zuzuweisen.
Dieser Kraftzuschuß gestattete es dem Korps, die zwischen der
20. GbBrig. und dem Ostflügel der Gruppe I/XIX des FML. Gerhauser
noch immer bestehende Lücke zu schließen. Auch südlich davon besserte
sich in der letzten Septemberwoche die Lage. Freischaren drangen wie-
—HB—IM—
Mißerfolge der Franzosen am Ohridasee 751
der bis auf die Höhen Krasta und Mali Korona vor und wiesen dort
französische Angriffe ab, und auch im Kampfe um die Devolibrücke bei
Kucaka behaupteten sich die eigenen Truppen.
Trotz dieser günstigen Entwicklung im Albanerabschnitte konnte
das Korps dem Ersuchen der Heeresgruppe Scholtz, den von ihr be-
absichtigten Angriff der 20. GbBrig. zur Wiedergewinnung des Raumes
Pogradec durch die Überlassung zweier Batterien und durch Ent-
lastungsstöße aus dem Raum Kucaka—Krusevo zu unterstützen, nicht
nachkommen, da auf Grund eingelangter Nachrichten mit einer grö-
ßeren italienischen Unternehmung gegen Berat gerechnet werden mußte.
Die Möglichkeit feindlicher Landungsversuche in der Adria zwangen
zu gemeinsam mit dem Flottenkommando eingeleiteten Abwehrmaß-
nahmen. Das Korpskommando mußte deshalb im Gegensatze zu der
Forderung der Heeresgruppe trachten, wenigstens die in den letzten
Kämpfen am schwersten mitgenommenen Teile der 20. GbBrig. (drei
Bataillone) freizubekommen, um sie bei Berat und Ljusna aufzufüllen
und als Korpsreserve für eine neue Verwendung bereitzustellen. Auf
die von den Militärgeneralgouvernements Serbien und Montenegro über-
nommenen Einheiten war ja nicht lange mehr zu rechnen, da dort
nach dem Abzug der Truppen die Aufstände und Raubüberfälle als-
bald wieder auflebten.
Am 20. und 21. Oktober versuchte die kombinierte französische
Division noch einmal, westlich des Ohridasees durchzubrechen. Am
ersten Angriffstage scheiterte ihr Umgehungsversuch im Skumbitale an
dem Widerstand der Grenz jäger und an dem Gegenstoß des sächsi-
schen Jägerbataillons. Der am zweiten Angriffstage vom Seeufer bis
zum Skumbi einsetzende Hauptangriff blieb nördlich von Uduniste im
Feuer preußischer Gardeschützen liegen, zerbrach auf der Höhe -<¡>-1704
unter dem Gegenangriff eines bulgarischen Infanterieregiments und
prallte westlich davon an den von Teilen der 20. GbBrig. verteidigten
Stellungen ab. Damit war die französische Angriffskraft erschöpft.
Die Mitte November erfolgte Zurücknahme des französischen West-
flügels in den Raum südöstlich der Höhe Gora Top -<^1728 glaubte die
Ohridadivision zu einer Vorrückung bis zur Linie 2150—Pogradec
ausnützen zu können. Teile der Gruppe I/XIX hatten sich dieser Be-
wegung bis in die Gegend Höhe A 2150—Kucaka anzuschließen. Der
Vormarsch kam jedoch bald an der starken Stellung, die der Feind
für die schlechte Jahreszeit im Quellgebiet des Skumbi vorbereitet hatte,
zum Stehen. Auch stellten sich jetzt bei der Gruppe I/XIX Verpflegs-
752
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
Schwierigkeiten ein; auf den Bergen lag bereits Schnee und in den
Niederungen hatte der Regen die Flüsse zum Austreten gebracht.
Bis ¡zum Jahresende schied die 20. GbBrig. bis auf zwei Bataillone
aus der Ohridadivision, die seit dem 30. Oktober der bulgarische GLt.
Kantardjeff führte, wieder aus und übernahm mit zwei Bataillonen
und den Albanerfreischaren den Devoliabschnitt. Hier wies sie am 28.
und am 29. November im winterlichen Hochgebirge feindliche, gegen
ihren Südflügel gerichtete Vorstöße ab. Im Dezember wurde die Bri-
gade sodann bei Kavaja neu formiert.
Das XIX. Korps hatte am 18. Oktober seinen Kommandanten, Gdl.
Trollmann, durch Krankheit verloren. Sein Nachfolger, Gdl. Koennen-
Horák, sah einer schweren Zeit entgegen. Der Nachschub auf dem
Seewege wurde unsicher, der Ausbau der Landverbindungen ging nur
schleppend vorwärts, die Hilfsmittel des Landes waren erschöpft, die
feindselige Stimmung der albanischen Bevölkerung, von feindlichen
Emissären beeinflußt, nahm zu. Alle Anzeichen sprachen für umfas-
sende Angriffsvorbereitungen des Feindes.
An der mazedonischen Front hatten im Frühjahr 1917 Franzosen,
Serben und Engländer unter schweren Verlusten die bulgarischen Stel-
lungen nördlich von Monastir, im Cernabogen und westlich des Dojran-
sees Tage hindurch vergeblich berannt. Weiterhin ereignete sich hier
bis zum Ende des Jahres 1917 keine größere Kampfhandlung mehr.
Hüben wie drüben wurde an der Ausgestaltung der Stellungen gearbei-
tet. Nur fallweise Kanonaden, die in der Gegend von Monastir beson-
ders heftig waren, dann Handstreiche, meist im englischen Frontbereich,
unterbrachen die Einförmigkeit des Grabenkrieges1). Die erfolgreiche
Abwehr der Angriffe des Ententeheeres hatte den Geist der bulga-
rischen Truppen stark gehoben und das Vertrauen in die deutsche
Führung und in das Zusammenwirken bulgarischer und deutscher
Truppen, die an den Brennpunkten der Kämpfe Bestes geleistet hatten,
besonders gefördert2). Aber auch im zweiten Halbjahr 1917 erwies
sich das bulgarische Heer in der Verteidigung als durchaus verläßlich.
Es band eine gewaltige Streitmacht der Feinde, sechs Infanteriedivisio-
nen und eine Kavallerie division der Serben, acht französische, vier
*■) Ministère de la guerre, Les armées françaises dans la grande guerre
(Paris 1923), künftig zitiert „Franz. Gstb. W.", VIII, 563. — N é d e f f, Les opéra-
tions en Macédoine. L'épopée de Doïran, 1915—1918 (Sofia 1927), 109.
2) Kirch, Krieg und Verwaltung in Serbien und Mazedonien 1916—1918
(Stuttgart 1928), 7.
Kampfesunlust im mazedonischen Ententeheer
753
englische, eine russische, eine italienische und drei venizelistische Infan-
teriedivisionen, somit insgesamt 24 Divisionen.
Im Ententelager hingegen begann durch die Mißerfolge in den
Frühjahrskämpfen unter den Truppen eine gewisse Kampfunlust um
sich zu greifen. Vor allem unter den Serben, die in den letzten Kämpfen
schwer gelitten hatten und sich durch den im Spätherbst erfolgten
Ausfall Rußlands besonders betroffen fühlten. Zersetzungserscheinun-
gen, ähnlich jenen in Rußland, begannen sich auch bei den in Maze-
donien stehenden russischen Truppen zu zeigen. Auch wollten sich die
Hoffnungen, die man auf die militärische Hilfe Griechenlands gesetzt
hatte, nicht recht erfüllen. Bis Ende Dezember 1917 waren nur drei
griechische Divisionen (Stand 37.000 Mann) ohne sonderlichen Kampf-
wert und ohne Artillerie in die Front getreten. Eine allgemeine Mobili-
sierung in Alt-Griechenland *) konnte aus innerpolitischen Gründen erst
für den Februar 1918 in Aussicht genommen werden. London dachte
im stillen an die Abberufung englischer Truppen von der Salonikifront;
Italien wieder drängte auf Verlegung seiner 35., in der Mitte des
Ententeheeres stehenden Division an den äußersten linken Flügel gegen
Albanien zu. Frankreich selbst, ansonsten Bannerträger des Feindbundes
in Mazedonien, konnte neben den starken Truppenabgaben, die es
wegen der Niederlage des italienischen Heeres im Spätherbste 1917 für
Italien leisten mußte, keinen Mann für Saloniki erübrigen. Daher konnte
die französische Heeresleitung an eine Offensive der buntscheckigen
Orientarmee nicht denken. Gen. Guillaumat, der am 16. Dezember dem
Gen. Sarrail im Kommando folgte, erhielt deshalb auch den Auftrag,
die Front von der Struma bis zu den albanischen Seen bloß zu halten
und die Zugänge nach Griechenland, vor allem östlich des Pindos-
gebirges, zu sperren2).
Da auch die DOHL. und die bulgarische Heeresleitung die Auf-
gabe der bulgarischen Südfront in der Behauptung des eroberten Ge-
bietes sahen, war der Zeitpunkt für große Kampfhandlungen an der
mazedonischen Front vorerst nicht abzusehen.
Die Türkei im zweiten Halbjahr 1917
Hiezu Nebenskizze auf Beilage 35
Von den Mächten des Vierbundes schnitt die Türkei im Jahre 1917
vergleichsweise am schlechtesten ab. Ihr Heer hatte manches Miß-
1) Franz. Gstb. W., VIII, 551.
2) Franz. Gstb. W., VIII, Annexes, 441.
VI 48
754
Der Ausklang des Kriegs jähr es 1917
geschick über sich ergeben lassen müssen. Allerdings darf nicht ver-
gessen werden, daß die Türkei schon seit 1911 Krieg führte, daß die
Hilfsmittel des Landes erschöpft waren und daß der Nachschub zu
den verschiedenen, weit entfernten Frontabschnitten wegen der höchst
mangelhaften Verkehrseinrichtungen sehr schwierig war.
Von den türkischen Armeen stand wie bisher die 1. bei Konstan-
tinopel, die 2. und die 3. im armenischen Hochland, die 4. in Syrien,
die 5. an den Dardanellen und die 6. im Irak. Drei Korps fochten in
den Reihen der Verbündeten, das VI. bei Braila, das XV. bis in den
Sommer hinein in Ostgalizien und das XX. bis zum Mai an der Struma.
Zwei Räume waren es vornehmlich, die die Türkei jetzt zu verteidigen
hatte: der Irak und Palästina. Dagegen drohte ihr an den Meerengen
und infolge des Niederganges des russischen Heeres auch in Armenien
weniger Gefahr.
Als der mit der Rückeroberung von Bagdad beauftragte Gdl. Fal-
kenhäyn sich im Frühsommer anschickte, das „Yildirim''-Unternehmen
(S. 235) einzuleiten, traf er allerorts auf passiven Widerstand und
konnte es nicht in Schwung bringen. Schon Ende August mußte er den
Plan, die alte Kalifenstadt den Engländern zu entreißen, fallen lassen1).
Unterdessen zogen düstere Wolken in Palästina auf. Hier rüstete
der neue Befehlshaber der englischen Armee, Gen. Allenby, zu einem
planmäßigen Angriff; er vermochte sieben Divisionen und etliche selb-
ständige Brigaden, im ganzen etwa 200.000 Mann, aufzubieten. Falken-
hayn, dem nunmehr die Streitkräfte in Syrien unterstellt worden
waren, beantragte, der hier aufsteigenden Gefahr durch einen Angriff
auf dem Ostflügel der Palästinafront zuvorzukommen und lenkte die
ursprünglich für den Irak bestimmt gewesene 7. Armee und das
deutsche Asienkorps dorthin.
Ehe diese auf den über das Taurus- und Amanusgebirge noch
immer nicht geschlossenen Bahnen eingetroffen waren, schritt Allenby
zum Angriff. In der dritten Schlacht bei Gaza, in der die zwei öst.-
ung. Gebirgsbatterien und die neu hinzugekommene 10.4 cm-Kanonen-
batterie 20 wieder Proben außerordentlichen Mutes abgaben2), wurden
die Türken am 7. November nach Norden zurückgeworfen. In der
Verfolgung nahmen die Engländer zehn Tage später Jaffa und er-
oberten am 9. Dezember Jerusalem. Das war ein neuer schwerer Schlag,
!) Z w ehi, 286.
2) Adam, Die österreichisch-ungarische Artillerie in der Türkei (Schwarte V,
565).
Die Engländer erobern Jerusalem
755
der ebenso wie der Verlust von Mekka im Jahre 1916 und jener von
Bagdad im März 1917 das Ansehen der Türkei und des Sultans in
der mohammedanischen Welt sehr stark schädigte. Die winterliche
Regenzeit machte nun dem für die Osmanen schon recht aussichtslos
gewordenen Ringen ein zeitweiliges Ende. Dschemal Pascha, der Kom-
mandant der türkischen 4. Armee, wurde abberufen. Die Reste dieser
Armee vereinigte der zum Armeeführer ernannte bisherige General-
stabschef Freih. v. Kreß Pascha in einer neugebildeten 8. Armee.
Hielt die Türkei auch noch treu zu ihren Verbündeten, so war
Ihre Kampfkraft, da viele ihrer Divisionen wegen der zahlreichen De-
sertionen nur mehr auf dem Papier bestanden, doch schon recht gering
geworden. Immerhin band sie zu Ende des Jahres 1917 in Palästina
mehr als sieben britische und im Irak zwei englische und einige indische
Divisionen, die auf dem Hauptkriegsschauplatz in Frankreich ausfielen.
Rückblick auf das Kriegsjahr 1917
Auf dem Gebiete der Kriegführung im engeren Sinne hatten die
Mittelmächte das Jahr 1917, das vierte Kalenderjahr des großen Welt-
ringens, im Buche des Schicksals mit einem starken Haben abgeschlossen.
Wohl hatte schon das Krisenjahr 1916 nach Wochen und Monaten
atembeklemmender Spannung am Schlüsse einen weit sichtbaren Erfolg
gebracht, die Niederwerfung Rumäniens, das mit der stolzen Hoffnung
ins Feld gezogen war, dem Gegner bloß mehr den Todesstoß geben zu
müssen, und das nun mehr als die Hälfte des Landes samt der Haupt-
stadt einem siegreichen Eroberer unterworfen sah. Dennoch waren die
Heere der Mittelmächte aus dem gewaltigen Ringen im Westen, Süd-
westen und Osten ermattet und stark ausgeblutet hervorgegangen. Und
als FM. Conrad, unermüdlich im Planen und Handeln, trotzdem wenige
Wochen vor seinem Rücktritt den Bundesgenossen zu einem gemein-
samen Frühjahrsfeldzug gegen Italien einlud, stieß er auf kaum ver-
kennbare Ablehnung. Die Deutsche Heeresleitung, nunmehr in Hinden-
burg und Ludendorff verkörpert, gedachte vorerst, in entsagungsvoller
Abwehr Kräfte für spätere Kämpfe zu sammeln und dazu auch stärker,
als es bisher geschehen war, aus den Tiefen der Nation zu schöpfen.
Inzwischen sollte allerdings auf hoher See und in den Gewässern um
England die U-Bootwaffe zu dem ihr seit langem vorenthaltenen Rechte
48*
756
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
*
kommen und durch die Niederzwingung Albions die feindliche Front an
ihrer stärksten und zâhesten Stelle treffen. Am 9. Jänner 1917, nachdem
an dem Scheitern des Friedensschrittes vom 12. Dezember des Vorjahres
nicht mehr zu zweifeln war, wurde .auf-Schloß Pleß in Preußisch-Schle-
sien der bedeutungsvolle Entschluß gefaßt und wenige Tage später, noch
ehe Österreich-Ungarn nur widerwillig seine Zustimmung gab, steuerten
die deutschen Tauchboote in das geheimnisvolle Element hinaus.
Inzwischen hatte die Entente aus ihrer strategischen Rüstkammer
noch einmal den wohlbekannten Plan für einen Generalangriff an allen
Fronten hervorgezogen. Im Sommer 1916, durch die gleichzeitigen Kämpfe
an der Somme, am Isonzo, in Wolhynien und in Ostgalizien, war es zum
erstenmal seit Kriegsausbruch geglückt, diesen Gedanken in die Tat um-
zusetzen. Nun sollte er, im Frühjahr oder Sommer 1917, neuerlich zur
endgiltigen Niederwerfung der Gegner verwirklicht werden.
Da brach durch die erste Revolution in Rußland ein mächtiger Stein
aus dem stolzen Bauwerk des Vielverbandes. Als der Frühling ins Land
zog, da ließ das russische Heer, während die Fahne des Zaren nieder-
geholt wurde, auch die Waffen sinken, und es war schwer vorauszusagen,
ob es diese je wieder erheben mochte. Auch Italien zog den Angriff hin-
aus ; allgemeine Müdigkeit paarte sich mit der Sorge ob eines gemeinsamen
Vorstoßes der Mittelmächte, wie ihn Conrad ja in der Tat vorgeschlagen
hatte. Nur die französischen und die britischen Streitkräfte schickten
sich entschlossen zum Sturme an; ihre Angriffssäulen stießen aber beim
ersten Vorfühlen ins Leere. Hindenburg hatte den weit vorragenden
Stellungsbogen von Arras und Soissons in aller Heimlichkeit preisgegeben,
seine Kämpfer in die Sehne des Bogens zurückgenommen und das Zwi-
schenland in eine Wüstenei verwandeln lassen. Das Ersparnis an Kräften
war bemerkenswert und kam den weiteren Kämpfen des Jahres reichlich
zugute. Die Alliierten aber mußten ihren Angriff neu aufbauen. Mit
einer Verspätung von vier Wochen kam es im Artois und in der Cham-
pagne zu überaus harten Kämpfen, die dem Verteidiger gewiß viel Blut
kosteten, die französische Armee aber fast ins Mark trafen. Entmutigung
bemächtigte sich der Streiter der Republik, der Geist der Empörung
ging durch ihre Reihen und ergriff auch beträchtliche Teile des arbeiten-
den Volkes. Ein Vorstoß der Mittelmächte an der französischen oder an
der italienischen Front hätte in diesen Wochen zu unabsehbaren Folgen
führen können. Er unterblieb jedoch, da die DOHL. nicht über entspre-
chende Nachrichten verfügte und wohl auch die zur Hand befindlichen
Reserven nicht für genügend stark hielt. Freilich ging damit vielleicht
Der Niederbruch Rußlands
757
auch der letzte Augenblick, der den Mittelmächten noch einen Entschei-
dungssieg auf dem Schlachtfelde verheißen hätte, ungenützt vorüber.
Schon waren die großen Angriffsschlachten im Westen im Verebben,
da stürzten die Italiener, nunmehr ihrer Sorgen wegen eines Angriffes
der Verbündeten überhoben, in der zweiten Hälfte Mai zum zehntenmal
am Isonzo zum Sturme vor. Nördlich von Görz fiel der Kuk in die
Hände der Angreifer. Auf der Karsthochfläche hielt ein anfangs Juli
losbrechender Gegenangriff des Verteidigers den Feind noch von dem
Hermadarücken fern, der lang hingestreckt wie ein ruhender Löwe die
Straße nach dem „unerlösten" Trie st bewachte.
Und wieder einige Wochen später, am 1. Juli, raffte sich der Russe
auf den Schlachtfeldern Ostgaliziens noch einmal zum Kampfe auf. Hatte
vor Jahresfrist noch der Zar, unterstützt von seinen Popen, den Muschik
zu tO'desverachtenden Stürmen angespornt, so war es jetzt der von der
Revolution emporgetragene Kriegsdiktator Kerenski, der, allerdings nur
für einen Teil der Armee, Gleiches vollbrachte. Die Erfolge, die dabei
errungen wurden, waren, zumal südlich vom Dniester, nicht zu unter-
schätzen. Aber alsbald fielen ihnen die Mittelmächte mit einem Gegen-
stoß in die schon überaus brüchig gewordene Klinge. Der Russe flüchtete
hinter die Grenzen seines Landes zurück — ein Bild heilloser Verwir-
rung, aber auf heimischer Erde zunächst doch noch stark genug, den
Schwung des nachdrängenden Gegners zu bannen. Ebenso wehrten die
Rumänen bei Märäsesti einen Angriff Mackensens ab; der Hoffnung, die
Front durch die Gewinnung der Pruthlinie abzukürzen und zu entlasten,
mußten die Mittelmächte entsagen. Dafür winkte im Norden der 1200 km
langen Front noch kriegerischer Lohn. Riga, die Hochburg des baltischen
Deutschtums, wurde von den Divisionen Otto von Belows genommen, und
auf den Moonsundinseln stiegen gleichfalls deutsche Kämpfer ans Land.
Hinter den schütteren Reihen der Russen, die kampfmüde ihre Gewehre
in den Graben lehnten, erhob der Umsturz zum zweitenmal sein Haupt.
Lenin und Trotzki, im Frühjahr in plombierten Wagen durch Deutsch-
land gebracht, rissen die Herrschaft an sich, und vom Moskauer Kreml
aus blickte alsbald statt des doppelköpfigen Zarenadlers der Sowjet-
stern ins Grau der russischen Landschaft.
Auf dem Balkan war dem Orientheere des Gen. Sarrail weder im
Frühjahr noch im Herbst größerer Erfolg beschieden, obgleich es durch
den erzwungenen Übertritt Griechenlands zur Entente Rückenfreiheit er-
langt hatte. Erheblich mehr Glück hatten die Briten auf der asiatischen
Kampfbühne. Der Einnahme der Kalifenstadt Bagdad im März folgte
758
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
im Dezember die von Jerusalem, das in den viertausend Jahren seiner
Geschichte zum 37. Male einen Eroberer in seinen Mauern sah. Durch
den Verlust dieser heiligen Stätten wurde das Vertrauen der Welt des
Islams in den Führerberuf des Ottomanentums vollends erschüttert.
In Frankreich hatte das scharfe Durchgreifen des Kriegsministers
Painlevé sowie der Generale Foch und Pétain die Armee von dem Ab-
grund, an dem sie taumelte, zurückgerissen. Zu größeren Kriegshand-
lungen vermochte sich jedoch die französische Heeresleitung aus eigener
Kraft noch nicht z,u entschließen. Erst sollte das Eintreffen der Amerikaner
abgewartet werden, als deren Sendbote Gen. Pershing in Paris erschienen
war. Der uneingeschränkte U-Bootkrieg hatte Wilson den Anlaß zum
Bruche mit Deutschland geboten, zu dem es unter dem Drucke des ame-
rikanischen Kapitals wohl auch sonst, allerdings verspätet, doch gekom-
men wäre. Die Westmächte und ihre Alliierten konnten es als besonderes
Glück begrüßen, daß an Stelle des erlahmenden russischen Reiches in
einer wohl noch ziemlich weit gesteckten, aber sicheren Frist ein neuer,
aus den Menschenmassen und den Reichtümern eines Hundertmillionen-
volkes schöpfender Bundesgenosse in die Front einrücken werde.
Frankreich war entschlossen, sich auf diese große Stunde in der Ab-
wehr vorzubereiten. Dem britischen Generalstab sagte jedoch ein Pro-
gramm geduldigen Zuwartens nicht zu. Die U-Bootsgefahr, die trotz der
angesetzten Abwehrmittel noch immer schwer auf Volk und Heer lastete,
und die unvergleichliche Zähigkeit, mit der die deutschen Armeen Ze-
brügge deckten, bestärkten England noch in der Erkenntnis, daß es ums
Ganze ging. Und wie ernst es den Briten nunmehr mit ihrem Opferwillen
war, das bewiesen sie alsbald in der Flandernschlacht, diesem ersten
großen Waffengang, den sie ohne Schulteranlehnung an mitstürmende
Alliierte antraten. Aber die Widerstandskraft des Verteidigers ließ auch
jetzt noch nicht mit sich spotten. Als nach mehr als vier Monate währen-
dem Ringen die Schlacht verebbte, lag Zebrügge noch weit hinter der in
unerschütterlicher Geschlossenheit verharrenden deutschen Front! Frei-
lich steigerten gerade solch schmerzliche Erfahrungen bei den Briten und
ihrem Führer Lloyd-George die Entschlossenheit, bis zum Ende durch-
zuhalten, und Mitte November trat dem britischen Premier auf französi-
schem Boden in dem neuen Ministerpräsidenten Clemenceau ein ebenso
zäher wie grimmiger Mitstreiter zur Seite.
Nachdem die Verhandlungen über einen Einsatz stärkerer Entente-
streitkräfte auf italienischem Boden fürs erste ergebnislos verlaufen
waren, wagte Cadorna im August noch einmal aus eigener Kraft einen
Rücksichtnahme des Kaisers Karl auf Frankreich
759
Angriff gegen Österreich-Ungarns Wall am Isonzo. Er trieb auf der Hoch-
fläche von Bainsizza-Heiligengeist einen bedenklichen Keil in die Linien
des Gegners. Auch die Straße nach Triest war am Fuße der Hermada
neuerlich von einem heißen Ringen umbrandet. Die Gefahren, die da für
das Abwehrgebäude nicht nur des Habsburgerreiches, sondern des gan-
zen Vierbundes heraufzogein, bewogen die öst.-ung. Heeresleitung noch
während der elften Schlacht, an den deutschen Verbündeten mit der
Anregung zu einem gemeinsamen Entlastungsstoß aus dem Raum von
Tolmein heranzutreten.
Die Bündniskriegführung stand im Lager der Mittelmächte, trotz
der eben in Ostgalizien erfochtenen gemeinsamen Erfolge, nicht mehr
auf so festen Füßen wie — bei allen Gegensätzlichkeiten zwischen den
Generalstabschefs — in den Jahren zuvor. Die Politik drängte sich zwi-
schen die Bedürfnisse rein militärischer Zielsetzung. Dies erwies sich
auch bei der Vorbereitung des Isonzosieges. Die Friedenspolitik Öster-
reich-Ungarns war die ganzen Monate über von dem Gedanken getra-
gen, daß der Weg zu einem allgemeinen Frieden nur über eine Brücke
zwischen der Donaumonarchie und Frankreich zu finden sein werde.
Kaiser Karl besorgte auf Grund von Nachrichten, die ihm zugekommen
waren, daß ein unmittelbares Aufeinanderprallen französischer und öst.-
ung. Heeresteile einer solchen Entwicklung schaden könnte, und war
schon aus diesem Grunde dem Auftreten deutscher Divisionen am Isonzo
abgeneigt, weil ihr Erscheinen aller Wahrscheinlichkeit nach auch fran-
zösische Streitkräfte nach Oberitalien rufen mochte. Andererseits mag
man in reichsdeutschen Kreisen nicht durchwegs jene Auffassung abge-
lehnt haben, die in der Kriegsliteratur anzutreffen ist *) : daß Deutsch-
land, wenn es ein Abspringen Österreich-Ungarns zuverlässig verhindern
wollte, es „weder zum Siege noch zur Niederlage Italiens kommen"
lassen dürfe. Jedenfalls betrachtete man im deutschen Hauptquartier
das italienische Kriegstheater nach wie vor als einen Nehenschauplatz,
und es war zweifellos das Verdienst des Gdl. Arz und seines Stellver-
treters, GM. Waldstätten, daß die beiderseitigen Hemmnisse wider den
Einsatz deutscher Heeresteile am Isonzo überwunden wurden, und daß
es so zu dem großen Siegeszug in Venetien kommen konnte, der gleich
in seinem Beginn den der Kriegshandlung fürs erste gesetzten, engen
Rahmen sprengen sollte.
Vier große Ausfälle hatten auf diese Weise die Mittelmächte als
Verteidiger einer gewaltigen, von allen Seiten eingeschlossenen Festung
1) Fester, 186.
760
Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
im Jahre 1917 unternommen : einen in Ostgalizien, einen in Rumänien,
einen an der Ostsee und den letzten in Oberitalien, der die Ausfalls-
truppen vom Isonzo und aus den Kärntner Gebirgen auf 100 und 150 km
vorwärts führte. Aber den Belagerungsgürtel entzwei zu reißen, blieb
den Heeren der Mittelmächte versagt und auch die U-Boote, die als
Entsatztruppe im Rücken der Belagerer angesetzt waren, hatten die
Hoffnungen, die man ihrem Wirken entgegenbrachte, nicht erfüllt. Waren
im zweiten Viertel des Kriegsjahres 1917 noch 2,976.000 t versenkt wor-
den, so sank diese Zahl in den folgenden Vierteljahren auf 2,491.000
und auf 1,983.000 herab1). Die Ü-Bootgefahr konnte von England im
Herbst als abgewendet betrachtet werden. Aber diese Enttäuschung
mochte bei den Mittelmächten zunächst noch nicht allzu schwer wiegen
gegenüber den Vorteilen, die das Ausscheiden Rußlands aus der Kampf-
front verhieß. Der endgültige Zusammenbruch des russischen Heeres, der
nach dem Scheitern der „Kerenski-Offensive" nicht mehr aufzuhalten
war, hatte den Kaisermächten den Rücken schon während des italieni-
schen Feldzuges freigehalten. Diese Rückenfreiheit blieb auch für das
kommende Frühjahr aufrecht und behielt so lange ihren Wert, bis ent-
sprechend starke amerikanische Kräfte an der Westfront auftauchen
konnten.
Gegenüber diesem sonach noch immer recht günstigen militäri-
schen Bilde stach allerdings die politische Lage der Mittelmächte und
ihrer Verbündeten nicht unerheblich ab. Die über sie verhängte Hunger-
blockade und die Abschnürung von allen Rohstoffquellen der Welt ließen
es allgemach an der unvermeidlichen Wirkung nicht fehlen. Der vom
Vielverband entfachte Ideenkampf fand überall aufnahmsbereiten Boden.
Deutschlands Volkskörper war schon von bedenklichen sozialen Fiebern
befallen, im habsburgisehen Reiche kamen noch nationale Beben hinzu,
die nicht mehr bloß unterirdisch fühlbar waren. Am 12. Dezember 1916
hatten die Regierungen der Mittelmächte den ersten offiziellen Friedens-
schritt des Weltkrieges getan. Das Scheitern dieses Schrittes hatte den
jungen Kaiser und seinen Außenminister Czernin nicht vor der Auf-
nahme weiterer Friedensfühler zurückschrecken lassen. Über die Möglich-
keiten eines Sonderfriedens für Österreich-Ungarn ist das Nötigste ge-
sagt worden (S. 417 ff.). Wie es um die Frage eines allgemeinen Friedens
stand, ging aus den verschiedenen Ententekundgebungen im Sommer und
im Herbst 1917 hervor. Italien zeigte sich in keiner Weise geneigt, von
!) Nach britischen Angaben lauten diese Zahlen: 2,225.000, 1,500.000 und
1,125.000. Vgl. Montgelas in der Propyläen-Weltgeschichte, X, 432.
Die Aussichten für einen Friedensschluß
761
den im Londoner Vertrag von 1915 anerkannten „Aspirationen" in
irgendetwas nachzugeben. Frankreich blieb in der Frage der „Desan-
nexion" Elsaß-Lothringens unerbittlich und dachte überdies an die Ge-
winnung des Saarbeckens und an die Errichtung eines neutralisierten
linksrheinischen Pufferstaates. Albion bestätigte nicht bloß die Rechte
Frankreichs auf die Reichslande und forderte nicht nur die bedingungs-
lose Räumung Belgiens, sondern es machte vor dem Letzten nicht Halt:
es war entschlossen, den Krieg bis zur völligen Entmachtung Deutsch-
lands durchzukämpfen.
So waren denn, wenn der Winter nicht noch eine Überraschung
nach der Richtung des Friedens brachte, im Spätherbst die Lose aus-
geworfen. Beide Mächtegruppen hatten sich im Kriegsjahre 1917 —
die des Vielverbandes nach dem Scheitern der Frühjahrsoffensive in
Frankreich — auf das Zuwarten eingestellt. Damit war es für 1918 vor-
über. Die Mittelmächte mußten nach dem Scheitern des U-Bootkrieges
nun doch wieder entschlossen daran gehen, noch einmal die Entscheidung
mit dem Schwerte zu suchen. Der Niederbruch Rußlands bot gewiß aus-
sichtsvolle Möglichkeiten. Die Zeit war allerdings begrenzt. Erschien
der Amerikaner mit starken Kräften auf der französischen Walstatt, ehe
die Mittelmächte ein entscheidendes Ergebnis erkämpft hatten, dann
neigte sich die Waagschale endgültig auf die Seite der Entente, die ihrer-
seits die Rechnung denn auch nach dieser Erkenntnis einstellte: Halten
um jeden Preis bis zum Eintreffen der neuen Mitstreiter vom anderen
Ufer des Atlantik! Der Weg war beiden Teilen unentrinnbar vorge-
zeichnet.
762
Anhang
ANHANG
Nr. 1
Der Waffenruhevertrag von Brest-Litowsk, 5. Dezember 1917 T)
Zwischen den bevollmächtigten Vertretern der Obersten Heeresleitungen Deutsch-
lands, Oesterreich-Ungarns, Bulgariens und der Türkei einerseits und Rußlands
andererseits wird zur Erleichterung der schwebenden Waffenstillstands-Verhandlungen
folgende Waffenruhe abgeschlossen:
1. Die Waffenruhe beginnt am 7. Dezember 1917, 12,00 Uhr mittags, und dauert
bis 17. Dezember 1917, 12,00 Uhr mittags.
Beide Parteien sind berechtigt, die Waffenruhe mit dreitägiger Frist zu kündigen.
2. Die Waffenruhe erstreckt sich auf alle Land- und Luftstreitkräfte der
genannten Heere zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee, sowie auf den
türkisch-russischen Kriegsschauplätzen in Asien. Auf den Inseln am Moon-Sund sind
die deutschen Landstreitkräfte in die Waffenruhe eingeschlossen. Die Luftstreitkräfte
am Meer haben Handlungsfreiheit, jedoch nur über See; sie dürfen in feindlichem
Besitz befindliches Landgebiet nicht überfliegen.
Das Beschießen von Küstenpunkten durch Seestreitkräfte ist verboten.
3. Als Demarkationslinie an der europäischen Front gelten die beiderseitigen
vordersten Hindernisse der eigenen Stellungen. Dort, wo keine geschlossenen Stel-
lungen bestehen, gilt beiderseitig als Demarkationslinie die Gerade zwischen den
vordersten besetzten Punkten. Der Zwischenraum zwischen den beiden Linien gilt als
neutral.
Auf den asiatischen Kriegsschauplätzen wird die Demarkationslinie nach Ver-
einbarung der beiderseitigen Höchstkommandierenden bestimmt.
4. Alle Parteien verpflichten sich, dafür Sorge zu tragen, daß ein ausdrücklicher
Befehl für ihre Truppen erlassen wird, die Demarkationslinie nicht zu überschreiten.
5. Während der Waffenruhe dürfen nur solche Truppenverschiebungen von
Divisionsstärke und mehr stattfinden, die bis 5. XII. 17 einschließlich schon be-
fohlen waren.
6. Alle Sonderverträge einzelner Kommandostellen über Waffenruhe werden
hierdurch außer Kraft gesetzt.
Ausgefertigt und unterschrieben in fünf Exemplaren.
Brest-Litowsk, den 5. Dezember 1917 (22.11.).
(Folgen der russische Text und die Unterschriften.)
*) AOK., Op. geheim Nr. 537 vom 8. Dezember 1917.
Der Waffenstillstands vertrag von Focçani
763
Nr. 2
Der Waffenstillstandsvertrag von Focsani, 9. Dezember 19172)
Au jour d'hui le 26 novbre/9 décbre 1917 23h 30 heure de Petrograd
10h 30 heure de l'Europe orientale.
Conditions de l'armistice entre les armées Russes et Roumaines du front
Roumain d'une part et les armées Allemandes, Austro-Hongroises, Bulgares et
Turques opérant sur le même front d'autre part.
§ 1. Est oonclu entre les armées Russes du front Roumain opérant sur le
front entre le Dniestr et l'embouchure du Danube inclusivement, sous le commande-
ment du général Stcherbatcheff d'une part et les armées Allemandes, Austro-
Hongroises, Bulgares et Turques disposées sur le même front sous le commandement
de l'Archiduc Joseph et du Feldmarschall v. Mackensen d'autre part, l'accord suivant
concernant l'armistice provisoire jusqu'au moment où la question de la guerre ou
de la paix sera décidée par l'Assemblé constituante de toute la Russie.
Les Armées Roumaines opérant sous les ordres du général Presan et faisant
partie du front Roumain concluent de même cet accord pour le temps que durera
l'armistice des armées Russes du front Roumain.
§ 2. Les deux partis sont réciproquement obligés à annoncer la reprise des
hostilités 72 heures avant leur commencement.
Le présent accord est rompu automatiquement dans le cas d'une offensive
des forces Allemandes, Austro-Hongroises, Bulgares ou Turques sur un secteur
quelconque de tout le front entre la Mer Baltique et l'embouchure du Danube
incl. même en dehors du front Roumain, ou bien dans le cas de reprise des
hostilités par les armées Russes ou Roumaines; même en ce cas la parti adversaire
doit être prévenu 72 heures d'avance.
§ 3. Toutes les hostilités sur le front susdit au § 1 cessent immédiatement après
que l'accord présent entrera en vigueur.
§ 4. Les opérations aériennes cessent reciproquément non seulement au dessus
des lignes ennemies mais même au dessus d'une zone de 10 kilomètre en profondeur
mesurés des tranchées de première ligne des contractants respectifs. L'activité des
aérostats cesse en même temps tout â fait.
§ 5. Est inadmissible tout envoi de patrouilles et même d'éclaireurs ¿isolés
au delà de la propre ligne avancée de fils de fer.
§ 6. Il est défendu aux avant-postes des deux partis <ie dépasser la propre
ligne avancée de fils de fer.
§ 7. Les deux partis s'engagent à ne pas exécuter de travaux de préparation
d'offensive et aussi de travaux ayant pour but le renforcement et le développement
des positions. Seront admis seulement les travaux ayant pour but l'entretien des
positions, l'amélioration de l'état materiel des troupes (ravitaillement, situation
sanitaire) et les constructions de baraquement.
2) AOK., Op. geheim Nr. 597 vom 21. Dezember 1918. Schreibweise genau nach
dem Originalakt.
764
Anhang
§ 8. Du moment que la convention est entrée en vigueur les deux partis
s'obligent de ne plus donner des ordres pour les transports opératifs, de mouvements,,
de regroupements et aussi de ne pas exécuter les transports et les regroupements)
pour lequels les ordres avaient été donnés après le 5. décembre n. st. (inclus).
Pendant toute la durée de l'armistice sont permis la relève habituelle des
unités dans le rayon du corps d'armée, ainsi que les mouvements des troupes dans
la zone des armées ayant pour but l'amélioration des cantonnement et l'approvi-
sionnement des troupes.
Il n'est pas permis de remplacer des troupes retirées de leur zone du corps
d'armée que tout au plus par des troupes de la même force et prise seulement
du front dit au § 1.
§ 9. L'affaiblissement par le prélèvement individuel ou collectif sur les
unités disposées actuellement sur le front dans le but de renforcer les autres
fronts est interdit.
§ 10. La zone neutre pour le temps de l'armistice s'étendra entre les lignes
de fils de fer le plus avancées des deux partis. En cas d'absence d'obstacles artificiels
la zone est comprise entre les tranchées les plus avancées ou une ligne droite
imaginaire d'une tranchée à l'autre et indiquée par des placards.
Dans la région du Delta du Danube la zone neutre est le bras St. George.
§ 11. L'entrée dans la zone neutre est défendue; mais les personnes qui
s'y meuvent pendant la journée et sans armes ne seront pas traitées par des
moyens violents.
§ 12. Toute personne appartenant aux partis contractants qui dépasse la zone
neutre est considérée comme prisonnier1).
§ 13. Il est défendu de vendre, de céder ou de consommer des boissons
alcooliques dans la zone neutre.
§ 14. Les malentendus qui pourraient surgir pendant la durée de cet accord
seront tranchés par les délégués des deux côtés. — L'endroit et le temps de la
réunion des délégués seront désignés dans chaque cas particulier par l'entremise
de parlementaires.
§ 15. Les deux partis auront le droit de faire des propositions complé-
mentaires pour la modification des stipulations de la présente convention. C'est
pourquoi sera convoquée une commission ayant les mêmes pleine-pouvoirs que
la présente.
§ 16. Cet armistice se refert aussi à la flotille fluviale militaire des deux
partis.
§ 17. Le présent accord entre en vigueur du moment de sa signature.
§ 18. Cet armistice perd sa valeur aussitôt qu'un armistice comprenant
expressément le front total entre la Mer Baltique et la Mer Noire sera conclu
entre les commandements suprêmes des Puissances Centrales alliées d'une part
et le commandement suprême Russe et le commandement suprême Roumain d'accord
d'autre part.
1) Handschriftlich ergänzt: de guerre.
Der Waffenstillstands vertrag von Brest-Litowsk
765
§ 19. On remettra à chacun des partis par l'entremise des délégués un
exemplaire de cet accord signé et rédigé en français.
Les soussignées expriment leur désir que: la question de la neutralisation
de la côte entre les embouchures extrêmes du Danube et la navigation sur la Mer
Noire et sur tous les bras du Danube jusqu'à Galati soient discutées et établies
par une commission mixte spéciale. *
(Folgen die Unterschriften.)
Nr. 3
Der Waffenstillstandsvertrag von Brest-Litowsk, 15. Dezembre 19171)
Zwischen den bevollmächtigten Vertretern der Obersten Heeresleitungen Deutsch-
lands, Oesterreich-Ungarns, Bulgariens und der Türkei einerseits, Rußlands anderer-
seits wird zur Herbeiführung eines dauerhaften, für alle Teile ehrenvollen Friedens
folgender Waff enstillstand abgeschlossen :
I. Der Waffenstillstand beginnt am 17. Dezember 1917, 12 Uhr mittags (4. Dez.
1917, 14 Uhr russ. Zeit) und dauert bis 14. Januar 1918, 12 Uhr mittags (1. Januar
1918, 14 Uhr russ. Zeit), Die vertragschließenden Parteien sind berechtigt, den
Waffenstillstand am 21. Tage mit 7tägiger Frist zu kündigen; erfolgt dies nicht,
so dauert der Waffenstillstand automatisch weiter, bis eine der Parteien ihn mit
7tägiger Frist kündigt.
II. Der Waffenstillstand erstreckt sich auf alle Land- und Luftstreitkräfte der
genannten Mächte auf der Landfront zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee.
Auf den russisch-türkischen Kriegsschauplätzen in Asien tritt der Waffenstillstand
gleichzeitig ein.
Die Vertragschließenden verpflichten sich, während des Waffenstillstandes die
Anzahl der an den genannten Fronten und auf den Inseln des Moonsundes be-
findlichen Truppenverbände — auch hinsichtlich ihrer Gliederung und ihres Etats —
nicht zu verstärken und an diesen Fronten keine Umgruppierungen zur Vorbereitung
einer Offensive vorzunehmen.
Ferner verpflichten sich, die Vertragschließenden, bis zum 14. Januar 1918
(1. Januar 1918 russ. Zeit) von der Front zwischen dem Schwarzen Meer und der
Ostsee keine operativen Truppenverschiebungen durchzuführen, es sei denn, daß
die Verschiebungen im Augenblick der Unterzeichnung des Waffenstillstands Vertrages
schon eingeleitet sind.
Endlich verpflichten sich die Vertragschließenden, in den Häfen der Ostsee
Östlich des 15. Längengrades Ost von Greenwich und in den Häfen des Schwarzen
Meeres während der Dauer des Waffenstillstands keine Truppen zusammenzuziehen.
*) AOK., Op. geheim Nr. 677 vom 23. Dezember 1917. — Auch gedruckt bei
Nie me y er, Die völkerrechtlichen Urkunden des Weltkrieges, VI, 699 ff. (Jahr-
buch des Völkerrechts, VIII, München und Leipzig, 1922).
766
Anhang
III. Als Demarkationslinien an der europäischen Front gelten die beider-
seitigen vordersten Hindernisse der eigenen Stellungen. Diese Linien dürfen nur
unter den Bedingungen der Ziffer IV überschritten werden.
Dort, wo keine geschlossenen Stellungen bestehen, gilt beiderseits als Demar-
kationslinie die Gerade zwischen den vordersten besetzten Punkten. Der Zwischen-
raum zwischen den beiden Linien gilt als neutral. Ebenso sind schiffbare Flüsse,
die die beiderseitigen Stellungen trennen, neutral und unbefahrbar, es sei denn,
daß es sich um vereinbarte Handelsschiffahrt handelt. In den Abschnitten, wo die
Stellungen weit auseinander liegen, sind alsbald durch die Waffenstillstandskommis-
sionen (Ziff. VII) Demarkationslinien festzulegen und kenntlich zu machen.
Auf den russisch-türkischen Kriegsschauplätzen in Asien sind die Demarkations-
linien sowie der Verkehr über dieselben (Ziff. IV) nach Vereinbarung der beider-
seitigen Höchstkommandierenden zu bestimmen.
IV. Zur Entwicklung und Befestigung der freundschaftlichen Beziehungen
zwischen den Völkern der vertragschließenden Parteien wird ein organisierter
Verkehr der Truppen unter folgenden Bedingungen gestattet:
1. Der Verkehr ist erlaubt für Parlamentäre, für die Mitglieder der Waffen-
stillstandskommissionen (Ziff. VII) und deren Vertreter. Sie alle müssen dazu Aus-
weise von mindestens einem Korpskommando, bzw. Korpskomitee besitzen.
2. In jedem Abschnitt einer russischen Division kann an etwa 2 bis 3 Stellen
organisierter Verkehr stattfinden.
Hierzu sind im Einvernehmen der sich gegenüberstehenden Divisionen Ver-
kehrsstellen in der neutralen Zone zwischen den Demarkationslinien einzurichten
und durch weiße Flaggen zu bezeichnen. Der Verkehr ist nur bei Tage von Sonnen-
aufgang bis Sonnenuntergang zulässig.
An den Verkehrsstellen dürfen sich gleichzeitig höchstens 25 Angehörige jeder
Partei ohne Waffen aufhalten. Der Austausch von Nachrichten und Zeitungen ist
gestattet. Offene Briefe können zur Beförderung übergeben werden. Der Verkauf
und Austausch von Waren des täglichen Gebrauchs an den Verkehrsstellen ist erlaubt.
3. Die Beerdigung Gefallener in der neutralen Zone ist erlaubt. Die näheren
Bestimmungen sind jedesmal durch die beiderseitigen Divisionen oder höheren
Dienststellen zu vereinbaren.
4. Ueber die Rückkehr entlassener Heeresangehöriger des einen Landes, die
jenseits der Demarkationslinie des anderen Landes beheimatet sind, kann erst bei
den Friedensverhandlungen entschieden werden. Hierzu rechnen auch die Angehörigen
polnischer Truppenteile.
5. Alle Personen, die — entgegen den vorstehenden Vereinbarungen 1 bis 4 —
die Demarkationslinie der Gegenpartei überschreiten, werden festgehalten und erst
bei Friedensschluß oder Kündigung des Waffenstillstands zurückgegeben.
Die vertragschließenden Parteien verpflichten sich, ihre Truppen durch strengen
Befehl und eingehende Belehrung auf Einhalten der Verkehrsbedingungen und die
Folgen von Ueberschreitungen hinzuweisen.
V. Für den Seekrieg wird folgendes festgelegt:
1. Der Waffenstillstand erstreckt sich auf das ganze Schwarze Meer und auf
die Ostsee östlich des 15. Längengrades Ost von Greenwich, und zwar auf alle
dort befindlichen See- und Luftstreitkräfte der vertragschließenden Parteien.
Der Waffenstillstandsvertrag von Brest-Litowsk
767
Für die Frage des Waffenstillstandes im Weißen Meer und in den russischen
Küstengewässern des Nördlichen Eismeeres wird von der deutschen und russischen
Seekriegsleitung in gegenseitigem Einvernehmen eine besondere Vereinbarung ge-
troffen werden. Gegenseitige Angriffe auf Handels- und Kriegsschiffe in den ge-
nannten Gewässern sollen nach Möglichkeit schon jetzt unterbleiben.
In jene besondere Vereinbarung sollen auch Bestimmungen aufgenommen
werden, um nach Möglichkeit zu verhindern, daß Seestreitkräfte der vertrag-
schließenden Parteien sich auf anderen Meeren bekämpfen.
2. Angriffe von See aus und aus der Luft auf Häfen und Küsten der anderen
vertragschließenden Partei werden auf allen Meeren beiderseits unterbleiben. Auch
ist das Anlaufen der von der einen Partei besetzten Häfen und Küsten durch die
Seestreitkräfte der anderen Partei verboten.
3. Das Ueberfliegen der Häfen und Küsten der anderen vertragschließenden
Partei sowie der Demarkationslinien ist auf allen Meeren untersagt.
4. Die Demarkationslinien verlaufen:
a) Im Schwarzen Meer: von Olinka-Leuchtturm (St. Georgsmündung)—Kap
Jeros (Trapezunt),
b) in der Ostsee: von Rogekül—Westküste Worms—Bogskär—Svenska-Högarne.
Die nähere Festsetzung der Linie zwischen Worms und Bogskär wird der
Waffenstillstandskommission der Ostsee (Ziffer VII, 1) übertragen mit der Maßgabe,
daß den russischen Seestreitkräften bei allen Wetter- und Eisverhältnissen eine freie
Fahrt nach der Aalandsee gewährleistet ist.
Die russischen Seestreitkräfte werden die Demarkationslinien nicht nach Süden,
die Seestreitkräfte der vier verbündeten Mächte nicht nach Norden überschreiten.
Die russische Regierung übernimmt die Gewähr dafür, daß Seestreitkräfte der
Entente, die sich bei Beginn des Waffenstillstands nördlich der Demarkationslinien
befinden oder später dorthin gelangen, sich ebenso verhalten wie die russischen
Seestreitkräfte.
5. Der Handel und die Handelsschiffahrt in den in Ziffer 1, Abs. 1, bezeich-
neten Seegebieten sind frei. Die Festlegung aller Bestimmungen für den Handel
sowie die Bekanntgabe der gefahrlosen Wege für die Handelsschiffe wird den
Waffenstiüstandskommissionen des Schwarzen Meeres und der Ostsee (Ziffer VII,
1 und 7) übertragen.
6. Die vertragschließenden Parteien verpflichten sich, während des Waffen-
stillstandes iim Schwarzen Meer und in der Ostsee keine Vorbereitungen zu Angriffs-
operationen .zur See gegeneinander vorzunehmen.
VI. Um Unruhe und Zwischenfälle an der Front zu vermeiden, dürfen
Uebungen mit Infanterie-Wirkung nicht näher als 5 km, mit Artillerie-Wirkung nicht
näher als 15 km hinter den Fronten vorgenommen werden.
Der Landminenkrieg wird vollständig eingestellt.
Luftstreitkräfte und Fesselballons müssen sich außerhalb einer 10 km breiten
Luftzone hinter der eigenen Demarkationslinie halten.
Arbeiten an den Stellungen hinter den vordersten Drahthindernissen sind
erlaubt, jedoch nicht solche, die der Vorbereitung von Angriffen dienen können.
VII. Mit Beginn des Waffenstillstands treten die nachstehenden „Waffen-
stillstandskommissionen" (Vertreter jedes an dem betreffenden Frontstück beteiligten
768
Anhang-
Staates) zusammen, denen alle militärischen Fragen für die Ausführung der Waffen-
stillstandsbestimmungen in den betreffenden Bereichen zuzuführen sind:
1. Riga für die Ostsee,
2. Dünaburg für die Front von der Ostsee bis zur Disna,
3. Brest-Litowsk für die Front von der Disna bis zum Pripet,
4. Berditschew für die Front vom Pripet bis zum Dnjester,
r , , 1 für die Front vom Dniester bis zum Schwarzen Meer. Grenz -
5. Koloszvar I , . , , . , . . _ . , .
6 Focsani I bestimmutlLS zwischen beiden Kommissionen 5 und 6 im gegen-
J seitigen Einvernehmen,
7. Odessa für das Schwarze Meer.
Diesen Kommissionen werden unmittelbare und unkontrollierte Fernschreibe-
leitungen in die Heimatländer ihrer Mitglieder zur Verfügung gestellt. Die Leitungen
werden im eigenen Lande bis zur Mitte zwischen den Demarkationslinien von den
betreffenden Heeresleitungen gebaut.
Auch auf den russisch-türkischen Kriegsschauplätzen in Asien werden derartige
Kommissionen eingerichtet nach Vereinbarung der beiderseitigen Höchstkomman-
dierenden.
VIII. Der Vertrag über Waffenruhe vom 5. Dezember (22. Nov.) 1917 und
alle bisher für einzelne Frontstücke abgeschlossenen Vereinbarungen über Waffenruhe
oder Waffenstillstand werden durch diesen Waffenstillstands vertrag außer Kraft
gesetzt.
IX. Die vertragschließenden Parteien werden im unmittelbaren Anschluß an
die Unterzeichnung dieses Waffenstillstandsvertrages in Friedensverhandlungen ein-
treten.
X. Ausgehend von dem Grundsatze der Freiheit, Unabhängigkeit und terri-
torialen Unversehrtheit des neutralen persischen Reiches sind die türkische und die
russische Oberste Heeresleitung bereit, ihre Truppen aus Persien zurückzuziehen.
Sie werden alsbald mit der persischen Regierung in Verbindung treten, um die
Einzelheiten der Räumung und die zur Sicherstellung jenes Grundsatzes sonst noch
erforderlichen Maßnahmen zu regeln.
XI. Jede vertragschließende Partei erhält eine Ausfertigung dieser Verein-
barung in deutscher und russischer Sprache, die von den bevollmächtigten Ver-
tretern unterzeichnet ist.
Brest-Litowsk, den 15. Dezember 1917 (2. Dez. 1917 russ. Stils)
(Folgen die Unterschriften und der russische Text.)
Zusatz zum Waffenstillstandsvertrag
Zur Ergänzung und zum weiteren Ausbau des Abkommens über den Waffen-
stillstand sind die vertragschließenden Parteien übereingekommen, schnellstens die
Regelung des Austauschs von Zivilgefangenen und dienstuntauglichen Kriegsgefan-
genen unmittelbar durch die Front in Angriff zu nehmen. Hierbei soll die Frage
der Heimschaffung der im Laufe des Krieges zurückgehaltenen Frauen und Kinder
unter 14 Jahren in erster Linie berücksichtigt werden.
Anhang
769
Die vertragschließenden Parteien werden sofort für tunlichste Verbesserung
der Lage der beiderseitigen Kriegsgefangenen Sorge tragen. Dies soll eine der
vornehmsten Aufgaben der beteiligten Regierungen sein.
Um die Friedensverhandlungen zu fördern und die der Zivilisation durch
den Krieg geschlagenen Wunden so schnell wie möglich zu heilen, sollen Maßnahmen
zur Wiederherstellung der kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen
den vertragschließenden Parteien getroffen werden. Diesem Zweck soll u. a.
dienen: die Wiederaufnahme des Post- und Handelsverkehrs, der Versand von
Büchern und Zeitungen und dergleichen innerhalb der durch den Waffenstillstand
gezogenen Grenzen.
Zur Regelung der Einzelheiten wird eine gemischte Kommission von Vertretern
sämtlicher Beteiligten demnächst in Petersburg zusammentreten.
Brest-Litowsk, den 15. Dezember 1917.
Grundsätzlich genehmigt und unter Vorbehalt der endgültigen Formulierung
unterzeichnet :
(Folgen die Unterschriften der Vertreter des Vierbundes und der russische Text mit
den Unterschriften der russischen Vertreter.)
VI
49
PERSONENVERZEICHNIS
UND
VERZEICHNIS DER ÖST.-UNG. UND DER
VERBÜNDETEN TRUPPENVERBÄNDE
49*
Per
sonenverzeichnis
A
Abele v. und zu Lilienberg
Albert Freih., GM. 266,
270, 400
Albori Eduard Freih. v.,
Obst. 141
Albrecht Erzherzog, FM.
592
Albricci nob. Alberico,
ital. Gen. 427
Alexander König der Hel-
lenen 234, 416
Alexandra Feodorowna
Kaiserin von Rußland
90
Alexe j Nikolajewitsch
Großfürst-Thronfolger
von Rußland 91, 92
Alexejew Michael Wassil-
jewitsch, russ. Gdl. 12,
13, 14, 91, 92, 93, 94,
101, 102, 103, 216, 218,
220, 222, 223, 719, 720
Allertby E. H. H., bri't.
Gen. 754
Aosta Vittorio Emanuele
Filiberto di Savoia, du-
ca di, ital. GLt. 134,
149, 152, 153, 160, 163,
176, 441, 468, 469, 549,
557, 565, 572, 576, 581
Apór de Al-Tórja Samuel
Freih., FML. 317, 319
Armand Abel Gf., franz.
Mjr. 422, 423
Arz von Straußenburg Ar-
tur, Gdl. 40, 70, 78, 79,
111, Freih. 214, 215,
221, 283, 293, 341, 343,
355, 359, 392, 397,, 405,
456, 457, 458, 463, 468,
494, 497, 505, 511, 573,
574, 577, 600, 601, 602,
615, 641, 676, 704, 705,
710, 724, 730, 735, 737,
739, 759
Aust Adolf v., GM. 264,
266, 267, 268, 270, 273,
274, 277, 280, 396
Averescu Alexandru, rum.
DivGen. 339, 341, 348,
349, 350, 351, 353, 355,
356, 357, 361, 362, 363,
364, 369, 370, 371, 373,,
376, 377, 378, 380, 381,
383, 384, 385, 387, 389,
391, 393, 401, 402, 403,
404, 411
B
Babic Otmar, Obst. 123
Badoglio Pietro, ital. GLt.
140, 145
Balujew Peter Semiono-
witsch, russ. Gdl. 303,
308, 311, 320, 720
Le Beau Aurei v., FML.
456
Behr Karl v., preuß. GLt.
347, 366
Bekic v. Bovic Theodor,
FML. 234
Below Ernst v., preuß.
GM. 530
Below Otto v., preuß.
Gdl. 497, 499, 500, 505,
520, 521, 533, 541, 545,
550, 558, 563, 567, 569,
573, 574, 578, 579, 580,
583, 584, 585, 586, 588,
591, 592, 593, 596, 599,
603, 606, 615, 616, 622,
623, 625, 667, 668, 673,
674, 676, 677, 680, 682,
688, 690, 693, 698, 701,
702, 703, 704, 705, 757
Beneckendorff, s. Hinden-
burg
Benedikt XV., Papst 423
Benigni in Müldenberg
Siegmund Ritt, v., F2M.
79, 350, 357, 358, 360,
363, 365, 375, 376, 377,
380, 386, 387, 388, 389,
402, 403, Gf. 404
Benke v. Tardoskedd Adal-
bert, GM. 327, 396
Bernhardi Friedrich v.,
preuß. GdK. 86, 87,
284, 401
Bernstorff Johann Heinrich
Gf. v., deutscher Bot-
schafter in Washington 7
Barrer Albert v., württ.
GLt. 293, 295, 296, 297,
298, 299, 301, 304, 308,
309, 497, 523, 530, 540,
541, 543, 550, 553, 563,
569, 570
Bertalan Árpád, Lt. 532
Berthelot Henri Mathias,
franz. Gen. 340
Beseler Hans v., preuß.
Gdl. 724
Bethmann - Hollweg Theo-
bald v., Dr., deutscher
Reichskanzler 6, 7, 99,
100, 221, 418, 423
Bjelkowitsch Leonid Niko-
lajewitsch, russ. Gen.
223, 244, 253, 302
Boeß Bernhard, preuß. GLt.
318
Böhm-Ermolli Eduard v.,
GO. 83, 226, 227, 229,
231, 238, 239, 240, 247,
251, 258, 259, 264, 269,
274, 278, 280, 283, 284,
289, 290, 291, 309, 310,
311, 313, 314, 315, 317,
325, 328, 331, 335, 336,,
342, 343, 350, 352, 358,
Freih. v. 400, 406, 407,
725, 727, 731, 738, 739
Bolfras Artur Freih. v.,
GO. 69
Böltz Eduard Edi. v., FML.
245, 249
Boroevic v. Boina Sveto-
zar, GO. 105, 137, 106, 109,
113, 135, 138, 139,
142, 154, 143, 145, 148, 157, 153,
155, 156, 158,
161, 166, 171, 177, 182,
184, 434, 460, 435, 455, 456,
457, 461, 463, 468,
774
Personenverzeichnis
472, 481, 482, 494, 497,
498, 499, 503, 505, 506,
507, 523, 524, 544, 550,
554, 562, 563, 573, 574,
577, 578, 579, 580, 587,
588, 591, 592, 593, 598,
600, 601, 602, 609, 610,
614, 617, 622, 623, 624,
625, 641, 642, 648, 654,
669, 670, 674, 675, 676,,
678, 680, 682, 688, 690,
702, 703, 704, 705, 709,
713
Boselli Paolo, ital. Mini-
sterpräsident 18, 714
Bothmer Felix Gf. v., bayr.
Gdl. 34, 228, 229, 238,
240, 241, 242, 243, 246,
256, 257, 258, 260, 26%
271, 275, 276, 280, 292,
297, 298, 299, 300, 302,
305, 306, 307, 310, 311,
312, 313, 314, 316, 321,
330, 331, 332, 333, 634,
335
Böttner Karl, Obst. 124
Bratianu Jonel, rum. Mi-
nisterpräsident 14, 361
Braun Rudolf, FZM. 739
Breit v. Döberdo Toseph,
GM. 96
Briand Aristide, franz. Mi-
nisterpräsident 120, 121
Brunswik de Ko romp a
Adolf, GM. 342, FML.
369, 370, 372, 384, 390
Brussilow Alexej Alexan-
dro witsch, russ. GdK.
13, 14, 29, 31, 46, 65,
75, 91, 92, 93, 101, 102,
103, 218,, 222, 223, 224,
226, 227, 238, 256, 279,
281, 285, 286, 298, 299,
305, 319, 320
Buchanan Sir Georges Wil-
liam, engl. Botschafter
in Petersburg 90, 219,
227, 717
Bu diner Raimund v., Obst.
531
Burián v. Rajecz Stephan
Baron, Minister d. Äuße-
ren 421
Cadorna Luigi conte, ital.
GLt. 16, 17, 18, 118,
119, 128, 152, 153, 176,
180, 185, 209, 424, 426,
427, 431, 438, 468, 469,
471, 472, 475, 480, 486,
494, 510, 513, 514, 515,
516, 536, 537, 545, 546,
547, 548, 549, 550, 560,
561, 565, 566, 571, 572,
573, 576, 580, 581, 603,
604, 611, 612, 613, 614,
620, 627, 628, 644, 645,
647, 701, 706, 713, 758
Capello Luigi, ital. GLt.
133, 135, 137, 139, 140,
146, 149, 152, 153, 155,
156, 159, 160, 161, 176,
180, 431, 432, 438, 445,
451, 453, 462, 469, 472,
478, 480, 514, 515, 535,
545, 546, 547, 561
Caracciolo Mario, ital. Gen.
699
Carol Kronprinz von Ru-
mänien 14
Castelnau, s. Curières
Caviglia Enrico, ital. Gen.
439, 453, 461, 462, 613
Churchill Winston, engl.
Staatsmann 745 ,
Chwostek Ottokar, Obst.
167, 169
Clam-Gallas Franz, Gf.,
österr. Ministerpräsident
7
Clémenceau George, franz.
Ministerpräsident 419,
758
Colerus v. Geldern Wen-
delin, Obst. 464
Como Dagna Sabina An-
gelo, ital. Gen. 209
Conrad v. Hötzendorf
Franz Freih., FM. 3, 4,
5, 6, 7, 9, Ì0, 17, 23,
24, 25, 28, 68, 69, 70,
71, 72, 79, 104, 105,
106, 108, 117, 119, 137,
187, 188, 189, 190, 196,
199, 203, 204. 208, 209,
436, 487, 488, 490, 494,
498, 502, 503, 508, 509,
510, 511, 564, 565, 593,
600, 601, 602, 615, 623,
626, 629, 630, 631, 632,
634, 640, 641, 647, 648,,
649, 652, 654, 655, 656,
657, 666, 670, 673, 676,
678, 679, 680, 682, 683,
695, 696, 697, 698, 706,
707, 708, 709, 713, 755,
756
Conta Richard v., preuß.
GLt. 317, 326, 327, 350,
395, 398, 723, 727, 739
Covin Lorenz, Obst. 634
Gramon August v., preuß.
GM. 72, 130, 494
Gristescu Constantin, rum.
Gen. 341, 347, 361, 362,
368, 369, 370, 371, 372
Csáky v. Körosszegh u.
Adiorján Emmerich, Gf.,
Legationssekretär 1. Kat.
732
Csanády v. Békés Fried-
rich, Gdl. 272, 281,
342, 400
Csicserics v. Bacsány Ma-
ximilian, FML. 262, 441,
476, 478
Curières de Castelnau No-
ël-Marie-Joseph, franz.
DivGen. 14
Czernin v. Chudenitz Otto-
kar Gf., Minister des
Äußern 7, 99, 221, 421,
422, 423, 730, 760
D
Dáni v. Gyarmata Adal-
bert, GM. 146
Decken Friedrich v. der,
preuß. GM. 250
Denikin Anton Iwano-
witsch 223, 285, 286,
306, 320, 719
Diaz Armando, ital. GLt.
644, 645
Dimitriew Radko, russ.
Gdl. 87.
Dragomirow Abram Mi-
chailowitsch, russ. GdK.
220, 222, 223
Dschemal Pascha Mer-
sinli, türk. DivGen. 755
Duchène Denis Auguste,
franz. Gen. 603
Duchionin Nikolai Nikola-
. jewitsch, russ. Gen. 720,
728, 729, 734, 740
Duval de Dampiierre Qui-
rin Freih. v., Obst. 396
Eben Johannes v., preuß.
Gdl. 85, 341, 342, 347,
349, 353, 354, 356, 357,
Personenverzeichnis
775
359, 360, 362, 365, 366,
367, 368, 369, 371, 372,
382, 383, 384, 386, 388,
390, 391, 392, 394
Eckhardt v. Eckhardtsburg
Friedrich, GM. 124
Eichhorn Hermann v.,
preuß. GO. 305, 309,
731
Einem William v., Obst.
10
Eisner-Bub na Wilhelm,
Obst. 71
Eitel Friedrich Prinz v.
Preußen, preuß. Obst.
308
Enver Pascha, türk. Vize-
generalissimus 235
Erdieli Iwan Georgewitsch,
russ. Gen. 223, 244,
247, 297, 303
Eszterházy zu Galántha
Moritz Gf., ung. Mini-
sterpräsident 421
Etnia Donato, ital. GLt.
547, 565, 570, 571, 575,
608
Eugen Erzherzog, FM. 6,
69, 105, 108, 138, 171,
185, 188, 355, 435, 436,
458, 487, 498, 499, 500,
503, 505, 562, 563, 574,
580, 588, 592, 593, 598,,
602, 606, 609, 614, 615,
632, 640, 641, 642, 648,
649, 657, 675, 676, 680,
695, 696, 704, 706, 707,
708, 709
E wert Alexe j Jermolaje-
witsch, russ. Gdl. 13,
14, 91.
F
Fábini Ludwig v., FML.
136, 141, 145, 153, 154,
155, 157, 173, 174, 229,
317, 320, 321, 322, 329,
394, 395, 397, 398, 405
Falkenhayn Erich v., preuß.
Gdl. 40, 235, 341, 754
Falkenhayn Eugen v.,
preuß. GdK. 85
Fasser Edi. v. Lesachthal
Joseph, Obst. 566, 593,
594, 635, 636, 637
Felix Adalbert v., GM.
262, 315, 319
Ferdinand I. König der
Bulgaren 641
Ferdinand König von Ru-
mänien 92, 101, 339,
340, 346, 347, 355, 361,
362, 397, 402, 403, 411,
720, 733, 734
Fernengel Tohann, FML.
464, 727
Ferrerò Giacinto, ital. Gen.
547, 565, 570, 571, 572,
575, 576, 581, 582
Fischer v. See Hugo, Obst.
172, 173
Foch Ferdinand, franz.Gen.
119, 122, 425, 426, 427,
428, 581, 603, 613, 614,
645, 660, 758
Förster-Stref fleur Felix
Ritt, v., Obstlt. 735
Fortmüller August, sächs.
GM. 257
Franek Friedrich, Oblt.
448
Franz Joseph I., 592
Friedrich Erzherzog, FM.
68
Friedrich Wilhelm Kron-
prinz 'des Deutschen Rei-
ches und Kronprinz von
Preußen, Gdl. 129, 423,
743
G
G all wit z gen. Dr ey ling
Kurt v., preuß. GM.
342, 347, 352, 354, 374
Gantscheff Peteir, bulg.
Obst. 73.2
Georg Kronprinz von Grie-
chenland, Herzog von
Sparta 234
Georgi Friedrich Freih. v.,
GO. 252
Georgi Viktor, preuß. GM.
268
Gerabek Karl. GM. 528,
552
Gerhauser Siegmund v.,
FML. 125, 233, 747,
750
Gerok Friedrich v., württ.
Gdl. 76, 77, 78, 79, 80,
282, 284, 318, 340, 342,
343, 344, 345, 346, 347,
349, 350, 351, 352, 354,
355, 356, 357, 358, 359,
360, 361, 364, 365, 366,
367, 369, 370, 374, 377,
378, 380, 382, 384, 385,
386, 387, 388, 390, 391,
392, 393, 396, 401, 402,
404, 408, 722, 724, 727,
738
Glaise v. Horstenau Ed-
mund, Hptm. 100
Goiginger Heinrich, FML.
631
Goiginger Ludwig, FML.
203, 204, 452, 453, 454,
455, 459, 460, 461, 464,
465, 466, 467, 470, 475,
482, 532, 555, 586, 587,
588, 589, 692, 693, 694,
695, 703, 705, 706
Goldbach Edi. v. Sulit-
taborn Anton, FML.
375, 376, 377, 379, 380,
381, 387, 388, 389, 404
Gologorski Emil Ritt, v.,
FML. 164 ^
Gombos Michael, Obst.
268, 271
Göttlicher Karl, GM. 173
Grallert v. Cebrów Kon-
rad, GM. 327, 396
Grigorescu Eremia, rum.
Gen. 372, 373, 384,
385, 386, 390, 394
Großmann Edi. v. Polazzo-
Redipuglia Franz, GM.
443, 450
Gruber Richard Ritt, v.,
GM. 169, 180
Guillaumat Marie Louis
Adolphe, franz. Gen.
753
Guilleaume Árpád, Obst.
379
Günste Karl, Obst. 650
Gurko Wassili Josipho-
witsch, russ. Gen. 12,
13, 14, 91, 92, 101, 103,
218, 223
Gutor Alexej Ewgenie-
witsch, russ. Gdl. 223,
224, 236, 251, 279, 281,
282, 294, 298, 303
Gutschkow Alexander Iwa-
no witsch, russ. Staats-
mann 90, 92, 94, 101,
216, 217, 218, 219, 222
H
Haas Karl, GM. 440,
464
Haber Johann, GM. 354,
358, 364, 384, 385
776
Personenverzeichnis
H ab er m ann Hugo Edi. v.
FML. 79, 80, 82, 317,
398, FZM. 727, 738
Hadfy v. Livno Emmerich,
FML. 83, 262, 263, 264,
265, 266, 267, 268,, 270,
272, 342, Gdl. 376, 379
Haig Sir Douglas, brit.
FM. 11, 216, 425
Hauer Leopold Freih. v.,
GdK. 97, 98, 283, GO.
511, 512, 724, 726
Haus Anton, Großadmiral 7
Haz ai Samuel Freiih. v.,
GO. 72, 86
Heineccius Konstanz v.,
preuß. GLt. 299, 312,
330, 332
Hellebronth v. Tiszabeö
Gustav, Obst. 531
Hempel Johann Ritt, v.,
M jr. 735
Henneberg Joseph Freih. v.,
GM. 117
Henriquez Johann Ritt, v.,
Gdl. 283, 441, 463, 475,
533, 545, 550, 563, 580
Herberstein Herbert Gf.,
FML. 398, 727, 738
Hinidenburg Paul v. Benek-
kendorff u. v., preuß.
GFM. 6, 8, 10, 17, 32,
99, 107, 214, 282, 289,
290, 310, 341, 358, 362,
424, 458, 496, 497, 600,
602, 642, 678, 707, 755,
756
Hinke Alfred Edi. v.,
FML. 79, 80
Hodula Karl, Obst. 375,
376
Hoen Maximilian Ritt, v.,
GM. 71
Hofacker Eberhard v.,
württ. GLt. 543, 570,
574, 578, 579, 582, 585,
586, 587, 591, 598, 605,
607, 608, 609, 617, 623,
625, 667, 668, 702, 703,
705
Höfer Anton, Obst. 71
Hoffmann Max, preuß.
Obst. 130, GM. 732
Hoffmann Gyuro, Oblt. i.
d. R. 437
Hofmann Peter, FML. 84,
242, 243, 245, 299
Hohenberger Georg, Obst.,
631
Holtzendorff Henning v.,
deutsch. Admiral 6, 7
Hordt Theodor v., FML.
108, 283, Gdl. 463, 566,
593, 594, 609, 616, 621,
622, 638, 639, 671
Hoirsetzky Edi. v. Horn-
thal Ernst, FML. 309,
317, 319, 327, 329, 395,
397, 405
Horthy de Nagybánya Ni-
kolaus, LschKapt. 183
Hr anilovic-Czvetasin lOskar
v., Obst. 71, GM. 735
Hrozny Edi. v. Bojemil
Joseph, GM. 141, 464,
467, 474, 479, 543
I
Iskric Johann, Hptm. 444
J
Jacobi Albano v., preuß.
Gdl. 98
Jacquemot Charles Augu-
ste Jules, franz. GM.
748
Janecka Joseph, Obst. 136,
178, Freih. v. 476
Jármy v. Nagyszolnok An-
dor, Obstlt. 127, 128
Jehlin Maximilian, bayr.
GM. 275, 277, 278
Jelliooe John Rushwort,
viscount of Scapa, brit.
Admiral 745 .
Jesser Moritz, FML. 317,
395
Joffe Adolf, russ. Staats-
mann 732
Joffre Joseph, franz. Gen.
11, 12
Jóny de Jamnik Ladislaus,
GM, 326, 396
Joseph Erzherzog, GO. 43,
76, 77, 78, 79, 80, 81,
82, 100, 107, 214, 220,
221, 280, 283, 284, 290,
315, 316, 317, 318, 322,
324, 325, 327, 342, 343,
344, 345, 346, 350, 352,
354, 355, 358, 359, 360,
366, 374, 375, 382, 386,
392, 397, 398, 401, 405,
406, 408, 504, 721, 722,
724, 727, 729, 730, 734,
735, 737, 738, 739
Judenitsch Nikolai Niko-
la je witsch, russ. Gen. 92
K
Kaiser Julius, Gdl. 408,,
523, 544, 555, 570, 583,
584, 588, 702
Kaledin Alexej Maximilo-
witsch, russ. GdK. 82,
92, 223
Kaiser Edi. v. Maasfeld
Franz, FML. 366, 383,
388, 393
Kaltenborn Adalbert v.,
GM. 163, 262, 273, 280,
321, 322
Kamenew (Rosenfeld) Lev
Borissowitsch, russischer
Staatsmann 732
Kantardjeff Todor, bulg.
GLt. 752
Karl I. (IV.) 7, 9„ 68,
69, 70, 71, 72, 79, 99,
100, 105, 116, 130, 157,
188, 252, 394, 415, 417,
419, 420, 421, 422, 456,
495, 497, 498, 511, 573,
577, 592, 602, 615, 641,
672, 676, 678, 679, 681,
704, 705, 709, 710, 738,
759, 760
Karl Erzherzog, Genera-
lissimus 592
Kathen Hugo v., preuß.
Gdl. 292, 295, 296,
297, 299, 304, 308
Keller Adolf Gf. v., preuß.
Obst. 384, 387, 393
Keltschewski Anatoli Igna-
tewitsc'h, russ. Gen. 735
Kerenski Alexander Feo-
diorowitsch, russ. Staats-
mann 90, 219, 222, 223,
224, 225, 227, 230, 238,
247, 272, 285, 289, 302,
303, 320, 346, 347, 353,
406, 409, 411, 415, 717,
718, 719, 720, 721, 727,
728, 757, 760
Kirchbach auf Lauterbach
Karl Freih. v., GO. 86
Klembowski Wladislaw
Napoleonowitsch, russ.
Gen. 92, 285, 286, 718,
719
Kletter Ernst, FML. 240,
243, 245, 251, Edi. v.
Gromnik 650, 651, 652,
Personenverzeichnis
777
654, 655, 656, 657, 670,
671, 672, 680, 681, 685,
686, 687, 688, 697, 726
Koennen-Horák Edi. v.
Höhenkampf Ludwig,
Gdl. 335, 752
Koerber Ernest v., österr.
Staatsmann 7
Konopickv Theodor, GM.
108, 625
Konstantin I. König der
Hellenen 234, 416
Körner Edi. v. Siegringen
Theodor, Obst. 136, 463
Kornilow Labr Jegoro-
wiitsch, russ. Gen. 223,
261, 264, 270, 272, 273,
276, 277, 278, 279, 281,
282, 292, 294, 298, 299,
303, 304, 306, 311, 312,
319, 320, 321, 331, 410,
717, 718, 719, 720, 740
Korzer Karl, GM. 633
Kosak Ferdinand, FML.
463, 503, 504, 506, 507,
523, 532, 533, 535, 540,
544, 555, 564, 570, 571,
577, 583, 584, 587, 589,
598, 609, 617, 619, 624,
670, 737, 739
Kosch Robert, preuß. Gdl.
341, 342, 347, 373
Koschak Wilhelm, Obst.
528, 552
Kasel Edi. v. Val d'Assa
Anton, Obst. 157
Kouff Robert, Obst. 141,
157
Kövess v. Kövesshaza Her-
mann, GO. 80, 81, 283,
317, 319, 321, 324, 325,
327, 328, 342, 345, 350,
352, 359, 366, 387, FM.
394, 397, 398, 399, 401,
406, 722, 723, 725
Krafft v. Dellmensingen
Konrad, bayr. GLt. 23,
76, 496, 497, 499, 520,
537, 549, 562, 564, 588
Králicek Rudolf, Gdl. 108,
136, 146, 147
Kramar Karl, Dr., tschech.
Politiker 420
Krammer v. Marchau Gu-
stav, Obst. 634
Krasel Edi. v. Morwit-
zer Felician, GM. 347
Kratky Karl, GM. 146,
173, 459, FML. 672, 684
Kratochwil v. Szentkereszt-
hegy Karl, Obst. 508
Krauss Alfred, FML. 70,
108, 283, 317, 318, 324,
325, 326, 327, 329, 330,
345, 350, 355, Gdl. 395,
397, 398, 399, 406, 408,
498, 499, 503, 504, 512,
519, 520, 521, 522, 523,
524, 525, 528, 536, 538,
539, 541, 542, 545, 551,
552, 558, 563, 567, 568,
574, 579, 590, 593, 594,
595, 597, 602, 605, 606,
607, 608, 615, 616, 620,
621, 623, 624, 625, 640,
641, 642, 644, 653, 657,
658, 659, 661, 662, 663.,
664, 665,, 666, 669, 670,
671, 673, 675, 676, 689,
690, 691, 692, 693, 694,
696, 698, 703, 707, 723
Krautwald v. Annau Jo-
seph Ritt., Gdl. 193, 197,
*204; 632, 651
Kreß V. Kressensfcein .Fried-
rich Freih., türk. Gen.
755
Kritek Karl, GO. 86, 272,
277, 278, 279, 309, 315,
321, 323, 328, 399, 400,
406, 722, 723, 731
Krobatin Alexander Freih.
v., GO. 71, 108, 210,
513, 558, 566, 593, 609,
FM. 641, 642
Krug v. Nidda Hans,
sächs. GdK. 332
Krylenko Nilkolai Wassi-
liewitsch, russ. Kriegs-
minister 729, 730, 731,
740
Kühlmann Richard v.,
deutscher Staatssekretär
d. Äußeren 423
L
Lähne Michael, Obst. 727
Lawrowski Edi. v. Plöcken
Marcel, FML. 566, 593,
637, 642, 674
Laxa Wladimir, Obst. 141,
474
Leiter Edi. v. Lososina
Anton, GM. 79
Lenin (Uljanow Wladimir
Iljitsch) russ. Staats-
mann 720, 728, 729, 730,
733, 736, 757
Leopold Prinz v. Bayern,
GFM. 32, 82, 99, 100,
107, 130, 214, 216, 220,
228, 229, 230, 240, 241,
243, 251, 270, 271, 272,
276, 278, 282, 289, 290,
291, 292, 293, 298, 300,
301, 302, 310, 315, 327,
333, 335, 343, 400, 405,
406, 408, 415, 721, 726,
729, 730, 731, 732
Lequis Arnold, preuß. GM.
528, 542
Lerch Theodor Edi. v.,
Obst. 748, 749, 750
Lercher Johann, Obst.
634, 639
Lesch Leonid Wilhelmo-
witsch, russ. Gdl. 98,
99, 104
Letschitzki Piaton Alexe-
jewitsch, russ. Gdl. 77,
79, 87, 92
Lettow - Vorbeck Paul v.,
preuß. GM. 746
Lewandowski Anton Edi. v.,
Obst. 141
Lieb Joseph, GM. 78, 405
Linsingen Alexander v.,
preuß. Gdl. mit dem
Range eines GO. 36, 43,
78, 85, 86, 96, 97, 284,
293, 355, 391, 400, 401,
408, 724, 725, 726, 727,
731, 739
Liposcak Anton, FML.
342, 350, 380, 391, 722
Lischka Emil, FML. 168
Litzmann Karl, preuß. Gdl.
79, 95, 272, 277, 281,
282, 309, 310, 311, 315,
316, 321, 322, 323, 342,
400, 406, 727, 730, 738,
739
Lloyd-George David, brit.
Staatsmann 16, 17, 18,
19, 120, 419, 421, 424,
425, 426, 427, 428, 758
Lobkowitz Prinz v. Ferdi-
nand, GM. 69
Lörinczy Béla, Obst. 377,
379
Ludendorff Erich, preuß.
Gdl. 6, 8, 78, 100, 111,
230, 289, 291, 310, 323,
341, 397, 398, 496, 551,
600, 601, 614, 676, 677,
711, 755
mKÊÊÊÊÈÊKÊÈlËÊÊÊÊÊÊtÊtÈÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊtÊÊÊtÊÊÊÊÊiÊÊÊtÊÊiiBiÊtë
778
Personenverzeichnis
Lukas Karl, Gdl. 86,
155, 158, 171, 175, 440,
450, 452, 453, 459, 460,
461, 467, 544, 571
Luko.rn.ski Alexander Ser-
gi ei ewitsch, russ. GLt.
92, 718, 719
Lunzer Edi. v. Lindhausen
Rudolf, Obst. 165
Lupescu Alexandru, rum.
Gen. 735
Lütgendarf Kasimir Freih.
v., FML. 79, 350, 352
Luxardo Eugen Edi. v.,
GM. 317, 405
Lwow Georgij Jewgenie-
witsch Fürst, russ. Mi-
nisterpräsident 92, 247,
303
M
Mackensen August v.,
preuß. GFM.. 43, 75, 76,
81, 100, 107, 214, 220,
293, 324, 327, 341, 342,
346, 347, 355, 358, 359,
360, 361, 362, 368, 370,
374, 382, 384, 386, 390,
391, 392, 394, 401, 405,
406, 408, 411, 412, 458,
722, 723, 734, 735, 737,
757
Maendl Edi. v. Bug-
hardt Maximilian, Obst.
633
Mambretti Ettore, ital.
GLt. 185
Marenzi v. Tagliuno u.
Talgate, Markgf. v. Val
Olióla, Freih. v. Marenz-
feldt v. Scheneck Ga-
briel Gf., GM. 76, 404,
FML. 722
Maria Königin v. Rumä-
nien 734
Marterer Ferdinand Ritt, v.,
FML. 69
Martiny v. Malastów Hugo,
Gdl. 463
Marx Karl Heinrich, So-
zialist 417
Masaryk Thomas Garri-
gue, tschech. Politiker
421
Mecenseffy Artur Edi. v.,
FML. 196, 204
Melior Theodor, preuß.
GLt. 301
Merten Eduard Edi. v.,
GM. 662, 664, 666
Metzger Joseph, FML. 5,
70, 71, 455, 531, 532,,
541
Michael Alexandrowitsch
Großfürst v. Rußland
91, 92
Michaelis Georg, deutscher
Reichskanzler 418, 423
Mihaljevic Michael, GM.
263, 278, 322, 400
Miljukow Paul Nikolaje-
witsch, russ. Politiker
90, 92, 95, 217
Milne Georges F., brit.
GLt. 19
Mirbach Franz Freih. v.,
Mjr. 732
Mollinary Edi. v. Sçkowa
Eduard, Obst 537
Molnár v. Péterfalva De-
siderius, FML. 303, 331
Montuori Luca, ital. Gen.
515, 535, 546, 549, 551,
565, 571, 572, 575
Morgen Kurt v., preuß.
GLt. 347, 366, 367,
368, 369, 371, 372, 387,
390, 735
Mostböck Joseph, Obst.
642
Mülller Richard, GM. 108,
508, 682
Müller Rudolf, GM. 525,
527, 537, 568, 621, 637,
638, 639, 658, 661
N
Nagy Paul Edi. v., GM.
319, 395
Nahsim Bey Mehmed,
türk. Obstlt. 735
Nerjezow Step an Michai-
loff, bulg. Gen. 347
Nioolis di Robilant Ma-
rio, ital. GLt. 626, 627,
628
Nikolai Nikola jewitsch
Großfürst v. Rußland
92, 93
Nikolaus II. 13, 14, 30,
90, 91, 92, 93, 95, 346,
757
Nivelle Robert George,
franz. Gen. 12, 16, 17,
18, 25, 118, 119, 120,
121, 122, 129
Nöhring Maximilian, GM.
266, 278
Novak v. Arienti Guido,
GM. 141, 146
Nostitz Veit v., preuß.
GM. 350, 354, 384, 390
O
Orlando Vittorio Emanu-
ele, ital. Ministerpräsi-
dent 613, 644, 645, 714
P
Paar Eduard Gf., GO. 69
Paie Joseph Ritt, v., Obst.
631
Painlevé Paul, franz.
Staatsmann 119, 121,
232, 428, 758
Palitzyn Fedor Fedoro-
witsch, russ. Gen. 11
Papp Daniel, Obst. 79, 80
Paschen Konrad, preuß.
GM. 80, 81
Pasetti-Friedenburg Flo-
rian Freih. v., Obstlt.
526
Pasic Nikola, serb. Mini-
sterpräsident 420
Peccori-Giraldi Guglielmo
conte, nob. e patr. di
Firenze, ital. GLt. 627,
647
Pershing John Joseph,
amerìk. Gen. 417, 758
Pertew Pascha, türk. Gen.
72
Pétain Henri-Philippe,
franz. Gen. 122, 232,
426, 428, 758
Peter I. Kaiser von Ruß-
land 742
Peter Ferdinand Erzherzog,
Gdl. 108, 512, 670
Petitti di Roreto conte Al-
fonso, ital. GLt. 565,
570, 571, 575
Pfeffer Rudolf, FML. 689,
692
Pflanzer-Baltin Karl Freih.
v., GO. 71
Pflug Ottokar, Obst. 57
Piacentini Settimio, ital.
GLt. 134
Pichler Kletus, FML. 319,
395
Personenverzeichnis
779
Pilsudski Joseph, poln.
Gen. 724
Pitreich Anton Ritt, v.,
GM. 152, 174, 456,
574
Podhoranszky Eugen v.,
FML. 532
Poincaré Raymond, Präsi-
dent der franz. Repu-
blik 121
Pokorny Hermann, Obstlt.
732
Pollet Edi. v. Polltheim
Johann, GM. 358
Pomiankowski Joseph, GM.
72
Popoff Theodor, bulg.
Obstlt. 735
Popovits Konstantin, Mjr.
449
Popper Emil, Lt. i. d.
R. 260
Porro nob. dei conti di
Santa Maria della Bicoc-
ca Carlo, ital. GLt. 11,
613
Posseidt Edgar, preuß.
GM. 750
Presan Konstantin, rum.
DivGen. 219, 339, 373,
386, 734
Prey Siegmund, Obst. 146
Puchalski Stanislaus v.,
GM. 81, 476
R
Radetzky v. Radetz Jo-
seph, Gf., FM. 592
Ragosa Alexander, russ.
Gen. 347, 355, 361,
362, 369, 370, 372, 373,,
377, 383, 402, 404, 734,
741
Rasputin Georgij Jefiimo-
witsch, russ. Mönch 90
Rath Paul, Obst. 352,
363
Redlich v. Regensbruck
Otto, Obstlt. 321
Regner v. Bley leben Paul
Freih. v., Obst. 379
Renine! Rodd Sir. J., briit.
Botschafter in Rom 425
Reuter Alexander v.,
preuß. Obst. 748, 749,
750
Reverterá di Salandra Ni-
kolaus Gf., öst.-ung.
Diplomat 422, 423
Rhemen zu Barensfeld
Adolf Freih. v., Gdl.
127
Ribot Alexandre, franz.
Staatsmann 121, 428
Ricci Armani nob. di Fi-
renze di Pontremoli Ar-
mano, ital. GLt. 650
Riemann Tulius, preuß.
Gdl. 86
Robertson Sir William,
brit. Gen. 11, 119, 425,
426, 427, 428, 603, 613,
614
RobÜant, s. Nicoiiis
Rodsjanko Michael Wla-
dimirowitsch, Präsident
der Duma 90, 91, 92, 93
Rohr Franz, GO. 79, 105,
Freih. v. Denta 342,
348, 350, 352, 355, 357,
359, 364, 366, 367, 375,
393, 396, 402, 403, 722
Romer Johann Ritt, v.,
Obst. 206, GM. 685
Ronge Maximilian, Obstlt.
71
Roth Ritt. v. Lknanowa-
Lapanów Joseph, Gdl.
197, 626, 630, 632
Ruiz de Roxas Eugen
Chev., FML. 77, 282,
344, 349, 350, 351, 352,
353, 354, 355, 357
Rußki Nikolaj Wladimir© -
witsch, russ. Gdl. 13,
14, 88, 91, 92, 94, 101,
102, 103, 218, 222, 223
S
Sacharow Wladimir Vikto-
rowitsch, russ. GdK.
92, 101, 339, 340
Salih Butka, alb. Banden-
führer 123, 124
Salis - S am ad en Heinrich
Freih. v., Obst. 463
S allagar Hermann, GM.
317
Sarrail Maurice, franz.
Gen. 19, 123, 125, 126,
128, 747, 750, 753, 757
Sawoff Sawa, bulg. Gen.
373, 384
Schaer Georg, preuß. GM.
76, 341, 347
Schamschula Rudolf, FML.
163, 476, 478
Schamschula Rudolf, GM.
709
Schariczer v. Rény Georg,
FML. 112, 136, 161,
163, 168, Freih. 441
Schäffer-Boyadel Reinhard
Freih. v., preuß. Gdl.
87, 96, 286
Schenk Alfred Edi. v.,
FML. 136, 161, 165, 167,
168, 169, 177, 262, 274,
275, 476
Scheuchenstuel Viktor v.,
F2M. 79, GO. Gf. 630,
632, 649, 651, 652, 656,
679, 681, 682, 684, 687
Scheucher v. Presserhof
Friedrich, Obst. 158
Schilhawsky v. Bahnbrück
Joseph Ritt., GM. 654
Schilhawsky v. Bahnbrück
Sigismund Ritt., Mjr.
497
Schmettow Eberhard Gf.
v., preuß. GLt. 76
Schmid Edi. v. Bonetti Hu-
go, GM. 164
Schneider Edi. v. Manns-
Au Joseph, FML. 162;,
164, 168, 169, 170, 177,
178, 179, 448, 476, 477,
478, 555
Schneller Karl, Obstlt. 5,
9
Scholtz Friedrich v., preuß.
GdA. 87, 126, 747, 748,
750, 751
Schönauer Wenzel, GM.
150
Schönburg-Hartenstem
Alois Fürst, GdK. 69,
197, 463, 472, 474, 475,
482, 485
Schönner Edi. v. Schön-
dorn Odilo, Obstlt. 199,
650
Schotsch Hugo, Obst. 650,
655, 656
Schtscherbatschew Dknitrij
Grego rie witsch, russ.
Gdl. 83, 218, 223, 339,
348, 372, 373, 720, 731,
733, 734, 735, 736, 737,
741, 742
780
Personenverzeichnis
Schwarzenberg Felix Prinz
zu, GM. 178, 527, 659,
661, 666, 695, 705
Schwer Edi. v. Schwerten-
egg Otto, GM. 326, 329,
396, 398
Scotti Karl, FML. 105,
108, 136, 439, 459, 460,
461, 465, 523, 540, 541,
550, 554, 563, 570, 575,,
576, 578, 579, 582, 583,
584, 585, 586, 587, 588,,
591, 598, 607, 623, 625,,
667, 673, 689, 698, 702,
703, 705
Seeckt Hans v., preuß. GM.
324, 328, 359, 375, 392,
396, 397, 398, 399, 723:,
724, 738
Segato Luigi, ital. GLt.
u. Kriegshistoriker 613
Seliwatschew Wladimir
Iwanowitsch, russ. Gen.
320
Severus Edi. v. Lauben-
feld u. Ciminago Viktor,
GM. 245, 299, 336
Seydel Paul, preuß. GM.
345, 365, 375, 376, 377,
379, 388, 389, 391
Seydl Eugen, Obstlt. 202
Sieger Ludwig, preuß. GLt.
273, 274, 275, 277, 321,
400
Sixtus Prinz v. Bourbon-
Parma 422, 423, 425
Sloninka v. Hohidów
Adolf, Obst. 204, 536,
638
Smuts Jan Christian, Bu-
rengen. 421
Sokolow N., sozialistischer
Dumaabgeordneter 91
Sonnewend Gustav, Hptm.
178
Sonnino Sidney Baron, ital.
Minister für ausw. An-
gelegenheiten 427
Sontag Leo, preuß. GLt.
76, 366, 370, 371, 373,
383
Soretic Theodor Ritt, v.,
GM. 577, 727
Sorsich v. Severin Béla,
FML. 77, 78, 79, 378,
379, 380, 388, 389
Spai es v. Mitrovicza Alex-
ander, Obst. 124
Spiess v. Braccioforte Sil-
vio, Obst. 264, 268, 526,
527, 539, 568
Sprecher v. Bernegg Th.,
Gstbschef der Schweiz.
Armee 10
Stein Hermann Freih. v.,
•bayr. GLt. 497, 522,
523, 524, 526, 528, 530,
539, 541, 542, 553, 563,
569, 574, 578, 593b 595,
596, 597, 598, 605, 607,
608, 617, 620, 623, 625,
667, 703
Steinhart Franz Edi. v.,
FML. 633, 634
Stöger-Steiner Edi. v.
Steinstätten Rudolf, Gdl.
71, 108
Stöhr Karl v., GM. 589
Straub Johann, GM. 643
Ströher Vinzenz, GM. 150,
545
Stumpff Max Emil, preuß.
GLt. 262, 268, 269, 270,
271, 272, 273
Stürmer Boris Wladimiro-
witsch, russ. Minister-
präsident 89, 90
Sunkel Edwin, preuß. GLt.
77
Szende v. Fülekkelecsény
Franz, GM. 147
Szilley Béla v., Mj,r. 686
Szurmay Alexander, FML.
72, 86
T
Tantiloff Iwan, bulg. Obst.
72
Tassoni Giulio, ital. GLt.
547
Tersztyánszky v. Nädas
Karl, GO. 86, 238, 261,
262, 263, 264, 267, 268,
269, 270, 272, 273, 300
Thierry Camille, preuß.
Obst. 123, 124, 125
Thomas Albert, franz. Rü-
stungsminister 219
Tisza v. Borosjenö et Sze-
ged Stephan Gf., ung.
Ministerpräsident 7, 71,
72, 419, 421
Tlaskal Edi. v. Hochwall
Ludwig, Obst. 528
Trollmann Ignaz, Gdl.
123, Freih. v. 747, 752
Trotzki (Bronstein) Leo,
russ. Staatsmann 721,
728, 729, 730, 731, 733,
757
Trumbic Anton Dr., süd-
slaw. Politiker 420
Tscheremisow Wladimir
Andrejewitsch, russ. Gen.
265, 268, 270, 272, 303,
320, 321, 322, 720
Tutschek Ludwig Ritt, v.,
bayr. GM. 529, 553,
673, 674, 693, 694, 695
u
Unschuld Ritt. v. Melas-
feld Felix, GM. 254,
299, 332
Urbarz Adolf, FML. 173,
450, 452, 464, 556, 589,
610
V
Valentini Konstantin, Mir.
686
Venizelos Eleutherios,
griech. Ministerpräsident
234, 416
Véver Richard Freih. v.,
Obst. 452
Vidalè v. San Martino Ju-
lius, GM. 652, 685
Vidossich Rudolf, Obst.
195, 197, 650, 681, 688,
697
Viktor Emanuel III. 456,
534, 644, 645
Vojacek Gottlieb, Hptm.
281
w
Waldstätten Alfred Freih.
v., Obst. 70, 71, GM.
496, 497, 505, 614, 705,
759
Wanék Karl, Obst. 375,
376, 377, 379
Watterich v. Watterichs-
burg Albert, Obst. 642
Wasserthal Ritt. v. Zuccari
Konstantin, GM. 642
Wedel Hasso v., preuß.
GM. 543, 575, 689, 692,
693
Weiss-Tihanyi v. Main-
prugg Franz Ritt., GM.
122
Verzeichnis der Truppenverbände'
781
Wekerle Alexander, ung.
Ministerpräsident 421
Wenninger Karl Ritt, v.,
bayr. GLt. 368, 370,
373, 374, 387, 393
Wieden Edi. v. Alpenbach
Eduard, Obst. 172
Wieden Edi. v. Alpenbach
Heinrich, GM. 525, 527,
537, 551, 552, 567, 568,
593, 594, 595, 658, 659,
661, 662, 664, 666, 673,
674, 675
Wieirónski Stanislaus, Hptm.
169
Wilhelm II. 289, 309, 496,
497, 641
Wilhelmi Karl, preuß.
GLt. 293, 296, 297, 299,
301, 302, 304, 305, 306,
307
Willerding Rudolf Ritt, v.,
FML. 247, 335, Freih. v.
738
Wilson Henri H., brit.
Gen. 645, 660
Wilson Thomas Woodrow,
Präsident der Vereinig-
ten Staaten v. Amerika,
7, 8, 415, 417, 758
Winckler Arnold v., preuß.
Gdl. 229, 239, 247, 250,
251, 290, 298, 300, 302,
304
Windisch Alois, Oblt. 686
Wodtke Georg v., preuß.
Obst. 538, 661, 663, 665
Wolodtschenko Nikolai Ge-
rasimowitsch, russ. Gen.
320, 720
Woyna Wilhelm v., preuß.
GM. 376, 393, 403, 722
Woyrsch Remus v., preuß.
GO. 87, 215, 283, 727,
731, 737
Wr angel Nikolaus Alex-
androwitsch Baron, russ.
Gen. 331, 332
Wurm Wenzel, E2M. 108,
136, 168, 170, 177, GO.
Freih. v. 463, 476, 506,
551, 557, 558, 564, 572,
592
Wuthenau Hohenthurm
Karl Gf. v., sächs. Obst.
272, 273
z
Zedtwitz Franz Gf., Obst.
663
Zeidler Erwin v., FML.
138, 146, 172, Freih. v.
572
Zeidler-Daublebsky Freih.
v. Sterneck Egon, Obst.
69
Zeki Pascha, türk. GdK.
732
Zeynek Theodor Ritt, v.,
Obst. 71
Zimmermann Artur, deut-
scher Unterstaatssekretär
7
Zita Kaiserin u. Königin
422
Zurikow Athanasius An-
drejewitsch, russ. Gen.
347, 373, 734
Verzeichnis der öst.-ung. Truppenverbände
I : Korps
I. 79, 108, 498, 499, 500,
501, 502, 503, 504, 507,
512, 520, 538, 542, 545,
550, 551, 574, 602, 616
II. 87, 284, 465, 544, 554,
555, 556, 563, 570, 577,
583, 584, 585, 587, 588,
598, 609, 617, 619, 623,
624, 667, 668, 702
III. (Eisernes) 24, 189, 190,
191, 192, Í93, 194, 196,
198, 200, 203, 204, 208,
509, 511, 650, 651, 653,
654, 657, 670, 671, 672,
681, 685, 686, 687, 688,
697
IV. 508, 544, 555, 556,
563, 564, 571, 580, 584,
588, 599, 610, 619, 624,
667, 668, 670
V. 84, 85, 229, 247, 251,
314, 335
VI. 70, 79, 272, 342, 343,
366, 375, 376, 378, 379,
386, 393, 722, 738, 742
VII. 110, 111, 112, 115,
136, 151, 161, 162, 168,
170, 171, 175, 178, 441,
442, 446, 448, 455, 460,
463, 557, 564, 572, 577,
585, 589, 599, 610, 619,
624, 667, 668
VIII. 345, 349, 350, 352,
357, 360, 365, 374, 377,
380, 381, 382, 384, 386,
387, 388, 389, 391, 392,
402, 403, 722, 738
IX. 85, 229, 230, 240, 243,
244, 245, 246, 247, 249,
250, 251, 335, 723, 728,
742
X. 86, 111, 272
XI. 78, 79, 80, 81, 82, 317,
327, 329, 396, 398, 399,
738
XII. 87, 727, 739
XIII. 83, 262, 263, 266„
269, 272, 274, 275, 276,
277, 278, 279, 281, 310,
315, 316, 321, 322, 323,
327, 329, 400, 739
XIV. (Edelweiß-) 24, 69,
197, 208, 463, 509, 511,
670, 671
XV. 108, 136, 138, 143,
145, 154, 171, 438, 439,
443, 450, 452, 455, 456,
457, 459, 460, 461, 463,
464, 467, 498, 505, 506,
523, 531, 543, 570, 584,
591
XVI. 108, 110, 136, 137,
139, 140, 146, 147, 159,
171, 175, 441, 446, 449,
455, 457, 460, 462, 463,
481, 564, 572, 577, 585,
589, 599, 610, 619, 667,
670
XVII. 136, 137, 138, 139,
140, 141, 142, 143, 144,
145, 147, 154, 155, 157,
159, 173, 175, 283, 317,
318, 320, 324, 325, 327,
782
Verzeichnis der Truppenverbände
328, 345, 354, 395, 397,
398, 399, 405
XVIII. 84, 85,, 229, 314,
335
XIX. 122, 123, 233, 234,
746, 747, 748, 750, 752
Korps Roth 197, 208
XX. 197, 208, 498, 509,
513, 593, 615, 626, 629,
630, 632, 634, 637, 641,
655, 657, 670
XXI. 78, 79, 282, 343,
345, 346, 350, 352, 355,
358, 366, 386, 398, 722,
728
XXII. 216, 284
XXIII. 109, 110, 136, 150,
151, 152b 161, 162, 163,,
165, 166, 167, 168, 169,
170, 171, 175, 262, 441,
442, 446, 455, 460, 463,
475, 476, 477, 478, 545,
557, 564, 572, 577, 585,
599, 610, 618, 624, 667,
668
Korps S zur may 86
XXIV. 86, 175,, 437, 438,
440, 443, 444, 450, 452,
453, 455, 456, 457, 459,
460, 461, 463, 464, 465,
508, 523, 544, 545, 555,
556, 563, 564, 571, 577,
584, 586, 588, 589, 598,
609, 610, 611, 617, 619,
624, 625, 670
Korps Hofmann 84
XXV. 84, 230, 242, 243,
244, 245, 246, 256, 297,
298, 299, 302, 305, 307,
308, 312, 313, 314, 330,
332, 333, 334, 725
Korps Hadfy 83, 262
XXVI. 262, 263, 264,
266, 267, 268, 269, 270,
272, 273, 274, 275, 280,
317, 319, 324, 325, 326,
327, 329, 342, 395, 397,
405, 406, 723, 724, 725
Gruppe Apór 317, 319
Gruppe Hordt 463, 593,
594, 609, 616, 621, 622t,
638, 639, 671
Gruppe Kletter 650, 651,
652, 654, 655, 656, 657„
670, 671, 680, 681, 685,
687, 688, 697
Gruppe Kosak 503, 504,
506, 507, 523, 532, 533,
535, 540, 544, 555, 563,
564, 570, 571, 577, 583,
584, 588, 598, 609, 617,
619, 624, 670
Gruppe Krauss 283, 317,
318, 324, 325, 326, 327,
329, 330, 345, 350, 355,
395, 396, 397, 406, 499,
503, 504, 519, 522, 523,
524, 528, 536, 539, 541,
552, 558, 563, 567, 568,
579, 590, 593, 595, 597,
605, 606, 608, 615, 616,
620, 623, 624, 625, 640,
641, 642, 644, 657, 658,
659, 663, 666, 669, 670,
671, 673, 675, 676, 689,
691, 694, 696, 698, 703,
707
Gruppe Liposcak 350,
366, 380, 391, 722
Gruppe Ruiz 77, 282, 344,
349, 350, 351, 352, 353,
354
Gruppe Scotti 523, 540,
541, 550, 554, 563, 570<,
575, 576, 578, 579, 582,
583, 584, 585, 586, 587,
591, 598, 607, 623, 625,
639, 689, 698, 70S, 703
Gruppe Sorsich 78, 79
KavKorps Hauer 97, 511,
512, 724
II: K. u. k. Infanterie-,
k. k. Schützen (Lst.)-
u,nd k. u. Hionvéd-
Divisionen
1. 71, 136, 438, 455, 498,
523, 531, 532, 534, 541,
543, 554, 555, 570, 575,
582, 583, 584, 585, 586,
587, 588, 598, 607, 623,
625, 689, 693, 698
2. 86
3. 197, Edelweiß- (3.)
197, 498, 522, 525, 526,
527, 536, 550, 551, 552,
567, 594, 595, 602, 608,
609, 616, 638, 639, 641,
658, 659, 661, 662, 671,
673, 675, 676, 690, 696,
698
4. 87, 284, 408, 458, 498,
500, 507, 524, 541, 558,
563, 573, 576, 579, 598,
607, 623, 675, 679, 689,
691, 692, 693, 694, 695,
726
5. 83, 238, 262, 263, 264,
269, 275, 278, 279, 310,
315, 319, 320, 321, 322,
324, 394, 395, 399, 406
6. 191, 193, 194, 195, 196,
197, 200, 201, 202, 203,
204, 498, 509, 632, 646,
650, 651, 652, 654, 655,
656, 671, 672, 680, 681,
697
7. 78, 85, 106, 107, 115,
150, 161, 162, 163, 164,
166, 168, 169, 175, 178,
283, 284, 342, 344, 349,
435 734
8. 197, KJD. (8.) 197
9. 142, 158, 175, 177, 179,
180, 441, 447, 448, 460,
508, 534, 544, 555, 556,
558, 577, 580, 584, 586,
589, 599, 610, 615, 619-
624
10. 136, 142, 152, 162,
163, 164, 168, 175, 177,
179, 441, 443, 447, 463,
572, 577, 585, 589, 590,
599, 610, 618, 619, 624,
667
11. 86, 284, 336, 405
12. 79, 81, 96, 160, 175,
216, 283, 435, 436, 441,
442, 446, 476, 572, 447, 448, 463, 599,
585, 624 590,
610, 619,
13. Seh. 86, 355, 362, 366,
368, 370, 374, 383, 385,
387, 388, 392, 393, 408,
497, 505, 506, 507, 524,
541, 543, 553, 558, 569,
573, 574, 596, 598, 605, 623,
607, 608, 617, 620,
625, 668
14. 116, 147, 148, 577, 149,
449, 557, 572, 585,
589, 599, 610, 618, 619,
624
15. 70, 83, 264, 265, 238, 262, 263,
266, 273, 267, 268.
269, 272, 274, 275,
280, 326, 342, 344„ 345,
354, 366, 396
16. 136, 142, 150, 151,
161, 163, 164, 165, 166,
167, 168, 169, 170, 262, 175,
178, 230, 238, 263,
264, 267, 268, 275, 269, 270,
273, 274, 280, 281,
309, 310, 315, 316, 322,
343, 344, 435
Verzeichnis der Truppenverbände
783
17. 150, 151, 161, 163,
168, 178, 441, 446, 448,
449, 545, 556, 557, 572,
585, 599, 610, 619, 667
18. 190, 192, 193, 194,
195, 196, 203, 204„ 208,
509, 626, 639, 652, 653;,
655, 656, 657, 666, 671,
672, 684, 685, 686, 687,
688, 697
19. 237, 238, 239, 240,
244, 245, 246, 247, 248,
249, 250, 251, 293, 301,
334, 335, 401, 443, 463,
475, 479, 495, 49&, 509,
630, 632, 650, 671, 672
20. H. 85, 391, 408, 482,
495, 497, 505, 507,, 508,
533, 545, 556, 584, 599,
610, 615, 619, 625
21. Sch. 83, 160, 175, 216,
435, 438, 440, 454, 458,
464, 507, 508, 558, 564,
601, 631, 632, 650, 651,
655, 656, 671, 672, 688,
706
22. Sch. 191, 194, 195, 197,
498, 522, 525, 526, 527,
536, 537, 552, 568, 594,
595, 602, 606, 607, 608,
616, 617, 621, 622, 623,
637, 638», 639, 658, 659,
663, 673, 674, 689, 690,
696, 698
24. 79, 95, 143, 155, 158,
172, 173, 174, 175, 216,
435, 440, 443, 450, 452,
454, 458, 508, 533, 544,
545, 556, 571, 577, 584,
586, 589, 609, 610, 618,
619, 624, 675, 678
25. 108, 238
26. Sch. 87, 97
27. 238
28. 114, 150, 152, 161,
162, 164, 167, 168, 169,
170, 175, 178, 179, 441,
442, 446, 447, 448, 460,
476, 478, 506, 523, 534,
544, 555, 556, 558, 570,
577, 583, 584, 588, 609,
610, 617, 619, 623, 624,
698
29. 86, 408, 458, 498, 500,
506, 507, 523, 544, 555,
556, 558, 563, 564, 580,
583, 584, 599, 610, 615,
619, 624, 668
30. 317, 321, 394, 395, 399,
738, 739
31. 78, 79, 84, 346, 352,
358, 386, 391, 396, 398,
399, 405, 408, 723, 738
32. 238, 244, 247, 248,
249, 250, 251, 293, 301,
334, 335, 408, 738
33. 84, 229, 238, 239, 240,
289, 292, 293, 295, 296,
300, 301, 304, 335, 408,
458, 498, 500, 507, 524,
541, 558, 563, 573, 576,
579, 598, 607, 623, 675,
690, 726
34. 82, 317, 321, 394, 395,
399, 405,, 406
35. 87, 143, 161, 166, 170,
175, 177, 178, 180, 216,
435, 441, 442, 446, 447,
460, 463, 476, 478, 506,
523, 532, 533, 544^, 545,
555, 556, 571, 577, 584,
586, 589, 598, 617, 619,
624, 670, 675, 689
36. 83, 238, 262, 266, 267,
271, 272, 273, 274, 275,
278, 279, 281, 323, 400
37. H. 78, 79, 280, 345,
350, 354, 355, 358, 364,
365, 375, 376, 380, 382,
384, 385, 389, 392, 393,
404, 722, 738
38. H. 84, 238, 269, 271,
303, 305, 307, 314, 316,
331, 332, 334
39. H. 79, 95, 96, 386,
392, 738
40. H. 283, 309, 317, 319,
326, 329, 395, 399, 723,,
724, 728
41. H. 106, 107, 113, 150,
161, 162, 163, 441, 447,
463, 476, 477, 572, 585,
590, 599, 610, 618, 624,
667, 668, 699, 705
42. Ii. 83, 238, 262, 263,
264, 275, 276, 278, 279,
322, 400
43. Sch. 136, 142, 143, 147,
148, 154, 175, 440, 450,
454, 459, 464, 466, 470,
471, 480, 508, 544, 545,
556, 580, 584, 713, 727,
738
44. Sch. 150, 151, 161, 168,
441, 446, 449, 557, 572,
577, 585, 589, 599, 610,
618, 619, 624, 667, 705
45. Sch. 87
46. Sch. 458, 738
47. 122, 123, 124, 750
48. 136, 142, 155, 158,
166, 172, 175, 441, 446,
448, 475, 557, 572, 577,
585, 599, 610, 619, 624,
667
49. 626, 631, 632, 633,
634, 650, 655
50. 498, 516, 522, 528, 529,
531, 539, 541, 542, 552,
568, 590, 595, 597, 605,
606, 607, 608, 616, 617,
620, 623, 625, 659, 663,
689, 693, 696, 698, 699
51. H. 79, 317, 327, 329,
392, 396, 727, 738
52. 626, 631, 632, 633,
650, 651, 671, 672, 684,
685, 686, 687, 688
53. 394, 401, 463, 475, 480,
482, 495, 507, 508, 533,
544, 545, 556, 571, 577,
584, 589, 609, 611, 618,
619, 738, 739
54. 84, 238, 239, 243, 244,
245, 248, 250, 295, 297,
299, 302, 305, 307, 308,
312, 313, 314, 330, 332,
334, Sch. 726
55.84,238,239,241,242,254,
255, 257, 299, 302, 313,
314, 332, 334, 498, 512,
520, 522, 526, 527, 536,
539, 552, 553, 558, 568,
595, 597, 605, 606, 607,
608, 611, 616, 617, 620,
623, 625, 638, 657, 658,
659, 661, 662, 663, 664,
674, 690, 692, 695, 698,
705, 725
56. Sch. 670
57. 136, 141, 143, 146, 158,
175, 440, 449, 454, 464,
466, 479, 482, 505, 506,
523, 531, 532, 534, 540,
541, 543, 544, 555, 556,
570, 577, 584, 588, 609,
619, 623, 624
58. 146, 147, 148, 172, 449,
479, 507, 557, 571, 572,
577, 585, 589, 599, 610,
619, 667
59. 82, 96, 283, 309,317,
318, 319, 326, 329, 395,
396, 398, 724, 738, 739
60. 523, 532, 544, 555,
556, 571, 577, 583, 584,
784
Verzeichnis der Truppenverbände
586, 587, 588, 589, 598,
599, 617, 619, 624, 670,
690, 692, 693, 698, 703
61. H. 79
62. 136, 138, 141, 143,
158, 175, 216, 342, 354,
368, 369, 370, 371, 372,
373, 374, 384, 387,, 390,
435, 510
63. 507, 577, 585, 599,
610, 619, 738
64. H. 619, 624
70. H. 77, 345, 349, 358,
365, 374, 375, 376, 378,
379, 380, 381, 382, 384,
388, 389, 393, 404, 722,
738
71. 77, 345, 349, 358, 365,
374, 375, 376, 377, 378,
379, 380, 381, 382, 387,
388, 389, 391, 392, 403,
404, 619, 738
72. 79
73. 76, 191, 203, 204, 216,
355, 435, 441, 443, 447,
452, 453, 454, 455, 458,
460, 464, 465, 467, 482,
506
74. H. 317, 327, 329, 392,
396, 738
92. 108, 341, 347, 354,
366, 384, 394
93. 108, 490, 498
94. 108, 498, 512, 566,
593, 609, 616, 635, 636,
637, 638, 639, 642, 671,
674, 689, 691, 692, 693,
694, 708, 713
106. Lst. 85, 108, 136, 138,
139, 141, 142, 143, 146,
156, 157, 158, 172, 175,
440, 451, 454, 459, 464,
475, 479, 482, 507, 551,
558, 564, 601, 631, 632,
650, 671;, 672, 680, 681,
706
155. (später H.) 726
Gruppe Ï/XIX (Gerhauser)
125, 747, 750, 751
Gruppe Erzherzog Peter
Ferdinand 670
III: K. u. k. Kavalle-
rie -, k. k. Schützen -
u n d k. u. Honvéd-
kavallieri e- Divisi-
on e n
1. 77, 344, 345, 348, 349,
351, 353, 354, 355, 356,
357, 358, 360, 363, 364,
382, 384, 386, 396
2. 238, 262, 263, 266, 269,
270, 272, 273, 275, 278,
281', 309, 322, 326, 400,
406, 724, 727, 738
3. 78, 79, 346, 366, 396,
722, 738
4. 238
5.H. 80, 317, 319, 326,
329, 396, 398, 727
6. 81, 317, 319, 326, 329.,
396, 398, 727
7. 76, 284, 318, 345, 350,
352, 355, 365, 374 (Fuß-
regiment), 379 (Fußregi-
ment), 393 (Fußregimen-
ter), 402, 404, 722
8. 79, 284, 317, 318, 345,
352, 354, 355, 365, 374
(Fußregiment), 382, 387
(Fußregiment), 403, 404,
722
9. 97, 511, 724, 725, 726,
727, 738
1.0. 78, 79, 342, 350
H.H. 317, 319„ 326, 329,
346, 396, 398, 738
12. rtSch. 230, 238, 251,
' 408
iy.: K. u. k. Infante-
rie -, k. k. Schützen-,
k. u. Honvédinf a n-
t e r i e - un d k. u. k. G e-
b i r g s b r i g a d e n
5. 141, 146, 159, 471,
609
1.1. 650
12. 197, 203, 650, 697
16. 317, 321
17. 161, 165, 166, 167,
169, 534
I,8. 141, 466, 467, 471,
474, 475, 479
20. 165
23. 79
24. 79, 81, 136
25. Sch. 366
26. Sch. 87, 109, 188, 215
31. 264, 267
37. 681, 684, 687, 688
38. 246, 606, 661, 662, 663
39. H. 482
41. Sch. 440, 452, 454
42. Sch. 440, 443, 450
43. Sch. 197, 201, 509,
537, 552, 621, 637, 638,
639, 658, 661
47. 172, 464, 467
48. 173
55. 164, 165, 166, 169
56. 164, 165, 166, 169
59. 148, 154, 156, 157,
172, 173, 175
60. 158, 166, 168, 170,
533
64. 249, 335
73. H. 78, 374, 375, 376,
377, 378, 379, 380, 381,
387, 389
74. H. 354, 364, 384, 385
81. H. 85, 508
86. Sch. 148, 175
96.633, 635, 671
98. KSch. 204, 509, 526,
536, 537, 552, 568, 621,
625, 637, 658, 661, 662,
666, 673, 674
121. 141, 144, 145, 146,
154, 157
129. 299
141. 50
142. 50, 374, 375, 376,
377, 379, 387, 389
143. 50
144. 50, 76
145. 50, 341, 373, 458,
735
179. 634, 680, 681
180. 197
181. 207, 650, 681, 684,
687, 697
207. H. 374, 378, 379, 380,
389
216. 526, 527, 536, 538,
539, 552, 567, 568, 60S,
616, 658, 662, 664
217. 527, 536, 537, 594,
609, 616, 622, 658, 662,
664
1.KJ. 197, 650, 655, 656
2.KJ. 197
1. Gb. 639, 653, 656, 657,
666, 707
2. Gb. 435, 464, 584, 693,
694
3. Gb. 438, 528, 539, 542,
553, 597, 598, 620, 623,
625
4. Gb. 146
5. Gb. 146
7. Gb. 531, 532, 541, 583,
584, 587
8. Gb. 77, 348, 349, 352,
353, 354, 356, 357, 358,
363, 364, 365, 378, 381,
382, 384
Verzeichnis der Truppenverbände
785
9. Gb. 634, 635, 636, 639,
652, 653, 656, 657, 659,
662, 666, 697, 707
10. Gb. 464, 583, 584, 587,
693, 694
11. Gb. 166, 171, 173, 177,
667
12. Gb. 166, 169, 170, 172,
177, 178, 179, 180
13. Gb. 631, 681
14. Gb. 122
15. Gb. 528, 539, 542, 552,
597, 620, 623, 625
20. Gb, 123, 124, 748, 749,
750, 751, 752
21. Gb. 633, 636
22. Gb. 531, 541, 583, 587
25. Gb. 566, 593, 642, 674
26. Gb. 597, 606, 664, 692.
694
29. Gb. 566, 594, 609, 616,
639, 671
56. Gb. 634, 681
57. Gb. 117, 593, 642, 674
58. Gb. 197
59. Gb. 108, 512, 526, 527,
539, 552, 567, 594, 609,
616, 621, 638, 639, 671
Gruppe Fasser 566, 593,
594, 635, 636, 637
Brig. Hohenberger 631
Brig. Papp 79, 80
Gruppe Schotsch 650, 655,
656
Gruppe (Brig.) Vidossich
195, 197, 650, 681, 688,
697
Gruppe 1/47 (Spaics) 124
V : K. k. und k. u. L a n d-
sturm infant eri e -
(G e b i r g s -) B r i g a d e n
K.k. 1. 84, 147, 445, 507,
610, 619
K. u. 16. 79, 342, 391, 404,
K.k. 22. Gb. 438, 439, 464
K.k. 24. Gb. 138, 145, 146
K. u. 28. Gb. 648, 657, 727,
738
K.k. 110. 143, 145, 654
K.k. 111. 157
K.k. 187. 507, 610, 675,
713, 737
K.k. 205. 141, 145, 146
K. u. 211. 123, 124, 234,
750
VI: Kavalleriebri-
gade n
7. 358
11. 76
20. 76, 378, 380, 389
Reiterbrig. d. 2. KD. 83
Reiterbrig. d. 5. HKD. 79,
81
Reiterbrig. d. 10. KD. 78
VII : Feldartillerie-
b r i g a d e n
18. 206
19. 334
24. 173
32. 334
43. 507
R. 94. 394, 642
R. 106. 155, 158, 159,
172
Schießschul 503
VIII: K. u. k., k. k. und
k. u. Fußtrupp e n
IR. 1. 264, 276, 278
IR. 2. 163, 264, 267
II. Baon. 2. 164
Ulf Baon. 2. 168
IV.Baon. 2. 164
I.Baon. 3. 179
IR. 5. 265, 274, 444
IR. 7. 210, 498, 527, 693,
694, 695
III. Baon. 7. 553
IV.Baon. 7. 527
V. Baon. 7. 621, 642
IR. 8. 692, 693
IV. Baon. 8. 692
IR. 9. 173, 444
IR. 10. 444, 464
IR. 11. 170, 460
II.Baon.il. 165
IR 12 85
IV.' Baon. 12. 634, 685, 697
IR. 14. 475, 482, 483, 490,
505, 509, 537, 538, 551,,
674
I. Baon. 14. 197, 199, 200,
201, 203, 204, 537
II. Baoin. 14. 196, 197, 199
III. Baon. 14. 197, 198, 200,
201, 551
IV. Baon. 14. 196, 197,, 198,
202
X. Baon. 14. 116, 196, 203,
204, 205, 207, 650, 685,,
686
IR. 15. 165, 478
I. Baon. 15. 373
III. Baon. 15. 165
IR. 16. 281
IR. 17. 650, 697
IR. 18. 727, 739
II. Baon. 18. 608, 623
III. Baon. 18. 642
IR. 19. 240, 295
II. Baon. 20. 464
IV. Baoin. 20. 435, 473
IR. 21. 163, 165, 168
I. Baon. 21. 435, 458
IR. 22. 143
I. Baon. 22. 650
II. Baon. 22, 449
IV.Baon, 22. 650
V. Baon. 22. 650
IR. 23. 334
IR. 24. 114, 156, 173, 471,
480
IV. Baon. 24. 352, 353
IR. 27. 195, 650, 656, 697
I. Baon. 27. 697
III. Baon. 27. 657
IV. Baon. 27. 197, 650
ÍR. 28. 146, 170, 178, 179,
210, 619, 623
IR. 30. 178, 533
IR. 31. 164, 165, 269, 270,
273, 274
IR. 32. 321
II. Baon. 34. 473
IR. 35. 248, 251, 252, 650,
656
III. Baon. 35. 363, 365
IR. 37. 162, 163, 164, 165,
166, 167, 178
IV.Baon. 37. 685
RBaon. 37. 116, 194, 656
IR. 38. 162, 163
I. Baon. 38. 164, 165
IV. Baon. 38. 165
IR. 39. 150, 178, 449, 572
IV.Baon. 39, 449
IR. 41. 114, 156, 157, 158
173, 450, 460
IR. 44. 723
II. Baon. 44. 352
IR. 45. 173, 444, 452, 464,
610
IR. 46. 449
IR. 47. 170, 460, 477
II. Baon. 47. 478
IV.Baon. 47. 165
V. Baon, 47. 436, 443, 455,
464, 467
IR. 48. 624
IR. 49. 689, 692, 693
III. Baon. 49. 631
VI
50
786
Verzeichnis der Truppenverbände
IR. 50. 463, 467, 475, 479,
480, 488, 509
I.Baon. 50. 473
II.Baon. 50. 473
III.Baon. 50. 473
IR. 51. 478, 533
I.Baon. 51. 178, 650, 697
II. Baon. 51. 436
II. Baon. 52. 143, 144, 155,
156
IR. 53. 272, 273, 274, 444
IR. 55. 165
III. Baon. 55. 464
III. Baon. 56. 81
IR. 57. 80, 190, 204, 436,
460, 464, 470
II. Baon. 57. 206
III. Baon. 57. 190, 205,
206, 210, 436
IR. 59. 509, 539, 567, 662,
664
II.Baon. 59. 621, 659,662
III. Baon, 59. 194, 196, 197,
198, 631
X. Baon. 59. 650, 697
IR. 60. 266
I. Baon. 60. 265
IR. 62. 478, 533
I.Baon. 62. 164, 269
IR. 63. 87, 96, 178, 448,
488, 533
I. Baon. 63. 443, 455, 464,
506
IR. 64. 171, 175, 190, 443,
455, 464, 506, 533
I.Baon. 64. 488
III.Baon. 64. 164
IV. Baon. 64. 115
IR. 65. 264, 265, 268
IR. 66. 265
II. Baon. 66. 444, 464
I. Baon. 68. 163
I.Baon. 69. 358, 363, 381
III.Baon. 69. 471
IR. 70. 334
IR. 71. 114, 148
IR. 72. 178
IR. 73. 171, 175, 177, 180,
190
III. Baon. 73. 634
III.Baon, 74. 631
IR. 75. 249, 251, 252, 650
IR. 76. 148
III. Baon. 76. 391
IR. 77. 173, 440, 444, 464,
611
IV. Baon. 77. 168
IR. 78. 513
IR. 79. 172
I.Baon, 79. 173
IR. 80. 114, 534
IV. Baon. 80. 114
IR. 81. 243, 245, 509, 650,
685, 686
III.Baon. 81. 245
IR. 82. 352, 356, 363, 365,
391, 403, 404
II. Baon. 82. 374
IR. 83. 85, 260
IV. Baon. 84. 634, 635, 685,
687, 697
III. Baon. 85. 114, 146
IR. 86. 114, 249, 444
IR. 87. 114, 144, 466, 473,
474, 479
I.Baon. 87. 449, 475
IV. Baon. 87. 634, 685, 697
IR. 88. 245, 246, 691, 692,
693, 726
I.Baon. 90. 435
IR. 91. 114, 170, 178
I.Baon. 91. 167
IR. 92, 668
II. Baon. 92. 631
I.Baon. 93. 455
IR. 94. 86
IR. 96. 146, 172, 210,
470, 557
IR. 98. 163
I. Baon. 98. 750
IV. Baon. 98. 163, 165
IR. 99. 691, 692
IR. 100. 80
II.Baon. 100. 115, 455
II.Baon. 101. 391
IR. 102. 107, 127, 128
I. Baon. 102. 650, 697
I. Baon. 104. 636
III. Baon. 104. 636
V. Baon. 104. 609
VI. Baon. 104. 609
VII. Baon. 104. 513, 609
Vili. Baon. 104. 636
IR. 105. 50
IR. 106. 50
IR. 107. 50
IR. 108. 50
IR. 109. 50
Sturmbaon. d. 4. ID. 691
Sturmbaon. d. 49. ID. 634
Sturmbaon. d. 54. ID. 245
Sturmbaon. d. 94. ID. 64-2
Sturmbaon. d. 11. Armee.
204
Sturmbaon. d. Heeresfront
Erzherzog Joseph 318,
352, 357, 363, 374
✓
Sturmbaon. d. 3. Armee.
269, 270, 273, 274, 278
Komb. IBaon. 650
Hochgbkomp. 22. 697
KJR. 1. 650
KJR. 2. 650, 657
I. Baon, KJR. 2. 631
II. Baon. KJR. 2. 631
VI. Baon. KJR. 2. 642, 692,
KJR. 3. 509, 538, 567,
594
I. Baon. KJR. 3. 536, 537,
C-io eco
II. Baon. KJR. 3. 538, 552,
III. Baon. KJR. 3. 631
IV. Baon. KJR. 3. 538
I. Baon. KJR. 4. 509, 621,
662, 664
II. Baon. KJR. 4. 197, 199,
200
KJBaon. Südtirol 374, 394
F JB. 2. 146, 470
FJB. 7. 194, 195, 197, 200,
201, 202, 204, 205, 650;,
685
FJB. 8. 512, 566, 635, 642
FJB. 9. 144, 462, 466
FJB. 11. 557
FJB. 12. 435, 466,
FJB. 17. 108
FJB. 20. 194, 196, 197, 210,
650, 697
FJB. 21. 179, 455
FJB. 22. 653, 656, 685, 686
FJB. 23. 190, 197, 202, 436
FJB. 25. 108
FJB. 30. 116, 567, 642
FJB. 31. 107
Komb. FJB. 642
RdfBaon. Schöniner 199, 650
bh. IR. 1. 245, 542
III. Baon. bh. IR. 1. 466
V. Baon. bh. IR. 1. 509, 650
bh. IR. 2. 498, 509, 661
III. Baon. bh. IR. 3. 167
bh. IR. 4. 210, 520, 694
I. Baon. bh. IR. 4. 674
III. Baon. bh. IR. 4. 631
IV. Baon. bh. IR. 4. 595,
596, 605, 606
VI. Baon. bh. IR. 4. 436,
464
bh. IR.5. 50, 374, 376,
391, 393, 404
bh. FJB. 3. 532
bh. FJB. 4. 458
bh. FJB. 6. 179
bh. FJB. 8. 435
GrzJB. III. 127
Verzeichnis der Truppenverbände
787
ScliR. 1. 374, 388
SchR. 3. 195, 509, 526, 659,
661, 662, 664, 673, 674
I. Baon. SchR. 3. 664
II. Baon. SchR. 5. 634
SchR. 6. 451, 454
SchR. 7. 451
SchR. 8. 440, 444, 465
I. Baon. SchR. 10. 98
SchR. 14. 188, 463, 489
SchR. 16. 738
SchR. 20. 114, 172, 450
SchR. 21. 619
SchR. 22. 172, 460, 545
SchR. 23. 114, 146, 147,
148
IV. Baon. SchR. 23. 750
SchR. 24. 374, 388
SchR. 25. 188, 463, 475,
489
SchR. 26. 195, 509, 526,
638, 658, 662, 664, 674
SchR. 28. 440, 444, 465
II. Baon. SchR. 28. 440
SchR. 29. 334
SchR. 30. 726
SchR. 36. 436, 443, 450,
464, 656, 685
II. Baon. SchR. 36. 190
SchR. 37. 138, 145, 154,
439, 444, 455, 464
I. Baon. SchR. 37. 467
IV. Baon. SchR. 37. 114
KSchR. I. 509, 536, 674
I. Baon. KSchR. I. 204, 205
II. Baon. KSchR. I. 198
III. Baon. KSchR. I. 198
IV. Baon, KSchR. I. 650,
688
KSchR. II. 509
II. Baon. KSchR. II. 631
III. Baon. KSchR. II. 203,
204, 205
KSchR. III. 634, 653, 685,
686, 697
I. Baon. KSch. III. 634
II. Baon. KSchR. III. 686
GbSchR. 1. 150, 667
G'bSchR. 2. 446, 475, 479,
667
HIR. 1. 482
I. Baon. HIR. 11. 386, 388,
393
III. Baon. HIR. 13. 357
HIR. 14. 365
HIR. 15. 380, 381, 387,
404
HIR. 17. 482
HIR. 18. 358, 374, 379,
380, 381
HIR. 28. 83
I. Baon. HIR. 31. 256
HIR. 32. 114
HIR. 33. 50, 374, 381
II. Baon. HIR. 33. 374
HIR. 308. 255, 256
HIR. 309. 255, 256
HIR. 313. 365, 374, 379,
380, 388
HIR. 314. 374, 379
III. Baon. HIR. 314. 381
HIR. 315. 374
III. Baon. HIR. 315. 381
I. Baon. HIR. 316. 609
K. k. LstIR. 1. 84, 107, 146,
147
K. k. LstlR. 2. 114, 146,
147, 470
I. Baon. LstlR. 2. 479
K. k. LstlR. 6. 146, 154,
474, 479
IC k. LstlR. 11. 141, 145
K.k. LstlR. 22. 114, 147
K. k. LstlR. 25. 45i; 460,
479
K. k. LstlR. 26. 210, 642,
692
III. Baon. LstlR. 26. 159
K. k. LstlR. 27. 141, 145
K.k. LstlR. 31. 145, 479
K. k. LstlR. 32. 156, 444,
480
IV. Baon. k. k. LstlR. 39.
114, 149, 172, 178
K.k. LstlR. 51. 470
III. Baon. k. k. LstlR. 409.
145
K. k. LstlBaon. 10. 642
K. k. LstlBaon. 40. 156
K. k. LstlBaon. 42. 146
K. k. LstlBaon. 44. 394
K. k. LstlBaon. 160. 634
K. k. LstlBaon. 161. 634
K. k. LstlBaon. 164. 656,
685
K. k. LstlBaon. 168. 634
K.k. LstlBaon. 171. 634
K. k. LstlBaon. 172. 650
K.k. LstlBaon. II. 634
K. k. LstlBaon. III. 634
K. u. LstlR. 1. 394
I. Baon. k. u. LstlR. 2. 466
V. Baon. k. u. LstlR. 4. 439,
444
VI. Baon. k. u. LstlR. 4.144
K.u. LstlR. 6. 480, 482
K. u. LstlR. 17. 391, 393
II. Baon. k. u. LstlR. 17.404
IX. Baon. k. u. LstlR. 19.
439, 444, 464
III. Baon. k. u. LstlR. 25.
143
IX: K. u. k., k. k. und
k. u. Kavallerie
DR. 2. 403
DR. 7. 618
DR. 11. 396
DR. 12. 389
DR. 14. 374,
403
HR. 2. 364
HR. 5. 364
HR. 7. 364
HR. 8. 396
HR. 12. 364
HR. 14. 353,
HR. 15. 686
UR.2. 379
UR. 11. 403
UR. 12. 387, 403
X: K. u. k. Artillerie
FKnR. 4. 532
GbAR. 3. 642
1.HbBt. GbAR. 4. 235, 754
GbAR. 5. 642
2. HbBt. GbAR. 6. 235, 754
GbAR. 17. 642
GbAR. 203. 642
10.4 cm-KnBt. 20. 754
Sonstige
Frw. SchBaon. Marburg IV.
170, 176, 178, 183
Militär-Genier algou v. B el-
grad 107, 127, 751
Militär-Generalgouv. Mon-
tenegro 751
Oberösterreichisches Frw.
SchR. 656, 685, 687
Pionier Komp. 2/2. 727
Polnische Legion (Hilfs-
korps) 51, 109, 724, 725,
738
Siebenbürger. FrwBaon. 50
StSchAbtlg. Zillerthal 195
Ukrainische Legion 245
Donauflottille 76
Schlachtschiff „Budapest"
642, 669
Schlachtschiff „Wien" 642,
669, 700
Kreuzer „Aspern" 642
Kreuzer „Admiral Spaun"
590, 642
377, 387,
364
50*
788
Verzeichnis der deutschen Truppenverbände
r deutschen Truppenverbände
Verzeichnis de
I: Armeekorps
I. 229
VI. 86, 401
VIII. 86, 284, 401
Alpenkorps 76, 111, 215,
362, 365,, 366, 369, 370,
371, 373, 374, 383, 384,
385, 387, 392, 393, 408,
498, 500, 501, 504, 509,
511, 516, 522, 528, 529,
530, 540, 542, 543, 553,
569, 574, 596, 605, 607,
608, 617, 620, 623, 625,
642, 673, 678, 689, 693
Asienkorps 235, 754
Beskiidenkorps 291, 293,
297, 298, 299, 301, 302,
304, 305, 306, 307, 311,
312, 313, 314, 330, 331,
332, 333, 334, 335, 725
Karpathenkorps 81, 82,
283, 317, 318, 324, 325,
326, 327, 328, 350, 352,
395, 397, 398, 408, 642,
723, 738, 739
Gruppe Behr 347
Korps Berrer 293, 295.
296, 297, 298, 299, 301^
304, 309
Gruppe Berrer (Hofacker)
523, 530, 540, 541, 543',
550, 553, 558, 563, 569,
574, 578, 579, 582, 586,
591, 598, 605, 607, 608,
609, 617, 619, 623, 625,
667, 668, 702, 705
Gruppe Eben 85
Gruppe Gallwitz 342, 347,
352, 354
Gruppe Gerok 76, 77, 78,79,
80, 282, 284, 318, 340,
342, 343, 344, 345, 347,
352, 354, 355, 356, 357!,
358, 359, 360, 361, 364,
365, 366, 367, 369, 370,
374, 378, 382, 384, 385,
386, 387, 388, 390, 391,
392, 396, 401, 402, 404,
408, 722, 724
Gruppe (Korps) Krafft 28,
76
Gruppe Schaer 76, 347
Gruppe Sontag 76
Gruppe Stein 522, 523,
524, 526, 528, 530, 539,
541, 542, 553, 558,.563;,
574, 579, 593, 595, 596,
597, 598, 605, 607, 608,
617, 620, 623, 625, 667,
703, 705
Gruppe Sunkel 77
G,ruppe Wilhelm] 293, 296,
297, 298, 299, 301, 302,
304, 305, 306, 307
I. R. 342, 347, 354, 366,
368, 369, 370, 371, 383,
384, 385, 387, 388, 390,
394, 735
XII. R. 401
XVII. R. 96
XVIII. R. 368, 370, 371,
373, 374, 378, 382, 383,
384, 386, 387, 388, 390,
393, 394
XXII. R. 85, 284, 408
XXIII. R. 290, 292, 295,
296, 297, 298, 299, 301,
304, 308, 336
XXIV. R. 79, 738
XXV. R. 82, 229, 241, 243,
297, 299, 302, 305, 307,
308, 312, 313, 314, 330,
332, 333, 335, 725, 739
XXVII. R. 84, 303, 305,
307, 308, 312, 313, 314„
330, 331, 332, 333, 334,
725
XXXX. R. 79, 272, 739
KavKorps Schmettow 76
II : Infanterie-, Ka-
valleriedivisionen
1.preuß. G. 290, 292, 295,
296, 301, 304, 308, 314,
336
2. preuß. G. 290, 292, 295,
296, 300, 301, 304, 336
1.1. 80, 81, 317, 318, 319,
324, 326, 327, 328, 329,
350, 355, 359, 387, 395,
397, 398, 399, 723, 738
5.1. 290, 296, 301, 309,
314, 408, 497, 500, 523,
532, 541, 543, 554, 570,
573, 575, 576, 579, 582,
583, 584, 585, 586, 587,
588, 592, 598, 599, 607,
623, 675, 678, 689, 690,
691, 692, 693
6.1. 290, 292, 295, 296,
301, 304, 308, 309, 314,
726
12.1. 498, 500, 504, 516,,
522, 528, 529, 533, 534,
539, 540, 542, 543, 553,
569, 574, 595, 596, 597,
605, 606, 607, 608, 617,
620, 623, 625, 663, 668,
678
15.1. 86, 215, 216
16.1. 86, 216
20.1. 276, 277, 278, 281,
290, 291, 298, 309, 311,
320, 330, 335, 401
22.1. 85, 284, 292, 293,
295, 296, 301, 309, 314,
726
26. (1. württ.) I. 498, 500,
504, 523, 531, 540, 543,
553, 554, 569, 570, 575,
576, 579, 582, 586, 587,
592, 598, 607, 608, 617,
620, 623, 625, 678, 703
28.1. 504
42.1. 290, 292, 293, 298,
302, 304, 308, 314, 401,
727, 739
83.1. 230, 238, 262, 263,
264, 267, 268, 269, 273,
275, 277, 300, 303, 305,
309, 315, 316, 322, 406,
738
86.1. 97, 216
89.1. 366, 368, 372
91.1. 97
92.1. 87, 97, 216, 284,
290, 293, 298, 300, 301,
^04 3 3 5
96. (sächs.) I. 229, 238,
247, 250, 251, 260, 293,
297, 301, 306, 313, 331,
334
107.1. 284, 727
108.1. 254, 284, 739
109.1. 76, 341, 347, 384,
390
115.1. 342, 347, 366, 370,
371, 372, 373, 388, 393
117.1. 81, 283, 284, 317,
318, 344, 345, 352, 355,
358, 365, 374, 375, 376,
377, 378, 379, 380, 381,
Verzeichnis der deutschen Truppenverbände
789
382, 386, 388, 389, 391,,
392, 393, 399, 408, 498,
500, 522, 530, 540, 543,
553, 558, 569, 574, 579,
582, 583, 585, 586, 587,
588, 598, 599, 605, 607',
608, 617, 619, 620, 623,
625, 678
119.1. 84, 215, 216
187.1. 77, 78, 80
195.1. 84, 85, 215, 216,
504, 642, 655, 676, 678,
679, 683, 707, 708
197.1. 85, 230, 238, 293,
296, 301, 307, 330, 331,
333, 335
200.1. 317, 318, 320, 321,
324, 326, 327, 328, 395,
397, 399, 408, 498, 500,
516, 523, 530, 531, 540,
543, 553, 569, 570, 575,
579, 582, 586, 587, 592,
598, 607, 623, 625, 678,,
689, 691, 693, 694, 703
212.1. 76, 342, 366, 387
215.1. 85
216.1. 366, 372, 383, 393
217.1. 76, 353, 354, 368,
372, 373, 374, 384, 385,
387
218.1. 76, 282, 343, 344,
347, 348, 349, 350, 351,
352, 354, 355, 356, 357,
360, 364, 365, 376, 378,
380, 382, 384, 385, 386,
387, 390, 393, 402, 403,
404, 722
223.1. 216, 229, 238, 240,
246, 247, 248, 249, 250,
251, 260, 293, 296, 297,
301, 302, 307, 313, 331,
334, 335
224.1. 86
225.1. 79, 96, 352, 358,
376, 378, 379, 382, 386,
393, 403, 404, 722, 738
232.1. 290, 336
237.1. 229, 238, 240, 251,
289, 290, 293, 301, 307,
313, 330, 331, 334
241. (sächs.) I. 229, 238,
240, 246, 257, 259, 260,
299, 302, 305, 307, 308,
330, 332, 334, 335
301.1. 76
Deutschejäger 498,522,526,
527, 536, 538, 550, 551,
552, 567, 594, 595, 605,
606, 607, 616, 621, 622,
623, 625, 642, 658,, 659,
661, 663, 664, 665, 673,
675, 678, 690, 693, 694
4. Ers. 216, 228, 238, 240,
256, 258, 259, 260, 302,
305, 307, 308, 330, 332.
335, 405, 723, 738
10. Ers. 725
10.bayr. I. 78, 84, 215,
216
11. bayr. I. 76
12. bayr. I. 366, 370, 371,
372, 388
14. bayr. I. 408, 726, 739
bayr. Ers. 408, 726
6.R. 408
15. R. 229, 238, 241, 243,
254, 257, 297, 314, 331,
334, 335, 725, 739
16. R. 271, 272, 273, 274,
275, 277, 281, 290, 291,
292, 309, 315, 316, 321,
322, 400, 406, 738
24. (sächs.) R. 216, 229,
238, 239, 241, 242, 243,
254, 255, 256, 257, 259,
260, 271, 280, 303, 305,
307, 314, 332, 334, 725
33. R. 408, 726
36. R. 83, 84, 215, 216
48. R. 83, 215
53. R. 84, 238, 260, 280,,
303, 305, 307, 332, 334
75. R. 84, 216, 229, 238.
241, 253, 260, 271, 280,
300, 305, 309, 332
76. R. 81, 342, 347, 357,
366, 388
8. bayr. R. 79, 96, 260,
271, 272, 273, 275, 277,
278, 281, 284, 290, 291,
309, 315, 316, 321, 322,
323, 342, 34,3, 400, 405,
504, 723
l.L. 97, 98
7.L. 215
10. L. 86
12. L. 216, 238, 296
15. L. 85, 238
22. L. 208
45. (sächs.) L. 87, 216
47. L. 216
Ohrida Div. 750, 752
2.K. 408
Bayr. K. 97, 99, 276, 277,
278, 281, 290, 291, 309,
310, 315, 323, 405, 408,
723, 724, 737
III : Infanterie-, Ka-
valleriebrigaden
172.1. 98
48. R. 272, 273
15. bayr. R. 77, 374, 393,
724, 738
Preuß. Leibhus. 229, 289,
291, 293, 298, 301, 305,
306, 307, 308, 311, 312,
313, 330, 333, 335
I.K. 723
IV: Infanterie-, Ka-
vallerieregimenter
preuß. GGrenR. 2. 295
GrenR. 3. 318, 350, 355,
365, 387, 398, 399
LeiibGrenR. 8. 691
IR. 42. 347
IR. 144. 246, 249
IR. 157. 81, 344, 345, 386
IR. 173. 246
IR. 329. 263, 264, 274
IR. 330. 263, 264, 265
273, 274
IR. 331. 264, 266, 268,
270
II.Baon. 331. 265
II. Baon. 373. 386
IR. 473. 246
29. ErsR. 247, 250
RIR. 11. 284, 355, 365,
374
RIR. 18. 365
RIR. 22. 317, 318, 345,
352, 355, 380
RIR. 104. 271
RIR. 106. 86
RIR. 233. 85
RIR. 250. 271
I. Baon. bayr. RIR. 11.374
II. Baon. bayr. RIR. 11. 374
bayr. RIR. 18. 77, 374
LIR. 32. 240
LIR.429. 86
LstIR. 34. 273
LstIR. 36. 365, 374, 393,
402
preuß. Garde-Schiitzen-
Baon. 751
wiirtt. GbBaon. 365, 374,
379, 392, 393, 408, 616,,
621, 637, 638, 665, 673:,
674
V: Technische
Truppen
Pionierbaon. 35. 525
790
Verzeichnis der bulgarischen und türkischen Truppenverbände
Verzeichnis der bulgarischen Truppenverbände
Komb. ID. 76, 347, 373
Verzeichnis der türkischen Truppenverbände
VI. Korps. 342, 754
XV. Korps. 83, 84, 754
XX. Korps. 754
19. ID. 83, 229
20. ID. 83, 241, 253, 257,
302, 305, 308, 313, 330,
332, 335
ewwK
Ergänzungen und Berichtigungen zu den
ersten sechs Bänden
II. Band: Im Druckfehlerverzeichnis ist noch aufzunehmen:
Seite 642, Anmerkung 2), 3. Zeile von oben 3/10 statt 3/9
„ 811, rechte Kolonne, 6. „ „ „ 3/10 s/g
III. Band: Seite 150, Anmerkung1), soll es lauten: Die II. Abteilung des selbständigen
Artillerieregimentes statt das selbständige Artillerieregiment.
IV. Band: Im Druckfehlerverzeichnis ist noch aufzunehmen:
Seite 406, 18. Zeile von oben zuzufügen statt zuzuführen
„ 450, 17. „ „ „ 24. ID. statt 24. HID.
„ 463, 11. „ „ 3, Gnilovody statt Gnilawody
18. „ „ „ Kurdwanówka statt Kurdanówka
V. Band: Im Druckfehlerverzeichnis ist noch aufzunehmen:
Seite 178, 11. Zeile von unten Schtscherbatschew statt Schtscherbatchew
„ 3, 15. „ „ „ soll es lauten Arsiero statt Asiago
„ 201. Zu dem Personenwechsel beim Stabe der 3. Armee ist festzustel-
len, daß dieser nur durch die Erkrankung des General st ab s chefs
notwendig wurde und in keinem Zusammenhang mit den Ge-
schehnissen an der Front stand.
„ 389, 18. Zeile von unten soll es lauten September statt August
„ 552, 15. „ „ „ ist bei dem Worte „fertiggestellt" als An-
merkung3) einzuschalten: Das Brückenbataillon des österreichi-
schen Bundes heere s als Nachfolgetruppenkörper der k. u. k.
Brückenbataillone feiert den 25. Juli als Gedenktag.
„ 649, 8. Zeile von unten ist bei dem Worte ,,,Linie" als Anmerkung2)
einzuschalten: Zum Gedenken an die hervorragenden Leistungen
der Verbindungstruppen bei der Isonzoverteidigung feiert die
Telegraphentruppe des österreichischen Bundesheeres den 8. Ok-
tober als Gedenktag.
„ 660, 1. Zeile von oben soll lauten: Südlich von Lokvica gewann der
rechte Flügel der 28. ID. Raum in der Richtung seiner . .." statt
„Nördlich von Lokvica erreichte das IR. 87 seine . . ."
17. Zeile von oben ist nach „westlich" einzuschalten „und süd-
westlich".
18. Zeile von oben ist nach der ersten Klammer einzuschalten
„IR. 87".
19. und 20. Zeile von oben soll es lauten: . . . „von Lokvica konn-
ten die vormittags erzielten Fortschritte mit Mühe be-
hauptet werden" statt . .. „davon mußte aber das IR. 87
die kaum wiedergewonnene Stellung [neuerlich aufgeben".
„ 683, Anmerkung !) sind die Infanterieregimenter 11 und 47 zu ver-
tauschen.
792 Ergänzungen und Berichtigungen zu den ersten sechs Bänden
Beilage 3: Die Vorstellung zwischen den Höhen Jaworczek und Lipnik
(südöstlich von Flitsch) ist blau statt rot einzuzeichnen.
„ 7, Seite 50, 10. Zeile von unten Gen. statt GM.
VI. Band: Seite 260, 17. Zeile von oben ist bei dem Worte „Schlage" als Anmerkung3)
beizusetzen: „Das k. u. k. IR. 83 zeichnete sich in diesen Kämpfen
besonders aus. Sein Nachfolgetruppenkörper im österreichischen
Bundesheer, das burgenländische Feldjägerbaom. Nr. 2, feiert
idaher den 6. Ju'li als Gedenktag."
„ 317, sind in der Zeile 14 von unten das Wort „Beide", ferner die
Zeilen 13 und 12 von unten zu streichen and es ist dafür zu
setzen: „Die 34. ID. stieg darauf in drei Kolonnen aus dem
oberen Pruthtal in nordöstlicher Richtung über das Gebirge und
drang über Zabie und Kosmacz in das Pistyñkatal ein. Die 30. ID,
stieß indes über Tatarów—Mikuliczyn—Berezów auf Pistyn vor."
Dementsprechend sind auch die Bewegungslinien der 34. und
der 30. ID. in der Beilage 17 zu berichtigen. Von Kuty nahm
die 30. ID. den Weg über Lukawetz—Storo±ynetz.
„ 10, 13. Zeile von unten Generalstabschef der Schweizer Armee statt
Schweizer Oberbefehlshaber.
„ 60, 1. Zeile von oben Wesen statt Westen
53 138, 12. 35 53 „ Georges statt George
18. 55 3-3 „ LstGbBrig. statt LstlBrig.
33 157, 10. 33 33 „ Edi. v. Kosel statt Kosel
35 158, 8. >3 35 „ v. Scheucher statt Scheucher
RFABrig. statt FABrig.
53 159, 6. 33 33 „ RFABrig. statt FABrig.
53 172, 7. 35 33 unten RFABrig. statt FABrig.
33 176, 14. 33 35 „ Linie statt Linei
55 214, 8. 33 33 oben Freih. v. Arz statt Arz
55 233, 10. 33 33 unten vom statt von
55 245, 17. 35 35 oben Edi. v. Böltz statt Böltz
53 280, 5. 33 53 unten Heeresgruppe statt Heeresfront
35 283, 5. 33 33 „ Ritt. v. Henriquez statt Henriqi
55 296, 7. 55 33 „ XXIII. statt XXII.
„ 375, Anmerkung *) Kämpfe statt Kämpfer
„ 452, 4. Zeile von unten KorpskmdoS. statt Korpskmdo.
„ 657, 3. „ „ „ Heeresfront statt Heeresgruppe
„ 667, 14. ,„ „ p, GbSchR. statt GSchR.
13. „ „ „ GbSchR. statt GSchR.
„ 752, 11. ,„ „ oben Freih. v. Trollmann statt Trollmann
Beilage 23. Seite 8, 23. Zeile von unten 104 statt 204
„ 19, 20. „ „ oben XVIII statt XXVIII
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