516 Die Herbstoffensive gegen Italien so brachten der 20. und der 21. Oktober schon fast völlige Klarheit. An diesen Tagen waren nördlich von Tolmein drei öst.-ung. Offiziere — einer tschechischer, die beiden andern rumänischer Volkszugehörigkeit — zum Feinde übergelaufen und machten ganz konkrete Angaben. Ein Korps werde bei Flitsch, starke Kräfte sollten aus dem Räume zwischen dem Krn und Lom vorbrechen, mit dem Ziele, die Linie Mt. Mia—Matajur— Kolovrat zu gewinnen. Die k. u. k. 50. ID. werde zwischen dem Krn und dem Isonzo, die deutsche 12. ID. von Dolje aus im Isonzotal, weiter südlich das, angeblich drei Divisionen starke Alpenkorps und die 200. ID. gegen die Jeza angreifen. Drei weitere deutsche Divisionen stünden dahinter in Reserve. Der Angriff werde durch ein Gasschießen eingeleitet werden, dem ein anderthalbstündiges, namentlich mit Minen- werfern auf die Infanterielinien ausgeführtes Zerstörungsfeuer folgen soll. Als Angriffstag sei der 25. oder der 26. Oktober in Aussicht ge¬ nommen, er könne aber auch vorverlegt werden 1). Die Überläufer er¬ wähnten schließlich noch, daß sich die Angriffe nach Süden bis zum Meere ausdehnen würden. Um sich über die getroffenen Verteidigungsmaßnahmen Überzeu¬ gung zu verschaffen, hatte Cadorna schon am 19. Oktober zwei Oberste seines Stabes zur 2. Armee entsandt. Die Berichte, namentlich die über das IV. und das XXVII. Korps, lauteten, auch was die moralische Ver¬ fassung der Truppen anbelangt, durchaus zuversichtlich. Die beiden Oberste meldeten übereinstimmend, daß an der Front keine Anzeichen eines bevorstehenden Angriffes wahrzunehmen seien; auch ein plan¬ mäßiges Einschießen habe bisnun nicht stattgefunden. Cadorna tat aber noch ein übriges: er fuhr am 22. selbst zu den beiden am meisten bedroht erscheinenden Korps IV und XXVII. Auf die Bedenken, die der Führer des IV. Korps äußerte, befahl Cadorna sogleich die Verschiebung der im Natisonetal nördlich von Ci vi dale stehenden 34. ID. des VII. Korps zum IV. nach Karfreit. Diese Divi¬ sion war durch die 62. von der Tiroler Front zu ersetzen. Ansonsten hegten die beiden Korpsführer keinerlei Bedenken. Auch im großen erlaubte das Kräfteverhältnis, dem gegnerischen Ansturm vertrauensvoll entgegenzusehen. Die in Udine angestellten Berechnungen über die Truppenstärke der Verbündeten ergaben — neun deutsche Divisionen mitgerechnet — 53 gegnerische Divisionen mit 645 Bataillonen, hievon vor der 3. Armee 71/2 Divisionen mit 92, vor der 2. Armee 28 Divisionen mit 329 Bataillonen; den Rest vermutete 1) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 431 ff.