Wachsende Gärung in Rußland 721 Trotzki vertreten, überwiegenden Einfluß erhielt. Die Soldatenmassen an den Fronten wurden gleichfalls immer radikaler, ihr Mißtrauen gegen die Offiziere wuchs. In ganz Rußland gärte es. Mit größter Mühe brachte Kerenski anfangs Oktober ein neues, das vierte Koali¬ tionskabinett zustande, dem Trotzki sofort die schärfste Gegnerschaft ansagte. Eine Erklärung der Regierung verkündete, sie strebe den Ab¬ schluß eines allgemeinen Friedens unter Ausschluß jeder Vergewalti¬ gung an. Darüber werde sie sich demnächst bei einer Zusammenkunft der interalliierten Mächte auf Grundlage der von der russischen Revo¬ lution verkündeten Grundsätze zu verständigen trachten. Im Interesse des Friedens werde die Regierung alle ihre Kräfte vereinen, um die gemeinsame Sache der Verbündeten zu unterstützen, das Land zu verteidigen und jedem Versuch, Rußland einen fremden Willen auf¬ zuzwingen, energisch entgegenzutreten1). Die Botschafter Englands, Frankreichs und Italiens forderten jedoch vom Ministerpräsidenten in entschiedener Form, die Kampffähigkeit des Heeres zu heben2) und durch Taten zu beweisen, daß die Regierung gesonnen sei, ihren Willen an der Front wie im Hinterlande durchzusetzen. Damit werde sich Rußland die vollste Unterstützung der Alliierten wahren. Kerenski mußte erwidern, er werde diese Vorstellungen geheimhalten, da die Bekanntga.be im Lande die größte Entrüstung hervorrufen würde. Er vermochte nur eine unbestimmte Zusage zu geben, daß Rußland den Krieg weiterführen werde. Die Zustände im Heer und im Hinterlande, die trostlose Bahn- und Verpflegslage drängten, den Krieg zu beenden. Ereignisse bei den Heeresfronten Erzherzog Joseph und Prinz Leopold (Oktober bis Mitte November) Hiezu Beilage 3 4 Die gegen Rußland und Rumänien aufgebotenen Streitkräfte der Mittelmächte hielten im Osten weiter Wacht (S.408). Aufmerksam ver¬ folgten die Heeresleitungen und die hohen Befehlsstellen an der Front die Vorgänge im russischen Reiche und deren Auswirkungen auf die Kriegslage. Der Nachrichtendienst, für den die Russen selbst durch ihre Funksprüche nach wie vor die wertvollsten Angaben beisteuerten, !•) Smilg-Benario, Von Kerenski za Lenin, 254ff. 2) Buchanan, 233ff. VI - 46