Die Ursachen der italienischen Niederlage 561 weiter d(ie Moral der Truppe und vergrößerte die Zahl der Deserteure, deren es am 1. November 1917 im Hinterlande etwa 66.000 gab1). Auch die Unbeliebtheit mancher Führer, so namentlich des wohl sehr tat¬ kräftigen, aber auch kaltherzigen Kommandanten der 2. Armee, GLt. Capello, trug zu dem geringen Kampfwillen der gerade im Angriffs¬ raum der Verbündeten stehende;! Truppen der italienischen 2. Armee bei. Dies macht es erklärlich, daß während der Zwölfteln Isonzoschlacht zahlreiche Regimenter vollkommen versagten und vor weitaus schwä¬ cheren Abteilungen der Angreifer oft schon rïach kurzer Gegenwehr die Waffen streckten. Eine weitere Ursache der Niederlage war auch der häufige Wech¬ sel der Kommandanten. Von den Maßregelungen durch Enthebung vom Kommandp wurden bis zum Oktober 1917 307 Generale und Oberste betroffen. In zehn Monaten stürzten 24 Korpskommandanten, Ein In¬ fanterieregiment, das 144., hatte im Oktober 1917 den 41. Kommandan¬ ten seit Kriegsbeginn. Kein Wunder, daß, wenn eine Truppe in eine kritische Lage gestellt war, es dem Führer nicht selten am erforder¬ lichen Wagemut, an der Verantwortungsfreudigkeit zu selbständigem Handeln fehlte2). Die italienische Heeresleitung hatte den moralischen Niedergang des Heeres wohl schon frühzeitig erkannt und war ent¬ schlossen dagegen eingeschritten; jedoch — wie die Ereignisse während der zwölften Isonzoschlacht ergäben — ohne Erfolg. Dies berührt auch die Frage der höheren Führung. Ohne auf die verschiedenen Fälle einzugehen, wo zweckmäßigeres Handeln der Unter¬ führer die Lage im einzelnen hätte zum Besseren wenden können, soll nur die Frage der Armee- und Heeresreserven herausgegriffen wer¬ den. Obwohl Cadorna über den Raum, aus dem der Angriff der Ver¬ bündeten bevorstand, zutreffend unterrichtet war, hatte er — wie schon erwâïhnt (S. 517) — die starken Verfügungstruppen zu weit im Süden stehen lassen. Als dann der tiefe Einbruch der Verbündeten erfolgte, wurden alle Reserven tropfenweise eingesetzt, aber fast immer nur in dem Streben, den Gegner aufzuhalten. Der Gedanke, die Lage durch einen von starker Hand geführten Ge¡gensc:hlag der Armee- und Heeres¬ reserven zu wenden, lag dem italienischen Höchstkommando ferne. Cadorna hatte sich offenbar die Erkenntnisse, die sich aus früheren 1) Kr äfft, I, 164. 2) Über den moralischen Zustand des italienischen Heeres geben sehr ausführ¬ lichen Aufschluß der Bericht der Untersuchungskommission, II, 442 bis 537, und Cab iati, Ottobre 1917, 96 bis 105. VI 86