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ÖSTERREICH-UNGARNS
LETZTER KRIEG
1914-1918
HERAUSGEGEBEN VOM ÖSTERREICHISCHEN
BUNDESMINISTERIUM FÜR HEERESWESEN
UND VOM KRIEGSARCHIV
ZWEITER BAND
DAS KRIEGSJAHR 1915
ERSTER TEIL
*
19 3 1
VERLAG DER MILITÄRWISSENSCHAFTLICHEN MITTEILUNGEN
WIEN
DAS KRIEGSJAHR 1915
ERSTER TEIL
VOM AUSKLANG DER SCHLACHT
BEI LI MANOWA-LAPANÓW BIS ZUR
EINNAHME VON BREST- LIT0¥SK
UNTER DER LEITUNG VON
EDMUND G LAI S E-HÖR STEN AU
BEARBEITET VON
JOSEF BRAUNER, EDUARD CZEGKA, JAROMIR
DIAKOW, FRIEDRICH FRANEK, RUDOLF KISZLING,
EDUARD STEINITZ UND ERNST WISSHAUPT
MIT 40 BEILAGEN UND 36 SKIZZEN
19 3 1
VERLAG DER MILITÄRWISSENSCHAFTLICHEN MITTEILUNGEN
WIEN
OÖLB LINZ
35311
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten
Copyright 1930
by Verlag der Militärwissenschaftlichen Mitteilungen in Wien
Einbandzeichnung von Rudolf Junk in Wien
Druck von Paul Kaltschmid in Wien
VORWORT ZUM ZWEITEN BANDE
er vorliegende zweite Band des Werkes „Österreich-Ungarns letzter
Krieg 1914—1918" behandelt die schweren Karpathenkämpfe des
öst.-ung. Heeres, den darauf folgenden Siegeszug von Gorlice bis zur
Einnahme von Brest-Litowsk und die Kämpfe gegen Italien, die in diesen
Zeitraum fallen. Die Schriftleitung hatten wieder der Unterzeich-
nete und der Oberstaatsarchivar Obst. a. D. Kiszling inne, die hiebei
abermals durch den Hofrat d. R. Obst. a.D. E h n 1 unterstützt wurden.
Für die Abfassung des Bandes galten die gleichen Grundsätze wie für
den ersten Band. Die einzelnen Abschnitte wurden von den folgenden
Mitarbeitern verfaßt:
„Die Lage um die Jahreswende 1914/15" : vom Unterzeichneten
und vom Mjr. des Bundesheeres Dr. F r a n e k;
„Der Karpathenwinter 1914/15" : vom GM. d.R. Steinitz (einzelne
Abschnitte über die Dezemberkämpfe 1914 vom Oberstaatsarchivar
Obstlt. a. D. Meduna-Riedburg und vom Hptm. des Bundesheeres
Wisshaupt, statistisches Material im Schlußabschnitt vom Mjr. des
Bundesheeres Dr. C z e g k a) ;
„Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg": vom Unterzeichneten
(unter Benützung von Beiträgen Kiszlings über die italienische Front
und des Obstlts. des Bundesheeres Mühlhofer über den Balkan-
kriegsschauplatz) ;
„Von Gorlice bis Lemberg": vom Unterzeichneten, der sich
hiebei auf Studien der Generalmajore d.R. Steinitz und Paie sowie
des Oberstaatsarchivars Obstlt. a. D. Uriel stützen konnte;
„Der Feldzug von Brest-Litowsk": vom Obst. Kiszling gemein-
sam mit Obstlt. d. R. D i a k o w sowie mit Mjr. Dr. C z e g k a, Mjr.
Dr. F r a ne k und Hptm. Wi s s h au p t;
VI
Vorwort zum zweiten Bande
„Die Einleitungskämpfe an der Südwestfront" und „Die Sommer-
schlachten gegen Italien" : vom Obst. Kiszling, der für die Schilderung
der Kämpfe in Tirol eine Studie des GM. d. R. Julius Lustig-Prean
benützen konnte, und dem die Darstellung der Kämpfe in Kärnten teil-
weise Obstlt. des Bundesheeres Brauner abnahm.
Das Personen- und Truppenkörperverzeichnis wurde wie im ersten
Bande vom Hofrate d. R. S a c k e n angelegt. An der Bearbeitung einzelner
Textteile haben noch Staatsarchivar Mjr. a. D. Dr. Schmidt und Mjr.
des Bundesheeres Adolph-Auffenberg mitgewirkt, indes die Her-
stellung der Kartenbeilagen und Skizzen inhaltlich wieder vom Obst, des
Bundesheeres Zöbl geleitet wurde. Von den beiden mit Übersetzungen
befaßten Mitarbeitern GM. d. R. Spannocchi und Mjr. a. D. P i b 1 hat
der erstgenannte seine Tätigkeit auch auf die italienische Kriegsliteratur
ausgedehnt. Die das Eisenbahnwesen betreffenden Fragen bearbeitete
wieder Gen. d. R. Ing. Ratzenhofe r. Besonderer Dank gebührt aber-
mals den zahlreichen Persönlichkeiten des alten Heeres, die die Güte hatten»
einzelne Abschnitte vor der Drucklegung zu überprüfen und zu ergänzen,
ferner dem GO. d. R. Sarkotic-Lovcen, dem Gen. Ratzenhofer
und dem Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Generalstaats-
archivar Univ.-Prof. Dr. B i 11 n e r, die sich neuerlich in liebenswürdigster
Weise um die Durchsicht und Überprüfung des ganzen Textes bemüht haben.
Wie der erste Band dieses Werkes, so durfte sich auch der vorliegende
wieder vor allem der werktätigen Förderung durch den Bundesminister
für Heereswesen, Bundeskanzler a. D. Vaugoin, erfreuen. Ebenso
nahmen sich der Fortführung des Werkes mit gewohntem Nachdruck
an : der Leiter der Sektion I des Heeresministeriums, Gdl. Schiebel»
der Leiter des Verlages, Obst, des Bundesheeres Schubert, und — als
bewährter druck- und verlagstechnischer Beirat — der frühere Direktor
der Staatsdruckerei, Hofrat Grün dig.
Wien, im Sommer 1931
Der Direktor des Österreichischen Kriegsarchivs
GLAISE - HORSTENAU
ipjSMilüíi
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Vorwort zum Zweiten Bande.....,...........V
Verzeichnis der Abkürzungen ...............XVI
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
Überblick über die Weltlage zu Anfang 1915...........3
Österreich-Ungarns Wehrmacht um die Jahreswende.........8
Kämpfer und Kriegsgerät...............8
Heer- und Kampfführung...............19
Das moralische Gefüge................27
Der Karpathenwinter 1914/15
Die Verfolgung der Russen nach der Schlacht bei Limanowa-Lapanów .... 33
Das unbefriedigende Ergebnis der Verfolgung und die Führerentschlüsse auf
beiden Seiten (13. Dezember) .............33
Das Zusammenwirken der 3. und der 4. Armee bis zum 17. Dezember . . 36
Der russische Rückzug nördlich der Weichsel (15. bis 18. Dezember) ... 43
Die letzten Kämpfe des Kriegsjahres 1914............47
Die Ereignisse südlich der Weichsel............47
Bildung der neuen russischen Front. Die österreichisch-ungarischen
Maßnahmen am 17. Dezember...........47
Kämpfe bei Tarnów und am Dunajec (18. bis 20. Dezember) ... 49
Das Stocken der Offensive der 3. Armee (18. bis 20. Dezember) . . 52
Die Besprechung in Oppeln (19. Dezember).........54
Beginn der russischen Gegenoffensive in Galizien (21. bis 24. Dezember) 58
Das Eingreifen des X. Korps auf dem rechten Flügel der 3. Armee und
die Angriffe Pflanzer-Baltins bis zum 25. Dezember .... 64
Rückzug der 3. Armee gegen den Hauptkamm der Karpathen und
Abwehrkämpfe des Südflügels der 4. Armee (25. bis 27. Dezember) 67
Die Ereignisse in Przemysl und bei der Armeegruppe Pflanzer-Baltin
bis zum Jahresschlüsse.............72
Erwägungen und Anordnungen der Führer auf beiden Seiten (27. bis
28. Dezember)...............74
Vili
Inhaltsverzeichnis
Seite
Das Zurückweichen der 3. Armee (28. bis 31. Dezember) .... 75
Die Schlacht der 4. Armee (28. bis 31. Dezember).......78
Die Ereignisse nördlich der Weichsel............80
Die Kämpfe der 1. Armee um die Nidaübergänge (20. bis 31. Dezember) 80
Die Kämpfe der 2. Armee bei Tomaszów (19. bis 31. Dezember) . . 84
Die Neujahrsbesprechung der verbündeten Führer in Berlin.....91
Erster Versuch zur Offensive über die Karpathen..........94
Neue Offensivpläne der Verbündeten............94
Der Ausklang der Dezemberkämpfe............99
Die Anlage der Jänner offensive über die Karpathen.......107
Gliederung der Streitkräfte auf dem nördlichen Kriegsschauplatze nach dem
Stand vom 23. Jänner 1915...............114
Die russischen Pläne.................122
Beginn der Offensive und Rückschlag............124
Der Angriff der 3. und der Südarmee (23. bis 26. Jänner) .... 124
Kampfschwankungen bei der Südarmee und am Uzsokpaß vom 27. Jänner
bis 5. Februar................129
Brussilows Gegenschlag gegen die k. u. k. 3. Armee (27. Jänner bis
5. Februar)...................133
Verfügungen zur Wiedergewinnung des Raumes bei Mezölaborcz .... 143
Neuregelung der Befehlsverhältnisse in den mittleren Karpathen und hinein-
spielende Ereignisse (6. bis 15. Februar) . . . . . . . . . 147
Die Offensive der Armeegruppe Pflanzer-Baltin gegen Kolomea—-Nadwórna
(31. Jänner bis 16. Februar) . ............155
Die Winters chlacht in Masuren und ihre Auswirkung.......160
Die Grundlagen für die Entschlüsse der k. u. k. Heeresleitung.....165
Die Kämpfe in den Karpathen bis zum 26. Februar ........ 167
Der rechte Heeresflügel und sein nächstes Operationsziel Dolina
(16. bis 26. Februar)..............167
Die Begebenheiten bei der 3. und der 4. Armee (15. bis 26. Februar) 175
Zweiter Versuch zur Offensive über die Karpathen.........180
Vorbereitungen der 2. und der 3. Armee für den neuerlichen Vorstoß über
das Gebirge..................180
Die Vorgänge an den Flügeln der verbündeten Heere bis zum 22. März . 186
Die Kämpfe Pflanzer-Baltins gegen die anwachsende Übermacht der
Russen (27. Februar bis 22. März)..........186
Das wechselvolle Ringen der Südarmee (27. Februar bis 23. März) . 192
Die Vorgänge an der Front nördlich der Weichsel bis zum 22. März . 195
Die letzten Anstrengungen zum Entsätze von Przemysl.......196
Lagebeurteilung in Teschen nach dem Ergebnis der ersten Angriffe der
2. und der 3. Armee...............196
Der Angriff der 4. Armee (27. Februar bis 17. März) ...... 198
Das Ringen der 2. und der 3. Armee auf seinem Höhepunkt (2. bis
10. März)............... . 201
Das endgültige Scheitern des Entsatz Versuches (11. bis 20. März) . . 205
Der Fall der Festung Przemysl.............211
Rückblick...................217
Inhaltsverzeichnis
IX
Seite
Die Gegenoffensive Iwanows..............# 224
Die Führerentschlüsse bei den Russen und bei den Verbündeten .... 224
Wachsende Bedrängnis bei der 2. und der 3. Armee.......228
Die Krise (26. bis 31. März) . ............235
Die letzten Märzkämpfe bei der Armeegruppe Pflanzer-Baltin und bei der
Südarmee...................242
Die Osterschlacht in den Karpathen (1. bis 6. April).......246
Zurücknahme der 2. Armee hinter den Karpathenhauptkamm . . . 246
Der Russenansturm gegen die 3. Armee und seine Abwehr (1. bis
5. April).................251
Der Ausklang des großen Karpathenringens...........258
Die Angriffe Brussilows nach der Osterwoche und die Eroberung des Zwinin
durch die Deutschen (6. bis 14. April).............258
Das Abflauen der Karpathenkämpfe in der zweiten Aprilhälfte 1915 . . 261
Das Ergebnis des Karpathenwinters...... . . . . . . 267
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
Die politisch-militärische Lage Österreich-Ungarns im April 1915 . . . . . 275
Die Kampfpause an der Balkanfront ............275
Italiens Abfall vom Dreibunde . ............281
Italiens Rüstungen und Kriegspläne..............284
Österreich-Ungarns Abwehrmaßnahmen gegen Italien.......288
Entschluß der Mittelmächte zum Angriff gegen die Russen . . . . . . . 297
Die Entstehung des Gorliceplanes der Mittelmächte........297
Die Absichten der Russen...............309
Von Gorlice bis Lemberg
Die Durchbruchsschlacht bei Gorlice (2. bis 8. Mai 1915).......315
Der Aufmarsch zur Schlacht..............315
Der Vorstoß an die Wisloka (2. bis 5. Mai)..........318
Die Kämpfe am 5. Mai und das Eingreifen der k. u. k. 3. Armee . . 328
Die Einnahme von Tarnów und das Kesseltreiben bei Dukla (6. Mai) . . 331
Die Fortführung des Angriffes über den Wislok (7. und 8. Mai) .... 336
Der Entschluß der Russen zum Rückzug hinter den Wislok . . . 340
Der Einbruch der Verbündeten in die Russenfront bei Krosno und
Rymanów ¿................342
Die Auflockerung der Russenfront in den Waldkarpathen und die Armee-
gruppe Pflanzer-Baltin in der ersten Maiwoche.......345
Die öst.-ung. Heeresleitung zwischen dem 4. und dem 9. Mai.....347
Der Rückzug der Russen an den San (9. bis 13. Mai).........350
Die Schlacht bei Sanok und Rzeszów (9. und 10. Mai).......350
Der russische Gegenstoß am Dniester (9. bis 12. Mai).......357
Entschluß der Russen zum Rückzug an den San (10. Mai)......361
Die Verfolgungskämpfe am 11. und 12. Mai..........364
Beginn des Rückzuges der Russen im Weichsellande......370
X
Inhaltsverzeichnis
Seite
Die Wiedereroberung Mittelgaliziens (12. Mai bis 5. Juni).......371
Die beiderseitigen Weisungen für die Fortführung des Feldzuges (12. und
13. Mai)...................371
Die Schlacht bei Jaroslau (14. bis 20. Mai)..........374
Der Vorstoß der Verbündeten über den San........374
Der Gegenangriff der Russen.............383
Die Schlacht bei Opatów (15. bis 22. Mai)..........387
Beginn der Schlacht bei Przemysl.............392
Die Kämpfe auf dem rechten Heeresflügel..........397
Die Entschlüsse bei Freund und Feind vor der Kriegserklärung Italiens . . . 403
Angriffspläne der Mittelmächte gegen Italien und Serbien......403
Entschluß zur Isonzoverteidigung und Befehle für den weiteren Angriff
gegen die Russen................410
Die russisch-italienische Militärkonvention und die weiteren Entschlüsse der
russischen Führer................414
Die Schlacht bei Przemysl (24. Mai bis 4. Juni)...........419
Vergebliches Ringen östlich von Husaków..........419
Der Vorstoß Mackensens über Radymno...........422
Der Rückschlag bei Sieniawa.............426
Fortführung des Angriffes der 11. Armee.........429
Die Bezwingung von Przemysl..............432
Der Handstreich gegen das Werk Pralkowce........432
Iwanows Gegenangriff gegen die 11. und die 4. Armee ..... 434
Der Fall der Sanfestung (3. und 4. Juni).........439
Die Einnahme von Stryj...............442
Der Vorstoß nach Ostgalizien (5. bis 22. Juni)...........447
Entschluß der Verbündeten zur Offensive gegen Lemberg......447
Gegenmaßnahmen der Russen.............451
Die Vorbereitungen der Verbündeten für die Offensive gegen Lemberg . . 453
Die Verdrängung der Russen vom südlichen Dniesterufer (5. bis 15. Juni) . 456
Angriff Letschitzkis und Gegenangriff Pflanzer-Baltins.....456
Die Einnahme von Kalusz und Stanislau.........459
Der Gegenangriff der Russen bei Mikolajów und Zurawno .... 462
Vorstoß Pflanzers an den Dniester und neuerliche Krise bei der Süd-
armee ............... ... 465
Die Durchbruchschlacht bei Mosciska und Lubaczów (12. bis 15. Juni) . . 469
Vorstoß östlich und nordöstlich von Sieniawa........478
Erwägungen und Entschlüsse auf beiden Seiten.......480
Die Schlacht bei Gródek und Magier ó w...........481
Die Gewinnung von Niemirów und Lubaczów (16. bis 19. Juni) . .481
Der Vorstoß an die Wereszyca und an den Tanew......483
Der Durchbruch bei Magierów und die Bezwingung der Wereszycalinie 488
Die Kämpfe südlich vom Dniester...........492
Die Einnahme von Lemberg (20. bis 22. Juni).........495
Die Maßnahmen der Hauptquartiere...........495
Die entscheidenden Kämpfe um Lemberg . .....498
Inhaltsverzeichnis
XI
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
Seite
Die Feldzugspläne...................507
Österreich-Ungarn.................507
Italien.....................509
Die Grenzkämpfe in Tirol im Mai und Juni 1915..........512
Die operativen Erwägungen und Maßnahmen bei Freund und Feind . .512
Die Begebenheiten an der Tiroler Westfront und im Rayon „Südtirol" . .517
Die Verteidigung der Dolomitenfront............520
Die Ereignisse an der Kärntner Front vom 23. Mai bis Anfang Juli 1915 . . . 523
Die ersten Grenzkämpfe und der Aufmarsch des k. u. k. VII. Korps bis Ende
Mai ...................523
Die Kämpfe auf dem Karnischen Kamm von Anfang Juni bis Anfang Juli . 528
Die Kämpfe zwischen Krn und Flitsch von Ende Mai bis Ende Juni 1915 . 532
Die ersten Kämpfe im Küstenland..............534
Einbruch der Italiener und Aufmarsch der k. u. k. 5. Armee.....534
Der Begegnungskampf im Räume zwischen Krn und Tolmein (2. bis 4. Juni) 539
Die ersten Gefechte zwischen Piava und dem Meere (5. bis 22. Juni) . . 541
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Die Offensive an die Gnila Lipa...............549
Die militärpolitische Lage nach der Einnahme von Lemberg.....549
Die Schlacht bei Bukaczowce und Bóbrka...........555
Vorrückung der 2. und der Südarmee vom 23. bis 25. Juni . . .555
Die Ereignisse bei der Heeresgruppe Mackensen (23. bis 28. Juni) . . . 560
Bereitstellung zum Nordstoß.............560
Der Vorstoß auf Tomaszów (26. bis 28. Juni).........564
Vorgehen der 1. Armee gegen Zawichost und Gliniany (23. bis 28. Juni) . 565
Die Entscheidung in der Schlacht bei Bukaczowce—Bóbrka (26. bis 28. Juni) 567
Die Dniesterkämpfe vom 23. bis zum 28. Juni.........570
Der Vorstoß an die Zlota Lipa und über Krasnik und Zamosc (28. Juni bis
13. Juli)................. . . , 573
Die Absichten der Heerführer zu Ende Juni..........573
Die Preisgabe der San-Tanewlinie durch die Russen (29. und 30. Juni) . . 576
Die Schlacht an der Gnila Lipa.................579
Die Verfolgung an die Zlota Lipa (2. bis 5. Juli).......583
Die letzten Kämpfe der 1. Armee auf dem linken Weichselufer (29. Juni bis
2. Juli) ..................587
Die „Zweite Schlacht bei Krasnik" (1. bis 10. Juli)........588
Die Einleitungskämpfe am 1. und 2. Juli.........588
Der Angriff der k. u. k. 4. Armee bis zu seinem Höhepunkt (3. bis
6. Juli)................. . 592
Der neuen Offensive entgegen............600
Der russische Gegenangriff in der Richtung auf Krasnik und seine
Abwehr................601
XII
Inhaltsverzeichnis
Seite
Die großen Führerentschlüsse in der ersten Julihälfte.......609
Die Verdrängung der Russen aus dem Weichselbogen.........613
Die Dniesterkämpfe vom 14. bis zum 19. Juli........; 613
Die zwei ersten Kampftage.............613
Die Ereignisse auf dem Ostflügel der 7. Armee und an der Zîota Lipa 616
Das Vordringen der Verbündeten bis Cholm, Lublin und bis vor Iwangorod
(15. Juli bis 1. August)...............618
Angriffsplan und Bereitstellung der Armeen........618
Die Schlacht bei Krasnostaw (16. bis 18. Juli) ........622
Die Eroberung von Sokal durch die k. u. k. 1. Armee (15. bis 18. Juli) 625 (
Fortführung des Angriffes der k. u. k. 4. Armee beiderseits der Bystrzyca
(16. bis 18. Juli)...............628
Der Durchbruch der Armeeabteilung Woyrsch bei Sienno (16. bis
18. Juli).................629
Die Schlacht am Chodelbach und die Neugliederung der Heeresgruppe j
Mackensen (19. bis 28. Juli)...........631
Vordringen der Armee Woyrsch bis vor Iwangorod und der Weichsel-
übergang bei Ryczywól (19. bis 31. Juli)........637
Die Einnahme von Lublin und Cholm (29. Juli bis 1. August) . . . 645
Hindenburgs Stoß über den Narew (13. Juli bis 4. August)......650
Die Eroberung von Iwangorod (1. bis 4. August)........653
Die Ereignisse zwischen Weichsel und Bug vom 2. bis zum 4. August . . 655
Die Bugkämpfe vom 19. Juli bis zum 4. August.........659
Wechselvolles Ringen um den Brückenkopf bei Sokal (20. bis 31. Juli) 661
Die Säuberung des westlichen Bugufers durch die Armee Böhm-Ermolli
(20. bis 26. Juli)..............................663 *
Rückzug der russischen 13. Armee hinter die Luga (1. bis 4. August) . 665
Von der mittleren Weichsel bis Brest-Litowsk...........667
Die Führerentschlüsse bei Freund und Feind zu Anfang August . 667
Die Schlacht bei Lubartów (5. bis 8. August)..........672
Der Kampf um die Ostrówstellung (8. bis 11. August).......677
Die deutsche Ostfront vom 5. bis zum 11. August ........ 683
Vormarsch der Heeresgruppe Prinz Leopold bis vor Luków und Siedlec 683
Der Vorstoß Hindenburgs bis über Ostrów und Lom£a (5. bis 11. August) 685
Erwägungen und Maßnahmen der verbündeten Heeresleitungen und des
Oberkmdos. Mackensen..............686
Maßnahmen der russischen Führung...........688
Der Vormarsch gegen Brest-Litowsk (12. bis 17. August)......689
Die deutsche Ostfront vom 12. bis zum 17. August........697
Die Vereinbarungen der Verbündeten vom 14. bis zum 19. August . . . 699
Der Vorstoß über Kowel (19. bis 26. August) . 4.......704
Die beiderseitige Überflügelung von Brest-Litowsk durch die Vorstöße der
Flügelgruppen Mackensens über den Bug (18. bis 23. August) . . . 707
Die Fortführung der Offensive bei den Heeresgruppen Prinz Leopold und
Hindenburg (18. bis 23. August)...........714
Die Einnahme von Brest-Litowsk (24. bis 26. August).......716
Betrachtungen über die Sommer offensive 1915......* . . . . 724
Inhaltsverzeichnis
XIII
Die Sommerschlachten gegen Italien
Seite
Die erste Isonzoschlacht (23. Juni bis 7. Juli)...........733
Artillerievorbereitung und Erkundungsgefechte (23. bis 29. Juni) . . . .733
Die entscheidenden Tage der Schlacht (30. Juni bis 7. Juli) ..... 738
Die zweite Isonzoschlacht (18. Juli bis 10. August)..........745
Bereitstellung der Kräfte und Einleitungskämpfe auf der Karsthochfläche
und vor Görz (18. und 19. Juli)............745
Verlust und Rückeroberung des Mt. S. Michele (20. bis 24. Juli) . . . 750
Der Kampf um den Görzer Brückenkopf (20. bis 24. Juli)......753
Italienische Angriffe im Krngebiet (19. bis 25. Juli)......754
Der Höhepunkt der Schlacht auf der Karsthochfläche (25. und 26. Juli) . . 755
Das Abflauen der Schlacht...............758
Die Kärntner Front von Anfang Juli bis Mitte August 1915.......763
Neugliederung der beiderseitigen Streitkräfte und Stellungsbau .... 763
Die Kämpfe im Grenzraume Kärntens............767
Die Kämpfe am oberen Isonzo in der zweiten Augusthälfte 1915 .... 769
Der italienische Angriffsplan und die Stärke beider Parteien . . . 769
Die Kämpfe bei .Tolmein vom 12. bis zum 20. August.....771
Das Ringen um das Becken von Flitsch ..........774
Die Ereignisse der letzten Augusttage..........778
Begebenheiten in den westlichen Abschnitten der Armeegruppe Rohr . 779
Die Sommerkämpfe in Tirol................780
Die Dolomitenoffensive der Italiener............780
Der italienische Angriff im Val Sugana und auf der Hochfläche von Lavarone
und Folgaria.................784
Die Ereignisse im Etschtal und an der Tiroler Westfront......786
Die ersten Kämpfe gegen Italien im Lichte der heutigen Geschichtskenntnis . . 787
Nachträge zum Zweiten Bande...............793
Personenverzeichnis . .................797
Verzeichnis der öst.-ung. Truppenverbände . ..........805
Verzeichnis der deutschen Truppenverbände...........811
Druckfehlerverzeichnis..................814
f
BEILAGEN- UND SKIZZENVERZEICHNIS
Standestabellen . ................Beilage 1
Lage in Polen am 14. und 31. Dezember 1914.........„ 2
Lage der 3. und der 4. Armee am 22. und 31. Dezember 1914 „ 3
Lage auf dem östlichen Kriegsschauplatz am 1. Jänner 1915.....„ 4
Lage südlich der Weichsel am 5. Jänner 1915........ . „ 5
Operationsplan zur Offensive über die Karpathen und Lage am 22. Jänner
1915 .................. . „ 6
Kämpfe der 3. Armee..................7
Offensive über die mittleren Karpathen im März 1915......„ 8
Die Festung Przemysl und der Ausfallsversuch ihrer Besatzung am 19. März
1915..................... 9
2. und 3. Armee am 31. März 1915..............10
Öst.-ung. Ostfront am 14. April 1915..............11
Lage auf dem Balkankriegsschauplatz am 1. Mai 1915.......„ 12
Übersichtskarte des südwestlichen Kriegsschauplatzes 1:200.000 .... „ 13
Kriegsgliederung der im Frühjahr 1915 dem k. u. k. Armeeoberkommando
unterstehenden Streitkräfte...............14
Lage und Verteilung der Kräfte am 1. Mai 1915 (Nordosten) .... „ 15
Durchbruchsschlacht bei Gorlice; Entwicklung der Lage 1. bis 6. Mai 1915 „ 16
Durchbruchsschlacht bei Gorlice; Fortführung des Angriffes bis über den
Wislok 6. bis 9. Mai 1915...............17
Durchbruchsschlacht bei Gorlice ; Entwicklung der Lage 9. bis 12. Mai 1915 „ 18
Beginn der Schlacht bei Jaroslau und Austritt der 2. und der 3. Armee
aus dem Gebirge................. 19
Fortsetzung der Schlacht bei Jaroslau...........„ 20
Laufbild der Eisenbahn-Truppentransporte. Transportstraßen der Truppen-
transporte Mai bis August 1915............„ 21
Die Schlacht bei Przemysl.................22
Die Kämpfe am östlichen Heeresflügel (7. Armee)........„ 23
Die Schlachten westlich von Lemberg 12. bis 21. Juni 1915.....„ 24
Lage am 22. Juni abends (Nordosten).....^........25
Situation der beiderseitigen Streitkräfte bei Kriegsbeginn 1915 (Südwesten) „ 26
Die Kämpfe in Tirol im Mai und im Juni 1915. Die Dolomitenkämpfe im
Juli und im August 1915...............27
Lage am 1. Juni 1915 (Isonzofront)............. 28
Die Kämpfe zwischen Lemberg und der Zlota Lipa 23. Juni bis 5. Juli . „ 29
Vorrückung der Verbündeten zu beiden Seiten der Weichsel vom 22. bis
30. Juli................. . , „ 30
Die zweite Schlacht bei Krasnik (1. bis 10. Juli)........„ 31
Lage auf dem russischen Kriegsschauplatz am 5. Juli 1915.....„ 32
Beilagen- und Skizzenverzeichnis
XV
Die Ereignisse beiderseits der Weichsel vom 15. bis 31. Juli.....Beilage 33
Nebenskizze: Die Eroberung von Iwangorod (1. bis 4. August)
Die Ereignisse vom 6. bis 17. August (zwischen Weichsel und Bug) „ 34
Die Ereignisse vom 18. bis 26. August (am Bug)........„ 35
Nebenskizze: Die Einnahme von Brest-Litowsk
Die Offensive der Verbündeten im Osten von Mitte Juli bis Ende August
1915 (Überblick)..................36
Lage am 23. Juni 1915. Beginn der ersten Isonzoschlacht......„ 37
Lage am 18. Juli 1915. Beginn der zweiten Isonzoschlacht......„ 38
Lage der Armeegruppe GdK. Rohr am 1. August 1915 ...... „ 39
Lage am oberen Isonzo Ende August 1915..........„ 40
Lage der Armeegruppe Pflanzer-Baltin am 15. Dezember 1914 . * . . . Skizze 1
Lage der Armeegruppe Pflanzer-Baltin am 31. Dezember 1914 ... „ 2
Kämpfe bei Tomaszów. Lage am 25. Dezember 1914.......„ 3
Südarmee am 26. Jänner 1915................4
Armeegruppe Pflanzer-Baltin und Südarmee am 5. Februar 1915 „ 5
Armeegruppe Pflanzer-Baltin und Südarmee am 15. Februar 1915 6
Nordflügel der Verbündeten im Februar 1915.........„ 7
2. und 3. Armee am 26. Februar 1915.............8
4. Armee am 15. Februar 1915................9
Armeegruppe Pflanzer-Baltin und Südarmee am 19. Februar 1915 „ 10
Armeegruppe Pflanzer-Baltin am 26. Februar 1915........„ 11
4. Armee am 20. Februar 1915 vorm..............12
4. Armee am 25. Februar 1915................13
Armeegruppe Pflanzer-Baltin und Südarmee am 2. März 1915 ... „ 14
Armeegruppe Pflanzer-Baltin am 4. März 1915.........„ 15
Pflanzer-Baltin am 22. März 1915..............16
Lage in Polen und Ostpreußen am 22. März 1915........„ 17
4. Armee am 8. März 1915.................18
Armeegruppe Pflanzer-Baltin am 29. März 1915........„ 19
Ostgruppe Pflanzer-Baltin am 31. März 1915.........„ 20
2. und Südarmee am 4. April 1915..............21
Die Osterschlacht 1915..................22
3. Armee am 6. April 1915.................23
Lage am 24. April 1915. Antransport der deutschen Korps.....„ 24
Übersichtskizze des südwestlichen Kriegsschauplatzes.......„ 25
Der rechte Heeresflügel anfangs Mai 1915 (7. Armee) ....... „ 26
Die Schlacht am Dniester.................27
Der rechte Heeresflügel (7. Armee) am 13. Mai 1915 abends.....„ 28
Die Lage der k. u. k. 7. Armee am 22. Juni abends........„ 29
Die Lage am 22. Juni morgens. Die Einnahme von Lemberg.....„ 30
Das k. u. k. VII. Korps auf dem Karnischen Kamm am 1. Juli 1915 „ 31
Lage der Gruppe FML. Langer (92. ID.) am 22. Juni 1915.....„ 32
Die Schlacht am Dniester...............„ 33
Lage am Südflügel der Isonzofront am 5. Juli 1915.......„ 34
Lage am 25. Juli früh (an der Isonzofront)..........„ 35
Lage der Armeegruppe GdK. Rohr Ende August—Anfang September 1915 „ 36
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN
AOK. = Armeeoberkommando
Baon. == Bataillon
bh. = bosn. herz.
BHD. = Bosnien, Herzegowina, Dalmatien
BOK. = Oberkmdo. der Balkanstreitkräfte
DOHL. = Deutsche Oberste Heeresleitung
DonD.I (II), DrinD., MorD., SumD.,
TimD. = Donau- (Drina-, Morava-
Sumadia-, Timok-) Division I. (II.)
Aufgebotes
DR., HR., UR. — Dragoner-, Husaren-,
Ulanenregiment
FABrig. = Feldartilleriebrigade
FHR. (FHD.) = Feldhaubitzregiment (-di-
vision)
FJB. = Feldjägerbataillon
FKR. = Feldkanonenregiment
finn. = finnisch
GID. = Gardeinfanteriedivision (deutsch,
russ.)
GKD. — Gardekavalleriedivision (deutsch,
russ.)
GRIBrig. = Gardereserveinfanteriebrigade
(deutsch)
GbBrig. — Gebirgsbrigade
Gen. = General (allgemein)
GFM. = Generalfeldmarschall (deutsch)
GLt. = Generalleutnant (deutsch, russ.)
GdA. = General der Artillerie (deutsch,
russ.)
GrenD. — Grenadierdivision (russ.)
GrenKorps = Grenadierkorps (russ.)
HHR. = Honvédhusarenregiment
HIBrig. == Honvédinfanteriebrigade
HID. = Honvédinfanteriedivision
IBrig. = Infanteriebrigade
ID. = Infanteriedivision
IR. (HIR., LstIR., GIR.) = Infanterie-
(Honvéd-, Landsturm-, Gardeinfan-
terie-) regiment
kauk. = kaukasisch
KBrig. = Kavalleriebrigade
KD. = Kavalleriedivision
KJR. = Regiment der Tiroler Kaiserjäger
Komb. KD. = Kombinierte Kavallerie-
division
Kmdo. (z. B. Festungskmdo.) = Kommando
KosD. = Kosakendivision
KSchBrig. (KSchR.) = Kaiserschützen-
brigade (-regiment)
LstlBrig. == Landsturminfanteriebrigade
LstlD. = Landsturminfanteriedivision
LstHusBrig. — Landsturmhusarenbrigade
LstTerrBrig. = Landsturmterritorial-
brigade
LD. = Landwehrdivision (deutsch)
LKBrig. = Landwehrkavalleriebrigade
(deutsch)
LKorps == Landwehrkorps (deutsch)
MaBrig. = Marschbrigade
öst.-ung. == österreichisch-ungarisch
rt. SchR. — reitendes Schützenregiment
RIBrig. = Reserveinfanteriebrigade
(deutsch)
RD. =-= Reservedivision (deutsch, russ.)
SchBrig. = Schützenbrigade (öst., russ.)
SchD. = Schützendivision (öst., russ.)
Schwd. = Schwadron
sFHD. ==^schwere Feldhaubitzdivision
sib. = sibirisch
SOK. = Serbisches Oberkommando
Stawka = Russische Oberste Heeresleitung
Weitere Abkürzungen siehe Bd. I, Seiten XX und 62, und Bd. II, Beilage 14, Seite 3.
Bei Truppen sind im Texte die 1918 gültigen Bezeichnungen angewendet,
z. B. Schützen, Kaiserschützen, reitende Schützen, Honvéd und nicht „k. k. Land-
wehrinfanterie'4, „Landesschützen", „Landwehrulanen" oder „k. u. Landwehrinfanterie".
Vgl. Fußnote i) S. 30, Bd. I.
DIE LAGE
UM DIE JAHRESWENDE 1914/15
II
Î
Überblick über die Weltlage zu Anfang 1915
Die Mittelmächte hatten ihren ersten Kriegsplan auf der Idee auf-
gebaut, sich durch einen entscheidenden Schlag im Westen vom würgen-
den Drucke des Zweifrontenkrieges zu befreien; die Hoffnung, daß dies
gelingen werde, war an der Marne zusammengebrochen. Die Entente
hatte auf die gewaltige Kraft des russischen Millionenheeres, auf die
„Dampfwalze" des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch gebaut; diese war
in den Kämpfen von Lodz-Lowicz und Limanowa-Lapanów zum Stehen
gekommen. Im Westen war der Krieg nach dem „Wettlauf zum Meere",
der mit der Ypernschlacht geendet hatte, im Schützengrabenkampf
erstarrt. Vom Ärmelkanal bis zur Schweizer Grenze bei Basel zog sich
alsbald eine doppelte Linie von Stacheldraht und Erdverschanzungen
hin. Ein gleiches Antlitz nahm um Weihnachten das Ringen im Osten
zwischen der unteren Weichsel und dem Karpathenkamm an. Die Ereig-
nisse hatten dem Generalfeldmarschall Grafen v. Moltke rechtgegeben :
der neuzeitliche Krieg mit seinem Massenaufgebot, mit seinen Völkern in
Waffen, war in einem oder zwei Feldzügen nicht zu entscheiden gewesen.
Millionenheere hatten einander in einem Dutzend schwerer Schlachten
und in ungezählten Gefechten gegenübergestanden, mehr als einmal
schien das Schicksal der einen oder der anderen Partei an einem Faden
zu hängen. Aber als das ereignisvolle Jahr 1914 zur Neige ging, da
machte keine der kriegführenden Mächte Miene, einzulenken oder das
Spiel verloren zu geben. Die Entschlossenheit, der verbissene Ingrimm,
den Krieg bis zur Entscheidung fortzuführen, schienen um so mehr zu
wachsen, je mehr die Kräfte einander die Waage hielten. Wer von den
Streitern an der Front geträumt hatte, er werde Weihnachten 1914 wieder
am häuslichen Herde verleben dürfen, wurde bitter enttäuscht. Das Ende
des blutigen Ringens stand in unabsehbarer Ferne.
Mit dieser schmerzlichen Erkenntnis erhob sich für die Kriegführen-
den beider Lager und für die ganze neutrale Welt die ausschlaggebende
Frage, für wen die Zeit arbeiten werde, ob für die Mittelmächte oder die
Entente. Diese Frage wurde durch das Verhalten Englands schon in
den ersten Monaten halb und halb zuungunsten der Mittelmächte beant-
wortet. Großbritannien hatte am Tage des Kriegsausbruches mit einem
l*
4
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
planmäßigen Wirtschaftskrieg eingesetzt, mit dem es hoffen durfte, den
Gegner über kurz oder lang in die Knie zu zwingen. Gestützt auf die
willfährige Hilfe seiner Bundesgenossen, mit denen es sich im Londoner
Vertrag vom 4. September auf Gedeih und Verderb zusammengeschlossen
hatte, zerstörte es schon in den ersten Kriegswochen den ausländischen
Besitz und die internationalen Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands und
seiner Verbündeten von Grund auf durch Maßnahmen verschiedenster Art
(Handels- und Zahlungsverbot, Auflösung der in den Ententeländern tä-
tigen deutschen und öst.-ung. Unternehmen, Beschlagnahme der Post usw.).
Am 2. November 1914 erklärte die britische Regierung die Nordsee zum
Kriegsgebiet, indem sie gleichzeitig die Zufahrt zwischen Schottland und
Norwegen durch eine Minenkette sperrte und die Handelsschiffe der neu-
tralen Anrainer Deutschlands den Weg durch den Ärmelkanal zu nehmen
zwang. Über den alten völkerrechtlichen Begriffsunterschied zwischen
unbedingter und bedingter Bannware setzte sich England von Anbeginn
planmäßig hinweg, um ihn schließlich 1916 in aller Form fallen zulassen.
Der Gegner wurde von jeder Zufuhr abgeschnitten, ob sie nun unmittel-
baren Kriegszwecken diente oder nicht, die neutrale Schiffahrt wurde
ganz unter englische Aufsicht gestellt. Scharfsinnig ausgedachte Handels-
organisationen sollten allmählich die Blockierung der Mittelmächte vom
Lande her ergänzen. Selbst die Vereinigten Staaten von Amerika mußten
zusehen, wie sich England die unumschränkte Kontrolle über die Aus-
fuhr von Baumwolle, Gummi und Metallen anzueignen wußte.
Gleichzeitig mit dem Wirtschaftskrieg setzte gegen die Mittelmächte
ein groß angelegter Ideenkrieg ein, zu dem die technischen Vorbedin-
gungen dadurch geschaffen worden waren, daß England in der Nacht
vom 4. auf den 5. August die deutschen Unterseekabel durchschnitten
hatte. Unterstützt durch die mächtigste Presse diesseits und jenseits des
Ozeans, konnte sofort der große Propagandafeldzug eröffnet werden,
der damit begann, Deutschland und seine Verbündeten der Alleinschuld
am Kriege und schwerer Greueltaten in den von ihnen durchschrittenen
belgischen und serbischen Gebieten zu bezichtigen und gegen sie den
Haß und die Verachtung der ganzen Welt heraufzubeschwören. Überdies
wurde sehr bald die Wühlarbeit bei den slawischen und romanischen
Völkern Österreich-Ungarns aufgenommen.
Der Wirtschafts- und Ideenkampf der Entente gegen die Mittel-
mächte verfolgte neben anderem auch den Zweck, dem Vielverband
Bundesgenossen aus der Reihe zögernder und unentschlossener Neutraler
zuzuführen. Der erste Erfolg in dieser Richtung war freilich dem mittel-
Der Eintritt der Türkei in den Krieg
5
europäischen Zweibund durch den Anschluß der Türkei beschieden ge-
wesen. Die Pforte hatte am 31. Oktober 1914 die diplomatischen Bezie-
hungen zu den Ententemächten abgebrochen und vierzehn Tage später die
Kriegserklärung folgen lassen. Der Beitritt der Türkei zum Bunde der
Mittelmächte war für diese, abgesehen von den wirtschaftlichen Inter-
essen, die Deutschland am Bosporus und in Kleinasien verfolgte, politisch
und strategisch von hoher Bedeutung. Das Zarenreich wurde in der
Südflanke bedroht. Wer an den Dardanellen saß, beherrschte den wich-
tigsten Seeweg zwischen den Kornkammern Rußlands und den Industrie-
reichen des Westens. Von Mesopotamien und vom Sinai aus mochte sich
England in den zwei wichtigsten Grundpfeilern seines Kolonialreiches,
in Indien und Ägypten, bedroht fühlen.
Diesen Vorteilen standen freilich beträchtliche Nachteile gegenüber.
Die militärische Führung der Mittelmächte sah sich vor schwierige Auf-
gaben gestellt. Die Türkei verfügte über ausgezeichnete Soldaten, aber
über wenig Ausrüstung und Kriegsgerät. Die Verbündeten, die selbst
nicht aus dem Vollen schöpfen konnten, mußten auf manche Opfer ge-
faßt sein. Sehr unangenehm wirkte der Mangel einer frei benützbaren
Landverbindung zwischen Mitteleuropa und Konstantinopel. Im Gegen-
satz zu Bulgarien, das eine den Türken wohlwollendere Neutralität be-
wahrte, verhielt sich Rumänien gegenüber der Durchfuhr von Kriegs-
mitteln zumeist entschieden ablehnend, was die deutsche Heeresleitung
im Herbst 1914 und auch später veranlaßte, einer möglichst raschen
Besetzung des Negotiner Kreises (vgl. Bd. I, S. 710) das Wort zu reden,
und den Gdl. Falkenhayn auch im Jahre 1915 immer wieder auf Offensiv-
pläne gegen Serbien zurückkommen ließ, bis im Oktober dieses Jahres
zur Tat geschritten werden konnte.
Auch die Verteidigung der entlegenen Grenzgebiete der Türkei
mußte angesichts der Armut Kleinasiens an Bahnen (die Bagdadbahn
war nur streckenweise fertiggestellt), an Straßen und an Hilfsmitteln aller
Art der Truppe und ihrer Führung ganz außergewöhnlich schwierige
Aufgaben stellen.
Die großen Probleme, die der Krieg aufgeworfen hatte, wurden
durch den Eintritt der Türkei in den Krieg noch mannigfaltiger und ver-
wirrter. Die Begehrlichkeit der Entente nach türkischem und persischem
Besitz sah sich durch die immerhin gegebene Möglichkeit mächtig an-
geregt, das ottomanische Reich zu zertrümmern. Rußland meldete seine
Ansprüche auf Konstantinopel, auf Armenien und auf Vergrößerung der
durch die Verträge von 1907 festgelegten Einflußzone in Nordpersien
6
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
an. England war bereit, Rußlands Forderungen zu unterstützen, ver-
langte dafür aber Mesopotamien, die Mittelmeerhäfen Jaffa und Akka,
den beherrschenden Einfluß im südlichen Arabien und eine Erweiterung
der britischen Einflußzone im erdölreichen Südpersien. Vergeblich hatte
der Kalif die britischen Pläne dadurch zu durchkreuzen gehofft, daß er
am 14. November 1914 die grüne Fahne des Propheten zum „Dschihad"*
zum heiligen Krieg, entrollt hatte. Das Echo in der Welt des Islams war
verhältnismäßig schwach gewesen. Ägypten stand von Anbeginn unter
dem Einfluß Großbritanniens, das am 18. Dezember die Unabhängigkeit
des Landes erklärte und einen gefügigen „Sultan" an Stelle des türken-
freundlichen Khediven setzen ließ. In Arabien fand der Ruf des Ka-
lifen wohl teilweise Gehör, aber schon im Sommer 1915 schlug sich der
Großscherif von Mekka — vor allem aus wirtschaftlichen Gründen —
auf die Seite Englands, das ihm zum Danke das von Stambul unabhän-
gige Königreich Hedschas verlieh. In Afghanistan, wohin deutsche Emis-
säre abenteuerliche Fahrten unternahmen, machte sich anfangs starke
Türkenfreundlichkeit geltend; aber die doppelte Bedrohung durch Eng-
land — aus Indien und Südpersien — ließ sie nicht wirksam werden. In-
dien blieb still.
Gegenüber den russischen und englischen Ansprüchen ließ sich
Frankreich von seinen Bundesgenossen das Anrecht auf Syrien und ein
dort bis an den obersten Tigris reichendes Einflußgebiet bestätigen. Die
ersten eine Aufteilung der Türkei betreffenden Abmachungen wurden
zwischen den Alliierten im März 1915 getroffen.
Inzwischen hatten die Kämpfe in den türkischen Randgebieten längst
begonnen. In Mesopotamien war ein englisch-indisches Expeditionskorps
bis an den Zusammenfluß der beiden biblischen Ströme vorgedrungen.
In Armenien erlitt die Armee Enver Paschas nach anfänglichen Erfolgen
in den Gebirgen nordöstlich von Erzerum Mitte Jänner einen Rück-
schlag, der einer Vernichtung gleichkam; dann erstarrte der Kampf für
Monate zum Stellungskriege. Kurz darauf, im Februar, versuchte Dsche-
mal Pascha mit 20.000 Türken und höchst unverläßlichen Arabern ver-
geblich, den von indischen und neuseeländischen Divisionen verteidigten
Suezkanal zu überschreiten. Er mußte sogar nach Palästina weichen.
Noch ehe an der Kaukasusgrenze die Wendung zugunsten der Russen
eingetreten war, war im Schöße der Entente der Gedanke an einen Ent-
lastungsangriff gegen die Dardanellen aufgenommen worden. Er führte
zunächst am 18. März zu dem ergebnislosen Versuch, durch eine englisch-
französische Flotte die Einfahrt in die Meerengen zu erzwingen, und
Das Verhalten der Neutralen
7
vier Wochen später zur Landung eines englisch-französischen Expedi-
tionskorps an der Südspitze der Halbinsel Gallipoli?
Die Hoffnungen, daß Italien dem Beispiele der Türkei folgen werde,
waren unterdessen schon völlig geschwunden. Trotz der seinen Verbün-
deten bei Kriegsbeginn gegebenen Zusicherung wohlwollender Neutrali-
tät hatte selbst der als Dreibundfreund geltende Außenminister Marchese
San Giuliano schon zu Anfang August Fühler über den Preis ausstrecken
lassen, der dem Königreich im Falle eines Anschlusses an die Entente
winken konnte1). San Giuliano starb wenige Wochen später. Sein Nach-
folger Sonnino war in den Tagen des Kriegsausbruches noch eindringlich
für die Erfüllung der Dreibundpflicht eingetreten. Doch am 11. Dezem-
ber, unmittelbar nach der für das Habsburgerreich so unglücklichen
Schlacht bei Arangjelovac, durfte sich mit seiner Zustimmung der Mi-
nisterpräsident Salandra öffentlich zum „sacro egoismo" bekennen. Gleich-
zeitig griff Italien die Kompensationsansprüche wieder auf, die es schon
bei Kriegsbeginn unter Berufung auf den Artikel VII des Dreibundver-
trages gegenüber der Monarchie geltend gemacht hatte. Damals waren
diese Ansprüche von Wien noch nicht anerkannt worden. Trotzdem hatte
man dort schon gute Miene zum bösen Spiel gemacht, als die Italiener am
30. Oktober auf der Insel Saseno gelandet waren, und man änderte diese
Haltung auch nicht, als zu Weihnachten Valona von italienischen Ab-
teilungen besetzt wurde. Kurz darauf sollte Italien seine Maske vollends
lüften, indem es, gewiß entgegen dem Sinne des Dreibundvertrages, An-
sprüche auf altösterreichisches Gebiet erhob. Das Verhalten Italiens er-
weckte bei den Verbündeten um so mehr Sorge, als es nach allen Erfah-
rungen auf Rumänien zurückwirken mochte2).
Auch in Bulgarien ließ die Entente im Winter 1914/15 alle Minen
springen, obgleich die maßgebenden Kreise des Landes aus Gegnerschaft
gegen Rumänien und Serbien von Kriegsbeginn an den Mittelmächten
zuneigten. Aber die Diplomatie der Mittelmächte behielt die Oberhand,
wenn auch die öst.-ung. Niederlage in Serbien der bulgarischen Regie-
rung Zurückhaltung auferlegte. Dagegen arbeitete in Griechenland der
Ministerpräsident Venizelos vom ersten Tage an für den Anschluß an
die Entente, die mit glänzenden Versprechungen nicht sparte. Aber der
deutschfreundliche König Konstantin, ein Schwager des Deutschen Kai-
sers, entließ Venizelos im März 1915 zum ersten Male, weil er mit dessen
Politik nicht einverstanden war.
x) Das Zaristische Rußland im Weltkriege (Berlin 1927), 263 ff.
2) Vgl. Bd. 1,313.
8
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
Von entscheidender Bedeutung für die Kriegslage der Mittelmächte
wäre es gewesen, die Beherrschung des Meeres durch England zu über-
winden. Die Deutschen hatten zu Kriegsbeginn entgegen dem Rate des
Großadmirals Tirpitz und anschauungsverwandter Persönlichkeiten den
Versuch unterlassen, ihre Flotte auf hoher See gegen die britische ein-
zusetzen. Auf solche Weise rechtfertigte sich die Auffassung der eng-
lischen Admiralität, daß die bloße Anwesenheit ihrer Geschwader in dem
ihrem Schutze anvertrauten Gebiete („Fleet in being") ausreichen werde,
dem Inselreiche seine unangreifbare Seegeltung zu sichern.
Dabei gebrach es der deutschen Flotte an Unternehmungsgeist wahr-
lich nicht, wie die Seeschlachten von Coronel (1. November 1914) und
bei den Falklandsinseln (8. Dezember), die Kämpfe an der Doggerbank
(24. Jänner 1915) und die Irrfahrten zahlreicher auf das Weltmeer ver-
streuter Kreuzer bewiesen. Die Seegeltung Englands und damit dessen
schärfste Waffe, die Hungerblockade, blieben aber durch die Taten der
deutschen Kriegsmarine unberührt. Die Abschnürung Deutschlands von
der hohen See besiegelte auch das Schicksal der deutschen Kolonien, von
denen bis in den Sommer 1915 alle, mit Ausnahme von Deutsch-Ostafrika,
verloren gingen. An der Verteidigung von Tsingtau, das bereits am 7. No-
vember 1914 gefallen war, hatte auf Befehl Franz Josephs auch die Be-
satzung des öst.-ung. Kreuzers „Elisabeth" mitgewirkt; sie geriet in japa-
nische Gefangenschaft. Die weitgehende Verdrängung der Mittelmächte
vom offenen Meere verfehlte selbstverständlich bei den Neutralen dies-
seits und jenseits der Atlantis ihren Eindruck nicht. Zumal Staaten mit
ausgedehnten Küsten, wie Italien und Griechenland, konnten nicht um-
hin, die nun erwiesene Tatsache der britischen Vorherrschaft zur See
entscheidend in die Rechnung ihrer Politik einzustellen.
Österreich-Ungarns Wehrmacht um die Jahreswende
Kämpfer und Kriegsgerät
Der Wehrmacht Österreich-Ungarns waren beim gemeinsamen Ab-
wehrkampf der Mittelmächte im Jahre 1914 außerordentlich schwierige
Aufgaben zugefallen. Im Nordosten hatte sie zu Kriegsbeginn die Haupt-
masse des russischen Heeres gegen sich, der sie sich viermal entgegen-
warf, zuerst allein, dann im engeren Anschlüsse an die Verbündeten. Mit
zu Schlacken ausgebrannten Abteilungen konnte sie schließlich südlich
von Krakau dem Feinde den Weg nach Prag und Wien verriegeln. An
Die Einbußen an Offizier und Mann
9
den Toren des Orients erwuchs einem Teil des Heeres die Pflicht, einen
länderlüsternen, kriegsgewohnten, todesmutigen Feind abzuwehren. Viel-
leicht in Überschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit, aber nicht min-
der genötigt durch die unerhörten Schwierigkeiten, die der Führung eines
reinen Abwehrkampfes auf diesem Kriegstheater entgegenstanden, haben
auch auf dem Balkan die österreichisch-ungarischen Streitkräfte zweimal
ihr Glück im Angriffe versucht. Als Ergebnis festzustellen, daß diese
Angriffe den strategischen Zweck erreichten, heißt nicht, eine an sich
furchtbare Katastrophe beschönigen. Die Truppe war durch den schreck-
lichen Rückschlag von Arangjelovac ins Mark getroffen.
Welche Einbußen an Kraft Österreich-Ungarns Armeen in diesem
atembeklemmenden Zweifrontenkrieg des Jahres 1914 erlitten, zeigen
am deutlichsten die Verlustzahlen. Nord- und Südheer waren mit ins-
gesamt anderthalb Millionen Streitbaren ins Feld gezogen. Die Heimat
hatte ihnen im Laufe der vier Kriegsmonate 800.000Streiter nachgesandt1).
Dennoch betrug der Gesamtstand an Kämpfern zu Ende 1914 nicht ein-
mal ganz eine Million Mann, 680.000 im Norden, 260.000 im Süden.
Noch greller wird die Lage erhellt, wenn man statt der Kampfstände
die für die Beurteilung der Kampfkraft ausschlaggebenden Feuergewehr-
stände der Infanterie in Betracht zieht2). Nur 254.000 Gewehre standen
in den weit ausgedehnten Armeen der Nordfront. Die Verluste hatten
eben im Norden und Süden zusammen bereits die Höhe von eineinviertel
Millionen erreicht, nicht viel weniger als die Gesamtkämpferzahl zu
Kriegsbeginn betragen hatte3).
Die in der Beilage 1, Tabelle 2 wiedergegebene Standesübersicht
vom 31. Dezember 1914 zeigt, daß von den Divisionen, deren Feuer-
gewehrstand 12.000 bis 15.000 Mann zu betragen gehabt hätte, gut
die Hälfte nicht erheblich mehr Kämpfer zählte als ein aufgefülltes
Kriegsregiment, ja daß einige überhaupt nur zwei oder drei Kriegs-
bataillone stark waren.
Wenn die Führung vom Dezember 1914 auf den ihr vom Generalstabe
vorgelegten Lagekarten das Zeichen für eine Division wiedergegeben
sah, so mußte sie sich stets vor Augen halten, daß die infanteristische
Kraft dieses Heereskörpers jetzt nur mehr einen Bruchteil der zu Kriegs-
*) Vgl. Beilage 1, Tabellen 1 und 4.
2) Vgl. Beilage 1, Tabellen 1 und 2. In den in Tabelle 1 an der Balkanfront an-
geführten 176.000 Feuergewehren sind die Sicherheitsbesatzungen der festen Plätze inbe-
griffen. Der Stand der an der Front verfügbaren Feuergewehre war wesentlich niedriger.
3) Vgl. Beilage 1, Tabelle 3.
beginn wirksamen Stärke darstellte. Sicherlich erhoben sich dieselben
Klagen wegen zu geringer Kampfstärken stets auch im feindlichen, zu-
mal im russischen Lager. Aber so ungünstig, wie zeitweilig im k. u. k.
Heer, scheint es in diesem Belange beim Feinde doch nicht bestellt ge-
wesen zu sein.
Die durch die Verluste bedingte Spannung und Verdünnung der
Fronten ließ den gleichzeitig eingetretenen Offiziersmangel umso bitterer
empfinden. Die Zahl der Offiziere, die im Jahre 1914 ins Feld rückten,
ist verläßlich leider nicht festzustellen. Nimmt man sie mit 50.000 an
(Aktive und Nichtaktive, samt allen bei Stäben und in Etappendiensten
Eingeteilten sowie der nicht geringen Zahl von Militärbeamten), so
schätzt man sie eher zu hoch als zu niedrig. Von diesen 50.000 sind
nahezu 3200 gefallen, 7800 verwundet worden, etwa gleichviel krank
abgegangen und etwa 2800 als gefangen oder vermißt (daher auch zum
Teil tot) ausgewiesen. Das ergibt insgesamt 22.000 Offiziere. Die Gesamt-
verluste belaufen sich darnach auf 44 v. H., die an Toten auf 6.4 v.H.
Mindestens jeder 15. Berufs- oder Reserveoffizier war auf dem Schlacht-
feld geblieben.
Bei der Mannschaft beträgt der Gesamtabgang 43 v. H. aller in den
vier Kriegsmonaten zur Feldarmee Eingezogenen — 3.9v.H. der an
Toten. Jeder 25. der bis Ende 1914 ins Feld Ausmarschierten ist nicht
mehr in die Heimat zurückgekehrt. Somit hatte die Mannschaft eine nur
halb so starke Einbuße an Toten erlitten wie das Offizierskorps. Des-
gleichen war bei diesem der Abgang durch Krankheiten ungefähr um
50 v. H. größer, was wohl mit dem wesentlich höheren Durchschnittsalter
der Offiziere zusammenhängt. Beide — Offizier und Mann —haben dem
männermordenden Krieg reichlichen Tribut gezollt.
Die Geschichte der Kampfverluste des Heeres ist in erster Linie ein
Hauptkapitel aus der Leidensgeschichte der Infanterie. Reiterei, Artille-
rie und die anderen Waffen- und Truppengattungen hatten — dies lag
in ihrer Verwendung begründet — auch dem Verhältnisse nach nur einen
Bruchteil der Verluste erlitten, die vom Fußvolk zu tragen waren.
Nach dem Abmarsch des Feldheeres war im Hinterlande bei den
Ersatzkörpern die ganz beträchtliche Zahl von 1,350.000 Mann zurück-
geblieben. In dieser Zahl war außer dem Instruktions- und Verwal-
tungspersonal der Ersatzbataillone, dem Kanzlei- und Hilfspersonal der
Militärbehörden, Spitäler, Depotsund sonstigen Anstalten und jener Mann-
schaft, vorwiegend Ersatzreservisten, die in den Feldformationen und in
den ersten Marschbataillonen nicht mehr Aufnahme gefunden hatte, der
Der Ersatz an Kämpfern
11
ganse, gleich bei Mobilisierungsbeginn einberufene Rekrutenjahrgang 1914
inbegriffen. Dazu traten im Oktober und November noch die vorzeitig
gemusterten und gleich eingezogenen Rekruten des Jahrganges 1915 und
Nachgemusterte früherer Jahrgänge, zusammen rund 360.000 Mann und
200.000 wiedergenesene Verwundete und Kranke1).
Von diesen nahezu zwei Millionen Mann gingen im Rahmen der
Marschbataillone und von Landsturmneuformationen über 860.0002) zur
Feldarmee ab. Weitere 90.000 standen in Bereitschaft gegenüber Italien
und in den Brückenköpfen an der Donau.
Sonach befanden sich um die Jahreswende 1914/15 fast eine Million
Männer im Waffendienst in der Heimat. Von diesen wurden schon in den
ersten Jännertagen von 1915 126.000 an die Front entsandt3) und 170.000
zu „VI. Marschbataillonen" formiert. Dafür rückten, neben etwa 50.000
Wiedergenesenen der letzten Wochen, im Laufe des Jänners und Februars
619.000 Neuausgehobene älterer, nicht voll ausgenützter Rekrutenjahr-
gänge als weitere Ergänzung in die Heimatreserve ein.
Diese gewaltige Masse von Kampffähigen, deren Unterbringung
vielfach um so mehr auf Schwierigkeiten stieß, als auch zahlreiche Er-
satzkörper aus den vom Feinde besetzten Gebieten Platz finden mußten,
zeugt für die geringe Ausnützung der Wehrfähigen, die vor dem Kriege
gesetzlich vorgesehen war. Unwillkürlich wirft sich die Frage auf, welchen
Verlauf die ersten Kämpfe genommen hätten, wenn die Armee zu Kriegs-
beginn dementsprechend stärker aufgetreten wäre. Andererseits freilich
kamen die Massen Zurückgelassener jetzt der Auffüllung der Kampf-
stände sehr zustatten. Trotzdem tauchte auch während der Kämpfe
immer wieder die Frage auf, ob nicht wenigstens ein Teil der Menschen-
massen, die in der Heimat zur Verfügung standen, zur Aufstellung neuer
Truppenkörper verwendet werden sollte.
Die beim selbständigen Einsatz der ersten Marschbataillone gemach-
ten Erfahrungen4) sprachen gegen solche Versuche. Die Heeresleitung
verschloß sich diesen Erfahrungen keineswegs. Sie war nachdrücklich
bestrebt, in Zukunft solchen Verlockungen zu widerstehen und zögerte
1) Vgl. hiezu und zu den folgenden Ausführungen Beilage 1, Tabelle 4.
2) Die weiter oben genannte Zahl von 800.000 bezog sich auf den „Kampfstand",
während hier die Gesamtzahl der ins Feld Nachgerückten in Betracht gezogen ist. Vgl.
Beilage 1, Tabelle 1.
3) Der größere Teil der um die Jahreswende eben im Abtransport zur Front
begriffenen V. Marschbataillone.
*) Vgl. Bd. I, 304.
12
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
auch nicht, im Spätherbst 1914 eine Reihe von Landsturm verbänden auf-
zulösen. Andererseits konnte man freilich weder im Norden noch im Süden
um die Notwendigkeit ganz herumkommen, in Augenblicken äußerster Be-
drängnis doch wieder ein oder das andere Marschbataillon in den Kampf
zu werfen. Ebenso mußten mannigfaltige Verbände in die Front einge-
stellt werden, die als Neuformationen zu betrachten waren. Zumal die
Aufstellung der Armeegruppe Pflanzer-Baltin gehört in dieses Kapitel.
Aber auch die Balkanstreitkräfte und der Grenzschute gegen Italien be-
durften Aushilfen solcher Art. Kriegsministerium, Ministerium für Landes-
verteidigung und Honvédministerium waren eifrig bestrebt, den Wünschen
der Heeresleitung möglichst gerecht zu werden.
Erhebliche Schwierigkeiten bot der Offiziersersatz. Namentlich der
bald eintretende Mangel an aktiven Offizieren wurde bitter empfunden;
es rächte sich, daß man mit den Feldregimentern und den ersten Marsch-
bataillonen alle aktiven Offiziere auf die Walstatt gesandt hatte. Nun
hieß es aus den Stäben, von der durch Offiziersverluste weniger getrof-
fenen Reiterei und aus den durch die Kriegsaufgaben stark in Anspruch
genommenen Hinterlandsbehörden sowie aus den Militärschulen Ersatz
für die Front und Personal für die Ausbildung bei den Ersatzkörpern
herbeischaffen. Wieder gene sene kamen hinzu. Trotzdem blieb der Offi-
ziersmangel den ganzen Winter über bestehen. Der Hauptmann als Ba-
taillons-, der Leutnant oder der Fähnrich als Kompagnieführer waren
die Regel, Bataillone mit einem einzigen aktiven Offizier gar nicht selten.
Besonders fühlbar machte sich die im Frieden eingetretene Überalterung
der Stabsoffiziere, von denen ein großer Teil den Kriegsentbehrungen
nicht mehr gewachsen war.
Blieb der Mangel an Offizieren, zumal an aktiven, den ganzen Krieg
über ein chronisches Übel, so vermochte trotz der verhältnismäßig großen
Menschenmasse, die in der Heimat aufgeboten war, auch der Mann-
schaftsersatz mit den Bedürfnissen der Armee während des großen Be-
wegungskrieges nur selten Schritt zu halten. Kaum war ein Marsch-
bataillon eingesetzt, so war es von der versendenden Flamme des Kampfes
schon aufgezehrt worden. Vorsorgen gegen Drückebergerei, Selbstver-
stümmelung, gegen Versuche, mit leichten Wunden oder vorgetäuschten
Krankheiten aus dem Armeebereich wegzukommen oder länger als un-
bedingt nötig in Spitalspflege zu bleiben — Vorsorgen, wie sie in allen
Armeen getroffen werden mußten — zeitigten nur geringe Ergebnisse im
Verhältnis zu den Krafteinbußen, die die Waffen des Feindes, ein kräfte-
verzehrendes Kampfverfahren, Kriegsstrapazen und in deren Gefolge
Bekleidung und Ausrüstung
13
rasch um sich greifende Krankheiten, wie Cholera und Ruhr, hervorriefen.
Zum Glück gelang es verhältnismäßig bald, besonders den so gefähr-
lichen Schrecken des Choleragespenstes durch durchgreifende Maß-
nahmen (Isolierung, Impfung) zu bannen.
Ein Problem für sich ergab sich aus der ohneweiters erklärlichen
Erscheinung, daß in den einzelnen Kriegsphasen die Verluste der Truppen-
körper mitunter recht verschieden waren. Der Gedanke, den mehr ge-
lichteten Regimentern ab und zu Ersätze weniger gelichteter zuzuweisen,
wäre wohl auch dann fallen gelassen worden, wenn seiner Ausführung
nicht die nationale Buntheit des Ersatzes widerraten hätte. Dennoch
mußte beispielsweise im Frühjahr 1915 den Tiroler Kaiserjägern vor-
übergehend tschechischer Ersatz zugewiesen werden, was zum Teil auch
aus nationalpolitischen Gründen geschah. Später griff diese Vermengung
des Ersatzes — fast ausschließlich aus nationalpolitischen Gründen —
mehr um sich. Wenn irgendwie möglich, ließ man aber jedem Truppen-
teil seine Ersatzmannschaft zukommen. Geschah es dann, daß beispiels-
weise im Frühjahr 1915 Regimenter in den Stellungen des Weichsellandes
zu fünf, sechs und selbst sieben kriegsstarken Bataillonen anwuchsen,
indes in den Karpathen gleiche organisatorische Einheiten nur mehr drei
oder zwei schwache Bataillone, manche selbst nur eines zählten, so
mußte man sich damit abfinden. Im Notfalle konnte die Heeresleitung
aus den ruhigen Fronten Brigadegruppen herauslösen, um sie ausge-
bluteten Heereskörpern anderer Abschnitte zu Hilfe zu senden.
Ein besonderes Hemmnis für die rechtzeitige Gestellung des Ersatzes
lag in den sehr bald auftretenden Schwierigkeiten der Beschaffung von
Bekleidung, Bewaffnung und Ausrüstung.
Mit den von der Feldarmee bei ihrem Ausmarsche zurückgelassenen
Uniformen sah es so schlecht aus, daß die Ersatzkörper sofort auf die
dünnen Zwilch- und auch auf die alten dunkelblauen Friedensmonturen
greifen mußten. Mancher Sicherungsdienst in der Heimat wurde wohl
auch im Zivilkleid mit schwarzgelber Armbinde abgeleistet. So gekenn-
zeichnete Soldaten sah gegen Ende 1914 sogar Pflanzers Karpathenschutz
in seinen Reihen.
Die Ausstattung der Neueinberufenen war nicht die einzige Auf-
gabe der militärischen Bekleidungswirtschaft. Auch das Feldheer be-
durfte neuer Uniformen. Die bei Kriegsausbruch getragenen Uniformen
hatten sich im Sommer wohl als ziemlich heiß erwiesen, sie ließen jedoch
an Güte nichts zu wünschen übrig. Nur die Farbe, das altehrwürdige
„Hechtgrau" der Jäger, das man einige Jahre vor dem Krieg für alle
14
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
Waffen- und Truppengattungen mit Ausnahme der Reiterei als Feldfarbe
gewählt hatte, entsprach wegen des blauen Einschlages nicht den Forde-
rungen möglichst geringer Sichtbarkeit. Man begann im Frühjahr 1915
mit der Nachlieferung von Uniformen in feldgrauer Farbe, die sich im
Gelände wesentlich weniger abhob und in der sich das Stoff zeug auch
leichter herstellen ließ als jenes in blaugrauer oder brauner Farbe, ein
Vorteil, der mit zunehmender Stoffknappheit besonders ins Gewicht fiel.
Neben der normalen Bekleidung heischte der Winterkrieg auch die
Lieferung von Schneemänteln, Wollwäsche, Pelzen, Winter Schutzmitteln
aller Art. An ihnen war im ersten Kriegswinter kaum ein Mangel, da
sich auch die private Hilfsbereitschaft der Heimat in reichem Maße aus-
wirken konnte.
Die Ausrüstung des öst.-ung. Infanteristen war wahrlich nicht leicht
zu nennen. Der Mann trug mit Gewehr, Patronen, Spaten, Kochgeschirr,
Tornister, gerolltem Mantel und Zeltblatt nicht selten nahezu 30 kg.
Vornübergebeugt wie ein Lastträger, das Antlitz der Erde zugewandt,
schleppte er sich viele hunderte Kilometer weit. Kein Wunder, daß schon
bei den ersten Rückzügen, wenn sich die Bande der Ordnung etwaslockerten,
vor allem der schöne, wertvolle Kalbfelltornister daran glauben mußte
und weggeworfen wurde. An seine Stelle trat der bei den Tiroler Kaiser-
schützen längst eingeführte Rucksack, der schon nach einem halben Jahr
den Tornister fast völlig verdrängen und der Silhouette des öst.-ung.
Soldaten gemeinsam mit der sehr praktischen weichen Kappe fernerhin
ihr Gepräge geben sollte. Dem Tornister folgte auch das Ledertraggerüst,
das aus Mangel an Material durch Hanf gurten ersetzt wurde. Das kost-
bare Leder sollte später immer mehr aus der Ausrüstung des Mannes
verschwinden.
Über all diesen Schwierigkeiten standen aber in der ersten Kriegs-
zeit die, die sich aus dem Mangel an Gewehren gleich nach Kriegsaus-
bruch ergaben. Von den 2.5 Millionen Gewehren, über die man bei der
Mobilisierung verfügte, waren ein Drittel moderne M. 95-Gewehre. Die
zwei anderen Drittel bestanden wohl auch zum größten Teil aus solchen
mit 8 mm Kaliber, die mitunter allerdings schon 26 Jahre alt waren.
Auch 100.000 Werndl-Einzellader befanden sich unter ihnen. Außerdem
wurden in der großen Waffenfabrik Steyr 75.000 rumänische 6,5 mm-
Gewehre und 70.000 mexikanische 7 mm-Repetiergewehre M. 13 und 14
mit Beschlag belegt und im verbündeten Deutschen Reiche noch 60.000
Stück 7,9 mm-Mausergewehre, in der Schweiz etwa 10.000 Mehrlader
erstanden. Dieser Menge konnten sich in den nächsten Monaten die Er-
Der Mangel an Gewehren
15
Zeugnisse der beiden Waffenfabriken Steyr und Budapest beigesellen.
Die Steyrer Fabrik steigerte ihre Leistung von 2000 Gewehren im Sep-
tember 1914 auf 26.000 im Dezember und auf 32.000 im Jänner 1915.
Die wesentlich kleinere Budapester Fabrik erzielte eine Durchschnitts-
leistung von 6000 Gewehren in Monat. Einige Erleichterung brachte auch
die anwachsende Menge russischer Beutegewehre, die zur Aufnahme
unserer Patrone umgearbeitet werden konnten.
Ein Vergleich dieser Zahlen mit der Masse der zum Kriegsdienst
Einberufenen ergibt ein gewaltiges Soll selbst dann, wenn kein Gewehr
unbrauchbar geworden oder verloren gegangen wäre. Nun nahm aber
der Verlust an Gewehren gleich zu Beginn beängstigende Formen an und
alle Gegenmittel, die von der Heeresleitung aufgewendet wurden (strenge
Ahndung im Falle persönlicher Schuld, Prämien für Verwundete, die ihr
Gewehr zurückbrachten usw.), konnten nicht verhindern, daß der Ge-
samtabgang an Gewehren Ende 1914 schon eine Million betrug, welche
gewaltige Masse durch die bei den Armeen „ersparten", d. i. heimlich
zurückbehaltenen Gewehre kaum nennenswert verringert wurde. Die Leid-
tragenden dieser Entwicklung waren zunächst die Ersatzkörper, die sich
bei der Ausbildung mit gewehrähnlich zugeschnittenen und ausgestatteten
Holzstangen begnügen mußten. Die Marschbereitschaft der Ersatztrans-
porte hing oft vom Eintreffen der Gewehre ab. Nicht selten kamen sie
unbewaffnet in den Armeebereich und es konnte bei der Not an Mann
geschehen, daß ein oder der andere Befehlshaber den Vorschlag machte,
die Unbewaffneten so nahe hinter die Kampflinie zu stellen, daß jeder
von ihnen sofort an Stelle eines Toten oder Verwundeten einspringen
konnte. Wenn die Heeresleitung auch auf derlei Anträge nicht einging, so
vermochte sie es doch nicht zu verhindern, daß mancher Ersatzmann bei
seinem Einrücken ins Gefecht höchstens ein paar scharfe Schüsse, vielleicht
auch gar keinen abgegeben hatte. Auch die sonstige, unter erschwerten
Bedingungen meist nur einige Wochen währende Ausbildung hatte oft
ein so unzulängliches Ergebnis, daß die nunmehr zum größten Teil aus
solch neueingestellten Kämpfern bestehenden Abteilungen durch geringe
Festigkeit und mangelndes Geschick bei Märschen und Gefechten über-
große Verluste erlitten.
Nicht geringe Schwierigkeiten ergab die Versorgung mit Munition,
wo Gewehre verschiedenen Kalibers verwendet wurden. Wohl hatte man
es im allgemeinen durch Tausch erreicht, daß die Werndl-Einzellader
bei den Landsturmsicherungen in der Heimat blieben. Aber es kam, zu-
mal bei der improvisierten Armeegruppe Pflanzer-Baltin, doch vor, daß
16
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
in einer Brigade, ja selbst in einem Bataillon zwei und drei verschiedene
Gewehrarten eingestellt waren. Diese Abteilungen mit entsprechendem
Schießbedarf zu versorgen, verursachte viele Schwierigkeiten. Noch ärger
war das Waf f enchaos bei den Sicherungstruppen ani der italienischen Grenze.
Bei der stärkeren Nachlieferung von Gewehren um die Jahreswende
drängte sich auch die Frage nach Beschaffung einer moderneren Waffe
auf. Von der Einführung eines Selbstladers wurde in den Beschlüssen,
die man im März 1915 faßte, abgesehen. Aber auch die Einführungeines
verbesserten nichtautomatischen Gewehres wurde im weiteren Kriegsver-
laufe zurückgestellt, da sich andere Heeresbedürfnisse ungleich dringender
geltend machten.
Besondere Wichtigkeit gewann für die Infanterie vom ersten Tage an
das Maschinengewehr. Da es sich als vortreffliche Waffe erwies, deren
Bedeutung zumal bei schwindenden Ständen und geringerer Artillerie-
unterstützung nur noch stieg, ertönte sehr bald von allen Teilen der Wal-
statt der Ruf nach Vermehrung. Schon das Streben, die Zahl der beim
Infanteriebataillon eingeteilten Maschinengewehre von zwei auf vier zu
erhöhen, bedeutete einen Gesamtmehrbedarf von 1400 gegenüber den2500,
die bei Kriegsbeginn überhaupt vorhanden waren. Dazu kam der Ersatz
der immerhin erheblichen Verluste. Wenn man bedenkt, daß allein die
Erzeugung des Gehäuses 400 Einzelvorgänge erforderte, so kann man
ermessen, welch umfangreiche Aufgabe daraus der Steyrer Waffenfabrik
für die nächsten Monate erwuchs.
Gegenüber dem Problem der Waffenerzeugung trat das der Erzeu-
gung von Infanterieschießbedarf weit zurück. Der Verlauf der modernen
Schlacht hatte zu einem wesentlich geringeren Verbrauch geführt, als er
im Frieden errechnet worden war. Man konnte um die Jahreswende so
weit gehen, die Erzeugung von Infanteriepatronen zugunsten der von Ar-
tilleriemunition erheblich einzuschränken.
Schon im November und Dezember 1914 waren Flammenwerfer an
die Front gekommen, ohne aber zu nennenswerter Wirksamkeit zu ge-
langen. Auch der zur selben Zeit bereits auftauchende Gedanke, Artillerie-
geschosse mit Stickgase entwickelnden Präparaten zu füllen, wurde noch
nicht praktisch verwertet. Wohl aber fanden jene Kampfmittel lebhafte
Verwendung und Entwicklung, die aus den veränderten Bedürfnissen des
Nahkampfes im Stellungskrieg erwuchsen: Minenwerfer, Granatwerfer
und Handgranate. Auch das Infanteriegrabengeschütz, dessen Verwen-
dung zu Beginn des Jahres 1915 zum ersten Male Gegenstand von Ver-
suchen bildete, erhielt dauernde Bedeutung.
Schwere Not bei der Artillerie
17
Zur Lebensfrage für die Infanterie war die Vermehrung und Verbesse-
rung der Artillerie geworden. Die Schwierigkeiten, mit denen diese ruhm-
reiche Waffe in den ersten Kriegsmonaten imNorden und Süden zukämpfen
hatte, sind im ersten Bande dieses Werkes bei der Schilderung der Ereig-
nisse soweit wie möglich angeführt worden. Die Feldartillerie war der
Zahl nach zu schwach, es gebrach ihr an mittleren und schweren Kalibern,
und drei Geschützarten, die Gebirgskanonen, die Feldhaubitzen und die
15cm-Haubitzen, erwiesen sich als völlig veraltet undminder kriegsbrauch-
bar. Vor allem aber herrschte Munitionsnot. Der Schrei nach Beseitigung
dieser Übelstände erklang gleich nach den Lemberger Schlachten und ver-
stummte seither nicht mehr. Die Heeresleitung griff zunächst auf ihre
Reserve an Feldkanonen, 800 Stück an der Zahl. Dabei sollte allerdings
darauf Bedacht genommen werden, daß man auch Verluste ersetzen mußte,
die z. B. im ersten Feldzug bei der 4. Armee allein 84 Feldkanonen be-
trugen1). Auch die gesamten, noch zur Verfügung stehenden Gebirgs-
batterien wurden in den Ebenen und im Hügellande Galiziens eingesetzt.
Außerdem holte man 24 cm- und 30.5 cm-Mörser in die Front, wobei die
Munition des zweitgenannten Geschützes erst für die Wirkung gegen
Truppenziele umgeändert werden mußte. Alle anderen organisatorischen
Änderungen, die Aufstellung neuer Batterien sowie die Umbewaffnung
bestehender, konnten nicht von heute auf morgen vorgenommen, sondern
nur nach einem strengen Plane auf weite Sicht durchgeführt werden. Im
Oktober 1914 stellte das AOK. in Noten an das Kriegsministerium und
die Militärkanzlei seine Forderungen auf, die in folgendem bestanden:
Neuerzeugung leichter Feldkanonen in dem Ausmaße, daß darunter die
Schaffung anderer Typen nicht litt, Neuerzeugung einer modernen Feld-
haubitze an Stelle der bisher eingeführten sowie von 15 cm-Haubitzen,
10 cm-Kanonen und Gebirgsgeschützen neuen Systems. Von allen diesen
Typen hatte man bereits Modelle zur Hand, die zwar noch nicht im
Kriege, immerhin aber auf Schießplätzen ausreichend erprobt waren. Auf
die Schaffung einer neuen Feldkanone wurde verzichtet, weil die vorhan-
dene noch ganz gut entsprach und ihre Bedeutung gegenüber dem Steil-
bahngeschütz immer mehr zurücktrat. Im Februar 1915 sah sich die Heeres-
leitung veranlaßt, ein Artillerieprogramm aufzustellen, nach welchem die
Infanteriedivision 24 Feldkanonen behalten und mit 36 leichten Feld-
haubitzen ausgestattet werden sollte. Außerdem sollte jede Infanterie-
division eine schwere Feldartilleriedivision zu je 4 10 cm-Kanonen und
15 cm-Haubitzen erhalten (Geschützzahl bei der Divisionsartillerie 68).
x) Verläßliche Verlustzahlen für die ganze Wehrmacht liegen nicht vor.
Ii 2
18
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
Die Korpsartillerie sollte aus13 schweren Feldartilleriedivisionen der eben
angeführten Zusammensetzung bestehen. Die Gebirgsartillerie war auf
14 volle Regimenter zu bringen, auch die Festungsartillerie, zumal die
Zahl der 30.5 cm-Mörser, entsprechend zu vermehren1).
Es erübrigt sich, des näheren auszuführen, daß Monate vergehen
mußten, ehe sich die Kriegsindustrie auf die nun erforderliche Mehr-
erzeugung eingerichtet haben konnte. Die Zeit bis dahin mußte überbrückt
werden. Aus den schon angeführten 800 Reservegeschützen wurden 55
neue Feldkanonenbatterie formiert und zur Armee entsendet. So wie
bei den Gewehren griff man auch bei den Geschützen zunächst auf
solche, die von fremden Staaten bei Skoda bestellt waren: 52 Gebirgs-
kanonen, 24 Feldkanonen, 18 Feldhaubitzen, für China erzeugt, 50 Stück
mittlere türkische Feldhaubitzen wurden beschlagnahmt. Diese Geschütze
konnten noch im Laufe des Jahres 1914 der Armee zugeführt werden,
ebenso 30 Stück neue 15 cm-Haubitzen, 6 Stück 30.5 cm-Mörser und 2 Stück
42 cm-Küstenhaubitzen. Selbst diese geringen Verstärkungen wurden dort,
wo sie hinkamen, mit Freuden begrüßt. Sie standen aber in keinem Ver-
hältnisse zur Verlängerung der Front, die allmählich von Piotrków bis
in den südlichen Winkel der Bukowina reichte.
Ist es solcherart schon begreiflich, daß die artilleristische Ausrüstung
des Heeres um die Jahreswende 1914/15 ihren Tiefstand erreichte, so
gilt dies in noch höherem Maße, wenn man die Munitionslage mit in Rech-
nung zieht. Oft und oft mußte bei der Darstellung der Kämpfe auch auf
diesen schmerzlichen Punkt verwiesen werden. Man konnte erfahren,
daß ein Armeeführer einen Angriff nur für den Fall zugestand, als er
ohne nennenswerten Verbrauch an Artilleriegeschossen möglich war; daß
Geschütze in der Stellung nur ein paar wohlvorgezählte Schüsse im Tage
abgeben durften; daß Batterien aus dem Kampf gezogen werden mußten,
weil die Protzen und die Munitionswagen leer waren. Diese Lage, die
mitunter fast die Fortführung der Kämpfe in Frage stellte, dauerte den
ganzen Winter über an, da es nicht gelang, die Geschoßerzeugung so weit
zu steigern, daß wenigstens die ohnehin bei weitem nicht ausreichende
Normalausrüstung an Munition wieder erreicht werden konnte. Es war
ein Zustand quälender Wehrlosigkeit, von der Infanterie wie von der
Artillerie gleich bitter empfunden.
Tiefgreifend wirkten die Erlebnisse und Erfahrungen der ersten Kriegs-
monate auch auf die Reiterei zurück. Die im Frieden genährten Vorstel-
1) Aus einem Manuskript des GM. Pflug, der vom Beginn bis zum Ende des
Krieges als Artilleriereferent des AOK. wirkte.
Die Wandlung der Reiterei
19
lungen über die Verwendung der Waffe hatten sich als großer Irrtum er-
wiesen. Weder die Ausrüstung, noch die Gefechtsführung hatten dem Ernst
der Stunde standzuhalten vermocht. Die glitzernde Uniform verschwand
im Grau des galizischen Herbstes allmählich aus dem Bilde der Armee
und machte der schlichteren Feldfarbe Plate. Der Feuerkampf mit dem
abgeschnallten Karabiner trat an die Stelle der Attacke mit dem blanken
Pallasch. Von den Husaren bei Limanowa-Lapanów wurde erzählt, daß sie
sich im Nahkampf aus Mangel an Bajonetten der spornbewehrten Ab-
sätze ihrer ausgezogenen Stiefel bedient hätten. Auch der Ruf nach dem
von der Infanterie so außerordentlich geschätzten Spaten verstummte nicht
mehr, bis er erfüllt wurde. Pferde gab es wohl noch genug im Reiche, um
die vielen zugrundegegangenen Tiere zu ersetzen, aber die Dressur fehlte
und konnte nicht in ein paar Wochen nachgeholt werden. So entstand,
aus nicht mehr berittenen „Füßlern" zusammengezogen, um die Jahres-
wende bei einzelnen Kavalleriedivisionen die erste „Schützenabteilung",
deren Auftreten für den weiteren Werdegang der Waffe symbolisch werden
sollte. Gewiß gab es auch für größere Reiterverbände noch Verwendungen,
die dem Traume der Friedenszeit entsprachen. Im allgemeinen überwog
aber doch schon die Rolle einer berittenen Infanterie, eine Rolle, in die
sich die Kavallerie mit ihrem ausgewählten Offizierskorps und ihrer vor-
trefflichen Mannschaft meist überraschend schnell hineinfand.
Sollte im vorliegenden das Wichtigste über die Organisation der drei
Hauptwaffen gesagt sein, wie sie sich um die Jahreswende 1914/15 dar-
stellte, so wird der folgende Abschnitt über „Heer- und Kampfführung"
Gelegenheit bieten, auch der Entwicklung der anderen Waffen und Dienst-
zweige innerhalb der möglichen Grenzen zu gedenken.
Heer - und Kampfführung
Die Kriegführung Österreich-Ungarns war im Jahre 1914 in Nord
und Süd durch zwei markante Führerpersönlichkeiten verkörpert: Con-
rad und Potiorek. Dem ideenreichen, nie um Aushilfen verlegenen Geiste
Conrads war der Bewegungskrieg im weiten galizisch-russischen Raum
besonders gelegen. Immer wieder fand der Offensivgeist dieses Führers
Mittel und Wege, dem übermächtigen, in gewaltigen Massen heranzie-
henden Feinde das Gesetz des Handelns zu diktieren. Immer wieder wußte
er sich gleich den deutschen Generalen des Ostheeres der Gefahr zu ent-
ziehen, dem russischen Willen zu unterliegen. Begreiflicherweise verfolgte
er mit wachsender Beklemmung, wie der Krieg allmählich in die Fesseln
2*
20
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
des Stellungskampfes geschlagen wurde: zuerst im polnischen Weichsel-
lande, dann am Dunajec. Unwillkürlich wandte sich Conrads Blick immer
mehr gegen Osten, den Karpathen und dem Dniester zu, wo — trotz der
Ungunst des Geländes und der Witterung — noch die Möglichkeit zu
freierer Entfaltung der Kräfte zu winken schien.
Nicht weniger als Conrad war Potiorek dem Bewegungskriege zu-
geneigt, wie die stets aufs neue aufgenommenen Angriffe bewiesen. Und
nicht weniger als Conrad lebte auch Potiorek dem Angriffsgedanken, wie
es seine zweimalige, wenn man will, dreimalige Offensive gegen den
zähen, kriegsgewohnten Feind dartat — wobei allerdings auch die schwie-
rigen Ab wehr Verhältnis se im Südosten des Reiches einen gewissen Zwang
auferlegten. Diese Schwierigkeiten hatten, wie die Schilderung der
Ereignisse zeigte, keinen geringen Anteil daran, daß die vom Feldzeug-
meister gewählte Angriffsrichtung abseits der großen, welthistorischen
Heerstraße über Belgrad lag.
Von den strategischen Elementen des Durchbruches und der Um-
fassung gaben beide Feldherrn, in den Einleitungsfeldzügen fast ausnahms-
los der Umfassung den Vorzug, was bei Conrad noch insofern zu ver-
merken ist, als er bei Friedensübungen und Kriegsspielen auch der anderen
Lösungsmöglichkeit strategischer Aufgaben weitgehende Aufmerksamkeit
zu schenken gewohnt war. Dabei spielte allerdings weder bei Conrad,
noch bei Potiorek der von Schlieffen so nachdrücklich vertretene Gedanke
doppelseitiger weitausholender Umgehung („Cannae") eine nennenswerte
Rolle. Sie begnügten sich in der Regel mit Angriffen gegen einen Flügel
des Feindes, gegebenenfalls mit Flankenstößen. In beiden Fällen hatten
die Frontgruppen die feindlichen Kräfte durch entschiedenes Zugreifen
festzuhalten. Wenn ein so eingeleitetes Manöver zu einem reinen Stirn-
kampf ausartete, was infolge der Gegenmaßnahmen des Feindes verhält-
nismäßig leicht geschah, so kam bei der Führung noch immer der Gedanke
schrittweisen Zurückdrängens der feindlichen Linien weit mehr zur
Geltung, als der, sie zu durchbrechen. Ergaben sich aber einmal Lücken
in der feindlichen Front — wie etwa itA Einleitungsfeldzug gegen Ruß-
land — dann war das Streben abermals mehr auf die Umfassung offener
Frontteile, als auf ein Durchgreifen in den Rücken des Feindes gerichtet.
Eine gewisse Hast, lieber lokale Erfolgsmöglichkeiten rasch abzuschließen
als Aktionen auf weite Sicht zu wagen, mag hiefür Erklärung bieten.
Diese Beschränkung in den Kampfzielen war vor allem durch das
fast immer wenig günstige Kräfteverhältnis bestimmt. Weitausholende
Umfassungen hätten eine so tiefgreifende Schwächung der Frontgruppen
Heerführung und Nachrichtenmittel
21
gefordert, daß deren Ausharren bei den geringen artilleristischen Mitteln
sehr fraglich geworden wäre. Auch ist es nicht zu leugnen, daß manche
Heereskörper eine größere Empfindlichkeit gegen Flankenangriffe auf-
wiesen und daher zu Umgehungsmanövern weniger geeignet waren.
Gewiß brachte dieses Maßhalten in den Kampfzielen die Führung das
eine- oder anderemal um eine glänzende Erfolgsmöglichkeit. Doch ist
ein wirkliches „Cannae" im Geiste Schlieffens auch von der deutschen
Armee im Weltkriege nur ein einziges Mal, bei Tannenberg, mit Erfolg
geschlagen worden.
Das ungünstige Kräfteverhältnis, das Fehlen eines ausreichenden ar-
tilleristischen Rückgrates und die Unterschätzung kräftesparender Ab-
wehr hatten wohl auch eine zweite Erscheinung im Gefolge : daß es trotz
der zweifellos bestehenden theoretischen Erkenntnis nur selten gelang,
im entscheidenden Räume ein Höchstmaß an Kräften zu entscheidendem
Handeln zusammenzuziehen. Die Schlachten gewannen vielfach das Bild,
das Jahre vor Kriegsbeginn der damalige k. u. k. Gstbsobst. v. Csicserics1)
auf Grund seiner persönlichen Erfahrungen im russisch-japanischen Krieg
entworfen hatte.
Was die Kenntnis der Lage beim Feinde anbelangt, so litt der erste
Feldzug im Norden stark unter der geringen Einschätzung, die man den
gegen Ostgalizien vorgehenden russischen Kräften zuteil werden ließ.
Bald aber eröffnete das Abhorchen und Entziffern russischer Funksprüche
der Führung aller Grade ein Nachrichtenmittel von unübertrefflichem
Werte. Der Radiohorchdienst2), der die Karten der Russen fast immer
in einem den weitesten Ansprüchen genügenden Ausmaße und nicht selten
früher als für ihre eigenen Führer aufdeckte, wog für die Verbündeten
— das darf ohne Übertreibung gesagt werden — Armeen auf. Der in
früheren Kriegen so wichtige Kundschaftsdienst trat diesem Nachrichten-
mittel gegenüber um so mehr beinahe ganz in den Hintergrund, als gerade
Ausforschungen operativer Natur meist viel zu spät eingelangt wären.
Ebenso erzielten strategische Luft- und Kavallerieaufklärung, jene vor
allem wegen des Mangels an geeigneten Flugzeugen, nicht im entferntesten
das, was der Radiohorchdienst einbrachte. In der Gefechtsberührung wurden
die Ergebnisse der strategischen Erkundung durch die Einvernahme von
Überläufern und Gefangenen wertvoll ergänzt, so daß sich ein bis ins
einzelne ziemlich getreues Bild über die Lage beim Feind ergab. Der
1) Csicserics, Die Schlacht (Wien 1908).
2) Über Entstehung und Geschichte des Radiohorchdienstes vgl. Ronge, Kriegs-
und Handelsspionage (Wien 1930), 52 f.
22
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
Radiohorchdienst hatte noch den besonders großen Vorteil, daß er der
Führung erlaubte, wichtige Maßnahmen des Feindes zu durchkreuzen,
ehe diese überhaupt in die Tat umgesetzt waren. Das machte sich bei
wachsender Übermacht besonders bezahlt.
Als Mittel zur gegenseitigen Verständigung und zur Weitergabe von
Befehlen bedienten sich die höheren Stäbe fast ausschließlich des Drahtes
und da wieder weniger des Fernsprechers als des Fernschreibers1), der
bald auch zum Besitzstand mancher Korpskmdos. gehören sollte. Daneben
kam natürlich der Kraftwagen zur Geltung, indes der überall noch ein-
geteilte „reitende Ordonnanzoffizier" nur mehr im Bereiche der Division
verwendet wurde. Auch auf dem Kampffelde gewann das Telephon dank
der aufopfernden Tätigkeit der Feldtelephonisten größte Bedeutung.
Heeresbewegung und Heeresversorgung spielten sich im Norden wie
im Süden unter äußerst schwierigen Wegverhältnissen ab. In Galizien
triumphierte der kleine Wagen, in Bosnien und Serbien auch das Trag-
tier bedingungslos über die schweren Fuhrwerke und Pferde. Dabei waren
infolge der hohen Anforderungen und der unsäglichen Strapazen die
Verluste an Pferden in diesem Dienste außergewöhnlich groß. Auch das
Lastenauto, ja vorübergehend selbst der Personenkraftwagen fanden auf
den durchweichten Straßen wenig Verwendungsmöglichkeit.
Als es notwendig wurde, die 2. Armee aus den Karpathen nach
Preußisch-Schlesien zu verlegen, wurden zum ersten Male Heereskörper
von Armeestärke mit Bahn von einem Schlachtfeld auf das andere geworfen.
Trotz des Mangels an jeglicher Erfahrung wurde der Transport mit neu-
eingeführten rascheren Militärzügen aus den Karpathen im weiten Bogen
fast durch die Reichsmitte gut bewältigt. Truppentransporte, zur Umfas-
sung des Feindes auf wiederhergestellten Bahnen bis in den Kampfraum
vorgebracht, gingen der Schlacht von Limanowa-Lapanów voraus; sie
sollten in ungleich größerem Maßstab wiederholt werden, als sich zu
Beginn 1915 die Kämpfe in die Karpathen zogen. Mit Staunen und Befrie-
digung zugleich sah die Bevölkerung der beiden Reichshauptstädte Wien
und Budapest dabei auch deutsche Hel¿ie in Massen vorüberfahren.
Die besondere Bedeutung der Bahnen für den Nachschub kam im
Südosten tragisch zum Ausdruck, als Potiorek mit seinen erschöpften,
ausgehungerten, gelichteten Divisionen in die Falle von Arangjelovac
hineinstieß, um sich des Besitzes der für die Heeresversorgung unentbehr-
lichen Kleinbahn im Kolubaratal zu versichern. Begreiflicherweise stellte
auch der Abschub der Kranken und Verwundeten die Eisenbahnen und
1) Vgl. Bd. I, 443, Fußnote.
Verbindung und Nachschub
23
die militärischen Bahnbehörden vor Aufgaben, die kaum weniger schwer zu
bewältigen waren als der Zuschub von personellem und materiellem Ersatz.
Bei der Aufrechterhaltung der Verkehrswege erwuchsen denTruppen-
pionieren, den Sappeur- und den Pionierkompagnien sowie den Eisen-
bahnbauabteilungen und den vielfältigen Arbeiterformationen schwierige
Aufgaben, denen sie sich mit dem Aufgebote aller Kräfte unterzogen. Bei
den technischen Truppen kamen auch noch viele Flußübergänge, dann
die zahlreichen Weg-, Bahn- und Brückenzerstörungen dazu, die auf Rück-
zügen notwendig waren, um die Verfolgung durch den Feind zu ver-
zögern. Die zerstörten Objekte mußten, wenn vormarschiert wurde,
wiederhergestellt werden1).
An Verpflegung für Mann und Pferd gebrach es noch nicht, wenn
sie der Truppe zugeführt werden konnte. Dies war freilich oftmals nicht
ohne große Schwierigkeiten möglich. So mußten im Oktober 1914 die
beiderseits von Przemysl kämpfenden Armeen durch geraume Zeit aus
den Vorräten der Festung ernährt werden, weil ein Zuschub größerer
Mengen aus den eigenen Vorräten wegen der Bahnzerstörung und der
schlechten Straßen unmöglich war.
Hatten sich auf dem Gebiete der Krieg-und Heerführung trotz Massen-
aufgebots und Kriegstechnik die ewig geltenden Grundsätze der Führungs-
kunst doch wieder aufs neue bewährt und hatte sich — bei Freund und
Feind — jegliches Handeln gegen sie meist sofort gerächt, so waren in
der Kampfführung auf dem Schlachtfelde in den ersten Kriegsmonaten
bei allen Armeen, selbst die kriegserprobten nicht ganz ausgenommen,
Erfahrungen gesammelt worden, die in der Folge einen mitunter geradezu
revolutionären Umschwung in den Meinungen und Methoden nach sich
ziehen sollten. Was hier im besonderen für die öst.-ung. Wehrmacht zu
sagen ist, gilt in mehr oder weniger abgestufter Weise auch für die
anderen kriegführenden Heere.
Wie kaum eine zweite Armee der Welt war die österreichisch-unga-
rische für den Angriff und für die Begegnungsschlacht geschult2). Die
Friedensschulung hatte dabei — trotz theoretischer Abmahnungen, an
*■) Beim Rückzug an den Dunajec und in die Karpathen waren bis Ende Sep-
tember 4600 km Bahn mit 800 geräumten Stationen und zerstörten Objekten dem Feinde
überlassen worden. Beim Vormarsch mußten die Teile bis an den San (1100 km) unter
dem Drange der Zeit und getrieben von der Not der Front wiederhergestellt werden.
Das Nachfolgen des Vollbahnbetriebes bestimmte beim Vormarsch wesentlich die Güte
der Truppenversorgung.
2) Vgl. Bd. I, 34.
24
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
denen es nicht fehlte —die aus dem Kriege 1870/71 stammenden Vor-
stellungen über die Kürze und Raschheit des Verlaufes einer Kampf-
handlung unablässig genährt. Nachdem die Infanterie ziemlich unabhängig
von der Artillerie ihren „Kampf um die Feuerüberlegenheit" geführt,
und, meist zu übergroßer Hast angetrieben, viel zu schnell Raum gewonnen
hatte, war sie aus nächster Entfernung zum Sturm gegen den Feind ge-
schritten. Von diesem hatte man nach den Lehren des Reglements ge-
glaubt, annehmen zu dürfen, daß er den Nahkampf vielfach nicht erst
abwarten, sondern die Stellung schon vorher, erschüttert durch das wohl-
gezielte Feuer, geräumt haben würde. Daß es neben der infanteristischen
Feuerüberlegenheit auch eine, sich im Ernstfall als ausschlaggebend er-
weisende artilleristische gab, ist in der Friedensschulung der Infanterie
verhältnismäßig wenig betont worden — von Begriffen wie Trommel-
feuer, Feuerwalze, Feuerschirm u. dgl. schon gar nicht zu reden.
Auch dort, wo bei den ersten Zusammenstößen mit dem Feinde eine
solche Kampfweise Erfolg hatte, wurde dieser fast immer durch außer-
ordentlich schwere Opfer an Offizieren und an Mannschaft erkauft. Bald
aber blieb auch der Erfolg aus. Die Truppe erlebte einen Kampfverlauf,
der sich ganz wesentlich von dem auf dem Exerzierplatz oder Manöver-
feld geübten unterschied. Vor allem griff sie, wenn auch hoch in den Lüften
platzende Schrapnells die Nähe des Feindes verrieten, gegenüber den das
Gelände trefflich benützenden, in allen Kriegslisten wohlbewanderten Fein-
den infanteristisch ins Leere1). Hatte man die Infanterie im Frieden ge-
lehrt, daß sie ihr zielsicheres Gewehr etwa schon auf 1500, ja selbst auf
2000 Schritte Entfernung gebrauchen werden müsse, so kam sie nun —
nicht selten sogar von der feindlichen Artillerie angetrieben, ihr Feuer zu
„unterlaufen" — auffallend weit vorwärts, ohne auch nur einen Schuß ab-
gegeben zu haben. Da wuchs plötzlich in nächster Nähe aus der Leere des
Schlachtfeldes auch ein infanteristischer Gegner mit Maschinengewehren
empor. Häufig waren es — gegenüber der Friedensschulung gleich-
falls eine Überraschung — Vortruppen des Feindes, die lediglich den
Zweck hatten, dem Angreifer schon ein gut Stück seiner Kraft zu rauben,
ehe er an die Hauptlinien herankam. War er nun diesen verhältnismäßig
nahe gerückt, auf eine Entfernung meist, in der man im Frieden die
Hauptarbeit schon als geleistet wähnte, dann erst begann der opfer-
reiche, nervenerschütternde Kampf.
Der in seinen gut angelegten Schützengräben bis an die Achseln ein-
gegrabene Feind war in den meisten Fällen durchaus nicht erschüttert.
!) Vgl. die fesselnden Schilderungen bei Pitreich, Lembergl914 (Wienl929), 131 f.
Die Schlachten des Jahres 1914
25
Das Flachbahnfeuer der Feldkanonen hatte den Deckungen nichts anzu-
haben vermocht, das spärliche Steilfeuer der veralteten Haubitzen sie nur
zu oft gar nicht erreicht. Das Feuer der angreifenden Infanterie aber
und ihrer Maschinengewehre war, wenn es endlich überhaupt Ziele ge-
funden hatte, an den Erdwällen fast wirkungslos verpufft. So gesellte
sich nun zu dem Hagel der Granaten und Schrapnells das Prasseln und
Pfeifen der Kleingewehr- und Maschinengewehrgeschosse, oft aus flan-
kierenden Anlagen, die bis zum letzten Augenblick nicht bemerkt worden
waren. Ohne Deckung lagen jetzt die Schwarmlinien in diesem ver-
nichtenden Feuer. Suchten sie der qualvollen Lage zu entrinnen, indem
sie nach vorne durchgingen, um sich auf den Feind zu stürzen, so brachen
sie nur zu oft in einem unverletzten Drahthindernis oder Astverhau zu-
sammen. Gar bald und immer häufiger begann die Truppe zu graben.
Zuerst „Schützenmulden", die man im Frieden empfohlen hatte, dann
ein Loch, das bis zu den Hüften reichte, bis man endlich auf Schulterhöhe
in die Erde tauchen konnte. Es war Aufgabe nacheilender Reserven, den
Angriff zu „nähren", ihm neue Impulse zu geben und schließlich zu
erfolgreichem Ausgang zu bringen. Oft aber kam auch der Rückschlag,
sei es dadurch, daß die eigenen Linien abzubröckeln begannen, sei es,
daß der Feind aus irgendeiner Richtung her nach heftigster Artillerie-
beschießung mit zusammengefaßter Kraft selbst zum Gegenangriff schritt,
dem man nicht mehr standzuhalten vermochte. Wie immer aber die Dinge
verlaufen waren, sie wiesen ein wesentlich anderes Antlitz auf, als man
es nach den Lehren der Friedenszeit erwarten durfte.
Die Folgen dieser Erfahrungen sind im ersten Bande dieses Werkes
an geeigneter Stelle angedeutet worden1). Sie haben sich vielleicht nie
mit so erschütternder Deutlichkeit gezeigt als damals, da im Oktober
1914 am San die besten Regimenter des k. u. k. Heeres trotz infanteristi-
scher Überlegenheit den am Westufer eingenisteten Feind nicht zu werfen
vermochten! Hier wie bei Krakau und bei Limanowa-tapanów erwies
es sich, daß die öst.- ung. Infanterie den Angriff noch keineswegs verlernt
hatte. Aber der innere Glaube an die Erfolgsmöglichkeit hatte doch schon
schwer gelitten und vergeblich blickte das hart ringende Fußvolk zurück
nach der Artillerie, die allein in der Lage gewesen wäre, ihr jenen
Glauben wieder zurückzugeben.
Der Artillerie ging es in allen diesen Belangen nicht besser als
der großen Schwesterwaffe. Auch sie hatte in taktischer Beziehung
mancherlei nachzuholen, was sie in der Friedensschule nicht gelehrt
i) Bd. 1,449.
26
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
worden war. Aber noch schwerer lastete auf ihr der materielle Mangel,
der in einem früheren Abschnitt geschildert worden ist; wobei allerdings
zu vermerken ist, daß sich dieser Mangel auch bei den Russen zusehends
mehr fühlbar machte, je mehr man in den ersten Kriegswinter hineinging.
Wirkliches Atemholen erlaubte den Divisionen, die dieses Glückes
teilhaftig wurden, erst die „Dauerstellung" in Russisch-Polen und am
Dunajec. Hier entstanden befestigte Schlachtfelder — allerdings von einer
ganz anderen Art, als sie von den Vorschriften gedacht gewesen waren.
An Stelle geschlossener Stützpunkte entstand in der Linie, an der eben
die Bewegung im Kampf zum Stillstand gekommen war, seltener auch
an vorher ermittelten oder flüchtig hergerichteten Geländeabschnitten der
durchlaufende Schützengraben. Parallel zu ihm zog sich ein immer breiter
werdendes Drahthindernis. Verbindungsgräben führten nach rückwärts,
wo überdies an manchen Frontteilen bald eine zweite und selbst eine
dritte Linie entstanden. Der vorderste, eigentliche Kampfgraben aber
wurde immer mehr ausgestattet. Nach oben schützten Dächer aus Bret-
tern, mit einer dünnen Erdschicht belegt, die sogenannten Schrapnell-
schirme, mehr gegen Witterungsunbill als gegen feindliche Geschosse.
Mannigfaltige Formen von Schießscharten wurden erfunden und in die
Brustwehr eingebaut. Beide, Schrapnellschirme und Schießscharten, haben
die Truppen viel mühsame Arbeit gekostet, bevor sie —spät genug —als
unzweckmäßig erkannt und verworfen wurden. Unterstände, vorläufig
noch durchaus nicht mit Bedacht auf Schutz gegen Artilleriefeuer errichtet,
boten Zuflucht in den kargen Stunden der Ruhe und bald gesellte sich
den vom Krieg diktierten Bedürfnissen auch etwas wie Wohnlichkeit bei.
Tische und Bänke, Fenster und Türen und ein oder das andere Möbel-
stück täuschten in Gemeinschaft mit dem fröhlich flackernden Feuerchen
des „Schwarmofens" einen Schimmer jener Häuslichkeit vor, die man
solange entbehrt hatte und noch viel, viel länger entbehren sollte. Und
als endlich der Frühling kam, gab es wohl auch da und dort ein schüch-
ternes Blumenbeet, angelegt über dem bleichenden Gebein des unbe-
kannten Soldaten.
Aber nur den Auserwählten des Schicksals unter den Regimentern
war es vergönnt, diese bescheidene Herrlichkeit länger zu genießen.
Der Karpathenwinter rief immer wieder unersättlich nach Soldaten.
Division um Division zog von den Fleischtöpfen Polens und Westgaliziens
weg und verließ die Erholungsquartiere in Syrmien, um vom eisstarren-
den, verderbendrohenden Waldgebirge an den nördlichen Gemarkungen
Ungarns verschlungen zu werden.
Heer und nationale Frage
27
Das moralische Gefüge
Daß den schweren Erlebnissen der ersten Kriegsmonate die ur-
sprüngliche Begeisterung zum Opfer fiel, ist nicht verwunderlich. Auch
die wachsende Erkenntnis, daß der Krieg noch Monate, ja vielleicht
Jahre dauern werde, drückte auf die Gemüter von Offizier und Mann.
Ein erhebliches Maß von Kriegsmüdigkeit war namentlich um die Jahres-
wende festzustellen. Sie machte erst einer hoffnungsvolleren Stimmung
Platz, als der Frühling von Gorlice die Herzen emporriß. Die Wirkung
solcher seelischer Vorgänge mußte natürlich bei einem Heere von so
großer völkischer und kultureller Buntheit besonders mannigfaltig sein.
Bei einem beträchtlichen Teil der Kämpfer, und zwar keineswegs bloß
bei solchen deutscher Zunge, trat an die Stelle der ersten überschweng-
lichen Kriegsbegeisterung das Pflichtbewußtsein gegenüber Herrscher
und Vaterland und das Ehrgefühl des Mannes, der in der Stunde der
Not nicht verzagen will. Bei den Söhnen kulturell weniger hochstehender
Völker mußte das eherne Gesetz strengsten Gehorsams und unverrück-
barer Manneszucht ethische Bindungen ersetzen.
Nicht überraschend konnte es für die Führung sein, daß in solchen
Wochen und Monaten die Stimmung der slawischen und romanischen
Soldaten noch besonderen, herabdrückenden Einflüssen aus doppelter
Richtung ausgesetzt war, aus der Heimat und von der Feindesseite her.
Die Geschichte der nationalen Revolution der habsburgischen Völker
füllt eine gewaltige, in allen europäischen Sprachen niedergelegte Litera-
tur. Die Anfänge dieser Revolution fallen in die Zeit, von der hier die
Rede ist. Die Erscheinungen, die damit zusammenhängen, machten auch
den Befehlsstellen der Feldarmee und des Hinterlandes schwere Sorgen,
die aus zahlreichen Aktenstücken zur Nachwelt sprechen.
Den Gradmesser für den nationalen Widerstand der einzelnen
Völker bot von Anbeginn das Verhalten der tief ins Innere des Reiches
eingebetteten Tschechen. Die Stimmung in Böhmen und Mähren ließ schon
nach den ersten Rückschlägen in Galizien und Serbien gar manches
zu wünschen übrig. Ungünstige Nachrichten vom Kriegsschauplatze ver-
breiteten sich rasch, die Zeitungen und die Gesichter der Intelligenz ver-
rieten trotz der durch den Ausnahmszustand drohenden Gefahren nur
schlecht verhehlte Befriedigung. Beim Ausmarsch der zweiten Marsch-
bataillone, Mitte September, kam es schon zu allerlei Zwischenfällen. Zum
mindesten schmückte man sich mit Fähnchen und Bändern in allslawischen
Farben, die auch auf den Feldzeichen der Feinde zu sehen waren. Zum
28
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
Waffendienst Einberufene trugen wohl auch Trauerabzeichen. Die ur-
sprünglich nur von einer dünnen Schichte der städtischen Intelligenz aus-
gehende Feindschaft gegen Österreich griff tiefer in die Massen, als sich
die Russen der Festung Krakau und damit den Ländern der Wenzels-
krone näherten. Proklamationen des Großfürsten Nikolai und seltsamer-
weise auch des Generals Rennenkampf wurden in aller Heimlichkeit
weitergegeben, allenthalben rüstete man sich zum Empfang des „Be-
freiers". Damals wurden die ersten Todesurteile wegen Hochverrates
gefällt. Solches waren die Eindrücke und Erlebnisse, mit denen der
tschechische Reservemann in die Front kam, um dort die durch den
Krieg gerissenen weitklaffenden Lücken zu füllen1).
Aber auch von der Feindseite her winkte die Verlockung. Tschechische
Kolonisten hatten gleich zu Kriegsbeginn mit der Aufstellung von Für-
sorgevereinen zugunsten der slawischen Gefangenen begonnen. Die zahl-
reichen Gefangenen, die alsbald eingebracht wurden, „diese Armee von
Brüdern, die mit dem Schwerte bezwungen war", sollten nunmehr, wie
es in den Zeitungen hieß, „auch geistig erobert werden". Gleichzeitig
wurde an die Errichtung tschechischer Legionen geschritten, deren Ver-
wendung als Kampftruppe der Zar zwar noch nicht zuließ, deren erste
Abteilungen aber schon im Winter als Kundschafter und Propagandisten
an der Front auftauchten. Der Heeresleitung kamen auch allerlei Mel-
dungen zu, daß jeder Gefangene, der sich als Mitglied des nationalen
Turnvereines der Sokoln (Falken) legitimieren konnte, eine bevorzugte
Behandlung erhoffen durfte. Wie dem auch war, so ist im allgemeinen
doch festzustellen, daß die Fälle unmittelbaren Einvernehmens mit dem
Feinde seltener gewesen sind, ¡als man annahm. Die Folgen der politischen
Einflüsse traten freilich dennoch zutage, wie es sich besonders kraß beim
IR. 36 und beim SchR. 30, die aus den nationalsozialistischen und anti-
militaristischen Bezirken Jungbunzlau und Hohenmauth stammten, am
26. Oktober bei Jaroslau zeigte. Wirkte die politische Zersetzung nicht
unmittelbar, so drückte sie doch auf die Widerstandskraft der betreffen-
den Regimenter. *
Nicht so oft, aber gleichfalls nicht ganz unbedenklich äußerten sich
ähnliche Erscheinungen bei den Truppen mit vornehmlich serbischer
Mannschaft. Serben bosnischer Truppenteile wurden zu Kriegsbeginn zu
Arbeiterabteilungen zusammengezogen und außerhalb der Kampfzone
verwendet. Sie baten, wieder zum Regiment eingeteilt zu werden. Man
willfahrte ihnen, doch benützten viele die erstbeste Gelegenheit, um zum
1) Molisch, Vom Kampf der Tschechen um ihren Staat (Wien 1929), 33f.
Bestrebungen der Heeresleitung
29
Feinde zu entweichen. Wenig befriedigten in den Karpathen die Truppen
aus Istrien. Besondere moralische Belastung legte die Besetzung Ost-
und Mittelgaliziens durch die Russen den von dort stammenden ruthe-
nisch-polnischen Regimentern auf. Ihre Soldaten wußten Familie, Haus
und Herd hinter den feindlichen Schützenlinien einem unbestimmten
Schicksal preisgegeben. Es war zu verwundern, daß nicht viel, viel mehr
Leute dem Lockruf der Russen, frei in die Heimat zurückzukehren,
erlagen, als es wirklich geschah1).
Die Heeresleitung, welche die ungünstigen politischen Einwirkungen
auf die Armee mit wachsender Sorge verfolgte, erblickte nicht zu Un-
recht die Wurzel alles Übels in den nationalpolitischen Verhältnissen des
Reichsinnern. Wohl waren schon seit Kriegsbeginn Hochverrat und die
diesem verwandten Vergehen und Verbrechen auch im Hinterlande der
militärischen Gerichtsbarkeit unterworfen2), das hatte sich aber nicht
als hinreichend wirksam erwiesen. Das AOK. bemühte sich, die beiden
Regierungen zu einem schärferen Kurs zu gewinnen, stieß aber auf die
bestimmte Ablehnung sowohl der Kabinette als auch des Kaisers selbst.
Die Ministerpräsidenten stellten die Tatsachen wohl nicht in Abrede,
hielten aber die Schilderungen des AOK. für übertrieben und waren auch
der Anschauung, daß durch allzu scharfe Mittel die Lage höchstens noch
verschlechtert werden könnte. Auch die Vorschläge, für Böhmen einen
militärischen Statthalter und auch für Kroatien einen General als Banus
zu bestellen, blieben unberücksichtigt. In Bosnien und in der Herzego-
wina schritt der um Weihnachten 1914 zum Landeschef ernannte Gdl.
v. Sarkotic mit sicherer Hand an die Befriedung des noch zum KriegSr-
gebiet gehörenden Landes3).
Der deutsche Bundesgenosse war im Monate Oktober zum erstenmal
in nähere Berührung mit dem öst.-ung. Heere getreten. Das Urteil, das
er um die Jahreswende über dieses hatte, war recht düster; wie leicht
man bei solchen Äußerungen allerdings den Eindrücken des Augen-
blickes erliegt, zeigt sich daraus, daß Falkenhayn zu derselben Zeit auch
das deutsche Heer ein „zertrümmertes Werkzeug" nannte4).
!) Den besetzten Gebieten entstammte fast ein Achtel der gesamten Wehrmacht.
2) Vgl. Redlich, Österreichische Regierung und Verwaltung im Weltkriege
(Wien 1925), 119 f.
3) Erzherzog Eugen hatte bei der Ernennung zum Kommandierenden der Balkan-
streitkräfte die Absicht, Sarkotic als Generalstabschef an seine Seite zu nehmen. Der
Kaiser entschied jedoch, daß sich der General nach Sarajevo zu begeben habe, wo er
bis zum November 1918 die Verwaltung des Landes führte.
4) Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914-1918 (Berlin 1929), VI, 363 und 415.
30
Die Lage um die Jahreswende 1914/15
Die Zusammenarbeit zwischen den Verbündeten sollte in den Kar-
pathenkämpfen des ersten Vierteljahres 1915 noch enger werden. Die
deutschen Offiziere hatten es in der eigenen Armee bald nach Kriegs-
ausbruch erlebt, daß man mit Elsässern und Lothringern aufgefüllte
Regimenter vom französischen Kriegstheater nach dem Osten verlegen
mußte. Nun lernten sie ein Heer näher kennen, bei dem solche Schwierig-
keiten vervielfacht waren. Sie trafen mit allen Nationen des Reiches zu-
sammen, am wenigsten leider mit Regimentern deutscher Stammes-
zugehörigkeit, und sahen mit Staunen auf die Buntheit einer Wehrmacht,
an deren Aufgaben und Leistungen sie bisher keinen anderen Maßstab
angelegt hatten als an das eigene Heer1).
Dieser Armee des Habsburgerreiches, damals wirklich fast zur
Schlacke ausgebrannt und zu einem Milizheer geworden, wurde bald
nach der Jahreswende 1914/15 von der Führung ohne Zögern eine neue,
unerhört schwere Feuerprobe auferlegt, die sie trotz eines unleugbaren
Übermaßes an Anforderungen unter abermaligen schweren Kräfteein-
bußen, aber wieder durchaus ehrenvoll, bestehen sollte.
1) Die Tabellen 5 und 6 der Beilage 1 zeigen die nationale Zusammensetzung
der verschiedenen Truppenkörper sowie des Offizierskorps und dessen Nachwuchses.
Die Verfolgung der Russen nach der Schlacht
bei Limanowa-tapanów
Das unbefriedigende Ergebnis der Verfolgung und die
Führerentschlüsse auf beiden Seiten
(13. Dezember)
Hiezu Beilage 27 von Bd. I. und Beilage 2
Schon seit dem Eingreifen der 3. Armee in die Schlacht bei Lima-
nowa-Lapanów erwog die Heeresleitung, wie dem südlich der Weichsel
kämpfenden russischen Heeresteile möglichst viel Abbruch zugefügt
werden könnte. Conrad beabsichtigte, wie aus seiner Aufzeichnung vom
11. Dezember abends1) hervorgeht, Boroevic die Offensive gegen Norden
mit dem linken Flügel auf Zakliczyn—Gromnik, mit der Mitte auf Tu-
chów—Pilzno und mit dem am rechten Flügel kämpfenden VII. Korps
auf Frysztak—Strzy£ow fortsetzen zu lassen. Der Chef des Generalstabes
hoffte vorerst auf einen vernichtenden Erfolg gegen die eingekeilten
Truppen Dimitriews. Mit der 3. Armee mehr nach rechts, das heißt gegen
Nordosten „vorzuhalten", erschien im Augenblicke noch nicht nötig, da
die Russen noch zu tief in Westgalizien steckten.
Noch ohne Kenntnis dieses Planes strebte Gdl. Boroevic mit seinem
Armeebefehle vom 13. den gleichen Zielen zu. Aus Teschen erfuhr er,
daß Szurmay und Berndt auf dem westlichen Dunajecufer nicht mehr
gebraucht würden und daher scharf gegen Norden abschwenken konnten.
Weiters wußte man aus Fliegermeldungen, daß der Raum nördlich von
Jaslo—Biecz mit russischem Fuhrwerk vollgestopft war, woraus hervor-
ging, daß der Feind noch in Reichweite sein mußte.
„Eine letzte Anstrengung noch und der Rückzug des Gegners wird
zur Flucht", so feuerte der Armeeführer seine Truppen an, von denen
er „rücksichtslose Verfolgung" forderte. Die durch Infanterieabteilungen
zu verstärkende 4. KD. hatte sich an die Spitze zu stellen und das rechte
Dunajecufer entlang vorzugehen, Szurmay zwischen diesem Flusse und
der Biala mit der Mitte auf Zakliczyn, das IX. Korps auf Gromnik—
•
1) Conrad, Aus meiner Dienstzeit (Wien 1921—1925), V, 728 f.
II 3
34
Der Karpathenwinter 1914/15
Tuchów, das III. mit dem rechten Flügel über Pilzno gegen Tarnów und
das VII. auf Frysztak—Strzy£ow vorzustoßen; weiters sollten Krautwald
gegen Sanok—Lisko und die 6. ID. als Armeereserve gegen Strohe vor-
rücken. Das Festungskmdo. Przemysl wurde ersucht, die Gegend Jaroslau—
Dçbica—Krosno—Sanok durch seine Flieger aufzuklären.
Die hochgespannten Wünsche des Feldherrn für die nach errungener
Entscheidung einsetzende Verfolgung gingen jedoch nicht in Erfüllung.
Vor der 4. Armee (Bd. I, S. 812) baute der Feind am 13. Dezember
nun auch im tososinatale ab. FML. Arz folgte unter Nachhutgefechten
mit seinem linken Flügel (Teilen der 13. und der 45. SchD. sowie mit der
6. KD.) bis auf den von der Kobyla im Bogen über A 493 nächst Michal-
czowa streichenden Bergrücken ; anschließend erreichte sein rechter Flügel
den Mündungswinkel der Lososina bei Witowice. In diesen Kämpfen
wurden den Russen etwa 2000 Gefangene, zahlreicher Troß und ver-
schiedenes Kriegsgerät abgenommen. Vor der übrigen Front der Armee
des Erzherzogs, so namentlich nördlich von Bytomsko, behauptete sich
jedoch der Feind in unverminderter Stärke und wies jede Annäherung
durch lebhaftes Artilleriefeuer ab.
Die Luftaufklärung stellte indes überall große Truppen- und Troß-
kolonnen im Marsche nach Osten fest und bestätigte damit, daß jeder
örtliche Widerstand der Russen nur mehr dem Zeitgewinne diente. Ein
frontales Zurückdrücken des nächst Bochnia in kaum bezwingbarer Stellung
standhaltenden Feindes lag nicht in der Absicht der Heeresleitung; diese
rechnete im Gegenteil darauf, daß die Auswirkung der durch die 3. Armee
aus der Tiefe angesetzten Umfassung umso größer sein werde, je länger
der Russe im zurückhängenden Frontsacke westlich vom Dunajec ver-
weilte. Neuerlich lockte der Gedanke, den Erfolg auf dem rechten Flügel
der 4. Armee durch Zuführen des ganzen XVIII. Korps zu steigern.
Doch hätte dieses dort erst drei bis vier Tage später eingreifen können
und es wäre unter Umständen vielleicht gerade in dem Augenblicke weit
hinter der Front gewesen, da der Feind^ locker ließ und ein energisches
Nachdrängen am Platze war. Überdies war es nicht ausgeschlossen, daß
die Russen wieder zu einem Offensivstoße ausholten, um sich den unge-
störten Rückzug zu sichern; nach Gefangenenaussagen und Kundschafter-
meldungen planten sie, gegen Gdów vorzubrechen. Das 4. Armeekmdo.
zog daher das Gros des XVIII. Korps x) von Wieliczka (Bd. I, S. 811) in
den Raum Gdów—Dobczyce.
!) Die 86. SchBrig. (5 Bataillone und 2 Batterien) befand sich am 14. zur Ver-
fügung Roths in Tymbark.
Verfolgungskämpfe
35
Die gegen die feindliche Rückzugsstraße Zakliczyn—Gromnik vor-
getriebene Verfolgung vermochte in dem unwegsamen, stark vereisten
Wald- und Berggelände, wo die Wege häufig durch leicht sperrbare
Engen zogen, nicht rasch vorwärts zu dringen; überdies deckte die starke
Reiterei des Russengenerals Dragomirow den Abzug der inneren Flügel-
korps der 3. und der 8. Armee. Die Erschöpfung der öst.-ung. Truppen
und die vorzügliche Rückzugstaktik der feindlichen Führer ersparten
Iwanow schwere und mit Katastrophen verbundene Verluste.
Auch bei der k. u. k. 3. Armee (Bd. I, S. 809 ff) enttäuschten am 13.
die Ergebnisse der Verfolgung.
Die 4. KD. konnte infolge der Zerstörung der Popradbrücke nur bis
Neusandez gelangen; die 38. und die komb. HID. rückten in Fühlung mit
feindlicher Reiterei bis auf etwa 10 km an die Straße Zakliczyn—Gromnik
heran, hinter den Honvéds folgte die 11. LstTerrBrig., GM. Nottes. Die
6. ID. verschob sich als Armeereserve nach Stro£e. Beim IX. Korps gerieten
die beiden Divisionen im Laufe der Verfolgungskämpfe in auseinander-
strebende Richtungen; dabei gewann die 26. SchD. verhältnismäßig rasch
Raum, konnte sich aber der feindlichen Stellungen bei Staszkówka eben-
sowenig bemächtigen, wie die beiderseits der Ropa fechtende 10. ID. den
Widerstand der Russen südwestlich von Biecz zu brechen vermochte. Das
III. Korps drückte mit seiner Hauptkraft die russische 4. SchBrig. aus
dem Räume nördlich von Zmigrod in der Richtung auf Jaslo zurück,
wogegen auf dem linken Flügel die 44. SchBrig. nicht imstande war, den
auf der Ostra Ga. eingenisteten Feind zu vertreiben. Das IR. 27 schwenkte
von Zmigrod aus nach Osten zur Unterstützung des VII. Korps ab. Dieses
zwang Teile des XII. Russenkorps nach einem vierstündigen Morgenge-
fechte nördlich von Dukla zur Preisgabe ihrer Stellungen; ein gemischtes
Detachement besetzte in der Nacht zum 14. kampflos den Straßenknoten
bei Miejsce Piastowe. Auch vor der durch ein Regiment der 20. HID.
verstärkten 5. HKD. wich der Feind zurück. Ebenso wie am Vortage kam
die Gruppe Krautwald flott vorwärts; die 1. KD. näherte sich dem Orte
Zagórz bis auf eine Wegstunde, traf aber hier auf eine starke russische
Stellung; die 56. ID. und die 8. KD. erreichten mit ihren Anfängen die
Gegend südwestlich und südlich von Baligród. Das Hauptquartier des
3. Armeekmdos. wurde von Kaschau nach Bartfeld verlegt.
Unterdessen stand die Stawka unter dem schweren Drucke der Lage.
In Polen hämmerten die Deutschen seit der Einnahme von Lod± gegen
die russische Front westlich der unteren Bzura los; sie schienen sich
außerdem, wie in Baranowiczi vermutet wurde, zu einem Vorstoße über
3*
36
Der Karpathenwinter 1914/15
Mlawa anzuschicken. Die Weisungen, die Iwanow am 9. Dezember (Bd. I,
S. 800) für Dimitriews Angriff in Westgalizien ausgegeben hatte, er-
wiesen sich nach dem Anfangserfolge an der Stradomka ebenso unaus-
führbar wie der beabsichtigte Schlag Brussilows gegen die über die Kar-
pathen vorbrechenden Kolonnen der Armee Boroevic.
Nikolai Nikolajewitsch lud die beiden Heeresfrontkommandanten zur
Beratung der zu ergreifenden Maßnahmen fürdenlS.nachBrest-Litowsk1).
Hier wurde beschlossen, mit der 1., der 2., und der 5. Armee in die vor-
bereiteten Stellungen hinter der Bzura und Rawka auszuweichen, um mög-
lichst weit westlich von Warschau sowie rechts der Weichsel in der Rich-
tung auf Mlawa einen ausgedehnten Operationsraum zu behaupten. Ebenso
hatten sich die Armeen der Südwestfront vom Gegner abzusetzen. Durch
diese ausgiebige Frontverkürzung konnten Kräfte erspart werden, die
sowohl zur Verstärkung der 10. Armee in Ostpreußen dienen, als auch
Brussilow zu einem Schlage gegen Boroevic befähigen sollten.
Gen. Iwanow verfügte hierauf, daß sich die 4. und die 9. Armee
zwischen Tomaszów—Chçciny und hinter der Nida festzusetzen hatten.
Die 9. Armee hatte wenigstens zwei Divisionen, womöglich aber zwei
Korps als Reserven bei Chçciny—Stopnica—Staszów zu versammeln. Die
3. Armee erhielt den Befehl, an den Dunajec und die Biala zurückzu-
gehen. Dort sollte sie sich binnen zwei Tagen für eine neue Operation
bereithalten; ihr wurden von der 9. Armee zwei Reservedivisionen über
die Weichsel zugeschoben. Die 8. Armee hatte zur Sicherung dieses Rück-
zuges ein Vordringen der Armee Boroevic gegen die Bahn Tarnów—Jaros-
lau nachdrücklich zu verzögern. Die 11. Armee sollte die Einschließung
von Przemysl aufrechthalten, dabei aber eine Vorrückung des Gegners
über Dynów—Dubiecko gegen Przeworsk—Jaroslau verhindern und mit
ihrem linken Flügel bereit sein, Brussilow zu unterstützen, sobald etwa
öst.-ung. Kräfte gegen seine Ostflanke von Sanokund Lisko her vorgingen.
Das Zusammenwirken der 3. ujid der 4.Armee bis zum
17. Dezember
Diesen Entschlüssen gemäß zogen sich die Russen seit dem grauen
Winterabend des 14. Dezember im Weichselbogen nach Osten zurück. In
Galizien dagegen hielt Gen. Iwanow mit traditioneller Zähigkeit denFront-
*) Danilow (Daniloff), Rußland im Weltkriege 1914—1915 (deutsche Aus-
gabe, Jena 1925), 383; A. Nesnamow, Strategische Skizzen (in russischer Sprache,
Moskau 1922), III, 16 ff und M. Boncz-Brujewitsch, Unser Verlust Galiziens
im Jahre 1915 (in russischer Sprache, Moskau 1921), I, 13 ff.
Der Heeresbefehl vom 14. Dezember
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teil im Weichsel-Dunajecwinkel an diesem Tage noch fest, so daß weder
die 39. HID. und der rechte Flügel der deutschen 47. RD. gegen die russi-
sche Nachhutstellung Rajbrot—Tropie (am Dunajec zwischen Witowice
und Czchów) noch auch die übrigen Teile der 4. Armee nennenswerten
Bodengewinn erringen konnten.
Nach dem am 14. Dezember nachmittags ausgegebenen Heeresbefehle
hatte sich die 4. Armee gegenüber den Stellungen Dimitriews festzusetzen,
sich jedoch abwartend zu verhalten, bis sich die Offensive der rechten
Nachbararmee gegen den Rücken des Feindes fühlbar gemacht habe.
Boroevie sollte bis an die Straße Tarnów—Rzeszów vorstoßen und die
Karl Ludwig-Bahn bei Rzeszów unterbrechen. Als Trennungslinie der
beiden Armeen galt der Dunajec bis zur Bialamündung. Weiters wurde
Erzherzog Joseph Ferdinand angewiesen, die leistungsfähigste seiner
Reiterdivisionen für den Ostflügel der 3. Armee abzugeben. Die Wahl
fiel auf die 10. KD.
Am herandämmernden Morgen des 15. Dezember war endlich die
ganze russische Front von der Weichsel bis Zakliczyn in vollem Rückzüge,
verfolgt von der k. u. k. 4. Armee, die nur an einzelnen Stellen leichte
Nachhutgefechte zu bestehen gehabt hatte. Trotzdem alle Brücken vom
Feinde zerstört waren und trotz unvermeidlicher Friktionen ging die Ver-
folgung am 15. und 16. flott vonstatten, so daß bis zum 16. abends die
Linie Zakliczyn—Biadoliny-Szlacheckie—Szczurowa erreicht wurde. Die
6. KD. und der Rest der 11. HKD. gelangten zur Erholung in die Gegend
nordwestlich von Neusandez, während die vom Festungskmdo. Krakau
vorübergehend unterstellte Landsturmgruppe Oberst Brauner (1. und
35. LstlBrig.) bei Niepolomice auf das nördliche Weichselufer überging
und sich dort im Verbände der 1. Armee an der Verfolgung beteiligte.
Das 4. Armeekmdo. übersiedelte am 16. von Wadowice nach Myslenice.
Der Westflügel der Armee Bor oe vie begegnete am 14. im Abschnitte
südlich von Zakliczyn—Gromnik zwischen Dunajec undBiala der zähen Ab-
wehr russischerNachhuten, die diesenRaum für die Rückwärtsschwenkung
der sich stauenden Truppenmassen solange als möglich festhalten wollten.
Die 4. KD. und die Spitzen Szurmays trafen daher gleich nach dem
Überschreiten der Sicherungslinie auf den Feind. Dieser wurde wohl zwei-
mal zum Aufgeben von Zwischenstellungen gezwungen, doch gelang es
nicht, bis in den heillos verstrickten Russenknäuel bei Zakliczyn hinein-
zustoßen. Immerhin geriet der feindliche Troß in das Artilleriefeuer des
Verfolgers.
Beim IX. Korps nahm der rechte Flügel am Vormittag Biecz. FML.
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Der Karpathenwinter 1914/15
Králicek schloß nunmehr seine Divisionen für die Vorrückung nach Norden
zusammen, ohne jedoch bis zur Bialabrücke bei Gromnik durchzudringen.
Vor dem III. Korps zogen die Russen langsam ab, Jasto wurde von ihnen
geräumt. Das VII. Korps erreichte ohne nennenswerten Kampf Krosno
und schob ein Detachement gegen Iskrzynia. Die nur mehr 500 Reiter
starke 5. HKD. verbrachte die Nacht auf den 15. bei Rymanów. Kraut-
wald gegenüber schienen sich die Russen erst beiLisko stellen zu wollen;
der Gruppenführer benützte den 14., um seine Kräfte für den Angriff
zusammenzuziehen.
Auf Grund des Heeresbefehles dirigierte nunmehr Boroevic die Gruppe
Szurmay, einschließlich der 11. LstTerrBrig., gegen Tarnów, wohin die
4. KD. vorausreiten sollte, das IX. Korps rechts der Biala gegen den
Raum östlich der ebengenannten Stadt, das III. beiderseits der Wisloka
gegen Pilzno und Dçbica, endlich das VII. von Krosno auf Ropczyce—'
Sçdziszow und dessen Kavallerie zur Sicherung gegen Osten auf Rzeszów.
Krautwald hatte dem VII. Korps in der Staffel östlich der Linie Brzozów—
Lutcza—Rzeszów zu folgen und zur Deckung der rechten Armeeflanke
starke Sicherungen bei Sanok zu belassen. Die 6. ID. wurde für den 15.
zum Marsche von Strohe nach Zagórszany (südwestlichvon Biecz) befohlen.
Wenn es den Russen nicht glückte, die Vorrückung der Armee Boroevic
gegen die Straße Tarnów—Rzeszów aufzuhalten, so konnten sie sich auch
an unteren Dunajec, von Aufrollung bedroht, nicht festsetzen. Diese Gunst
der Lage wurde auch in Bartfeld erkannt. „Pflicht der 3. Armee wird es
sein, jeden Versuch des Gegners, sich noch südlich der Karl Ludwig-Bahn
zu halten, durch unaufhaltsamen Vorstoß gegen Norden zu vereiteln."
So drahtete Boroevic am 15. mittags an seine Unterführer.
Indes erzielte an diesem Tage nur sein Westflügel einige Fortschritte,
ohne jedoch das gesteckte Ziel zu erreichen. In engem Anschlüsse an die
Gruppe Arz preßte Szurmay den Feind im Räume bei Zakliczyn noch
enger zusammen. Die komb. HID. erhielt Befehl, links einzuschwenken
und dem Feinde gegenüber der 38. HID. den Rückzug über den Dunajec
zu verlegen, ein gemischtes Detachement würde gegen Tarnów entsendet.
Aber wieder bestand die Zähigkeit der Russen die schwere Probe ; indem
sie sich fest an Zakliczyn klammerten, wehrten sie die Truppen Szurmay s
ab, an deren linkem Flügel die 4. KD. focht.
Noch hartnäckiger kämpfte der Feind gegen das IX. Korps. Erheb-
liche Teile der russischen 13. ID. warfen sich der 26. SchD., die wieder
auf Gromnik losging, aus dem Bialatale entgegen, so daß dem Korps nur
verschwindend geringer Geländegewinn beschieden war. Auch das Vor-
Wachsender Widerstand beim Feinde
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dringen des III. Korps über Jaslo stockte; seine über die Ropa angrei-
fende linke Flügelbrigade wurde sogar auf das Südufer des Flusses zu-
rückgeworfen. Die Divisionen des IX. und des III. Korps fochten jetzt
mit kaum mehr als je 3000 Feuergewehren.
Beim VII. Korps verbiß sich die 17. ID. in hartem Kampfe gegen
eine Höhe nordwestlich von Krosno, die 20. HID. stürmte die Hügel
nördlich dieser Stadt, fiel aber dann in die Abwehr zurück; Iskrzynia
konnte vorerst nicht genommen werden. Die 5. HKD. wurde schon in
ihrem Nächtigungsraume von Norden und Osten her vom Feinde an-
gefallen und mußte durch Teile der 17. ID. unterstützt werden. Kraut-
walds Angriff gegen Lisko verzögerte sich, weil die 56.ID. und die 8.KD.
noch nicht aufgeschlossen hatten.
Um die Operation wieder in Fluß zu bringen, befahl Boroevic der
als Armeereserve zurückgehaltenen 6. ID., am 16. über den linken Flügel
des III. Korps hinaus gegen Siepietnica vorzustoßen und weiters dem
FML. Szurmay, der zurückgebliebenen 26. SchD. des IX. Korps zu helfen.
Die von der 4. Armee abgezweigte 10.KD. (S.37) wurdenachBieczbeordert.
Am 16. gingen die Gruppen Arz und Szurmay auf beiden Dunajec-
ufern in engem Einklänge vor, wodurch es der 38. HID. glückte, in Za-
kliczyn einzudringen. Während die Vortruppen dieser Division dem Feinde
folgten, rang Kornhaber tagsüber hart mit den Russen, ohne daß sich
sein rechter Flügel der Bialabrücke bei Gromnik hätte bemächtigen können.
Wegen der heftigen russischen Artilleriewirkung erzielten die An-
griffe des IX. und des III. Korps kein nennenswertes Ergebnis. Die Truppen
Králiceks fochten hauptsächlich in den Linien vom Vortage; der ver-
suchte Handstreich eines Détachements gegen die Tuchówer Brücke schei-
terte unter ansehnlichen Verlusten.
Boroevic hatte von dem flankierenden Einsatz der 6. ID. nicht nur
die Öffnung der Straße durch das Wislokatal für das III. Korps, sondern
auch einen frischen Impuls für das IX. erhofft. Nichts davon traf zu.
Die 6. ID. konnte sich nur so weit vorarbeiten, daß sie die Lücke zwischen
den beiden Korps ausfüllte; das III. Korps blieb in ein stehendes Gefecht
nördlich von Jaslo verstrickt.
Front gegen Nordosten drängte das VII. Korps die Russen eine Strecke
zurück, wodurch Krosno fest in die eigene Hand gelangte. Krautwald
erwehrte sich in der Nacht und am Morgen wiederholter Vorstöße des
hier wieder angriffslustig gewordenen Feindes, sein eigenes Vorgehen
geriet aber trotz des Einsatzes der 56. ID. auf dem rechten Flügel als-
bald ins Stocken.
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Der Karpathenwinter 1914/15
In Teschen war man unterdessen beharrlich bestrebt, den Sieg bei
Limanowa-Lapanów zu einer möglichst schweren Niederlage für die
Russen auszubauen ; die 3. Armee sollte deshalb kräftigst gegen die Rück-
zugslinien des Feindes wirken1). Noch waren aber die nächsten Absichten
der russischen Führer nicht zu erkennen. Leistete der Feind westlich vom
San neuerlichen Widerstand, dann erschien ein Stoß gegen seinen Süd-
flügel erfolgversprechend; ging er jedoch ohne Aufenthalt hinter diesen
Fluß zurück, ohne seine Stellungen in Polen aufzugeben, dann gedachte
Conrad, mit der 4. Armee die Weichsel zu überschreiten und im Zu-
sammenwirken mit den nördlich des Flusses kämpfenden Kräften den
Feind aus dem Strombogen zu vertreiben, während der 3. Armee die
Sicherung gegen Osten zufallen sollte.
Am 15. Dezember, dem Zeitpunkte, zu welchem bei der Heereslei-
tung diese Erwägungen angestellt wurden, kämpfte jedoch Boroevic erst
in der Beckenreihe Sanok—Krosno—Jaslo ; nichts hinderte die Russen,
hinter der schützenden Wand der Nachhuten Brussilows an den San ab-
wärts von Przemysl, oder gar, was allerdings doch für weniger wahr-
scheinlich gehalten wurde, mit erheblichen Teilen auf das Nordufer der
Weichsel abzuziehen. In beiden Fällen war eine Verstärkung des Ost-
flügels der 3. Armee notwendig, der außerdem stets einem Flankenstoß
frischer Kräfte über Jaroslau—Przemysl—-Chyrów ausgesetzt war.
Conrad wünschte, die Russen möglichst noch diesseits vom San zum
Kampfe zu zwingen, sie gegen Osten abzudrängen und Przemysl ehestens
zu entsetzen. Vorübergehend erwog er eine Aktion der Gruppe FML.
Krautwald im Einklänge mit der Festung. Doch Gdl. Boroevic gab mit
Recht zu bedenken, daß auch sein rechter Flügel im Sinne der im Gange
befindlichen Operation die Nordrichtung beibehalten müsse ; die 3. Armee
sei nicht stark genug, um sich weiter gegen Osten auszudehnen. Das AOK.
hatte immerhin am 15. verfügt, daß außer der bereits zugewiesenen 10.KD.
auch die Masse der Gruppe Arz (39. HID. und 45. SchD.) aus dem Be-
fehlsbereiche der 4. in jenen der 3. Armee überzutreten habe. Am nächsten
Tage steigerten sich jedoch die Befürchtungen Conrads, daß es den
Russen gelingen werde, ungestört hinter den San zu schlüpfen. Er plante
daher, die Hauptkraft der Armee Dankl an den Ostflügel des Gdl. Boroevic
zu verschieben, begnügte sich aber zuletzt damit, das X. Korps hiefür zu
bestimmen, obgleich sich dieses gegenwärtig nördlich von der Weichsel
im Rahmen der 1. Armee an der Verfolgung der an die Nida abziehenden
Russen beteiligte. Es hatte am 17. zur Einwaggonierung nach Krakau zu
!) Conrad, V, 763 f.
Zuversichtliche Stimmung in Teschen
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marschieren und war mit dem Korpskmdo. und der 24. ID. gegen Mezö-
laborcz, mit der 2. ID. auf der gegen Uzsok führenden Bahnlinie zu
transportieren. Boroevic wurde angewiesen, das Korps zur Umfassung der
östlichen Flanke der Russen auf das rechte Sanufer ausgreifen zu lassen.
Es kam nun darauf an, ob diese Maßnahme rechtzeitig wirksam wurde.
Was die Zahl betraf, blieb man den Russen gegenüber stets im Nach-
teil. Das gesamte öst.-ung. Nordheer zählte Mitte Dezember nur noch etwa
274.000 Feuergewehre. Es konnte auch durch die bis zur zweiten Februar-
woche 1915 eintreffenden Marschformationen bloß auf eine halbe Million
verstärkt werden, vorausgesetzt, daß bis dahin keine erheblichen Ver-
luste eintraten.
In Anbetracht der durch die Schlacht in Westgalizien wesentlich ge-
besserten Lage befand sich die Heeresleitung in zuversichtlicher Stimmung,
hielt es aber doch für ratsam, den Unterführern Vorsicht einzuschärfen,
damit die Bahn des Erfolges nicht durch Rückschläge unterbrochen werde.
Dunkle Schatten am Horizont gab es noch immer genug, mußte doch am
14. die Räumung Belgrads verfügt werden (Bd. I, S. 748), wodurch die
Serben volle Muße gewannen, sich hinter der Save—Donau auf neue Ope-
rationen vorzubereiten. Auch kam dem Gdl. Conrad das Gerücht zu Ohren,
daß deutscherseits die Absicht zu Sonderverhandlungen mit dem Zaren-
reiche bestehe; sorgenerfüllt bat er den Grafen Berchtold am 14., seinen
Einfluß dagegen aufzubieten1).
Tatsächlich hatte Gdl. Falkenhayn nach dem Rückschläge auf dem
westlichen Kriegsschauplatze bei Ypern beim deutschen Reichskanzler
angeregt, auf diplomatischem Wege einen Sonderfrieden mit Rußland
herbeizuführen, weil er glaubte, „auf völlige Niederwerfung des Feindes
mit militärischen Machtmitteln überhaupt verzichten zu müssen". Die Be-
sprechungen und Verhandlungen über diesen Gegenstand dauerten, vom
18. November angefangen, etwa einen Monat, wurden dann aber wieder
fallen gelassen, weil Sondierungen ergaben, daß in Rußland keinerlei
Friedensstimmung vorhanden war2).
Schon bei Beginn der Offensive der k. u. k. 3. Armee hatte die Festung
Przemysl durch ihren Ausfall am 9. und 10. Dezember (Bd. I, S. 803) zu
verhindern gesucht, daß sich die russische Einschließungsarmee zugunsten
einzelner im freien Felde verwendeter Teile schwäche. Eine kleinere
Unternehmung im südwestlichen Vorfelde diente am 13. bloß zur Fest-
stellung der im Einschließungsringe stehenden feindlichen Verbände. Mit
1) Conrad, V, 722 und 754 ff.
2) Reichsarchiv, VI, 406 ff.
42
Der Karpathenwinter 1914/15
dem Fortschreiten der Operation der 3. Armee gegen Norden mußte je-
doch demnächst der Zeitpunkt eintreten, in dem die Festung die Ost-
flanke der Streitkräfte des Gdl. Boroevic unmittelbar zu sichern hatte.
Das 3. Armeekmdo. stand in dauerndem Funkverkehr mit Przemysl, unter-
richtete den Festungskommandanten stets über die Lage und ersuchte
wiederholt um Mitwirkung der Festungsflieger bei der Luftaufklärung.
Am 14. funkte das AOK., die Besatzung habe alles aufzubieten, einen
Abmarsch der vor dem Platze stehenden Russen nach Westen zu ver-
eiteln. Kurz darauf teilte das 3, Armeekmdo. mit, daß der Feind vor der
Armeefront den Rückzug in stark gelockerter Verfassung angetreten
habe. Gdl. Kusmanek vermutete, FML. Krautwald sei zum Entsätze der
Festung bestimmt und plante, mit ihm unmittelbar zusammenzuwirken.
Am 15. stießen daher 17V4 Bataillone und 13 Batterien der Besatzung
unter Führung des FML. Árpád v. Tamásy in der Richtung auf Bircza
vor, bemächtigten sich an diesem Tage und am 16. nach weiterer Ver-
stärkung durch drei Bataillone wichtiger russischer Stützpunkte, so daß
in der Einschließungslinie eine Lücke klaffte, die die Straße nach Bircza
freilegte. Schon hielten sich die Schwadronen Tamásys bereit, hier durch-
zustoßen. Damals würde ein Durchbruch noch Aussicht auf Gelingen ge-
habt haben, wenn er bei voller Kenntnis der Lage befohlen worden wäre;
das Auftreten der starken Armeegruppe der Besatzung im Rücken der
feindlichen Front bei Sanok—Lisko hätte entscheidende Bedeutung er-
langen können.
Da trat am 17. eine Krise ein. Die Russen warfen sich von Lisko auf
Krautwald und drängten ihn weit gegen Südwesten zurück; gegenüber der
Ausfallstruppe zog der Feind Verstärkungen an sich und brachte ihren
Angriff zu verlustreichem Scheitern. Niemand ahnte, daß damit die letzte
Aussicht auf den Entsatz der Festung geschwunden war. Die Besatzung
erlitt durch diese Enttäuschung eine schwere Einbuße an seelischer Kraft.
Da schon am 17. abends durch einen Funkspruch der Rückschlag beim
FML. Krautwald in Przemysl bekannt geworden war und der Feind tags
darauf die Vorfeldstellung im Norden des Platzes angriff, ließ Kusmanek
die Ausfallstruppen wieder hinter den Gürtel abrücken.
Die 3. Armee hatte durch die vom AOK. verfügte Überstellung der
Gruppe Arz allerdings eine Verstärkung, freilich aber nur für den weniger
wichtigen Westflügel erhalten. Gdl. Boroevic befahl am 16. mittags, daß
Arz am 17. gegen Tarnów zu verfolgen und Szurmay (38.HID. und ll.Lst-
TerrBrig. Nottes) rechts von ihm über Tuchów gegen den Raum östlich
von Tarnów vorzurücken habe; die komb. HID., von der Gruppe Szurmay
Dankls Vormarsch gegen die Nida
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abgetrennt, sollte im Verbände des IX. Korps über Gromnik in den Rücken
des Feindes gegenüber der 26. SchD. eindringen. Dem IX. Korps wurde
die Richtung über Ryglice gegen Czarna gewiesen; für das III. blieb
die bisherige Direktion auf Pilzno—Dçbica aufrecht, wobei eine Division
als Armeereserve auszuscheiden war, sobald es die Verhältnisse gestatteten.
Das VII. Korps hatte die rechte Armeeflanke zu decken und entbehrliche
Kräfte gegen Ropczyce zu entsenden. FML. Krautwald wurde beauftragt,
den Feind verläßlich festzuhalten und die durch Infanterie zu verstär-
kende 1. KD. zur Unterstützung des VII. Korps gegen Brzozów und Lutcza
zu dirigieren. Sobald sich diese Entsendung fühlbar machte, sollte Erz-
herzog Joseph mit seinem Korps die Offensive auf Ropczyce—Sçdziszow
aufnehmen. Wie schon die 10. KD. wurde auch die 4. KD., auf dem West-
flügel der Armee nicht mehr gebraucht, gegen Osten verschoben.
Nach dem bereits erwähnten Mißerfolge seiner Gruppe befahl Kraut-
wald dem bis Sanok vorgedrungenen Detachement (Major Oskar Zeiss),
dem Feinde die Richtung auf Rymanów zu verlegen und eine Gefähr-
dung der Flanke des hart kämpfenden VII. Korps zu verhindern.
Dem Fehlschlag auf dem Ostflügel stand entgegen, daß um die
Mittagsstunde des 17. der russische Widerstand vor dem III. und dem
IX. Korps erlahmte und namentlich dem III. Korps ein erheblicher Ge-
ländegewinn beschieden war. Arz überschritt am Morgen den Dunajec auf
einer beiZakliczyn geschlagenen Kriegsbrücke, wobei er auf dem linken
Ufer durch die aus dem Verbände seiner Gruppe tretende 13.SchD., auf
dem rechten durch die Gruppe Szurmay gesichert wurde.
Der russische Rückzug nördlich der Weichsel
(15. bis 18. Dezember)
Bei der Armee Dankl und der Armeeabteilung Woyrsch war die
Verfolgung seit dem 15. in vollem Gange. Jene überschritt das Schlacht-
feld, auf dem sie vom 16. bis zum 28. November gestritten hatte und er-
reichte am 17. beim Einbruch der Dunkelheit die Nidzica und die Linie
Dzialoszyce—Deszno. Der nächste Tag wurde zum Aufschließen ausge-
nützt. Regen und Schnee, gänzlich zerfahrene Wege und die starke Über-
müdung der Truppen hatten einen kurzen Halt bedingt. Das X. Korps
war im Sinne des von der Heeresleitung am 16. erteilten Befehles nach
Krakau zurückmarschiert, um mit der Bahn an den Ostflügel der Armee
Boroevic gefahren zu werden.
Bis zum 19. abends rückte die Armee an die hochangeschwollene
Nida, mit der Landsturmgruppe FML. Kletter (106.LstID., 1., 35. und
44
Der Karpathenwinter 1914/15
110. LstlBrig.) abwärts von Wislica, mit dem V.Korps (33. und 14. ID.,
37.HID.) biszurMierzawamündung,mit demi. (5.und 12.ID., 46.SchD.)x)
und links davon mit dem II. Korps (4. und 25. ID., 2. KD.) bis nördlich
von Brzegi. Nennenswerte Zusammenstöße hatten nicht stattgefunden,
ausgenommen bei der Landsturmgruppe Kletter, die sich ihren Weg unter
kleineren Gefechten hatte bahnen müssen. Die dem linken Armeeflügel
auf Kielce vorauseilende 2. KD. fand die Brücke bei Brzegi zerstört und
die jenseitigen Uferhöhen in der Hand der Russen. Nach den Tagebuch-
aufzeichnungen der Korps wurden während des Vormarsches an die
Nida etwa 7000 Gefangene eingebracht.
Links von der 1. Armee gelang es dem Südflügel der Armeeabteilung
Woyrsch, nach Kämpfen mit russischen Nachhuten am 17. die obere
Pilica zwischen Koniecpol und Krzçtow zu überschreiten.
Von der auf dem Nordflügel vorgehenden ArmeeBöhm-Ermolli drang
die Vorhut der 27. ID. des Korps Gallwitz, dem außer der 1. GRD. auch
die Reiterei Hauers unterstellt worden war, in der Nacht zum 16. in die
vom XIV. Russenkorps verlassene Stadt Piotrków ein. Im Laufe des 16.
strebte das XII. Korps von Noworadomsk nach Przedbórz und gelangte
nach leichten Scharmützeln mit der Spitzen division bis Kodr^b; das
IV. Korps, kurze Zeit vom Feinde aufgehalten, erreichte Mierzyn—Lubieñ.
Gallwitz stieß mit der 27. ID. über Piotrków und mit der 1. GRD. auf
Sulejów vor. Gen. Gillenschmidts Reiterdivisionen, die bisher mit der
Deckung der empfindlichen Nordflanke der zurückgehenden Armee Ewert
betraut waren, wichen nach Nordosten auf Tomaszow—Wolborz aus.
Zwischen dem an der Wolborka stehenden linken Flügel der russischen
5. und dem rechten der 4. Armee befand sich nur ein brigadestarker Teil
des XIV. Korps. Als nun Hauer, der mit seiner Reiterei vorauseilte, bei
Sulejów an der Pilica eintraf, stieß er auf zähesten Widerstand. Der Fluß
konnte auch von der vorgezogenen Infanterie des Korps Gallwitz am
16. nicht überschritten werden.
An diesem Tage behaupteten sich die Streitkräfte Plehwes (2. und
5. Armee) noch hinter der Wolborka und Mtoga gegenüber dem Süd-
flügel Mackensens. Vor dessen Nordflügel war aber die russische 1. Armee,
nachdem sie am 13. noch einmal angegriffen hatte, in eiligem Rückzüge
auf das rechte Bzuraufer. Die Deutschen versuchten dort, dem Feinde
südlich von Sochaczew die Flanke abzugewinnen. Es schien möglich zu
sein, die noch westlich von der Rawka haltenden Truppen Plehwes in die
i) Die 12. ID., nach 2arki entsendet (Bd. I, 769), war wieder zum I. Korps zu-
rückgetreten.
Verfolgungskämpfe der 2. Armee bei Przedbórz und Sulejów
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Zange zu nehmen, wenn das Korps Gallwitz gleichzeitig gegen Nord vor-
stieß1). Böhm-Ermolli wurde daher am 16. spät abends von Woyrsch be-
auftragt, die Verfolgung zwar nach Osten fortzusetzen, jedoch eine Divi-
sion über Tomaszów auf Lubochnia vorzutreiben.
Hiefür wurde die l.GRD. bestimmt und dem GO. Mackensen unter-
stellt. Sie nahm am 17. mit dem auf dem Südflügel der 9. Armee befind-
lichen Kavalleriekorps Frommel die Richtung überWolborz gegen den
Rücken der noch westlich von der Rawka befindlichen feindlichen Korps.
Indes hatte der Russe schon in der Nacht auf den 17. den Rückzug hinter
die Rawka angetreten. GO. Mackensen setzte sofort die 1. GRD. und
die Kavallerie Frommeis zur Verfolgung links von der Pilica auf Nowe
Miasto und Grójec an; mit vier Korps seines rechten Flügels wollte er
dem Feinde gegen Osten folgen, während vier Korps des linken Flügels
über die Bzura bis zu der von Skierniewice nach Warschau führenden
Bahnlinie vorstoßen sollten, um die Masse der bereits im vollen Rück-
zuge gegen die mittlere Weichsel vermuteten drei russischen Armeen
— 1., 2., 5. — von Norden her zu umklammern2).
Die Armee Böhm-Ermolli vermochte die versumpfte Pilicaniederung
am 17. nur an zwei Punkten zu überschreiten, da alle Übergänge zerstört
waren und die russischen Nachhuten noch das Ostufer verteidigten. Auf
dem linken Flügel beim Korps Gallwitz mißlangen die bei Sulejów unter-
nommenen Übergangsversuche der 27. ID. und der 9. KD. Dagegen konnte
die 3. KD. oberhalb der Czarnamündung das rechte Flußufer gewinnen.
Vom XII. Korps traf die 16. ID. am Nachmittag vor Przedbórz ein. Das
Vorhutbataillon der Hermannstädter Division stürmte über die halb ver-
brannte Brücke, vertrieb den Feind und legte des Nachts einen flüchtigen
Brückenkopf auf dem Ostufer an.
In der Nacht auf den 18. zog der Russe aber auch vor Gallwitz ab
und gab den Pilicaabschnitt bei Sulejów frei.
Als Böhm-Ermolli den Rückzug der Russen vor dem linken Flügel
Mackensens erfuhr, erwartete er, weder an der Czarna noch bei Opoczno
auf Widerstand zu stoßen. Er beschloß, den Abzug der Armee E wert
gegen die Weichsel durch eine scharfe Verfolgung zu stören.
Am 18. Dezember zu früher Stunde setzten die Truppen der 2. Armee
auf Kähnen und rasch gebauten Stegen dem Feinde über die Pilica nach.
Gallwitz gelangte mit der 27. ID. und den beiden Kavalleriedivisionen
Hauers auf der Straße nach Opoczno bis Mniszków und in den Raum
*) Reichsarchiv, VI, 307.
2) Ebenda, VI, 309 ff.
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Der Karpathenwinter 1914/15
südlich von Tomaszów. Stark besetzte russische Stellungen geboten einem
weiteren Vordringen Halt. Das IV. Korps rückte inzwischen über den
Czarnaabschnitt oberhalb von Przylçk vor, geriet aber dann in das Feuer
eingegrabener russischer Schützen und wurde am Abende vom Feinde
auf das Westufer zurückgedrängt. Auch beim XII. Korps, das an der
Straße von Przedbórz gegen die Czarna und südlich davon vorging, kam
es zu Gefechten. Czermno wurde von der 16. ID. in der Nacht erstürmt,
die 35. ID. blieb aber vor dem stark besetzten Dorfe Pilczyca liegen.
Südlich von der 2. Armee waren die deutschen Divisionen des GO.
Woyrsch an diesem Tage nach Kämpfen mit feindlichen Nachhuten bis
Malogoszcz-Kajetanów gelangt und sahen sich sodann einer starken russi-
schen Stellung an der tososina gegenüber.
Damit war die Verfolgung der Armeeabteilung am 18. abends zum
Stehen gekommen. Woyrsch erkannte sogleich, daß sich der Feind wieder
gestellt hatte und schrieb seinem Südflügel vor, sich vor den russischen
Stellungen hinter der tososina zur Abwehr einzurichten1).
Bei der Armee Mackensen war die 1. GRD. am 17. und 18. nörd-
lich von der Pilica bis über Tomaszów nach Osten, ihr Südflügel bis
an die Rawka vorgedrungen. Die Russen hatten die Bzura bei towicz
aufgegeben, hielten sich aber weiter unterhalb. Nachrichten über die
Hartnäckigkeit des feindlichen Widerstandes ließen vermuten, daß die
Russen entschlossen waren, um diesen Abschnitt zu kämpfen. Damit schien
die Hoffnung zu schwinden, den Feind durch Umfassung von Norden her
entscheidend zu schlagen.
Auch in Teschen tauchten Zweifel auf, ob der Russe seinen Rückzug
bis hinter die mittlere Weichsel fortsetzen werde. Nach Conrads An-
schauung lag die Entscheidung mehr als je an den Flügeln. Seiner Be-
mühungen um die Verstärkung des südlichen Heeresflügels wurde bereits
gedacht; er glaubte fest an die Möglichkeit, den Bewegungskrieg im Osten
bis zum durchschlagenden Erfolge aufrechtzuerhalten, wenn die Deutschen
in Frankreich in der Abwehr verharrten und namhafte Verstärkungen
gegen Rußland warfen. Ihm schwebte das Ziel einer im größten Stile auszu-
führenden doppelten Umfassung der russischen Massen vor, die in riesiger
Breitenausdehnung noch im Weichselbogen und in Westgalizien hielten2).
Zunächst schrieb die k. u. k. Heeresleitung am 18. der Armeeabtei-
lung Woyrsch vor, im Anschlüsse an den längs der Pilica vorstoßenden
Südflügel Mackensens die Front Odrzywól—Konsk—Cminsk zu gewinnen,
*) Reichsarchiv, VI, 311 f.
2) C o n r a d, V, 808 f.
Bildung der neuen russischen Front
47
aus der sie dann im Vereine mit dem linken Nachbar, dessen Vorgehen
sich Conrad über die Bahnlinie Skierniewice—Warschau nach Südosten
dachte, die Umfassung des Feindes von Norden anzustreben hatte. Die
Armee Dankl sollte mit dem rechten Flügel die Weichsel entlang vor-
dringen und bereit sein, auch südlich des Flusses einzugreifen1). Dort
stockte am 17. bei der Erzherzogsarmee plötzlich der Gang der Verfol-
gung. An ihrer ganzen Front kam es zu erbitterten Kämpfen, die einen
neuen Abschnitt des Feldzuges einleiteten.
Die letzten Kämpfe des Kriegsjahres 1914
Die Ereignisse südlich der Weichsel
Bildung der neuen russischen Front.
Die österreichisch-ungarischen Maßnahmen am 17. Dezember
Hiezu Beilage 27 von Bd.I
Auch in der zweiten Dezemberhälfte spielten sich die für den Krieg
im Osten bedeutungsvolleren Vorgänge südlich der Weichsel ab; sie stan-
den unter der Nachwirkung der Schlacht bei Limanowa-Lapanów.
Auf feindlicher Seite war die Ausführung der Befehle Iwanows vom
13. für den Rückzug und die Umgruppierung der 3. und der S.Armee
(S. 36) in vollem Gange. Von den gegen den Erzherzog Joseph Ferdinand
und den Westflügel der Armee Boroevic angesetzten Kräften eilte der
Nordflügel Dimitriews (halbes XI. und IX. Korps) an den unteren Du-
najec zurück, das XXI. und das halbe XI. Korps in den Raum bei
Tuchów und das X. gegen Dçbica. Brussilow zog seine unmittelbar an
der westgalizischen Schlacht beteiligten Armeekörper mit Gewaltmärschen
in die neue, gegen Süden gekehrte Front. So berief er die 10. KD. von
ihrer aussichtsreichen Unternehmung im Kamienicatal (Bd. I, S. 791 f) ab,
um die Verbindung zwischen dem XXIV. und dem XII. Korps herzu-
stellen; dieses hatte zur Deckung vonPrzemysl eine Flankenstellung öst-
lich von Krosno-Rymanów einzunehmen, jenes in den Abschnitt Jodiowa—
Brzostek und das VIII. als Armeereserve an die Linie Rzeszów—Krosno
zu gelangen. Endlich wies Brussilow die 11. Armee an, eine Division zur
x) Es war der gleiche Vormarschplan, wie ihn Conrad zu Beginn des Monats
Oktober der 1. Armee vorgeschrieben hatte (Bd. I, 358).
48 Der Karpathenwinter 1914/15
Vertreibung des Gegners aus Sanok über diese Stadt gegen Rymanów zu
entsenden. Zweifellos lag das Schwergewicht der gegen die Armee
Boroevic gewendeten Russenfront im Abschnitte zwischen der Biala und
Wisloka; denn der Feind hatte auch ein Aufrollen der am Dunajec west-
wärts gekehrten Stellungen zu verhüten. Die von der russischen 9. Armee
abgezweigten beiden Divisionen rückten über die Weichsel; die 61. RD.
erhielt die Bestimmung als Reserve für die 3. Armee, während die 70. RD.
mit dem halben XI. Korps im Räume östlich von Tuchów links vom
XXI das komb. Korps des Generals Sacharow zu bilden hatte1).
Unablässig war Gdl. Boroevic bestrebt, seinen Ostflügel zu ver-
stärken. Er plante, das IX. Korps aus der Front zu ziehen und über
Krosno gegen Sanok abrücken zu lassen. Dadurch wäre es möglich ge-
wesen, das ganze X.Korps (S. 40) im Ungtale auszuladen und mit ihm
sowie mit der wieder zu unterstellenden Gruppe Csermák zu weitaus-
holender Rechtsumfassung der Russen überTurka vorzugehen. Der Armee-
befehl vom 17. abends trug dieser Absicht bereits Rechnung. Die Direk-
tionen für den Westflügel (VI. Korps und Gruppe Szurmay) gegen Tar-
nów und östlich davon blieben im allgemeinen aufrecht, nur sollte der
FML. Kornhaber wieder zu Szurmay, dagegen die 11. LstTerrBrig.
über Gromnik und Biecz in den Verband des IX. Korps treten. Dieses
wurde angewiesen, die Verfolgung einzustellen und vorerst als Armee-
reserve nach Jaslo zu marschieren. Auch die Vorrückungsziele für das
III. Korps — Pilzno und Dçbica — blieben ungeändert; eine gemischte
Abteilung war über Frysztak in den Rücken des dem VII. gegenüber-
stehenden Feindes zu werfen. Dieses Korps hatte mit der 17. ID. gegen
Frysztak, mit der 20. HID. und der 5. HKD. auf Lutcza-Domaradz an-
zugreifen. Von den Reiterdivisionen sollten die 4. KD. zum IX. und die
10. KD. zum VII. Korps gelangen. Endlich wurde Krautwald, dessen
Mißgeschick noch nicht bekannt war (S. 42), aufgefordert, sich in der
Gegend Sanok—Lisko zu behaupten.
Unterdessen hatte sich das AOK. entschlossen, dem Gdl. Boroevic
auch das XVIII. Korps der 4. Armee zur Verfügung zu stellen; im Pa-
ralleltransport sollten das ganze X. gegen Mezölaborcz, das XVIII. ins
obere Ungtal herangebracht werden.
Bald nachdem von Bartfeld die vorerwähnten Befehle abgegangen
waren, langte dort wie auch bei allen anderen Armeekmdos. ein zu-
x) Nesnamow, III, 22 f und Mémoires du Général Broussilov, Guerre
1914—1918 (in französischer Sprache, Paris 1929), 102.
Der Heeresbefehl vom 17. Dezember
49
sammenfassender Heeresbefehl aus Teschen ein. Das AOK.1) billigte die
von Boroevic in Aussicht genommene Verschiebung nach Osten, doch
sollte das VI. Korps nach Erreichung des Raumes bei Tarnów wieder
der 4. Armee unterstellt werden. Erzherzog Joseph Ferdinand hatte mit
starkem rechten Flügel auf der großen Straße Tarnów—Pilzno—Dçbica
und nördlich von ihr vorzugehen, die 3. Armee mit ihren linken Flügel-
gruppen gegen Ropczyce-Rzeszów zu verfolgen. Dem Feinde müsse ein
Festsetzen an der unteren Wisloka durch wirksame Bedrohung seiner
Rückzugslinie verwehrt werden. Hielt er die Sanlinie, so sollte Boroevic
mit dem X. und dem XVIII. Korps zu tiefer Umfassung ausholen.
Kaum hatte der Draht diese Befehle von Teschen weiterbefördert,
als dort die Nachricht einlief, daß die vorerwähnten zwei russischen Di-
visionen — die 61. und die 70. — bei Nowy Korczyn über die Weichsel
gegangen wären und den Marsch nach Süden fortsetzten. Darauf wurde
das 3. Armeekmdo. angewiesen, mit der beabsichtigten Kräfteverschie-
bung zu warten, bis der Erzherzog Joseph Ferdinand die Biata-Dunajec-
linie auch unterhalb von Tarnów überschritten hatte und das sofortige
Eingreifen eines starken Westflügels der 3. Armee nicht mehr geboten war.
Während der nunmehr beginnenden neuen Phase der Operationen
wurde die Auswertung des Schlachtsieges bei Limanowa-Lapanów durch
die Ungunst der Witterung beeinträchtigt. Die Regengüsse der letzten
Tage hatten den Boden durchweicht, die Naturwege waren grundlos ge-
worden, so daß die Artillerie nur unter unsäglichen Schwierigkeiten in
Stellung gehen konnte.
Kämpfe bei X^arnôw und am Dunajec
(18. bis 20. Dezember)
Hiezu Beilage 27 von Bd. I und Beilage 2
Die am 17. von der Erzherzogsarmee im westlichen Anland des mitt-
leren und unteren Dunajec geführten Gefechte hatten dargetan, daß sich
der Russe durchaus nicht beeilte, hinter den Fluß zu kommen; bei der
Gruppe Roth erlitt die deutsche 47. RD. einen empfindlichen Rückschlag
*) Der Heeresbefehl wurde mit Maßnahmen zur Ordnung der Verbände eingelei-
tet. Insbesonders sollte die 86. SchBrig. vom 4. Armeekmdo. nicht über Tarnów hinaus
mitgenommen werden, weil sie ihrem XVIII. Korps nachzufahren hatte, auch war die
komb. IBrig. GM. Reymann des II. Korps (IR. 81, bh. IR. 1 und vier Batterien) von der
4. an die 1. Armee zurückzugeben.
II
4
50
Der Karpathen winter 1914/15
und verlor etwa 600 Mann an Gefangenen1). Beim 4. Armeekmdo. so-
wie auch in Teschen bestand die Auffassung, daß man sich zunächst des
Raumes beiTarnów bemächtigen müsse, worauf der feindlichen Dunajec-
verteidigung durch einen Stoß gegen Norden beizukommen sei. Im
übrigen befahl das 4. Armeekmdo. für den 18., den Russen scharf nach-
zudrängen, ohne sich in vereinzelte und verlustreiche Angriffe einzulassen»
Den südlich von Zakliczyn versammelten beiden Reiterdivisionen wurden
weite Vorrückungsziele gesteckt: der 6. KD. Przeclaw und der 11. HKD.
D^browa. Das XVIII. Korps (ohne die 86. SchBrig., die der Gruppe
Roth folgte) war bereits im Abmärsche nach Krakau.
Überraschenderweise sah sich die 4. Armee auch am 18. auf dem
westlichen Dunajecufer zu ernsten Kämpfen genötigt, in denen es ihr
nicht gelang, den Feind zu werfen. Hartnäckig stemmte sich dieser, den
Fluß unmittelbar im Rücken, in einzelnen stark besetzten Dörfern gegen
den Verfolger, offenbar um sich durch Brückenköpfe auf dem linken
Ufer eine neuerliche Offensive zu erleichtern.
Das 4. Armeekmdo. verlegte sein Hauptquartier von Myslenice in
das Schloß Okocim bei Brzesko. Für den Stoß gegen Tarnów kam beson-
ders das VI. Korps in Betracht, das bereits am 17. zwischen Dunajec
und Biala gegen Norden angesetzt worden war, jedoch tatsächlich dem
Gdl. Boroevic unterstand. In Anbetracht der Lage mußte diesem Korps
trotzdem aufgetragen werden, im Mündungswinkel der Biala und wenn
möglich auch östlich von diesem Flusse mit ausreichenden Kräften gegen
Tarnów vorzudringen. Die 6. KD., die ohnedies die geschlossene Russen-
front nicht zu durchbrechen vermocht hätte, wurde für Unternehmungen
gegen die Flanke und den Rücken des Feindes dem FML. Arz unterstellt.
FML. Roth erhielt aufs neue die Weisung, verlustvolle Stirnangriffe zu
vermeiden; auch schenkte das 4. Armeekmdo. einem Vorschlage Kriteks
kein Gehör, der auf die Nachricht von dem Vormarsche der zwei russi-
schen Divisionen über die Weichsel gegen Süden den unteren Dunajec
überschreiten wollte.
All dies lag vollkommen im Sinne des AÖK. Im Laufe des 18. neigte
man in Teschen nun doch der Auffassung zu, daß der Feind es von neuem
auf entscheidende Kämpfe ankommen lassen werde, umsomehr, als gleich-
zeitig die Offensive der 3. Armee zu stocken begann. Der 4. Armee wurde
daher am Abende des 18. befohlen, von einer Bezwingung des Dunajec
Abstand zu nehmen, sich an diesem Flusse und an der Biala zur Abwehr
einzurichten und ihren rechten Flügel für den bevorstehenden Stoß gegen
x) Reichsarchiv, VI, 314 f.
Das Unternehmen gegeìì Tarnów
51
Tarnów stark zu halten. Hiedur eh sollte es auch der 3. Armee ermög-
licht werden, ihre gelichteten Verbände gegen Osten zusammenzuschieben.
Die Festung Krakau wurde angewiesen, an den Erzherzog zwei 30.5 cm-
Mörser-, vier 15 cm-Haubitz- und zwei 12cm-Kanonenbatterien abzugeben.
Während die Verfolgungsoperationen der 1. Armee und der Armee-
abteilung Woyrsch an der Nida, an der Czarna und im Pilicabogen südlich
von Tomaszów zum Stillstande kamen, versteifte sich am 19. der russische
Widerstand auch südlich von der Weichsel.
Allerdings räumte der Feind in der Nacht vor dem Nordflügel der
4. Armee das Westufer des unteren Dunajec, wo sich die Truppen Kriteks
sofort festsetzten, aber alle Bemühungen der Gruppe Ljubicic und des
Nordflügels der Gruppe Roth, sich der noch immer von den Russen ge-
haltenen Ortschaften diesseits des Flusses zu bemächtigen, schlugen fehl.
FML. Roth wollte dem VI. Korps, das sich im Bialamündungswinkel
festgerannt hatte, durch einen Stirnangriff der 13.SchD. über denDuna-
jec gegen Tarnów Luft schaffen; doch der Erzherzog untersagte das
immerhin gewagte Unternehmen. Inzwischen hatte man sowohl in Teschen
als auch in Okocim erkannt, daß der Einsatz des Korps Arz in dem sich
zwischen den beiden Wasserläufen verengenden Räume unmöglich zur
raschen Gewinnung von Tarnów führen konnte. DasAOK. befahl daher,
das VI. Korps durch Teile der Gruppe Roth abzulösen, woraufhin Arz
auf dem östlichen Biaiaufer gegen die Stadt vorgehen sollte.
Am späten Nachmittag überschritt FML. Schmidt-Georgenegg, der
Führer der 43. SçhD., mit der 86. SchBrig. und dem Gros der komb.
IBrig. Reymann den Dunajec auf einer Kriegsbrücke unweit von Woj-
niez, um den Gefechtsabschnitt des VI. Korps zu übernehmen. Zu spät
traf der Befehl des AOK. ein, der den sofortigen Abtransport der
86. SchBrig; zum XVIII. Korps verfügte, während die komb. IBrig. ohne-
dies der 1. Armee zurückgegeben werden sollte.
In Teschen vermutete man, daß die Russen dem Erzherzog gegen-
über nur ein Mindestmaß an Kräften belassen, sich aber mit der Masse
der Armeen Dimitriew und Brussilow auf Boroevic werfen würden. Da
sonach die 3. Armee bis zum Eintreffen des X. und des XVIII. Korps
einen schweren Stand haben mußte, wurde noch angeordnet, daß ihr
von der 4. das XI. Korps (11. und 30. ID.) zuzuführen sei, weiters hatte
die ll.HKD. unverzüglich nach Osten abzureiten und schließlich wurde
noch das SchR. 5 (zwei Bataillone) der Sicherheitsbesatzung von Pola mit
der Bahn zu Boroevic herangezogen.
Die Erzherzogsarmee konnte ihren Wunsch, die Herrschaft über das
4*
52
Der Karpathenwinter 1914/15
ganze linke Dunajecufer zu erlangen, auch am 20. nicht verwirklichen;
zäh behaupteten sich die Russennester vor ihrer Mitte.
Zu einem Zusammenwirken mit der 1. Armee war es bisher nicht ge-
kommen. GdK. Dankl hatte zwar schon am 19. abends die Verschiebung
der 14.ID. des V.Korps an seinen rechten Flügel eingeleitet, um mit ihr
und der Landsturmgruppe GM. Kletter durch einen Vorstoß zwischen
der Dunajec- und der Nidamündung der Gruppe Kritek vorwärts zu helfen.
Als man aber am nächsten Tage im Hauptquartier zu Miechów den Ein-
druck gewann, daß sich an der Nida von ihrer Mündung bis Chçciny
nur fünf bis sechs russische Divisionen festgesetzt hatten, die übrigen
Kräfte aber nach Kielce zum Abtransport gegen Norden zurückgingen,
beschloß Dankl, am 21. vorerst an der Nida anzugreifen und durch die
Eroberung von Nowy Korczyn die von den Russen hergestellten Weichsel-
brücken (S. 49) zu bedrohen.
Bei der 4. Armee begann das XI. Korps sich in der Nacht auf den
21. aus der Front zu lösen. Die Armee bestand nur noch aus den beiden
großen Gruppen Roth und Kritek1).
Das Stocken der Offensive der 3. Armee
(18. bis 20. Dezember)
Gdl. Boroevic war unterdessen bestrebt gewesen, rasch gegen Nor-
den Raum zu gewinnen. Die Ungunst der Verhältnisse, namentlich die
große Frontausdehnung, verwehrte ihm aber, schon jetzt mit starkem
rechten Flügel entscheidend zu wirken. Dort wies Krautwald am 18.
einen russischen Vorstoß ab und sandte am nächsten Tage auf Befehl des
3. Armeekmdos. zur Unterstützung seines in krisenhafter Lage befind-
lichen linken Nachbarn außer dem Detachement Mjr. Zeiss (S. 43), das
aber noch westlich von Sanok mit feindlicher Infanterie und Kavallerie
zu kämpfen hatte, die 1. KD. nach Bukowsko ab.
Das VII. Korps stand in schwerem Kampfe mit dem feindlichen
XII., dem offenbar Verstärkungen zugekommen waren. Als Erzherzog
Joseph um Unterstützung bat, konnte ihm Boroevic nur empfehlen, die
5. HKD. sowie die auf ihrem Marsche nach Osten südlich von Jaslo ein-
treffende 10. KD. gegen den linken Flügel des Feindes einzusetzen; das
Korps müsse aber Krosno zum Schutze der östlichen Armeeflanke un-
bedingt festhalten. Am 19. vormittags nahm der linke Flügel der 20. HID.
*) Die Polenlegion Pilsudski, die nach der Schlacht bei Limanowa-tapanów in das
Erholungsquartier Neusandez gelegt worden war, wurde nach Zakliczyn herangezogen.
Die Offensive der 3. Armee auf dem toten Punkte
53
die Waldhöhen nördlich von Odrzykon; doch drängte der Russe am
Nachmittag die Angreifer an einzelnen Stellen zurück. Außerdem wurde
das Vorgehen der 10. KD. und der 5. HKD. gegen die feindliche Ost-
flanke durch die Nachricht vom Eintreffen russischer Verstärkungen im
Räume östlich von Brzozów alsbald gehemmt.
Vergeblich bemühte sich das III. Korps, den Widerstand des Feindes
bei Brzostek und bei Jodiowa, wo die 6. ID. eingriff, zu brechen. Um
einer Vergrößerung der Lücke zwischen dem III. und dem zurückhängen-
den VII. Korps vorzubeugen, befahl Boroevic dem Gdl. Colerus, den er-
reichten Raum vorläufig festzuhalten und eine starke Reserve rechts zu
staffeln. Die trotzdem am 19. unternommenen Versuche, gegen Brzostek
Boden zu gewinnen und gleichzeitig die Höhen nördlich von Jodtowa zu
behaupten, waren nicht von Erfolg begleitet.
Das IX. Korps erreichte am 18. in flottem Vorgehen die Gegend bei
Ryglice und schob seine Vorhuten bis an die vom Feinde besetzten Höhen
nördlich vom Orte heran. Die komb. HID. Kornhaber, die Anschluß an
den linken Korpsflügel gewonnen hatte, und die 26. SchD. erstritten am
19. die Hügel nördlich von Ryglice, stießen aber dann auf eine unbe^
zwingbare Stellung. Die 10. ID. wurde mit voller Wucht vom Feinde ge-
packt und zurückgeworfen. Szurmay eroberte im Anschlüsse an das
VI. Korps am 19. vormittags mit der 38. HID. und der 11. LstTerrBrig.
die Höhen nordöstlich von Tuchów, hatte aber dann mit den entgegen-
stürmenden Russen hart zu ringen.
In Teschen und Bartfeld hoffte man, die an einem toten Punkte an-
gelangte Offensive der 3. Armee nach der Durchführung der angeordneten
Verschiebungen und nach dem Eintreffen des X. und des XVIII. Korps
wieder in Schwung zu bringen. Unter dem Schutze der Gruppen FML.
Krautwald und Obst. Csermák hatten sich vom X. Korps die 24. ID. an
der Straße Mezölaborcz—Sanok und im Oslawicatale, Spitze in Ko-
mancza, die 2. ID. dahinter bei Vidrány und im Laborczatale, das
XVIII. Korps im Ungtale mit dem Anfang bei Csontos zu versammeln.
Indes konnte die erste Staffel dieser Verstärkungen nicht vor dem 22. De-
zember auf dem Ostflügel der 3. Armee wirksam werden und Boroevic
war bis dahin auf seine schon arg zusammengeschmolzenen Verbände
angewiesen. Da der Armeeführer an einem Erfolge bei Tarnów zweifelte
und überhaupt der Vertreibung der Russen von der Dunajeclinie nur
untergeordnete Bedeutung beimaß, trat er am 20. vormittags mit einem
neuen Vorschlage an das AOK. heran. Um die Aktion seines Ostflügels
entscheidend zu gestalten, wollte er hier acht bis neun Infanterie- und
54
Der Karpathenwinter 1914/15
fünf Kavalleriedivisionen versammeln1). Vier von den Reiterdivisionen
(4. und 10. KD., 5. und 11. HKD.) sollten anfangs dem VII. Korps als
Verstärkung zugewiesen werden; dabei schwebte Boroevic ihre spätere
Verwendung als großer Kavalleriekörper in der Richtung auf Przemysl
vor. Die Heeresleitung genehmigte den Abmarsch des VI. und des XI. Korps
nach Osten, die 11. HKD. war ohnedies bereits zum Seitenmarsch ange-
gewiesen. Die 4. Armee und der Westflügel der 3. hatten, wenn nicht die
Russen abzogen, in der Abwehr zu verharren, bis der Stoßflügel des
Gdl. Boroevic angriffsbereit war.
Die Vorgänge südlich von der Weichsel trugen aber auch am 20.
weder bei der 4. noch bei der 3. Armee dazu bei, die Absichten des Fein-
des ganz aufzuhellen. Auf dem rechten Flügel der 3. Armee konnte das
VII. Korps den zermürbenden Kämpfen bei Krosno keine entscheidende
Wendung verleihen. Die 17. ID. mußte ein Stück Gelände preisgeben,
worauf die 4. KD., als willkommene Unterstützung begrüßt, auf dem
linken Flügel ins Gefecht trat. Die Schützenlinien der mit der Front
gegen Nordosten fechtenden 20. HID. wurden durch die 5. HKD. ver-
längert, während sich die 10. KD. im Vordringen über Besko gegen Brzo-
ZÓW bald überlegenen Kräften gegenüber sah.
Auch beim III. und beim IX. Korps sowie bei der Gruppe des FML.
Arz, dem Szurmay und Kornhaber vorübergehend unterstellt wurden,
dauerte der Abwehrkampf an. Anfänglich hatte die 6. ID. Erfolge gegen
Jodiowa aufzuweisen; doch warf sie ein russischer Gegenstoß wieder
zurück, so daß der rechte Flügel des IX. Korps zur Hakenbildung ge-
nötigt wurde. Bei diesem Korps zählten die 10. ID. 1400, die 26. SchD.
nur noch 1000 Feuergewehre.
Die Besprechung in Oppeln
(19. Dezember)
Hiezu Beilage 27 von Bd. I sowie Beilagen 2 und 3
Am 17. Dezember, als der russische Rückzug vor der ganzen deut-
schen 9. Armee gemeldet wurde, war bei einer Besprechung in Berlin
zwischen Falkenhayn, dem deutschen Reichskanzler und Ludendorff fest-
gelegt worden, daß der Angriff bis zur Gewinnung der mittleren Weichsel
!) Der damalige Chef der Operationsabteilung des 3. Armeekmdos., GM. Anton
Ritt. v. Pitreich, teilt mit, daß ursprünglich ein Stoß mit sieben Divisionen in der
Richtung auf Stary Sambor geplant war (Schreiben vom 17. Mai 1929).
Die Besprechung in Oppeln
55
fortgesetzt werden müsse1). Tags darauf teilte in Teschen der deutsche
bevollmächtigte General v. Freytag-Loríxighoven dem k.u.k. Chef des Ge-
neralstabes mit, Falkenhayn schlage eine Zusammenkunft vor, um die
weiteren Ziele zu vereinbaren, „der Winter käme immer näher, wir werden
nicht ewig kämpfen"2). Am 19. trafen sich die beiden Generalstabschefs
auf dem Bahnhofe in Oppeln3).
Gleich zu Beginn des Gespräches zeigte sich der Gegensatz der An-
schauungen über die Führung des Krieges im Osten. Daher konnte auch
die Frage, was zu unternehmen sei, wenn die Russen den Weichselbogen
und Galizien bis zum San räumen sollten, keiner befriedigenden Lösung
zugeführt werden. Nach Falkenhayns Ansicht hätte man sich in diesem
Falle damit zu begnügen gehabt, auf dem linken Weichselufer in Polen
eine „chinesische Mauer" aufzurichten, an der jeder feindliche Vorstoß
zerschellen würde. War man einmal so weit, dann wollte der General
ehestmöglich starke Kräfte vom deutschen Ostheere abziehen und mit
diesen Verstärkungen Anfang Februar zu einer entscheidenden Offensive
in Frankreich schreiten.
Das widersprach den Gedankengängen Conrads; er beharrte darauf,
daß der Russe durch umfassenden Angriff beider Flügel geschlagen
werden müsse, sei es westlich oder östlich von der Weichsel. Im zweiten
Falle wäre die Hauptkraft des deutschen Ostheeres über den Narew auf
Siedlec vorzuführen, wie dies schon für den Kriegsbeginn, leider ver-
geblich, geplant gewesen sei. Die Möglichkeit sei vorhanden, die Russen
niederzuwerfen. Gelänge dies, dann würde auch Frankreich zusammen-
brechen und der Balkan ohne seinen zaristischen Beschützer zur Ohn-
macht verurteilt sein.
Falkenhayn teilte diese Auffassung nicht. Die Russen könnten sich,
meinte er, durch Zurückweichen einem Schlage stets entziehen; dann
käme es weder im Osten noch im Westen zu einer günstigen Entschei-
dung. Übrigens werde der Widerstand der Franzosen durch die Briten
gesteift. Die vorgeschlagene Operation über Siedlec erfordere ansehn-
liche Kräfte, weil auch die russische 10. Armee in Ostpreußen abgehalten
werden müsse. Wie stünde es unterdessen im Westen? Würde dort die
deutsche Front durchbrochen, so nützten alle Siege gegen Rußland nichts.
Überhaupt hänge die ganze weitere Beschlußfassung auch von dem Zu-
x) R e i c h s a r c h i v, VI, 310.
2) ConradJ, 809 und 817 ff.
3) In ihrer Begleitung befanden sich GLt. v. Freytag-Loringhoven, der deutsche Obst.
Tappen (Chef der Operationsabteilung der DOHL.) und der k. u. k. Obstlt. Kundmann.
56
Der Karpathenwinter 1914/15
Stande des über die Weichsel zurückgedrängten Zarenheeres ab. Immer-
hin sagte der deutsche Generalstabschef seinem Kollegen zu, dem Ost-
heere nicht früher Kräfte zu entziehen, bis die in Breslau beschlossene
erste Etappe der Operation erreicht war.
Conrad meinte, wenn man die Russen über die Weichsel geworfen
habe, ohne daß die Offensive weitergeführt werde, so wären im Strom-
bogen je fünf deutsche und öst.-ung. Korps zu belassen, die aber nicht in
einer „ununterbrochenen Schützenlinie" aufgestellt werden sollten, son-
dern nur mit Vortruppen in gut befestigten Linien, die Massen hingegen
im Staffelverhältnis an beiden Flügeln. Dieser Vorschlag beleuchtete die
berechtigte Abneigung Conrads gegen den Stellungskordon mit seiner
gleichmäßigen Kräfteverteilung. In der Folge gelang es freilich weder
ihm noch einem anderen Heerführer, sich von den Fesseln des Stellungs-
krieges frei zu machen.
Zu einem Beschlüsse über diese Frage kam es in Oppeln nicht1).
Auch über die Verwaltung der okkupierten Teile Polens wurde gesprochen.
Falkenhayn glaubte, daß die Truppenbereiche die Grenze zu bilden hätten,
überdies aber die Kreise von Bendzin und Czenstochau in deutscher Ver-
waltung zu belassen wären. Eine Einigung konnte nicht erzielt werden 2).
Die k.u.k. Heeresleitung gab nunmehr am 20. Dezember spät abends
zur Fortführung der Operationen Richtlinien aus. Das Hauptgewicht
wurde nach wie vor auf die beiderseitige Umfassung des russischen Heeres
gelegt, von Norden her durch die deutsche 9. Armee, die sich hiezu den
Ausgangsraum wohl erst erkämpfen mußte, und von Süden her durch
die 3. Armee. Erzherzog Joseph Ferdinand, Dankl und Woyrsch hatten
sich vorläufig zu behaupten und nur anzugreifen, wenn der Feind vor
ihnen Kräfte abzog. Wieder dachte Conrad daran, den rechten Flügel der
3. Armee, wenn sich die Lage günstig entwickelte, auf einer weiter östlich
gelegenen Linie vorrücken zu lassen, um Przemysl zu entsetzen und da-
mit eine verläßliche Karpathensicherung zu erreichen. Noch immer blieb
aber das AOK. im ungewissen, ob die Russen auf ihrem vermeintlichen
Rückzüge hinter den San nicht doch nur vorübergehend Front machten3).
In einem tags darauf an den Minister des Äußern gerichteten Schreiben4)
*■) In Oppeln wurde auch über die Besetzung des Negotiner Kreises in Serbien
verhandelt, wodurch die Munitionsversorgung der Türkei sichergestellt werden sollte.
2) Es handelte sich vornehmlich um das Kohlen- und Industriebecken von Bend-
zin-D^browa. Am 10. Januar 1915 wurde in Posen von den Verbündeten beschlossen,
dieses Gebiet zu teilen, um eine beiderseitige Auswertung zu ermöglichen.
3) C o n r a d, V, 832.
*) Ebenda, V, 852 ff.
Zwiespalt unter den russischen Fuhrern
57
schilderte der Chef des Generalstabes die Gesamtlage in nicht erfreuli-
chem Lichte. „Alle Kriegführenden sind einander gegenüber festgefahren,
so daß die Lage eine stationäre ist, woran die täglichen lokalen Kämpfe
wenig ändern..Er halte einen Erfolg nur im Räume östlich von To-
maszów möglich, wozu aber der Einsatz von mindestens sechs deutschen
Divisionen erforderlich sei.
Während Gdl. Conrad auf diese Weise den Feldzug bis zur Nieder-
werfung des feindlichen Heeres fortführen wollte, sann man im russi-
schen Lager über neue Pläne, um den Entscheidungskampf westlich von
der Weichsel und dem San wieder aufnehmen zu können.
Gen. Rußki hielt seine Armeen nicht mehr für stark genug, den An-
griffen der Deutschen hinter der Rawka und der Bzura -standzuhalten
und wollte daher bis in die „Warschauer Vorstellung" zwischen Nowo
Georgiewsk und Gora Kai war ja zurückgehen1), wobei er überdies von
der Sorge um den schon immer erwarteten Vorstoß des Gegners von Mlawa
her erfüllt war. Das deutsche Korps Graudenz hatte die auf dem rechten
Weichselufer operierenden Flügelgruppen der russischen 1. Armee an-
fangs Dezember wieder auf Sierpe, Ciechanów und Przasnysz zurückge-
drückt, mußte jedoch in der Monatsmitte infolge des Eingreifens von
russischen Verstärkungen abermals gegen die westpreußische Südgrenze
ausweichen. Aber Rußki hatte in diesen Tagen alle Zuversicht verloren,
denn die Offensive seiner 10. Armee war in Ostpreußen an der Angerapp
und an den Masurischen Seen festgelaufen, auch traute er seinen Streit-
kräften in Polen keine Kampfkraft zu, ehe ihre Gefechtsstände wieder
aufgefüllt waren.
Dagegen wollte der Großfürst-Generalissimus seinen großen Ein-
bruchsplan nach Deutschland noch immer nicht aufgeben. Er bemühte
sich, die Lage der Nordwestfront durch einen Gegenschlag mit den an
der Pilica und Bzura versammelten Armeen — 4., 5., 1. — wiederherzu-
stellen. Ohne Iwanows Einspruch zu beachten, ordnete er am 16. De-
zember die Verlegung der Garde von der 9. Armee in die Gegend von
Siedlec an, wo sie zur Verfügung der Stawka zu stehen hatte. Ende De-
zember sollte zu dieser Reserve noch das IV. sib. Korps hinzutreten. Außer-
dem schob er die 3. turk. SchBrig. von Brest-Litowsk mit der Bahn nach
Warschau zur Verstärkung der Nordwestfront heran. Trotzdem bestand
Rußki am 17. auf dem weiteren Rückzug. Gab ihm nun das Höchstkmdo.
nach und gingen die Nordwestarmeen auf Warschau zurück, dann riß
der Zusammenhang der beiden Heeresfronten und Iwanow wäre genötigt
*) Nesnamow, III, 14 ff.
58
Der Karpathenwinter 1914/15
gewesen, die Nidalinie preiszugeben sowie mit der 4. und der 9. Armee
gegen Iwangorod zu weichen. Er erhob daher beim Großfürsten eindring-
liche Gegenvorstellungen, denn die Behauptung der Ñida zur Deckung
der Flanke der galizischen Armeen war die Voraussetzung für die Auf-
nahme des Entscheidungskampfes gegen das öst.-ung. Heer. Und abermals
siegte Iwanow im Meinungsstreite der beiden Frontbefehlshaber. Nikolai
Nikolajewitsch wies Rußki an, mit der 2. und der 5. Armee an der unteren
Bzura stehen zu bleiben, während der 4. und der 9. befohlen wurde, die
Linie Lubocz (an der Pilica westlich von Nowe Miasto)—Opoczno—Rado-
szyce, die Lososina und die Nida zu behaupten, wobei die rechte Flanke der
4. Armee zugleich durch einen kräftigen Gegenstoß gesichert werden sollte.
Beginn der russischen Gegenoffensive in Galizien
(21. bis 24. Dezember)
H i e z u Beilage 27 von Bd. I und Beilage 3
Der 21. Dezember wurde zum Wendepunkt für die Operationen süd-
lich der Weichsel. Bisher konnten die Angriffssäulen des Gdl. Boroevic
nach Überschreitung des Hauptkammes der Karpathen nur auf dem West-
flügel zusammenhängende, wenn auch dünne Gefechtsfronten bilden, da-
gegen bewegten sich die einzelnen Gruppen der Armeemitte und nament-
lich des Ostflügels nur in ziemlich loser gegenseitiger Fühlung. In dem
Maße, als Iwanow allmählich seinen Abwehrwall gegen Süden neu er-
richtete, erwies sich die Kampfkraft der k.u.k. 3. Armee nicht mehr aus-
reichend, um den entscheidenden Nordstoß fortzuführen. Am 21. be-
gannen die Russen ihre Gegenoffensive, und zwar das XXI. Korps im
Mündungswinkel der Biata, das komb. Korps Sacharow auf Gromnik—
Biecz, anschließend daran das X. bis Jodiowa und das XXIV. sowie das
XII. bei Jasto und im Abschnitt östlich davon. Gegenüber der Erzherzogs-
armee hatte Gen. Schtscherbatschew die Dunajeclinie zu behaupten1).
Aber auch hier kam es am 21. zu heftigen Kämpfen, denn dieser
russische Führer wollte seine Aufgabe in offensivem Sinne lösen. Er warf
etwa drei Bataillone nördlich von Radlów über den Fluß, stieß aber hier
auf den erfolgreichen Gegenangriff von Kriteks 82.HIBrig. Da ihm die
Auslösung des k.u.k. XI.Korps nicht entging, ließ er seine 5.ID. gegen;
1) Über das VIII. Korps fehlen bei Nesnamow, III, 23 f Angaben. Auch die von
Brussilow beabsichtigte Verwendung (S. 47) scheint abgeändert worden zu sein. Ver-
mutlich rückte es aus seinem Versammlungsraum bei Pilzno zwischen Wisloka und
Wislok vor, denn später tauchte es im Räume bei Jaslo zwischen dem X. und dem
XXIV., mit einer Division auch bei Dukla auf.
Die Kämpfe am Dunajec
59
Radlów und südlich davon losstürmen und brachte die 8. und die 3.ID.
der Gruppe Fabini vorübergehend ins Wanken. Auch die 47. RD. hatte
sich seiner Angriffe zu erwehren. FZM. Ljubicic trat wohl mit der
11. ID. unbehelligt den Abmarsch nach Süden an; doch verzögerte sich
unter dem heftigen russischen Feuer die Ablösung der 30. ID., so daß die
88. KSchBrig. für alle Fälle bei Radlów angehalten werden mußte. Trotz
des am 22. weitertobenden Kampfes festigte sich aber doch die öst.-ung.
Front und die Kaiserschützen konnten am Nachmittag ihrem Korps nach-
rücken.
Heißer wogte der Kampf im Bialamündungswinkel. Nach Ablösung
des VI. Korps (45. SchD. und 39.HID.) durch die Gruppe FML. Schmidt-
Georgenegg (86. SchÇrig. und Teile der komb. IBrig. Reymann) stürzten
sich die Russen mit voller Wucht auf ihren neuen Gegner und drängten
ihn ein Stück zurück. In aller Eile wurde eine Brigade der 6. KD., die
Polenlegion und der Rest der komb. IBrig. Reymann zu Hilfe gesandt.
Beim 4. Armeekmdo. plante man, Schmidt äußerstenfalls auf die west-
lichen Uferhöhen des Dunajec zwischen Zakliczyn und Wojnicz zurück-
zunehmen und das zunächst zur Hand befindliche XI. Korps, rechts von
Schmidt, umfassend in den Kampf eingreifen zu lassen.
Auch in Teschen wurden die Ereignisse an der Nahtstelle der 3.
und der 4. Armee aufmerksam verfolgt. Erzherzog Joseph Ferdinand
wurde am 22. mittags beauftragt, im Einvernehmen mit Boroevic einen
russischen Durchbruch zu verhüten und zu diesem Zwecke selbst anzu-
greifen. Das 4. Armeekmdo. übertrug dem FZM. Ljubicic den Befehl
im Abschnitte zwischen dem Dunajec und der Biala, wobei zu seinem
XI. Korps außer der Gruppe Schmidt noch die 6. KD. zu treten hatte;
Roth sollte mit seiner schweren Artillerie1) den Angriff des Feldzeug-
meisters unterstützen. Hiedurch war aber jetzt das XI. Korps (6500
Feuergewehre) von seiner Bestimmung zur 3. Armee abgelenkt. Ljubicic
verstärkte mit einer Brigade die in verlustreiches Ringen verstrickten
Truppen Schmidts und stellte im Sinne einer vom AOK. gegebenen An-
regung seine Hauptkraft in die Staffel rechts hinten für den umfassen-
den Angriff bereit.
Das VI. Korps (10.300 Feuergewehre) begann am 21. sofort nach
seiner Ablösung unter dem Schutze der beiderseits von Tuchów kämp-
fenden Gruppe Szurmay den Abmarsch an den Ostflügel der 3. Armee,
mußte aber eine gemischte Abteilung bei Szurmay zurücklassen. Am Morgen
i) Die schwere und mittlere Artillerie der Gruppe Roth, einschließlich der aus
der Festung Krakau zugeschobenen, stand geteilt westlich von Wojnicz und bei Radlów.
60
Der Karpathenwinter 1914/15
dieses Tages drängten die Russen das IX. Korps auf die bewaldete Höhen-
kette südlich von Ryglice zurück, wodurch auch die komb. HID. Korn-
haber genötigt war, ihren rechten Flügel abzubiegen. Um das geschwächte
Korps zu unterstützen, hielt Boroevic die im Marsch nach Osten bis Biecz
gelangte ll.HKD. (S. 51) an und wies sie an die Befehle Králiceks.
Am 22. hatte sich Szurmay unter ansehnlichen Verlusten russischer
Anstürme zu erwehren und auch das IX. Korps wurde wieder hart vom
Feinde bedrängt. Im Hinblick auf seine zusammengeschmolzenen Stände
und den ungünstigen Gefechtsverlauf beim benachbarten III. Korps nahm
FML. Králicek den rechten Flügel, die 10. ID., auf die Höhen süd-
lich von dem Straßenstück Olpiny—Olszyny zurück. Unterdessen mar-
schierte das VI. Korps mit der 45. SchD. von Groijmik gegen Biecz und
mit der 39.HID. von Ciçzkowice gegen Zagórszany. Starker Gefechtslärm
scholl von Norden herüber. Eben hatte sich FML. Arz entschlossen, die
45. SchD. zur Entlastung der 10. ID., in deren Reihen bereits die 11. HKD.
focht, einzusetzen, als der Befehl des 3. Armeekmdos. einlangte, mit dem
ganzen VI. Korps über Olszyny in die Flanke des Feindes zu stoßen. Die
hiezu notwendige Gruppierung beanspruchte den Rest des Tages.
Auch das III. Korps, dessen drei Divisionen (6., 28. ID. und 22. SchD.)
insgesamt 10.200 Feuergewehre zählten, mußte am 21. dem übermächtigen
Drucke des Feindes nachgeben und zog während der Nacht in eine Stellung
beiderseits von Jaslo ab. Die 4. KD. trat aus dem Befehlsbereiche des
VII. Korps und schloß an den rechten Flügel des III. an.
Boroevic sah nun alle seine Pläne durchkreuzt, weil die für die Rechts-
verschiebung bestimmten Armeekörper in den Strudel der schweren Ab-
wehrkämpfe seines Westflügels hineingezogen worden waren. Die 86.Sch-
Brig. und das XI. Korps steckten zwischen der Biala und dem Dunajec;
das VI. mußte dem IX. beispringen, dem schon die ll.HKD. zu Hilfe
geeilt war. An eine Verwendung dieser Kräfte auf dem Ostflügel war
vorläufig nicht zu denken. In Anpassung an die neue Lage und in Aus-
nützung der in der Not der Stunde entstandenen Gruppierung beschloß
der Armeeführer nunmehr am 22. nachmittags,* zwischen der Biala und
der Wisloka vorzustoßen und den Feind bei Tarnów kräftig anzupacken.
In Teschen wurde dieser Plan gutgeheißen, die von Boroevic geforderte
Heranziehung des XI. Korps jedoch nicht bewilligt; dafür ordnete das
AOK. an, daß sich die 4. Armee der neugeplanten Offensive nach Maß-
gabe ihres Fortschreitens anzuschließen habe; das Unternehmen des Ost-
flügels der 3. Armee war bis zum Herankommen des X. und des
XVIII. Korps aufzuschieben.
Zuspitzung der Lage bei der 3. Armee
61
Mittlerweile bildeten sich am 21. beim VII. Korps drei Kampfgruppen:
links am weitesten voraus die 17. ID., die zwar auf Frysztak nicht durch-
zudringen, sich aber immerhin zu behaupten vermochte. In der Mitte
mußten die 20. HID. und die 680 Reiter starke S. HKD. in eine kürzere
Front zurückgenommen werden. Zur Rechten vereinigte sich die 10. KD.
in der Gegend bei Besko mit der von Krautwald zugeschobenen 1. KD.
und dem Detachement Mjr. Zeiss. Der Erzherzog Joseph beabsichtigte,
die 17. ID. angesichts der drohenden Umfassung des rechten Korpsflügels
zur Sicherung des Duklapasses nach Süden zu verschieben; doch ver-
langte das 3. Armeekmdo. ein weiteres Ausharren und wies auf die binnen
vierundzwanzig Stunden zu gewärtigende Einwirkung der 24. ID. des
X. Korps hin. Der Widerstandskraft des VII. Korps war aber am 22.
wegen der unaufhörlichen Gefechte nicht mehr viel zuzumuten. Immer
offenkundiger trat die Absicht des Feindes hervor, das Korps von seinen
über den Duklapaß laufenden Verbindungen gegen Westen abzudrängen.
Der Raum bei Krosno konnte nicht länger gehalten werden. Die 17. ID.
ging westlich von der Stadt hinter die Jasiolka zurück, die 20. HID., in
deren Linien die Russen eingebrochen waren, zog mit der 5. HKD. in
der Nacht zum 23. gegen den Ort Dukla ab. Die rechte Flügelgruppe
kämpfte tagsüber mit feindlichen Kräften, die aus östlicher und nord-
östlicher Richtung anrückten *) ; sie wich schließlich aus der Gegend bei
Rymanów nach Deszno zurück. Diese Geländepreisgabe war dem 3.Armee-
kmdo. höchst unerwünscht, denn das VII. bildete den Eckpfeiler für den
Einsatz des X. Korps. Boroevic mahnte zum Standhalten, worauf der
Erzherzog Joseph die von GM. Peteani befehligte Gruppe bei Deszno
(1. und 10. KD. sowie Detachement Mjr. Zeiss) anwies, am 23. wieder
vorzugehen. Weiter östlich rückte FML. Krautwald am 22. auftrags-
gemäß aufs neue in der Richtung auf Lisko vor. Da der Feind Kräfte
gegen das VII. Korps abgezweigt hatte und diese Verschiebungen noch
andauerten, gewann Krautwalds Angriff rasch Boden. Nunmehr hing das
Gelingen der Operation auf dem Ostflügel von der zweckmäßigen Ver-
wendung der Truppen des X. und des XVIII. Korps ab, deren Antrans-
port in vollem Gange war.
Während sich die Lage bei der 3. Armee zuspitzte, konnte bei der
4. und der 1. der neuerlich aufgenommene Plan eines gemeinschaftlichen
Unternehmens der inneren Flügel wieder nicht verwirklicht werden. Die
Gruppe Martiny (14. ID. und Landsturmgruppe FML. Kletter) wurde
1) Vermutlich waren es Teile der 60. RD., die von Sanok westwärts vordrangen,
und die 2. komb. KD., die das Gefechtsfeld von Nordosten her betrat.
62
Der Karpathenwinter 1914/15
selbst knapp nördlich von der Weichsel von den Russen angegriffen und
Kritek mußte alle verfügbaren Kräfte zur Beteiligung an den bei Radió w
andauernden Kämpfen des linken Flügels der Gruppe Roth verwenden.
Die Bereitstellung des XI. Korps für den Gegenangriff (S. 59) ver-
zögerte sich. Das 4. Armeekmdo. befahl auf Grund einer vom AOK. ge-
gebenen Anregung, FZM. Ljubicic habe den Feind zuerst gegen Nord
zurückzuwerfen, sodann den Stoß unter gleichzeitiger Rechtsschwenkung
— rechter Flügel gegen Plesna — fortzuführen und die Russen über die
Biala zu drängen. Roth sollte hierauf weiter unterhalb ebenfalls das West-
ufer gewinnen und seine schwere Artillerie östlich vom Dunajec gegen
die entscheidende Gorskiehöhe ins Feuer bringen.
Demgemäß arbeiteten sich die Truppen des FZM. Ljubicic mühsam
bis zum 24. nachmittags eine kleine Strecke vorwärts. Doch zu einer wei-
teren Ausführung des nicht ganz einfachen Gefechtsplanes kam es nicht.
Gerade jetzt wich die Nachbargruppe Szurmay der 3. Armee aus ihrem
westlich von Tuchów gelegenen Stellungsteile zurück und Ljubicic mußte
unterstützend eingreifen. Schon tags vorher war diese Krise voraus-
gesehen worden, denn die 38. HID. hatte schwere Verluste erlitten und
die Artilleriemunition ging zur Neige. Das 3. Armeekmdo. ermächtigte
Szurmay auf seine Bitte hin, seine Truppen bëiderseits der Biala etwa
bis halben Weges zwischen Tuchów und Gromnik im engen Anschluß
an die südlich von Ryglice stehende 26. SchD. zurückzunehmen. Diese
Division wurde Szurmay am Abende des 23. unterstellt.
Das VI. Korps war (S. 60) vom FML. Arz zu einem Flankenstoß be-
reitgestellt worden, um die 10. ID. zu entlasten, worauf sich diese und die
6. ID. des III. Korps dem Angriffe anschließen sollten. Mit nordostwärts
gewendeter Front drang das Korps Arz am 23. anfangs fließend mit dem
rechten Flügel nördlich von Olpiny, mit dem linken über den Dobrolyn
vor. Als aber die Höhengruppe über den schützenden Bereich der 26. SchD.
hinausgelangte, stürzten sich die Russen auf deren offene Flanke und
drängten sie bis zu der erwähnten, die Umgegend beherrschenden Wald-
kuppe zurück. Die Gruppe FML. Králicek (jetzt 6. und 10. ID.) unter-
stützte Arz im harten, wechselvollen Gefechte; schließlich wurde aber
die ihrem rechten Flügel angegliederte 43.SchBrig. des III.Korps von
den weiter östlich spielenden Ereignissen in Mitleidenschaft gezogen und
zur Bildung eines Abwehrhakens genötigt. Ein starker russischer Angriff
gegen Jaslo hatte nämlich den Gdl. Coleras veranlaßt, in einem Zuge bis
auf die Höhen beiderseits von Zmigrod auszuweichen. Er begründete
diesen Entschluß später damit, daß die 17. ID. des VII. Korps den Rück-
Scheitern der Pläne bei der 3. Armee
63
zug angetreten habe; der Feind konnte nunmehr seinen rechten Flügel
(4. KD. und Teile der 28. ID.) von Nordosten her bedrohen, wodurch auch
die Verbindung mit Zmigrod aufs äußerste gefährdet gewesen sei.
Noch ohne Kenntnis der Gründe, die den Korpsführer zu einem
Rückzüge auf beinahe einen Tagmarsch bestimmt hatten, befahl das
3. Armeekmdo., darüber ungehalten, für den nächsten Tag die Wieder-
herstellung der Front, die sowohl links zur Gruppe Králicek, als auch
rechts zum VII. Korps bedenkliche Lücken aufwies.
Der Morgen des 24. brach an. Coleras schickte sich eben an, seine
drei Infanteriebrigaden und die 4. KD. neuerlich in nordöstlicher Rich-
tung vorzuführen, als frische, auf ein bis zwei Divisionen geschätzte feind-
liche Kräfte zwischen der Wisloka und der Jasiolka vorbrachen und das
III. Korps zwangen, bis auf die Höhen südlich von Zmigrod zurückzu-
gehen. Es war ein Unglückstag. Statt den geplanten Flankenstoß zu führen,
blieb das VI. Korps mit seinen ermüdeten und ungenügend ernährten Trup-
pen an die allgemeine Frontlinie gebannt. Da die Russen ihre Stöße gegen
die Gruppe Králicek fortsetzten und zur Zurücknahme der 6. ID. und der
43.SchBrig. nötigten, erhielt FML. Arz den Befehl, sich in der Abwehr zu
behaupten und verfügbare Kräfte über Biecz zu Králicek abzuschicken,
der mit diesen die zum III. Korps klaffende Lücke ausfüllen sollte.
Dieser Frontriß erweckte in Bartfeld lebhafte Besorgnisse, denn der
Feind konnte jetzt über Jaslo ungehindert durchstoßen. Der Armeeführer
bat daher in Teschen und Okocim um Truppenzuschub, um die vom
VI.Korps bei der 4. Armee zurückgelassene gemischte Abteilung (S. 59)
und wenigstens um die 88.KSchBrig. des ursprünglich für ihn bestimmten
XI. Korps. Die Antworten lauteten nicht tröstlich. Das XI. Korps könne
erst nach dem Kampfergebnis im Mündungswinkel der Biala und nur mit
Teilen nach Biecz dirigiert werden, sobald es Roth gelungen sei, das öst-
liche Dunajecufer zu gewinnen. Um doch einigermaßen auszuhelfen, hatte
die 5. KBrig. der 6. KD. ohne Verzug den Marsch nach Biecz anzutreten.
Boroevic konnte sich nicht verhehlen, daß nunmehr auch der Plan
eines Vorstoßes zwischen Wisloka und Biala gescheitert war.
In Teschen waren am 23. Dezember die letzten Zweifel darüber
geschwunden, daß sich die Russen westlich der Weichsel und des San
zum Entscheidungskampfe stellten. Um sie über diese Flußläufe zurück-
zuwerfen, fehlte es an Kräften. Da vom Kriegsschauplatze in Frankreich
keine weiteren Divisionen abgegeben wurden, konnte sich der Feind von
seinen Niederlagen bei Lodz und Limanowa-Lapanów erholen1).
i) Conrad,V, 863.
64
Der Karpathenwinter 1914/15
Am 24. wurde fast an der ganzen Ostfront gekämpft. Wohl hatte
der Papst schon Anfang Dezember angeregt, die für die Christenheit
bedeutungsvolle Heilandsfeier bei vollständiger Waffenruhe zu begehen;
doch lehnte Rußland ein solches Zugeständnis aus militärischen Gründen ab.
Das Eingreifen des X. Korps auf dem rechten Flügel der 3. Armee und
die Angriffe Pflanzer-Boitins bis zum 25. Dezember
Hiezu Beilage 3 sowie Skizzen 1 und 2
Mit höchster Spannung wurden in Teschen und Bartfeld die Vor-
gänge an der Linie Krosno—Mezölaborcz und östlich von ihr verfolgt;
gab man sich doch der Hoffnung hin, daß durch den Einsatz des X. und
des XVIII. Korps zur Rechtsumfassung der Russen der unterbrochenen
Offensive der 3. Armee ein frischer Impuls verliehen werde und daß die
Früchte des Sieges bei Limanowa-tapanów vielleicht doch noch voll ge-
erntet werden könnten.
Zuerst trat das X. Korps1) auf den Plan. Die 24. ID. wurde als erste
Staffel bis zum¡ 20. Dezember bei Mezölaborcz ausgeladen und marschierte
noch an diesem Tage über den Lupkowpaß vor, aber gleich die ersten
Schritte des mittelgalizischen Korps vollzogen sich unter kräftever-
brauchenden Reibungen. FML. Krautwald, vom 3.Armeekmdo. beauf-
tragt, die Versammlungsmärsche bis zum Eintreffen des Korpsführers,
Gdl. Hugo Meixner, zu regeln, wußte nach den erhaltenen Weisungen,
daß die beiden mit der Bahn einlangenden Korps auf das rechte San-
ufer auszugreifen hatten und dirigierte daher die zuerst ausgeladene
47. IBrig. gegen Wola Michowa. Unter dem Zwange der Umstände
wollte Boroevic aber jetzt das X. Korps in die breite Lücke zwischen
den Gruppen Erzherzog Joseph und Krautwald vorgeführt wissen und be-
fahl am 21. mittags, daß die 24. ID. am selben Tage so weit wie möglich
gegen Bukowsko vorzurücken habe, um bei Sanok einzugreifen. Die nach-
folgende 2. ID. sollte sich vorerst bei Komancz^-Palota versammeln. Schon
war aber die 47. IBrig. nach Wola Michowa abgeirrt. So erreichte-die
24. ID. mit sehr ermüdeten Truppen erst am 22. Bukowsko. Für den kom-
menden Tag wurde dem X. Korps befohlen, mit der 24. ID. in den
Rücken des dem VII. Korps gegenüberstehenden Feindes zu stoßen; von
i) Für die Darstellung der Ereignisse beim X. Korps wurde, wie in früheren
Teilen dieses Werkes, eine unveröffentlichte Studie des FML. Kralowetz, damals Ge-
neialstabschef dieses Korps, verwertet.
Eingreifen des X. Korps
65
der 2. ID. sollten alle nördlich vom Beskidpaß befindlichen Teile (IR. 40)
der 24. nachgesendet werden, während das Gros der 2. ID. bei möglichst
zeitlichem Aufbruche über Jasliska gegen Rymanów unmittelbar zur
Unterstützung des VII. Korps einzugreifen hatte. Die beiden Korps wurden
nicht unter einheitlichen Befehl gestellt.
Der Kampf des VII. Korps am 22. hatte mit dem Abzüge erheblicher
Teile gegen den Ort Dukla geendet (S. 61). Am folgenden Morgen er-
ging aus Bartfeld der Befehl, das Korps habe den gegenüber befindlichen
Feind unbedingt zu binden, damit sich der Stoß der 24. ID. in den Rücken
der Russen möglichst wirkungsvoll gestalte. Der Verlauf des 23. entsprach
jedoch den Wünschen des Armeekmdos. keineswegs. Der Feind warf sich
auf die isolierte 17. ID. und nötigte sie zum Rückzüge in den Raum
nordöstlich von Dukla; bei dem Orte selbst waren die 20. HID. und
5. HKD. nach ihrem nächtlichen Marsche zu früher Stunde eingetroffen.
Die Gruppe GM. Peteani (1. und 10. KD., Detachement Mjr. Zeiss) ging
von Deszno nach Królik-Polski zurück.
Dadurch wurde es den Russen leicht gemacht, Teile ihrer 69. RD.
gegen Osten abzudrehen und eine schirmende Wand gegen die 24. ID.
aufzurichten. Diese Division trat von Bukowsko her bei Odrzechowa ins
Gefecht. In Anbetracht der offenen Nordflanke und der steten Gefahr
einer Rückenbedrohung aus der Richtung von Sanok zögerte der Divisio-
när, den Stoß gegen Rymanów weiterzuführen, da er auch über die Vor-
gänge beim VII. Korps noch völlig im ungewissen war. Die Vorrückung
der Division stockte schon östlich von Odrzechowa. Das Gros der 2. ID.
marschierte gegen Jasliska. Krautwald hatte neuerlichRaum gewonnen und
warf am 24. den Feind in dessen letzte Stellung südlich vom San zurück.
Für diesen Tag wurde dem X.Korps vom 3.Armeekmdo. aufge-
tragen, seine getrennten Teile in der Richtung auf Rymanów im Angriff
zusammenzuschließen, die 24. ID. über Odrzechowa von Osten und die
2. ID. von Süden her. Die geplante Zangenwirkung kam jedoch nicht zu-
stande, weil sich das schwache Gros der 2. ID. damit begnügen mußte,
bei Królik-Polski hinter der Gruppe Peteani aufzuschließen. Als das von
ihr gewärtigte Eingreifen ausblieb, ging die 24. ID., die sich dauernd im
Rücken bedroht fühlte, nach Bukowsko zurück. Damit war die Klammer
geöffnet, die unter einem Unstern begonnene Operation des X. Korps
eigentlich schon jetzt gescheitert.
Am 25. wurde noch ein Versuch gemacht, die Dinge einzurenken.
Erzherzog Joseph, dessen Korps am Vortage von den Russen nicht be-
lästigt worden war, beschloß, den von Gdl. Meixner angeordneten An-
« 5
66
Der Karpathenwinter 1914/15
griff der 2. ID. auf Rymanów zu unterstützen und sammelte hiezu eine
starke Reserve hinter seinem rechten Flügel. Meixner hoffte, auch die
24. ID. von Bukowsko aus wieder vorwärts zu bringen; Boroevic ver-
langte deren sofortigen Angriff. Um die Mittagsstunde traten aber gleich-
zeitig bei Dukla und Bukowsko Krisen ein, die den Fehlschlag der ganzen
Aktion besiegelten. Ehe noch das VII. Korps und die 2. ID. ihre Vor-
rückung begonnen hatten, stieß der Russe gegen Dukla vor. Der Ort ging
verloren; die hartgeprüften Truppen wichen auf die Höhen südlich und
südöstlich vom Dorfe. Die 2. ID. hielt aus diesem Grunde und wegen der
Annäherung feindlicher Abteilungen gegen den eigenen rechten Flügel
ein Vorgehen umso weniger für angezeigt, als sich überdies die beiden
gänzlich erschöpften Reiterdivisionen Peteanis anschickten, auf Weisung
des 3. Armeekmdos. über den Duklapaß in Erholungsquartiere abzumar-
schieren. Die 24. ID. wurde bei Bukowsko überfallen. Im dichten Nebel
versagte die Gefechtsführung, die Truppen fluteten zurück und wurden
erst bei Kulaszne gesammelt, wo der linke Flügel Krautwalds der erheb-
lich geschwächten Division eine Stütze gewährte.
Der Verlauf des 25. zerstörte somit alle Hoffnungen darauf, daß das
X. Korps einen Umschwung herbeiführen werde. Nunmehr bildete das
drei Brigaden starke XVIII. Korps, FML. Tschurtschenthaler, für die
Armeeführung den letzten Trumpf im blutigen Spiele.
Inzwischen war die rechts benachbarte Armeegruppe nicht untätig
geblieben. GdK. Pflanzer-Baltin hatte sich am 15. (Skizze 1) entschlossen,
dem FML. Hofmann zum Wiedergewinn der verlorenen Stellungen an der
galizischen Grenze zu verhelfen. Hiezu sollte die Armeegruppe unter
doppelter Umfassung des Feindes angreifen. Von der 52. ID. wurden drei
Bataillone und zwei Batterien mit der Bahn zum Obst. Csermák geschoben,
der sich dann des Uzsokpasses zu bemächtigen hatte. Durski wurde an-
gewiesen, als rechter Zangenhebel gegen Nordwesten vorzudrücken, worauf
Hofmann die Vorrückung gegen Nordosten anzutreten, Haller auf Zielona
und Schultheisz wieder gegen Uscie Putilla vorzustoßen hatten. Da sich
aber die Russen bei Vezérszállás in letzter Zfeit völlig untätig verhielten,
wollte der Armeegruppenführer das Schwergewicht des Unternehmens
gegen den Uzsokpaß legen und verfügte, daß Hofmann Kräfte dafür
abgebe. Am 19. übernahm FML. Rónai-Horváth den Befehl über die
verstärkte Gruppe Csermák mit dem Auftrage, am nächsten Tage mit
zwanzig Bataillonen und neun Batterien den Kampf um diese wichtige
Einfallspforte zu beginnen. Auch das Detachement Guilleaume arbeitete
sich von neuem über Tiha gegen den Paß vor.
Eroberung des Uzsokpasses
67
Bei Hof mann und Durski entbrannte der Kampf am 18. Dezember.
Tags darauf drangen die 55. ID. in Vezérszállás und die 131.IBrig. in
Almamezö ein; die rechte Flanke der Stoßgruppe schützte Durski. Bald
aber erlahmte der gegen den Vereckepaß gerichtete Angriff aus Mangel
an Reserven und wegen großer Verpflegsschwierigkeiten.
Da erweckte das Zuströmen der frischen Kräfte des XVIII. Korps
im Ungtale beim GdK. Pflanzer-Baltin den Wunsch, wenigstens Teile für
die Zwecke seiner Armeegruppe zu nützen. Angesichts der Besorgnis vor
einem Rückschlag bei Hofmann erschien ihm die baldige Gewinnung des
Uzsokpasses umso dringender. Dreimal drahtete er in der Nacht zum
22. nach Bartfeld, daß es angezeigt sei, der Gruppe Rónai-Horváth die
zuerst ausgeladenen Staffeln des XVIII. Korps für den Angriff auf die
Paßhöhen anzugliedern. Sobald die Russen vertrieben seien, werde er die
Masse dieser Truppen dem 3. Armeekmdo. wieder zur Verfügung stellen
und nur Teile von ihnen zu einem Vorstoße gegen Südosten über Libu-
chora in Flanke und Rücken des gegenüber Hofmann stehenden Feindes
verwenden. Boroevic meinte jedoch, daß das XVIII. Korps, dem er nun-
mehr die Richtung über Baligród gegen Lisko zu weisen gedachte, hie-
durch leicht von seiner Hauptaufgabe, der Offensive gegen Norden, ab-
gezogen werden könnte. Da überdies Rónai-Horváth für das Unternehmen
gegen den Uzsokpaß stark genug war, wurde der Vorschlag Pflanzer-
Baitins abgewiesen. So marschierte das XVIII. Korps vom 23. an aus
dem Ungtale über Takcsány und Cisna gegen Baligród.
Rónai-Horváth nahm trotzdem am 25. nach viertägigen Kämpfen
das hartnäckig verteidigte Gebirgstor bei Uzsok und die braven Truppen
Hofmanns wie Durskis behaupteten sich während dieser Zeit trotz der
Befürchtungen des Armeegruppenführers und der harten ihnen auferleg-
ten Entbehrungen gegen alle Angriffe der Russen.
Rückzug der 3. Armee gegen den Hauptkamm der Karpathen
und Abwehrkämpfe des Südflügels der 4. Armee
(25. bis 27. Dezember)
Hiezu Beilage 3
Das Ungewitter des übermächtigen Ansturmes der Russen tobte gegen
die ganze Front der 3. Armee weiter.
Wie vorausgesehen war, stieß der Feind am 25. Dezember über Jaslo
in die Lücke zwischen den Gruppen Colerus und Králicek hinein und
griff dann von innen heraus die erschöpften und in ihren Reihen ge-
5*
68
Der Karpathenwinter 1914/15
lichteten Truppen mit solcher Heftigkeit an, daß ihre Widerstandskraft
zerbrach und sich die ganze Front auflockerte. Králiíek führte seine
Gruppe gegen Biecz und in der folgenden Nacht mit Bewilligung des
3. Armeekmdos. in die Gegend nordöstlich von Gorlice zurück; ein Dé-
tachement deckte die rechte Flanke gegen die über Jasto vorgedrungenen
Russen. Die vom FML. Arz auftragsgemäß (S. 63) zum Abmarsch gegen
Biecz bereitgestellten Abteilungen waren aufgebraucht worden, als der
Feind die kaum 1000 Feuergewehre starke 10. ID. Králiceks zu zer-
trümmern drohte. Arz hatte in der Nacht zum 25. den andrängenden
Feind durch einen Gegenangriff abgeschüttelt, mußte aber, als am fol-
genden Nachmittag die Linien seiner 45. SchD. durchbrochen wurden, aller
Reserven bar, bis knapp östlich von Olszyny zurückgehen. Wohl konnte
sein linker Flügel an die Gruppe Szurmay gekittet werden, doch zwischen
ihm und seinem Nachbar Králicek hatte sich eine neue Lücke auf getan.
Das 3.Armeekmdo. erhielt von allen Unterführern, mit Ausnahme
von Krautwald, ungünstige Meldungen über die durch den übermäch-
tigen Druck des Feindes geschaffene Lage. Bei der Artillerie herrschte
empfindlicher Mangel an Munition. Gdl. Boroevic berichtete daher nach
Teschen, daß es ihm nunmehr zweifelhaft zu sein scheine, mit dem X.
und dem XVIII. Korps einen für die Gesamtoperation noch ins Gewicht
fallenden Erfolg zu erzielen. Die verfügbaren Feuergewehre reichten für
die ausgedehnte Front nicht aus. Die Armee müsse deshalb in eine kürzere
Linie zurück und dort bis zur Auffüllung der Mannschaftsstände und
der Artilleriemunition Widerstand leisten. Erst wenn möglichst starke
Kräfte mit der Bahn an seinen rechten Flügel gefahren würden, ließe sich
die beabsichtigte Operation wieder aufnehmen. Zunächst beantragte er
die folgende Truppenverteilung:
Die Gruppe FML. Krautwald, vermehrt um die 24. ID., hätte den
Raum nordöstlich vom Lupkowpaß zu halten. Ein offensives Einsetzen des
XVIII. Korps wäre ins Auge zu fassen. Weiters hätten die Deckung der
nachstehend bezeichneten Einbruchswege üj^er die Karpathen zu über-
nehmen: Gdl. Meixner (2. ID., später durch die 1. und die 10. KD. ver-
stärkt) Rymanów—Jasliska—Mezölaborcz; das VII. Korps den Duklapaß;
das III. Korps mit der 4. KD. Zmigród—Alsópagony ; die Gruppe Krâliëek
Gorlice—Zboró; endlich das VI. Korps Grybów—Bartfeld.
Das AOK. stimmte diesem Antrage nur zum geringsten Teile zu.
Noch wollte der Feldherr auf seine Offensivpläne nicht verzichten. Dem-
entsprechend sollten Tschurtschenthaler und Krautwald zuerst gegen
Lisko— Sanok angreifen und hierauf das Gros der Armee Boroevic durch
Einstellung der Offensive der 3. Armee
69
einen Stoß in der Richtung gegen Rymanów entlasten. Die Vorschläge
hinsichtlich des VII. und des III. Korps wurden genehmigt, dagegen
konnte die 3. Armee nicht der Gefahr ausgesetzt werden, nach Süden
abgedrängt zu werden. Die durch Schlesien und Mähren gegen Wien
laufende Hauptverbindungslinie bedurfte ausreichender Deckung. Daher
mußten die inneren Flügel der 3. und der 4. Armee fest aneinander-
geschlossen werden. Aus diesem Grunde gliederte das AOK. die Gruppen
Králicek, Arz und Szurmay in den Verband der Erzherzogsarmee ein
und befahl, daß sie die Höhen beiderseits von Gorlice und die Gegend
nördlich von Lu£na-Gromnik festhalten sollten; die 13.SchD. war vom
4. Armeekmdo. an den rechten Flügel Králiceks zu verschieben, wohin
auch entbehrliche Teile der Gruppe Szurmay zu gelangen hatten, um
einem Einbrüche des Feindes in den Raum zwischen beiden Armeen zu
begegnen. Nach der Festigung der Front waren die 6. und die 24. ID.
wieder ihren Stammkorps zurückzugeben.
Das 3. Armeekmdo. gab um 10h nachm. seinen Unterführern be-
kannt, daß die Offensive vorläufig eingestellt sei und ermächtigte die
Generale Krautwald und Meixner sowie das VII. und das III. Korps,
falls der Feind drängte, bis auf den Hauptkamm der Karpathen zurück-
zugehen. Diese Erlaubnis sollte alsbald ungünstige Folgen nach sich ziehen.
Bei der 4. Armee kam die Gruppe Ljubicic im Mündungswinkel der
Biala nicht vorwärts. Am 25. ging sie wohl neuerlich ein Stück gegen die
Russenstellung vor, doch wurde am Abende ihre nächst des Dunajec
fechtende Gruppe Schmidt vom Feinde zurückgedrückt. Das 4. Armee-
kmdo. wollte die bereits vom Südflügel Roths ausgelöste 13.SchD. *),
die sich im Anmärsche gegen die Kriegsbrücke über den Dunajec unter-
halb von Zakliczyn befand, dem FZM. Ljubicic zur Verfügung stellen.
Auf Grund des spät abends einlangenden Befehles aus Teschen mußte je-
doch die Division —die Infanterie im Wagentransport voran —über den
Dunajec und über die Bialabrücke bei Gromnik zum FML. Králicek ab-
rücken. Um sich für den wichtigen Südflügel neue Reserven zu schaffen,
zog das 4. Armeekmdo. die 38.IBrig. und die 15. ID. Kriteks heran, so
daß bei diesem nur die 37.IBrig. und die 82.HIBrig., insgesamt 9000 Feuer-
gewehre, zurückblieben. Die 82. HIBrig. wehrte am 26. Vorstöße des Fein-
des ab, der unausgesetzt darnach trachtete, seinen Aktionsraum auf dem
westlichen Dunajecufer zu erweitern.
*) Die 13. SchD. wurde durch Flügelstreckung der deutschen 47. RD. freigemacht,
wofür die Gruppe FML. Fabini (3. und 8. ID.) ein Frontstück auf dem Nordflügel der
Deutschen übernahm.
70
Der Karpathenwinter 1914/15
Unaufhörlich wechselte die Lage. Am 26. begannen wuchtige An-
griffe gegen Ljubièic, dessen 86. SchBrig. hiebei so große Verluste er-
litt, daß aufs neue erwogen wurde, die ganze Gruppe bei Zakliczyn auf
das westliche Dunajecufer zurückzunehmen. Damit wäre es aber ausge-
schlossen gewesen, daß sich die von der 3. an die 4. Armee überstellten
Kräfte an der Biala hätten halten können. Diese Gefahr wurde jedoch
abgewendet. Die Regimenter klammerten sich zäh an die Höhe Wal; an
der Standfestigkeit der Verteidiger prallten alle bis zum 27. abends fort-
gesetzten Anstürme des Feindes ab. Außerdem hatte das Armeekmdo.
durch das Einsetzen der 38. IBrig. an den inneren Flügeln der Gruppen
Ljubicic und Roth Hilfe gebracht.
Die Hauptsorge des 4. Armeekmdos. galt jetzt dem neuen Südflügel
der Armee. Obgleich die Russen mit Teilen ihres X. Korps der Gruppe
Králicek an der Straße Jaslo—Biecz—Gorlice und südlich davon folgten,
dabei den rechten Flügel (43.SchBrig.) zu umfassen und hiedurch offen-
bar einen Keil zwischen die beiden Armeen zu treiben suchten, gelang
die Loslösung vom Feinde verhältnismäßig leicht. Die ll.HKD. und die
halbe 6. KD. konnten sogar den ganzen Vormittag des 26. südlich von Biecz
stehen bleiben. FML. Králicek zog seine Truppen geschickt aus der Um-
klammerung und vereinigte die Gruppe bis zum 27. beiderseits der Straße
Gorlice—Grybów, mit der Mitte nächst dem Westrande von Gorlice und
mit dem etwas vorgeschobenem rechten Flügel bei Sçkowa. Dahinter sam-
melten sich die Reste der nur etwa 600 Gewehre zählenden, in ihrer Ge-
fechtskraft verbrauchten 10. ID. Zum Glück traf an diesem Tage die
allerdings nur 3000 Gewehre starke 13.SchD. ein; auch wurde die Vor-
rückung der Russen durch die infolge des Regens elende Beschaffenheit
des Bodens verzögert.
Inzwischen schloß sich die Front auch nördlich von der Gruppe
Králicek wieder zusammen, indem FML. Arz das VI. Korps in die
Gegend Mszanka—Staszkówka führte und mit dem rechten Flügel der
ihm jetzt untergeordneten Gruppe Szurmay feste Verbindung herstellte.
Der Feind schob sich erst am 27. näher an die öst.-ung. Linien her^n;
sein mit starken Kräften unternommener Versuch, bei der 39. HID. durch-
zustoßen, endete mit einem Mißerfolge.
Gdl. Boroevic war über die Abtrennung erheblicher Teile seiner
Armee wenig erfreut und legte dem AOK. dar, daß eine dauernde
Schwächung von Übel sein würde. Ebenso wie die Erfolge der letzten
Operation nur der Offensive seiner Armee zuzuschreiben seien, werde
dies auch in Zukunft sein, weil die Verbindungen des Feindes von Ost
Zusammenschluß der Fronten der 3. und der 4. Armee
71
nach West liefen und bei dem gegenwärtigen Zustande der Straßen und
Wege doppelt empfindlich seien. Je weiter die 3. Armee gegen Süden aus-
weichen müsse, desto schwieriger werde die Lage der 4.; auch die Kaschau-
Oderberger Bahn sei nicht ausreichend zu schützen, wenn sich die inneren
Flügel der beiden Armeen voneinander entfernten. Seine Armee bleibe
immer die entscheidende Staffel; erst wenn sie geschlagen worden sei,
könne der Feind gegen Westen vorgehen.
Um auch seinerseits für die Sicherung der Lücke zur 4. Armee zu
sorgen, verfügte Gdl. Boroevic, daß das III. Korps hinter seinen linken
Flügel Reserven stelle und im Einvernehmen mit Králicek die Übergänge
über die Magóra decke. Weiter sollte das VII. Korps die 10. KD. über
Bartfeld nach Tyliczund die S. HKD. nach Zboró entsenden; beide Reiter-
divisionen hatten nebst der Aufklärung die Verbindung mit dem Süd-
flügel der Erzherzogsarmee aufrechtzuhalten, die 10. KD. überdies den
Tyliczer Sattel zu sperren. Endlich wollte Boroevic das von Pola anrollende
SchR. 5 gegen die Nahtstelle vorführen.
In irrtümlicher Auslegung des vortägigen Armeebefehles (S. 69)
gingen am 26. Dezember bei Tagesanbruch das III. und das VII. Korps
noch weiter zurück; jenes zog nach Krempna ab, dieses beiderseits der
zum Duklapasse führenden Straßen bis nach Tylawa. Für die Truppen
war hiedurch nichts gewonnen; sie mußten im Freien lagern, da die Russen
bei ihrem Rückzüge in der ersten Dezemberhälfte alle Ortschaften in
Brand gesteckt hatten. Der Feind folgte dem Korps des Erzherzogs Joseph
und bemächtigte sich am 27. abends, begünstigt durch Nebel und Schnee-
gestöber, der Höhe südöstlich von Tylawa. Vergeblich bemühten sich
Teile der 17. ID. und die 20. HID., den verlorenen Boden im Gegen-
angriffe wieder zu erstreiten.
Weiter östlich rückte am 26. die 2. ID., die auch mit der Sperrung
des Jasieltales betraut war, unter Nachhutgefechten auf die Höhen süd-
lich von Jasliska ab; tags darauf brachte sie einen von den Russen bei
Einbruch der Dunkelheit über diesen Ort geführten Angriff zum Stehen.
Rechtzeitig hielt Boroevic den Abmarsch der 1. KD. in die Erholungs-
quartiere bei Felsö-vizköz an, so daß ihre 660 Reiter und 16 Geschütze
zur Verfügung der Gruppe Meixner blieben.
Durch den Rückzug der 24. ID. wurde ein Raum von etwa 16 km
Breite beiderseits des Wislok von eigenen Truppen entblößt. Das 3. Armee-
kmdo. wies daher schon am 25. abends das XVIII. Korps an, eine ge-
mischte Abteilung zur Sperrung dieser Talfurche über Komancza zu ent-
senden. Während das Korps am 26. und 27. gegen Baligród aufschloß,
72
Der Karpathenwinter 1914/15
wurde die 24. ID. am erstgenannten Tage neuerdings von den Russen
angefallen und zurückgeworfen. Krautwald war hiedurch gezwungen,
den gegen Lisko schwer erkämpften Raum wieder preiszugeben und
seine Gruppe in die Linie Baligród—Höhe Pasika (westlich von Komañcza)
zurückzunehmen; er plante, am 28. vonderPasika aus mit starkem linken
Flügel zum Gegenangriffe zu schreiten. Die nördlich von Baligród hal-
tende 8. KD., gegen die feindliche Kräfte vorrückten, mußte durch einige
Bataillone des XVIII. Korps verstärkt werden. Alle diese Vorgänge ver-
zögerten die für den 27. vorgesehene Vorrückung Tschurtschenthalers
und Krautwalds gegen Lisko—Sanok.
Die Ereignisse in Przemysl und bei der Armeegruppe Pflanzer-B altin
bis zum Jahresschlüsse
H i e z u B e i 1 a g e 3 s o w i e S k i z z e n 1 u n d 2
Ein wesentlicher Grund, warum Gdl. Kusmanek den Áusfallskampf
am 18.Dezember abbrach (S. 42), bestand darin, daß die russische 82.RD.
auf der entgegengesetzten Seite des festen Platzes die Vorfeldstellung Na
Gor ach—Batycze angriff und einige Vorteile errang. Der Feind wollte
hiedurch offenbar seine Südfront entlasten, vielleicht auch den Vorüber-
marsch von Kräften verschleiern, die den San nördlich von Przemysl über-
schritten und später gegen die Ostflanke des VII. Korps gewirkt haben
mochten1). Teile der Festungsbesatzung mühten sich in verlustreichem
Ringen vom 20. bis 22. ohne Erfolg ab, das verlorene Geländestück der
Vorfeldstellung wieder zu erobern. Am 26. befahl das AOK. durch Funk-
spruch2) dem Gdl. Kusmanek, die Vorrückung des Ostflügels der 3. Armee
am kommenden Tage durch einen Ausfall gegen Südwesten zu unter-
stützen. Nun verzögerte sich aber das Unternehmen Tschurtschenthalers
und Krautwalds um vierundzwanzig Stunden, wovon das Festungskmdo.
jedoch nicht verständigt wurde, weil man es in Bartfeld für zweck-
mäßig hielt, daß der Ablenkungsstoß aus dem festen Platz heraus dem
Angriffe des Ostflügels zeitlich voranging. Çusmanek setzte somit am
x) Vom 17. an beobachtete man aus der Festung die Märsche starker feindlicher
Truppenkörper von Mosciska gegen Radymno. Ob dies die von Iwanow erwarteten
Verstärkungen (62. und 64. RD. der 7. Armee), die vereinigten Ersatzmannschaften der
3. und 8. Armee oder sibirische Truppenteile waren, läßt sich nicht feststellen.
2) Mit Sicherheit ist anzunehmen, daß den Russen dieser Funkerverkehr kein
Geheimnis geblieben ist und sie alle Depeschen zu entziffern gewußt hatten. Mjr.
Stuckheil berichtet, daß Gen. Iwanow dem im März 1915 über Cholm in Kriegsgefangen-
schaft abgehenden Festungskommandanten versichert habe, er sei über alle Vorgänge
im festen Platze stets genau unterrichtet gewesen.
Letzte Offensive der Festung Przemysl
73
27. aus dem südwestlichen Gürtelabschnitt fünfzehn Bataillone und drei-
zehn Batterien in Bewegung. Diese immerhin beträchtliche Kraftgruppe
begegnete jedoch verschärften Abwehrmaßnahmen der Russen und ver-
mochte gegen deren feste Linien nichts auszurichten. Zweifellos hatte bei
den wackeren Besatzungstruppen die schwere Enttäuschung ob des beim
Ausfall vor zehn Tagen erlittenen Mißgeschickes einen Niedergang der
Stimmung herbeigeführt, der ihre Kampflust herabdrückte. Mit diesen
leider ergebnislosen Gefechten endete die Offensivtätigkeit der Festung.
Am Schluß des Jahres verfügte Kusmanek über einen Kampfstand von
83.700 Mann; er war somit numerisch stärker als jede einzelne der im
freien Felde gegen Rußland kämpfenden k. u. k. Armeen; doch befanden
sich darunter 69.000 Landstürmer.
Ebensowenig wie der letzte Ausfall der Besatzung von Przemysl ver-
mochte Pflanzer-Baltin dem Ostflügel des Gdl. Boroevic zu helfen. Zu-
nächst wollte der Armeegruppenführer die Eroberung des Uzsokpasses
durch ungesäumtes Vorrücken Rónai-Horváths über Turka ausnützen,
dann hätte dessen Gruppe gegen Nordwesten auf zuschwenken und bei Lisko
in den Kampf der 3. Armee einzugreifen gehabt. Indes war infolge der
Erschöpfung der Truppen Rónai-Horváths der Höhepunkt des Erfolges
bereits überschritten; nur schwächere Kräfte konnten über Libuchora in
den Rücken des vor Hof mann stehenden Feindes abgezweigt werden
(S.67). Trotzdem rief Pflanzer-Baltin seine ganze Front für den 29. zum
Angriffe auf. Hofmann sollte aufs neue vorgehen, Durski seinen Gegner
kräftig anpacken und die 54. ID. ihren am 17. aufgegebenen Vorstoß
gegen Uscie Putilla wiederholen, wobei das Detachement GM. Schuler vom
Kopilas über Szybeny einzugreifen hatte; endlich wurde Obst. Fischer
beauftragt, an den Kl. Sereth vorzurücken.
FML. Rónai-Horváth ging am 28. und 29. langsam gegen die Höhen
bei Borynia vor, wurde aber an den beiden folgenden Tagen von über-
legenen Kräften angegriffen und bis knapp an den Paßausgang zurück-
gedrängt. Er beabsichtigte, seine hart mitgenommenen Bataillone am Neu-
jahrstag unmittelbar hinter die Gebirgspforte zurückzuführen, um ihnen
eine Erholungsfrist zu gewähren. Schon am 29. hatte die Heeresleitung
mit Rücksicht auf die Ereignisse bei der 3. Armee befohlen, den Uzsok-
paß wohl festzuhalten, aber von einer weiter reichenden Unternehmung
abzusehen. Auch Hofmanns 55. ID. konnte nicht durchdringen; das von
Rónai-Horváth verstärkte Detachement Guilleaume erschien zwar am 31.
in der Flanke und im Rücken des Feindes, wurde jedoch durch frische,
im Fuhrwerkstransport herangebrachte russische Abteilungen an weiterer
74
Der Karpathenwinter 1914/15
Tätigkeit gehindert. Seit Obstlt. Haller am 17. bei Zielona den Feind
zurückgeworfen und die Stellung bei Rafailowa wieder bezogen hatte,
ereignete sich dort und am Tatarenpaß nichts Bemerkenswertes. Befehls-
gemäß schob Obst. Fischer am 28. Vortruppen bis an den Kl. Sereth; an
den beiden letzten Tagen des Jahres mußte er aber wieder dem feind-
lichen Drucke nachgeben1).
Immerhin wagte der Russe gegenüber der Armeegruppe keinen
weiteren Angriff.
Erwägungen und Anordnungen der Führer auf beiden Seiten
(27. bis 28. Dezember)
Hiezu Beilage 3
Am 27. Dezember waren die Russen an der Grenze ihrer Angriffs-
kraft angelangt. Sie durften sich rühmen, die schwere Gefahr abgewendet
zu haben, die ihnen aus dem Vordringen der Armee Boroevic gegen die
Straße Tarnów—Rzeszów erwachsen war. Nunmehr hatten sie es nicht
mehr nötig, ihren Rückzug bis hinter den San und die Weichsel fortzu-
setzen. Um die Erneuerung der Schlagkraft seines Heeresteiles abzuwarten,
beschloß Iwanow, den Angriff einzustellen. Er befahl am 27. Dezember2),
daß die 3. und die 8. Armee die Verfolgung nur mit Vorhuten fortzu-
setzen hätten, damit — wie sich Iwanow hochtönend ausdrückte — die Auf-
lösung des Gegners vervollständigt werde/Über den Dunajec und die Biala
von ihrer Mündung bis Grybów, dann über die Linie Gorlice—2migrod—
Dukla (Ort)—Sanok—Lisko war vorerst nicht hinauszugehen. Wenn der
Ostflügel der Armee Boroevic neuerlich die Offensive ergriff, so sollte
ihn Brussilow unbedingt wieder in die Berge zurückwerfen. Auf dem
linken Heeresflügel waren von der 11. Armee die Übergänge über die
Waldkarpathen zu sichern. Diese Armee hatte überdies „zu entscheiden-
den Operationen" gegen die Festung Przemysl zu schreiten.
Demnach standen der k. u. k. 4. Armee, gieren Südflügel sich noch
vor der bezeichneten Linie befand, weitere Kämpfe bevor, während die
Armee Boroevic unangefochten in ihren gegenwärtigen Stellungen hätte
bleiben können. Vorerst zielten alle Bemühungen der Befehlsstellen in
*) Wie hoch die Persönlichkeit des Obst. Fischer vom Feinde eingeschätzt wurde,
beleuchtet ein Aufruf des russischen Gouverneurs an die Bevölkerung von Czernowitz:
wer Fischer tötet oder dienstuntauglich macht, erhält 50.000 Rubel, wer ihn als Gefangenen
einliefert 100.000 und eine Anstellung im russischen Staatsdienste (Conrad, V, 961).
2) Nesnamow, III, 23 ff.
Der russische Angriff kulminiert
75
Teschen, Okocim und Bartfeld darauf hin, einem Durchstoßen der Front
südöstlich von Gorlice vorzubeugen. Gegen diesen Ort drängten die
Russen heran. Das AOK. hatte schon am 26. an GdK. Dankl gedrahtet,
die 23. IBrig. nach Krakau und das Gros der 12. ID. ehestens nachBoch-
nia marschieren zu lassen, von wo die Division nach Neusandez an den
rechten Flügel der 4. Armee gefahren werden sollte. Weiters wurde am
28. die Bildung eines Kavalleriekorps aus der 4. und der 10. KD. sowie
der 5. und der 11. HKD.1) und den zwei Bataillonen des SchR. 5 aus Pola
unter Befehl des GM. Berndt zur Sicherung des offenen Raumes südwest-
lich von der Magóra sowie der in die Zips führenden Kommunikationen
und der Kaschau-Oderberger Bahn verfügt. In Teschen hielt man an dem
Plane eines Entlastungstoßes durch den rechten Flügel der 3. Armee
gegen Rymanów fest und wollte nach deren Verstärkung die Offensive
gegen Norden wieder aufnehmen.
Die abgelaufene Operation war mißlungen, weil die nacheinander
eingesetzten Divisionen des X. Korps, abgesehen von Führungsfehlern, an
den abgekämpften Truppen des VII. Korps keine Stütze fanden, weiters
weil man unter dem Zwange der Lage geglaubt hatte, nicht auf das Heran-
kommen des XVIII. Korps warten zu dürfen und damit auf den einheit-
lichen Stoß von dreieinhalb verhältnimäßig frischen Divisionen verzichtete.
Das Zurückweichen der 3. Armee
(28. bis 31. Dezember)
Die Aussichten für den Entlastungsstoß des Ostflügels der 3. Armée
gestalteten sich keineswegs günstig. Im Räume bei Baligród behauptete
sich allerdings die Gruppe FML. Lehmann (56. ID. und die durch einige
Bataillone des XVIII. Korps verstärkte 8. KD.), aber von einem Angriffe
zwischen Baligród und dem San versprach sich FML. Tschurtschenthaler
keinen besonderen Erfolg, da russische Kräfte bei Chrewt seine Flanke
bedrohten. Die Russen drängten den FML. Krautwald am 28. beiderseits
der nach Lupków führenden Bahn zurück, wobei die 24. ID. nur durch
persönliches Eingreifen des Gruppenführers nordöstlich vom Lupków-
paß festgehalten werden konnte. Der Gegenangriff von der Höhe Pasika
(S. 72) erzielte zwar anfangs Erfolge, mußte aber wegen der Ereignisse
beim linken Nachbar wieder eingestellt werden. Die 2. ID. wurde näm-
lich vom Feinde südlich von Jasliska in der Ostflanke heftig angegriffen
*) Am 28. befanden sich : die 4. KD. auf dem linken Flügel des III. Korps, die
10. KD. in der Gegend von Tylicz, die 5. HKD. in Zboró und Komlóspatak, endlich
die 11. HKD. bei Uscie Ruskie.
76
Der Karpathenwinter 1914/15
und ging auf Befehl des X. Korpskmdos., unter Belassung einer Nach-
hut auf dem Sattel bei Czeremcha, auf die Höhen beiderseits von La-
borczfö zurück. Veranlaßt wurde dies durch das VII. Korps, das, am
27. bei Tylawa hart bedrängt, tags darauf über den Duklapaß abge-
zogen war; seine am Nordausgange haltende Nachhut wies vorfühlende
russische Abteilungen ab. Boroevic nahm dem Gdl. Meixner die als
Korpsreserve verwendete 1. KD. weg und verfügte ihren Abmarsch zur
Sperrung des Hoszankatales bei Mikó. Weiters befahl er auch der Gruppe
Colerus (28. ID., 44. SchBrig. und 4. KD.), in die Linie Pilipinski vrch—
Czarne abzurücken. Noch vor Antritt dieser Bewegung warf die 44. Sch-
Brig. den Feind durch einen kräftigen Gegenstoß zurück und wehrte auch
in der neuen Stellung alle Annäherungen der Russen ab1).
Boroevic drahtete am 28. nach Teschen, daß er bei dem krassen
Mißverhältnisse der beiderseitigen Kräfte — 40.000 Feuergewehre der
S.Armee gegen 120.000 Russen2) — beabsichtige, schrittweise zurück-
zugehen, und zwar mit dem III. Korps über Bartfeld, mit dem VII. über
Felsö-vizköz—Girált, mit dem X. über Sztropkó, mit der Gruppe Kraut-
wald über Mezölaborcz und Wola Michowa, endlich mit dem XVIII. Korps
über Cisna—Takcsány. Es war ein Verhängnis, daß, gleich wie zu Monats-
beginn, das 3. Armeekmdo. geradein jenem Augenblicke einen weitgehen-
den Rückzug in Aussicht nahm, als die russische Führung die Einstellung
der Offensive befahl. Schweren Herzens erklärte sich das AOK. mit
diesen Absichten einverstanden und legte dem Armeeführer nahe, das
III., das VII. und das X.Korps enger zusammenzuschließen, dagegen das
XVIII. und die Divisionen Krautwalds als selbständige Gruppen zu be-
trachten, die nach Umständen aktiv einzugreifen hätten. Weiters empfahl
die Heeresleitung:
„Den einzelnen Gruppen der Armee ist einzuschärfen, daß nur durch zähestes
Ausharren und geschicktes wechselseitiges Eingreifen bei den Detailgefechten zu er-
warten ist, daß das Vordringen des Feindes vereitelt oder mindestens verzögert wird.
In dieser Weise fechten die in den Ostkarpathen befindlichen Gruppen, obgleich sie
zum großen Teil aus minderwertigen Formationen bestehen, bereits seit vielen Monaten
erfolgreich gegen bedeutende Überzahl."
*) Gdl. Colerus berichtete dem 3. Armeekmdo. über zunehmende Erkrankungen
bei Offizieren und Mannschaften sowie über das Verenden zahlreicher Zugpferde der
Artillerie. „ ... Ich fürchte, daß infolge der progressiven Verschlechterung der sani-
tären Verhältnisse die numerische Zahl zur Behauptung der zugewiesenen Abschnitte
nicht mehr ausreicht..." Überdies seien die Wege grundlos und der Zuschub in die
Stellungen aufs äußerste erschwert.
2) Die Angabe über die Stärke der Russen konnte nicht überprüft werden.
Neugruppierung der 3. Armee
77
Dieser letzte Hinweis berührte einen empfindlichen Punkt des Armee-
führers. Sofort antwortete er, daß seine Gruppen nie nacheinander, son-
dern immer gleichzeitig von den Russen angegriffen worden seien, die
Marschlinien seien 8 bis 20 km voneinander entfernt und das Armeekmdo.
zögere mit der Weitergabe einer solchen Instruktion, da die Anordnung
des „wechselseitigen Eingreifens" bei den „Detailgefechten" im Hinblick
auf die niederen Stände leicht zu Mißverständnissen führen könne. Über-
dies spielten sich die Zusammenstöße in den Ostkarpathen unter grund-
verschiedenen Bedingungen ab, jene Kampfart sei hieher nicht übertrag-
bar. Durch seinen Armeebefehl vom 28. Dezember vormittags entsprach
Boroevic der Anregung des AOK. hinsichtlich der neuen Gruppierung.
Tschurtschenthaler (XVIII.Korps, 56. ID. und 8.KD.) sollte dieGebirgs-
übergänge bei Wola Michowa und Cisna, Krautwald (24. und 34. ID.)
die ins Laborczatal führenden Einbruchswege decken. Gdl. Meixner (2. ID.
und 1. KD.) hatte sich gegen Südosten näher an das VII. Korps heranzu-
schieben; für dieses ebenso wie für das III. blieb der alte Befehl zur
Sicherung ihrer Verbindungslinien maßgebend. Wie schon mehrmals vor-
her betrieb Boroevic die Zusendung der 6. ID. und der 43. SchBrig., die
beim IX. Korps eingeschoben waren; denn das jetzt nur drei Brigaden
starke III. entbehrte bei seiner übermäßig ausgedehnten kordonartigen
Aufstellung der Reserven auf dem wichtigen linken Flügel. Das 4. Armee-
kmdo. vertröstete jedoch den Nachbar; die Rückgabe werde nach dem
Eintreffen der 12. ID. stattfinden (S. 75). Als aber die Erzherzogsarmee
am 30. in schwere Kämpfe verstrickt wurde, erklärte man in Okocim,
diese Verbände vorläufig nicht entbehren zu können.
Da der Feind gegen Banica und die Jasionkahöhe vorrückte, nahm
Colerus seine Truppen am 29. noch weiter zurück und beließ nur Nach-
huten auf dem Hauptkamm der Karpathen; am nächsten Tage bezogen
seine Brigaden bei Festhaltung der Gebirgsstellungen Unterkünfte in den
nächstliegenden Dörfern. Das VII. Korps verschob seine Masse am 29.
etwas westwärts, ihm folgten die Russen über den Duklapaß nicht hinaus.
Meixners Nachhut behauptete sich auf dem Czeremchasattel sowie mit
einem Detachement bei Jasiel gegen scharfe Erkundungsvorstöße des
Feindes, und Krautwalds 34. ID. vertrieb die Russen aus Radoszyce. Bei
Tschurtschenthaler wurden die Linien der 56. ID. durchbrochen, worauf
die ganze Gruppe im Laufe der Nacht zum 30. gegen Süden auswich.
Während die 56.ID. und die 8.KD. zur Erholung in den Raum südlich
von Wola Michowa abrückten, ging das XVIII. Korps am 31. ohne
ersichtlichen Grund bis in die Gegend von Cisna zurück.
78
Der Karpathenwinter 1914/15
Zu nicht geringer Überraschung des AOK. war das Hauptquartier
des 3. Armeekmdos. am 29. von Bartfeld nach Kaschau verlegt worden.
Von Teschen erging nunmehr die Weisung, daß die Truppen der
3. Armee nicht einen Schritt des vor kurzem schwer erkämpften Bodens
freiwillig preiszugeben hätten, weil sich sonst der Feind mit verstärkter
Kraft gegen den Südflügel der 4. Armee wenden könne. Besonderen
Wert lege das AOK. darauf, daß sich der Ostflügel zähe halte, denn es
sei beabsichtigt, diesem Anfang Jänner noch zwei Infanteriedivisionen
zuzuführen, falls nicht die Verhältnisse ihren Einsatz auf dem Westflügel
erheischen sollten. Eine solche Verstärkung müsse dann „nachhaltig zur
Geltung kommen, nicht aber wie das letzte Einsetzen zweier frischer
Korps wirkungslos bleiben.....c<1).
Zunächst gebot Boroevic dem XVIII. Korps, keinesfalls hinter den
Abschnitt Wola Michowa—Cisna—Smerek zu weichen. Als sich der Russe,
wie noch zu schildern sein wird, zur Umfassung des Südflügels der Erz-
herzogsarmee anschickte, befahl er auf Ersuchen des Nachbarn das III.
und das Kavalleriekorps GM. Berndt zum Angriff gegen Norden. Ehe
hiefür die nötigen Einleitungen getroffen waren, senkte sich der Vorhang
über das erste Kriegsjahr.
Die Schlacht der 4. Armee
(28. bis 31. Dezember)
Die letzten vier Tage des Jahres verstrichen für die auf dem Nord-
flügel der 4. Armee am Dunajec Wacht haltenden Gruppen Kritek und
Roth, von belanglosen Artillerieduellen abgesehen, nahezu ereignislos.
Bei Roth wechselte nur die 3. ID. ihren Platz innerhalb der Gruppenfront.
Umso bewegter verlief diese Zeitspanne bei den übrigen Teilen der
Armee. Am 28. glückte es den Russen gegenüber dem FZM. Ljubicic, die
11. und den linken Flügel der 30. ID. in die Linie Gromnik—Höhe Wal
zurückzudrücken. Der Feind setzte seine Anstrengungen fort und rannte
*) Conrad bemerkte hiezu in seinem Kriegswerk ( Vj 954) : „Die Gegenvorstellungen
des 3. Armeekmdos. vom 29. Dezember und ein gewisser Zug zum Nachgeben bei der
3. Armee, der sich auch in der Rückverlegung des Armeekmdos. bis nach Kaschau aus-
sprach, konnten nicht widerspruchslos hingenommen werden, um so mehr als es sich gegen
die russischen Angriffe in Galizien, bei den Gruppen Pflanzer und Krautwald erwies,
Was tatkräftiger Imperativ vermag." GM. Pitreich erklärt in seinem Schreiben vom
17. Mai 1929 die Übersiedlung des 3. Armeekmdos. nach Kaschau u. a. damit, daß man
in Bartfeld exzentrisch hinter dem linken Flügel lag, während dem rechten in der
nächsten Zeit erhöhte Bedeutung zukam und daß man in Kaschau über die besten
Bahn- und Drahtverbindungen verfügte.
Gegenangriff der Russen gegen die 4. Armee
79
am 29.und 30. wiederholt, jedoch ohne Erfolg, gegen denWal an; immerhin
mußte die k. u. k. 15. ID. eingesetzt werden. Angreifer und Verteidiger
brachten in diesen Kämpfen schwere Blutopfer. Nach allen Wahrneh-
mungen schien für den Abwehrkampf an dieser Stelle der 31. nur eine
kurze Atempause zu bedeuten.
Auf dem rechten Armeeflügel führte FML. Arz seit dem 28. den
Befehl über die Gruppen Králicek (43. SchBrig. und 6. ID. in erster Linie,
dahinter die 10. ID. und die 13.SchD.), Hadfy (45.SchD., 39. HID. und
26. SchD.) und Szurmay (38. und komb. HID.). Dimitriew ballte starke
Stoßkräfte vom Dunajec südwestlich von Tarnów bis in die Gegend von
Gorlice. Diese warteten sprungbereit auf den Befehl zum Sturm, hatte
doch Iwanow angeordnet, bis an die Flußlinien vorzudringen (S. 74). FML.
Arz wollte den Russen, die offenbar seinen Südflügel zu umklammern
suchten, durch einen Angriff zuvorkommen. Er nahm Hadfy zu diesem
Zwecke die 26. SchD. weg, um sie Králicek zuzuführen. Doch das 4. Armee-
kmdo. war mit diesem kühnen Plane nicht einverstanden und gab zu
wissen, daß das Festhalten der Straße Gorlice—Neusandez durch die Zu-
fälligkeiten eines Kampfes nicht in Frage gestellt werden dürfe. Sollten aber
die Russen in die Lücke zur 3. Armee einbrechen, dann: habe ihnen Králiéek
in die Flanke zu fallen. Unterdessen betrieb ein Heer von Arbeitskräften
zwischen Florynka und Gromnik den Ausbau einer hinteren Stellung.
Am 29. wurden feindliche Bewegungen bei Zagórszany und Gorlice
wahrgenommen, die auch bei der Tageswende stellenweise zu Gefechts-
berührungen führten. Im Laufe des 30. ließ der Russe seine Schützen-
linien gegen die ganze Front der Gruppe vorgehen und in der Nacht
brach dann der Ansturm los. Durch Schnee und Morast wälzten sich die
erdbraunen Massen heran und wurden von den Geschossen des in wasser-
gefüllten Gräben lauernden Verteidigers empfangen, in dessen Linien als-
bald sämtliche nächststehenden Reserven aufgingen. Der russische Stoß
richtete sich vornehmlich gegen Hadfy. Vermutlich wollte der Feind den
nahe an der Biata befindlichen Frontteil zuerst bezwingen; doch wurde
auch Kràliòek bei Gorlice und auf seinem Südflügel angefallen. In den
Vormittagsstunden des 31. gab die Gruppe Hadfy etwas nach, kam aber
doch noch vor der Biala zum Stehen, weil Teile der 26. SchD. wieder heran-
eilten und der Feind seine Truppen bei Staszkówka und auf der Pustki-
höhe anhielt. Viel günstiger verlief an diesem Tage der Kampf der Gruppe
Králicek. Bei Gorlice prallten alle russischen Vorstöße an unseren Linien
(6. ID., 13. SchD., 43. SchBrig., Teile der 26. SchD. und 6. KD.) ab und
die von Süden ausholende Umfassung des Feindes wurde von der auf dem
80
Der Karpathenwinter 1914/15
rechten Flügel eingesetzten 10. ID. vereitelt. Schon senkte sich der Abend
über die blutgetränkte Kampfstätte, als bei Sçkowa die Schützen der
43. SchBrig. und östlich von Rychwald Teile der 10. ID. aus der Ab-
wehrfront hervorbrachen und den Feind in die Flucht trieben. Inzwischen
waren auch die ersten Staffeln der bei Neusandez in Ausladung begriffenen
12. ID. (S. 75) über Grybów auf dem Schlachtfelde eingetroffen. Als die
Silvesterglocken in der Heimat den Beginn eines neuen Jahres verkün-
deten, waren alle Führer der 4. Armee im Vertrauen auf ihre helden-
mütigen Truppen fest davon überzeugt, am kommenden Tage den heißen
Kampf siegreich zum Abschlüsse zu bringen.
In Teschen folgte man gespannt den einzelnen Phasen der Schlacht,
hing doch von ihrem Ausgange ab, ob die nächsten, der 1. Armee ent-
nommenen Verstärkungen dem westlichen oder, wie es wünschenswert
schien, dem östlichen Flügel der Armee Boroevic zuzuführen seien (S. 78).
Die Ereignisse nördlich der Weichsel
Die Kämpfe der 1. Armee um die Nidaübergänge
(20. bis 31. Dezember)
Hierzu Beilage 2
Die Richtlinien des AOK. vom 20. Dezember (S. 56) schrieben der
1. Armee im besonderen vor, alle entbehrlichen Kräfte auf den Südflügel
zu ziehen und „im Einklänge mit der 4. Armee tunlichst Raum nach vor-
wärts zu gewinnen und diese von Norden her über die Weichsel mög-
lichst zu unterstützen".
Noch vor dem Einlangen dieses Heeresbefehles, aber durchaus in
dessen Sinne hatte GdK. Dankl für den 21. den Angriff zur Besitznahme
der Nidaübergänge vom rechten Flügel aus befohlen1). Am frühen
Morgen dieses Tages versuchte demgemäß FML. Martiny, dem außer
seiner 14. ID. noch die Landsturmgruppe FML. Kletter unterstellt worden
war, mit drei Regimentern der letzteren2) fdie Nida zwischen Nowy
Korczyn und Wislica zu überschreiten. Mit großer Zähigkeit verteidigte
das XVII. Russenkorps seine Stellungen auf dem linken Ufer, vor denen
die versumpfte Flußniederung die Annäherung erschwerte. Russische
Artillerie schoß auch vom Südufer der Weichsel auf die vorrückenden
*) Nach einer Zuschrift des GO. Dankl an das Kriegsarchiv vom 7. März 1930
beabsichtigte das 1. Armeekmdo. ursprünglich, den Schwerpunkt des Angriffs auf Kielce
zu verlegen.
2) Die 110. LstlBrig. deckte diesen Vorstoß an der Weichsel.
Mißglückter Nidaübergang des I.Korps
81
Linien des Angreifers, obgleich Kriteks Batterien den Feind daran zu
hindern suchten. Immerhin gelang es den Truppen Martinys bis zum 22.,
mit dem rechten Flügel über das Sumpfgelände bis nahe an NowyKor-
czyn vorzudringen und auch mit dem linken das östliche Flußufer zu ge-
winnen. Um die Vorrückung zu beschleunigen, stellte das 1. Armeekmdo.
die 33. ID. des V.Korps dem FML. Martiny zur Verfügung. Nach schweren
Kämpfen konnte am 23. NowyKorczyn von Truppen der 106.LstID. ge-
nommen werden, wogegen sich der Feind in Wislica hielt. Dort konnte
die 33.ID. nur mit schwächeren Kräften die Nida überschreiten, während
der 37. HID. des V. Korps weiter flußaufwärts ein Brückenschlag gelang.
Unterdessen setzte GdK. Karl Kirchbach, der sich des Sandhügel-
geländes südwestlich von Chmielnik bemächtigen wollte, mit Teilen der
46. SchD. und 5. ID. in der Nacht zum 21. über die Nida unterhalb von
Piáczów und bei Motkowiec. Bei Morgengrauen warf die 46.SchD. den
Feind aus dem Flußbogen westlich von Pinczów, konnte sich aber den
Zugang in den Ort nicht erkämpfen. Die 5.ID. erstürmte die russische
Uferstellung nördlich von der Straße nach Chmielnik. Um dem drohenden
Durchbruche zu begegnen, warfen die russischen Führer alle verfügbaren
Kräfte in die vorderste Linie und setzten das XVIII. Korps am Nach-
mittag aus den. Wäldern von Pinczów und Kije zum Gegenstoß an. Die
46. SchD. mußte unter großen Verlusten auf das Westufer der Nida
weichen. Wegen dieses schweren Rückschlages befahl nun Kirchbach auch
der 5. ID., die sich bis dahin zähe behauptet hatte, das östliche Nidaufer
zu räumen. Bevor diese rückgängige Bewegung angetreten wurde, stürzten
sich die Russen auf die Division, so daß es dem tapferen schlesischen
IR. 1 nur unter großen Opfern gelang, den Rückzug zu decken1). Am
nächsten Tage beschränkte sich das I. Korps auf die Behauptung seines Ab-
schnittes beiderseits von Pinczów. Die für den Angriff auf Pinczów
mittlerweile von Jçdrzejow herangezogene Armeereserve, die Masse der
12. ID., stellte GdK. Kirchbach auf Befehl des Armeekmdos. als Rück-
halt hinter der arg geschädigten 46. SchD. bereit.
Am 23. kam es an der ganzen Front der 1. Armee nur zum Geschütz-
kampf. Es hatte den Anschein, als ob der Russe nunmehr den Südflügel
der Armeeabteilung Woyrsch angreifen wollte.
Um seinen Nordflügel fester zu verankern und den linken Nachbar
unterstützen zu können, ließ GdK. Dankl die als Armeereserve zurück-
gehaltene 23.IBrig. und die 2. KD. zur Verfügung des II. Korps bei
x) Der mißglückte Nidaübergang hatte dem I. Korps etwa 5700 Mann gekostet,
davon nach russischen Angaben 3000 Gefangene.
II 6
82
Der Karpathenwinter 1914/15
Jçdrzejow bereitstellen. Auf dem Südflügel der Armee plante FML. Mar-
tiny, seinen Angriff am 24. fortzusetzen, doch wurde die Verwirklichung
dieser Absicht in Frage gestellt, da der Russe nach verläßlichen Nach-
richten hier selbst mit drei Divisionen losgehen wollte.
In den ersten Nachmittagsstunden des 24. belegte der Feind auch
tatsächlich die Brückenkopfstellungen der 106. LstlD. bei Nowy Korczyn
von drei Seiten mit schwerem Kreuzfeuer und schritt zum Angriffe.
Der Ort wurde genommen, doch behaupteten sich die 14. und 33". ID.
Martinys auf dem linken Nidaufer.
Die schwierige Lage dieser Gruppe veranlaßte das 1. Armeekmdo.,
die dem I. Korps zur Verfügung gestellte 24. IBrig. an den südlichen
Armeeflügel heranzuziehen. Außerdem ersuchte GdK. Dankl die 4. Armee,
den Feind am untersten Dunajec kräftig anzufassen und hiedurch die
Südflanke der 1. zu entlasten. Dazu war aber die schwache Gruppe
Kritek nicht imstande (S. 62).
In den Morgenstunden des 25. versuchten die Russen von dem
eroberten Orte Nowy Korczyn aus die noch auf dem Ostufer der Nida1
befindlichen Kräfte Martinys aufzurollen. Der Angriff wurde jedoch
von der 14. ID. abgeschlagen. Da aber die eigenen Stellungen mit der
breiten Sumpfniederung im Rücken, die das eingetretene Tauwetter weg-
los machte, durch diese Vorstöße in der Flanke gefährdet schienen, nahm
Martiny die 14. ID. in der Nacht ebenfalls über die Nida zurück. Sein©
drei Divisionen hatten nun den Abschnitt von der Weichsel bis westlich
vonWislica zuhalten. Am nächsten Tage sollte die abgekämpfte 106. LstlD.
durch die vom Armeekmdo. heranbefohlene 24. IBrig. abgelöst und auch
die 23. IBrig. der 12. ID. an den südlichen Armeeflügel herangeschoben
werden. Die nördlich von der Nida von der deutschen Division Bredow
abzulösenden Truppen des II. Korps (Teile der 25. ID.) hatten an Stelle
der 12. ID. in den Raum bei Jçdrzejow als Armeereserve zu gelangen.
Am 26. Dezember gewann man immer mehr den Eindruck, daß die
Russen einen Durchbruch an der Verbindungsstelle der 1. und 4. Armee
planten und zugleich Dankls Südflanke aufreißen wollten. Am Nachmittag
stieß der Feind im Mündungswinkel zwischen Nida und Weichsel auf Ksany
vor. Die mittlerweile an Stelle der völlig erschöpften 106. LstlD.1) ein-
gesetzte 24. IBrig. brachte jedoch den gefährlichen Angriff zum Stehen.
Trotzdem die Kämpfe hier nicht zu einem Abschluß gelangt waren,
1) Die 106. LstlD. befand sich seit dem 2. Oktober, mit Ausnahme von wenigen
Ruhetagen, unausgesetzt entweder auf dem Marsche und im Gefechte oder im Siche-
rungsdienst.
83
wies das AOK. das 1. Armeekmdo. an, die 12. ID. an den südlich von dér
Weichsel fechtenden Heeresteil abzugeben (S. 75) und teilte gleichzeitig
mit, daß auch der Abtransport der 33. ID. in Aussicht genommen sei. Da
die Russen ihre Vorstöße zunächst nicht wiederholten, konnte die Neu-
gruppierung der 1. Armee am 27. ungestört beginnen1). GdK. Dankl
hatte sich anfangs gegen die Entziehung der 12. ID. gesträubt, ließ aber
auf erneuten Befehl die 23.IBrig. an diesem Tage nach Krakau ab-
marschieren. Ehe die 24. IBrig., wie beabsichtigt, am Morgen des 29.
folgen konnte, entbrannte der Kampf an der untersten Nida aufs neue.
Die 24. IBrig., am 28. nachmittags von Str. Korczyn aus heftig an-
gegriffen und von der russischen Artillerie in Flanke und Rücken be-
schossen, wurde unter schweren Verlusten zum Ausweichen veranlaßt.
Die Feldjägerbataillone 11 u¿id 19 der 14. ID. warfen jedoch den Verfolger
wieder auf Str. Korczyn zurück. Angesichts des fortgesetzten starken
Druckes an der untersten Nida schien jetzt die Abgabe der 33. ID. sowie
auch der an ihrer Stelle in Aussicht genommenen 37. HID. in Frage ge-
stellt. Um dieselbe Zeit verstärkte sich auch der Druck des Feindes
südlich der Weichsel, so daß mit der Möglichkeit eines Rückzuges der
4. Armee vom Dunajec gerechnet werden mußte. Das AOK. trug dieser
gespannten Lage Rechnung, indem es schon am 28. die 1. Armee anwies,
den Ausbau einer Stellung nördlich von Krakau über Skala—Wolbrom—
Pilicaknie westlich von 2arnawiec—Szczekociny in Angriff zu nehmen.
Der rechte Flügel und die Mitte der 1. Armee, Gruppe Martiny
(14. ID.)2), V. und I.Korps, beschränkten sich unter diesen Umständen
ausschließlich auf die Abwehr, dagegen stellte das II. Korps auf dem
linken Flügel aus Truppen der 25. ID. eine Stoßgruppe bereit, die
sich dem eben in Ausführung begriffenen Angriffe der links benachbar-
ten Division Bredow nach vorheriger Niederkämpfung der russischen
schweren Batterien anschließen sollte. Dieser zur Unterstützung der
Deutschen für den 31. geplante Angriff unterblieb jedoch, abgesehen von
dem nächtlichen Vorstoße eines Jägerbataillons über die Nida, da auch
die Südhälfte der Armeeabteilung Woyrsch nach einigen Erfolgen wieder
in die Verteidigung zurückfiel. Nachdem nun das Gros der 12. ID. und
A) Die 14. ID. und Teile der 46. SchD. hatten die Stellungen der 110. LstlBrig.
und der 24. IBrig. im Mündungswinkel von Ksany zu übernehmen, durch Frontstreckung
des V. und des I. Korps gegen Südosten sollte die 33. ID. freigemacht werden.
*■) Die nunmehr aus der 110. LstlBrig. und der LstlBrig. Obst. Köckh bestehende;
106. LstlD. gowie die durch die Reste der 35. LstlBrig. verstärkte 1. LstlBrig., die sich
westlich der unteren Nida retablierten, standen der Gruppe Martiny befcw. dem V. Korps
»Is Reserven zur Verfügung.
6*
84
Der Karpathenwinter 1914/15
die 37. HID. am 31. früh zur Verstärkung der 3. Armee nachBochnia ab-
marschiert waren, befahl das AOK. der 1. Armee, auch noch die 33. ID.
nach Ablösung durch die 106. LstlD. samt dem V. Korpskmdo. der 37.HID.
nach Bochnia nachzuschicken.
So wurden der Armee Dankl seit Anfang Dezember acht Divisionen
(27., 15., 39., 24., 2., 12., 33. und 37.) entnommen, um sie, mit Ausnahme
der 27. ID., zur Nährung des Kampfes in Galizien Zu verwenden. Diese
Schwächung zwang die 1. Armee, sich fortan mit der Abwehr zu begnügen.
Die Kätrrpfe der 2. Armee bei X^omaszów
(19. bis 31. Dezember)
Hiezu Beilage 2 sowie Skizze 3
Wie bereits erwähnt, hatte das AOK. am 18. Dezember nachmittags
der 2. Armee die Linie Odrzywól—Konsk als Ziel gewiesen (S. 46). In
vorsichtiger Beurteilung der Lage schrieb hierauf GO. Woyrsch vor,
Böhm-Ermolli habe seine Streitkräfte zunächst zum Angriffe gegen die
westlich von Opoczno und hinter der Czarna vermuteten Stellungen der
Armee Ewert bereitzustellen. Nur der linke Flügel der 2. Armee, das
Korps Gallwitz, das im Vergleich zu dem auf Lubocz und auf Rawa vor-
gedrungenen Südflügel Mackensens noch weit zurück war, sollte am 19.
auf dem rechten Ufer der Pilica weiter gegen Nordosten vorgehen. Dem-
gemäß beschränkten sich das XII. und das IV. Korps an diesem Tage auf
die Erkundung der russischen Stellungen. Beim XII. grub sich die 16. ID.
im Anschlüsse an die rechts benachbarte deutsche 35.RD. an der Czarna
nördlich von der von Przedbórz nach Koñsk führenden Straße ein; die
35. ID. wurde als Reserve bereitgestellt. Das IV. besetzte das westliche
Flußufer mit der 32. und der 31.ID. beiderseits von Kiew1). GdA. Gall-
witz aber versuchte, mit der 27. ID. und dem unterstellten Kavallerie-
korps Hauer auf Opoczno und rechts von der Pilica gegen Nordosten
Raum zu gewinnen. Die 27. ID. geriet jedoch bald in schweres russi-
sches Artilleriefeuer und kam nicht vorwärts,' Hauer gelangte bis in die
Gegend südlich von Smardzewice.
Böhm-Ermolli hatte inzwischen den Armeeabteilungsführer gebeten,
1) Bei Starzechowice (nordöstlich von Czermno an der Czarna) gelang es dem
Feinde am 19. Dezember, eine vorgeschobene Gefechtsgruppe der 32. ID. von drei Sei-
ten einzuschließen. Oblt. Franz Matheis, Kompagniekommandant im IR. 23, rettete
diese Abteilung durch einen kühnen, aus eigener Initiative in die feindliche Flanke
geführten Bajonettangriff vor der Vernichtung. Er erhielt für diese Waffentat das Ritter-
kreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens.
Russische Vorstöße im Pilicabogen
85
durch Vermittlung der k. u. k. Heeresleitung zu erwirken, daß die über
Tomaszów nach Osten vorgegangene 1. GRD. über Inowlodz nach Süden
abgedreht werde, wodurch sich die Möglichkeit zu eröffnen schien, den
bei Opoczno vermuteten Nordflügel Ewerts anzugreifen. Als Gallwitz am
Abend nach Piotrków, dem neuen Standorte des 2. Armeekmdos., mel-
dete, daß im Pilicabogen kein ernstlicher Widerstand des Feindes mehr
zu gewärtigen sei, entschloß sich Böhm-Ermolli, schon am nächsten
Morgen mit der ganzen 2. Armee loszugehen. GO. Woyrsch hielt dagegen
an seiner Anschauung fest, daß der Russe zu hartnäckiger Verteidigung
bereitstehe; er erwartete sogar einen feindlichen Gegenangriff von Opoczno
her gegen die 2. Armee und legte ihrem Führer daher nahe, einen Stirn-
angriff gegen die starken russischen Stellungen nicht früher zu unter-
nehmen, ehe sich ein entsprechender Druck auf beide feindliche Flügel
fühlbar gemacht habe. Die Armee sollte hiezu möglichst starke Kräfte
auf ihrem Nordflügel versammeln und sodann — gleichzeitig mit dem
umfassenden Vorgehen der 1. GRD. über die Pilica nach Süden — zum
Angriffe schreiten1). GdK. Böhm-Ermolli bestand aber auf der Durch-
führung des bereits erlassenen Angriffsbefehles, um zwischen den beiden
russischen Heeresgruppen durchzubrechen, ehe der Feind seine Mitte wieder
verstärkt hätte.
Dementsprechend führte GdA. Gallwitz die 27. ID. am 20. morgens
aus dem Räume bei Mniszków in nordöstlichster Richtung vor, um den
nächst Opoczno vermuteten rechten Flügel Ewerts, das III. kauk. Korps,
zu umklammern. Die Division drang jedoch nicht durch und wurde als-
bald von den Russen selbst angegriffen, wobei ihr linker Flügel einge-
drückt wurde. Damit war auch die Tätigkeit Hauers lahmgelegt. Die
3. KD., beauftragt, nördlich von Opoczno vorzustoßen und die im Marsche
nach Inowlodz beobachtete russische 45. ID. des XIV. Korps festzuhalten,
zwang stärkere feindliche Kräfte, die aus Opoczno vorbrachen, zur Ent-
wicklung und wich dann kämpfend nach Brzostów aus. Die 9. KD. zog
sich gegen die Pilica zurück. Nicht besser erging es den beiden anderen
Korps. Beim IV. nahm die 31. ID. zwar eine russische Vorstellung; doch
die 32. ID. wurde nach Überschreitung der Czarna bei Przylçk in der
Nacht wieder zum Uferwechsel genötigt. Das XII. Korps schob sich nörd-
lich von der Straße nach Konsk nur bis an die festen russischen Linien heran.
GFM. Hindenburg hatte unterdessen den von Süden her bedrohten
rechten Flügel der deutschen 9. Armee angehalten. Von diesem wandten
sich das Kavalleriekorps Frommel, die Division Menges und das Korps
*■) R e i eh s a r c h i v, VI, 314.
86
Der Karpathenwinter 1914/15
Posen nunmehr gegen die über den Raum bei Opoczno in nördlicher Rich-
tung voreilenden Russen. Als Böhm-Ermolli erfuhr, daß Frommel bei und
unterhalb von Tomaszów auf das rechte Pilicaufer rücken sollte, bat er
angesichts der geschilderten Verhältnisse bei seiner Armee, das Vorgehen
der deutschen Reiterei zu beschleunigen, während das Kavalleriekorps
Hauer von ihm zu neuerlichem Vorstoß gegen Nordosten befohlen wurde.
Am Abend des 20. langte der Heeresbefehl des AOK. ein, der nebst
den schon wiedergegebenen allgemeinen Weisungen (S. 56) der Armee-
abteilung Woyrsch den Schutz der Südflanke der deutschen 9. Armee
durch einen stark zu haltenden Nordflügel übertrug. Böhm-Ermolli be-
fahl hierauf seinen Korps, sich einzugraben und standzuhalten. Gleich-
zeitig trug er Sorge, Gallwitz durch die 32. ID. zu verstärken, indem er
im Einvernehmen mit Woyrsch durch eine Linksschiebung des LKorps
und der 35.RD. die k.u.k. 35.ID. des XII.Korps zur Auslösung der 32.ID.
freimachen ließ. Ehe diese aber dem Nordflügel der 2. Armee zugeführt
war, nahmen die Dinge eine ungünstige Wendung.
Gen. Ewert hatte Pilica abwärts von Inowlodz bis zur Czarna starke
Kräfte (halbes XVI., XIV., III. kauk. und Kavalleriekorps Gillenschmidt)
versammelt und suchte auf Geheiß Iwanows aus dem Pilicabogen hervor-
zubrechen, um die gegen Osten vorspringende Front der Verbündeten an
ihrer Nahtstelle zu durchbrechen1).
. . Schon in der Nacht zum 21. mußte die 27. ID. vor dem russischen
Angriff auf Mniszków—Bukowiec Raum geben. Zwischen ihr und der
3. KD,, die bei Brzostow dem Korps Frommel den Pilicaübergang offen-
hielt, schoben sich russische Kräfte ein. Gegen Mittag griff der Feind die
27. ID. neuerlich an. Während die zum Schutze ihrer Nordflanke be-
stimmte 9. KD. an, die Pilica ¡zurückglitt, jsprang auch eine Lücke zwischen
der 27. und der 31. ID. auf. In fliegender Hast wurden die Reserven des
IV. Korps (drei Bataillone, eine halbe Schwadron und eine Batterie) nach
Mniszków geschickt; ihnen gelang es, den offenen Raum rechtzeitig aus-
zufüllen. Unterdessen wich aber im Norden die 3. KD. vor dem heran-
rückenden XIV. Russenkorps über die Pilica zurück. Die Gefahr, daß der
Feind den bis Lubocz vorspringenden Eckpfeiler an der Grenze zwischen
den Armeen Böhm-Ermolli und Mackensen von Süden her eindrückte*
war groß. Mackensen sicherte seine Flanke durch die erwähnten, nach
Süden abgedrehten Verbände; außerdem wurde das hinter der Mitte der
9. Armee stehende Kavalleriekorps Richthofen (deutsche 6. und 9. KD.)
in Eilmärschen herangezogen, so daß schließlich bis zum 22. zwischen
*) Nesnamow, III, 12 und 33 ff.
Kämpfe bei Tomaszów
87
Tomaszów und Lubocz drei deutsche Landwehrbrigaden und fünf Ka-
valleriedivisionen versammelt waren.
GdK. Böhm-Ermolli hoffte nun, daß die Kavallerie Frommeis und
Richthofens durch einen kräftigen Vorstoß über die Pilica das Korps
Gallwitz entlasten und zu einem neuerlichen Vorgehen befähigen würde.
Indes vermochte das Korps Posen, das sich mit zwei Brigaden auf dem
rechten Pilicaufer bei Tomaszów festgesetzt hatte, der deutschen Reiterei
nicht den Weg in die Flanke des hier haltenden Feindes zu bahnen. Ange-
sichts dieser Vorgänge war sich der Führer der 2. Armee alsbald im
klaren, daß selbst die Kraft von sieben Kavalleriedivisionen (einschließ-
lich des Korps Hauer) nicht ausreiche, um der Lage in den waldum-
gebenen Niederungen von Tomaszów eine entscheidende Wendung zu
geben. Er bemühte sich daher, durch Vermittlung des GO. Woyrsch und
des AOK. den Oberbefehlshaber Ost zu bewegen, mit stärkeren Infan-
teriekräften in den Rücken der vor Gallwitz zusammengeballten Russen-
massen vorzustoßen. Die 9. Armee hatte jedoch alle ihre Kräfte bereits
eingesetzt, um die Bzura und Rawka zu forcieren und war daher außer-
stande, diesem Wunsche zu entsprechen.
Während auf dem Nordflügel der 2. Armee die Kämpfe am 23. ab-
flauten, wurde um die Pilicaübergänge bei Inowlodz umso heftiger ge-
rungen, Dort hatte die 18. ID. des russischen XIV.Korps vorübergehend
auf dem nördlichen Ufer Fuß gefaßt, so daß die beim Korps Richthofen
befindliche Infanterie und die Artillerie von Tomaszów dahin dirigiert
werden mußten1).
Gallwitz, mittlerweile durch die 32. ID. verstärkt, konnte am 25.
den Angriff wieder aufnehmen; das 9. Armeekmdo. hatte dessen Unter-
stützung durch die Korps Posen und Frommel zugesagt. Die auf dem
linken Flügel des Korps Gallwitz eingesetzte 32. ID., die südlich von
Smardzewice vorstieß, kam an diesem Tage bis an die russische Haupt-
stellung heran, die Sicherung rechts besorgte die 27. ID. bei Bukowiec
und in der linken Flanke Hauer mit der 9. KD. zu Fuß und der 3. KD.
zu Pferd. Das Korps Posen drang mit zwei Brigaden aus dem Brücken-
kopf von Tomaszów beiderseits der Bahn nach Opoczno bis Wawol und
Brzostów vor. Die deutsche 5. KD. und die öst.-ung. 7. KD. Frommeis
wurden noch bei Tomaszów zurückgehalten, während bei Inowlodz
eine deutsche Landwehrbrigade mit der Infanterie und Artillerie Richt-
hofens das Südufer der Pilica gewann.
Am nächsten Tag wollte Böhm-Ermolli mit allen nördlich von der
*) Reichsarchiv, VI, 355.
88
Der Karpathenwinter 1914/15
Czarna befindlichen Kräften den Angriff in östlicher Richtung fortsetzen;
doch hielt Gallwitz den Zeitpunkt für die angestrebte Umklammerung
dés russischen Nordflügels noch nicht für gekommen1), weil die Korps
Posen und Frommel noch zurückhingen und der geplante deutsche Vor-
stoß von Inowlodz an diesem Tage noch nicht zu gewärtigen war/ÏDie
vorerst nur auf nahe Ziele gerichtete, Vomiekung der 32. und des linken
Flügels der 27. ID. führte zu Kämpfen ohne wesentlichen Raumgewinn.
Die Russen gingen jedoch zu Gegenstößen über. Als das 2. Armeekmdo.
davon erfuhr, befahl es dem IV. Korps, anzugreifen. Nach kurzer Zeit
lagen aber dessen Schützenlinien vor der feindlichen Hauptstellung fest.
Die 3. KD. wehrte mittlerweile den Feind nördlich von der 32. ID. ab.
Auf Anregung Böhm-Ermollis ersuchte das AOK. den Oberbefehls-
haber Ost, das Korps Posen und das Korps Richthofen am 27. unter
einheitlicher Führung von Tomaszów auf Krasnica zur Unterstützung
der 2. Armee eingreifen zu lassen. Eine Einigung konnte jedoch nicht
erzielt werden. Die Deutschen beabsichtigten, nur die öst.-ung. 7. KD.
dem bei Brzostów fechtenden Gros des Korps Posen und der deutschen
5. KD. nachzusenden, im übrigen aber vorläufig auf dem nördlichen
Pilicaufer stehenzubleiben und erst nach Wiederherstellung der abge-
brannten Brücke bei Inowlodz von dort aus den Angriff anzusetzen.
So kam es, daß der linke Flügel der 2. Armee auch am 27. nicht
imstande war, den Angriff weiter vorzutragen. Nach Gefangenenaus-
sagen und Funksprüchen schien es, als ob sich der Feind im Pilicabogen
verstärkt und auch Kräfte von Norden auf das südliche Flußufer heran-
gezogen hätte. Unter solchen Umständen bot die Fortsetzung des Stoßes
auf Opoczno bei der bisherigen Kräfteverteilung wenig Aussicht auf Er-
folg. Böhm-Ermolli entschloß sich daher, die 35. ID. aus der Front des
IV. Korps zu ziehen und sie auf dem entscheidenden Nordflügel beim
GdA. Gallwitz einzusetzen.
Endlich wurde jetzt auch im Einvernehmen mit Mackensen eine ein-
heitliche Befehlsführung bei Tomaszów erzielt, indem die rechts von der
Pilica befindlichen Truppen der Korps Posen und Frommel dem GdA.
Gallwitz für den am 29. geplanten Angriff unterstellt wurden. Der deutsche
Korpsführer verfügte nunmehr über vier Infanterie- und vier Kavallerie-
divisionen 2).
Nebel und Regenwetter verhinderten am 29. die Artillerie vorberei-
*) Gallwitz, Meine Führertätigkeit im Weltkrieg 1914/16 (Berlin 1929), 167.
2) 27., 32. und 35. ID., zwei Landwehrbrigaden des Korps Posen, Kavalleriekorps
Hauer (9. und 3. KD.) und Frommel (7. und deutsche 5. KD.).
Letzter Angriff des Korps Gallwitz
89
tung. FML. Fox sollte das Gros der 32. ID., die halbe 35. ID. und Schützen-
abteilungen des Korps Hauer auf dem Nordflügel, südlich an Brzostów
vorbei, entlang der Bahnlinie nach Opoczno vorführen1). Ohne die Hilfe
der Artillerie konnte man aber in die mit starken Drahthindernissen ver-
sehenen russischen Stellungen nicht eindringen. Gallwitz beantragte die
Verschiebung des Unternehmens auf den nächsten Tag. Als nun inPiotr-
ków die Nachricht eintraf, daß das feindliche XVI. Korps vor dem Süd-
flügel der Armeeabteilung Woyrsch abziehe und daß sowohl die deutsche
Division Bredow als auch das Landwehrkorps zur Ausnützung dieser
Lage am 30. zum Angriff schreiten werden, entschloß sich Böhm-Ermolli,
den Vorschlag des GdA. Gallwitz anzunehmen und erst am 30., dann
aber mit seiner ganzen Armee anzugreifen. Er gab jedoch diesmal dem
Korps Gallwitz nur mehr die Gewinnung der Slomiankaniederung als
Ziel, weil er erkannt hatte, daß der von ihm seit Wochen angestrebte
Durchstoß zwischen den beiden feindlichen Heeresgruppen mit den vor-
handenen Kräften nicht mehr zu erreichen sei. In diesem Sinne berichtete
er auch mit Rücksicht auf die bisherigen, nicht unerheblichen Verluste und
den Mangel an Artilleriemunition dem AOK. und dem GO. Woyrsch.
Gdl. Conrad teilte diese Auffassung, umsomehr, als eine Ver-
stärkung der 2. Armee ausgeschlossen war. Die erschöpften Truppen
Mackensens kämpften an der Bzura und Rawka gegen Überlegenheit.
Die Hoffnung, daß diese Armee, wie dies dem k. u. k. Chef des General-
stabes vorgeschwebt hatte, zur Umfassung des russischen Nordflügels gegen
Südosten einschwenken werde, war geschwunden und ebensowenig ließ
sich von der Wirksamkeit des galizischen Hebels der Zange erwarten.
Conrad sah daher die Aufgabe der 2. Armee als erfüllt an, „wenn sie die
Lücke zur 9. Armee schloß, deren Flanke verläßlich deckte und ein Ab-
ziehen von Kräften seitens des ihr gegenüberstehenden Feindes verhinderte,
ohne die Gefechtskraft der Truppen allzu sehr zu verbrauchen und ohne
sich einem Rückschläge auszusetzen".
Wie erwartet, erzielte der Angriff des Korps Gallwitz auch am 30.
im schwierigen Wald- und Sumpfgelände gegen die stark ausgebauten
Stellungen des III. kauk. und des XIV. Korps keinen nennenswerten Fort-
schritt. Desgleichen kam der über Inowlodz gegen Süden angesetzte Stoß
der Deutschen nicht weit vorwärts und auch dem rechten Flügel der Armee-
abteilung Woyrsch blieb — von örtlichen Vorteilen abgesehen — ein durch-
schlagender Erfolg versagt. Um die Front südlich von Tomaszówmit dem
rechten Flügel Mackensens bei Inowlodz noch fester zu verkitten, sollte
i) G all witz, 170.
90
Der Karpathenwinter 1914/15
der Angriff des Korps Gallwitz am 31. planmäßig fortgesetzt werden;
doch kam es zu einem ernstlichen Vorgehen an diesem Tage nicht mehr.
Das Kavalleriekorps Richthofen erstritt sich schließlich noch endgültig
den Brückenkopf von Inowlodz durch die Säuberung des Raumes im
Mündungswinkel des Slomiankabaches.
Damit waren die Kämpfe der 2. Armee bei Tomaszów beendet. Die
Ungunst der Witterung, zuerst Kälte, dann Nässe und Tauwetter in
den Weihnachtstagen, hatte Erfrierungen und Gelenkskrankheiten zur
Folge, auch mehrten sich die Ruhr- und Flecktyphusfälle. Böhm-Ermolli
beschränkte sich mit seiner nur noch etwa 38.000 Gewehre und 2700
Reiter zählenden Armee auf die Festhaltung der erreichten Linien und
war dadurch in der Lage, die abgekämpfte 35. ID. und das Kavallerie-
korps Hauer zu ihrer dringend notwendigen Retablierung aus der Front
zu ziehen. Im Laufe des l.und des 2. Jänner 1915 traten die 27. ID. zum
IV. Korps und alle südlich von der Pilica zur Unterstützung der 2. Armee
verwendeten deutschen Verbände wieder zur 9. Armee. Die 7. KD., die
schon während der Novemberoperationen bei Zdunska Wola im Verbände
des Korps Frommel tapfer gefochten hatte, wurde der 2. Armee unterstellt.
Um die Jahreswende fielen die Verbündeten nach ruhmreichen Kämpfen
im Weichselbogen überall in die Verteidigung zurück. Nördlich vom Strome
war das Korps Graudenz wieder bis Bielsk, Ciechanów und Przasnysz
vorgerückt, als die russischen Hauptkräfte vor dem Angriffe Mackensens
hinter die Bzura und Rawka zurückgingen. In Ostpreußen hielt die
8. Armee gegen die Offensivunternehmungen der russischen 10. Armee
stand. War es nun auch den beiden im Zentrum der Gesamtfront befind-
lichen öst.-ung. Armeen Dankl und Böhm-Ermolli nicht mehr gelungen*
den Feind bis an die Weichsel zu drängen, so hatten sie doch die Opera-
tionen Hindenburgs bis zur Lahmlegung der „russischen Dampfwalze"
wirksam unterstützt, indem sie sich zuerst dem heranbrandenden feind-
lichen Heere an der schlesischen Lücke entgegenstellten, durch ihren An-
griff die 4. und die 9. Armee festhielten und dadurch erhebliche Kräfte
des Feindes an einem Eingreifen gegen die deutsche 9. Armee verhinderten.
Noch ahnte niemand, daß, gleichwie schon seit einiger Zeit der Be-
wegungskrieg gegen die Alliierten im Westen und gegen Serbien zum
Stillstande gekommen war, den Streitkräften der Mittelmächte auch
gegen Rußland, trotz einzelner Versuche, den Bann zu brechen, viele
Monate hindurch kein entscheidender, raumgreifender Fortschritt be-
schieden sein sollte. Allerdings hatte auch das AOK. nunmehr den Ein-
druck gewonnen, „als ob die Aktionskraft beider Gegner im Erlahmen
Conrad für das Heranführen weiterer deutscher Kräfte
91
wäre und beide der Ruhe bedürften, wenigstens für kurze Zeit1)".
Conrad hoffte aber doch, die Offensive mit der 3. Armee am S.Jänner
wieder aufnehmen zu können. Die Umrisse der nächsten Operationen
zeichneten sich damit bereits ab.
Die Neujahrsbesprechung der verbündeten Führer
in Berlin
Hiezu Beilagen 2, 3 und 4
Immer nötiger hielt es der k. u. k. Generalstabschef, noch vor dem
Ende des Winters einen entscheidenden Erfolg zu erzielen, der nach seiner
festen Überzeugung nicht im Westen, sondern nur im Osten zu erreichen
war. In Kenntnis davon, daß Deutschland im Begriffe war, vier neue
Korps aufzustellen, richtete er am 27. Dezember eine Depesche an Falken-
hayn, um ihn zu bewegen, frische Kräfte zu einem entscheidenden Schlage
gegen Rußland heranzuführen. Gegenwärtig befänden sich die Verbün-
deten an der Ostfront überall feindlicher Übermacht gegenüber. Der Ge-
fechtsstand der öst.-ung. Divisionen könne bis zum Februar nicht viel
über Brigadestärke aufgefüllt werden. Der rasche Einsatz aus dem
Westen herangeführter oder neu aufgestellter deutscher Armeekörper sei
daher umso dringender, als Anfang März mit einem in seinen Folgen nicht
abzusehenden Eingreifen der Neutralen gerechnet werden müsse. „Be-
steht für deren Einsatz [den von Verstärkungen] nördlich der Weichsel
Besorgnis, daß sich diese Kräfte etwa an befestigter Narewlinie fest-
fahren, dann käme deren Verwendung in der Lücke zwischen Pilica und
Nida, namentlich am Nordflügel der Armee Woyrsch in Betracht, um
dort die Lücke der russischen Front Richtung Radom durchzudrücken
und Rückzug der Russen hinter Weichsel-Sanlinie zu erzwingen." Conrad
berief sich bei seiner Forderung auf die im Frieden getroffenen Verein-
barungen, nach denen, sobald in Frankreich ein großer Erfolg errungen
war, namhafte deutsche Kräfte nach dem Osten übergeführt werden
sollten. Nach dem Ausgange der Marneschlacht müsse, wie er immer
wiederholte, der Kampf im Westen abwehrweise geführt und der ver-
blutende Verbündete sowie das deutsche Ostheer verstärkt werden, um
die Entscheidung gegen Rußland zu erzwingen.
An GFM. Hindenburg erging ein Telegramm gleichen Inhaltes.
Conrad fügte hinzu, daß er auf Zuschübe für das deutsche Ostheer des-
1) Conrad, V, 950. Der von den Hauptkräften der Verbündeten im Monate
Dezember erzielte Raumgewinn ist in der Beilage 4 ersichtlich gemacht.
92
Der Karpathenwinter 1914/15
halb besonderes Gewicht gelegt habe, um nicht genötigt zu sein, die in
Polen kämpfende Armee Böhm-Ermolli, ohne daß für Ersatz vorgesorgt
werde, den schwer ringenden Streitkräften südlich der Weichsel zuzu-
führen. Schließlich bat er Hindenburg, die dargelegte Auffassung inMé-
zières zu vertreten1). Als am 28. Nachrichten einliefen, daß in Polen
russische Verschiebungen im Gange und drei Korps aus der Front gelöst
worden seien, plante Conrad tatsächlich, die 2. Armee nach Bartfeld und
Mezölaborcz zu ziehen. Indes wollte er bis zur Beantwortung seiner De-
pesche durch Falkenhayn an der bestehenden Gruppierung nicht rütteln 2).
Diese Antwort traf am 29. in Teschen ein. Der deutsche General-
stabschef hatte aus der Mitteilung seines Kollegen die Einnahme eines
neuen Standpunktes und einen Widerspruch gegenüber den Abmachungen
in Oppeln herausgelesen und bat um mündliche Aussprache in Mézières
oder in einem nächstgelegenen Orte.
Wie er mitteilte, schien ihm derzeit alles darauf anzukommen, daß
die öst.-ung. Hauptkraft ihre gegenwärtigen Stellungen halte, während
die deutsche 9. und die k. u. k. 2. Armee weiter versuchen sollten, den
Feind mürbe zu machen. Conrad antwortete umgehend, die Besprechungen
in Oppeln hätten bezweckt, festzulegen, was zu geschehen habe, sobald
die Russen hinter die Weichsel-Sanlinie zurückgegangen sein würden und
wie dies zu erreichen sei. Bisher sei es weder den eigenen Kräften nörd-
lich von der Weichsel gelungen, den Feind zum Rückzüge hinter den Strom
zu zwingen, wie dies in Oppeln vorausgesetzt worden war, noch sei es
trotz des Erfolges bei Limanowa-tapanów der 3. und der 4. Armee ge-
glückt, die Russen hinter den San zu drängen. „Neu dabei ist nur, daß
ich im Telegramme vom 27. d. M. die Dringlichkeit einer Entscheidung
im Osten hervorhob mit Rücksicht auf das im Frühjahr zu gewärtigende
Verhalten der Neutralen3)."
Die Depesche schloß damit, daß Conrad erklärte, für eine mündliche
Besprechung nicht abkömmlich zu sein; er habe nur einen Vorschlag ge-
macht und bitte um die Stellungnahme Falkenhayns. Als dieser aber noch-
mals den Wunsch nach einer Zusammenkunft* — diesmal in Berlin —
äußerte, trat Conrad am Silvesterabend die Reise nach der deutschen
Reichshauptstadt an. An der Besprechung, die am Neujahrstage in den
x) C o n r a d, V, 913 ff. Der Oberbefehlshaber Ost hatte am 26. gemeint, ein öst.-
ung. Korps könne, wenn die Front in Galicien bloß gehalten würde, nach Miawa
transportiert werden.
.2) Ebenda, V, 928 f.
») Ebenda, V, 942.
Neujahrsbesprechung in Berlin
93
Amtsräumen des preußischen Kriegsmmisteriums stattfand, nahm auch
General Ludendorff teil1).
Bei dieser Gelegenheit wies Conrad abermals darauf hin, daß in
Frankreich „alles festgefahren'4 sei und nur im Osten durch den Einsatz
von sechs deutschen Divisionen zwischen der deutschen 9. Armee und der
Armeeabteilung Woyrsch ein Erfolg erzielt werden könnte, der sich auch
auf die Gesamtlage günstig auswirken würde. Als Ludendorff hingegen
unter der Voraussetzung, daß dem Ostheere die in der Aufstellung be-
griffenen neuen Armeekörper zugeführt würden, einen Stoß aus Ost-
preußen gegen Bielostok vertrat, waran sowohl Conrad als auch Falken-
hayn der übereinstimmenden Meinung, daß ein solcher bei den in
Betracht kommenden großen Entfernungen keinen Einfluß auf die Lage
in Westpolen üben könnte. Ludendorff kam hierauf mit einem neuen
Vorschlage. Da die Fortführung des Angriffes an der Front Mackensens
nicht mehr aussichtsreich scheine, sei er bereit, dem öst.-ung. Heere drei
bis vier Divisionen der deutschen 9. Armee zur Verfügung zu stellen.
Freudig nahm Conrad das Anerbieten an und entwickelte sogleich seine
Absicht, die deutschen Divisionen zur Ablösung der Armee Böhm-Ermolli
zu verwenden und nach deren Einsatz östlich von der k. u. k. 3. mit beiden
Armeen zur Rechtsumfassung Brussilows aus den Karpathen hervorzu-
brechen. Aber auch gegen den Abänderungsvorschlag Ludendorffs, die
k. u. k. 2. Armee lieber in Polen zu lassen und die deutschen Truppen an
der geplanten Offensive teilnehmen zu lassen, äußerte er keine Bedenken.
Falkenhayn verhielt sich jedoch gegen eine Karpathenoperation völlig
ablehnend. Nicht nur, daß die Geländeschwierigkeiten nahezu unüber-
windlich seien, besitze der Russe überdies den Vorteil besserer Verbin-
dungen und würde durch rasche Kräfteverschiebungen jedem Schlage
zuvorkommen. Der Frontalangriff in Westpolen erschien dem General
als das zweckmäßigste Unternehmen. Unter dem Eindrucke, daß dieser
Gedanke allseitige Billigung gefunden habe, kehrte er in das Große
Hauptquartier zurück.
Schon am folgenden Tage erhielt Conrad von ihm die Mitteilung,
daß sich Kaiser Wilhelm mit der Stellungnahme Falkenhayns insofern
einverstanden erklärt habe, als die Abgabe von Kräften aus dem Westen
zurzeit unmöglich und die Frage der Verwendung der neuaufgestellten
deutschen Korps erst in drei Wochen spruchreif sei. Doch ergehe an das
1) Die Angaben über diese Verhandlungen sind unter anderem auch einer vom
deutschen Reichsarchiv bearbeiteten Studie „Die deutsche Südarmee. Anfang Januar
bis Anfang Juli 1915" entnommen.
94
Der Karpathenwinter 1914/15
Oberkmdo. Ost die Aufforderung, die Entscheidung auf dem linken
Weichselufer durch schärfsten Druck in der Pilicagegend zu erzwingen,
wobei vorausgesetzt werde, daß die öst.-ung. Fronten in Südpolen, in
Westgalizien und in den Karpathen standhielten.
Erster Versuch zur Offensive über die Karpathen
Neue Offensivpläne der Verbündeten
Hiezu Beilagen 4 und 5
Bei der Neujahrsbesprechung in Berlin hatte sich Gdl. Conrad
in politischen Belangen auf persönliche Mitteilungen stützen können, die
ihm kurz zuvor vom Grafen Berchtold gemacht worden waren. Der Außen-
minister, der am 30. Dezember in Begleitung des Botschafters in Berlin,
des Prinzen Gottfried Hohenlohe, in Teschen eingetroffen war, hatte die
Verhältnisse im Süden der Monarchie als augenblicklich nicht bedrohlich
hingestellt; er hielt einen Austritt Italiens aus dem Dreibund noch nicht
für bevorstehend und hoffte, das römische Kabinett durch Verheißung
eines Landgewinnes in Albanien ablenken zu können. Der unglückliche
Ausgang der Kämpfe in Serbien habe die Italiener eher besänftigt als zu
Taten angeregt. Immerhin war dem Minister der Rückzug über die Save
mit Rücksicht auf die unsichere Haltung Rumäniens recht unerwünscht;
auch fürchtete er, daß die Türkei ausspringen und in das feindliche Lager
hinüberwechseln würde, falls der Weg für die Munitionszufuhr nicht frei-
gemacht werden könnte. Der Minister schlug daher vor, zur unmittel-
baren Verbindung mit Bulgarien die Nordostecke Serbiens mit Hilfe von
zwei deutschen Divisionen zu besetzen. Conrad verwahrte sich dagegen;
erlange man deutsche Unterstützung, so müsse sie zur Entscheidung gegen
Rußland verwendet werden1).
Im Gegensatz zu diesen im allgemeinen beruhigenden Versicherun-
gen Berchtolds trafen jedoch in der ersten Jännerwoche sowohl vom Ball-
hausplatz als auch vom Militârattaché in Rom alarmierende Nachrichten
beim AOK. ein, welche die aus dem Süden drohende Gefahr näher rückten.
„Sicher ist," hieß es in einem vom FM. Erzherzog Friedrich am S. Jänner an
den Kaiser erstatteten schriftlichen Vortrag, „daß ein Angriff Italiens und
Rumäniens oder selbst nur eines dieser Staaten die Monarchie in eine
i) Conrad, V, 956 f.
Bildung der deutschen Südarmee
95
militärisch unhaltbare Lage bringen würde. Diese Situation drängt zu
raschem Handeln, und zwar in der Absicht eines ehestens gegen Ruß-
land zu erzielenden Erfolges." Diesen Erfolg wollte das AOK. nun doch
durch den schon im Vormonat versuchten Stoß möglichst starker Kräfte
aus den Karpathen gegen Norden herbeiführen. Unverkennbar spielte
bei der Wahl dieser Angriffsrichtung der Wunsch nach dem baldigen
Entsatz von Przemysl eine sehr große Rolle; dazu kam noch die Nöti-
gung, ungarisches Gebiet vor russischer Invasion zu schützen.
Das deutsche Oberkmdo. Ost war anderer Ansicht wie Falkenhayn
und stimmte grundsätzlich dem von Teschen vertretenen Gedanken eines
Angriffes aus den Karpathen zu, den es von einer Offensive aus Ost-
preußen begleiten lassen wollte. Schon am 2. wurde von Posen aus im
Sinne der in Berlin erteilten Zusage Ludendorffs dem AOK. mitgeteilt,
daß die deutsche 9. Armee für den Fall, als sie westlich von Warschau
nicht vorwärts kommen sollte, vier bis fünf Infanteriedivisionen an den
Ostflügel der Armee Boroevic abgeben könnte. Diese Freigebigkeit erfuhr
jedoch eine Einschränkung, als Mackensen am 5. bei Bolimów undRawa
unerwarteterweise einen ansehnlichen Erfolg über die Russen errang und
man durch den Entzug erheblicher Kräfte die Fortführung der aus-
sichtsreichen Aktion nicht unterbinden wollte. Das Anbot wurde auf zwei-
einhalb Infanteriedivisionen und eine Kavalleriedivision ermäßigt. Fast
wäre es wegen eines in diesen Tagen zwischen den Militärverwaltungen
in Polen ausgebrochenen Zwiespaltes — es handelte sich um die Auf-
teilung des politischen Bezirkes Bendzin — auch zu dieser Aushilfe nicht
gekommen. Als Folge der entstandenen Mißstimmung knüpfte das Ober-
kmdo. Ost an die zugesagte Unterstützung einige Bedingungen, denen die
k. u. k. Heeresleitung nicht entsprechen konnte. Sie beantragte daher, die
Armee Böhm-Ermolli doch lieber durch deutsche Truppen zu ersetzen
und statt der zugebilligten Verbände in die Karpathen abzutranspor-
tieren. Der Zwischenfall wurde jedoch alsbald durch eine loyale Erklä-
rung aus Posen beigelegt.
Weniger bereitwillig zeigte sich Falkenhayn. Sicherlich waren seine
schon in Berlin zur Sprache gebrachten Bedenken gegen die Zweckmäßig-
keit einer nach Gelände und Jahreszeit gleich schwierigen Operation in
den Karpathen schwerwiegender Natur; auch erwartete er sich von diesem
Unternehmen bestenfalls ein Zurückdrücken der Russen aus dem Ge-
birge in das ebene Anland Galiziens, womit man die kriegerischen Ge-
lüste auf der apenninischen Halbinsel kaum dämpfen würde. Die Ita-
liener ließen sich nach der Meinung der deutschen Staatsmänner, denen
96
Der Karpathenwinter 1914/15
Falkenhayn durchaus beipflichtete1), nur durch schleunigste und weitest-
gehende Befriedigung ihrer Gebietswünsche im Zaume halten. Aus diesem
Grunde stellte der deutsche Generalstabschef jetzt ganz andere opera-
tive Ideen zu Conrads Erwägung.
Die von Mackensen abgezweigten deutschen Kräfte seien nicht in
den Karpathen, sondern verstärkt durch weitere, der Ostfront zu. ent-
nehmende Verbände gegen Serbien zu verwenden, wo der durch Kämpfe,
Krankheiten und Entbehrungen geschwächten feindlichen Armee, die
auch bittere Not an Kriegsmaterial leide, ein entscheidender Schlag ver-
setzt werden könne. Damit würde auch die Geltung Österreich-Ungarns
auf dem Balkan und gegenüber Italien wieder hergestellt werden.
Rumäniens Haltung, das erhoffte Losschlagen Bulgariens an der Seite
der Mittelmächte und die außerordentlich wichtige Verbindung mit der
Türkei seien ausschließlich von der Lage in Serbien abhängig2). Dieses
Unternehmen werde aber nur dann zum Ziele führen, wenn die Armee
Boroevic die Karpathenpässe trotz ausbleibender Unterstützung auf die
Dauer von sechs bis acht Wochen behaupten könne; ebenso dürfe für
Przemysl bis Ende Februar keine Gefahr bestehen.
In Teschen war man solchen Plänen durchaus abgeneigt. So wurde
auch dem Wunsche der DOHL., beim k.u.k. Ministerium des Äußern Zu-
geständnisse an Italien zu befürworten, nicht entsprochen. Conrad warnte
im Gegenteil den Grafen Berchtold davor, die italienische Neutralität
durch Gebietsabtretungen erkaufen zu wollen und betonte auch nach-
drücklich, daß derzeit ohne entscheidenden Erfolg gegen Rußland selbst
der größte Sieg über Serbien politisch wirkungslos bleiben würde. Auch
der spätere Besuch des Erzherzog-Thronfolgers beim Kaiser Wilhelm
galt vor allem der Zurückweisung des deutschen Ansinnens, österreichi-
sches Gebiet an Italien abzutreten.
Nach diesen fruchtlosen Bestrebungen, ein erwünschteres Tätigkeits-
feld für die der deutschen Ostfront entnommenen Kräfte zu gewinnen,
verständigte die DOHL. das AOK. am 8. Jänner, daß sie zweieinhalb
Infanteriedivisionen und eine Kavalleriedivision abgeben werde. Diese
sollten mit gleich starken öst.-ung. Kräften als Südarmee unter den Be-
fehl des deutschen Gdl. v. Linsingen gestellt werden, dem Ludendorff
*) Die voraussichtliche Bedrohung der Südflanke des deutschen Westheeres durch
ein feindliches Italien mag für die Stellungnahme Falkenhayns gleichfalls von Einfluß
gewesen sein.
2) Vgl. auch Falkenhayn, Die Oberste Heeresleitung 1914—1916 in ihren
wichtigsten Entscheidungen (Berlin 1929), 48 f.
Falkenhayns Bedenken gegen die Verwendung der Südarmee
97
— zu allgemeiner Überraschung aller Außenstehenden — als Generalstabs-
chef zur Seite treten sollte1).
Die näheren Vereinbarungen über den Einsatz der Südarmee wurden
in unmittelbarem Einvernehmen zwischen dem AOK. und dem Ober-
kmdo. Ost getroffen. Als Falkenhayn erfuhr, daß man die gebirgsunge-
wohnten deutschen Truppen östlich vom Uzsokpasse verwenden wolle,
erschien ihm das ganze Unternehmen neuerlich im ungünstigsten Lichte;
die deutsche Artillerie und die schweren Trainfuhrwerke würden in der
gegenwärtigen Jahreszeit in diesem unwegsamen Gebiete nicht fort-
kommen, es wäre viel besser, die Südarmee westlich vom Passe im Ein-
klänge mit der 3. Armee vorrücken zu lassen2). Zunächst fruchtete es
nichts, daß Conrad drahtete, die Weg-und Geländeverhältnisse seien in
der vom AOK. für die Südarmee in Aussicht genommenen Operations-
richtung ganz die gleichen wie in der von Falkenhayn gewünschten. Der
Südarmee stünden zwei gute durchlaufende Straßen und eine Bahnlinie
zur Verfügung; durch reichliche Beistellung von leichtem Fuhrwerk und
von Tragtieren werde für das Fortkommen der deutschen Truppen gesorgt
werden, endlich sei durch die zur Südarmee tretenden k. u. k. Verbände
die Möglichkeit geschaffen, schwierige Aufgaben auf Gebirgswegen durch
Truppen lösen zu lassen, die hier seit Monaten kämpften und mit Ge-
birgsartillerie versehen waren. Falkenhayn gab sich nicht zufrieden. Erst
bei einer Besprechung mit Conrad in Breslau am 11. Jänner stimmte er
zu, weil die gleichzeitig anwesenden Generale Linsingen und Ludendorff
erklärten, die Aufgabe der Südarmee sei zwar nicht leicht, aber immer-
hin durchführbar; man könne allerdings keine Entscheidung, doch viel-
leicht einen großen Sieg erhoffen.
Bestand nun die k. u. k. Heeresleitung trotz der Verschärfung der Be-
ziehungen zu Italien auf ihrem Operationsplane, so wünschte sie jetzt
den Regierungen in Rom und Bukarest deutlich kundgeben zu können,
1) Vermutlich war die auffallende Maßnahme, Hindenburg von seinem bewährten
Berater zu trennen, der Rivalität zwischen Falkenhayn und dem siegreichen Ober-
befehlshaber der deutschen Ostfront zuzuschreiben. Hatte sich Ludendorff für die un-
erwünschte Karpathenoperation mit solcher Wärme eingesetzt, so sollte er sich auch
an ihrer Durchführung beteiligen.
2) Der Vertreter der DOHL. beim AOK., GLt. v. Freytag-Loringhoven, hatte
Falkenhayn vor dem Einsatz deutscher Verbände in den Waldkarpathen gewarnt und
vorgeschlagen, die Stoßkraft der deutschen Divisionen zu einer Offensive im Vereine
mit dem rechten Flügel der Armee Boroevic in der Richtung Sambor—Przemysl aus-
zunützen und so den Entsatz der Festung herbeizuführen (Freytag-Loring-
hoven, Menschen und Dinge, wie ich sie im Leben sah, 259).
II
7
98
Der Karpathenwinter 1914/15
daß jeder Einbruch in das Gebiet der Donaumonarchie auch auf deut-
schen Widerstand stoßen würde. Durch Entsendung je eines deutschen
Halbbataillons nach Trient, Görz und Kronstadt sollte den beiden neu-
tralen Mächten das Zusammenstehen der Verbündeten vor Augen geführt
werden. Aus diesem Grunde hatte schon früher ein für die Südarmee
bestimmtes deutsches Bataillon den Umweg über das Banat gemacht, um
dem Feinde hier den Ersatz jener ansehnlichen Kräfte vorzutäuschen, die,
wie noch zu erwähnen sein wird, von der Armee des Erzherzogs Eugen
gegen Norden transportiert wurden. Dem neuerlichen Wunsche des AOK.
zur Abgabe von deutschen Truppen für Demonstrationszwecke versagte sich
jedoch die DOHL., da sie meinte, die beantragten Entsendungen würden
von Italien und Rumänien als Drohung aufgefaßt werden und ungünstig
auf die im Zuge befindlichen Verhandlungen mit der Consulta einwirken.
Ohne Italien werde Rumänien niemals gegen die Donaumonarchie zu
Felde ziehen.
Conrad regte weiters am 16. Jänner im Großen Hauptquartier an,
die neuaufgestellten deutschen Korps auf dem rechten Weichselufer in
der Richtung Mlawa—Pultusk anzusetzen, wovon er sich eine Entlastung
der beabsichtigten Karpathenoffensive versprach. Waren dann alle ver-
fügbaren Kräfte zusammengefaßt und gelang es, den russischen Nord-
flügel zu zertrümmern, so mußte dies den Rückzug der feindlichen Streit-
kräfte im Weichselbogen nach sich ziehen. Falkenhayn antwortete zu-
stimmend, behielt sich aber die Festsetzung des Verwendungsraumes dieser
Korps noch vor. „Mit schwerem Herzen" verzichtete er damit für längere
Zeit auf eine aktive Kriegführung größeren Stils im Westen, weil er
glaubte, daß Österreich-Ungarn sonst in kurzer Frist unter den Kriegs-
lasten zusammenbrechen würde1). Diese Auffassung erwies sich denn
doch als zu pessimistisch. Waren auch die bisher an die k. u. k. Streit-
kräfte gestellten Anforderungen außerordentlich hohe, so erscheint das
Urteil Falkenhayns durch das noch mehr als dreieinhalb Jahre währende
Ringen des öst.-ung. Heeres widerlegt.
Die Kämpfe in der schneebedeckten unwirtlichen Karpathenland-
schaft waren schon in vollem Gange, als Falkenhayn am 26. Jänner nach
Teschen mitteilte, daß die aus vier Korps neugebildete deutsche 10. Ar-
mee2), GO. v. Eichhorn, am 7. Februar die Operationen in Ostpreußen
aufzunehmen haben werde. Freilich entsprach die gewählte Richtung
nicht völlig den Wünschen des k. u. k. Generalstabschefs.
1) F a 1 k e n h a y n, 49 f.
2) Drei neuformierte und das XXI. Korps von der Westfront.
Ereignisse auf dem Nordflügel der verbündeten Heere
99
Der Ausklang der Dezemberkämpfe
Unstreitig machte sich auf dem östlichen Kriegsschauplatze um die
Jahreswende bei den streitenden Parteien ein gewisses Ruhebedürfnis
(S. 91) geltend. Ehe sie zu neuen entscheidenden Schlägen ausholten,
wurden nur begonnene Operationen in Teilkämpfen zum Abschlüsse ge-
bracht und Vorbedingungen für nächstgeplante geschaffen.
Auf dem äußersten Nordflügel der Verbündeten behauptete sich die
8. Armee, Gdl. Otto v. Below, auch weiterhin an den Masurischen Seen
und an der Angerapp gegenüber den Angriffsstößen der 10. Russen-
armee; die Gruppe Zastrow verhinderte ein Vordringen der feindlichen
12. Armee gegen den Rücken Belows, während die 9. Armee, GO. v.
Mackensen, nach ihrem am 5. Jänner gegen die 2. und die 5. Armee er-
rungenen Erfolge und nach der tags darauf begonnenen Auslösung der
für die Südarmee bestimmten zweieinhalb Infanteriedivisionen1) und
einer Kavalleriedivision bis zum 12. nur kleinere Fortschritte zu ver-
zeichnen hatte. Dann erstarrte auch hier die Front.
Bei der Armeeabteilung Woyrsch, die den linken Flügel der vom
AOK. befehligten Streitkräfte bildete, waren die Kämpfe an der Pilica
bei Tomaszów—Inowlodz abgeflaut. GO. Woyrsch hatte nunmehr die
Aufgabe, den gegenüberstehenden Feind zu binden und Verschiebun-
gen gegen die deutsche Nachbararmee zu verhindern. Durch Streckung
seines linken Flügels wurden die südlich von der Pilica befindlichen Teile
der 9. Armee für diese freigemacht. Die Russen arbeiteten sich an ein-
zelnen Stellen näher an die Schützengräben ihres Gegners heran, doch
scheiterte ihr in der Nacht zum 21. Jänner bei Jasien unternommener
Angriff an der Wachsamkeit der deutschen Landwehr.
Auch der rechte Flügel der k. u. k. 1. Armee wies russische Anstürme
gegen den Stützpunkt Czarków am 10., 11. und 12. ab. In den folgenden
Tagen schwoll die Nida stark an; von ihr überflutete Grabenstücke mußten
geräumt werden. An eigene Offensivunternehmen konnten aber weder
GO. Woyrsch noch GdK. Dankl denken, umso weniger, als die 1. Armee
die 37. HID. und die 33. ID. (S. 84) in die Karpathen absenden mußte.
Während sich somit an den Fronten im Weichsellande nichts Er-
wähnenswertes ereignete, dauerten weiter südlich die Abschlußkämpfe
der zuletzt geschilderten Operationsperiode noch eine Weile an.
Am Silvestertage hatte sich der gegen den Abschnitt Zakliczyn—
1) Außerdem stellte die 8. Armee ein Infanterieregiment und eine Artillerieabtei-
lung für die Südarmee bei.
7*
100
Der Karpathenwinter 1914/15
Gorlice gerichtete wütende Ansturm Dimitriews an der unerschütterlichen
Abwehr der 4. Armee gebrochen (S. 78). Trotzdem gab der russische
Führer seine Anstrengungen nicht ganz auf, galt doch für ihn noch der
Befehl Iwanows, den Gegner über die Biala zurückzuwerfen. So gingen
zu Neujahr die Russen abermals unter Umfassung von Süden her gegen
die Erzherzogsarmee vor und bedrohten damit die wichtige Verbindungs-
linie Gorlice—Grybów—Neusandez. Der gegen Südosten abgebogene Flü-
gel der Gruppe Králicek (43. SchBrig. sowie Teile der 10. und der 12.ID.)
verhinderte in wechselvollen Gefechten die Aufrollung der Front. Die
äußerste rechte Flügelwacht, die zum Kavalleriekorps Berndt gehörige
II.HKD., wich allerdings bis Uscie Ruskie zurück und mußte durch die
halbe 6. KD. verstärkt werden.
Leicht konnte nun die Front im Grenzgebiet der 4. und der 3. Armee
noch weiter aufgerissen werden. Um diese Gefahr zu bannen, sollten das
III. Korps und die vier Reiterdivisionen Berndts gegen Norden vorstoßen
und die Umklammerungsbewegungen des Feindes zum Stehen bringen.
Zuerst trat das SchR. 5, dem die Richtung auf den Straßensattel 604 x)
gegeben war, bei Gladyszów in den Kampf. Während GM. Berndt auf
Wunsch des 4. Armeekmdos. sein Kavalleriekorps schon am 2. in die
Linie Gladyszów—Uscie Ruskie vorgeführt hatte, griff das nur drei Bri-
gaden starke III. Korps erst tags darauf links vorwärts gestaffelt ein.
Eine Brigade der 28. ID. wurde rechts vom SchR. 5 zum Angriff auf
Banica angesetzt, während die andere durch russische Kräfte gezwungen
war, gegen Nordosten abzuschwenken. Die 44. SchBrig. mußte bei 0±enna
als Flankenschutz gegen die russische Gruppe bei Krempna zurückbleiben.
Bei der operativen Bedeutung, die den Vorgängen an dieser schwach
geschützten Nahtstelle zukam, sah sich auch das AOK. veranlaßt, den
Einklang im Handeln zu regeln. Es befahl daher am 3., das III. Korps
habe am nächsten Tag den Abschnitt Banica—Dlugie—Grab—0±enna ver-
läßlich in die Hand zu nehmen; in der Folge müßten die inneren Flügel
der beiden Armeen bereit sein, den Feind sogleich von Süden und Westen
zangenartig anzupacken, wenn er versuchte, hier einen Keil einzutreiben.
Das Kavalleriekorps, das sich vorerst mit den abgesessenen Reitern der
11. HKD. sowie mit Fußabteilungen und Radfahrern der 5. HKD. an dem
Gefechte des SchR. 5 bei Gladyszów beteiligte, sollte hinter der Front-
lücke den Augenblick zum Eingreifen abwarten. Unterdessen hatte FML.
Králicek die gegen Gorlice und den rechten Flügel seiner Gruppe vor-
x) Mit dem „Straßensattel 604" ist der Punkt gemeint, wo die Chaussee Zboró—
Gorlice die Magóra nördlich von Gladyszów übersetzt.
Kämpfe im Grenzgebiet zwischen der 3. und der 4. Armee
101
dringenden Russen abzuschütteln gewußt1). Der Angriff gegen Banica
kam erst am 5. in Fluß. Zur Unterstützung des III. Korps dirigierte
Králicek eine Kolonne über den Straßensattel 604, das SchR. 5 schwenkte
bei Gladyszów gegen Osten ein und die Brigade der 28. ID. arbeitete
sich von Süden gegen Banica heran.
Nunmehr erklärte aber Erzherzog Joseph Ferdinand, seinen Süd-
flügel auf die Dauer nicht über den Straßensattel 604 ausdehnen zu
können, worauf das 3. erwiderte, von einem vereinzelten Angriff auf
die Höhen von Banica absehen zu müssen, weil diese dann nicht be-
hauptet werden könnten. Das III. Korps, durch Boroevic daher ange-
halten, einigte sich mit dem IX., die inneren Flügel zurückzunehmen.
Man gab hierauf das ganze Unternehmen auf und das 3. Armeekmdo.
nahm das Kavalleriekorps zurück. Am 6. marschierten die 4. und die
10. KD. sowie die 5. HKD. in weitläufige Quartiere um Bartfeld; die
11.HKD. wurde wieder der 4. Armee unterstellt.
Die an den Einsatz des Kavalleriekorps geknüpften Hoffnungen hatten
sich trotz umsichtiger Führung begreiflicherweise in dem gebirgigen
Gelände nicht erfüllen können. Überdies fehlte die Unterstützung durch
die wegen der verschneiten und grundlosen Wege zurückgebliebene Ar-
tillerie. Die schwachen Kräfte des III. Korps sahen sich in ihrer Tätig-
keit durch den stets möglichen Flankenstoß des Feindes von Krempna
her gehemmt2). Dieser Fehlschlag bildete das Vorspiel für die Reibun-
gen, die in den nächsten vier Monaten regelmäßig eintraten, sobald die
inneren Flügel der beiden Armeen ihre günstige Gruppierung zu überein-
stimmendem Vorgehen auszunützen gehabt hätten3).
In dieser Zeit wehrten auch die Gruppen Szurmay und Ljubicic An-
griffe der Russen ab, die namentlich gegen Ljubicic gerichtet waren.
Das 4. Armeekmdo. stellte ihm deshalb ein noch als Reserve verfügbares
Infanterieregiment für die sichere Abwehr zur Verfügung. Auf dem Nord-
flügel der 4. Armee herrschte fast vollständige Ruhe4). Überhaupt er-
1) Hiebei wurde ein versprengtes russisches Bataillon gefangengenommen.
2) Boroevic bat neuerlich (S. 77) um Zurückgabe der bei der 4. Armee einge-
teilten 6. ID. und 43. SchBrig.
3) Diese Ereignisse wurden hier in weit über den sonstigen Rahmen hinausgehen-
der Ausführlichkeit geschildert, weil sie die operativen und taktischen Schwierigkeiten
der Gefechtsführung an einer Nahtstelle beleuchten.
4) Am 19. Jänner glückte einer Freiwilligenabteilung der deutschen 47. RD. eine
Unternehmung gegen die russische Brückenkopf Stellung am Westufer des Dunajec nörd-
lich von der Eisenbahn nach Tarnów. Der Feind wurde überfallen und die Brücke
durch Artilleriefeuer zerstört.
102
Der Karpathenwinter 1914/15
starb vom 5. Jänner an die Angriffslust des Feindes; er grub sich ein
und baute sich allmählich eine starke Stellung.
Schon am Neujahrstage bestand beim AOK. kein Zweifel mehr,
daß die 4. Armee standhalten werde; nunmehr konnte das von der
1. Armee anrollende V.Korps (37. HID. und 33. ID.) dem Ostflügel des
Gdl. Boroevic zugeführt werden (S. 80). Da überdies Nachrichten über
Verschiebungen des Feindes gegen Südosten einliefen und der Führer
der 3. Russenarmee offenbar nicht mehr an machtvolle Angriffsstöße
dachte, entschloß man sich in Teschen, der 4. Armee drei Divisionen
zugunsten des rechten Heeresflügels zu entziehen, und zwar: das Gros
der 43. SchD. (86. SchBrig. mit Artillerie und Kavallerie) von der Gruppe
Ljubicic, die 6. ID. und 43. SchBrig. der Gruppe Arz und die 19. ID.,
die auf vier Korps (XVII., XIV., XI. und VI.) aufgeteilt war.
Die Heeresleitung war sich des Wagnisses einer solchen Schwächung
der 4. Armee voll bewußt. Diese Schwächung fiel umso mehr ins Ge-
wicht, als sich Dimitriew doch nicht ganz untätig verhielt, wovon mehrere
Angriffsversuche gegen die Höhe Wal Zeugnis ablegten. Um wenigstens
den Flügeln eine Unterstützung zu sichern, sollte sich die 106. LstlD. der
1. Armee zur Mitwirkung an einem Kampfe südlich von der Weichsel in
der Nähe der Brücke bei Jagodniki bereithalten und Boroevic wurde
beauftragt, die ihm wieder zugeführte 43. SchBrig. bei Zboró zu belassen.
So kamen die Truppen der 4. Armee in den nächsten zwei Wochen
infolge der häufigen Ablösungen und Verschiebungen nicht zur Ruhe.
Aber noch andere Sorgen beschäftigten die Armeeführung; sie ergaben
sich aus der nationalen Zusammensetzung ihrer Verbände. In tückischer
Absicht ließ der Russe durch die verschiedensten Kanäle die ost- und
mittelgalizischen Mannschaften auffordern, in ihre „befreiten" Heimat-
dörfer zurückzukehren. Da zur 4. Armee die 11. und die 30. ID. sowie
die halbe 43. und die 45. SchD. gehörten, deren Angehörige ihre nächsten
Verwandten in unmittelbarer Nähe hinter der Feindfront wußten, be-
stand die Gefahr einer Massendesertion. Beim XI. Korps half man sich
dadurch, daß die unbedingt verläßliche 88. KSchBrig. bataillonsweise
hinter der Front aufgeteilt wurde1). Unerschöpflich war der Feind in
!) Ob bei den genannten Armeekörpern ziffernmäßig ins Gewicht fallende De-
sertionen zum Feinde stattfanden, ist den Akten nicht zu entnehmen. Dagegen liefen
wenige Tage nach dem Abschlüsse der vorgeschilderten Kämpfe, nicht von den Ru-
thenen, sondern vom bh. IR. 1 ein Feldwebel und 184 Mann zu den Russen über.
Dieses Regiment wurde sodann bei der 19. ID. eingeteilt und mit ihr zur Südarmee
abtransportiert, wo es in der Gegend von Wyszków kämpfte. In der Nacht vom 7. auf
den 8. Februar desertierten neuerlich etwa 100 Mann serbischer Nationalität zum Feinde.
Vorbereitungen für die Karpathenoffensive
103
der Erfindung von Kriegslisten. In öst.-ung. Uniformen verkleidete Leute
überfielen unsere Patrouillen und kleinere Abteilungen sogar bei hell-
lichtem Tage.
Der Armee Boroevic gegenüber hatte sich der Feind mit seinen in
der zweiten Dezemberhälfte errungenen Erfolgen begnügt. Bei den ge-
schilderten Unternehmungen ihres Westflügels fand das III. Korps durch
die rege Vorfeldtätigkeit des rechts benachbarten VII. entsprechende
Unterstützung; Erzherzog Joseph schob dann auch seine Sicherungs-
abteilungen beiderseits der zum Duklapaß führenden Straße näher an den
Feind heran. Die bisher zum Verbände der Gruppe Meixner gehörende
1. KD. wurde dem VII. Korps unterstellt (S. 76).
Beim X.Korps entspannen sich am 1., 3. und 5. Jänner Kämpfe um
den Besitz des Gebirgsdorfes Jasiel, an denen sich Truppen der 2. und
der zur Gruppe Krautwald gehörenden 24. ID. beteiligten. Offenbar
planten die Russen, sich durch das Jasieltal den Weg in den Raum bei
Mezölaborcz zu öffnen. Aber weder bei Jasiel noch auf der kürzlich in
die Sicherungslinie einbezogenen Pojana (Höhe auf dem Grenzkamm
3 km westlich von Jasiel) vermochten sie festen Fuß zu fassen. Am 5.
übernahm FML. Krautwald an Stelle des Gdl. Meixner, der um Ent-
hebung von seinem Posten angesucht hatte, den Befehl über das X.Korps;
es bestand fortan aus der 2., 24. und 34. ID. Nachdem sich die ununter-
brochen in Gefechte verwickelte 2. ID. am 7. der am Vortage verlorenen
Höhe westlich von Jasiel wieder bemächtigt hatte, konnten ihre erschöpf-
ten Truppen endlich in Unterkünfte gelegt werden. Die 34. ID. schob sich
nach Komancza vor, wobei es zu Zusammenstößen mit dem Feinde kam.
Auf Befehl des 3.Armeekmdos. machte sich auch das XVIII.Korps
zu der bevorstehenden Operation durch eine Vorverlegung seiner Wider-
standslinie bereit; der Raum bei Kalnica gelangte hiedurch in gesicherten
Besitz. Die Masse der 43.SchD., mit der Bahn von der 4. Armee heran-
gezogen (S. 102), wurde vom 10. an in Szinna und Takcáány ausgeladen
und schloß nach vorwärts auf. Die bisher dem Korps angegliederten
Verbände der 56. ID. und der 8.KD. waren südlich vom Hauptkamme der
Karpathen in Erholungsquartiere bei Telepócz gelegt worden. Diesen
ermüdeten Truppen sollte aber nur kurze Ruhe beschieden sein.
In der Silvesternacht fiel der nordwestliche Eckpfeiler der Front
Pflanzer-Baltins — der Uzsokpaß — in die Hände der Russen. FML.
Rónai-Horváth, der hier befehligte, hatte allerdings schon beabsichtigt,
seine durch die vorherigen Gefechte mitgenommenen Bataillone am 1.
knapp hinter die Paßhöhen zurückzuziehen (S. 73), doch kam der Feind
104
Der Karpathenwinter 1914/15
der Ausführung dieser Bewegung zuvor. Unter dem Schutze der Dunkel-
heit griffen die Russen überraschend an, eine Abteilung umging in der
Nacht den linken Flügel des verwirrten Verteidigers ; hiebei wurde Oberst
Csermák tödlich verwundet. Wenig Widerstand leistete der rechte Flügel,
der aus ruthenischen Landstürmern bestand. Von einem geordneten Rück-
zug war nicht mehr die Rede, die Truppen fluteten im Ungtale zurück
und konnten erst in der Linie Révhely—Sóhát zum Stehen gebracht wer-
den. Immerhin blieben aber die über Szinna in Flanke und Rücken der
3. Armee führenden Zugänge gedeckt.
GdK. Pflanzer-Baltin versuchte vergeblich, die rückgängige Bewe-
gung anzuhalten. Er sandte nunmehr die 1. LstHusBrig. von Huszt zu
Rónai-Horváth, veranlaßte dessen Verstärkung durch einige ungarische
Landsturmkompagnien aus dem Hinterlande und bat das AOK. um aus-
reichenden Kräftezuschub. Dieses beschloß jedoch, die Sorge um den
Uzsokpaß wieder dem 3.Armeekmdo. anzuvertrauen.
Gdl. Boroevic traf hierauf ungesäumt Maßnahmen zur Unterstützung
der in ziemliche Auflösung geratenen Verbände Rónai-Horváths. Da die
bei Telepócz in Erholungsquartiere verlegten Armeekörper unmittelbar
zur Hand waren, hatte die in die 128. LstlBrig. umgewandelte 56. ID.
über Utczás zu Hilfe zu eilen und die 8. KD. über Wolosate in Flanke
und Rücken der im Ungtale vorrückenden Russen zu stoßen; später
wurde aber auch der Reiterdivision die Richtung über Utczás vorge-
schrieben. Durch starke Märsche erschöpft, sammelten sich die bezeich-
neten Truppen am 4. bei diesem Orte.
Ursprünglich wünschte das AOK., daß gleich nach der Wiederord-
nung der gelockerten Verbände und nach der Ankunft der zugesandten
Verstärkungen an die Wiedereroberung des Uzsokpasses *) geschritten
werde; dann sollte noch vorher das Einlangen des V.Korps abgewartet
werden, schließlich stimmte man aber in Teschen dem Antrage des
3. Armeekmdos. zu, das Unternehmen erst in zeitlicher Übereinstimmung
mit der allgemeinen Offensive durchzuführen. Die Russen fühlten sich
indes in ihren Stellungen beiderseits des Un^tales stark ausgesetzt und
zogen ihre vorgeschobenen Abteilungen etwas zurück, worauf der jetzt
hier befehligende FML. Bartheldy am 10. näher an den Feind rückte.
Inzwischen rollten die zur Verstärkung der Streitkräfte in den Kar-
pathen bestimmten Divisionen und Schützenbrigaden in ihre neuen Auf-
1) In kurzer Aufeinanderfolge wechselten hier die Befehlshaber. Rónai-Horváth
wurde durch FML. Siegler ersetzt, dieser durch FML. Bartheldy, bis endlich später
FML. Szurmay auf diesen wichtigen Posten gestellt wurde.
Russischer Druck gegen die Armeegruppe Pflanzer-Baltin
105
marschräume. Ein erheblicher Kraftzuschuß ergab sich daraus, daß GdK.
Erzherzog Eugen, Befehlshaber der 5. Armee (Generalstabschef FML.
Alfred Krauss), am 6. Jänner bereitwillig der Abgabe von fünf, und zehn
Tage später von zwei weiteren Infanteriedivisionen für den russischen
Kriegsschauplatz zugestimmt hatte, was durch die Beschränkung auf die
reine Defensive gegen Serbien möglich geworden war. Von den erst-
bezeichneten fünf Divisionen wurden die 7. und die 29. ID. (XIX. Korps)
über Mezölaborcz und die 40. HID. über Ungvár—N. Berezna zur Armee
Boroevic, die 36. ID. und die 42. HID. (XIII. Korps) zur Armeegruppe
Pflanzer-Baltin befördert.
An der Frontmitte dieser Armeegruppe herrschte um die Jahres-
wende fast völlige Ruhe. Dagegen verstärkte sich der Druck gegen ihre
beiden Flügel. In den Tagen vom 3. bis zum 5. Jänner ging die Gruppe
Hofmann infolge der Ereignisse am Uzsokpaß von Vezérszállás etwas
gegen Süden zurück; der Ort wurde von den Russen besetzt. Auch die
Gruppe Schultheisz (54. ID.), die seit zwei Wochen mit ihren Land-
stürmern auf unwirtlichen Berghöhen kämpfte, wich am 2., nachdem sie
tags zuvor einen Angriff blutig abgewiesen hatte, bis zu dem Gestüt
Luczyna; ihre Nachhut focht noch bis zum 4. bei Izwor. Ebenso mußte der
tapfere Verteidiger der Bukowina, Oberst Fischer, mit seinen zusammen-
geschmolzenen Gendarmerieabteilungen unter beständigen Gefechten den
Rückzug in die Mesticanestie-Stellung bei Jacobeny antreten, wo er
schwer erkrankte und den Befehl an den Geniestabsmajor Papp abgab.
Pflanzer-Baltin besorgte, daß sein rechter Flügel dem Vordringen
der kürzlich in ihren Ständen aufgefüllten halben russischen 71. RD.,
bei der auch etwa eine Kosakendivision eingeteilt war, nicht standhalten
werde. Obgleich die Linie über Borsa nach Máramaros-Sziget operativ
die weitaus wichtigere war, mußten Fortschritte des Feindes über Dorna
Watra und den Borgopaß mit Rücksicht auf Rumänien äußerst uner-
wünscht erscheinen. Der Armeegruppenführer ließ daher zur Unter-
stützung Papps das siebenbürgische Gendarmeriebataillon1) am West-
eingang des Borgopasses bereitstellen und bat überdies das AOK. um
das Verfügungsrecht über eine aus den Ersatzformationen Siebenbürgens
zu bildende Infanteriebrigade, die er gleichfalls in diese Gegend zu
ziehen gedachte.
Da erhob der ungarische Ministerpräsident Graf Tisza Einspruch
x) Die Zusammenziehung der Gendarmerieabteilungen in ein Bataillon war vom
Militärkmdo. Hermannstadt zur Sicherung Siebenbürgens gegen einen Russeneinbruch
verfügt worden.
106
Der Karpathenwinter 1914/15
gegen die geplante Entblößung Siebenbürgens und erreichte auch beim
AOK., daß nicht nur die Inanspruchnahme des erwähnten Gendarmerie-
bataillons unterblieb, sondern daß auch die bisher in der Front verwendeten
Abteilungen der ungarischen Gendarmerie abgelöst werden sollten. Ebenso
wurde in Teschen der Antrag zur Heranziehung der kombinierten In-
fanteriebrigade abgelehnt, dafür wurden aber der Armeegruppe vier
Landsturmbataillone und eine Landsturmhusarendivision der Festungs-
besatzung Krakau zugeschoben.
Nunmehr erfuhr Pflanzer-Baltin auch, daß zwischen seine etwas über
28.000 Feuergewehre zählende Armeegruppe1) und die 3. Armee die
deutsche Südarmee eingeschoben und ihm für die bevorstehende Offen-
sive die 6. ID. der 4. und die 5. HKD. der 3. Armee mit Bahn über Mára-
maros-Sziget zugeführt werden sollten. Mit dem Eintreffen des Komman-
dos der Südarmee in Munkács traten die Gruppe Hofmann und die
12. LstTerrBrig., Oberst Burggasser, unter den Befehl des Gdl. Linsingen.
FML. Durski begann am 11. mit dem Abmarsch seiner Polenbataillone
von Ökörmezö in die Gegend nordwestlich von Borsa als Reserve für
die Gruppe Schultheisz. Diese war, am 12. von den Russen umfassend
angegriffen, von Luczyna auf die befestigten Höhen des Prislop und
Rotundul zurückgegangen.
Den Befehl über die durch den Krakauer Landsturm verstärkte
Gruppe Papp hatte am 14. GM. v. Lilienhoff übernommen; er mußte sich
bald darauf in der Mesticanestiestellung heftiger Anstürme der Russen
erwehren, die seine beiden Flügel zu umfassen suchten. Der Feind gab
erst am 20. seine Angriffe auf, als FML. Schultheisz, dem sich Teile
der Polenlegion angeschlossen hatten, zur Entlastung über Kirlibaba in
den Rücken der Russen vorging. Am 22. konnte sich Schultheisz der be-
herrschenden Flutoricahöhe und des Raumes bei Kirlibaba bemächtigen.
Während dieser Gefechte soll ein russisches Bataillon unweit von
Dorna Watra rumänisches Gebiet durchschritten haben. Die Grenze, an
die sich der rechte Flügel Pflanzer-Baltins lehnte, war durch einen starken
rumänischen Truppenkordon abgesperrt, dessen Offiziere den Russen wert-
volle Aufschlüsse über die Aufstellung und die Stärke der k. u. k. Streit-
kräfte erteilten.
Unter dem Schutze der Gruppen FML. Hofmann und Oberst Burg-
gasser wurden die mit der Eisenbahn zugeführten Teile der Südarmee
x) Für den Großteil der Truppen Pflanzer-Baltins bestanden keine besonderen
Ersatzformationen; die nicht ganz ausreichende Ergänzung der Stände erfolgte durch
Zuweisung von Landsturmmarschkompagnien.
Angriffsgruppierung der Armee Boroevic
107
ausgeladen; bei Munkács die deutsche l.ID. und die 3.GID., bei Huszt
die deutsche 48. RD. und die k. u. k. 19. ID., endlich südlich von Csap
die deutsche 5. KD. x). Der Bahntransport wickelte sich unter erheblichen
Störungen ab. In Preußisch-Schlesien ereignete sich ein Bahnunfall, außer-
dem waren die wenig leistungsfähigen nordungarischen Stationen den
Anforderungen der vermehrten Ausladung nicht gewachsen und bald mit
Nachschubtransporten und Leermaterial verstellt, so daß sich der Auf-
marsch um etwa dreißig Stunden verspätete und das deutsche XXIV. RKorps
(deutsche 48. RD. und k. u. k. 19. ID.) seine Vorrückung statt am 23. erst
am 24. Jänner antreten konnte.
Die Anlage der Jänneroffensive über die Karpathen
H i e z u Beilagen 4, 5 und 6
Aus den vorangehenden Angaben ist zu erkennen, daß die großen
Truppenverschiebungen nur allmählich angeordnet werden konnten, umso
mehr als die Zielbestimmung für die aus ruhigen Fronten ausgelösten
Verbände der jeweiligen Lage angepaßt werden mußte2).
Bei der Offensive über die Karpathen sollte der 3. Armee die ent-
scheidende Rolle zufallen; sie wurde demnach durch sechs Infanterie-
divisionen - V. Korps (33. ID. und 37. HID.), XIX. Korps (7. und 29. ID.),
40. HID., 43. und 86. SchBrig. — verstärkt. Bereits am 2. Jänner erhielt
Gdl. Boroevic die Weisung, seine Kräfte so zu gruppieren, daß bei
Operationsbeginn der Ostflügel der Armee unter „Sicherung" gegen den
Uzsokpaß zu einer einheitlichen und kräftigen Offensive auf Lisko—Sanok
vorgeführt werden konnte, während sich der Westflügel, der stark be-
festigten Stellungen gegenüberstand, erst später dem Angriffe „anzu-
schließen" und Richtung auf Rymanów—Krosno—Jaslo zu nehmen hatte.
Im großen ganzen war dies eine Wiederholung des Dezemberangriffes.
Gdl. Boroevic legte nach seinem am 12. Jänner eingesendeten Opera-
1) Gen. Ludendorff beantragte als Generalstabschef Linsingens, diese Reiterdivi-
sion, von deren Verwendung er sich in dem schwierigen Gelände der Waldkarpathen
nichts versprach, wieder nach Polen zurückzuschicken. Das AOK., das auf die Auf-
kiärungstätigkeit nach Durchschreitung der Gebirgszone großes Gewicht legte, ging jedoch
auf diesen Vorschlag nicht ein. Als nun Ludendorff auf seiner Meinung bestand und
ankündigte, daß er sich wegen Rückberufung der Kavalleriedivision in direktes Ein-
vernehmen mit dem Oberkmdo. Ost setzen werde, wandte sich das AOK. selbst nach
Posen. Hindenburg enthielt sich eines Eingriffes, weil ihm die Division nicht unter-
stellt war.
8) Vgl. Ratzenhofe r, „Truppentransporte beim Winterfeldzug in den Kar-
pathen" („Wissen und Wehr", Jhrg. 1929, 8. Heft).,
108
Der Karpathenwinter 1914/15
tionsentwurf besonderes Gewicht auf die möglichst rasche Gewinnung
des Raumes bei UstrzykiDl. durch seinen Ostflügel, wodurch der Feind
bei Lisko und Sanok ¿um Weichen gezwungen würde. Da die zusammen-
hängende Front der Armee Brussilow nur bis zur Straße Cisna—Baligród—
Lisko reichte und ihr linker Flügel bis zum Uzsokpaß nur aus einzelnen
Gruppen und starker Kavallerie bestand, so ließ sich bei der Stoßrich-
tung über Lutowiska—Baligród erhoffen, alsbald gegen die Ostflanke der
8. Russenarmee einschwenken zu können.
Es kam jedoch zu einer Abänderung der ursprünglich geplanten
Kräfteverteilung (Beilage 6) bei der 3. Armee. So geringfügig diese Ab-
änderung auf den ersten Blick auch erscheinen mochte, so war sie doch
von weittragenden Folgen. Der Anstoß hiezu ging vom Kmdo. der deut-
schen Südarmee aus.
Gdl. Linsingen war mit seinem Generalstabschef Ludendorff am
13. Jänner in Munkács eingetroffen. Seine Armee sollte nach den von der
k.u.k. Heeresleitung bekanntgegebenen Richtlinien am 23. im Einklänge
mit der Gruppe Szurmay aus der Linie nördlich von Szolyva und Vucs-
komezö zum Angriffe über Verecke —Tucholka — Volovec —Tuchla und
Toronya—Wyszków vorgehen. Nach dem Überschreiten des Gebirgesund
Erreichen des Raumes Dolina—Stryj—Synowódsko werde die weitere Auf-
gabe der Südarmee einerseits vom Ergebnisse der Kämpfe der 3. Armee
südlich von Przemysl, andererseits von dem etwaigen Auftreten russi-
scher Verstärkungen abhängen. Je nach der Lage habe Gdl. Linsingen
daher entweder über Drohobycz—Boryslaw in den Kampf der 3. Armee
umfassend und entscheidend einzugreifen oder, wenn die Armee Boroevic
bis dahin schon in den Raum Sambor—Przemysl gelangt wäre, über 2y-
daczów, 2urawno und Martynów gegen Flanke und Rücken des abzie-
henden Feindes vorzudringen. Sollten aber starke russische Kräfte gegen
Stanislau—Nadwórna—Kolomea herangeführt werden, so könne auch der
gegen diese gerichtete Angriff die weitere Aufgabe der Südarmee bilden.
Für diesen Fall wurde ihrem Führer die Unterstellung der mit dem linken
Flügel über den Pantyrpaß vorrückenden Armeegruppe Pflanzer-Baltin
zugesagt.
Gen. Ludendorff fand jedoch, daß die Stärke der Gruppe Szurmay
eine rasche Wegnahme des Uzsokpasses nicht verbürge und beantragte
daher, man möge entweder den FML. Szurmay durch die gebirgsgewohnte
6. ID. unterstützen x) oder die Zuführung der für Linsingen bestimmten
1) Die 6. ID. befand sich aber zum größten Teile schon bei der Armeegruppe
Pflanzer-Baltin.
Aufgaben für die Südarmee
109
3. GID. genehmigen; außerdem müsse die zum Angriff auf den Uzsokpaß
angesetzte Kraftgruppe auf die Dauer der Kämpfe in den Karpathen
dem Kmdo. der Südarmee untergeordnet werden. Von diesen Anträgen
berücksichtigte das AOK. nur die Verstärkung der Gruppe Szurmay,
jedoch nicht durch die 6., sondern durch die 7. ID., die ursprünglich als
Reserve der 3. Armee hinter die inneren Flügel der Gruppen Puhallo und
Krautwald gelangen sollte.
Mit Rücksicht auf den neuerlichen Kraftzuschuß für Szurmay wurde
das 3. Armeekmdo. von der Heeresleitung angewiesen, mit dieser Gruppe
die Höhen bei Borynia bis zum 26. Jänner fest in die Hand zu nehmen.
Die 3. GID. war — die Infanterie mit der Bahn — über Ungvár, N. Berezna,
Csontos bis zum 26. in die Gegend südlich vom Uzsokpaß zu verschieben,
um entweder, über Libuchora vorrückend, an der Öffnung der Verecke-
straße oder in der Richtung auf Turka bei Szurmay mitzuwirken.
Lag die Sicherstellung des Erfolges am Uzsokpaß zweifellos im
Interesse der Südarmee, so wurde doch dem für das Schicksal der
Gesamtoperation ausschlaggebenden Stoße auf Ustrzyki Dl. durch Weg-
führung der 7. ID. ein unersetzlicher Kraftteil entzogen.
Eine Besprechung der Generale Boroevic und Linsingen, die sich am
20., von ihren Generalstabschefs begleitet, in Sátoralja-Ujhely trafen,
galt dem übereinstimmenden Vorgehen der Armeeflügel. Da FML. Szur-
may seine Truppen schon am 22. näher an den Uzsokpaß heranführen
und seine Hauptkraft zu einer stark nach Süden ausgreifenden Umfassung
bereitstellen wollte, sicherte Linsingen zu, seine linke Flügelkolonne am
21. Jänner gegen Vezérszállás vorgehen zu lassen und den Feind derart
zu binden, daßSzurmays rechter Flanke keine Gefahr drohe. Schon am
15. hatte in Huszt eine Verabredung des Führers der Südarmee mit seinem
rechten Nachbar, dem GdK. Pflanzer-Baltin, stattgefunden1).
Noch vor dem Beginn der Offensive wurde der Zwischenfall aus der
Welt geschafft, der Hindenburg von seinem bewährten Berater getrennt
hatte : Ludendorff kehrte, bei der Südarmee durch GM. v. Stolzmann er-
setzt, nach Posen zurück.
Der Armeegruppe Pflanzer-Baltin wurde vom AOK. die Aufgabe
gestellt, mit dem linken Flügel den Raum bei Nadwórna zu gewinnen,
während der rechte vorerst einen Einbruch des Feindes über Kirlibaba—
Jaoobeny abzuwehren und sich später gleichfalls an der allgemeinen
Offensive zu beteiligen hatte. Nach dem Überschreiten der Waldkarpathen
x) Die Bereitstellung der Streitkräfte Linsingens und die den einzelnen Gruppen
vorgeschriebenen Vorrückungslinien sind aus der Beilage 6 zu entnehmen.
110
Der Karpathenwinter 1914/15
sollte die Armeegruppe weit nach Norden hin aufklären, die gegen Stryj
und Lemberg von Osten und Norden heranführenden Bahnen zerstören
und überhaupt die Verbindungen des Feindes unterbrechen.
Verschiedene Umstände wirkten zusammen, um die Bearbeitung des
Operationsplanes bei der Armeegruppe Pflanzer-Baltin zu verzögern.
Ursprünglich wurden dieser Armeegruppe nur die 6. ID., die S. HKD.
und die 10. KD.1) dann aber auch — von den Balkanstreitkräften — das
XIII. Korps (36. ID. und 42. HID.) zugeführt. Für diese weitere Verstär-
kung waren politische und militärische Gründe maßgebend gewesen.
Graf Tisza fürchtete, daß die im Dezember erfolgte Räumung eines großen
Teiles der Bukowina, wodurch auch die dort ansässigen Rumänen der
russischen Invasion preisgegeben wurden, auf die Haltung des Bukarester
Kabinetts von Einfluß sein und dessen Begehrlichkeit aufstacheln werde.
Auf Betreiben des ungarischen Ministerpräsidenten, der sich auch nach
Teschen wandte, machte Graf Berchtold knapp vor seinem am 13. Jänner
1915 erfolgten Rücktritte vom Posten des Außenministers2) das AOK.
auf diese Gefahren aufmerksam. Da die Möglichkeit doch nicht ganz
außer Betracht lag, daß Rumänien sich an die Seite der Entente schlug,
durfte der südliche Heeresflügel nicht vernachlässigt werden. Überdies
waren in Teschen auch Nachrichten über einen bevorstehenden Einbruch
starker russischer Kräfte in die Bukowina eingetroffen, was sich aller-
dings nicht bewahrheiten sollte. Endlich hatte GdK. Pflanzer-Baltin um
die Zuführung einer Division für seinen rechten Flügel gebeten.
Nunmehr konnte auch der linke Flügel Pflanzers verstärkt werden.
Die bereits südlich vonKörösxnezö ausladende 6. ID. wurde daher, zunächst
nur mit Teilen, nach Westen an die zum Pantyrpaß führende Marsch-
linie verschoben. Da aber der Russe gerade zur Zeit, als in Máramaros-
Sziget die Offensive gegen Norden erwogen wurde, die früher geschil-
derten Vorteile über die Gruppe Schultheisz errungen hatte (S. 105), war
zu besorgen, daß er die vorrückenden Streitkräfte Pflanzer-Baltins in der
rechten Flanke und im Rücken bedrohe, wenn er seine Angriffe aus der
Gegend von Kirlibaba fortsetzte. Das AOK. 'ermächtigte deshalb den
Armeegruppenführer, einem solchen Stoß das XIII. Korps entgegenzu-
werfen, ohne daß jedoch die in diesem Falle vornehmlich nur der 6. ID.
übertragene Offensive über Körösmezö und Rafailowa aufzuschieben wäre.
1) Der Antransport der 10. KD. erfolgte erst Ende Jänner, jedoch mit der Be-
stimmung zur Südarmee. Die 5. HKD. folgte Mitte Februar.
2) An seine Stelle trat Baron Burián (M u s u 1 i n, Das Haus am Ballplatz,
München 1924, 254 f ; Tisza, Briefe, 1,150).
Der Heeresbefehl vom 22. Jänner 1915
111
Der Erfolg der Gruppe Schultheis^ beseitigte aber bald darauf die von
Kirlibaba her drohende Gefahr1).
Die Heeresleitung stimmte dem in Beilage 6 dargestellten Opera-
tionsentwurfe des Armeegruppenführers zu, legte ihm aber einen mög-
lichst baldigen Angriff gegen die Russen in der Bukowina nahe, offenbar
damit sein Nordstoß in der Flanke gesichert werde und auch um die
Rumänen in ihrer Neutralität zu bestärken. Da sich aber das Heran-
führen des XIII. Korps verzögerte, war die Aufnahme der Offensive
durch die Armeegruppe kaum vor der Monatswende möglich.
Die kritische Periode der Verschiebungen und Bereitstellungen an
der ganzen Karpathenfront konnte glatt überwunden werden, weil die
Russen sich jeder nennenswerten Störung des gegnerischen Aufmarsches
enthielten. Als am 22. Jänner die Gruppe Szurmay ihre einleitenden Be-
wegungen zum Angriffe auf den Uzsokpaß bereits begann, faßte das AOK.
die bisher bruchstückweise erteilten Anordnungen zur Offensive in einen
einheitlichen Heeresbefehl zusammen. Dieser lautete (verkürzt) :
„Am 23. Jänner beginnt die Offensive des Ostflügels der '3. und der Südarmee
mit dem Angriffe auf den Uzsok- und Vereckesattel.
Die Armeegruppe Pflanzer-Baltin wird sich diesem Angriffe in der Staffel östlich
anschließen, in der Richtung Delatyn—Nadwórna und mit Teilen durch die Buko-
wina vorgehen.
Mit dem Fortschreiten der Offensive wird der Westflügel der 3. Armee über
2migrod und Dukla, die 4. Armee mit dem Südflügel über Jaslo anzugreifen haben.
Volles Zusammenwirken des III. Korps mit dem Südflügel der 4. Armee ist
dabei unerläßlich.
Dem Angriffe der Gruppe Arz werden sich die Gruppen Ljubicic und Roth an-
schließen. Gruppe Kritek wird über den unteren Dunajec entlang der Weichsel in den
Staffel vorrücken, um jede Einwirkung des Feindes vom nördlichen Weichselufer zu
verhindern, eventuell auch über die Weichsel vorgehen, um das Vordringen der 1. Armee
über die Nida zu unterstützen.
Die 1. Armee und die Armeeabteilung Woyrsch2) sind stets bereit, jedes Ab-
ziehen feindlicher Kräfte mit dem sofortigen Angriffe zu beantworten und im Falle
gegnerischen Rückzuges sofort zu folgen. Es ist wahrscheinlich, daß der Feind wenig-
stens mit Nachhuten in seiner rückwärtigen Stellung von der Pilica, über Opoczno,
Konsk, Kielce und südöstlich davon neuerdings Widerstand leisten wird.
*) In diesen arbeitsreichen Tagen herrschten große Meinungsverschiedenheiten
zwischen dem Führer der Armeegruppe und seinem Generalstabschef, die zu einer
Verwahrung Pflanzer-Baltins beim AOK. führten. Dieses bezeichnete selbstverständ-
lich bei auseinandergehenden Anschauungen über den Operationsplan den Willen des
Kommandanten als ausschlaggebend.
2) Für den Teil des Heeresbefehles, der sich auf den Raum nördlich von der
Weichsel bezieht, vgl. Beilage 4.
112
Der Karpathenwinter 1914/15
Die 1. Armee richtet ihre Hauptkraft gegen den Raum bei und vornehmlich süd-
östlich von Kielce.
Die Armeeabteilung Woyrsch wird am Südflügel mit der Division Bredow und
dem LKorps den Raum bei Cminsk zu nehmen haben, die Hauptkraft der 2. Armee am
Nordflügel versammeln, um gegen Nowemiasto—Dr¿ewica anzugreifen, in der übrigen
Front aber nur schwache Kräfte in breiter Front dem Gegner folgen lassen."
Das Oberkmdo. Ost wurde von der k. u. k. Heeresleitung ersucht,
die der 9. Armee gestellte Aufgabe auch weiterhin aufrechterhalten : Fort-
setzung des Angriffes, mindestens aber Bindung der russischen Kräfte
und Verhinderung selbst teilweisen Abziehens in den Raum südlich von
der Pilica oder gegen die Karpathen.
Der Aufmarsch des Angriffsheeres hinter den Karpathen in einer
Front von nahezu 400 km war in hohem Grade von dem Bahnnetz und
der Leistungsfähigkeit der einzelnen Transportlinien abhängig. Selbst
wenn außer den bereitgestellten Divisionen augenblicklich noch weitere
Kräfte zur Verfügung gewesen wären, so hätte man sie in Anbetracht
der transporttechnischen Möglichkeiten bis zum 23. Jänner, dem für den
Beginn der Offensive festgesetzten Tage, nicht haben heranbringen können.
Abgesehen davon, daß die nunmehr hiezu bestimmten Kräfte für den
weiten Raum nicht ausreichten, sollte sich der Mangel einer größeren
Reserve binnen kurzem recht fühlbar machen.
Das AOK. beabsichtigte, aus dem Gebirge umfassend zum kriegs-
entscheidenden Angriffe vorzubrechen, im Rahmen der großen Operation
aber auch auf der kürzesten Linie gegen Norden vorzustoßen, um die
Festung Przemysl zu entsetzen. Die tatsächliche Kräftegruppierung ent-
sprach vor allem dem zuerst erwähnten Zwecke; der Nordstoß hingegen
hätte wirksamer geführt werden können, wenn die Südarmee, wie es
deutscherseits ursprünglich gedacht war, knapp neben der 3. Armee im
Abschnitte zwischen der Gruppe FZM. Puhallo und dem Uzsokpasse ein-
gesetzt worden wäre. Nunmehr mußte aber die Stoßgruppe des Gdl. Bo-
roevic bei ihrem Vorgehen auf Przemysl zunächst der Unterstützung
durch den rechten Heeresflügel entbehren; denn die Südarmee und die
überhaupt zu einem späteren Zeitpunkte vorrückungsbereite Armeegruppe
Pflanzer-Baltin hatten vorerst die Gebirgszone zu durchschreiten und
den hier zu gewärtigenden Widerstand des Feindes zu brechen, ehe sie
— und zwar wahrscheinlich auch nicht kampflos — gegen Norden ab-
zuschwenken und in eine enge Verbindung mit der 3. Armee zu treten
vermochten. Das AOK. glaubte, den schweren Nachteil eines Verzichtes
auf die Gleichzeitigkeit der Stöße gegen die Flanke der russischen Massen
Verpflegslage der Festung Przemysl
113
und auf eine straffe Zusammenfassung der Kräfte deshalb in den Kauf
nehmen zu müssen, um die Befreiung Przemysls sobald als möglich ins
Werk zu setzen. Schwer lastete das Schicksal der tapferen Besatzung auf
der Seele des Feldherrn und ebenso bildete die politische Lage einen
wesentlichen Antrieb zu größter Eile.
In allererster Linie hing die Widerstandsdauer des festen Platzes
Przemysl von den verfügbaren Verpflegsmengen ab, die vor der zweiten
Einschließung eine empfindliche Einbuße durch Abgaben an die Feld-
armee erfahren hatten und durch den bald unterbrochenen Zuschub nicht
ausreichend hatten ersetzt werden können1). Es dauerte längere Zeit, bis
sich die Festungsintendanz den notwendigen Überblick verschaffte. Noch
in einer am Neujahrstage in Teschen eingetroffenen Meldung hieß es, die
Verpflegung des Mannes reiche bei weiterem Konsum von Pferdefleisch
nur bis zum 18. Februar. Obgleich sich das AOK. dagegen ungläubig ver-
hielt, mochte diese Feststellung ihre alarmierende Wirkung nicht verfehlt
und die Notwendigkeit beschleunigten Entsatzes eindringlich vor Augen
geführt haben. Wenige Tage später ergaben aber neuerliche Berech-
nungen des Festungskmdos., daß die Vorräte bis zum 7. März gestreckt
werden könnten, wenn man mit ausgiebigen Pferdeschlachtungen sofort
begänne und den Stand an Pferden auf ein Mindestmaß reduzierte. Die
Bewegungsmöglichkeit der Besatzung und auch die Verteidigungsfähigkeit
des festen Platzes würden aber hiedurch erheblich verringert werden.
Das Festungskmdo. fragte daher am 4. Jänner beim AOK. an, ob
man sich auf einen Durchbruch etwa um den 1. Februar oder zum Aus-
halten bis zum 7. März einzurichten habe. Ein Flieger, der am 14. Jänner
in Przemysl landete, brachte dem Festungskmdo. zunächst nur den Be-
fehl, aus der Besatzung fünf Divisionen zu formieren und mit diesen spä-
testens im Februar entweder kraftvoll an einem Entsatzversuche teilzu-
nehmen oder äußerstenfalls bei Zurücklassung einer Minimalbesatzung
die Räumung von Przemysl und den Anschluß an die Feldarmee zu be-
wirken. Erst am 11. März meldete das Festungskmdo., daß die Verpflegs-
vorräte nach der Durchführung der Pferdeschlachtungen und nach einer
gründlichen und planmäßigen Durchsuchung des Vorfeldes nach Nah-
rungs- und Futtermitteln die Widerstandsdauer des festen Platzes bis
zum 24. März gewährleisteten. Mitte Jänner rechnete aber das AOK. noch
mit einem viel früheren Termine.
Bei der russischen 11. Armee, die Przemysl mit ihrer Masse einschloß,
!) Die folgenden Angaben zum Teil nach Stuckheil, „Der Kampf um Przemysl
1914/15".
II 8
114
Der Karpathenwinter 1914/15
deren Truppen aber auch die Besetzung des ganzen Karpathenabschnittes
östlich von Lisko bestritten, herrschte ein reger Wechsel bei den Verbän-
den der zwei mit der Zernierung betrauten Korps. Freund und Feind
verzichteten aber um die Jahreswende auf größere Unternehmungen; die
Russen brachten ihre Anwesenheit nur durch gelegentliche Bombenabwürfe
auf die Stadt und den Festungsbereich in Erinnerung. Die Besatzung wieder
mußte für den Endkampf möglichst geschont werden; auch verbot sich
jede größere Kampfhandlung schon deshalb, weil sie mit einer Er-
höhung der Verpflegsration zur vorangehenden Kräftigung der Truppen
verbunden gewesen wäre, was der notwendigen äußersten Sparsamkeit
zuwiderlief. Der Verpflegsstand der Festung betrug bei Jahresbeginn
127,800 Mann und 14.540 Pferde; überdies war für die Ernährung von
etwa 18.000 Zivilbewohnern und 1000 Kriegsgefangenen zu sorgen.
Gliederung der Streitkräfte auf dem
nördlichen Kriegsschauplatz nach dem Stand
vom 23. Jänner 1915
ARMEE WOYRSCH
Kmdt.: preuß. GO. v. Woyrsdi
Gstbsdief: preuß. Obstlt. Heye
A. ÖST.-UNG. 2. ARMEE
Kmdt: GdK.v.Böhm^Ermolii
Gstbsdief: Obst Dr. B a r d o 1 f f
KORPS GALLWITZ
Kmdt. : preuß. GdA. v.- G a 1 í w i t z
Gstbsdief : preuß. Obst. v. Bar tenwer f fer
Öst.-ung. 35. ID.: FML. Fox Öst.^ung. 27. ID.: FML. Kosak
69. IBrig. : GM. v. Baitz 53. IBrig. : GM. Urbarz
70, IBrig.: Obst. Edi. v. Salmon 54. IBrig.: Obst. v.Watteridi
12l/2 Baone., 2 Schwd., 9 Bt./ 8.080 Feuer* 11V2 Baone., 2 Schwd., 7 Bt./ 9.470 Feuer*
gewehre, 246 Reiter, 52 Gesdi. gewehre, 256 Reiter, 42 Gesch.
ÖST^UNG. IV. KORPS
Kmdt.: GdK. v. Tersztyánszky
Gstbsdief: Obstlt. Freih. v. Salis*Samaden
31. ID. : FML. Freih. v. L ü t g e n d o r f 32. ID. : GM. Ludwig G o i g i n g e r
61. IBrig.: GM. v. Felix 63. IBrig.: GM. v. Podhoránszky
62. IBrig.: GM. Blasius v. Dáni 64. IBrig.: GM. Grallert
12V2Baone., 2Schwd.,10Bt.,-11.468Feuer* 13 Baone., 4 Schwd., 7 Bt.,- 8.613 Feuer*
gewehre, 294 Reiter, 56 Gesdi. gewehre, 370 Reiter, 42 Gesdi.
Kriegsgliederung vom 23. Jänner 1915
115
ÖST.^UNG. XII. KORPS
Kmdt. : Gdl. v. K ö v e s s
Gstbsdief: Obst. Freih. v. Zeidler«Sterneck
16. ID.: FML. v. Schariczer Deutsche 35. RD.: GLt. v. Schmettau
31. IBrig. : GM. v. Szende 13 Baone., 3 Sdiwd., 6V2 Bt. / 8.992 Feuer«
32. IBrig. : GM. Goldbadi gewehre, 348 Reiter, 34 Gesdi.
14 Baone., 3 Sdiwd., 10 Bt.,- 10.705 Feuer«
gewehre, 366 Reiter, 56 Gesdi.
Dem Armeekmdo. unterstellt:
3. KD.: FML. Ritt v. Brudermann
10. KBrig.: Obst, Freih. v. Cnobloch
17. KBrig.: GM. Ritt. v. Pruszyñski
1 Fußbaon., 20 Sdiwd., 3Bt.,- 789 Feuer«
gewehre, 2.364 Reiter, 12 Gesdi.
7. KD.: FML. Edi. v. Kor da
11. KBrig.: Obst. Gf. Lasocki
20. KBrig. : GM. v. Le Gay
1 Fußbaon., 16 Sdiwd., 4 Bt.,- 400 Feuer«
gewehre, 1.907 Reiter, 16 Gesdi.
9. KD. : GdK. Freih. v. Hauer
1. KBrig.: Obst. Dienst!
9. KBrig. : GM. Ritt. v. Micewski
1 Fußbaon., 16 Sdiwd., 3 Bt.,- 545 Feuergewehre, 1.903 Reiter, 12 Gesch.
B. DEUTSCHE ARMEEABTEILUNG WOYRSCH
Kmdt.: GO. v. Woyrsdi
Gstbsdief: Obstlt. Heye
LAND WEHRKORPS
Kmdt. : GLt. Freih. v. K ö n i g
3. LD. : GLt. v. R i e ß 4. LD. : GLt. v. We g e r e r
12 Baone., 4 Sdiwd., 8 Bt./ 8.185 Feuer« 9 Baone., 7 Sdiwd., IOV2 Bt./ 6.244Feuer«
gewehre, 312 Reiter, 44 Gesdi. gewehre, 1.052 Reiter, 56 Gesdi.
LD. Bredow : GLt. Gf. v.Bredow
13 Baone., 2 Sdiwd., 13 Bt./ 9.554 Feuergewehre, 188 Reiter, 64 Gesch.
Summe der Armee Woyrsdi: 113V2 Baone., 81 Sdiwd., 91 Bt.,- 83.045 Feuergewehre,
9.606 Reiter, 486 Gesch.
1.ARMEE
Kmdt. : GdK. Dank!
Gstbsdief: GM. Edi. v. Kochanowski
II. KORPS
Kmdt.: FML. Johann Freih. v. Kirchbach
Gstbsdief : Obst. Gf. Szeptycki
25. ID.: FML. Erzherzog Peter Fer* 4. ID. : FML. Edi. v. Stöger«Steiner
d i n a n d 7. IBrig. : Obst. Sdiaible
49. IBrig.: Obst. Edi. v. Severus 10 Baone., 2 Sdiwd., 9 Bt./ 8.381 Feuer«
50. IBrig. : GM. Ritt. v. Bolberitz gewehre, 217 Reiter, 49 Gesch.
11 Baone., 2 Sdiwd., 9 Bt./ 9.266 Feuer«
gewehre, 208 Reiter, 44 Gesdi.
Korpsunmittelbar: 1 Baon., 1 Sdiwd./ 540 Feuer gewehre, 98 Reiter
8*
116
Der Karpathen winter 1914/15
I. KORPS
Kmdt.: GdK. Karl Freih. v. Kirchbach
Gstbsdiefi Obst. Demus
5. ID. i FML, Edi. v. H a b e r m a n n 46. SdiD. : GM. Edi. v. Brandner
9. IBrig,: Obst.Wossala 92. SchBrig. : Obst. Haas
10. IBrig. : Obst. Adalbert v. Kaltenborn k. k. 110. LstlBrig. : Obst. Freisinger
12 Baone., 4 Schwd., 9y2 Bt./ 9.318 Feuer- 18 Baone., 3 Schwd., I6V4BL/14.505 Feuer-
gewehre, 357 Reiter, 50 Gesch. gewehre, 342 Reiter, 70 Gesch.
Gruppe FML. Martiny
Gstbsdief: Hptm, Hans Ritt. v. W i 11 a s
14. ID. : GM. Ritt. v. W i 11 e r d i n g 106. LstlD. : FML. K1 e 11 e r
27. IBrig.: GM. Horváth k. k. 1. LstlBrig.: Obst. Brauner
28. IBrig. : Obst. Jenisdi k. k. LstlBrig. : Obst. Köckh
15 Baone., 2 Schwd., 7V4Bt./12.147 Feuer-» 12 Baone., 4 Sdiwd., 7 Bt.,- 7.171 Feuer-
gewehre, 194 Reiter, 43 Gesch. gewehre, 406 Reiter, 37 Gesch.
91. SchBrig. : GM. v. Urbanski
6 Baone., 3 Bt.,- 5.835 Feuergewehre, 18 Gesch.
2. KD. : FML. Ritt. v. Z i e g 1 e r
3. KBrig. : GM. Freih. v. Abele
16. KBrig. : GM. Freih. v. Diller
1 Fußbaon., 23 Schwd., 3 Bt./ 840 Feuergewehre, 2.434 Reiter, 12 Gesdi.
Summe der 1. Armee: 86 Baone., 41 Schwd., 64 Bt.,- 68.003 Feuergewehre,
4.256 Reiter, 323 Gesch.
4. ARMEE
Kmdt: GdL Erzherzog Joseph Ferdinand
Gstbsdief: FML. Rudolf K r a u s s
XVII. KORPS
Kmdt.: GdL Kritek
Gstbsdief : Obst. Edi. v. L e r c h
121. IBrig. i Obst. Edi. v. Lüftner 41. HID. : FML. S c h a y
5y2 Baone., 1 Schwd., 5Bt.,- 2.600 Feuer* 40. HIBrig. : GM. Foglár
gewehre, 100 Reiter, 28 Gesch. 82. HIBrig. : GM. Sdiamschula
12 Baone., 2 Schwd., 6 Bt.,- 9.300 Feuer-
gewehre, 195 Reiter, 27 Gesch.
XIV. KORPS
Kmdt.: FML. Roth
Gstbschef: Obst. Göttlicher
3. ID. : FML. Edi. v. Horsetzky 8. ID. : FML. v. F a b i n i
5. IBrig. : Obst. Edi. v. Merten 96. IBrig. : GM. Ritt. v. Rziha
15. IBrig.: Obst. Fischer 8 Baone., 2 Schwd., 12 Bt./ 4.827 Feuer*
14V2 Baone., 2 Schwd., 12l/2 Bt.,- 8.503 gewehre, 224 Reiter, 64 Gesch.
Feuergewehre, 139 Reiter, 49 Gesch.
Deutsdie 47. RD.: GLt. v. B e s s e r k. k, LstGruppe: Obst. G r z e s i c k i
13Baone., 1 Schwd., 13Bt./ 11.197Feuer* 3 Baone./ 2.108 Feuergewehre
gewehre, 93 Reiter, 52 Gesch.
Korpsunmittelbar: 1 Schwd., 4V2 Bt.,- 80 Reiter, 13 Gesch.
Kriegsgliederung vom 23. Jänner 1915
117
XI. KORPS
Kmdt. : FZM. L j u b i c i c
Gstbsdief: Obst. Rimi
11. ID. : FML. Anton v. B e 11 m o n d
21. IBrig. : Obst. Schönauer
22. IBrig. : GM. Alexander Ritt. v.
Wasserthal
10 Vé Baone., 2 Schwd., 15Bt./ 6.621 Feuer*
gewehre, 151 Reiter, 87 Gesch.
30. ID.: FML. Kaiser
60. IBrig. : Obst. Ritt. v. Gruber
88. KSdiBrig. : Obst. v. Eckhardt
8 Baone., 2 Schwd., 12 Bt.,< 5.330 Feuer*
gewehre, 227 Reiter, 54 Gesch.
15. ID.: FML. Edi. v. Schenk
29. IBrig. : Obst. v. Stanoilovic
30. IBrig. : Obst. Leide
9V2 Baone., 2 Schwd., 9 Bt.,< 5.175 Feuer*
gewehre, 204 Reiter, 47 Gesch.
6. KD.: GM. Edi. v. Schwer
14. KBrig.: Obst. Leiter
1 Fußbaon., 8 Schwd,, 3Bt./ 1.005 Feuer*
gewehre, 947 Reiter, 12 Gesdi.
Détachement Obstlt. Freih. v. Vé v e r
1 Fußabteilung, 6 Schwd./ 258 Feuer*
gewehre, 371 Reiter
GRUPPE ARZ
VI. KORPS
Kmdt. : FML. v. A r z
Gstbsdief : Obst. H u b e r
h'D
39.ID.: FML. Hadfy 12.ID.: FML. Kestfanek
77. HIBrig. : GM. v. Molnár 23. IBrig. : Obst. Ritt. v. Metz
78. HIBrig. : Obst. Daubner 24. IBrig. : GM. v. Puchalski
12 Baone., 2 Schwd., 10 Bt./ 6.713 Feuer* 12V4 Baone., 2Schwd., 8V2 Bt./ 9.313
gewehre, 280 Reiter, 57 Gesch. Feuergewehre, 210 Reiter, 48 Gesch.
45. SdfiD.: FML. Smekal
89. SdiBrig. : Obst. G^siecki
90. SdiBrig. : Obst. Edi. v. Pattay
6 Baone., 3 Schwd., 2 Bt.,- 3.311 Feuergewehre, 281 Reiter, 12 Gesdi,
Korpsunmittelbar: 1 Sdiwd., 1 Bt.,- 73 Reiter, 4 Gesdi.
Gruppe Bartheidy
38. HID.: FML. Bartheidy komb. HID.: FML. v. Kornhaber
76. HIBrig. : Obstlt. Krusina 200. HIBrig. : GM. Tanárky
7 Baone., 2 Schwd., 6l/2Bt./ 3.520 Feuer* 9V2 Baone., 1 Schwd., 1 Bt.,- 2.778 Feuer*
gewehre, 172 Reiter, 32 Gesdi. gewehre, 86 Reiter, 6 Gesch.
IX. KORPS
Kmdt. : FML. K r á 1 i c e k
Gstbsdief: Obst. v. Krammer
10. ID.: GM. v. Mecenseffy 13. SdiD. : FML. Edi. v. K rey s a
19. IBrig.: GM. v. Iwanski 25. SdiBrig.: Obst. Mader
20. IBrig. : GM. Reymann 26. SdiBrig. : GM. v. Székély
IOV4 Baone., 2 Schwd., 10 Bt./ 7.713Feuer* 8 Baone., 2 Sdiwd., 9 Bt./ 6.132 Feuer*
gewehre, 237 Reiter, 55 Gesch. gewehre, 170 Reiter, 52 Gesdi.
26. SdiD. : FML. L i s c h k a
51. SdiBrig. : Obst. Spielvogel
52. SdiBrig. : Obst. Meisel
9 Baone., 3 Sdiwd., IOV2 Bt. / 7.853 Feuer*
gewehre, 190 Reiter, 58 Gesch.
118
Der Karpathenwinter 1914/15
11. HKD.: GM. Gf. Bissingen 5. KBrig. : Obst.Adler
22. HKBrig. : GM. Czitó 1 Rdfbaon., 8 Sdiwd./ 160 Feuergewehre,
24. HKBrig. : Obst. Fiohr 883 Reiter
I Fußbaon., 16 Schwd., 3 V2 Bt.,-
640 Feuergewehre, 1.200 Reiter, 14 Gesch.
Armeeunmittelbar;
IR. 88: 2 Baone./ 1.656 Feuergewehre Polenlegion Obst. Pii sudski
FKR. 5: 5 Bt.,- 27 Gesdi. (zur 1. Armee 6 Baone., 1 Schwd., 1 Bt. (in Retablierung)
bestimmt)
Summe der 4. Armee: 168 Baone., 1 Rdfbaon., 72 Schwd., 160 Bt.,-
106.713 Feuergewehre, 6.513 Reiter, 798 Gesdi.
3. ARMEE
Kmdt. : GdL v. Boroevic
Gstbsdief : GM. v. B o o g
III. KORPS
Kmdt. : GdL v. C p 1 e r u s
Gstbsdief: Obst. Richard Müller
28. ID.: GM. Edi. v. Hinke 22.SdiD.: GM. S c h m i d t Edi. v.
55. IBrig. : Obst. Gheri F u s s i n a
56. IBrig. : GM. v. Haustein 43, SdiBrig. : GM.Nemeczek
II Baone., 2 Schwd., 7 Bt./ 8.259 Feuer* 44. SdiBrig. : Obst. Zahradniczek
gewehre, 252 Reiter, 44 Gesdi. 12 Baone., 2 Schwd., 10 Bt.,- 8.775 Feuer*
gewehre, 258 Reiter, 54 Gesdi.
Korpsunmittelbar: 1 Schwd., 1 Bt.,- 126 Reiter, 4 Gesch.
4.KD.: GM. Berndt
18. KBrig. : Obst. Kopecek
21. KBrig. : GM. Gf. Marenzi
1 Fußbaon., 16 Schwd., 3 Bt.,- 410 Feuergewehre, 1.592 Reiter, 14 Gesch.
VIL KORPS
Kmdt. : GdK. Erzherzog Joseph
Gstbsdief: Obstlt. Eisner^Bubna
17. ID. ; GM. v, le B e a u 20. HÏD. : GM. v. N a g y
34. IBrig. : Obst. Freih. v. Henneberg 81.HIBrig. : GM. Perneczky
1OV2Baone., 2Schwd., 10Bt.,-7.650 Feuer* 10 Baone., 1 Schwd., 7Bt.,- 5.600 Feuer*
gewehre, 187 Reiter, 52 Gesch. gewehre, 133 Reiter, 40 Gesdi,
Korpsunmittelbar: 2 Bt.,- 8 Gesch.
1. KD. : GM. Freih. v. P e t e a n i
7. KBrig. : GM. Chev. de Rui^
1 Fußbaon., 16 Schwd., 4 Bt./ 357 Feuergewehre, 1320 Reiter, 20 Gesch.
X. KORPS
Kmdt.: FML. Ritt. v. Krautwaid
Gstbsdief : Obst. v. Kralowetz
2. ID. : GM. Edi. v. L a n g e r 24. ID. : GM. Schneider Edl/v.
3. IBrig. : Obst. Klein Manns*Au
4. IBrig. : Obst. Prusenowsky 47. IBrig. : GM. v. Unschuld
11V2 Baone., 4 Schwd., 7 Bt./ 8.150 Feuer* 48. IBrig. : Obst. Edi. v. Vidulovic
gewehre, 330 Reiter, 42 Gesdi. 7 Baone., 3 Schwd., 8 Bt.,- 5.587 Feuer*
gewehre, 163 Reiter, 46 Gesch.
Kriegsgliederung vom 23. Jänner 1915
119
34. ID.: GM. Ritt. v. B Í r k e n h a i n 43. SdiD. : FML. Schmidt v.
67, IBrig. : GM. v. Lauingen Georgenegg
10 Baone., 3 Schwd., 2 Bt./ 6.950 Feuer* 59. IBrig.: GM. Kroupa
gewehre, 274 Reiter, 8 Gesdi. 86. SdiBrig.: GM. Jesser
13 Baone., 2 Schwd., 9 Bt./ 10.650Feuer*
gewehre, 240 Reiter, 50 Gesdi.
Korpsunmittelbar: 4 Bt./ 14 Gesch.
GRUPPE PUHALLO
XVIII. KORPS <44. SdiD.)
Kmdt,: FML. v,Tschurtschenthaler
Gstbsdief: Mjr. Ritt. v. E h r 1 i c h
122. SdiBrig. : Obst. H e n t k e k. li. 101. LstIBrig. : Obst. Biffi
13 Baone., 3 Sdiwd., 11 Bt.,- 8.763 Feuergewehre, 264 Reiter, 52 Gesch.
V. KORPS
Kmdt. : FZM. v. P u h a 11 o
Gstbsdief ; Obst. S a 11 a g a r
33. ID.: FML. Gogíia 37.HID.: FML. Wieber
65. IBrig.: GM. Czapp 73, HIBrig. : Obst. v. Pogány
66. IBrig. : GM. Lieb 74. HIBrig. : GM. Hunké
9 Baone., 2 Schwd., 10 Bt.,- 6.800 Feuer* 13Baone,, 2Schwd., 972Bt. /10.833Feuer*
gewehre, 231 Reiter, 52 Gesdi. gewehre, 207 Reiter, 57 Gesch.
Korpsunmittelbar: 1 Sdiwd., 2 Bt.,- 126 Reiter, 8 Gesch.
XIX. KORPS ^Armeereserve)
Kmdt. : FML. T r o 11 m a n n
Gstbsdief ; Obst. G ü n s t e
29. ID. : GM. Zanantoni
57. IBrig.: Obst. Wöllner
58. IBrig. : GM. Polesdiensky
14 Baone., 4 Schwd., 11 Bt.,- 10.940 Feuergewehre, 468 Reiter, 44 Gesdi.
Gruppe FML. Szurmay
Gstbsdief: Mjr. Röder
7. ID.: GM. Letovsky 40.HID.: FML. Plank
14. IBrig. : GM. Baumgartner 79. HIBrig. : Obst. Lengerer
71. IBrig. : Obst. Plivelic 80. HIBrig. : GM. Háber
14Baone., 3 Sdiwd., 10Bt./ 13.033 Feuer* 10 Baone., 2 Schwd., 10 Bt.,- 9.392 Feuer*
gewehre, 314 Reiter, 36 Gesdi. gewehre, 210 Reiter, 40 Gesch.
75. HIBrig.: Obst. Mina k. u. 128. LstIBrig.: Obstlt. v. A r t n e r
7 Baone., V2 Sdiwd., 8 Bt.,• 4.158 Feuer* 6 Baone., 1 Schwd., 3 Bt.,- 3,900 Feuer*
gewehre, 35 Reiter, 32 Gesch. gewehre, 82 Reiter, 15 Gesch.
8. KD.: FML. Edi v.Lehmann k. u. 1. LstHusBrig.: Obst. Freih. v.
13. KBrig. : GM. Freih. v. Leonhardi Bothmer
15. KBrig.: Obst, Freih. v. Klingspor 8 Sdiwd., 72 Bt.,- 924 Reiter, 2 Gesdi.
1 Fußbaon., 12 Sdiwd,, 2 Bt.,- 502 Feuer*
gewehre, 980 Reiter, 8 Gesdi.
Summe der 3. Armee: 174 Baone., 9072 Sdiwd., 151 Bt.,- 130,709 Feuergewehre,
8,716 Reiter, 742 Gesdi.
120
Der Karpathen winter 1914/15
DEUTSCHE SÜD ARMEE
Kmdt.i GdL v. Linsingen
Gstbschef: GM. Ludendorff (später GM. v. Stolzmann)
ÖST.-UNG. KORPS HOFMANN
Kmdt. : FML. H o f m a n n
Gstbschef: Obst. Gf. L a m e z a n
Öst.*ung.55.ID.: GM.Fleischmann Deutsche 1. ID.: GLt. v. C o n t a
129. IBrig.: GM. Drda 12 Baone., 1 Schwd., 14 Bt,- 7.500Feuer*
130. IBrig.: Obst. Witoszyñski gewehre, 96 Reiter, 80 Gesch.
13 Baone., 2 Schwd., 12 Bt./ 8.650 Feuer*
gewehre, 254 Reiter, 44 Gesch.
Öst.^ung. 131. IBrig.: Obst. Andreas B e r g e r
7 Baone., 41/2 Bt-/ 5.180 Feuergewehre, 18 Gesdi,
DEUTSCHES XXIV. RESERVEKORPS
Kmdt. : GdL v. G e r o k
Gstbschef : GM. v. Mutius
Ost.*ung. 19. ID. : GM. Richard Mayer Deutsche 48. RD,: GLt. v. Hahn
37. IBrig. : GM. v. Richard 13 Baone., 1 Schwd., 11 Bt./ 6.380 Feuer*
38. IBrig. : Obst. Steiger gewehre, 146 Reiter, 62 Gesdi.
14 Baone., 2 Schwd., 8 Bt.,* 9.340 Feuer*
gewehre, 180 Reiter, 44 Gesch.
k. k. 12. LstTerrBrig. : Obst. Burggasser
11 Baone., 3l/2 Bt.,- 4.680 Feuergewehre, 15 Gesch.
Dem Armeekmdo. unterstellt:
Preuß. 3. GID. : GdK. Freih. Marschall
9 Baone., 1 Schwd., 8 Bt.,- 5.520 Feuergewehre, 78 Reiter, 38 Gesch.
Öst'ung. 10. KD.: GM. Gf. Herber- Deutsche 5. KD.; GLt. v. Heyde-
stein breck
4. KBrig. : Obst. v. Horthy 1 Baon., 24 Schwd., 3 Bt.,- 840 Feuer-
8. KBrig.: GM. Viktor v. Bauer gewehre, 2.500 Reiter, 12 Gesch.
1 Fußbaon., 16 Schwd., 3 Bt./ 475 Feuer-
gewehre, 1.600 Reiter, 12 Gesch.
Summe der deutschen Südarmee: 81 Baone., 47 Schwd., 67 Bt.,- 48.565 Feuergewehre,
4.854 Reiter, 325 Gesch.
ARMEEGRUPPE PFLANZER
Kmdt. : GdK. Freih. v. Pfíanzer^Baítin
Gstbschef: Obst. v. S o ó s
6. ID. : FML. Fürst Schönburg
11. IBrig.: Obst. Hubinger
12. IBrig.: Obst. Rudolf Müller
9 Baone., 3 Schwd., 9 Bt./ 8.132 Feuer*
gewehre, 317 Reiter, 49 Gesch.
Polenlegion Obstlt. v. H a í 1 e r
31/2 Baone., 2l/2 Bt./ 1.424 Feuergewehre,
10 Gesch.
54. ID. : FML. v. Schuítheisz
k. u. 126. LstIBrig. : GM. v. Salomon
Polenlegion : FML. Ritt. v. Durski
IOV2 Baone., 3 Schwd., 6 Bt. / 3.942 Feuer*
gewehre, 269 Reiter, 26 Gesch.
Gruppe FML. Ritt. v. Schreitter
Brig. GM. v. Lilienhoff
14 Baone., 4 Schwd., 3V2 Bt./ 9.050 Feuer*
gewehre, 436 Reiter, 14 Gesch.
Kriegsgliederung vom 23. Jänner 1915
121
k. u. 123. LstlBrig.: Obst. L a t z i n Gruppe Obstlt. B é k é s i (Reste der k. u.
4 Baone., V2 Sdiwd./ 2.100 Feuergewehre, 7. LstEtBrig.)
35 Reiter IV2 Baone./ 717 Feuergewehre
Im Anrollen:
XIII. KORPS
Kmdt. : GdL Freih. v. R h e m e n
Gstbsdief: Obst. Alfred v. Zeidler
36. ID. : FML. C z i b u 1 k a 42. HID. : GM. Gf. Salis^Seewis
13. IBrig. : GM. Stracker 83. HIBrig.: Obst. Mihaljevic
72. IBrig. : Obst. Edi. v. Luxardo 84. HIBrig. : Obst. Petrovic
15 Baone., 2 Schwd., 9 Bt./ 11.070 Feuer* 14 Baone., 2Schwd., 10 Bt./ 14.930 Feuer*
gewehre, 240 Reiter, 36 Gesch. gewehre, 252 Reiter, 40 Gesdi.
Korpsunmitteíbar : 1 Sdiwd., 2Bt./ 100 Reiter, 8 Gesdh.
5. HKD.: GM. Freih. v. A p ó r
19. HKBrig. : Obst. v. Jóny Streifkorps Rtm. Freih. v. V i v e n o t
1 Fußbaon., 7 Schwd., 2 Bt.,« 894 Feuer* 200 Reiter
gewehre, 652 Reiter, 8 Gesch.
Summe der Armeegruppe Pflanzer: 72l/2 Baone., 2372 Sdiwd., 44 Bt.,-
52.259 Feuergewehre, 2.501 Reiter, 191 Gesdi.
Festungsbesatzungen
Przemysi
Kmdt.: GdL v. Kusmanek
Gstbschefi Obstlt. Hubert
23. HID. : FML. Árpád v. Tamásy k. k. 93. LstlBrig. : GM. Kaitneker
45. HIBrig. : GM. Seide k. u. 97. LstlBrig. : GM. Weeber
46. HIBrig. : Obst. v. Létay k. k. 108. LstlBrig.: Obst. Martinek
85. ScfiBrig. : GM. Komma k. k. 111. LstlBrig. : GM. Wa i t z e n*
d o r f e r
42 Baone., 6 Schwd., 18 mob. Bt., 8 FsABaone.,- rund 50.000 Feuergewehre, ¡
rund 800 Reiter, rund 108 mob. Gesdi.
Krakau
Kmdt.: FML. Kuk
Gstbsdief: Obstlt. Edi. v. H a 11 e r
20 Baone., 7 mob. Bt., 9l/2 FsABaone. ,• 13.950 Feuergewehre, 42 mob. Gesch. 1
Summe der Streitkräfte auf dem nördlichen Kriegsschauplatz
A) Feldheer
695 Baone., 1 RdfBaon., 355 Schwd., 577 Bt.,- 489.294 Feuergewehre,
36.446 Reiter, 2.865 Gesdi.
B) Festungsbesatzungen
62 Baone., 6 Sdiwd., 25 mob.'Bt., 17V2 FsABaone./ 63.950 Feuergewehre,
800 Reiter, 150 mob. Gesdi.
Gesamtsumme
757 Baone., 1 RdfBaon., 361 Sdhwd., 602 Bt., 17V2 FsABaone.,-
553.244 Feuergewehre, 37.246 Reiter, 3.015 Gesdi.
122
Der Karpathen winter 1914/15
Die russischen Pläne
Hiezu Beilagen 4, 5 und 6
Seit der Zusammenkunft der russischen Heeresführer in Siedlec am
29. November (Bd, I, S. 595) hatte die Kampfkraft der zaristischen Streit-
kräfte weitere Einbußen erlitten1). Um die Jahreswende wäre, wie der
Generalquartiermeister der Stawka, Gen. Danilow, in einer Mitte Jänner
verfaßten Denkschrift darlegte, eine halbe Million Soldaten zur Auf-
füllung der zusammengeschmolzenen Einheiten notwendig gewesen; auf
die Normaldotation der Artilleriemunitionskolonnen fehlten 200.000
Geschosse.
Dennoch hielt Danilow einen Rückschlag an der Front für ausge-
schlossen. Ebenso stellte er freilich die Möglichkeit entscheidender Ope-
rationen in Abrede, ehe die erwähnten Mängel behoben waren, was zum
Teil in der zweiten Hälfte Februar, vollständig aber erst im April zu
erhoffen stand. Doch schien es ihm notwendig, schon jetzt über die Ziele
der künftigen Kriegshandlungen ins reine zu kommen. Man könnte sich
entweder zur Ausnützung der in der zweiten Dezemberhälfte in Galizien
errungenen Erfolge gegen das öst.-ung. Heer wenden oder alle Anstren-
gungen im Interesse der bundesgenössischen Kriegführung auf eine Offen-
sive in der Richtung auf Berlin vereinheitlichen. Beides gleichzeitig zu
unternehmen, hielt Danilow damals für ausgeschlossen. Die Nachteile
der ersterwähnten Aktion wurden in der Denkschrift eingehend beleuchtet.
Möge die Vorrückung gegen Wien oder Budapest noch so verführerisch
locken, sie führe doch zu einer bedenklichen Schwächung des eigenen
Zentrums ; sei man einmal tief in das Innere der Donaumonarchie einge-
drungen, komme man sicherlich zu spät, einen Vorstoß der Deutschen
nach Osten rechtzeitig aufzufangen. War es aber überhaupt möglich, die
Österreicher und Ungarn in kurzer Zeit vernichtend zu schlagen? Dani-
low bezweifelte dies; der Feldzug in der Richtung auf Wien würde
Monate in Anspruch nehmen und dann stünde man erst recht vor der
Aufgabe, die Kriegsentscheidung gegen Deutschland herbeizuführen.
Folgerichtig bekannte sich der General daher zu der Ansicht, daß man
vor allem den Hauptgegner treffen müsse. Unter den verschiedenen
Möglichkeiten, dies zu verwirklichen, entschied er sich, wie schon früher»
für einen neuerlichen Angriff auf Ostpreußen, der die große Offensive
gegen Breslau—Berlin einzuleiten hätte.
Nach dem Empfang dieser Denkschrift erteilte der Großfürst Nikolai
*) Die folgenden Darlegungen nach Danilow, Kap.XIII, und Nesnamow,
III, 35 bis 51.
Iwanows Pläne zum Einbruch nach Ungarn
123
Nikolajejvitsch dem Generalquartiermeister den Auftrag, hierüber mit
dem Oberkommandierenden der Nordwestfront zu sprechen. Dies ge-
schah am 17. Jänner in Siedlec. Nach längerer Wechselrede schlössen
sich der General Rußki und sein Stab der Ansicht Danilows an. Eine aus
zehn Divisionen zu formierende 12. Armee sollte den Angriff auf Ost-
preußen von Pultusk—Ostrolçka gegen Soldau—Orteisburg unter der Mit-
wirkung der 10. Armee führen. Selbstverständlich hatten die russischen
Streitkräfte links von der Weichsel die ihnen gegenüberstehende Front
gleichfalls anzupacken. Der Großfürst erklärte sich einverstanden. Schon
am nächsten Tage erfolgte der Befehl zur Bildung der 12. Armee, an
deren Spitze General Plehwe zu treten hatte.
Anders dachte man beim Oberkommando der Südwestfront. General
Iwanow hielt hartnäckig an der Anschauung fest, die gegen die öst.-ung.
Streitkräfte in Galizien erzielten Erfolge bis zur Zertrümmerung des
gegnerischen Heeres auszubeuten; er träumte sogar von einem Sonder-
frieden mit Ungarn und rechnete darauf, daß Rumänien dann sogleich
an die Seite der Entente treten würde. Angesichts der sich allmählich an
der ganzen Karpathenfront von der Duklastraße bis in die Gegend von
Dorna Watra abzeichnenden Kräfteentfaltung des Gegners verschmähte
er es, sich auf die starre Verteidigung zu beschränken, sondern verstän-
digte seine Unterführer schon am 20. Jänner von seiner Absicht, über
den Gebirgswall in die ungarische Tiefebene einzubrechen. Sein General-
stabschef Alexejew pflichtete diesem Gedanken nicht völlig bei; ihm
schien ein Angriff in Westpolen gegen den Abschnitt Tomaszów—Piotr-
ków—Noworadomsk mehr Erfolg zu versprechen, weil die dünnen Linien
der Verbündeten hier zu einem Durchbruche einluden. Der unbefriedi-
gende innere Zustand der russischen Armeen an diesem Frontteile, nament-
lich aber der Mangel an Artilleriemunition, veranlaßten jedoch die
Stawka, diesen Plan abzulehnen.
Zunächst entging Iwanow aber die Gefahr nicht, die dem linken
Flügel seiner 8. Armee aus "der Richtung von Ungvár und Munkács
drohte, da in der über 250 km ausgedehnten Front vom Uzsokpaß bis zur
Dreiländerecke nur vier russische Divisionen standen, darunter bloß eine
Felddivision. Auf seine Bitte um die Zuführung von vier Felddivisionen
in den Raum Sambor—Stryj—Dolina verfügte die Stawka am 26. Jänner
schweren Herzens den Abtransport des XXII. Korps von der 10. Armee
zur Südwestfront.
Es scheint, als ob seit dem Spätherbste die Energie des Großfürsten
nach dem Ausbleiben des von der legendären „Dampfwalze" erhofften
124
Der Karpathenwinter 1914/15
Triumphes zu erlahmen begonnen hätte. Statt die Autorität den Heeres-
leitung kraftvoll aufrechtzuhalten, erblickte er nunmehr seine Aufgabe
darin, zwischen den auseinandergehenden Anschauungen seiner beiden
Unterführer zu vermitteln. Danilow versucht den Feldherrn damit zu
entschuldigen, daß die organisationsgemäß verbrieften Rechte dieser Be-
fehlshaber nicht geschmälert werden durften. Immerhin wurde fortan
der Widerstreit der beiden Heeresfrontkommandanten zu einem alle
Operationen bestimmenden Faktor.
Iwanow schritt ungehindert an die Ausführung seiner Pläne. Mit der
Offensive in den Richtungen Eperjes—Kaschau—Csap betraute er den
Gen, Brussilow. Die 3. Armee sollte ihren linken Flügel „zur Verbindung
und Unterstützung" der 8. entsprechend verlängern, die 11., über deren
im freien Feld stehende Teile Brussilow den Oberbefehl erhielt, hatte
bis an die rumänische Grenze auszugreifen. Gleichzeitig ordnete die
Heeresleitung an, alle an der polnischen Front befindlichen Gebirgs-
batterien in die Karpathen zu senden; nur diese verfügten über volle
Munitions Vorräte.
Da aber der Angriff auf Ostpreußen keineswegs gänzlich auf-
gegeben war, so bedeutete die eingeleitete Offensive gegen Budapest doch
gerade jenes Verfahren, das die Denkschrift Danilows vermieden wissen
wollte: die Kräftezersplitterung nach zwei Operationszielen. Vielleicht
hat ein Ratschlag des Generals Joffre dabei mitgewirkt, der sagen ließ,
wenn die Russen infolge Munitionsmangels in Polen nicht vorrücken
könnten, sollte doch wenigstens die Verfolgung des Feindes in Galizien
fortgesetzt werden, weil sich im Gebirgsgelände die verringerte Ar-
tilleriewirkung weniger fühlbar machen werde1).
Als sich die 8. Armee am 25. und 26. Jänner in Bewegung setzte,
war ihr der Gegner mit seiner Offensive bereits zuvorgekommen.
Beginn der Offensive und Rückschlag
Der Angriff der 3. und der Südarmee
(23. bis 26. Jänner)
Hiezu Beilagen 6 und 7 sowie Skizze 4
Bisher hatte die Theorie gelehrt, daß Gebirgszonen von der Be-
schaffenheit der Karpathen im Kriege nur als Durchzugsland in Betracht
x) Äußerung Joffres zum russischen Militârattaché Ignatiew (Danilow [Dani-
loff], Großfürst Nikolai Nikola je witsch. Sein Leben und Wirken [Berlin 1929], 133).
Die Karpathen als Kampfgelände
125
kommen könnten. Als sich die k. u. k. Heeresleitung zu dem gewaltigen
Unternehmen einer hier angesetzten Offensive entschloß, rechnete sie
sicherlich damit, daß ein rascher und raumgreifender Angriff alle Hemm-
nisse überwinden und das Heer alsbald die Manövrierräume Galiciens
erreichen werde. In welchem Grade aber die Fortbewegung einer Masse
von mehr als zwanzig Infanteriedivisionen der 3. und der Südarmee
(175.000 Feuergewehre und fast 1000 Geschütze), die in der zweiten
Jännerhälfte hier zur Tätigkeit gelangten, und ihr Kampf im winter-
lichen Gebirge der Führung alle Grundlagen für eine halbwegs sichere
Berechnung entziehen sollten, erwies erst der Versuch, die geplante Offen-
sive durchzuführen. Die an die Truppen gestellten Anforderungen waren
jedenfalls ganz außergewöhnlich; die Kriegsgeschichte hat kaum ein
Seitenstück aufzuweisen. Ein Volksheer, dessen herabgeminderte Schlag-
kraft bereits geschildert wurde und dessen Streiter den verschiedensten
Ständen und Berufen entstammten — nur mit einem verhältnismäßig ge-
ringen Einschlag von Gebirgsbewohnern — sollte auf tief verschneiten
und vereisten, kaum gangbaren Berghöhen kämpfen, Tag und Nacht ohne
Obdach und ohne Aussicht auf stärkende Rastpausen dem Feinde die
Stirne bieten. Für diese gewaltige Beanspruchung brachte der Großteil
nicht die notwendige körperliche Härte mit. Bald sollte man erfahren,
daß die entsetzlichen Unbilden der Witterung und die rasch eintretende
Erschöpfung der Kräfte bei der anstrengenden Vorrückung über Berg
und Tal mehr Opfer forderten als das Geschoß des Russen und daß alle
diese Begleitumstände sich zu einer grauenhaften Folie der Operation
gestalteten, zumal der Abschub von Kranken und Verwundeten zu einem
kaum zu bewältigenden Problem wurde. Durch reichlichen Zuschub von
Winterausrüstungsgegenständen aller Art1) sowie durch zweckdienliche
Vorsorgen für einen gesicherten Nachschub und für die Unterbringung
der Truppen suchte man der mißlichen Lage der Karpathenkämpfer
nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Doch trotz aller Anstrengungen
gelang es nicht, die materielle Ausrüstung des Heeres für einen Winter-
feldzug über notdürftige Improvisationen hinauszubringen. Zum Unter-
schiede von den Russen verfügte aber die Artillerie über die komplette
Grunddotierung an Munition; das Einsetzen und der Stellungswechsel
begegneten jedoch bei der fahrenden Artillerie solchen Schwierigkeiten,
x) Große Mengen schafwollener Mantelfutter, Pelzwesten, Schneehauben, Puls-
wärmer, Baschliks, warmer Unterwäsche, Wadenstutzen, Gummi- und Schneemäntel,
Schuhwerk, Decken, Kochkisten und Schwarmöfen wurden unausgesetzt an die Front
geschoben.
126
Der Karpathenwinter 1914/15
daß die kämpfende Infanterie in der Regel ausreichender Unterstützung
durch die Schwesterwaffe entbehren mußte. Viele Batterien wurden über-
haupt im Ausgangsraume zurückgelassen und sollten erst später nach-
gezogen werden. Die ansehnlichen Höhenunterschiede und der tiefe, oft
nicht tragfähige Schnee verursachten, daß die Tagesleistungen im Ge-
lände und auf Nebenwegen, selbst ohne Gefecht, auf 3 bis 4 km herab-
sanken. Dieses unvermeidliche Schneckentempo gewährte der russischen
Führung Zeit, ihre Kräfte im wegsameren und gangbareren galizischen
Vorland zu verschieben, Lücken in den Linien rechtzeitig zu schließen
und rasch neue Fronten aufzubauen. Konnten sie infolge der reicheren Be-
siedlung nördlich vom Karpathenkamme ihren Leuten während der Kampf-
pausen ausreichende Erholung in verhältnismäßig guten Unterkünften ge-
währen, so war dies auf der anderen Seite des Gebirges nicht der Fall.
Als daher unsere Truppen am 23. Jänner zur Vorrückung antraten, war
ihre physische Leistungsfähigkeit durch den langen Aufenthalt in gänz-
lich ressourcenloser Gegend bereits stark herabgemindert.
Wie aus Beilage 7 ersichtlich, in der das Ergebnis der nächsten
Kampftage festgehalten ist, stieß bei der 3. Armee die auf UstrzykiDl.
gewiesene Gruppe des FZM. Puhallo in nordöstlicher Richtung in die
Lücke zwischen dem Ostflügel der zusammenhängenden Front Brussi-
lows und den Russenkräften am Uzsokpaß hinein; sie traf fast nur auf
die Reiterei des Gen. Chan Nachiëëfewanski und gewann daher ziemlich
rasch Raum. Wenn trotzdem die Marschleistungen ihres rechten Flügels
einigermaßen hinter den geforderten zurückblieben, so trugen hieran die
Geländeschwierigkeiten mehr Schuld als der Widerstand des an dieser
Stelle anfangs weit schwächeren Feindes. Die rechte Nachbargruppe unter
FML. Szurmay war beauftragt, den Uzsokpaß von Südwesten und Westen
anzugreifen und nach Gewinnung der Paßhöhen Kräfte über Tiha und
Libuchora abzuzweigen, um die Südarmee bei der Öffnung des Verecke-
passes zu unterstützen. Erst am 26. gelang es, die russische 34. ID. und
Teile der 65. RD. zu vertreiben und über den Paß ein Stück Weges hinab-
zusteigen, ohne jedoch an diesem Tage, wie es das AOK. wollte, die
Höhen bei Borynia gewinnen zu können. Zu diesem Anfangserfolge hatte
die über Tiha und N. Rosztoka weit nach Süden ausholende, daher viel
Zeit in Anspruch nehmende Umfassung durch die 40. HID. und am ent-
gegengesetzten Flügel der vom 3.Armeekmdo. befohlene Vorstoß der
66. IBrig. Puhallos über Wolosate gegen die Paßhöhen nicht wenig bei-
getragen. Diese Brigade wurde Szurmay untergeordnet, der hiefür die
71. IBrig. der 7. ID. als Armeereserve nach Wolosate zu stellen hatte.
Einnahme von Baligród
127
Da nun zwischen den Gruppen Szurmay und Puhallo eine Lücke auf-
gesprungen war, hielt das 3. Armeekmdo. am 25. die Masse der 33. ID.
und die 37. HID. an. Die 71.IBrig. wurde dem rechten Flügel Puhallos
nachgezogen und trat alsbald statt der 66. in den Verband der 33. ID.;
diese trieb nur schwache feindliche Kräfte vor sich her, während bei
Lutowiska der Feind noch eine Weile zögerte, den Ort der 37. HID. zu
überlassen. Die linke Flügelgruppe Puhallos, die 44.SchD., erreichte schon
am 23. die Gegend bei Chrewt, von wo sie stärkere Kräfte auf das West-
ufer der Solinka schob; diese griffen umfassend in den Kampf der gegen
Baligród vordringenden 43. SchD. Krautwalds ein. Da sich die Notwendig-
keit einer einheitlichen Leitung der beiden Divisionen ergab, wurde
die 43. SchD. am 25. der Gruppe Puhallo angegliedert und rückte tags
darauf, ohne mehr auf Widerstand zu stoßen, in Baligród ein. FML.
Krautwald, der angewiesen war, den entscheidenden Angriff mit starkem
linken Flügel erst zu beginnen, sobald Puhallos Vorgehen wirksam werde,
traf mit seinen drei anderen Divisionen auf die feindliche Hauptstellung.
Die 34. ID. erschöpfte sich in vergeblichen Angriffen beiderseits derBeskid-
straße. Nur wenige Kilometer über die Ausgangsstellung hinausgelangt,
harrten ihre Kämpfer, bei Tag und Nacht regungslos in den Schnee ge-
bannt und bloß auf den Genuß kalter Konserven angewiesen, auf eine
günstige Wendung der Schlacht. Den beiden links benachbarten Divisio-
nen war die Aufgabe zugefallen, die östlich von Czeremcha stehenden
Russen zurückzudrücken, um die Westflanke der Stoßgruppe zu sichern.
Trotz anfänglicher Erfolge sah sich die 2. ID. nach schweren Verlusten
genötigt, mit dem linken Flügel auf den Grenzkamm zurückzugehen1) ;
die 24. ID. behauptete sich in wechselvollen Kämpfen. Gering erschien
für Krautwald die Aussicht, den Angriff ohne Verstärkungen fortzu-
führen; doch Gdl. Boroevic wollte die Armeereserve (29. ID.) dem ent-
scheidenden Ostflügel zuführen und wies Krautwald am 25. an, sich ledig-
lich zu behaupten, Stirnangriffe zu unterlassen und, ohne Rücksicht auf
den ursprünglichen Befehl, den Erfolg dort anzustreben, wo er leicht zu
erreichen war.
Die Gruppen Erzherzog Joseph (VII. Korps und 1. KD.) und Colerus
(22. SchD., 28. ID. und 4. KD.) hatten den Feind fürs erste bloß zu binden,
die Bestimmung des Zeitpunktes für ihren Angriff hatte sich das 3. Armee-
kmdo. vorbehalten. Von der Gruppe des Erzherzogs beteiligte sich die
20. HID. seit dem 23. an den Gefechten der 2. ID., ohne gegen Czeremcha
1) Die 2. ID., die mit 8150 Feuergewehren angetreten war, zählte am 25. nur
noch 6130.
128
Der Karpathenwinter 1914/15
durchdringen zu können. Am 26. griffen aber die Russen westlich von
der Duklastraße selbst energisch an. Sie warfen die 17. ID. zurück, doch
hielt sich diese noch in einer hinteren Stellung wacker gegen weitere An-
stürme des Feindes. Das S.Armeekmdo. beauftragte den Gdl. Colerus,
den Erzherzog durch einen Stoß gegen die Westflanke der ihn bedrän-
genden Russen zu entlasten. Daran konnte aber bald nicht mehr gedacht
werden, weil sich die Russen am 26. auch auf den rechten Flügel des
III. Korps stürzten und der 22. SchD. den Pilipinski vrch entrissen, eine
wichtige Höhe, die nicht mehr wiedererobert werden konnte.
Schon beim Beginn der Offensive wandte sich das 4. Armeekmdo. an
das 3. mit dem Vorschlage, die Gegend bei Banica im Rahmen des Ge-
samtunternehmens durch übereinstimmende Vorrückung der inneren Flügel
von den Russen zu säubern, was Anfang Jänner nicht gelungen war.
Boroevic hielt jedoch jetzt begreiflicherweise den Fortschritt auf seinem
Ostflügel und im Zentrum für wichtiger; demgegenüber schien ihm das
vorgeschlagene Unternehmen von untergeordneter Bedeutung zu sein. Er
antwortete daher, das III. Korps habe die von Zmigrod heranführende
Kommunikation zu sperren; käme es hier später zur Offensive, so müsse
der Feind ohnedies von Banica abziehen. Im gleichen Sinne entschied am
24. die Heeresleitung.
Zur Rechten der 3. Armee begann die deutsche Südarmee x) die Offen-
sive mit ihrer Westgruppe, dem Korps Hofmann, beiderseits der Straßen
nach Tucholka und Tuchla ebenfalls am 23. Jänner. Bis zum 26. war der
Raum bei Vezérszállás erkämpft und auch gegen Volovec wurden Fort-
schritte erzielt. Heftige Gegenangriffe der Russen konnten den wackeren
Streitern Hofmanns den erreichten Geländegewinn nicht wieder entreißen.
Wie bereits erörtert (S. 107), trat die Ostgruppe, das XXIV. RKorps,
erst mit einer Verspätung von vierundzwanzig Stunden an. Der Feind
wurde aus zwei Fronten angefaßt, von der deutschen 48. RD. und der
12. LstTerrBrig. in nördlicher und nordöstlicher Richtung beiderseits,
insbesonders aber links von der zum Wyszkówer Sattel führenden Straße,
während sich die k. u. k. 19. ID. von Südosten gegen diese Straße heran-
kämpfte. Ein Detachement wurde über die Beskidklause gegen Ludwi-
kówka dirigiert. Der Russe zeigte sich auch gegenüber dem XXIV. RKorps
höchst aktiv, doch scheiterten hier gleichfalls seine Gegenstöße.
Der Befehlshaber der russischen Südwestfront, wie erwähnt ent-
schlossen, den Hieb als beste Parade zu wählen, beabsichtigte die augen-
!) Für die Darstellung der Operationen der Südarmee wurde auch die auf
Seite 93 (Fußnote) erwähnte Studie des Reichsarchivs verwertet.
Der Wendepunkt der Offensive
129
blickliche Gruppierung auszunützen und mit der Hauptkraft der 8. Armee
gegen Mitte und Westflügel der Armee Boroevic vorzustoßen, um alle öst-
lich davon in den Karpathen stehenden Heeresteile der Verbündeten ab-
zudrängen. Aus Bruchstücken eines wenige Tage später aufgefangenen
russischen Funkspruches ließ sich entnehmen, daß Brussilow zur Verwirk-
lichung dieses Entschlusses dem VIII. Korps aufgetragen hatte, bis in die
Linie Mezölaborcz—tupków— Cisna—Luch (nördlich von Kalnica) vorzu-
dringen; sein linker Flügel sollte sich des von der Gruppe Puhallo er-
reichten Raumes Chrewt—Smolnik—Lutowiska bemächtigen. Wäre der
Ostflügel der Armee Boroevic stärker gewesen und hätte er die nötige
Stoßkraft besessen, so konnte der russische Plan zu einem großen Echec
für Brussilow führen. Doch dem war nicht so.
Der 26. Jänner kann als Wendepunkt der kaum begonnenen Offen-
sive der Verbündeten gelten. Die Aussichten für ihr Gelingen hatten sich
erheblich verschlechtert. Szurmay, der an diesem Tage auf den Höhen
von Borynia hätte stehen sollen, war abgeblieben und Puhallo, in Sorge
um seine Ostflanke, mußte die beiden rechten Flügeldivisionen zurück-
halten, wodurch sein Stoß gegen Norden die erforderliche Wucht ein-
büßte. Krautwald hatte alle Kräfte verausgabt und behauptete sich müh-
sam in den erreichten Linien. Hinter dieser ausgedehnten Front stand
nur eine einzige Division, die 29. ID., als Armeereserve, kaum imstande,
der Vorrückung einen kräftigen Impuls zu verleihen. Der Geländegewinn
bei der deutschen Südarmee befriedigte im Vergleich zu den optimistischen
Anfangshoffnungen ebenfalls nicht und bis zu dem Zeitpunkte, wo
Pflanzer-Baltin über den Tatarenpaß vorbrechen konnte, mußten noch
einige Tage verstreichen. Rapid schmolz die Streiterzahl; die Ausfälle
durch Lungen- und Darmerkrankungen sowie durch Erfrierungen mehrten
sich in erschreckendem Maße. Schon mußte um das Gelingen der Offen-
sive der 3. Armee, die ohne Rücksicht auf den weit abhängenden rechten
Heeresflügel unternommen worden war, mit Recht gebangt werden.
Kampf Schwankungen bei der Südarmee und am Uzsokpaß
vom 27. Jänner bis 5. Februar
H i e z u Beilage 7 sowie Skizzen 4 und 5
Gerade jetzt vollzog sich aber bei Linsingen ein verheißungsvoller
Umschwung.
Das XXIV. RKorps errang am 27. Jänner einen vollen Erfolg. Der
rechte Flügel und die Mitte warfen den Feind, der sich namentlich bei
II 9
130
Der Karpathenwinter 1914/15
Toronya tapfer schlug, über die Wyszkówer Straße zurück und verfolg-
ten ihn mit einzelnen Abteilungen nordwestwärts in die Berge. Rasch
wandte sich dann das Korps gegen Nordosten und alsbald entbrannten
neue Kämpfe um den Wyszkówer Sattel. Die östlichste Kolonne focht
an der Beskidklause, wo die Russen den Weg nach Ludwikówka sperren
wollten. Die deutsche 209. IBrig. der 48. RD., GM. Stehr, wurde gegen
Lawoczne abgezweigt (Skizze 4), um das Vordringen Hofmanns gegen
Tuchla zu unterstützen.
Nach dieser glücklichen Wendung versagte sich aber das Schicksal
auf lange Zeit den Wünschen der hier fechtenden Führer und Truppen.
Wohl bemächtigte sich die Ostkolonne der 19. ID. am 1. Februar der
Beskidklause, sah sich aber sofort wieder einer neuen Stellung des Fein-
des gegenüber. Heftiger noch wogte der Kampf um den Sattel bei Wysz-
ków, ohne jedoch die ersehnte Entscheidung zu bringen. Vergeblich rief
das AOK, inTeschen zur energischen Vorrückung gegen Dolina auf; dem
Feinde konnte buchstäblich nur schrittweise Boden abgerungen werden.
Die Gruppe Hofmann1), aus Marschbataillonen und Landsturmver-
bänden zusammengesetzt, folgte dem weichenden Feinde auf dem Fuße
und war schon am 28. Jänner in Besitz der Orte Volovec, F.- und Al.-
Verecke. Die Russen zogen sich nach den Pässen zurück und standen nun-
mehr dem Westflügel der Südarmee in zusammenhängender Stellung von
Smorze bis zur ESt. Beskid gegenüber. Trotz großer Erschöpfung ver-
trieben jedoch die Truppen Hofmanns den Feind am 3.Februar von dieser
Eisenbahnstation und setzten an den beiden nächsten Tagen die Verfol-
gung fort, wobei die deutsche 209. IBrig. Anschluß an seinen rechten
Flügel gewann.
Die eben geschilderten Vorgänge bei der Südarmee standen in enger
Wechselbeziehung zu jenen bei der Gruppe Szurmay der 3. Armee. Am
26. Jänner war allerdings der Uzsokpaß in ihre Hände gefallen; doch erst
der Besitz der Höhen westlich von Borynia konnte die Festhaltung des
wichtigen Einbruchsweges verbürgen. Aus dieser von Natur aus starken
Stellung mußten daher die Russen vertrieben werden. So rückten Szur-
mays Streitkräfte tags darauf beiderseits der Bahn und Chaussee gegen
Turka vor; sein rechter Flügel, die 75,HIBrig., erreichte Libuchora (Bei-
x) Anfangs bildeten die 55. ID., die 131. IBrig. und die deutsche 1. ID. ein Korps
unter Befehl des FML. Hof mann. Als sich aber herausstellte, daß der Führer der 1. ID.,
GLt. v. Conta, im Dienstrang höher war als Hofmann, wurde der Korpsverband auf-
gelassen und die l.ID. rückte, unmittelbar dem Armeekmdo. unterstellt, auf der Straße
gegen Tucholka vor.
Szurmays Kampf um die Höhen bei Borynia
131
läge 7). Es war geplant, daß die 3.GID., sobald sich Szurmay der Höhen
bei Borynia bemächtigt hatte, nach Südosten abschwenken und in der
Richtung auf Tucholka in den Kampf der dorthin dirigierten deutschen
1. ID. eingreifen sollte. Boroevic regte aber einen Rollentausch mit der
weiter vorne befindlichen 75.HIBrig. an; ihm erschien es zweckmäßiger,
daß sich die Garde an dem bevorstehenden Angriff Szurmays beteilige
und später, über Skole angesetzt, der Südarmee aus den Bergengen heraus-
helfe. Nach einigem Schwanken entschied die Heeresleitung im Sinne
der mittlerweile vorgebrachten Gegenvorstellungen Linsingens, der seine
Division so bald als möglich an sich ziehen wollte. So gelangte die 3. GID.
am 29. nach Libuchora, nachdem die 75. HIBrig. am Vortage noch im
Sinne des Rollentausches in Matków eingetroffen war.
Das weitere Vordringen der Gruppe Szurmay gegen Turka und da-
rüber hinaus war in doppelter Hinsicht von großer Bedeutung; einesteils
sollte dadurch dem bereits erlahmenden Stoße gegen Przemysl ein neuer
Antrieb gegeben, andererseits Flanke und Rücken der 3.GID. gedeckt
werden. Die Heeresleitung griff daher zwischen dem 28. und 31. Jänner
wiederholt mit Befehlen ein. Am 31. wurde auch Linsingen aufgefordert,
gegen Swidnik eine starke Kolonne mit der zweifachen Aufgabe zu ent-
senden, zuerst Szurmay zu unterstützen und dann bei der Südarmee flan-
kierend einzugreifen.
Da die Höhenstellung bei Borynia, wie man sich alsbald durch die
ergebnislosen Vorstöße überzeugte, im Stirnangriff nicht zu bezwingen
war, setzte FML. Szurmay nach der Umgruppierung seiner Verbände am
31. zeitlich früh überfallsartig zu einer doppelseitigen Umfassung an.
Mühsam arbeiteten sich die Schützenlinien durch den tiefen Schnee vor-
wärts; doch der Feind verlängerte beide Flügel, so daß ein durchschla-
gendes Ergebnis kaum erwartet werden konnte. Da die Erschöpfung der
Truppen einen bedenklichen Grad erreicht hatte, überdies grimmige Kälte
herrschte, sah Szurmay von der wenig aussichtsreichen Aktion ab und
zog seine Gruppe in der Nacht zum 2. Februar wieder in eine Stellung
knapp nordöstlich vom Uzsokpaß zurück. Hier wollte er seinen überan-
strengten Kämpfern eine kurze Erholungspause gewähren.
Die 75. HIBrig. focht am 30. gemeinschaftlich mit der 3. GID. öst-
lich von Matków gegen den Westflügel der Linsingen gegenüberstehenden
Russen, rückte aber tags darauf infolge der erwähnten Entscheidung des
AOK. gegen den rechten Flügel Szurmays heran, um nach wechselvollen
Kämpfen gleichzeitig mit diesem ein kurzes Stück zurückzugehen, leider
aber auf dem westlichen und nicht auf dem östlichen Stryjufer. Die 3.GID.
9*
132
Der Karpathenwinter 1914/15
konnte hiedurch leicht in Bedrängnis geraten, denn die Zugänge in ihre
Flanke und ihren Rücken lagen nunmehr für den Feind offen.
In Munkács verfolgte man diese Entwicklung mit großer Besorgnis
und wandte sich mit der Bitte um Abhilfe sowohl an das Oberkmdo. Ost
als auch an die DOHL. *). Der 3. Februar wurde aus diesem Grunde für
die obersten Befehlsstellen zu einem Tage der Weiterungen und Mißver-
ständnisse, die ungünstig auf die Stimmung der verantwortlichen, mit
vielen anderen Sorgen beschwerten Personen zurückwirkten. Auf den
Streifen des Hughesapparate erschien immer wieder die 3.GID. So er-
bat sich Hptm. Fleischmann im Auftrage des Oberkmdos. Ost vom AOK.
Auskunft über den Sachverhalt. Außerdem telegraphierte Ludendorff an
Conrad, alle bisherigen Erfolge der Südarmee seien durch das freiwillige
Zurückgehen Szurmays in Frage gestellt; endlich ließ auch Falkenhayn
den bevollmächtigten deutschen GM. v. Cramon 2) aus gleicher Ursache
in Teschen Erkundigungen einziehen.
Aus der Lagemeldung des 3. Armeekmdos., die um Mittag in Teschen
eintraf, ersah das AOK. zum erstenmal, daß tatsächlich für die Siche-
rung der 3.GID. rechts vom Stryj nicht vorgesorgt worden war. Außer-
dem wirkte das Zurückgehen der Gruppe Szurmay um so störender, als
mittlerweile über die Frontmitte der 3. Armee eine Krise hereingebrochen
war, die noch zu schildern sein wird. Jetzt mußte wenigstens ihr Ost-
flügel standhalten, unbedingt aber ein Mißerfolg der Garde abgewendet
werden. Nach Kaschau erging die Weisung, den rechten Flügel Szurmays
sofort östlich vom Stryj vorrücken zu lassen.
Inzwischen bestand aber längst keine Gefahr mehr für die 3.GID.
Ihr Vordringen in beständigem Gefechte über Smorze hatte der deutschen
1. ID. zu dem Gewinn der Straßenhöhe Lysa (Skizze 4) verholfen und am
3.Februar vertrieben beide Divisionen im engen Anschluß den Feindaus
Tucholka. Die Absendung von Verstärkungen durch Szurmay erwies sich
daher als überflüssig und hätte überdies dem Grundgedanken der Ge-
samtoperation widersprochen, der das Schwergewicht auf den rechten
Flügel der 3. Armee legen hieß.
Noch in Unkenntnis der Vorgänge bei Tuchla, verfügte das AOK.,
daß die Garde umzukehren und im Anschluß an Szurmay gegen Norden
vorzugehen habe.
*■) Das AOK. forderte das Kmdo. der Südarmee am 4. und 8. Februar auf, sich
in derlei Fragen nur an die vorgesetzte öst.-ung. Heeresleitung zu wenden.
2) Cramon war Ende Jänner an die Stelle von GLt. Freytag-Loringjioven getreten,
Vgl. Bd. I, 60.
Linsingen verlangt Verstärkungen
133
Da sich das Kmdo. der Südarmee von den bisherigen Ergebnissen
der Offensive nicht befriedigt fühlte, richtete es am 4. Februar an die
k. u. k. Heeresleitung einen Vorschlag zur Besserung der Lage: GdK.
Pflanzer-Baltin habe nur schwächere und minderwertige Kräfte des Feindes
vor sich, während sich dieser gegenüber der 3. und der Südarmee zu-
sehends verstärke. Die Vorrückung der Armee Boroevic sei ins Stocken
geraten und auch die Südarmee komme nicht recht vorwärts. Es sei also
notwendig, daß von dieser nicht nur die Garde, sondern noch weitere
Kräfte dem rechten Flügel Szurmays zu Hilfe eilten. Hiezu benötige
aber Linsingen weitere Verstärkungen an beiden Flügeln seiner Armee,
um rasch aus dem Gebirge herauszukommen, und zwar für den rechten
die 6. ID. Pflanzer-Baltins, für den linken Truppen der 3. Armee, die
sodann insgesamt unter seinen Befehl zu stellen wären. Aus Teschen
wurde geantwortet, Szurmay erhalte demnächst Verstärkungen, doch
hoffe man, daß die Zuführung der 3. GID. genügen werde, um den An-
griff vorwärtszutragen. Auf eine Abänderung der Befehlsbefugnisse ließ
sich das AOK. nicht ein.
Bevor die 3.GID. zu Szurmay abrücken konnte, mußte noch der Feind,
der sich nördlich von Tucholka neuerlich stellte, geworfen werden. Dies
gelang im Zusammenwirken mit der deutschen 1. ID. Hierauf kämpfte
die Garde Schulter an Schulter mit der 75. HIBrig. östlich vom Stryj,
Brussilows Gegenschlag gegen die k. u. k. 3. Armee
(27. Jänner bis 5. Februar)
Hiezu Beilagen 6 und 7
Inzwischen hatte sich der Druck des Feindes gegen die Armee Boroevic
verstärkt. Da sich die Russen auf den Höhen westlich von Borynia durch
die FortschrittePuhallos — V.Korps (33.ID.und37.HID.)undXVIII.Korps
(44. und 43. SchD.) — bedroht fühlten, stießen sie gegen den rechten Flügel
dieser Gruppe nordwärts vor. Indes schritt der gegen Ost abgebogene
Frontteil des V. Korps sogleich zum Gegenangriff und warf den Feind
am 29. Jänner wieder zurück. Als aberFML. Szurmay der Aufforderung,
den in die Lücke zwischen seiner und der Gruppe Puhallo eingedrun-
genen Feind in die Zange zu nehmen, nicht nachkommen konnte, zog das
V. Korpskmdo. seinen rechten Flügel in das frühere Verhältnis eines De-
fensivhakens zurück; dies war um so mehr geboten, als der Angriff der
37. HID. über Lutowiska hinaus Raum gewonnen hatte und es verhindert
werden mußte, daß der Zusammenhang mit der 33. ID. verloren gehe.
134
Der Karpathenwinter 1914/15
Beim XVIII. Korps wurde der Ostflügel vom Feinde am 28. um etwa
5 km zurückgedrückt, während die linke Flügeldivision (43.SchD.), bereits
südlich von Baligród, mit den sich vorpressenden Russen hart zu ringen
gehabt und in vergeblichen Gegenangriffen ihre Kampfkraft nahezu
völlig eingebüßt hatte; schon gingen einzelne Gefechtsgruppen zurück.
Wurde dem russischen Stoße nicht bald ein Riegel vorgeschoben, so
drohte der Verlust des wichtigen Raumes bei Cisna. Die nächste, aber
auch einzige Hilfe konnte die nach Wola Michowa gelangte Armee-
reserve, die 29. ID., bringen. Ursprünglich hatte Boroevic geplant, diese
Division an seinem Ostflügel einzusetzen, um den von der 44. SchD. er-
rungenen Anfangserfolg auszubeuten. Der am 26. Jänner begonnene Rechts-
marsch der 29. ID. mußte aber wegen des noch zu schildernden Rück-
schlages auf dem westlichen Armeeflügel eingestellt werden. Nunmehr
sah sich der Armeeführer gezwungen, die Division zur Ablösung der ab-
gekämpften 43. SchD. zu verwenden. Als sie jedoch am 30. Jänner hinter
dem ihr zugedachten ausgedehnten Abschnitte eingetroffen war, erklärte
der Kommandant des XIX. Korps, FML. Trollmann *), daß die Reste der
43, SchD. in der Front belassen werden müßten, weil sonst das Festhalten
des mühsam gewonnenen Bodens nicht gewährleistet wäre. Mit der Ge-
nehmigung dieses Antrages scheiterte die Absicht des 3. Armeekmdos.,
sich mit der abgelösten 43. SchD. eine neue Reserve zu schaffen.
Die Offensivkraft des Stoßflügels war nunmehr er schöpft und Boroevic
außerstande, den Kampf zu nähren. So mußte die gegen die Gruppen
Krautwald, Erzherzog Joseph und Colerus heranbrandende Russen-
flut schlimme Bedrängnis bringen. Unaufhörlich langten in den nächsten
Tagen Hiobsbotschaften in Kaschau ein, zuerst vom VII., dann vom X.
und auch vom III. Korps. Obgleich es weder bei der Abwehr noch beim
Gegenstoß an Zügen hervorragender Tapferkeit fehlte, buchtete sich doch
gegenüber dem unaufhaltsamen Vorgehen der beiden rechten Flügelkorps
der Armee Brussilow die eigene Front immer tiefer gegen Süden aus.
Die Hoffnung, mit dem bereits gelähmten Offensivflügel eine entschei-
dende Wendung herbeizuführen, war geschwunden. Bei den Tag und
Nacht unter den unerhörtesten Entbehrungen und den Unbilden des eisigen
Winters im Kampfe stehenden Truppen schlich sich ein bedenklicher Gast
ein: Apathie und Stumpfheit, eine Folge der Überspannung der Anfor-
derungen. Dies machte sich in den verschiedensten Schattierungen gel-
tend; begreiflicherweise bei den Verbänden slawischer Nationalität, die
gegen den Blutsbruder fochten, stärker als anderswo. Und gerade der
*) Vom XIX. Korps war nur die 29. ID. zur Stelle.
Lähmung des Offensivflügels der 3. Armee
135
Schute des lebenswichtigen Raumes bei Mezölaborcz war zwei galizischen
Divisionen anvertraut. Wenn sie sich dennoch brav schlugen, so geschah
dies mehr aus anerzogenem Pflichtgefühl als aus der festen inneren
Überzeugung, einer großen Sache zu dienen.
Als die russische Offensive in der Gegend des Duklapasses begonnen
hatte, glaubte Boroevic anfangs nicht an weit gesteckte Ziele des Feindes,
dessen Stößen gegen Süden er bloß die Absicht zuschrieb, das Abziehen
von Kräften aus der Front der Armee Dimitriew zu verschleiern. Um
dies zu verhindern, regte Boroevic jetzt selbst einen Angriff der Armee
des Erzherzogs Joseph Ferdinand an.
Das 4. Armeekmdo. hatte auf Grund des Heeresbefehles vom 22. Jänner
(S. 111) Direktiven für eine mit starkem Südflügel zu führende Offensive
ausgegeben, die in Übereinstimmung mit der 3. Armee aufgenommen
werden sollte (Beilage 6). Den Zeitpunkt für die Offensive hielt man aber
erst für gekommen, sobald der Feind unter der Einwirkung des Stoßes
der Armee Boroevic beginnen würde, seine Stellungen gegenüber der
4. Armee zu räumen. Nur wenn sich der Russe mit voller Kraft auf das
III. Korps würfe, was vom 26. an einzutreten schien, sollten Teile der
Gruppe Arz den linken Hebel der Zange bilden, mit der man die Russen
aus der Gegend der inneren Armeeflügel herausdrängen wollte. Hiefür
wurden einige Bataillone der 45.SchD. und die ll.HKD. bereitgestellt.
Weiters bestand eine Vereinbarung mit dem 1. Armeekmdo., daß zur
Erleichterung der Forcierung des unteren Dunajec die Artillerie vom
nördlichen Weichselufer einzugreifen habe, allenfalls aber auch Truppen
zur unmittelbaren Unterstützung über die Brücke bei Jagodniki gesandt
werden sollten.
Gdl. Boroevic bat am 30. angesichts der sich immer mehr verschär-
fenden Lage beim X. und bei dem auf 24 km ausgedehnten VII. Korps
um schleunige Zuführung einer Division auf der Bahnlinie nach Mezö-
laborcz. Bei diesem Hilferuf ließ er als Unterton den Vorwurf mit-
schwingen, daß das AOK. die ursprünglich als Armeereserve bestimmte
7. ID. der Gruppe Szurmay zugeschlagen habe, indes die letzte noch
verfügbare Reserve, die 29. ID., bereits verausgabt war1).
In Teschen brach sich die erst viel später in die Tat umgesetzte
Ansicht Bahn, daß die Krise bei der 3. Armee am besten durch den un-
1) Um dem Augenblicksbedarf Rechnung zu tragen, wurde dem 3. Armeekmdo.
von der Heeresleitung das Verfügungsrecht über die Fußabteilung der 5. HKD. ein-
geräumt; diese stand, für den Abtransport zur Armeegruppe Pflanzer-Baltin bestimmt,
noch bei Eperjes.
136
Der Karpathenwinter 1914/15
gesäumten Angriff der Erzherzogsarmee beschworen werden könne. Noch
am 30. wurde daher dem 4. Armeekmdo. am Fernsprecher anheimgegeben,
entweder mit ganzer Kraft anzugreifen oder eine Infanteriedivision
an Boroevic abzusenden. Aber in Okocim hielt man begreiflicherweise
einen Stirnangriff gegen die stark verdrahteten Stellungen Dimitriews
für aussichtslos1). Noch war der Gedanke der Durchbruchsschlacht
mit zusammengefaßtem Zerstörungs- und Vernichtungsfeuer schwerer und
schwerster Artillerie bei den Führern zu wenig gereift. Man wählte die
!) Zur Erläuterung dieser Auffassung bemerkt der damalige Chef der General-
stabsabteilung des 4. Armeekmdos., GM. v. Paie:
„Die 4. Armee hatte nach dem Siege bei Limanowa-Lapanow in der Verfolgung
des Gegners um die Mitte Dezember 1914 die Dunajec-Bialalinie erreicht. Der anfangs
gehegte Plan, die Offensive sofort weiterzuführen, wurde alsbald als undurchführbar
erkannt, da der Russe in der nunmehr verkürzten, durch das Terrain ungemein be-i
günstigten Front starke Kräfte vereinigt hatte, die bald darauf selbst zum Angriffe
schritten. Erst am 5. Jänner 1915 flauten die feindlichen Vorstöße ab. Die technische
Verstärkung der nun eingenommenen Stellung und das Ordnen der arg durcheinander-
gekommenen Verbände sowie Vorsorgen materieller Natur nahmen die nächsten Tage
in Anspruch. Bevor aber noch das Armeekmdo. schlüssig werden konnte, ob und unter
welchen Bedingungen die Wiederaufnahme der Offensive möglich sein konnte, trafen
die Weisungen des AOK. ein, die auf eine Operation über die Karpathen abzielten.
Nicht nur das von der 1. Armee anrollende V. Korps wurde nunmehr dem Ostflügel
des Gdl. Boroevic zugeführt, sondern die 4. Armee selbst hatte drei Infanteriedivisionen
an den rechten Heeresflügel abzugeben.
Unter diesen Verhältnissen waren alle Voraussetzungen für einen selbständigen,
große Ziele verfolgenden West-Oststoß der 4. Armee genommen. Wenn auch in den
folgenden Wochen und Monaten die gegenüberstehende Front des Gen. Dimitriew nach
und nach geschwächt wurde, so änderte dies nichts an der Situation, da auch die
4. Armee immer wieder weitere Kräfte in die Karpathen abzugeben hatte. Ein isolierter
Angriff der 4. Armee blieb aussichtslos. Es war ganz undenkbar, daß er, mit den vor-
handenen geringen Kräften unternommen, so große Erfolge zeitigen würde, um auf
die Situation der östlichen Teile der Karpathenfront wirksam zu werden; es war aber
sicher, daß jede solche Offensive überaus verlustreich sein mußte und dadurch selbst
die weitere unbedingte Behauptung der Dunajec-Bialalinie in Frage stellen konnte.
Bei den Erwägungen und Erörterungen eines solchen Angriffes mußte daher das
4. Armeekmdo. eine ablehnende Haltung einnehmen. In Okocim war man sich jedoch
andererseits der Pflicht bewußt, jede Schwächung des gegenüberstehenden Feindes ebenso
mit einem sofortigen Angriff zu beantworten, wie in dem Falle offensiv zu werden,
wenn das benachbarte III. Korps zum Angriff schritt oder selbst arg bedroht würde.
Das 4. Armeekmdo. war sich endlich auch im klaren, daß die großen Ziele des AOK.
auch unter Opfern gefördert werden müßten. Es stimmte daher der Schwächung der
eigenen Front bis an die Grenze des überhaupt möglichen zu, ohne jemals Bedenken zu
äußern, und ergriff jede Gelegenheit, um durch partielle offensive Unternehmungen
das benachbarte III. Korps zu unterstützen oder ein Abziehen des Gegners zu verhin-
dern" (Zuschrift vom 5. Jänner 1929 an das Kriegsarchiv).
Pläne des AOK. für einen Gegenschlag
137
Kräfteabgabe an die 3. Armee und stellte eine Division zur Verfügung.
Das AOK. griff aber nur auf zwei Infanterieregimenter (IR. 81 und 88),
die aus der Front gezogen und als kombinierte Brigade am 31. Jänner
und 1. Februar aus der Gegend von Brzesko nach Mezölaborcz transpor-
tiert wurden.
Als nun das X. und das VII. Korps am 31. wieder ein Stück zurück-
gedrängt wurden, forderte das 3.Armeekmdo. unbedingtes Ausharren,
damit die kombinierte Brigade in Mezölaborcz ausgeladen werden könne.
Doch das VII. Korps mußte immer mehr Raum gegen Sztropkó geben.
Boroevic faßte hierauf durchgreifende Entschlüsse, umsomehr, als ab-
gehorchte Funksprüche die Fortsetzung der russischen Offensive an-
kündigten. Er beabsichtigte, den Feind durch doppelseitigen Angriff
aus der tiefen Fronteinbuchtung des VII. Korps herauszupressen, wozu
die kombinierte Brigade nach Bereitstellung hinter dem rechten Flügel
dieses Korps in der Richtung über Havaj vorstoßen, die 28. ID. des
III. Korps im Vereine mit den Kräften, die von der Gruppe Arz zur
Verfügung gestellt würden, von Westen vorgehen sollten. Hiedurch kam
allerdings das X. Korps, das zurzeit mit 15.800 Feuergewehren einen
Abschnitt von 28 km deckte, um die zugesagte Unterstützung. In bren-
nender Sorge, daß der dünne Schleier seiner abgekämpften Verbände
reißen könnte, ehe Verstärkungen eintrafen, schlug Boroevic vor, an den
Eisenbahnendpunkten Massen unbewaffneter Ersatzmannschaften bereit-
zustellen, die, von den rückströmenden Verwundeten und Kranken mit
Waffen und Ausrüstung versehen, zu den schwer ringenden Divisionen nach
vorne zu schicken wären. Dieser Vorschlag wurde vom AOK. abgelehnt.
In Teschen bereitete man aber doch einen großen Gegenschlag vor.
Auf dem Südflügel der 4. Armee sollte eine starke Angriffsmasse von fünf
Infanteriedivisionen (10. und 11. ID., 13., 26. und 45. SchD.) und einer
Kavalleriedivision (11. HKD.) gebildet werden und unter dem Befehl des
Gdl. Kritek südlich von der Magóra vorstoßen*, um den bedrängten West-
flügel der 3. Armee zu entlasten. Die beiderseits der Straße Ropa—Gor-
lice—Biecz stehenden Teile der Armee des Erzherzogs waren angewiesen,
sich diesem Angriffe, der am 7. zu beginnen hatte, anzuschließen.
Für eine unmittelbare Verstärkung der 3. Armee kam Ende Jänner
der bereits erwähnte Vorschlag des Erzherzogs Eugen (S. 105) zu gelegener
Stunde. Er beantragte die vorübergehende Verwendung des zu den Bal-
kanstreitkräften gehörenden VIII. Korps (9. ID. und 21. SchD. mit zu-
sammen 23.000 Feuergewehren) auf dem nördlichen Kriegsschauplatze.
Freudig ging man in Teschen darauf ein. Schon am 3. Februar rollten
138
Der Karpathen winter 1914/15
aus dem Süden die ersten Transporte auf zwei Bahnlinien zur 3. Armee,
die 21.SchD. mit dem VIII. Korpskmdo. gegen den Raum Mezölaborcz,
die 9. ID. gegen den Uzsokpaß. Außerdem stellte die 1. Armee noch die
1. LstlBrig. zur Verfügung, die vom 2. Februar abends von Brzesko gleich-
falls nach Mezölaborcz geleitet werden sollte.
Der somit beträchtlichen Verstärkungen entgegensehenden 3. Armee
schrieb die Heeresleitung vor, unter Festhaltung des Raumes von Mezö-
laborcz die Vorrückung des verstärkten Ostflügels gegen Sanok—Chyrów
entscheidend zu gestalten. Ob die hiefür zur Verfügung gestellten Kräfte
genügen würden, blieb allerdings fraglich; sie waren aber sicherlich aus-
reichend, um gegen den russischen Einbruch in die ungarische Ebene
einen festen Damm zu errichten. In Teschen befriedigte die Führung der
3. Armee nicht. Das AOK. telegraphierte nach Kaschau, daß das unauf-
hörliche Zurückweichen des VII. und des X.Korps die Gesamtlage
immer bedenklicher gestalte, die Gefechtslinie wurde immer ausgedehnter,
dünner und weniger widerstandsfähig. Die Depesche enthielt aber auch
einen wenig verhüllten Tadel:
„Das bloß defensive, portionenweise Stopfen der Lücken durch die zugewiesenen
Verstärkungen ist nicht dazu angetan, diese Verhältnisse zu bessern, sondern es sind
diese Verstärkungen, möglichst zusammengefaßt und im Anschlüsse mit den bereits im
Kampfe befindlichen Truppen, zu einem möglichst kräftigen einheitlichen Stoß in der
vom Armeekmdo. als günstigst oder dringendst erkannten Richtung einzusetzen."
Dann folgte noch eine Andeutung über die Notwendigkeit persön-
lichen Eingreifens durch den Armeeführer selbst.
Die in kritischen Zeiten selten ausbleibenden inneren Reibungen und
damit verbundenen Verstimmungen hatten damit zwischen diesen beiden
Befehlsstellen schärfere Formen angenommen. Gdl. Boroevic antwortete
noch am selben Tage, daß auch er sich zu den vom AOK. dargelegten
Führungsgrundsätzen bekenne, von denen abzuweichen ihn nur die Macht
der Umstände gezwungen habe.
Mit Rücksicht auf das von der Heeresleitung angekündigte Unter-
nehmen der Gruppe Kritek verschob Boroevic den ursprünglich geplan-
ten Gegenangriff von Westen her, weil sich daran anfangs nur unter-
geordnete Kräfte der 4. Armee hätten beteiligen können. Dagegen hielt
er an dem Einsätze der kombinierten Brigade über Havaj fest, weil er
besorgte, daß der ins Gleiten geratene rechte Flügel des VII. Korps die
Russen kaum mehr daran hindern könnte, sich von dieser Seite her des
Ortes Mezölaborcz Zu bemächtigen.
Der 3. Februar, ein Tag, der schon unter dem Unstern der die 3.GID.
Die Verwendung der Reserven
139
betreffenden Weiterungen (S. 132) stand, bewies mit seinem lebhaften
Drahtverkehr zwischen Teschen und Kaschau, daß sich die Anschauungen
der Heeresleitung und des 3. Armeekmdos. nicht völlig deckten. Ganz
im Sinne der erhaltenen Weisungen wollte Boroevic alles daransetzen,
seinen Ostflügel wieder flottzumachen, der in stetem Abwehrkampfe,
namentlich beim XVIII. Korps und auf dem rechten Flügel Krautwalds,
Boden eingebüßt hatte. Der Armeeführer ging sogar um einen Schritt
weiter als das AOK. und beantragte die Heranführung beider Divisionen
des VIII. Korps gegen den Uzsokpaß, während die Heeresleitung die
21. SchD. bei Mezölaborcz verwendet wissen wollte. Boroevic glaubte
aber, sich im Gefechtsraume des VII. Korps durch den Gegenangriff der
kombinierten Brigade Luft machen zu können, indes die hinter dieser
anrollende 1. LstlBrig. zur unmittelbaren Ünterstützung des X. Korps
genügen würde.
In seinen Erwägungen trat der Westflügel augenblicklich in den
Hintergrund, obgleich sich gerade jetzt zwischen dem III. und dem
VII. Korps eine breite Lücke aufgetan hatte. Das dem VII., dem X. und
zum Teil auch dem III. Korps vorzuschreibende Verhalten hing nicht
nur davon ab, ob die russischen Angriffe andauern würden, sondern
auch von dem Zustande der in die Verteidigung gedrängten und über
alle Maßen beanspruchten Truppen. Dieser und die Rücksicht auf die
Eintreffzeiten der Verstärkungen mußten die Art der weiteren Kampf-
führung wesentlich beeinflussen. In gewissen Abschnitten war Widerstand
bis aufs äußerste, selbst bei Aufopferung einzelner Divisionen, geboten.
An anderer Stelle schien ein elastisches Ausweichen, auch bei Preisgabe
schon gewonnenen Geländes, das zweckmäßigere Verfahren, um unnötige
Verluste zu vermeiden und Zeit zu gewinnen, mit Hilfe der anrollenden
Verstärkungen zu einem neuen Stoß auszuholen.
Wie es scheint, hatte das AOK. aus einer Lagebeurteilung die Ab-
sicht des 3. Armeekmdos. herausgelesen, daß die augenblicklich festge-
haltenen Räume nicht bis auf das äußerste behauptet werden sollten. In
Teschen befürchtete man, daß der Russe auf ungarischem Boden weiter
Raum gewinnen könnte, was aus innerpolitischen Gründen womöglich zu
verhüten war. Die Heeresleitung verlangte daher, daß die 3. Armee
keinen Schritt weiter zurückweiche; es stünden fünfzehn eigene gegen
zwölf feindliche Divisionen1).
i) Dieser Kräftevergleich war mit Rücksicht auf die grundverschiedenen Feuer-
gewehrstände wohl nicht ganz zutreffend und sollte vermutlich nur zur Stärkung des
Widerstandswillens dienen.
140
Der Karpathen winter 1914/15
Inzwischen hatte sich aber der Frontriß an den inneren Flügeln des
III. und des VII. Korps zu einer derart großen Lücke erweitert, daß die
Gefahr eines völligen Durchbruches nicht ausgeschlossen zu sein schien.
Das 3. Armeekmdo. entschloß sich daher, die nach Mezölaborcz gewiesene
l.LstlBrig. auf die Linie über Eperjes abzuleiten, nördlich von dieser
Stadt auszuladen und der 4. KD. zuzuweisen, die mit der Bewachung des
entblößten Raumes betraut war. Im Vereine mit dieser Verstärkung sollte
der Führer dieser Reiterdivision, GM. Berndt, das VII. Korps durch einen
Gegenangriff entlasten.
Am Abende des 3. Februar traf beim 3. Armeekmdo. die Antwort
auf den Antrag des Gdl. Boroevic wegen eines ungeteilten Einsatzes des
VIII, Korps am Uzsokpaß ein. Das AOK. erklärte sich unter der Bedin-
gung einverstanden, daß der Raum Mezölaborcz mit Hilfe der beiden
dahin gesendeten Brigaden — der kombinierten und der l.LstlBrig. —
zuverlässig festgehalten werde. Nun war aber dem X. Korps gerade die
bitter nötige Unterstützung entzogen worden.
Immer schwerer lastete während des Tages der Druck des Feindes
auf dem VII. und dem X. Korps. Dadurch, daß die Russen kurz nach
Mitternacht in Mikó eindrangen, war Mezölaborcz auch von Nordwesten
her bedroht. Auch das III. Korps wollte seine Truppen schon in den Ab-
schnitt von Zboró zurücknehmen. Nach Fliegermeldungen bewegten sich
starke russische Kolonnen in der Richtung auf Sanok. Obgleich Boroevic
im Sinne der eingetroffenen Weisung seine Korps unaufhörlich zum
äußersten Widerstand anspornte und dabei betonte, daß die wichtige
Eisenbahnstrecke Mezölaborcz—Lupków keinesfalls verlorengehen dürfe,
zerbrach schließlich die Kraft der Truppen unter der Überspannung der
an sie gestellten Forderungen. Zum Glück konnte das rollende Material
der bezeichneten Strecke rechtzeitig nach Süden abgeschoben werden.
Jetzt erreichte jedoch die Krise ihren Höhepunkt.
Schweres russisches Artilleriefeuer lag am 4. Februar seit den ersten
Nachmittagsstunden auf den Gebäuden des Bahnhofes von Mezölaborcz
und auf dem gegenüberliegenden Hause, wo das X. Korpskmdo. seit der
Jahreswende sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Bis zum Spätabend
harrte der Stab hier aus, um die letzten Anordnungen für den unaus-
weichlich erscheinenden Rückzug zu treffen. Die 2. ID. war, in der Front
an mehreren Stellen durchbrochen, trotz heldenhafter Gegenstöße ein-
zelner unverzagter Abteilungen bis unweit vom Orte zurückgegangen;
nordöstlich davon deckte die 24. ID. aus weiter vorgeschobener Stellung
die Bahnstrecke nach Lupków.
Ein Urteil über die Anlage der Karpathenschlacht
141
Kurz nach llh nachts brachen die Russen in Mezölaborcz ein, doch
währte bei dichtem Schneegestöber bis lange nach Mitternacht das Hand-
gemenge in den Ortsgassen; erst gegen 3h morgens zog unsere letzte Ab-
teilung ab. Die auf kaum 1000 Feuergewehre zusammengeschmolzenen
Reste der 2. ID. wichen im Laborczatale zurück. Nachhuten nahmen noch
vorübergehend Stellung. Nicht ein Fuhrwerk fiel in die Hände des Feindes.
* *
*
Während der vierzehntägigen Kampf période büßte die 3. Armee
allein fast 89.000 Mann, somit über 50o/o ihres Standes ein; viel größer
als der Verlust an Toten, Verwundeten und Gefangenen war der an Kran-
ken. Die obige Ziffer verteilt sich auf die einzelnen Kampfgruppen etwa
wie folgt: Gruppe Szurmay 14.500, V.Korps 16.660, XVIII. Korps 8010,
XIX. Korps 5440, X.Korps 22.220, VII. Korps 13.080 und III. Korps
9000 Mann *•).
Hier soll nun die Ansicht des damaligen Generalstabschefs beim
X. Korps, FML. v. Kralowetz, über die Anlage und Durchführung der
Karpathenschlacht (23. Jänner bis 5.Februar) wiedergegeben werden2).
„Bei Gegenüberstellung der durch die Disposition des 3. Armeekmdos. angestrebten
Angriffsziele und der von seinen Einheiten erreichten Räume ergab sich ein beträcht-
licher Fehlbetrag in Kilometern. Nach sechstägiger Operation hatte am Stoßflügel der
Armee das V. Korps einen Raumgewinn von nur etwa 18 km zu verzeichnen. Die etwas
über Baligród vorgedrungene 43. SchD. war nach vollständiger Erschöpfung ihrer Kräfte
im zwangsweisen Abbau ihres Geländegewinnes von 12 km begriffen. Das X. Korps
hatte mit seinem linken Flügel dem übermächtigen russischen Drucke nachgegeben und
stand vor der Notwendigkeit der Zurücknahme seiner Gesamtkräfte in die Ausgangs-
stellung. Endlich war das nicht zur Stoßgruppe gehörige VII. Korps mit der 17. ID.
sogar hinter seine ursprüngliche Stellung zurückgedrängt worden.
Das räumliche Ergebnis war also gewiß nicht im Einklänge mit einem Unter-
nehmen, das für alle beteiligten Verbände mit den schwersten Opfern, ja vielfach mit
der gänzlichen Einbuße des Gefechtswertes in zahlenmäßiger, physischer und moralischer
Hinsicht abschloß, weniger durch die Einwirkung des Feindes als hauptsächlich durch
die auflösenden und zersetzenden Einflüsse des rauhen Gebirgswinters.
Der Feind hatte nicht annähernd den gleichen Abbruch erlitten. Seine bis zum
Eintritt des unvermeidlichen Schwächemoments beim Angreifer zurückgehaltenen und
geschonten Hauptkräfte holten jetzt zum Gegenschlage aus, der auf bereits dezimierte,
entkräftete, erstarrte und wehrlose Truppen traf____
Ein Bewegungskrieg mit weitgesteckten Zielen war unter den gegebenen Verhält-
nissen nur im Gange zu erhalten, wenn nach etwa zwei bis drei Tagen für eine Ab-
*) Diese Verlustangaben sind dem Schreiben des GM. Anton Pitreich vom 20. Sep-
tember 1929 an das Kriegsarchiv entnommen. Nachträglich ist nicht festzustellen, ob
sich diese Ziffern auf den „Gefechts-" oder auf den „Feuergewehrstand" beziehen.
2) Aus einer unveröffentlichten Studie des Generals (verkürzt und auszugsweise).
142
Der Karpathenwintcr 1914/15
lösung der sich mühsam vorarbeitenden Truppen durch ausgerastete Kräfte vorgesorgt
worden wäre. Nur ein „schichtweises Vorarbeiten" hätte diese Winteroffensive schritt-
weise ans Ziel gelangen lassen, ohne die Truppen gänzlich aufzureiben. Dazu waren
aber Ablösungskräfte in den Stoßrichtungen, zum mindesten aber volle festgefügte
Truppenbestände, die dem enormen Verbrauche Rechnung trugen, unerläßlich. Hatte
man diese Kräfte nicht, dann hätte das Wagnis dieses Bewegungskrieges füglich unter-
lassen werden sollen.
Die im Jänner 1915 in den Karpathen begonnene Offensive konnte unmöglich
über den ersten Ansatz hinausgelangen....."
An einem solchen Urteile darf nicht vorbeigegangen werden, wenn
die eiserne Tatkraft der Heeresleitung gerühmt wird, die ihre Aufgabe
darin erblickte, das übermächtige Russenheer nicht nur zu fesseln, bis
deutsche Kräfte vom französischen Kriegsschauplatze frei geworden
waren, sondern auch die Initiative an sich zu reißen und eine baldige
Kriegsentscheidung zu erzwingen, die aus den bereits dargelegten Grün-
den angestrebt wurde.
Ob aber die für die Offensive gewählte Richtung die einzig mögliche
und sachgemäße war, darüber wird noch später zu sprechen sein.
Die hier gebotene Beschränkung auf die Darlegung der operativen
Vorgänge bei notgedrungener Vernachlässigung der Einzelheiten im Ge-
fechte bringt die Gefahr mit sich, beim Leser nicht völlig zutreffende
Vorstellungen hervorzurufen; denn zu dem Gesamtbilde gehört unzer-
trennlich, was die Truppe zu erdulden hatte, was ihr an Leiden und
Mühsal aufgebürdet wurde. Um diesem Mangel wenigstens einigermaßen
abzuhelfen, werden an geeigneten Stellen Bruchstücke einer aus der Feder
des Obersten Dr. h. c. Veith stammenden Schilderung1) abgedruckt. Über
die eben dargestellte Phase schreibt Oberst Veith:
„Am 23. Jänner brach man los, hinein in die eisige Hölle der Karpathenschlacht.
Der Uzsok-, der Verecke- und der Wyszkówer Paß wurden erstürmt, aber am Nord-
hange des Gebirges empfing die Truppen der Schneesturm. Am 25. Jänner wird die
siegreich vordringende Brigade GM. Lieb, nachdem sie den Feind geworfen, durch
den eisigen Nordost in ihre Ausgangsstellung zurückgejagt. Das Verhängnis bricht
herein. Es ist erschütternd, die Berichte aus jenen Tagen zu lesen. Täglich erfrieren
Hunderte; jeder Verwundete, der sich nicht fortschleppen kann, ist unweigerlich dem
Tode verfallen. Reiten wird zur Unmöglichkeit. Ganze Schwarmlinien ergeben sich
weinend, um der entsetzlichen Pein zu entgehen; beim SchR. 21 wird die abends ein-
gesetzte Schwarmlinie am nächsten Morgen bis auf den letzten Mann erfroren auf-
gefunden. Kein Fuhrwerk, kein Tragtier kommt in den ungeheuren Schneemassen vor-
wärts; selbst muß die Mannschaft die Kochkisten in die Stellung tragen, doch die
erschöpften Träger bleiben liegen und erfrieren, durch Tage erhalten die Kämpfer
x) Veith, „Werdegang und Schicksal der öst.-ung. Armee im Weltkrieg" (Wien
1922, Manuskript). Vgl. I, 44, Fußnote,
Die Truppe in den Karpathenkämpfen
143
bei —25° Celsius kein Essen, der eiserne Vorrat, den der Mann bei sich trägt, ist eis-
hart gefroren und ungenießbar; durch sieben Tage steht die ganze 43. SchD. ununter-
brochen in schwerstem Kampfe gegen Feind und Schneesturm ohne einen warmen
Bissen, durch volle dreißig Tage kommt nicht ein einziger Mann ihres Verbandes unter
ein schützendes Dach!
Ähnlich geht es auf der ganzen Front. An Ablösung der Kämpfenden, an auch
nur vorübergehende Einquartierung ist nicht zu denken, die Stände sind zu gering und
werden bei den furchtbaren Verlusten täglich geringer, die Aussicht auf Ablösung
immer problematischer. Beim SchR. 20 sinkt der Stand auf 9 Offiziere, 250 Mann (Soll-
stand zirka 60 Offiziere, 3400 Mann), kaum ein Bataillon der Front zählt noch zwei-
hundert. Immer dünner wird die Linie, immer wieder müssen an einer Stelle die tod-
müden Kämpfer aus der Front gezogen werden, um an einer anderen ein eben ent-
standenes Loch zu stopfen; Sanitätspersonal, Leichtmarode, Leichtverwundete werden
eingesetzt, eine totale Vermengung der Stände, diese größte Erschwernis jeder geord-
neten Kampfführung wie des Nachschubes, ist dauernd die Folge.
Trotz des erreichten Kampferfolges ist die Stimmung der Truppen gedrückt, ja
verzweifelt; das sichere Gefühl, sich im Kampfe mit den Elementen aufzureiben, läßt
keine Siegeshoffnungen aufkommen. Die höheren Kommanden tun ihr Möglichstes, die
moralische Widerstandskraft zu heben; man muß froh sein, den gelegentlich hervor-
brechenden Hang zur Panik niederzuhalten. Die stumpfe Apathie und Gleichgültigkeit,
die die Front immer mehr ergreift, ist nicht zu bannen.
Ende Jänner tritt plötzlich Tauwetter und Regen ein, alles ist bis auf die Haut
durchnäßt, keine Möglichkeit zum Trocknen, dagegen gefrieren den Leuten über Nacht
die Kleider am Leibe zu Eispanzern. Wer keine eiserne Natur hat, muß jetzt zu-
sammenbrechen. Da setzt der russische Gegenangriff ein. Die vor Qual halb wahn-
sinnigen Kämpfer weichen in stumpfsinniger Ergebung auf ihre Ausgangsstellungen
zurück. Auch der Feind hat bald genug von diesem Kampfe, auch auf seiner Seite
ergeben sich ganze Abteilungen. Endlich verebbt die Schlacht. Man ist dort, wo man
Mitte Jänner gewesen; aber in der Zwischenzeit ist wieder eine Armee zugrunde ge-
gangen ........
Das war die erste Schlacht in den Zentralkarpathen."
Diese wahrheitsgetreue Schilderung, ein schmerzlicher Nachklang
der opfervollen Tätigkeit unserer Truppen, legt dem Geschichtsschreiber
die Pflicht auf, zu versuchen, die Beweggründe für den Plan des Feld-
herrn bloßzulegen, den Ursachen des Mißerfolges nachzuforschen und
das Ergebnis freimütig darzulegen. Dies wird in der Folge geschehen.
Verfügungen zur Wiedergewinnung des Raumes
bei Mezölaborcz
Hiezu Beilage 7
Die Eisenbahn Homonna—Mezölaborcz—tupków und die von Lup-
ków abzweigende Kleinbahn stellten die Lebensader für die zum Ost-
flügel der 3. Armee gehörigen Verbände dar. Dieser Schienenweg war
nun seit der Nacht zum 5. Februar durch den russischen Vorstoß bei
144
Der Karpathenwinter 1914/15
Mezölaborcz—Vidrány unterbunden worden, was selbstverständlich auch
die Benützung des östlichen Streckenteiles ausschloß. Namentlich für die
geplante Fortführung der Offensive gegen Przemysl bedeutete die Ver-
letzung dieses Zufuhrstranges einen empfindlichen Schlag. Aus diesem
Grunde strebte die Heeresleitung zunächst die Wiedergewinnung des
Raumes um Mezölaborcz an.
Es mußte als seltener Glücksfall gelten, daß die Russen die Gunst
des Schicksals nicht erkannten, sich bis 5. mittags in Mezölaborcz des
errungenen Erfolges freuten und erst dann die Höhen zwischen der
großen Bahnkurve bedächtig zu erklimmen begannen, statt ohne Säumen
die Verfolgung im Laborczatal fortzusetzen. Das AOK. war neuerlich
mit der Kräfteverwendung bei der 3. Armee nicht zufrieden und hielt
ihrem Führer vor, daß er die beiden zuerst verfügbaren Brigaden (komb.
IBrig. und 1. LstlBrig.) nicht einheitlich, sondern an verschiedenen Stellen
der Front eingesetzt habe. Das unmittelbare und persönliche Eingreifen
des Armeekommandanten sei zur Wiederherstellung der Lage bei Mezö-
laborcz geboten. In Teschen hatte man offenbar geglaubt, daß der
willensharte Befehlshaber das schier Unmögliche vollbringen werde, seine
Truppen in unaufhaltsamem Angriffsdrang über die in Schnee und Eis
versunkenen Berge zu treiben. Statt dessen jetzt der alle Pläne der
Heeresleitung durchkreuzende Rückschlag! Gelände und Jahreszeit zeig-
ten sich eben — wie übrigens auch bei der Südarmee — stärker als der
Wille des Führers.
Boroevic, den die empfangenen Vorwürfe tief verletzten, rechtfer-
tigte sich damit, daß die Schlappe bei Mezölaborcz unvermeidlich ge-
wesen sei, weil er hinter seiner über 160 km ausgedehnten Armeefront
über keine Armeereserve verfügt und die vom AOK. angeordnete Ver-
wendung der 7. ID. die Durchführung seines Operationsplanes geschädigt
habe. Nunmehr seien im Laufe des mehrtägigen Ringens bei seinen
Korps alle Reserven aufgebraucht worden. Der Einsatz der beiden Bri-
gaden habe sich gezwungenermaßen vollzogen. Die komb. IBrig., von der
nur die erste Staffel in Mezölaborcz, alle weiteren jedoch in hinteren
Stationen ausgeladen worden seien, habe zur Entlastung des VII. Korps
bereitgestellt werden müssen, während die Landsturmbrigade überhaupt
nicht vor dem Abend des 6. Februar südlich von Mezölaborcz hätte ein-
treffen können. Da hier von einem frontalen Einsatz kein Gewinn zu
erhoffen gewesen sei, habe das 3.Armeekmdo. sie der 4. KD. für einen
westwärts zu führenden Gegenangriff zur Verfügung gestellt, der mittel-
bar zur Besserung der Lage bei Mezölaborcz beitragen werde. Nichts sei
Der Abwehrkampf des X. und des VII. Korps
145
unversucht geblieben, die Truppen ¿um Ausharren zu verhalten, bis der
Angriff der Gruppe Kritek wirksam werde. „Persönlich konnte es [das
Armeekmdo.] bei der Natur des hiesigen Kampfes und der Ausdehnung
der Front bestenfalls nur bei einzelnen Bataillonen eingreifen, was aber
die Führung der Armee ausschließt . . Gegen den unter einem vom
AOK. verlangten sofortigen Angriff des VII. und des X. Korps äußerte
Boroevic schwerwiegende Bedenken; der Zustand der Truppen er-
munterte auch sicherlich nicht zu einem solchen Unternehmen.
Es mag freilich dahingestellt bleiben, ob der von diesen beiden Korps
in den letzten Tagen in knapp hintereinanderliegenden Abschnitten ge-
führte Abwehrkampf nicht doch hätte vermieden werden können und ob
man die Truppen nicht mit einem Schlage vom Feinde hätte absetzen
und rechtzeitig in Räume zurückführen sollen, deren Behauptung gerade
noch die lebenswichtige Bahnstrecke sicherte. Der Mannschaft wäre die
dringend notwendige Atempause und die Zeit geboten worden, sich in den
neuen Stellungen zu hartnäckiger Verteidigung einzurichten und dort viel-
leicht doch bis zum Herankommen der Verstärkungen auszuhalten1).
Der Russe besaß ein feines Tastgefühl für die Merkzeichen einer vor-
bereiteten Verteidigungsfront und pflegte dann sofort das Tempo der
Annäherung zu mäßigen. Nichts hat aber die Truppenmoral schwerer
geschädigt als die mißbräuchliche Anwendung des Befehles „Widerstand
bis zum letzten Mann", der hätte geleistet werden sollen, um den Wei-
sungen der Heeresleitung zu entsprechen.
Als sich Gdl. Boroevic gegen die Möglichkeit einer persönlichen Ein-
flußnahme aussprach, waltete offenbar ein Mißverständnis vor. Es hätte
sich nur um die üblichen Frontfahrten gehandelt und um den unmittel-
baren Gedankenaustausch mit den vorne befindlichen Kommandanten,
der zu den wichtigsten Hilfsmitteln der Führung gehörte. Der Armee-
befehlshaber verließ aber fast nie seinen Standort, um nicht etwa den
Zeitpunkt für eine dringend erforderliche Anordnung zu versäumen2).
Am 5. Februar traf in Teschen eine Meldung des 4. Armeekmdos.
*■) Vgl. Steinitz, „Ausharren oder Ausweichen" (Militärwissenschaftliche Mit-
teilungen, Wien 1930, Jänner-Februarheft).
2) GM. Pitreich bemerkt hiezu in seiner Zuschrift vom 20. September 1929, daß
Gdl. Boroevic namentlich in kritischen Situationen „mündliche Aussprachen" mit seinen
Unterführern vermied und auch eine „mündliche Befehlsübermittlung" durch Ange-
hörige des Armeestabes nicht zuließ. Er besorgte auch, sich bei mündlicher Verhand-
lung „überreden" oder durch örtliche Eindrücke beeinflussen zu lassen. Für ihn galt
nur das „Schwarz auf weiß" des Befehlsschreibens oder der Depesche. Ein Mittelding
wollte er nicht kennen.
II
10
146
Der Karpathenwinter 1914/15
ein, die zusammen mit den Ereignissen bei Mezölaborcz neue Entschlüsse
hervorrief. Erzherzog Joseph Ferdinand hatte das Gelände für die Vor-
rückung der Gruppe Kritek (S. 137) persönlich erkundet und mit meh-
reren der anwesenden Führer gesprochen, die alle der Meinung waren,
der bevorstehende Ansturm auf die starken Befestigungen der Russen
werde sich ungemein verlustvoll gestalten. Nach der Ansicht des 4. Armee-
kmdos. sollte daher der Angriff nur dann stattfinden, wenn es die Ver-
hältnisse bei der 3. Armee unbedingt forderten, aber nicht schon am 7.,
vielmehr keinesfalls vor dem 9. Februar. In Anbetracht der Lage bei
Mezölaborcz war dies reichlich spät. Die Heeresleitung sah hierauf von
dem geplanten Unternehmen ab, weil kaum zu erwarten war, daß
die an Artillerie schwache Gruppe Kritek genügend viel Raum gewinnen
werde, um damit die Lage beim X.Korps zu beeinflussen. Das AOK.
verfügte daher, daß Gdl. Kritek am 6. nur mit dem aus der 11.ID. und
der 45.SchD. neu gebildeten XVII.Korps hinter den eigenen Linien über
Komlóspatak und Zboró abzurücken habe. Das 3. Armeekmdo. beabsich-
tigte, das Korps, dem die Gruppe Berndt — 4. KD. und 1. LstlBrig. —
unterstellt wurde, aus der Lücke zwischen dem III. und dem VII. Korps
in der Richtung überFelsö-vizköz gegen denDuklapaß vorstoßen zu lassen,
während sich das VII. Korps diesem Angriffe anschließen sollte und das
III. die linke Flanke des XVII. zu decken hatte. Der Beginn der Vor-
rückung Kriteks wurde für den 9. oder 10. in Aussicht genommen.
Über die noch nicht geklärte Frage der Verwendung des VIII. Korps
(S. 140) fand am 5. ein lebhafter Drahtverkehr zwischen Teschen und
Kaschau statt. Das AOK, hatte in seiner die Zuführung des XVII. Korps
betreffenden Weisung erläuternd beigefügt: die Offensive über Turka
und Lisko könne erst fortgesetzt werden, bis man die Fortschritte der
Russen gegen Sztropkó und über Mezölaborcz eingedämmt habe. Daher
müsse der Feind zunächst aus diesen Räumen vertrieben werden.
Boroevic beantragte deshalb in Teschen, daß das VIII. Korps doch nicht
über den Uzsokpaß zu dirigieren, sonderà, mit beiden Divisionen über
Sztropkó einzusetzen sei. Durch Zusammenwirken mit dem XVII. Korps,
der Gruppe Berndt und Teilen des VII., von insgesamt etwa sechs Divi-
sionen, ließe sich ein sicherer Erfolg in der Richtung auf den Duklapaß
erzielen. Man stoße hiebei „auf die anscheinend schwächste Stelle" der
Feindfront und da überdies die mittlerweile verschlimmerte Witterung
die Operation über den Uzsokpaß verzögern würde und der Feind ver-
mutlich seine Reserven über Stary Sambor vorschiebe, müsse dieser, „mit
Übermacht an einer anderen Stelle getroffen, den Erfolg freigeben..
Zweifel über das Einsetzen des VIII. Korps
147
Das AOK. antwortete, daß es darin eine völlige Verkennung des
Leitgedankens der gesamten Karpathenoperation erblicken müsse, die
auf ein Zusammenwirken des starken Ostflügels der 3. mit der Südarmee
aufgebaut sei, und daß auch der Entsatz von Przemysl nicht außeracht
gelassen werden dürfe. Entsende der Russe wirklich starke Kräfte über
Stary Sambor, dann laufe man Gefahr, daß gerade an dieser entschei-
denden Stelle die Gesamtkriegshandlung scheitern könne, falls das
VIII. Korps dort fehle.
Die Vielfältigkeit der für die 3. Armee erwachsenden Aufgaben
springt ins Auge.
Unterdessen hatte das Armeekmdo. die 41. SchBrig. der 21. SchD.
ins Laborczatal herangezogen. Dies wurde zwar in Teschen gebilligt,
doch wollte die Heeresleitung von der Verwendung der Hauptkraft des
Korps am Uzsokpaß vorläufig nicht abgehen. Mit dem XVII. Korps, der
komb. IBrig., der l.LstlBrig. und der 41. SchBrig.1), endlich mit den
Kräften des III., VII. und X. Korps müsse es umso mehr gelingen, die
Lage wieder herzustellen, als „das Armeekmdo. selbst trotz des dortigen
Mißerfolges die feindliche Front relativ am schwächsten erachtet".
Die Frage, wohin die verfügbaren Kräfte zu entsenden seien, war
sicherlich schwer zu beantworten. Vermochte man den Ostflügel der
3. Armee in dem Maße zu verstärken, daß seine Offensive unaufhaltsam
gegen Norden fortschritt, dann ließ sich hoffen, daß der russische Vor-
stoß gegen den Westflügel zusammenbrechen werde. War man aber)
hiezu, wie es der Fall war, nicht imstande, so blieb nichts anderes übrig,
als alle freizumachenden Verbände an den Wiedergewinn der Gegend
von Mezölaborcz zu setzen. Ohne Eisenbahn war eine spätere Offensive
über UstrzykiDl. undenkbar. Außerdem mußte aber auch ein weiteres
Vordringen des Feindes gegen die ungarische Tiefebene unbedingt hint-
angehalten werden.
Neuregelung der Befehlsverhältnisse in den mittleren
Karpathen und hineinspielende Ereignisse
(6. bis 15. Februar)
H i e z u Beilage 7 sowie Skizzen 5 und 6
Daß die Heeresleitung und das 3. Armeekmdo. in ihrer Entschluß-
fassung wiederholt schwankten und auch untereinander uneins wurden,
!) Die Vereinigung der 41. SchBrig. mit der Masse ihres Korps am Uzsokpaß
sollte indes sobald wie möglich erfolgen.
10*
148
Der Karpathenwinter 1914/15
erscheint unter den einstürmenden Eindrücken des Kampfverlaufes be-
greiflich, da bald dieser, bald jener Frontteil zurückgedrückt wurde.
In Teschen reifte aber gerade dadurch die wichtige Erkenntnis, daß
es nicht zweckmäßig sei, die in einem gewissen inneren Widerspruch
stehenden Aufgaben der 3. Armee durch einen einzigen Führer lösen zu
lassen. Außerdem war die 3. Armee auf 18 Infanterie- und 3y2 Kaval-
leriedivisionen angewachsen, so daß sich schon aus diesem Grunde eine
Teilung empfahl. Möglicherweise spielten auch seelische Einflüsse mit,
die wohl von den getrübten Beziehungen zwischen der Heeresleitung
und dem wichtigsten Unterführer ausgingen. Das AOK. entschloß sich
daher am 6., das 2.Armeekmdo. von Westpolen abzuberufen, Ihm den Be-
fehl über den bisherigen Ostflügel des Gdl. Boroevic zu übertragen und
die neue 2. Armee durch einige Divisionen aus ruhigen Frontabschnitten
zu verstärken.
Vorerst gab aber am 7. Februar ein Brief des FML. Krautwald an
den Generalstabschef der 3. Armee, GM. Boog, den Anstoß zu einer neuer-
lichen Abänderung der für das VIII. Korps getroffenen Verfügung. Durch-
aus kein Schwarzseher, schilderte der Führer des X. Korps den Zustand
seiner Truppen, die durch sechzehn Tage unter den furchtbarsten Schwie-
rigkeiten unaufhörlich kämpfen mußten, in den dunkelsten Farben; ihm
fehle jetzt in Anbetracht der gewaltigen Offiziersverluste das Vertrauen
in ihre weitere Leistungsfähigkeit1). Die 41. SchBrig. genüge als Ver-
stärkung nicht, er benötige eine ganze Division. Zur Zeit rollten bereits
Teile der 21. SchD. über Ungvár gegen den Uzsokpaß, wohin auch die
9.ID. gewiesen war. Das 3. Armeekmdo. ordne te nunmehr das Abschwenken
aller Transporte der Schützendivision ins Laborczatal an und meldete
nach Teschen, daß es nach dem Einlangen der Division den Feind aus dem
Räume bei Mezölaborcz vertreiben wolle.
Inzwischen trafen aber in Kaschau sehr schlimme Nachrichten ein.
Die Russen hatten die 34. ID. über tupków zurückgeworfen und in schwe-
ren Nachtkämpfen Teile der Division abgeschnitten; diese zählte nur
mehr 3500 Feuergewehre. Aber auch die 29. ID. sowie das XVIII. Korps
hatten Geländeteile preisgeben müssen und um das Mißgeschick des
7. Februar zu vermehren, wich auch die 20. HID. des VII. Korps ein
weiteres Stück zurück.
Unter diesen ungünstigen Eindrücken sank die Stimmung in Kaschau.
x) Dessenungeachtet kämpften diese Truppen dann noch durch drei Monate in
den Karpathen weiter.
Das 3. Armeekmdo. für vorübergehende Einstellung der Offensive
149
Der Armeegeneralstabschef berichtete dem AOK. durch den Fernsprecher
über erschreckende Verlustziffern (S. 141). Da somit die Gefahr be-
stehe, daß die Armee gänzlich zugrundegehe, sei es zweckmäßig, die ge-
plante Offensive auf eine bessere Jahreszeit zu verschieben. Von Teschen
aus befragt, äußerte sich auch Gdl. Boroevic ähnlich. Er habe jedoch
keineswegs die Loslösung der Armee vom Feinde im Sinn und halte daran
fest, mit dem XVII. Korps, der verstärkten Gruppe Bern dt, dem VII. Korps
und der 21. SchD. den Raum bei Mezölaborcz freizumachen, doch müsse
man sich bei allen anderen Korps mit der Behauptung ihrer jetzigen Stel-
lungen begnügen, namentlich dürfe Szurmay nicht „vorgetrieben" werden,
da dieser schon ein Drittel seines Standes geopfert habe. Erst bis sich die
strenge Kälte gebrochen habe, seien die anrollenden oder weitere etwa
durch Verschiebungen zu gewinnende Kräfte zu einer neuen Aktion ein-
zusetzen, sonst komme es bloß zu einem nutzlosen Verbrauch der Truppen,
die überdies nur ungenügend mit Winterschutzmitteln versehen seien.
„Ich erfülle eine ungeheuer schwere Pflicht, wenn ich darauf hinweise,
daß die Fortsetzung der Offensive unter den gegenwärtigen Witterungs-
verhältnissen aus Mangel an Kämpfern zusammenbrechen müsse."
In Teschen stand man vor schicksalhaften Entschlüssen. Sollten alle
bisherigen Opfer vergeblich gebracht worden sein? Mußte auf den Ent-
satz von Przemysl verzichtet'werden ? Das AOK. konnte sich zu solchen
Entschlüssen nicht durchringen ; es beharrte fest auf seinen Angriffsplänen.
Boroevic wurde am 8. beschieden, daß ein Abwarten ausgeschlossen
sei, weil dadurch die Heranführung russischer Verstärkungen begünstigt
und sich der feindliche Widerstand noch mehr versteifen würde. Zwar
erhielt der Armeeführer das Verfügungsrecht über das ganze VIII.Korps,
doch mit der Einschränkung, die 9. ID. bei Takcsány—Csontos derart zu
versammeln, daß sie sowohl gegen Cisna oder Mezölaborcz als auch über
den Uzsokpaß vorgeführt werden könne. Boroevic, von dieser Bindung
nicht befriedigt, bat, die 9. ID. dennoch in die Richtung auf Mezölaborcz
leiten zu dürfen; er wollte sie bei dem bevorstehenden Angriffe wenig-
stens in Reichweite haben. Doch das AOK. gewärtigte einen russischen
Vorstoß über Cisna auf Czirokaófalu, der allen Offensivabsichten ein
Ende bereiten konnte, und lehnte den Antrag ab.
Hierauf begab sich der Armeegeneralstabschef am 9. Februar nach
Teschen und legte dort im Auftrage des Gdl. Boroevic dar, daß der An-
griff des Ostflügels keine Aussichten auf taktisches Gelingen biete und
daß auch die Verstärkung dieses Flügels wegen der materiellen Versor-
gung auf große Schwierigkeiten stoßen werde, daß sonach die Offensive
150
Der Karpathenwinter 1914/15
zwischen Laborera und Ondava zu führen sei. Doch auch dieser Versuch,
die Heeresleitung umzustimmen, schlug fehl1).
Der Wettergott beschenkte die hartgeprüften Karpathenkämpfer mit
zweifelhafter Gunst. Vom 8. Februar an stieg allerdings die Quecksilber-
säule des Thermometers und die Temperatur wurde erträglicher. Dafür
wurden infolge der Schneeschmelze alle Täler und Niederungen von Über-
schwemmungen heimgesucht.
An diesem Tage regelte ein Heeresbefehl die Teilung der 3. Armee
und legte die noch vor dem Eintreffen des 2. Armeekmdos. in Ungvár
eine Lösung heischenden Aufgaben fest. Der Westflügel hatte sofort nach
Bereitstellung der Kräfte anzugreifen und den über den Duklapaß, den
Czeremchasattel und über Lupków eingebrochenen Feind zurückzuwerfen ;
der Ostflügel, vorerst zur Behauptung seiner gegenwärtigen Stellungen
beordert, sollte nach dem Eintreffen der anrollenden Verstärkungen,
voraussichtlich Mitte Februar, die Offensive in der Richtung Lisko—
Stary Sambor aufnehmen. Für Szurmay habe dieser Zeitpunkt nicht un-
bedingt zu gelten, falls er glaube, sich schon früher mit Hilfe der 3.GID.
der Höhen von Borynia bemächtigen zu können.
Hiernach befahl Gdl. Boroevic am 9. den Angriff seines Westflügels
für den kommenden Tag. Die Gruppe Kritek (XVII. Korps, 4. KD. und
l.LstlBrig.) hatte beiderseits von Felsö-vizköz über das Ondavatal auf
Ladomérmezô vorzustoßen, das VII. Korps — jedoch erst auf besondere
Weisung des 3. Armeekmdos. — sich diesem Angriffe in der Richtung über
Mákos auf Nagyderencz anzuschließen. Das III. sollte die Westflanke
Kriteks sichern, das X. den gegenüberstehenden Feind binden und später
den allgemeinen Angriff über Mezölaborcz begleiten, endlich dasi
XIX. Korps sich lediglich behaupten. Die 9. ID. war als Armeereserve
im Räume Szinna—Takcsány—Czirokaófalu zu versammeln.
Der Angriff Kriteks stieß schon am 10. auf hartnäckigen Wider-
stand; russische Gegenangriffe entrissen unseren Divisionen einige be-
reits erstrittene Höhen. Im großen ganzen focht die Gruppe bei mäßigem
Raumgewinn nur innerhalb der Lücke zwischen dem III. und dem VII.Korps.
Erzherzog Joseph mußte die Hauptkraft seines Korps, um die befohlene
Stoßrichtung einzuhalten, zunächst über das Hocsánkatal gegen Osten zu-
sammenschieben und beabsichtigte erst dann vorzugehen, bis sein linker
Nachbar die Ondava überschritten hatte; er verlangte am 11. die Mit-
wirkung des X. Korps westlich von der Laborcza. Da aber die hiefür in
Betracht kommende 21. SchD. noch im Anmärsche aus den Ausladeorten
*) Nach den Angaben des GM. Pitreich in seinem wiederholt erwähnten Schreiben.
Eintreffen des 2. Armeekmdos. in Ungvár
151
war, verstrichen die nächsten Tage bloß mit dem Zurückdrücken der
russischen Sicherungsabteilungen beiderseits der Chaussee nach Mezo-
laboreo und mit der Gruppierung der Division auf den Höhen westlich
von der Laborcza. Am 13. wurde ihr noch die komb. IBrig. angegliedert,
die bis dahin nicht recht zu geschlossenem Eingreifen gekommen war.
Das AOK. stimmte nunmehr dem Antrage des 3. Armeekmdos. auf
Verwendung der 9. ID. im Laborczatale unter der Voraussetzung zu, daß
sich der Ostflügel der 3. Armee behaupten könne. Ohne Unterbrechung
stürmten aber die Russen gegen diesen vor und brachten gerade jetzt
dasV., das XVIII. und dasXIX.Korps ins Zurückgleiten. Beim V.Korps,
das am 11. vom Odrytrücken verdrängt worden war, zählte die 33. ID.
noch 4500, die 37. HID. gar nur 3200 Feuergewehre. Unter diesen Um-
ständen konnte daher Gdl. Boroevic die geforderte Verpflichtung nicht
gewährleisten, worauf das AOK. befahl, die 9. ID. nach Cisna vorzu-
ziehen, von wo sie später im Rahmen der 2. Armee an der Offensive
teilnehmen sollte.
Am 12. mittags traf GdK. Böhm-Ermolli in Ungvár ein. Zur neuen
2. Armee gehörten: Gruppe Szurmay, V., XVIII. und XIX.Korps1). Auf
Weisung der Heeresleitung sollte Boroevic bis zur endgültigen Über-
nahme der Befehlsbefugnisse durch das 2. Armeekmdo. alle Anordnungen
für seinen bisherigen Ostflügel im Einvernehmen mit Böhm-Ermolli treffen.
Zunächst handelte es sich um die 9. ID. Das 2. Armeekmdo. hielt ihren
Einsatz zwischen der 34. und der 29. ID. des XIX. Korps für die ein-
fachste und zweckentsprechendste Lösung.
Unterdessen nahm der Kampf auf dem Westflügel der 3. Armee
seinen Fortgang. Der Gruppe Kritek glückte es nach heftigem und wechsel-
vollem Ringen und unter der Mitwirkung der 22. SchD. des III. Korps,
den Feind am 14. gegen die Ondava etwas zurückzudrücken. Boroevic
verfügte hierauf, daß das VII. Korps am nächsten Tage gleichfalls mit
dem Angriffe zu beginnen und daß sich das X. am 16. mit starkem linken
Flügel anzuschließen habe.
Auf Anregung des AOK. hatte sich das 4. Armeekmdo. schon am
8. Februar bereit erklärt, zwei weitere Infanteriedivisionen (41. und
38. HID.2) an die Karpathenfront abzugeben. Die verhältnismäßig ge-
sicherte Lage der Front und das Streben, auch unmittelbar in den Kampf
!) Das XIX.Korps bestand anfangs nur aus der 29. ID.; nach einer am 13. Fe-
bruar vom AOK. befohlenen Abgrenzung der Armeebereiche trat noch die links an-
schließende 34. ID. in den Korpsverband.
2) Die 75. HIBrig. gehörte bereits dem Verbände der 3. Armee an.
152
Der Karpathenwinter 1914/15
des Nachbarn einzugreifen, veranlaßten den Erzherzog überdies, am 10.
vorzuschlagen, die Offensive der benachbarten 3. Armee durch ein Vor-
gehen des eigenen Südflügels über Banica auf Zmigrod zu unterstützen.
Hiezu sollten die 13. und die Hauptkraft der 26. SchD. aus der Front ge-
zogen werden und am 15. unter dem Befehl des FML. Králicek die Vor-
rückung aus der Gegend westlich von Gladyszów beginnen. Als Voraus-
setzung für diese Aktion bezeichnete das 4. Armeekmdo. eine gleichzei-
tige Offensive des III. Korps gegen 2migrod.
Boroevic begrüßte diesen Plan und erklärte sich auch mit der vom
Erzherzog Joseph Ferdinand angeregten Unterordnung der Gruppe Krá-
licek unter Gdl. Coleras einverstanden. Doch war es das Los aller
Unternehmungen der inneren Flügel dieser beiden Armeen, nicht zu dem
gewünschten Ergebnisse zu führen. So auch jetzt. Die Höhe Jasionka, das
erste Ziel dieses Stoßes, sollte nach der ursprünglichen Vereinbarung von
Králicek und von Teilen des III. Korps umfassend angegriffen werden.
Mit seinem rechten Flügel mittlerweile in die Kämpfe Kriteks ver-
strickt, glaubte Colerus — auch in Anbetracht der großen Ausdehnung
seiner Front — nicht mit ausreichenden Kräften gegen die Jasionka mit-
wirken zu können. Hienach wäre aber der Raum für die Gruppe Králi-
cek zu groß gewesen; ein Erfolg mußte fraglich erscheinen. Boroevic
einigte sich daher mit dem 4. Armeekmdo., den Angriff bis zum Frei-
werden des III. Korps aufzuschieben; der Zeitpunkt werde gekommen
sein, sobald Kritek das Ondavatal erreicht habe.
Die Verhältnisse auf dem Westflügel waren keineswegs befriedigend.
Der bisherige Verlauf des Angriffes ließ keinen durchschlagenden Er-
folg erhoffen, weil die Stoßkraft der hart mitgenommenen Truppe er-
lahmt und eine ausreichende Tiefengliederung nicht erzielbar gewesen
war. Auch die dringend notwendige Auffüllung der Stände konnte erst
gegen Ende des Monats Februar stattfinden, um welche Zeit die nächste
Serie der Marschformationen einlangen sollte. Mit Zustimmung des Gdl.
Boroevic wandte sich der Armeegeneralstabsçhef am Fernsprecher nach
Teschen und gab dem Ermessen der Heeresleitung anheim, so wie vor
einigen Tagen das XVII. Korps verschoben wurde, nunmehr zur unmittel-
baren Unterstützung auch die 13. und die 26. SchD. in den Kampfraum
dieses Korps zu dirigieren, zumal das 4. Armeekmdo. den Angriff seines
Südflügels wiederholt als besonders schwierig bezeichnet habe. Erst nach
dieser Verstärkung könne die 3. Armee zum Angriffe in Staffeln vom
linken Flügel antreten. Gdl. Conrad ließ jedoch antworten: die vorge-
schlagene Verschiebung würde nur wieder zu frontalen Einsätzen und
Die Lage auf dem Westflügel der 3. Armee
153
dem damit verbundenen Kräfteverbrauche führen, namentlich wenn das
III., das VII. und das X. Korps tatenlos zuwarteten, bis der Feind die
Anstrengungen des zuerst vorbrechenden Korps zunichte gemacht hätte.
Durch einen Staffelangriff werde dem Russen ein solches Verfahren er-
leichtert, auch gewähre es ihm volle Freiheit in der Verwendung seiner
Reserven. Alle Korps des Westflügels müßten einheitlich vorgeführt wer-
den, die Gruppe Králicek der 4. Armee aber von Westen her mitwirken.
Zur Zeit, als das XVII. Korps verschoben wurde, sei die Lage der 3. und
der 4. Armee grundverschieden von der jetzigen gewesen. Damals war
der Einbruch des Feindes auf Sztropkó und über Mezölaborcz auf den
Höhepunkt gelangt, das X. und das VII. Korps hatten durch schwere Ver-
luste ihre Gefechtskraft fast völlig eingebüßt und zwischen dem III. und
dem VII. klaffte eine breite Lücke. Dagegen seien heute die Verhältnisse
viel gefestigter. Der 4. Armiee könne man aber die Abgabe von zwei ganzen
Divisionen nicht zumuten1).
Nach dieser Ablehnung bat das 3. Armeekmdo. um die schon früher
vereinbarte Unterstützung durch den Nachbar; sie wurde zugesagt. Die
gemeinsame Aktion sollte am 17. beginnen.
Das 3. Armeekmdo. hielt an seinem Angriffsverfahren fest, nur in
der Reihenfolge der Staffeln ergab sich ein Wechsel. Gdl. Kritek, der
vom 10. bis 14. allein gefochten und große Verluste erlitten hatte, er-
klärte, aus dem stehenden Abwehrkampf erst am 17. wieder zum An-
griffe übergehen zu können. So stieß am 15. nur das VII. Korps vor, traf
aber auf starken Widerstand, den es jedoch am kommenden Tag —unter
Mitwirkung der 21. SchD. auf dem rechten Flügel — zu brechen hoffte.
Die Truppen dieser Division erklommen die Höhen westlich vomLaborcza-
tale und sollten am 16. dem Feinde das Dorf Szukó entreißen. Mithin
waren die Rollen doch wieder getauscht und die rechte Flügelstaffel
hatte den Nachbarn vorwärts zu helfen (Beilage 7).
In den letzten zehn Tagen konnte auch am Uzsokpaß kein nennens-
werter Erfolg erreicht werden. FML. Szurmay beschloß am 6., die Offen-
sive wieder aufzunehmen; dem schwierigen Stirnangriffe sollte nunmehr
durch ein scharfes Vordrängen des rechten Flügels vorgearbeitet werden.
Allein die Russen waren auf der Hut. Ihren Höhenstellungen gegenüber
vermochten weder die verstärkte 75. HIBrig. noch die unter dem Befehle
x) FML. Arz, vom 4. Armeekmdo. befragt, erklärte sich zwar mit der Verschiebung
der 13. SchD. zum XVII. Korps einverstanden, weil der Angriff seines Südflügels ohne
Mitwirkung des III. Korps sicherlich bei Banica stecken bleiben müsse, gegen die Ab-
gabe einer zweiten Division sprach er sich aber entschieden aus.
154
Der Karpathenwinter 1914/15
Lonsingens verbliebene 3. GID. einen ins Gewicht fallenden Raumgewinn
zu erzielen. Als überdies am 10, ein nächtlicher Sturm der Honvéds an
der Aufmerksamkeit des Feindes scheiterte, befahl Boroevic, Szurmay
habe sich jedes weiteren Angriffsversuches zu enthalten, durch den die
Behauptung des Uzsokpasses gefährdet werden könnte.
Inzwischen nahm auch der Kampf beim V. Korps eine ungünstige
Wendung. An beiden Flügeln von den Russen umklammert, riß die Ver-
bindung zu den Nachbarn, von denen keiner helfend beizuspringen ver-
mochte. Schon erwog das Korpskmdo., am 13 . die Front in die Ausgangs-
stellung vom 23. Jänner zurückzunehmen. Ebenso hatten die Mitte und
der linke Flügel dieser Gruppe schwere Kämpfe zu bestehen. Dem 3. Armee-
kmdo. blieb nichts anderes übrig, als im Einvernehmen mit GdK. Böhm-
Ermolli die 9. ID., deren Einsatz zu einer so lange umstrittenen Frage
geworden war, am 13. der abbröckelnden Front zuzuführen. Unter Zer-
reißung der Verbände wurden ihre Hauptkraft dem XVIII. und die rest-
lichen Teile dem XIX. Korps zur Verfügung gestellt. Damit war endlich
das VIII. Korps in der Kampffront aufgegangen.
Mittlerweile hatte sich der Widerstand der Russen gegenüber der
deutschen Südarmee (Skizzen 5 und 6) zusehends verstärkt. Nur der West-
flügel der Armee blieb im Vordringen, allen voran die Gruppe Hof mann,
die sich gegen Tuchla vorarbeitete1), links von ihr focht die deutsche
1. ID. um den Besitz des Zwinin. Auf dem Ostflügel war der Wyszków-
sattel zu einem russischen Plewna geworden ; hier spottete die Zähigkeit
des Verteidigers aller Anstrengungen des XXIV. RKorps. Auch als die
deutsche 209. IBrig. aus der Kampfgemeinschaft mit Hofmann schied und
am 12. zur Umfassung des Feindes gegen diese Sattelhöhe abge-
dreht wurde, konnten nur vorübergehende Erfolge erzielt werden. Auf
der ganzen Front zu Gegenstößen aufgerufen, holten sich die Russen
zwar blutige Köpfe, doch erlahmte allmählich auch die Angriffskraft der
verbündeten Truppen.
Gdl. v. Linsingen bat im Wege des AQK. um die Zusendung einer
deutschen Division. Falkenhayns Bescheid lautete, das Oberkmdo. Ost
werde vielleicht in absehbarer Zeit eine der jetzt noch im Gefechte stehen-
den Divisionen abgeben können. Dafür stellt aber Conrad der Südarmee
die Zuführung der k. u. k. 5. ID. in Aussicht. Diese war in der Nacht
auf den 14. aus der Front der 1. Armee gezogen worden; ihre Bestim-
mung sollte jedoch alsbald wieder geändert werden.
x) Am 13. stieß ein russisches Bataillon, in österreichische Uniformen verkleidet,
gegen die Linien Hofmanns vor.
Vorrückung der Ostgruppe Pflanzer-Baltins
155
Die Offensive der Armeegruppe Pflanzer-Baltin
gegenKolome a—N a d w ó r n a
(31. Jänner bis 16. Februar)
H i e z u Beilage 6 sowie Skizzen 5 und 6
Unterdessen hatte auch die Offensive Pflanzer-Baltins längst be-
gonnen, aber leider war seit dem 26. Jänner der Angriff über die
mittleren Karpathen bereits um jeglichen Schwung gekommen1).
Die Schuld an der Verzögerung des Vorgehens dieser Armeegruppe
trug das langsame Eintreffen der 42. HID. auf der wenig leistungsfähigen,
gleichzeitig mit anderen Transporten belasteten Bahn nach Körösmezö.
Die Spitzenstaffel der 42. HID. wurde vom 24. an südlich von Körös-
mezö ausgeladen, doch erst vom 28. an erfolgte ein regelmäßiger An-
transport. Pflanzer-Baltin war daher außerstande, der von Linsingen am
Vortage gestellten Aufforderung zum Losschlagen nachzukommen; doch
schob er von seiner Westgruppe das Gros der 6. ID. am 30. über den
Pantyrpaß nach Rafailowa, wo es sich zum Angriffe auf Zielona grup-
pierte. Nebenkolonnen faßten Fuß auf den Höhen Douha, auf der Sewola
und in der Gegend von Osmoloda.
Die Ostgruppe — Korps FML. Czibulka (36. ID. und die aus den
Resten der 54. und der 52. ID. gebildeten, etwa brigadestarken Verbände
der FML. Schultheisz und Schreitter) — trat die Vorrückung planmäßig
am 31. Jänner in drei Kolonnen aus dem Tale der Goldenen Bistritz bei
Kirlibaba und unterhalb davon über die nordöstlich vorgelagerten Höhen-
züge gegen Breaza, Moldawa und Izwor an (Skizze 5). Die Gruppe bei
Jacobeny sollte zunächst die rechte Flanke gegen feindliche Kräfte bei
Kimpolung sichern. Nach der Gewinnung des Moldawatales beabsichtigte
Czibulka, seine Hauptkraft gegen Fundul Moldovi zu wenden, um den
Feind auftragsgemäß aus der Südbukowina zu vertreiben2).
Unter beständigen Kämpfen erreichten die westliche Kolonne am
5. Februar Izwor und die mittlere bereits am 3. Moldawa. Schon hatte
der Korpsführer am 3. den Rechtsabmarsch starker Kräfte gegen Fundul
x) Für die Schilderung der Operationen der Armeegruppe Pflanzer-Baltin vom
Offensivbeginn bis zum 2. März wurde auch eine Studie des Obstlt. Rodic benützt,
deren Verfassung erfolgte, ehe die betreffenden Akten durch einen in den Amtsräumen
des Kriegsarchivs ausgebrochenen Brand zum größten Teile vernichtet wurden.
2) In den Befehlsverhältnissen bei den einzelnen Kolonnen fand in den nächsten
Tagen ein beständiger Wechsel statt; schließlich führten FML.Benigni die westliche, FML.
Schreitter die auf Moldawa vorgehende Mittel- und GM. Lilienhoff die östliche Kolonne.
156
Der Karpathenwinter 1914/15
Moldovi eingeleitet, als der Russe am 6. gegenüber dem GM. Lilienhoff
Pozoritta und Kimpolung räumte.
Am 1. Februar brachen auch die Masse der 42. HID. und Teile der
52. ID. über den Tatarenpaß gegen das Pruthtal bei Worochta—Tatarów
vor1). Die Kolonne Mihaljevic (drei Bataillone, eine Viertel Schwadron
und eine Gebirgsbatterie) stand an diesem Tage schon in 2abie2). Am 2.
und 3. bemächtigte sich die Hauptkraft der kroatischen Division der
beiden vorerwähnten Orte im Pruthtale, dann aber stockte ihre Vor-
rückung; eines ihrer Regimenter war bei Tatarów in einen Hinterhalt ge-
raten und büßte die Vernachlässigung des Sicherungsdienstes mit erheb-
lichen Verlusten. Die Mannschaft, der Ebene entstammend, des rauhen
Klimas ungewohnt und nicht entsprechend bekleidet, litt schwer unter
Erfrierungen der Gliedmaßen. Schon nach Ablauf der ersten vier Opera-
tionstage belief sich der Abgang bei dieser Division auf 26 Offiziere und
1800 Mann. Der 5. Februar verstrich mit dem Ordnen der Verbände.
Inzwischen hatte die 6. ID. schwere Kämpfe zu bestehen gehabt.
Ihre Hauptkolonne, die mit den Polen Hallers3) im Tale der Bystrzyca
Nadwórnianska vorrückte, stieß bei Zielona auf die sich verstärken-
den Russen und konnte sich erst nach mehrtägigen, außerordentlich
harten und verlustreichen Kämpfen am 5. dieses Ortes bemächtigen. In-
folge des Abbieibens der 42. HID. fehlte ihr der nachbarliche Beistand.
Auch die entlang der Täler der Bystrzyca Solotwinska und der Lomnica
vorgehenden Nebenkolonnen der alpenländischen Division hatten wechsel-
volle Gefechte zu bestehen. Wie überall mußten die wackeren Truppen auch
hier mit allen Schrecken des winterlichen Gebirges ringen; namentlich
an die Höhenkolonnen wurden kaum zu bewältigende Forderungen gestellt.
In Anbetracht der isolierten Lage der 6. ID. griff der Armeegruppen-
führer in gewohnt energischer Weise ein und spornte die 42. HID. zu be-
schleunigter Vorrückung an. Des Erfolges gegen die russische Minder-
zahl sicher, bat er das AOK., ihm statt der im Bahntransport aufgehaltenen
1) Den Befehl über das XIII. Korps führte während des Gebirgsüberganges an
Stelle des beurlaubten Gdl. Rhemen der Kommandant der 6. ID., FML. Schönburg-
Hartenstein.
2) Die Kolonne Mihaljevic, bei der sich das Freiwilligendetachement des Lt. Russ
um den Aufklärungsdienst besonders verdient machte, kämpfte am 5. und 6. erfolg-
reich westlich von Uscie Putilla. Mihaljevic wurde in diesen Tagen durch Land-
stürmer, Artillerie und Kavallerie verstärkt.
3) Obstlt. Haller (drei Polenbataillone, eine Viertel Schwadron und eine Gebirgs-
batterie) wies schon in der Nacht auf den 24. Jänner bei Rafailowa einen Angriff der
Russen ab.
Pflanzer-Baltin erkämpft sich den Austritt aus dem Gebirge
157
5. HKD. die für die Südarmee bestimmte 10. KD. zur Verfügung zu stellen;
denn der Reiterei mußten im ebeneren Karpathenvorland wichtige Auf-
gaben harren. Die Heeresleitung lehnte jedoch ab, weil sie hoffte, daß
auch Linsingen die Gebirgszone demnächst hinter sich bringen werde.
Bei der 42. HID. verzögerte sich die Vorrückung neuerlich durch weit-
gehende Sicherungsmaßnahmen auf den schwer ¿zugänglichen und tief ver-
schneiten Begleithöhen des Pruthtales; am 11. erreichte sie die Gegend
südlich von Delatyn. Links von ihr kämpfte die 6. ID. bei Pasieczna, ohne
die Russen aus ihrer letzten Stellung an den Gebirgsrändern südlich von
Nadwórna werfen zukönnen. Nimmehr setzte aber das vereinigte XIII.Korps
am 12. zu einem geschlossenen Angriffe an, dem, als das Kärntner
IR. 7 eine beherrschende Höhe erstürmt hatte, ein voller Erfolg be-
schieden war. Tags darauf drang die Hauptkraft der Kroaten in Delatyn
ein und folgte dem weichenden Feinde am 14. bis Nadwórna; hinter der
42.HID. schloß auch die Hauptkolonne der 6.ID. auf, deren Nebenkolonnen
in den westlichen Seitentälern gleichfalls Raum gewannen. Das Détache-
ment Mihaljevic marschierte über Krzyworównia, drängte bei Jaworów
russische Abteilungen zurück, wurde hierauf an den rechten Korpsflügel
herangezogen und stand am 14. in Lanczyn.
Nach einem aufgefangenen Befehl hatte der Russe schon am Nach-
mittag des 13. den Rückzug in der Richtung auf Stanislau begonnen.
Jetzt, nach den Erfolgen auf dem rechten Flügel des Ostkorps bei Kim-
polung, erschien es möglich, die Hauptkraft Czibulkas nach Norden ab-
schwenken und an das XIII. Korps anschließen zu lassen. Pflanzer-Baltin
hatte daher schon am 6. befohlen, daß Benigni über Seietin, Uscie Putilla
und Kuty—Wiznitz in der Staffel hinter dem Detachement Mihaljevic vor-
zurücken und Schreitter von Moldawa über Seietin nach Berhometh a. S.
zu marschieren habe. Mit der Verfolgung des in die Südbukowina wei-
chenden Feindes wurde nur GM. Lilienhoff betraut, der die Richtung über
Gurahumora—Radautz einschlagen und die Russen über die Flußläufe der
Suczawa und des Sereth zurückdrängen sollte.
Am 7. Februar standen Benigni in Seietin und Izwor, Schreitter in
Moldawa und Fundul Moldovi, in welchen Räumen beide am nächsten
Tage rasteten, indes Lilienhoff in Kimpolung und Warna anhielt1). In
!) Die bisherigen Kämpfe des Ostkorps hatten dargetan, daß auf einen Teil der
Landstürmer älterer Jahrgänge bei der Fortsetzung der Offensive in körperlicher Hinsicht
nicht mehr gerechnet werden konnte ; auch die Gendarmerieabteilungen mußten gesichtet
werden, da ein Teil von ihnen wieder ihrem normalen Sicherheitsdienste in der Buko-
wina zuzuführen war. Die Kolonnen des Ostkorps erhielten daher eine etwas geänderte
158
Der Karpathenwinter 1914/15
Durchführung der ergangenen Anordnungen warfen die Kolonnen Schreitter
und Benigni feindliche Kräfte südlich von Berhometh und südlich von
Kuty—Wiznitz zurück, gingen am 12. zum umfassenden Angriff des Feindes
gegen die Schwesterorte beiderseits des Czeremosz vor, brachen den
Widerstand der Russen und rasteten am 13. daselbst. Lilienhoff war unter-
dessen unangefochten über Gurahumora und Radautz in der Richtung
auf Czernowitz vorgerückt.
Schon am 8. drahtete das AOK. nach Máramaros-Sziget, Pflanzer-
Baltin habe die Masse seiner Westgruppe (XIII. Korps) nach der Ein-
nahme von Nadwórna—Delatyn ohne Verzug auf Dolina vorzuführen,
um Linsingen aus dem Gebirge zu helfen1); die Ostgruppe des FML.
Czibulka sei über Kuty—Wiznitz auf Kolomea zu dirigieren, während
ihre in der Bukowina befindlichen Teile dem Feinde über den Sereth zu
folgen hätten.
Wie aus unserer Darstellung hervorgeht, war die Verwirklichung dieser
Absichten durch den Armeegruppenführer bereits in sachgemäßer Weise
angebahnt worden, doch schienen ihm die verfügbaren Kräfte nicht aus-
zureichen, da eine Verstärkung des Feindes mit Sicherheit zu erwarten
war. Er bat daher das AOK. um Zuweisung von mindestens zwei In-
fanteriedivisionen. Dieser Wunsch konnte aber in Anbetracht der ungün-
stigen Lage der 3. Armee nicht erfüllt werden. Pflanzer-Baltin plante
nunmehr, das XIII. Korps nach Bereitstellung bei Nadwórna und einer
kurzen, aber dringend nötigen Atempause am 16. in zwei Kolonnen über
Lachowce (südlich von Bohorodczany) und Solotwina gegen Dolina, das
Ostkorps mit einer schwächeren Kolonne über Jablonów, Peczeni£yn, Bo-
horodczany auf Kaiusz, mit der Hauptkraft über Kolomea, Ottynia nach
Stanislau vorzuführen; GM. Lilienhoff hatte sich der Hauptstadt der Bu-
kowina zu bemächtigen.
Da erfuhr man aus aufgefangenen Funksprüchen, daß die über den
Sereth gegen Czernowitz zurückgewichenen russischen Kräfte den Be-
fehl zum Westabmarsch über Sniatyn erhalten hätten; ein Vorstoß gegen
die Ostflanke und den Rücken der Armeegruppe war sonach zu gewär-
tigen. Trotzdem ließ Pflanzer-Baltin die Hauptkraft des Ostkorps (FML,
Zusammensetzung, und zwar FML. Benigni: 126. LstlBrig. und72. IBrig. (12 Bataillone,
2 Schwadronen und 9 Batterien), FML. Schreitter : 13. IBrig. und drei Polenbataillone
(10 Bataillone, l3/4 Schwadronen und 4x/2 Batterien) und GM. Lilienhoff : 2 Heeres-,
6 Gendarmerie-, 3 Landsturm- und 2 Freiwilligenbataillone (13 Bataillone, 3^4 Schwa-
dronen und 11/2 Batterien).
*) Am 14. wurde Pflanzer-Baltin von dem Führer der deutschen Südarmee eben-
falls um beschleunigtes Vorgehen auf Dolina ersucht.
Einnahme von Kolomea
159
Benigni) die Vorrückung gegen Kolomea aufnehmen, wogegen Lilienhoff
und Teile der Gruppe Schreitter gegen Norden vorgehen sollten, um die
etwa südlich vom Pruth abziehenden Russen zu stellen und zu schlagen.
Diese Anordnungen waren bereits in der Durchführung begriffen, als
man gewahrte, daß der Raum südlich vom Flusse bis zur Mündung des
Czeremosz vom Feinde frei sei. Ohne Säumen trat der Hauptteil des Ost-
korps den Vormarsch gegen Kolomea an. Am 14. warf Benigni den Feind
bei Jablonow zurück. Am nächsten Tage kämpfte er, durch Schreitter ver-
stärkt, schon südlich von Kolomea, wo sich die Russen hartnäckig wehrten.
Lilienhoff hielt westlich und südlich von Czernowitz.
Die feindlichen Führer, denen die Gefahr eines V orgehens des XIII.Korps
auf Dolina keineswegs entging, stürzten sich am 15. vorerst auf die beiden
westlichen Kolonnen der 6. ID., drängten sie zurück und richteten sich
knapp südlich von Solotwina zum Widerstande ein.
Nunmehr war eine rasche Entscheidung bei Kolomea unerläßlich,
um das Ostkorps an das XIII. heranzubringen. Pflanzer-Baltin befahl
daher, daß Teile der bei tanczyn stehenden Gruppe Mihaljevic den süd-
lich von der Stadt standhaltenden Russen in den Rücken zu gehen hätten.
Weiters beabsichtigte er, die vom AOK. nun doch zur Verfügung ge-
stellte 10. KD. der Südarmee nach ihrer Ausladung bei Delatyn gegen
Stanislau, die 5.HKD. gegen Dolina zu senden; endlich hatte ein aus
Freiwilligen gebildetes Streifkorps die anbef ohlenen Bahnzerstörungen bei
Kolomea und Stanislau zu bewirken.
Das Ergebnis am 16. lohnte die sachgemäß getroffenen Anordnun-
gen. Der doppelt umfassende Angriff des Ostkorps auf Kolomea wurde
durch die von Lanczyn ausgehende Bedrohung des feindlichen Rückens
wirksam unterstützt; unmittelbar hinter den alsbald flüchtenden Russen
drangen unsere Truppen in die Stadt ein, so daß jene nicht mehr die
Zeit fanden, die vorbereiteten Brückenzerstörungen ins Werk zu setzen.
Auf dem entgegengesetzten Flügel vertrieb die Hauptkraft der 6. ID. den
Feind aus Solotwina und auch ihre westlichen Nebenkolonnen rückten
aufs neue vor; ebenso schob sich die 42. HID. zwischen der Bahn nach
Stanislau und der Bystrzyca Solotwinska etwas gegen Norden vor.
So stellte sich die von Pflanzer-Baltin mustergültig geleitete Opera-
tion als straffe Zusammenfassung der Kräfte auf dem entscheidenden
Flügel dar. Ob außerdem Linsingen von der Armeegruppe unmittelbar
unterstützt werden konnte, mußte die Zukunft lehren. Für die Heeres-
leitung aber bildeten die vom äußersten rechten Heeresflügel einlangen-
den Meldungen den einzigen Lichtblick in trüben Tagen und Wochen.
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Der Karpathenwinter 1914/15
Die Winterschlacht in Masuren und ihre Auswirkung
Hiezu Beilage 6 sowie Skizzen 7 und 8
Der Befehlshaber der russischen Südwestfront, Gen. Iwanow, blieb
nach wie vor ein entschiedener Verfechter der von ihm vorgeschlagenen
und ins Werk gesetzten Offensive über die Karpathen in das ungarische
Tiefland, wo er überdies für seine zahlreiche Reiterei ein geeignetes
Tätigkeitsfeld zu finden hoffte. Auch die Russen litten unter den Un-
bilden des Karpathenwinters; die Stände schmolzen zusammen, konnten
aber allerdings aus den unerschöpflichen Menschenmassen des Zaren-
reiches in ganz anderer Weise aufgefüllt werden, als dies auf der Gegen-
seite möglich war. Immerhin wollte Iwanow dem unleidlichen Aufent-
halt im Gebirge ein Ende bereiten. Er scheute nicht davor zurück, der
Stawka anzudrohen, daß er genötigt wäre, seine Streitkräfte aus den un-
wirtlichen Bergen gegen Norden zurückzuziehen, falls er keine Verstär-
kungen bekäme, die ihn befähigen würden, den Stoß fortzusetzen und
die Entscheidung zu erzwingen. Unablässig betrieb er daher die Zufüh-
rung neuer Verbände; er glaubte oder wollte glauben machen, daß
150.000 Deutsche beim öst.-ung. Heere eingetroffen seien.
Der Großfürst schwankte. Was sollte im Gewährungsfalle aus der
geplanten Offensive gegen Ostpreußen (S. 123) werden? Bald trat ein,
was Danilow immer befürchtet hatte: die Einheitlichkeit der Kriegfüh-
rung zerfiel, man strebte zwei voneinander weit entfernten Operations-
zielen zu. Dabei billigte Großfürst Nikolai Nikolajewitsch die Maßnahmen
Iwanows durchaus nicht restlos. Er tadelte, daß der Befehlshaber der
Südwestfront seine Korps durch verlustreiche Frontalstöße gegen die
feindliche Mitte erschöpfte, statt die Entscheidung gegen die Ostflanke der
Verbündeten zu suchen; denn auch mit Rücksicht auf Rumänien sei es
erwünscht, dem Gegner in der Bukowina einen kräftigen Schlag zu ver-
setzen. Die Blicke des Großfürsten wandten sich nach Süden, wo um diese
Zeit die britisch-französische Dardanellenexpedition vorbereitet wurde.
Vom Balkan aus, so schien es ihm, ließen sich die Fronten der Zentral-
mächte am leichtesten auflockern.
Der Losbruch des deutschen Angriffes in Ostpreußen überhob die
Stawka weiterer Überlegungen.
Während man in Teschen die Entwicklung der Lage in den Kar-
pathen mit Sorge verfolgte, gipfelte die Offensive des GFM. Hindenburg
(S.98) in den Tagen vom 7. bis 21. Februar in der siegreichen „Winter-
schlacht in Masuren", Durch diesen gelungenen Schlag der 10. und der
Mangelnde strategische Auswirkung der Winterschlacht 161
8. Armee wurde Ostpreußen völlig von den Russen gesäubert. Schon
am 11. Februar hatte GdA. Gallwitz mit einer aus Feld-, Besatzungs- und
Grenzschutetruppen zusammengerafften Armeegruppe die Vorrückung
mit dem rechten Flügel über Plock und bald darauf mit dem linken von
Willenberg aufPrzasnysz angetreten. Zwei Tage später trat in den Ver-
band dieser Armeegruppe auch die k. u. k. 3. KD., die am 26. Jänner von
der 2. Armee dorthin überwiesen worden war. Als der siegreiche Ausgang
der Winterschlacht feststand, erhielt am 17. Februar die deutsche 8. Armee
den Befehl, die Bobr-Narewlinie Lom£a—Ossowiec zu bezwingen1).
In seiner an Ludendorff gerichteten Glückwunschdepesche zu diesen
Ergebnissen regte Gdl. Conrad an, die Offensive des deutschen Ostheeres
gegen Flanke und Rücken der im Weichselgebiet versammelten russi-
schen Kräfte fortzusetzen, da nicht nur der Erfolg an Ort und Stelle für
die Kriegsentscheidung, sondern auch für das weitere Verhalten der Ver-
bündeten und der noch schwankenden Neutralen von durchschlagender
Bedeutung sein würde. Schon war aber Falkenhayn diesen Plänen ent-
gegengetreten. Er kündigte Hindenburg am 19. an, daß erhebliche Teile
der deutschen Heeresgruppe in der zweiten Hälfte des Monates März
nach dem Westen überführt werden müßten, um die Lücken auszufüllen,
die die Entlastungsoffensive der Franzosen und Briten während der
letzten Monate in die deutschen Reihen gerissen hatte2).
Ebenso wie Conrad gelegentlich der Neujahrsbesprechung in Berlin
(S. 93) Bedenken gegen den Flügelangriff im äußersten Norden ausge-
drückt hatte, beklagte nun Ludendorff, daß der Winter Schlacht die stra-
tegische Auswirkung versagt bleiben werde3).
Wohl gelang es dem verstärkten linken Flügel der Armeegruppe
Gallwitz, am 24. in Przasnysz einzudringen, doch schon am 27. mußten
die Deutschen die Stadt vor den andringenden Russen wieder räumen und
an die Grenze zurückweichen. Dagegen hielt sich die deutsche 8. Armee
vor Ostrolçka—Lom£a; auf Ossowiec wurde das Feuer eröffnet4). Südlich
von der befestigten Flußlinie zog jedoch der Feind ansehnliche Massen
zusammen, weshalb Falkenhayn nun doch auf die Abgabe von Kräften
vom östlichen auf den westlichen Kriegsschauplatz verzichten mußte5).
*) Schwarte, Der deutsche Landkrieg, I, 526 und 529.
2) Falkenhayn, 51 f.
3) Ludendorff, Meine Kriegserinnerungen 1914—1918 (Berlin 1919), 99.
4) An dieser Beschießung nahmen zwei öst.-ung. 30.5 cm-Mörserbatterien teil
(Schwarte, I, 533).
ö) F a 1 k e n h a y n, 53.
II
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Der Karpathen winter 1914/15
Wie im September 1914 klaffte zwischen dem nördlichen und dem
südlichen Hebel der verbündeten Streitkräfte wieder ein weiter Raum;
es fehlte die Kraft, die Zange zusammenzudrücken.
Um den Einfluß beurteilen zu können, den die glänzenden Erfolge
Hindenburgs auf die Lage der auf dem östlichen Kriegsschauplatze kämp-
fenden Kräfte der Verbündeten ausübten, muß man die gleichzeitigen
russischen Maßnahmen betrachten1).
Die von Iwanow so nachdrücklich begehrten, noch in Reserve ste-
henden beiden Korps (Garde- und XV.) mußten der Nordwestfront zu
Hilfe eilen. Am 13.Februar wies die Stawka die Bitten Iwanows um Ver-
stärkungen endgültig ab, obgleich das unaufhaltsame Vordringen Pf lanzer-
Baitins ernste Gefahren für den vernachlässigten russischen Ostflügel
heraufbeschwor. Die Südwestfront möge Truppen von ihrem im Weichsel-
bogen stehenden zwei Armeen oder auch von der 3. wegziehen und sich
aus eigener Kraft helfen. Nicht genug damit, auch das III. kauk. Korps
wurde von der Südwestfront abgefordert.
Iwanow erteilte hierauf am 14. und in den folgenden Tagen für die
bis Ende Februar geplante Umgruppierung seiner Heeresfront eine Reihe
von Befehlen und gab den Armeen die Ziele für die Fortsetzung der
Offensive bekannt2). So hatte die 8. Armee über Bartfeld und den Uzsok-
paß vorzudringen, den Raum bei Varannó—Homonna zu gewinnen und
mit ihrem Ostflügel die aus der Richtung von Ungvár, Munkács und
Huszt vorrückenden Verbündeten aufzuhalten, während die 3. Armee mit
ihrem linken Flügel auf Neusandez und Alt Lublau vorstoßen sollte. Hiezu
wurden dieser Armee auch das XXIV. und das XII. Korps Brussilows
unterstellt; überdies beabsichtigte man, sie noch durch eine Infanteriedivi-
sion und eine Schützenbrigade aus dem Weichselbogen zu verstärken.
Unter dem Befehle des Gen. Letschitzki war auf dem äußersten linken
Heeresflügeleineneue 9. Armee aus demXI., demXVII.und demXXX.Korps
sowie dem II. Kavalleriekorps zu bilden, während die inW estpolen zurück-
bleibenden Teile der 4. Armee angegliedert wurden. Letschitzki erhielt
den Auftrag, über Nadwórna vorzugehen und Pflanzer-Baltin zurück-
zuwerfen. Weiters sollte die 11. Armee eine energische Tätigkeit gegen
die Festung Przemysl entfalten und endlich war bei Chyrów eine Re-
serve für den Großfürsten-Generalissimus zusammenzuziehen.
Mit der Wegnahme des III. kauk. Korps erklärte sich Iwanow nicht
1) Danilow, 420 ff und 452 ff; Nesnamow, III, 53; Boncz-Bruje-
witsch, I, 38—70.
2) Siehe auch die Übersichtskarte.
Beratung der Russen in Siedlec
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einverstanden; das Korps sei gegen Halicz-Zurawno zu entsenden, um
der befürchteten Umfassung seines Ostflügels durch Pflanzer-Baltin zu
begegnen. Indes vertröstete ihn die Stawka mit der Ankündigung bal-
diger Verstärkung der 9. Armee durch das XXXIII. Korps.
Am 17. Februar fand in Siedlec unter dem Vorsitze des Großfürsten
abermals eine Beratung der Befehlshaber der beiden Heeresfronten statt.
Rußkis Antrag, die zwölf Korps der 10., 12. und 1. Armee zu einer
Offensive gegen die Südgrenze von Ostpreußen zusammenzufassen, fand
Billigung, dagegen trat Iwanow der Anregung Rußkis entgegen, weitere
Kräfte dadurch zu gewinnen, daß die Front im Weichselbogen durch
Zurücknahme verkürzt werde. Die Rivalität der beiden Führer der Heeres-
fronten stand wieder einmal im Vordergrund. Jeder begehrte für die
eigene Offensive Verstärkungen auf Kosten des anderen. Auch darüber,
ob man sich im Weichselbogen nur auf einen großen Brückenkopf be-
schränken oder die bisherigen Stellungen behaupten sollte, entbrannte
ein lebhafter Streit. Lange zögerte Nikolai Nikolajewitsch, bindende Wei-
sungen zu geben. Vorübergehend erwog die Stawka auch den Plan, die
schütteren Linien der Verbündeten in Polen in westlicher Richtung zu
durchstoßen, ließ ihn aber wieder fallen, da sie in die Offensivfähig-
keit ihrer dort befindlichen Armeen nur geringes Vertrauen setzte.
Der Großfürst, der unter dem Eindrucke der Waffenstreckung eines
großen Teiles der russischen 10. Armee in den Wäldern bei Augustów
kleinmütig geworden war, verständigte am 23. seine Unterbefehlshaber,
daß es in Anbetracht des Munitionsmangels und des Zustandes der Armeen
derzeit nicht möglich sei, dem Gegner das Gesetz des Handelns zu ent-
reißen. Man müsse die Front links von der Weichsel bis an die Grenze
des Möglichen von Truppen entblößen, sich auf Gegenangriffe rechts
vom Strome und in den Karpathen beschränken und dem Gegner wenig-
stens Teilniederlagen bereiten1).
Dies fand bei Iwanow keinen Beifall. Als am 2. März die Offensive
Rußkis begann, legte er der Stawka dar: der Feind habe starke Kräfte
zur Offensive in der Richtung Sanok—Lisko versammelt, um Przemysl
zu entsetzen und hole über Stanislau zu einer gefährlichen Umgehung
des russischen linken Flügels aus, was die Räumung Galiziens erzwingen
könne. Gelänge ihm aber dieser Anschlag nicht, so würden Armee und
Volk in Österreich-Ungarn zusammenbrechen. Aus diesen Gründen müsse
die Entscheidung im Süden gesucht, die Front im Weichselbogen be-
hauptet, im Norden aber das deutsche Heer bloß festgehalten werden.
1) D a n i 1 o w, 425.
11*
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Der Karpathenwinter 1914/15
Wieder setzte sich Iwanow in Baranowiczi durch, weil die Stawka der
politischen Wirkung, die das Erscheinen der Russen im Herzen Ungarns
wegen der Verhältnisse auf dem Balkan (Dardanellenexpedition, Hal-
tung Rumäniens) hervorrufen mußte, entscheidende Bedeutung beimaß.
Auch die Westmächte drängten hiezu, um auf die Italiener zu wirken.
Rußki wurde angewiesen, gegen Ostpreußen „keine breitangelegte Offen-
sive" zu unternehmen und Iwanow am 19. März beauftragt, mit seinem
linken Hügel gegen Budapest vorzudringen, „worauf die ganze Linie
Krakau—Posen—Thorn umgangen werden wird1)". Iwanow hatte somit
im Meinungsstreite gesiegt und als die Stawka überdies Abgaben von der
Nordwestfront verlangte, trat Rußki, von diesem verderblichen Wandel
der Ansichten erschüttert, von seinem Posten zurück. Er wurde im Front-
kmdo. durch Gen. Alexejew, Iwanows Stabschef, ersetzt.
Die Verstärkungen für den linken Heeresflügel der Russen konnten
nur allmählich in die ihnen zugedachten Räume gebracht werden. Ledig-
lich das XXII. Korps war schon in der ersten Hälfte des Monats Februar
über Stryj der deutschen Südarmee entgegengeworfen worden; dort
erwiesen sich die finnischen Schützen alsbald als Träger des in den Wald-
bergen geleisteten heftigen Widerstandes. Die Südgruppe des XXX. Korps,
die bisher unglücklich gegen Pflanzer-Baltin gefochten hatte, erhielt
schon am 12. Februar den Befehl, über den Pruth auszuweichen und die
Vorrückung der k. u. k. Armeegruppe durch Vorstöße von Osten her zu
verzögern, Czernowitz aber zu räumen. Die 74. RD., die 3. und die
2. SchBrig. der 4. Armee wurden hastig über Bolechów gegen Stanislau
geschoben, um die bedrohte Flanke der 8. Armee zu decken. Erst am
27. übernahm Gen. Letschitzki in Tarnopol den Befehl über die von Nor-
den und Nordwesten heraneilenden Teile der neuformierten 9. Armee.
Überblickt man die russischen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit, so
ergibt sich, daß die Offensive Hindenburgs vor allem den Einsatz des
russischen Garde- und XV. Korps gegen das in den Karpathen schwer
kämpfende öst.-ung. Heer verhindert hatr Keinem Zweifel unterliegt
ferner, daß die Stawka ohne diesen machtvollen Angriff dem Drängen
Iwanows auf weitere Kräftezufuhr nachgegeben und damit die Erfolgs-
möglichkeiten für das Gelingen des Vorstoßes auf Budapest gesteigert
*•) Boncz-Brujewitsch, I, 78. Danilow erzählt, daß der Operationsbefehl
vom 19. März der einzige während des ganzen Krieges gewesen sei, der der Feder des
Stabschefs Gen. Januschkiewitsch entstammte. Danilow, der bei der Abfassung übergan-
gen wurde, bat um seine Enthebung. Dieses Ansuchen wurde vom Großfürsten ent-
schieden abgelehnt (Danilow, Großfürst Nikolai Nikolajewitsch, 134).
Die Lage in der Festung Przemysl
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hätte. Der Schmerz der Russen über ihre furchtbare Niederlage in Ma-
suren verwandelte sich nachher aber doch in ein heißes Verlangen, die
Scharte durch Erfolge ihrer Südwestfront auszuwetzen. Der Druck gegen
das öst.-ung. Heer verstärkte sich und das Schicksal der Festung Przemysl
drohte sich zu erfüllen.
Die Grundlagen für die Entschlüsse
der k.u. k. Heeresleitung
H i e z u Beilage 7 sowie Skizzen 6 und 9
Sehnsüchtig hielt die Besatzung von Przemysl Ausschau nach dem
Befreier. Nach längerer Pause begann am 9. Februar die russische Ein-
schließungsartillerie wieder gegen den Festungsbereich zu feuern. Die
Tage verhältnismäßiger Ruhe waren endgültig verstrichen. Die Beschie-
ßung dauerte nunmehr unausgesetzt an, doch hatte die Stadt selbst
wenig darunter zu leiden. Außerdem begann auch wieder der Kampf
um das Vorfeld, der von beiden Seiten tatkräftigst geführt wurde, vom
Verteidiger besonders aus dem Grunde, um die vom Feinde beabsichtigte
Verengung des Einschließungsringes zu verhindern.
Am 10. meldete das Festungskmdo., daß, falls sofort 3500 Pferde
geschlachtet würden, Mannesverpflegung bis zum 14. März, Futter für
die Pferde bis zum 12. März vorhanden sein würden ; damit werde aber der
Reichweite offensiver Unternehmen enge Grenzen gesetzt, die Möglich-
keit eines Durchbruches wäre dann ausgeschlossen. Nach kurzem Zögern
stimmte das AOK. am 16. der Pferdeschlachtung zu.
Die Entfernung des festen Platzes Przemysl von dem nächstbefind-
lichen öst.-ung. Frontteil betrug 70 km Luftlinie. In Teschen verringerte
sich allmählich die Hoffnung, die trennende Strecke rasch durchmessen
zu können. Schon am 12. Februar berichtete das AOK. an die Militär-
kanzlei des Kaisers, daß die Möglichkeit rechtzeitigen Entsatzes zweifel-
haft geworden sei; nichtsdestoweniger werde alles versucht, den Fall der
Festung zu verhüten. Drei Tage später mahnte der Monarch denErzherzog-
Oberkommandanten eindringlich, den Verlust des Platzes hintanzuhalten.
Politische und psychologische Forderungen legten hier der Ent-
schlußfreiheit des Feldherrn starke Fesseln an. Immer dringender aber
erschien die Fortsetzung der unterbrochenen Offensive. Die Anlage der
am 23. Jänner begonnenen Kriegshandlung hatte nach raschem Entsätze
von Przemysl auf der kürzesten Linie gestrebt. Deshalb der schon im
Dezember des Vorjahres angewandte Staffelangriff, der sich nach dem
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Der Karpathenwinter 1914/15
Fortschreiten der Offensive des Ostflügels der 3. Armee zu richten hatte.
Bevor sich der Antrieb zur Vorrückung bis ¡zum III. Korps fortpflanzen
konnte, erfolgte jedoch der Gegenhieb Brussilows, der dieses Korps
nötigte, hinter die Ondava zurückzugehen. Damit schien das Eingreifen
der k. u. k. 4. Armee hinausgerückt zu sein. Wie aber deren höhere Führer
über einen Stirnangriff auf die starke Front Dimitriews dachten, wurde
hier schon wiederholt dargelegt; ohne Mitwirkung des III. Korps wollte
man an dieses für aussichtslos und sehr verlustreich gehaltene Unter-
nehmen nicht herangehen. Obgleich es an Andeutungen der Heereslei-
tung nicht fehlte, zog es das 4. Armeekmdo. vor, sich die unvermeidlichen
großen Opfer lieber durch allmähliche Abgabe von Divisionen für Offen-
sivfronten zu ersparen, doch war es immer bereit, die Anstrengungen
seines rechten Nachbars durch eine auf seinen Südflügel beschränkte
Aktion zu unterstützen. Daß man in Okocim einem Vorstoße der Gruppe
Kritek schließlich am 5. Februar widerriet, lag nebst den geltend ge-
gemachten Gründen auch darin, daß der Offensivfähigkeit der S.Armee
nach den bisherigen Fehlschlägen kein rechtes Vertrauen mehr entgegen-
gebracht wurde. Vor einer vereinzelten Unternehmung schreckte man
aber mit Recht zurück.
Sobald sich jedoch die Lage bei Boroevic wieder etwas gefestigt
hatte, trug das 4. Armeekmdo. neuerlich die Hilfe seines Südflügels an
und unterstellte sogar die hiefür bestimmten zwei Divisionen dem
Führer des III. Korps (S. 152). Für die Masse der 4. Armee blieb der
Heeresbefehl vom 22. Jänner (S. III) aufrecht, sich dem Angriffe der
3. Armee anzuschließen. Sollte aber Dimitriew schon vorher mit dem Ab-
bau seiner Front beginnen, so war ungesäumt anzugreifen. Gelang es
dabei, seinen Abzug aufzuhalten, so machten sich alle Opfer bezahlt.
Die 4. Armee verfügte freilich nach Abgabe von sieben Divisionen (43.
und 86.SchBrig., 19., 6., 11. ID. und 45. SchD. sowie 41. und 38. HID.) noch
über etwas mehr als 100.000 Feuergewehre — in einer Zeit, wo überall
Not an Mann war, eine nicht voll ausgeweitete Kraft. Man mußte aber
mit einem Angriffe der russischen 3. Armee rechnen. Hätte dieser Er-
folg gehabt, so wäre das ganze Karpathenunternehmen in Frage gestellt
worden. Beim 4. Armeekmdo. beobachtete man daher das Verhalten des
gegenüberstehenden Feindes mit gespannter Aufmerksamkeit. Nachdem
der Nachrichtendienst festgestellt hatte, daß die russische 32. ID. aus der
Front gezogen wurde, entstand sofort dei: Plan zu einer Unternehmung
zwischen Dunajec und Biala.
Während man sich beim AOK. damit beschäftigte, die Wieder-
Politische Einflüsse
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holung der Karpathenoffensive — im allgemeinen mit der gleichen Stoß-
richtung wie bei der erstgeschilderten — einzuleiten, begann auch die
Politik ihren Einfluß auf die höhere Führung auszuüben. Von deutscher
Seite hatte man dem Ballhausplatz eindringlich die Niederzwingung
Serbiens nahegelegt, wodurch die Verbindung mit der Türkei eröffnet
werden sollte; Konstantinopel schien durch die in Vorbereitung befind-
liche Dardanellenexpedition der Alliierten schwer bedroht zu sein. Man
müsse, so meinte die Wilhelmstraße, Bulgarien und Rumänien gewinnen,
vor allem aber Italien durch österreichische Gebietsopfer abfinden. Auch
Falkenhayn telegraphierte am 9. an Conrad, er halte einen Umschwung
in den Karpathen vorläufig für ausgeschlossen, dagegen sei die Lösung
der rumänisch-italienischen Frage unaufschiebbar geworden. Der süd-
westliche Nachbar sollte durch Gebietsabtretungen bei Erneuerung des
Dreibundvertrages zum Eintritt in den Krieg veranlaßt werden. Diese
Hoffnungen teilte der k. u. k. G^neralstabschef keineswegs. Bestenfalls
werde man Rumänien auf die Seite der Zentralmächte bringen können,
was ernstlich versucht werden müsse. Falkenhayn tat alles, um Conrad
zu seiner Meinung zu bekehren; auf seinen Wunsch legte der im Großen
Hauptquartier bevollmächtigte k.u.k. General, FML. Stürgkh, am 12. in
Teschen dar, man benötige Rohstoffe aus Italien, Getreide aus Ru-
mänien, daher müßten die unterbrochenen Verhandlungen mit diesen
beiden Staaten wieder aufgenommen werden. Conrad hielt jedoch an seiner
Ansicht fest und verlangte von Burián, zunächst das Ergebnis der im Zuge
befindlichen militärischen Aktionen abzuwarten.
Zu allen sonstigen Sorgen des Habsburgerreiches gesellten sich noch
die betrüblichen Erscheinungen der in Böhmen und in den südslawischen
Ländern fühlbar werdenden staatsfeindlichen Bewegung, die auf das
Gefüge der bewaffneten Macht nicht ohne Rückwirkung blieben. Die
Berichte über die Unverläßlichkeit einzelner Truppenteile aus nationalen
Ursachen mehrten sich. So drängte nicht nur die Verpflegslage in
Przemysl, sondern auch die Politik zu raschen Entscheidungsschlägen,
Die Kämpfe in den Karpathen bis zum 26. Februar
Der rechte Heeresflügel und sein nächstes Operationsziel Dolina
(16. bis 26. Februar)
Hi e zu Skizzen 6, 10 und 11
An der gesamten Ostfront hatten sich Mitte Februar nur die äußer-
sten Flügel von den Fesseln des Stellungskrieges befreit und drangen in
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Der Karpathenwinter 1914/15
kräftiger Offensive vorwärts : Hindenburg im Norden, Pflanzer-Baltin im
südlichen Ostgalizien und in der Bukowina.
GdK. Pflanzer-Baltin durchlebte nunmehr eine Reihe außergewöhn-
lich spannungsvoller Tage. Die Erfüllung seiner durchaus nicht einfachen
Aufgabe verlangte, der Südarmee durch Abschwenken gegen Nordwesten
die heißersehnte Hilfe zu leisten. Da diese Bewegung aber gleichzeitig
in der Richtung Stanislau gegen die dort aller Voraussicht nach ein-
treffenden russischen Verstärkungen zu sichern war, erforderte dies ein
sorgfältiges Abwägen der Kräfte für den einen und den anderen Zweck.
Infolge der ursprünglich notwendigen Rechtsstaffelung hing der rechte
Flügel zurück, während man jetzt das entgegengesetzte Verhältnis ge-
braucht hätte (Skizze 6).
Nach der am 16. geglückten Einnahme von Kolomea wurde der nach
Ottynia abziehende Feind nur von schwachen Kräften verfolgt; FML.
Czibulka mußte aber der Masse seiner Truppen bei Kolomea die un-
umgänglich nötige Rast gewähren. Die Russen hatten jedoch den Weg
nach Stanislau noch nicht endgültig freigegeben. Am 17. — Pflanzer-
Baltio war an diesem Tage mit seinem Stabe von Máramaros-Sziget
nach Delatyn übersiedelt — stand die Hauptkraft der 42. HID. in hartem
Kampfe nördlich von Nadwórna. Ungesäumt traf der Armeegruppen-
führer Anordnungen, um der Division Hilfe zu bringen. Die 6. ID., be-
reits im Vormarsche auf Dolina, hatte an den linken Flügel, Czibulka
mit seiner Hauptkraft — Teilen der 36. ID. und der 10. KD. sowie mit
dem Detachement Mihaljevic — im Nachtmarsche von Kolomea an den
rechten Flügel der Kroaten heranzurücken und in deren Gefecht einzu-
greifen. Nur Czibulkas östliche Kolonne blieb im Vorgehen auf Ottynia.
Diese Bewegungen füllten den 18. aus. Die Russen schlüpften aber jetzt
aus der Schlinge und zogen vor der 42. HID. nordwärts ab; ihnen folgte
die k. u. k. 10. KD. auf dem Fuße in der Richtung gegen Stanislau.
Pflanzer-Baltin ließ nunmehr die Masse der Armeegruppe gegen
Dolina einschwenken. Vom XIII. Korps hatte die 6. ID. mit Benützung
leerer Verpflegstuhrwerke schleunigst über Ro£niatow zu rücken und
mit ihrer Spitzenstaffel am 20. in Dolina einzutreffen; die 42. HID,
hatte an diesem Tage Ro±niatow zu erreichen. Die 5. HKD. und die
Gruppe Benigni sollten diesen Kräften nachmarschieren, der Rest des
Ostkorps die Verfolgung auf Stanislau fortsetzen.
Auf dem äußersten rechten Flügel waren GM. Lilienhoffs Reiter
am 17. in das neuerlich vom Feinde befreite Czernowitz eingezogen ; tags
darauf rückte auch die Ostgruppe dieses Generals in die Stadt ein, wäh-
Hoffnungen auf den Austritt der Südarmee aus dem Gebirge
169
rend seine Westgruppe bei Waschkoutz hielt. Nach einem aufgefangenen
Funkspruche hatten die Pruth aufwärts abziehenden Teile des russischen
XXX. Korps bei Zablotów wieder über den Fluß zu setzen, gegen die
Ostflanke der Armeegruppe vorzustoßen und hiedurch deren Vorgehen
aufzuhalten (S. 164). Lilienhoff erhielt daher den Befehl, am 19. von Wasch-
koutz nach Sniatyn zu rücken und dann über Horodenka und Tiumacz
dem Ostkorps in der Staffel nachzumarschieren. In Czernowitz war nur
das Detachement Major Papp zu belassen, um die gegen Nowosielica
zurückgegangene schwächere Russengruppe in Schach zu halten.
Aller Wahrscheinlichkeit nach mußte es also in Kürze glücken, die
russische Front gegenüber der deutschen Südarmee durch Rückenbedro-
hung zum Abzug zu zwingen und die Gebirgsausgänge für Linsingen zu
öffnen. Die Streitkräfte dieses deutschen Armeeführers erwehrten sich
in unaufhörlichen Kämpfen russischer Gegenstöße, wobei die Hauptlast
des Ringens vom XXIV. RKorps und von der Gruppe Hofmann getragen
wurde. Leider gab am 18. der rechte Flügel der 19. ID. nach und wich
um etwa 1 km zurück. Die drei Brigaden Hofmanns zählten wenig mehr
als 6000 Feuergewehre x) ; diese Truppen, die seit dem 23. Jänner pausen-
los im Gefechte gestanden und nur dreimal unter Dach gekommen
waren, hatten die Grenze ihrer Kampffähigkeit erreicht. Aber auch die
deutsche 1. ID. und die 3. GID. lagen bewegungslos vor starken Stellungen.
Schon rollte jedoch die k. u. k. 5. ID. der 1. Armee heran und nach
dem glücklichen Ausgang der Winterschlacht in Masuren auch die deutsche
4. ID. Hingegen mußte die deutsche 5. KD. untätig hinter der Armee-
front verharren. Mit Billigung der k. u. k. Heeresleitung entschloß sich
Linsingen, alle diese Kräfte, wie dies schon mit der 10. KD. geschehen
war, über Delatyn dem linken Flügel Pflanzer-Baltins zuzuführen, um sie
nicht in ergebnislosen Gebirgskämpfen verbrauchen zu lassen. Zunächst
fuhr die 5. ID. über Máramaros-Sziget gegen Delatyn weiter, wo ihre
Spitzenstaffel am 20. einlangte.
Unter diesen Umständen wünschte der Führer der deutschen Süd-
armee seinen Einfluß auch auf die Kampfführung jenseits der Karpathen
geltend zu machen. Nachdem sich GM. Stolzmann schon am 16. in Mára-
maros-Sziget über die Verhältnisse eingehend orientiert hatte, wurde GdK.
!) FML. Hofmann verfügte nur über eine halbe Gebirgskanonen- und eine Ge-
birgshaubitebatterie, da er bei Offensivbeginn das Gros seiner Gebirgsartillerie an das
XXIV. RKorps und die 3.GID. hatte abgeben müssen. Bei allen drei Brigaden befan-
den sich nur ein Stabsoffizier und acht Hauptleute. Der Gruppenführer bat daher das
AOK. um Verstärkung durch eine Heeresbrigade.
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Der Karpathenwinter 1914/15
Freih, Marschall, bisher Führer der 3.GID., angewiesen, den Befehl über
die eigentlich zur Südarmee gehörige 10. KD. und die 5. ID., später auch
über die deutsche 5. KD. zu übernehmen und mit diesen Kräften schleu-
nigst über Dolina in den Rücken des Feindes vorzustoßen, worauf das
XXIV. RKorps seine Angriffsanstrengungen verdoppeln sollte. Für den
linken Flügel befahl Linsingen, daß GLt. v. Conta den Angriff der deut-
schen 1. ID. und der 3. GID. auf den Zwinin einheitlich zu leiten habe.
Marschall traf am 19. in Delatyn ein und wurde mit der Befehlsführung
auf dem linken Flügel der Armeegruppe betraut; unter den geänderten
Verhältnissen konnten ihm allerdings nicht die von Linsingen bezeichneten
Armeekörper unterstellt werden.
In Munkács verfolgte man jeden der Schritte Pflanzer-Baltins. Als
dieser am 18. die 6. ID. zur Unterstützung der 42. HID. aus der Rich-
tung von Dolina abzog, erhob das Kmdo. der Südarmee sogleich Be-
schwerde in Teschen. Es sei überflüssig und aussichtslos, so viele Kräfte
gegen Stanislau einzusetzen, Pflanzer-Baltin sei anzuweisen, mit zwei
Divisionen sofort gegen Dolina—Bolechów—Stryj zu rücken und diese
Linie bis zum Herankommen der Südarmee festzuhalten. Indes hatte der
Führer der Armeegruppe die Forderungen der Lage selbst vollkommen
klar erkannt und auch das AOK. billigte die von ihm getroffenen Maß-
nahmen. Die Einwirkung auf einen Befehlshaber, auf dessen Befähigung
und Energie man voll vertraute, hielt die Heeresleitung nicht für ge-
boten. Dem Wunsche Linsingens, auch die deutsche 4. ID. über Delatyn
zu befördern, konnte ebenfalls nicht entsprochen werden, da die Bahn-
linie eine derartige Belastung nicht vertrug. Diese Division, teilte die
Heeresleitung mit, müsse bei Munkács ausgeladen und durch das Ge-
birge nachgezogen werden, dessen Ausgänge bis dahin Pflanzer-Baltin
freigemacht haben werde. Übrigens sei bereits der Befehl zum Antrans-
port des XI. Korps der 4. Armee nach Delatyn erteilt. Es käme jetzt
darauf an, daß das XXIV. RKorps bei Wyszków angreife und den Russen
nachdringe.
Aber gerade am 19. Februar, an dem sich nördlich der Karpathen die
Lage auf das Günstigste entwickelte und Pflanzer-Baltin vor dem letzten
entscheidenden Zugriff auf Dolina stand, wurde die Südarmee von schwe-
rem Mißgeschick heimgesucht. Die Russen verdoppelten ihre Anstren-
gungen gegen das XXIV. RKorps, zerbrachen die bei Wyszków angesetzten
Klammern der doppelseitigen Umfassung und warfen beide Flügel, mit
besonderer Wucht den rechten, zurück. Ob der Feind damit bloß den be-
ginnenden Rückzug decken oder weiter ausharren wollte, blieb vorerst
Vorschläge des Gdl. v. Linsingen
171
ein Rätsel. Auch Hofmann war nun gezwungen, seinen Ostflügel abzu-
biegen und nur die l.ID. vermochte mit Aufgebot aller Kräfte standzuhalten.
Nach ihrem Erfolge am 19. stellten die Russen ihre Anstürme gegen
das XXIV. RKorps für eine Weile ein, so daß sein linker Flügel am 21.
wieder mit der Vorrückung beginnen konnte. Als aber das Korps am 26.
aufs neue zu einheitlichem Angriffe ansetzte, stieß es überall auf hart-
näckigen Widerstand. Die Gruppe Hofmann stand Tag für Tag in
schwerem Abwehrkampfe, der namentlich am 26. dem Feinde ansehn-
liche Verluste brachte. Am 22. gewann die deutsche 1. ID. gegen die
Ostryhöhe Raum, doch die 3.GID. vermochte sich nicht der heiß um-
strittenen Klewa zu bemächtigen und mußte sogar ein Stück zurück-
genommen werden. Die Angriffskraft der Südarmee erwies sich eben
nicht stark genug, ein unmittelbares Zusammenwirken mit Pflanzer-Baltin
zu erzielen. Die Stände schmolzen zusammen; täglich mußte mit einem
Abgange von 500 Mann gerechnet werden1).
Linsingen bemühte sich auch weiterhin, seine Befehlsbefugnisse auf den
linken Flügel der Nachbargruppe auszudehnen und beantragte am 22. bei
der Heeresleitung, ihm das XIII. Korps zu unterstellen, wofür er Pflanzer-
Baltin das Verfügungsrecht über die 5.ID. zurückgeben wollte. Ferner bat
er, man möge bei der DOHL. die Heranführung der deutschen 3.ID. er-
wirken, von der schon ein Regiment bei der 3.GID. focht. In Teschen
war man nicht geneigt, dem ersten Antrage zu entsprechen, da die un-
erläßliche Einheitlichkeit der Kampfhandlung zwischen Dniester und
tomnica nicht beeinträchtigt werden durfte. Auch Linsingens Vorschlag,
die deutsche 5. KD. mit der Bahn nach Delatyn zu schieben, konnte aus
den gleichen Gründen, die dies für die deutsche 4. ID. ausschlössen, nicht
berücksichtigt werden. Die deutsche Reiter di vision rückte hierauf im
Fußmarsche über den Tatarenpaß ins Pruthtal ab. Der Armeegeneral-
stabschef fuhr selbst nach Teschen, die Zuweisung der deutschen 3. ID.
zu betreiben, doch Falkenhayn war nicht gewillt, weitere deutsche Ver-
bände den kräfteverzehrenden Gebirgskämpfen auszusetzen. Anders wäre
der Bescheid ausgefallen, wenn die Südarmee schon nördlich von den
Karpathen gekämpft hätte.
Bei der Armeegruppe Pflanzer-Baltin hielt die Spannung an. Am
Vormittag des 20. zog die 10. KD. unter dem Jubel der Bewohner
in die durch den Feind geräumte Stadt Stanislau ein. Das XIII. Korps
— jetzt unter dem GdK. Marschall — und die Kolonne Benigni hatten
1) Die Südarmee zählte am 24. Februar bei den öst.-ung. Truppen 20.000 Feuer-
gewehre (ohne 5. ID. und 10. KD.), bei den deutschen 21.800 Feuergewehre.
172
Der Karpathenwinter 1914/15
die Richtung auf Dolina eingeschlagen; die 42. HID. und die 5.HKD.
kämpften während des Tages bei Krasna, die 6. ID. bei Perehinsko.
Schon reifte die Erfüllung der Pläne Pflanzer-Baltins : die Russen waren
über Stanislau zurückgeworfen, die Dniesterstrecke unterhalb von Niz-
niów schien gesichert zu sein und Czernowitz war fest in der Hand der
k. u. k. Truppen; aller Wahrscheinlichkeit nach konnte man dem Feinde,
der noch vor der Südarmee hielt, jetzt auch den Rückzug über Dolina
und Skole verlegen.
Da brachten die Nachmittagsstunden des 20. eine schwere Gefähr-
dung aller bisherigen Errungenschaften. Allmählich waren die Einheiten
der eben gebildeten russischen 9. Armee auf Bahnen und Straßen in ihr
neues Verwendungsgebiet geflossen; zunächst wurden die aus Stanislau
verdrängten Teile der 71.RD., vermutlich durch die 2.SchBrig., verstärkt.
Der Feind ging von drei Seiten umfassend wieder gegen die Stadt vor.
Mittlerweile war hier eine Brigade der k.u.k. 36.ID. eingetroffen, die
sich nur durch die Entschlossenheit der örtlichen Führung und die Tapfer-
keit der Truppen gegen den übermächtigen Anfall der Russen zu be-
haupten vermochte.
Indes parierte Pflanzer-Baltin mit gewohnter Energie den russi-
schen Hieb. Vorerst unterstellte er die Kolonne Benigni, die sich auf-
tragsgemäß im Vormarsche von Bohorodczany gegen Nordwesten be-
fand, wieder dem Ostkorps und wies ihr die Richtung gegen die Höhen
nördlich von Stanislau1). Weiters traf er Maßnahmen, um die Gruppe
Lilienhoff möglichst rasch dem rechten Flügel des Ostkorps zuzuführen.
Alles stand auf des Messers Schneide. Glücklicherweise langte gerade
die Spitzenstaffel der 5. ID. in Delatyn ein. Ursprünglich wollte man
in Teschen diese Division dem XIII. Korps angegliedert wissen, damit
Marschall rasch gegen Dolina Raum gewinnen könne, doch ließ jetzt die
Heeresleitung dem Armeegruppenführer freie Hand, weil die Behauptung
von Stanislau eine unerläßliche Vorbedingung für das Gelingen der Offen-
sive Marschalls war. Pflanzer-Baltin befahl die Versammlung der Divi-
sion bei Nadwórna, ohne sich noch für die Richtung ihres Einsatzes zu
entscheiden. Am 21. hielt der Verteidiger von Stanislau gegen die Ein-
kreisungsversuche der Russen weiterhin stand, schon teilweise durch die
anrückenden Verstärkungen entlastet. Lilienhoff gelangte nach Horodenka.
Das Westkorps warf mit der 42. HID. den Feind auf Ro±niatow zurück,
die 6. ID. nahm Perehinsko. Pflanzer-Baltin vervielfachte sich; imKraft-
*) Die zur 42. HID. gehörigen Teile der Kolonne Benigni marschierten jedoch
zu ihrer Division ab.
Pflanzer-Baltin pariert den russischen Hieb
173
wagen durcheilte er das ausgedehnte Gefechtsfeld und machte seine Unter-
führer mit seinen Absichten bekannt.
FML. Czibulka schritt am 22. zum Angriff. Sein rechter Flügel, der
bei Tysmienica einen russischen Vorstoß abgewiesen hatte, bemächtigte
sich der Höhen nördlich von diesem Orte; zur Sicherung der rechten
Flanke rückte eine gemischte Abteilung von Tlumacz auf Ni±niow. Auch
Benigni schob sich knapp westlich von Stanislau bis an die nach Kalusz
führende Straße vor. Seine Landstürmer wurden jedoch am nächsten
Tage aus nordwestlicher Richtung von den Russen angefallen und ein-
gekreist; sie fluteten zurück. Die hier entstandene schwere Krise recht-
fertigte es, daß sowohl Benigni als auch Czibulka auf die zur Stützung
des Ostkorps an einzelne Punkte vorgeschobenen und zur Hand befind-
lichen Bataillone der 5. ID. griffen und diese auf das Gefechtsfeld des
linken Korpsflügels heranzogen. Pflanzer-Baltin mußte diese Verfügung
billigen, obgleich hiedurch ein erheblicher Teil seiner Dispositionsgruppe
aus der ursprünglich zugedachten Richtung geriet.
Das XIII. Korps kämpfte am 22. und 23. mit wechselndem Erfolge.
Die 42. HID. und die 5. HKD. vermochten bei Rozniatów nicht durchzu-
dringen. Wohl überschritt die 6. ID. links von den kroatischen Honvéds
die Czeczwa, wurde aber zur Rückkehr auf das Ostufer gezwungen. Da
es nicht ausgeschlossen war, daß der Feind vor dem rechten Flügel der
Südarmee seine Front abzubauen begann und sich durch den zähen
Kampf an der Czeczwa den Rückzugsweg offen halten wollte, forderte
Pflanzer-Baltin den Gdl. Linsingen auf, das XXIV. RKorps zu schleuni-
gem Vorgehen zu veranlassen. Die Vermutung erwies sich jedoch als
irrig; in unverminderter Stärke hielt der Russe auf dem Wyszkówsattel.
Nach dem Herankommen der Gruppe GM. Lilienhoff konnte FML.
Czibulka am 24. mit dem vom FML. Schreitter befehligten Ostflügel unter
Sicherung gegen Nizniów abermals zum Schlage ausholen; die Russen
wurden auf den Höhen nordöstlich von Stanislau um ein gutes Stück
zurückgedrückt.
Tags darauf sollte die Armeegruppe auf ihrer ganzen Front an-
greifen. Ihr Führer entschloß sich, die nächstverfügbaren Teile der 5. ID.
zwischen seinen beiden Korps gegen Kalusz vorzuschicken und den Rest
nach Bohorodczany zu ziehen. Nach der bei Stanislau erstrebten Ent-
scheidung wollte er die Division wieder westwärts zum XIII. Korps ver-
schieben. Den Befehl über das Korps gab GdK. Marschall am 25. an den
wiedergenesenen Gdl. Rhemen ab. Das Ostkorps kam an diesem Tage
gut vorwärts. Auf der äußersten Rechten wurde Ni£niow genommen.
174
Der Karpathen winter 1914/15
Lilienhoff und Schreitter gewannen Boden auf den Höhen nordöstlich
von Stanislau und auch Benigni ging wieder bis an die nach Kalusz
führende Straße vor. Dagegen vermochte die nach Nowica entsendete
Gruppe der 5. ID. die hochangeschwollene Lomnica nicht zu passieren.
Ein Nachtangriff auf Kalusz scheiterte an der verstärkten Abwehr der
Russen. Beim XIII. Korps focht die 42. HID. erfolgreich bei Roániatów,
doch wurde die 6. ID. unter starken Verlusten zurückgeworfen1). Pflanzer-
Baltin befahl hierauf dem Führer der 5. ID., FML. Habermann, mit allen
bei Kalusz befindlichen Teilen seiner Division dem XIII. Korps zu Hilfe
zu eilen. Die 5.HKD. erhielt Befehl, den Feind bei Kalusz zu binden.
Am folgenden Tage, den 26. (Skizze 11), errang Czibulka bei Sta-
nislau einen ausgesprochenen Sieg. Lilienhoff und Schreitter warfen den
Feind über die Bystrzyca auf Jezupol, während Benigni und links von
ihm die am 23. herangezogenen Bataillone der 5. ID. in einer wohl-
gelungenen Angriffsschwenkung bis an die Chaussee Stanislau—Halicz
vordrangen. Sofort ordnete Pflanzer-Baltin die Ausnützung des großen
Erfolges durch scharfe Verfolgung der Russen auf Halicz an; der dor-
tige Brückenkopf sollte im Handstreich genommen werden. Weiters hatte
die noch verfügbare letzte Staffel der 5. ID. von Bohorodczany auf Ka-
lusz vorzugehen und sich dieses Marktfleckens zu bemächtigen, die
10. KD. den dort befindlichen Russen bei Wistowa den Rückzug auf
Halicz zu verlegen.
Als aber der Armeegruppenführer dann auf seiner Autofahrt beim
XIII. Korps einlangte, empfing ihn eine Unglücksnachricht: die hart be-
drängten und ermatteten Truppen des XIII. Korps waren vor russischer
Übermacht im Zurückweichen an die Lomnica. Die Hilfe durch das Gros
der 5. ID. war trotz eines günstig verlaufenen Gefechtes bei Holyn zu
spät gekommen. Um den Rückschlag beim XIII. Korps wettzumachen,
ordnete Pflanzer-Baltin an, Czibulka habe noch in der Nacht vier Ba-
taillone der 36. ID. mit der Bahn von Stanislau nach Nadwórna zu ent-
senden, die sodann im Fußmarsche nach Krasna zu gelangen hatten.
Weiters wurden drei schwache Polenbataillone von Kolomea nach Dela-
tyn gefahren.
Aus Teschen traf die Weisung ein, die Entscheidung in der Richtung
Dolina—Bolechów ehestens herbeizuführen; gegen Halicz genüge eine
Sicherung. Leider war nach dem ungünstigen Ausgange der Kämpfe auf
dem linken Flügel der Armeegruppe alles wieder in die Ferne gerückt,
!) Nach einer Meldung verfügte bei der 6. ID. das IR. 17 nur mehr über 320,
das bh. IR. 2 gar nur mehr über 80 Feuergewehre.
Das Wesen der Karpathenkämpfe
175
um so mehr, als das XI. Korps noch nicht zur Stelle war. Das AOK.
wurde nunmehr gebeten, dieses Korps im Echellontransport1) nach De-
latyn zu befördern.
Die Begebenheiten bei der 3. und der 4. Armee
(15. bis 26. Februar)
Hiezu. Beilage 7 sowie Skizzen 8, 9, 12 und 13
Die Kämpfe in den Karpathen mit ihrem Wechsel von Erfolg und
Mißerfolg erschließen sich dem Verständnisse nur dann völlig, wenn bei
jeder einzelnen Phase immer wieder auf den Zustand des wichtigsten
Teiles des Kriegswerkzeuges, àuf die Kampf truppe, hingewiesen wird
und auf die Umstände, unter denen sie zu wirken berufen war. Obst.
Veith kennzeichnet diese Periode des schweren Ringens in folgender Art :
„Es lag im Wesen der Karpathenkämpfe dieses Winters, daß sie auch nach dem Ende
der eigentlichen Schlacht nicht zur Ruhe kamen. Die Front fluktuierte fort, das grauen-
hafte Elend dauerte ununterbrochen an. Man wird heute kaum verstehen, wie diese voll-
kommene Wehrlosigkeit gegen die Winterkälte und ihre Begleiterscheinungen möglich
war in einem Lande, in welchem gerade Bau- und Brennholz auf Schritt und Tritt in
einer Fülle vorhanden war wie kaum irgendwo in Europa. Zu erklären ist die Sache aus
dem gänzlichen Mangel einerseits an Vorkehrungen infolge fehlender Voraussicht dieser
Lage, andererseits an Arbeitskräften 2). Die Kampftruppen selbst waren, wie genugsam
betont, ohnehin numerisch dem Feinde gegenüber weit inferior und wurden es infolge
der furchtbaren Verluste täglich mehr, so daß das dringendste Gebot darin bestand, das
letzte Gewehr in die Front einzusetzen; die fast ununterbrochen kämpfenden Truppen
konnten aber bestenfalls in den wenigen kurzen Kampfpausen ein wenig schanzen,
*) Im regelmäßigen Zugsverkehr rollen die bemannten Maschinen samt Zugsbeglei-
tern mit den Gegenzügen (Abschub- und Leergarnituren) ungefähr in derselben Stärke
zurück wie Volltransporte einlangen. Dadurch ist die planmäßige Wiederverwendung
neuausgerüsteter Maschinen samt ausgeruhten Mannschaften von ihren Heimatsstationen
aus, das heißt ein geregelter Turnus möglich, der allein Dauerleistungen verspricht. Im
Echellonverkehr verzichtet man auf die Rückkehr von Maschinen und Personal, beläßt
das entleerte Material in der Nähe des Zieles, um vorübergehend eine raschere Zugs-
folge in der Bedarfsrichtung zu erzielen. Der Echellonverkehr findet seine Grenzen
einerseits im Maschinen- und Personalmangel am Anfange und in den beschränkten Platz-
verhältnissen am Ende der Strecke. Dies muß zu Betriebsstörungen führen, die wieder
nur durch einen gesteigerten Verkehr, diesmal in der Gegenrichtung, das ist durch
Unterbrechungen im Antransport, behoben werden können.
2) Die Holzversorgung einer oft schwankenden Gebirgsfront läßt sich auch im
holzreichsten Lande nicht in kurzer Zeit improvisieren. Die Transportfrage wäre auch
bei Aufbietung größerer Arbeitskräfte infolge der Kommunikationsarmut kaum zu be-
wältigen gewesen. Die Verwendung von Seilbahnen ergab sich erst aus den Erfahrungen
einer späteren Zeit.
176
Der Karpathenwinter 1914/15
nicht aber noch Holz fällen und Bretter sägen. Die für die Arbeit hinter der Front zur
Verfügung stehenden Arbeiterabteilungen waren wieder durch die täglich wachsende Last
der Instandhaltung von Straßen und Wegen, die heute meterhoch verschneit, morgen
vereist, übermorgen durch plötzlich hereingebrochenes Tauwetter überschwemmt und
grundlos aufgeweicht waren, derart in Anspruch genommen, daß schließlich zu ihrer
Unterstützung sogar doch noch Kampftruppen aus der Front gezogen werden mußten,
sollten sie nicht selbst verhungern oder durch Munitionsmangel wehrlos werden. Daß
eine der ohnehin spärlichen Reserven wirklich Ruhe genoß oder gar unter Dach kam,
war lange nicht erlebt worden. So steigerte das Elend sich selbst in grausamem Wech-
selspiel; in der Front bannte es die Soldaten im Kampfe fest, sabotierte mit den stei-
genden Verlusten auch die Möglichkeit der Ablösung und Erholung und trieb damit erst
recht wieder die Verluste zu neuen Rekordziffern; gleichzeitig hinderte es hinter der
Front jede der Bequemlichkeit und Rétablierung dienende Tätigkeit. All dies wurde noch
verschlimmert durch die von Haus aus elenden Nachschubsverhältnisse. Die Bahnen
waren im ungarisch-galizischen Grenzgebiet überhaupt äußerst spärlich und sehr wenig
leistungsfähig *) und reichten für die Bedürfnisse der jetzt hier angestauten großen
Heereskörper bei weitem nicht aus ; das Straßennetz war gleichfalls viel zu weitmaschig
und von äußerst minderwertiger Beschaffenheit, so daß es den plötzlich riesenhaft ge-
steigerten Anforderungen absolut nicht standhielt. Andere Wege aber waren in dem
menschenarmen Waldgebirge nur in geringer Zahl und primitivster Qualität vorhanden.
So kam es, daß wiederholt ganze Korps plötzlich und auf mehrere Tage ohne jede
brauchbare Kommunikation im Rücken dastanden; man braucht gar nicht Militär zu
sein, um die Folgen zu ermessen.
Daß all das physische Elend schließlich auch dem moralischen Niedergang die Wege
ebnete, kann nicht wundernehmen. Man darf nicht vergessen, daß die Armee nicht mehr
die alte war, sondern schon ein mehr weniger improvisierter „Armeeersatz". Die mit
den Marschformationen neu einlangenden Ersätze konnten zudem meist gar nicht an
ihre zuständigen Truppenkörper geleitet und eingereiht, sondern mußten, wie sie kamen,
als selbständige taktische Einheiten eingesetzt werden, was sich natürlich nicht bewährte,
aber der taktischen Lage nach nicht zu vermeiden war. Und mit diesen Marschforma-
tionen kam auch, und das ist das Verhängnisvollste, zuerst der Defaitismus und die po-
litische Unverläßlichkeit gewisser Hinterlandsschichten in die Front. Zu allererst bei
den Tschechen; es war noch im Karpathenwinter, als das Prager Hausregiment Nr. 28 sich
„ohne einen Schuß von einem feindlichen Bataillon aus der Stellung abholen ließ".
Auch bei rumänischen Truppen wurden verräterische Umtriebe bemerkbar; es ist er-
wiesen, daß siebenbürgische Popen den einrückenden Rekruten den Eid abgenommen
hatten, bei erster Gelegenheit zum Feinde überzugehen. Parallel damit lief die inten-
sivste Propagandatätigkeit des Gegners. Es ist nicht zu leugnen, daß die Russen es besser
hatten. Ihre bedeutend größere Zahl ermöglichte häufige Ablösung und Rétabli erung ;
auch waren sie besser verpflegt und bekleidet, ihre Intendanz funktionierte tadellos ....
und die weitgehenden Hoffnungen, die man unsererseits auf ihre in früheren Zeiten
bewährte Korruption gesetzt hatte, erfüllten sich ganz und gar nicht. Die gesamte ein-
geborene Bauernbevölkerung stand, durch eine ebenso geschickte wie umfassende Propa-
ganda gewonnen, fast einmütig auf russischer Seite und leistete das äußerste in Spionage.
Eine Ausnahme bildeten nur die Juden : sie spionierten gleichmäßig für beide Teile. .«.
x) Vgl. Beilage 3 von Bd. I.
Vergebliche Anstrengungen zur Wiedergewinnung von Mezölaborcz
177
Für unsere Truppen aber, soweit sie wirklich verläßlich waren, und das war der weitaus
größte Teil, wurde dieses andauernde Umgebensein von Verrat und Spionage schließlich
unerträglich, steigerte die Panikstimmung der Mannschaft wie die Nervosität der Kom-
mandanten und untergrub den letzten Rest von Vertrauen in die Zukunft."
Die Anstrengungen der 3. Armee zur Wiedergewinnung des Raumes
bei Mezölaborcz hatten am 15. Februar nur zu einem vereinzelten An-
griffe des VII. Korps geführt, der aber ohne Erfolg geblieben war
(S. 153). Das Armeekmdo. versprach sich von dem Eingreifen der 21. SchD.
einen günstigen Einfluß auf die Kampfhandlung. Am 18. erzielte diese
Division beim Dorfe Szukó sowie östlich von der Laborcza nennenswerten
Raumgewinn. Ebenso ging der rechte Flügel des VII. Korps vor. Damit
war aber auch diesem Angriffe eine Grenze gezogen. Vom nächsten Tage
an hatte die Schützendivision den errungenen Boden in harten Kämpfen
gegen die Anstürme der Russen zu behaupten.
Da jeder Angriffsversuch des VII. Korps an den heftigen Gegen-
stößen des Feindes scheiterte, fragte Erzherzog Joseph am 20. das
Armeekmdo., ob die Offensive ohne Rücksicht auf Verluste fortzuführen
oder bis zu dem nahe bevorstehenden Eintreffen der Ersätze aufzuschie-
ben sei. In letzterem Falle gedenke er, seine Front vom Feinde abzu-
setzen und den Großteil seiner völlig erschöpften Truppen endlich wieder
unter Dach zu bringen. Gdl. Boroevic mußte der Loslösung des Korps
zustimmen, womit das Schicksal dieses ganzen Angriffsversuches besiegelt
war. Die Verfügung war nicht unbegründet; denn auch das XVII. Korps
war nach geringem Raumgewinn in die Verteidigung gefallen und das
späterer Schilderung vorbehaltene Eingreifen des Südflügels der 4. Armee
(Skizzen 9 und 12) verlief gleichfalls nicht nach Wunsch. Außerdem er-
heischte die bevorstehende Offensive der 2. Armee Maßnahmen, die mit
der Fortführung des jetzigen Unternehmens schwerlich in Einklang zu
bringen gewesen wären; denn jetzt mußte der rechte Flügel der 3. Armee
verstärkt werden. Boroevic entnahm daher dem Verbände des XVII. Korps
die 45. SchD. und verfügte ihre Verschiebung nach Osten.
Wie erinnerlich, war die von der 4. Armee westlich von Gladyszów
bereitgestellte Angriffsgruppe des FML. Králicek zur doppelten Umfas-
sung der Jasionkahöhe bestimmt (S. 152), rechts die 13. SchD., links die
halbe 26.SchD. Der 13.SchD. hatte sich der linke Flügel des III. Korps
anzuschließen, dessen Kommandant, Gdl. Colerus, mit der einheitlichen
Leitung des Vorstoßes betraut worden war. Die Vorrückung wurde befehls-
gemäß am 17. Februar angetreten. Nach einigen Rückschlägen am Nord-
flügel umspannten tags darauf die vordersten Linien die Jasionkahöhe
Ii
12
178
Der Karpathenwinter 1914/15
von Westen und Südwesten, während die der 26. SchD. aufgetragene
Umfassung von Norden her gegenüber den Anstürmen der sich immer
mehr verstärkenden Russen nicht zum Ziele führte. Die Frage, ob die
über die allgemeine Front vorgeprellten Angriffstruppen, deren Kampf-
kraft für den letzten entscheidenden Stoß nicht mehr ausreichte, in ihrer
vorgeschobenen Lage zu belassen oder zurückzubeordern wären, be-
schäftigte die Befehlsstellen in Kaschau, Okocim und Teschen während
mehrerer Tage. Schließlich verfügte das AOK. am 22., daß die ganze
Gruppe, deren offener rechter Flügel von den Russen leicht aufgerollt
werden konnte, in die Ausgangsräume zurückzunehmen sei, wobei es für
die Heeresleitung auch maßgebend war, die 13. SchD. für den Abtrans-
port zur 2. Armee freizubekommen. Ohne Zwischenfall vollzog sich in
der Nacht auf den 23. die Loslösung der Gruppe vom Feinde; bei dieser
Gelegenheit wurden wenigstens die inneren Flügel der beiden Armeen
in eine lückenlose Verbindung gebracht.
In Teschen glaubte man in diesen Tagen, daß die Russen beabsich-
tigten, im Weichselbogen auf den großen linksufrigen Brückenkopf, der
die Stromübergänge bei Warschau und Iwangorod deckte, zurückzugehen
und daß dann auch Dimitriew bis an die Wisloka ausweichen werde. Die
an der Front der 4. und der 1. Armee sowie gegenüber der Armeeab-
teilung Woyrsch vom Feinde entfaltete demonstrative Tätigkeit bestärkte
die k. u. k. Heeresleitung in ihren Vermutungen. Es erschien dann not-
wendig, daß die Erzherzogsarmee ungesäumt den abziehenden Russen
Dimitriews nachdringe. Auch diese Erwägung hatte mitgewirkt, den Kampf
um die Jasionka aufzugeben. Dem 4. Armeekmdo. wurde befohlen, für
den bevorstehenden großen Angriff starke Kräfte im Räume südlich und
westlich vonTarnów zu versammeln. Sollte es zu dieser Offensive jedoch
nicht kommen, dann würden die bereitgestellten Verbände in die Karpathen
abtransportiert werden. In Okocim wußte man sich jedoch einem min-
destens gleich starken Feinde gegenüber und beurteilte die Aussichten
auf den Erfolg recht skeptisch.
Auf die Nachricht, daß die russische 32. ID. aus der Front Dimitriews
gezogen werde, hatte der Erzherzog einen Vorstoß gegen die feindlichen
Linien angeordnet (S. 166). Am 18. Februar, einen Tag später als die
Aktion gegen die Jasionka begonnen hatte, bemächtigte sich die 3. ID. der
gegenüberliegenden Vorstellung und setzte zum Angriffe auf die Haupt-
widerstandslinie an; auch der linke Flügel der benachbarten 15. ID.
befand sich in erfolgreichem Vorschreiten. Die Heeresleitung hatte sich
aber gerade um diese Zeit zu einer weiteren Schwächung der 4. Armee
Erkùridungsgefechte der 4. Armee
179
zugunsten Pflanzer-Baltins entschließen müssen, um das Gelingen des
Unternehmens gegen Dolina sicherzustellen (S. 170). Zuerst dachte man
an den Abtransport des XIV. Korps. Da sich der Erzherzog von diesem
Korps, an dessen Spitze er in den Krieg gezogen war, nicht gerne trennen
wollte, wurde seinem Standpunkte Rechnung getragen und das AOK.
griff auf das XI. Korps (15. und 30. ID.). Hiedurch war Joseph Ferdinand
aber gezwungen, die 3. und die 15. ID. in die alten Stellungen zurück-
zurufen. Im Vorfelde der Erzherzogsarmee ging es überhaupt in diesen
Tagen und nicht nur auf dem Südflügel lebhaft zu. Nördlich vom Kampf-
felde der vorerwähnten beiden Divisionen stieß das 4. KJR. mit glän-
zendem Erfolge vor; südlich davon holten sich die gegen die 51. (früher
komb. HID. Kornhaber) und die 39. HID. vorgehenden Russen blutige
Köpfe. Endlich erstürmte die 12. ID. am 24. die Friedhofhöhe westlich
von Gorlice, worauf sie, einem Gegenangriffe des Feindes geschickt aus-
weichend, mit einem halben Tausend Gefangenen und etlichen Maschinen-
gewehren wieder in die alte Stellung zurückkehrte. Der Verlauf aller
dieser Erkundungskämpfe festigte in Okocim die Überzeugung, daß der
Russe an keinen Rückzug denke. Der Abtransport des XI. Korps, dessen
Stellungen zum Teile von der auf Befehl des AOK. zugeführten 106.LstID.
der 1. Armee übernommen wurden, und der 13.SchD. minderte überdies
alle Angriffsaussichten.
Die Heeresleitung zweifelte jedoch nicht, daß die Russen aus West-
galizien abzuziehen gedächten, und wies daher die 2. und die 3.Armee
an, in diesem Falle rasch zuzugreifen, während der Erzherzog mit zu-
sammengefaßter Kraft südlich von der Chaussee Tarnów—Pilzno nach-
stoßen sollte. Wirklich meldeten am 21.Februar das XIV. und das VI.Korps,
daß ein Abbau der feindlichen Front bevorstehe. Das 4. Armeekmdo. gab
hierauf einen Verfolgungsbefehl aus.
Sicherlich verstanden es die Russen trefflich, ihre Maßnahmen zu
verschleiern und die gegnerische Führung trotz abgehorchter Funksprüche
im Dunkeln tappen zu lassen. Es trat wieder die große Schwierigkeit zu
Tage, den richtigen Zeitpunkt zur Verfolgung eines etwa abziehenden
Feindes zu finden. Auf der ganzen Front anzugreifen, sonst ein probates
Mittel, war im Stellungskriege ohne besondere Vorkehrungen nicht emp-
fehlenswert; denn improvisierte Stirnangriffe kosteten nach allen bis-
herigen Erfahrungen viel Blut. Im Winter 1915 war das Verfahren noch
unbekannt, sich durch Sturmtrupps (in Verbindung mit zusammengefaßter
Artillerie- und Minenwerferwirkung, Vergasen der feindlichen Batterie-
stellungen usw.) Einblick in die feindlichen Schützengräben zu verschaffen.
12*
180
Der Karpathenwinter 1914/15
Zweiter Versuch zur Offensive über die Karpathen
Vorbereitungen der 2. und der 3.Armee für den neuer-
lichen Vorstoß über das Gebirge
Hiezu Beilage 7 sowie Skizze 8
Die Heeresleitung führte der nunmehr für den Hauptschlag be-
stimmten Armee Böhm-Ermolli allmählich an Verstärkungen zu: von der
bisherigen 2. Armee in Westpolen die 27., die 32. und die 31. ID. und
von der 4. Armee die 41. HID., die Masse der 38. HID. und die 13.SchD.,
somit einschließlich der 9. ID. fast sieben Divisionen, während zu an-
nähernd gleicher Zeit die Armeegruppe Pflanzer-Baltin einen Zuschub
von drei Infanterie- und zwei Kavalleriedivisionen erhielt.
Das 2. Armeekmdo. begann seine Wirksamkeit unter außerordentlich
schwierigen Verhältnissen. Alle Korpsführer — mit Ausnahme Szurmays
— meldeten, daß ihre Truppen nach mehr als dreiwöchigem Ringen gänz-
lich erschöpft seien. Der Mangel an Gebirgsartillerie machte sich emp-
findlich fühlbar. Viele fahrende Batterien standen, da ihnen die Aus-
rüstung für den Gebirgstransport fehlte, unverwendet hinter der Front,
so daß die Infanterie auf den schwer zugänglichen Höhen fast ohne die
Unterstützung durch ihre Schwesterwaffe zu kämpfen hatte.
Vor der Wiederaufnahme der Offensive mußte vor allem die auf-
gelockerte Armeefront, deren Verbände bittere Not an Feuergewehren
litten, wieder gefestigt werden. GdK. Böhm-Ermolli mußte aber auch die
Möglichkeit ins Auge fassen, daß ein heftiger Anfall der Russen die
Mitte und den linken Flügel seiner Armee ins Rückwärtsgleiten bringe.
Er schob daher die Spitzenstaffeln der 27. ID. und der 41. HID. aus den
Ausladeräumen als Rückhalt zur Sperrung der wichtigsten Einbruchs-
wege vor. Überdies wurde beim AOK. beantragt, noch vor den Verstär-
kungsdivisionen lieber die Ersätze heranzuführen, um den Weiterbestand
der in vorderer Linie befindlichen, an äußerst schwachen Ständen lei-
denden Armeekörper überhaupt zu gewährleisten.
Für den 16. Februar befahl der Armeeführer, daß das V. und das
XVIII. Korps ihre verlorenen Stellungsteile wiedergewinnen, Szurmay und
das XIX. Korps sich behaupten sollten.
Die im Armeehauptquartier zu Ungvár für die Durchführung des er-
teilten Auftrages (S. 150) angestellten Erwägungen hatten am 19. Februar
feste Form angenommen; an diesem Tage wurde der Operationsplan in
Operationsplan des GdK. Böhm-Ermolli
181
Teschen vorgelegt. GdK. Böhm-Ermolli beabsichtigte, die Offensive mit
seiner Hauptkraft beiderseits der Straße Cisna—Baligród gegen Lisko zu
führen. Unter dem Befehle des GdK. Tersztyánszky sollte hiezu ein fest-
gefügter 12 km breiter Stoßkeil von 50.000 Feuergewehren vorgetrieben
werden. Da das V., das XVIII. und das XIX. Korps als Zuschubslinie
hur über die einzige Straße Takcsány—Cisna verfügten, war es dringend
geboten, sich vor allem den Verkehr auf der Kleinbahn tupków—Cisna
wieder zu sichern. Im Einklänge mit der 3. Armee, der die Aufgabe zu-
fiel, sich des Raumes um Mezölaborcz zu bemächtigen, hatte daher der
linke Flügel des XIX. Korps vierundzwanzig Stunden vor dem Beginn
des Hauptangriffes über Lupków bis an die Sehne der großen Bahn-
kurve vorzustoßen. Das 2. Armeekmdo. begründete die für die Offensive
gewählte Richtung eingehend. Als Vorteil wurde die Raschheit der Aus-
führung hervorgehoben. Ohne zur Überwindung natürlicher Hindernisse
gezwungen zu sein, schlage man den kürzesten Weg gegen die feindlichen
Verbindungen im San- und Strwi^ztale ein; der rechte Flügel Tersz-
tyánszkys finde einigermaßen gesicherte Anlehnung an der Solinka, wäh-
rend sich der linke durch Besitznahme der Höhenlinie Dzial—Sulita in
der Flanke Schutz verschaffen könne. Fast sämtliche Kräfte der Stoß-
gruppe seien bereits in den Ausgangsräumen und man bleibe auf die ein-
zige fahrbare Straße basiert. Dabei verschloß sich das 2. Armeekmdo.
durchaus nicht den gewichtigen Nachteilen, die man hiebei in Kauf zu
nehmen hatte. Diese Offensive bedeutete einen rein frontalen Vorstoß,
der deshalb begrenzt war, weil auf jeden Zusammenhang mit der Süd-
armee sowie mit der Armeegruppe Pflanzer-Baltin verzichtet werden
mußte. Auch entsprach die beabsichtigte Richtung dem Befehle des AOK.
nicht völlig, das den Ostflügel Böhm-Ermollis auf Stary Sambor angesetzt
wissen wollte. Indes stoße, führte das Armeekmdo. weiter aus, jeder
Angriff zwischen dem XVIII. Korps und der Gruppe Szurmay auf den
hochangeschwollenen San und auf zusammenhängende, wandartige Rücken,
auf geradezu ideale Abwehrstellungen für die Russen, die über Turka am
raschesten Verstärkungen heranbringen konnten. Die Sicherung der Flanken
würde zu erheblich größerer Kräfteverausgabung zwingen und endlich
wäre man auf die einzige, nur zur Not fahrbare Verbindung über Smol-
nik angewiesen.
In Ungvár täuschte man sich sonach über die großen Schwierigkeiten
nicht, die sich der anbefohlenen Offensive, unabhängig von der Wahl
der Stoßrichtung, entgegenstellten. Das Armeekmdo. unterließ es auch
nicht, in Teschen auf die weitaus günstigeren Aussichten aufmerksam zu
182
Der Karpathenwinter 1914/15
machen, die sich einer kräftigen Fortsetzung der Offensive Pflanzer-
Baltins darboten und legte der Heeresleitung sogar nahe, die 32. und
die 31. ID. der Armeegruppe zuzuführen. Der an das AOK. erstattete
Bericht schloß mit dem Satze: „Das Armeekmdo. bittet, die Überwin-
dung würdigen zu wollen, die diese Darlegung erforderte."
Von Einfluß auf diesen Operationsplan dürfte auch ein am 18. ge-
führtes Ferngespräch zwischen dem GM. Metzger und dem Armeegene-
ralstabschef gewesen sein. Metzger äußerte, das AOK. wolle zwar nicht
drängen, aber die Lebensdauer der Festung Przemysl erfordere baldigen
Entsatz, man möge auf die 31. ID. nicht warten; die Division könne als
Armeereserve verwendet werden.
Der Armeegeneralstabschef Oberst Dr. Bardolff erwiderte, der Be-
ginn der Offensive sei vom Erfolge des Stoßes auf Lupków abhängig.
Den Angriff der Hauptkraft der 2. Armee weiter östlich anzusetzen, emp-
fehle sich auch deswegen nicht, weil mit dem Vorwärtskommen der Süd-
armee nicht zu rechnen sei. Ein Stirnangriff beiTurka sei außerordent-
lich schwierig.
Das AOK. war einverstanden und forderte nur eine Verbreiterung
des Angriffes, dem sich auch die Mitte und der rechte Flügel des XVIII.
und womöglich auch das V. Korps anzuschließen hatten. Eine Abgabe der
31. und der 32. ID. komme nicht in Betracht, weil der östliche Heeres-
flügel bereits Verstärkungen erhalte. Ohne eine Offensive der 2. Armee
auf Lisko—Ustrzyki Dl., die insbesondere die Lage von Przemysl erheische,
würde sich der Feind mit ganzer Kraft gegen die Südarmee und gegen
die Armeegruppe Pflanzer-Baltin wenden.
Ursprünglich war der Stoß über Lupków schon für den 19. geplant,
somit zu einer Zeit, da die 3. Armee ihre Offensive auf Mezölaborcz noch
nicht eingestellt hatte. Da aber die Hauptkraft des X. Korps befehls-
gemäß westlich von der Laborcza geballt war und daher auf dem entgegen-
gesetzten Flügel mit ausreichenden Kräften vorerst nicht mitzuwirken
vermochte, mußte dieser Auftakt des großen Unternehmens auf den 22. Fe-
bruar verschoben werden. Auch diese Änderung (des Termins wurde nicht
eingehalten. Diesmal aus anderen Gründen. Im Meinungsaustausche mit
dem 2. Armeekmdo. erklärte Boroevic am 20., er halte die Aussichten auf
Erreichung des Angriffszieles Mezölaborcz für „minimal". In Ungvár
fragte man sich, welchem Zwecke der Stoß auf Lupków dann überhaupt
dienen sollte, da die Benützung der Schienenstrecke nach Cisna für den
Nachschub ohne den Besitz von Mezölaborcz ausgeschlossen war. Unter
solchen Umständen erwärmte sich das 2. Armeekmdo. begreiflicherweise
Verharren der Heeresleitung bei ihren Entschlüssen
183
für die ganze Offensive noch weniger. Dazu regnete es ohne Unterlaß;
das Hochwasser zerstörte Brücken und Stege, die Wege wurden grundlos.
Insbesondere erwies sich aber die nach Cisna führende Straße, die
Lebensader der Armee, kaum mehr passierbar. Für den großen Zweck,
so dachte das Armeekmdo., sei es besser, günstigere Witterung abzu-
warten und die bereitgestellten Kräfte bis dahin aufzusparen.
Anders das AOK. Dort kreisten alle Gedanken um die Not der ein-
geschlossenen Festung Przemysl, deren Befreiung nicht hinausgeschoben
werden durfte. Die Heeresleitung griff ein und bezeichnete den Stirnan-
griff auf Lupków als nicht unbedingt nötig. Schlüge der linke Flügel der
2. Armee mit einer starken Gruppe die Richtung Nordwesten über die
Chryszczata gegen die Bahnstrecke nördlich von Lupków ein, so würden
die an der Bahnkurve haltenden Russen infolge der Rückenbedrohung
zum Abzüge gezwungen sein. Da jetzt vom 3. Armeekmdo. die uneinge-
schränkte Zusage kräftiger Mitwirkung einlangte, sträubte man sich in
Ungvár schon mit Rücksicht auf die Rettung Przemysls nicht länger. Die
beiden Armeeführer vereinbarten den Beginn der Aktion ihrer inneren
Flügel für den 26.Februar; bis dahin hoffte Gdl. Boroevie seine 45. SchD.
(S. 177) nach Osten verschoben zu haben. Am folgenden Tage sollte Tersz-
tyánszkys Stoßkeil in Bewegung gesetzt und dessen Wirkung ehestens
durch einen Ausfall der gesamten mobilen Kräfte der Festung Przemysl
unterstützt werden. Der Westflügel der Gruppe Szurmay, weiters das
V. Korps und der Ostflügel des XVIII. hatten schon am 25., nach
späterer Festsetzung am 26., mit Scheinangriffen zu beginnen.
Gdl. Boroevic wies am 23. den Truppen seiner Armee folgende An-
griff srichtungen : der 24. ID. gegen Vidrány und Mezölaborcz, wobei ihre
rechte Flügelgruppe im engsten Einklänge mit der linken Flügeldivision
(34. ID.) der 2. Armee gegen Lupków vorzugehen hatte, dem FML.
Krautwald (2. ID., 21. SchD. und die am 25. abends hinter dem linken
Flügel der Gruppe erwartete 45. SchD.) beiderseits des Laborczatales mit
der Hauptkraft gegen Laborczfö, endlich dem Erzherzog Joseph über
Havaj gegen Mikó. Gdl. Kritek (11. ID. und Gruppe GM. Berndt) und
das III. Korps sollten ihre Stellungen halten.
Als aber das 2. Armeekmdo. am Abende des 24. gerade die letzten
Befehle ausgegeben hatte, stemmten sich plötzlich neue, außerhalb mensch-
lichen Ermessens liegende Hindernisse der Ausführung der gefaßten Be-
schlüsse entgegen. Regen und Tauwetter hatten die Nachschubstraße
zwischen Takcsány und der ungarisch-galizischen Grenze gänzlich un-
brauchbar gemacht. Pferde, Fuhrwerke und Geschütze versanken im tiefen
184
Der Karpathenwinter 1914/15
Schlamm. Die Schlagader der 2. Armee versagte somit ihren Dienst. Der
Leiter der Ausbesserungsarbeiten beantragte die sofortige Einstellung
des gesamten Verkehres auf mindestens achtundvierzig Stunden. Diese
schlimme Kommunikationskrise schien den Beginn der Offensive um einige
Tage zu verzögern. Eine halbe Stunde vor Mitternacht trug der Draht
die abändernde Botschaft von Ungvár nach allen Richtungen.
Die Heeresleitung sah sich durch diese Nachricht bitter enttäuscht.
Aber Conrad wollte sich auch vor elementaren Gewalten nicht beugen.
Er ließ das 2. Armeekmdo. wissen, daß der Aufschub möglichst abge-
kürzt, die unentbehrliche Bahn über Mezölaborcz wieder zurückgewonnen
und vor allem der russische Einschließungsring bei Przemysl bis zum
12. März gesprengt werden müsse. Sonst gäbe die Untätigkeit der Kar-
pathenfront, in der ganzen Ausdehnung von westlich Wyszków an, dem
Feinde volle Freiheit, sich auf die siegreich vordringende, jetzt aber
schon gegen eine Übermacht fechtende Armeegruppe Pflanzer-Baltin zu
stürzen. Deren rechtzeitige Unterstützung sei aber durch die wenig lei-
stungsfähige Bahn über Körösmezö gehemmt. „Nur auf dem Wege über
den Feind kann die Krise gelöst werden."
Mit vorbildlicher Tatkraft war das 2. Armeekmdo. bemüht, das
lebenswichtige Straßenstück fahrbar zu machen; in größter Eile wurden
nebst den militärischen Arbeitskräften noch 7000 Zivilarbeiter aufge-
boten, so daß mit der Wiederaufnahme des Verkehres für den Abend des
27, gerechnet werden konnte. Trotz der geschilderten Erschwernisse
wurde es daher möglich, die nur um vierundzwanzig Stunden verzögerte
Offensive an diesem Tage mit dem Angriffe auf Lupków zu beginnen
(Skizze 8).
Noch bedarf es der Erklärung, warum von den sechseinhalb zuge-
schobenen Divisionen viereinhalb vor Angriffsbeginn verausgabt werden
mußten und warum eine so arge Vermengung der Verbände entstanden
war. Die weit gespannte Front war eben unaufhörlich in wechselvolle
Kämpfe verwickelt, wobei die innegehabten Gebirgsstellungen als Rahmen
für den gesicherten Ansatz der geplanten Offensive unbedingt festge-
halten werden mußten. Da gab es stets verschiedene Gebrechen im Zuge
der eigenen Linien zu heilen oder Stellungsberichtigungen vorzunehmen,
was den Verbrauch zahlreicher Kräfte bedingte.
Am äußersten rechten Flügel hatte die als Verbindungsglied zwischen
der 2. und der Südarmee kämpfende 3. GID. am 22. eine vorgeschobene
Stellung auf der Klewa eingebüßt. Um die Front hier zu festigen, setzte
das 2. Armeekmdo. durch, daß die Hauptkraft der 38. HID. nicht, wie
Stützungsmaßnahmen für die Front der 2. Armee
185
es ursprünglich vorgesehen war, auf der nach Uzsok führenden Bahn-
linie, sondern über Munkács herangebracht wurde. Von den Auslade-
orten in Fußmärschen in die Gegend bei Libuchora an den rechten Flügel
Szurmays gezogen, übernahmen die Spitzenabteilungen der Honvéddivi-
sion den linken Flügelabschnitt der 3. GID. vor der Klewa. Alsbald kämpf-
ten vier Bataillone im Verbände der Südarmee1). Der Rest der Division
wurde am 23. dem FML. Szurmay unterstellt. Damit war die 38. HID.
verausgabt und auch zerstückelt. Die Absicht des 2. Armeekmdos., den
verstärkten Ostflügel Szurmays zum Durchbruch der russischen Front
über die Klewa vorstoßen zu lassen, mußte aufgegeben werden, weil der
Gruppenführer noch einen zweiten und wichtigeren Auftrag hatte : seinen
linken Flügel zu verlängern und Reserven hinter diesem bereitzustellen;
denn zwischen dem beiderseits von den Russen umklammerten V. Korps
und seinem rechten wie auch seinem linken Nachbar waren Lücken
(S. 154) entstanden, in die der Feind einzudringen sich anschickte. Die
Lage beim V. Korps zwang das 2. Armeekmdo., den Verband der 27. ID.
zu zerreißen und eine Brigade als Rückhalt hinter diese Lücken, die
Hauptkraft aber gegen Cisna zu leiten. Das XVIII. Korps hatte mit Hilfe
der Hauptkraft der 9.ID. (S. 154) am 16. die Höhe Stoly erstürmt und
sich bis zum 20. soweit vorgekämpft, daß der Zusammenhang mit dem
V. Korps wieder hergestellt war. Dagegen drohte der Russe abermals mit
dem Durchbruche zwischen diesem Korps und der Gruppe Szurmay.
Nach Ablösung durch die Spitzenbrigade der 31. ID. erhielt die Brigade
der 27. ID. den Befehl, zu ihrem Gros einzurücken. Beim XIX. Korps
entriß der Feind der 29. ID. am 17. einen Stellungsteil, der jedoch am
19. zurückgewonnen wurde. Um diesen Abschnitt für den bevorstehenden
eigenen Angriff zu festigen, mußte hier die 41. HID. eingesetzt werden.
So war es gegen den Wunsch der Armeeführung notgedrungen zu
vorzeitiger Einstellung frischer Divisionen in die Front und zur Ver-
mischung der Verbände gekommen. Wie nötig diese Stützung aber auch
im Hinblick auf die geminderten Truppenstärken war, beweist die Tat-
siche, daß in der Zeit vom 4. bis zum 17. Februar 196 Offiziere und
10.095 Mann des XVIII. und des XIX. Korps die Front krank oder ver-
wundet verlassen hatten.
1) Zwei Bataillone traten zur 3. GID.; zwei Bataillone der Spitzenstaffel hatte
Hofmann am 20. bei der Ausladung in Volovec abgefangen und mit Fuhrwerken auf
sein Gefechtsfeld gezogen. Das AOK. billigte nachträglich diese Überschreitung der
Befugnisse seitens des hervorragend tüchtigen Führers, dessen Bitten um Verstärkung
bisher ungehört geblieben waren.
186
Der Karpathenwinter 1914/15
Unter diesen erschwerenden Umständen vollzog sich bis zum Abende
des 26. Februar die Bereitstellung der Angriffsstaffel Tersztyánszkys,
die aus dem in unaufhörlicher Umgruppierung begriffenen XIX. Korps
und dem Korps FML. Schmidt v. Georgenegg bestand. Die 41. HID. hatte
schon an diesem Tage erhebliche Fortschritte im Angriffe gegen die
Maguryczne gemacht.
Bei der 3.Armee war das X.Korps ununterbrochen in Abwehr-
kämpfe verstrickt und auch das III. und das XVII. hatten russische Vor-
stöße abzuweisen gehabt. Die 45. SchD., die ursprünglich mit der Bahn
von Bartfeld in das Laborczatal gefahren werden sollte, traf, zu Fuß
weitergesendet, erst am 26. mit der Spitzenbrigade hinter dem linken
Flügel Krautwalds ein, wodurch sich das Antreten dieser Gruppe ver-
zögerte.
Bei Schneegestöber und dichtem Nebel begann am 27. Februar die
Offensive mit dem Vorstoß der inneren Flügel der Armeen Böhm-
Ermolli und Boroevic auf Lupków.
Die Vorgänge an den Flügeln der verbündeten Heere
biszum 22.März
Die Kämpfe Ff lanzer-Baitins gegen die anwachsende Übermacht
der Russen
(27. Februar bis 22. März)
Hiezu Skizzen 11, 14, 15 und 16
Um die gleiche Zeit, als die Armee Böhm-Ermolli zu ihrem Schlage
gegen Norden ausholte, vollzog sich bei der Armeegruppe Pflanzer-Baltin
ein Umschwung, der ihrem Siegeszuge Einhalt gebot.
In diesen Tagen wechselten die Russen ihren Chiffreschlüssel, wo-
durch das bewährte Mittel, sich über ihre^ Pläne zu unterrichten, das Auf-
fangen ihrer Funksprüche, für eine geraume Weile versagte. Erst als die
Entzifferung in Teschen gelungen war, warf eine in der Nacht auf den
27. von dort nach Delatyn übermittelte russische Depesche wieder Licht
auf die Absichten Brussilows. Aus den abgehorchten Anordnungen des
Generals ließ sich auch das Mißgeschick des k. u. k. XIII. Korps erklären
(S. 174), da sich diesem gegenüber überlegene feindliche Kräfte versam-
melt hatten. Bis zur Übernahme des Befehles über die 9. Armee durch Let-
schitzki am 27. Februar leitete Brussilow die Abwehr auf dem linken
Brussilows Angriffspläne gegen die Armeegruppe Pflanzer-Baltin
187
Heeresflügel der Russen in offensiverWeise. Er verfügte für diesen Tag
den allgemeinen Angriff der über Stryj—Dolina und über Halicz heran-
geführten Verstärkungen in der Richtung auf Nadwórna—Delatyn, um
die Armeegruppe Pflanzer-Baltin von den Karpathen abzuschneiden und,
wie er sich ausdrückte, „zu fangen und zu vernichten". Unter Gen.
Sacharow, dem Führer des XI. Korps, sollten das XVII. Korps (3. und
35. ID.) sowie die von Anbeginn hier fechtenden Teile des XXX. zum
Hauptstoß von Westen gegen Bohorodczany, südlich davon das XI. Korps
mit der 32. ID. gegen Solotwina vorgehen, während dessen 11. ID. als
Reserve zu folgen und zur Deckung der rechten Flanke die Täler der
Lomnica und der Bystrzyca Solotwinska mit je einem Regiment zu
sperren hatte. Das links vom XVII. Korps bei Kalusz und nördlich davon
befindliche II. Kavalleriekorps erhielt Befehl, mit einer Gruppe das Korps
Rhemen in der Nordflanke zu überfallen und mit seiner Hauptkraft in
Flanke und Rücken des Korps Czibulka zu wirken. Die über Stanislau
zurückgedrängten Teile des XXX. Korps wurden angewiesen, im Ein-
klänge mit dem Reiterkorps neuerlich anzugreifen. Endlich hatte die von
Ni±niow vertriebene, auch zum XXX. Korps gehörige Gruppe den Dniester
wieder zu überschreiten und gegen Tysmienica vorzudringen. Die Be-
dächtigkeit der russischen Angriffsvorbereitungen brachte es mit sich,
daß diese Befehle am 27. noch nicht recht wirksam wurden.
GdK. Pflanzer-Baltin gab indes die Hoffnung nicht auf, gegen Dolina
durchstoßen zu können. Er wollte südlich von Kalusz aus der 5.HKD.
und der 10. KD., sowie Teilen der 5. und später auch aus der 36. ID.
eine Mittelgruppe unter dem Befehl des GdK. Marschall bilden, der augen-
blicklich ohne Kommando war. Marschall hatte sodann das gegenüber-
stehende russische II. Kavalleriekorps zu schlagen, gegen Dolina—Bole-
chów vorzugehen, die Eisenbahn zwischen Stryj und Dolina sowie
alle gegen Stryj heranführenden Schienenstränge zu unterbrechen und
überhaupt gegen die Verbindungen der Russen zu wirken. Dem sonach
erheblich geschwächten Korps Czibulka wurde befohlen, sich mit der
Gruppe Benigni nördlich von Stanislau zu behaupten, Lilienhoff sollte
einen Dniesterübergang der Russen bei Ni£niow verhindern, während auf
dem entgegengesetzten Flügel das hart mitgenommene Korps Rhemen,
unterstützt von Teilen der 5. ID., die Lomnicalinie zu halten und sich
mit seinem Nordflügel dem Angriffe Marschalls anzuschließen hatte.
Die Versammlung der Gruppe Marschall verzögerte sich und gedieh
während des 27. nicht weit. Immerhin wendete das Vorgehen einzelner
Abteilungen über Wistowa gegen Kalusz die Gefahr für den Nordflügel
188
Der Karpathenwinter 1914/15
des XIII. Korps ab; dieses und die zur Stelle befindlichen Kräfte Mar-
schalls vermochten sich an der Lomnica zu behaupten. Dagegen wurde
Benigni nördlich von Stanislau vom Feinde heftig angepackt und sein
rechter Flügel nach hin und her wogendem Kampfe zum Ausweichen ge-
zwungen. Überdies keilte sich eine russische Kolonne, die bei Medynia
die Lomnica überschritten hatte, in die Nahtstelle der Fronten Czibulkas
und Marschalls ein und brach am 28. in der Richtung auf Stanislau durch.
An diesem Tage gestaltete sich daher die Lage schon recht kritisch1).
Wohl vereitelte Lilienhoff feindliche Versuche, den Dniester unterhalb
von Ni£niow zu überschreiten; doch wurde Benigni, der sich nicht nur
der von Norden anstürmenden Russen erwehrt, sondern auch mit Hilfe
von Verstärkungen seinen rechten Flügel wieder vorgebracht hatte, jetzt
in Flanke und Rücken bedroht. Marschall, selbst frontal angegriffen, ver-
mochte dem bedrängten Nachbar nicht beizustehen.
Trotzdem auf dem Südflügel der Armeegruppe die geschwächte 6.ID.
abermals zurückgeworfen wurde, beschloß Pflanzer-Baltin, an der Bystr-
zyca südlich von Jezupol, dann im Norden von Stanislau und an der
Lomnica oberhalb von Wistowa so lange Widerstand zu leisten, bis ihn
das Eintreffen der heiß ersehnten Verstärkungen zur Wiederaufnahme
der Offensive befähigen mochte. Schon langte die Spitzenstaffel des
XI.Korps2) inDelatyn ein; dann kam die deutsche 5.KD. heran und end-
lich hatte die Heeresleitung noch die 6. KD. der 4. Armee nach Ó Radna
und Borgo Prund gewiesen3).
Am 1. März steigerte sich die Krise durch die Fortsetzung des russi-
schen Angriffes um ein Beträchtliches. Der Feind drängte die auf dem
rechten Flügel des XIII. Korps fechtenden Truppen der 5. ID. gegen
Osten zurück, worauf auch die anstoßenden Teile der Front Marschalls,
dem jetzt das Ostkorps und überdies die 10. KD. und die 5. HKD. sowie
x) Bei der 36. ID. vollbrachte Hptm. Georg Petricevic des IR. 16 am 28. Februar
eine glänzende Waffentat, die ihm das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens
einbrachte. Die Russen hatten sein Regiment bei Sielec (westlich von Jezupol) gänzlich
eingekreist. Petricevic stieß mit einer Handvoll Leuten vor und befreite seinen Truppen-
körper aus der mißlichen Lage, wobei er auch zehn schon verloren gegangene Ge-
schütze zurückeroberte. Dann übernahm er den Befehl über die bei Sielec befindlichen
Teile seines Regiments, warf die weit überlegenen Russen aus dem Orte heraus und
behauptete das Dorf gegen alle Versuche der Russen, es wiederzugewinnen.
2) Das XI. Korps bestand aus der 30. und der 15. ID.; in den Verband der 30.ID.
gehörten die 16. IBrig. und die 88. KSchBrig. Die 60. IBrig. war bei der 4. Armee
zurückgeblieben und trat zur 106. LstlD.
3) Vgl. für Ó Radna die Übersichtskarte; Borgo Prund, Bahnstation sw. davon.
Zurücknahme der Armeegruppe Pflanfcer-Baltin
189
Teile der 16. IBrig. (Spitzenbrigade des XI. Korps) unterstellt waren,
rasch zu weichen begannen. Eine Lücke von etwa 8 km Breite sprang auf,
in die sich einzelne russische Trupps, allerdings nur zaghaft, hinein-
schoben. Unter diesen bedrohlichen Umständen ließ GdK. Pflanzer-Baltin
vier Feldjägerbataillone der 16. IBrig. auf Lastautos und leeren Ver-
pflegsfuhrwerken nach Bohorodczany fahren, zog auch Teile der Gruppe
Lilienhoff heran und hoffte, mit diesem Kräfteeinschub der Lage an den
inneren Flügeln Marschalls und Rhemens Herr zu werden.
Bis zum Morgen des 2. März war hier das Ärgste abgewendet. In den
nächsten Stunden gestaltete sich jedoch der Abwehrkampf des XIII.Korps
recht ungünstig. Die 42. HID., bei Krasna durchbrochen, gab Raum und
Gdl. Rhemen mußte den Rückzug seiner Truppen an die Bystrzyca
Solotwinska anordnen1), wodurch auch der rechte Nachbar mitgerissen
wurde (Skizze 14). Nunmehr war eine gegen Nordwest gerichtete Front
entstanden, die ihren rechten Flügel der Aufrollung durch den Feind
geradezu darbot und unhaltbar war. Pflanzer-Baltin nahm daher, rasch
entschlossen, seine Linien unter Festhaltung des als Pivot dienenden
westlichen Flügels in der Nacht auf den 3. gegen Süden zurück. Ohne
von den Russen gestört zu werden, gelangten die Truppen in eine schon
vorher eiligst technisch verstärkte Stellung, deren Verlauf ebenso wie die
neue Kräfteverteilung aus Skizze 15 zu ersehen ist.
So hatte es die russische Führung zuwegegebracht, die dem Ost-
flügel ihres Heeres drohende Umfassung in elfter Stunde abzuwehren.
Ohne Rücksicht darauf, daß ein rasches Vordringen Pflanzer-Baltins den
der deutschen Südarmee gegenüberstehenden Truppen eine Katastrophe
bereiten konnte, hatte sie kein Zurückweichen dieses Frontstückes ge-
stattet und die allmählich herankommenden Teile der 9. Armee zur Offen-
sive in südöstlicher Richtung eingesetzt, mit dem Zwecke, die k. u. k.
Armeegruppe von den Karpathen abzudrängen. Die wuchtigen Angriffe
der Russen gegen den linken Flügel durchkreuzten im letzten Augenblicke
das von Pflanzer-Baltin so glücklich angebahnte Hilfsunternehmen für
Linsingen. Der sich zusehends verstärkende Feind wäre aber auch in der
Lage gewesen, die im Mündungswinkel der Lomnica fechtenden Teile
der Armeegruppe bei Stanislau und über Ni¿niów einzukreisen (Skizze 14).
Der Scharfblick des Armeegruppenführers und die Schwerfälligkeit russi-
scher Heeresbewegungen sorgten dafür, daß dem vorgebeugt wurde.
Immerhin würde manches anders gekommen sein, wenn Pflanzer-Baltin
rechtzeitig, etwa spätestens am 20. Februar, über genügende Kräfte ver-
x) Die 6. ID. zählte nur 2000, die 42. HID. noch 4500 Feuergewehre.
190
Der Karpathen winter 1914/15
fügt hätte, seine Hand auf Dolina zu legen, ehe sich die russischen Massen
vor die halbgeöffnete Pforte schoben. Brach hierauf Linsingen aus den
aufgeriegelten Gebirgstälern zur gemeinsamen Vorrückung mit dem rech-
ten Nachbar hervor, während die 2., die 3. und die 4. Armee den Feind
kräftig anpackten, so hätte Przemysl durch eine solche einheitliche
Kriegshandlung vielleicht doch noch gerettet werden können.
An Versuchen, den rechten Heeresflügel in Schwung !zu bringen,
fehlte es bekanntlich nicht. Der Generalstabschef der Armeegruppe hatte
dem Kmdo. der Südarmee am 27. Februar nahegelegt, die deutsche 4. ID.
über Huszt und in Fußmärschen durch das Taraci- und Lomnica-
tal nach Jasien an den linken Flügel Pflanzer-Baltins zu dirigieren.
Diesem Vorschlag hielt jedoch Linsingen entgegen, daß die Division erst
am 9. März, also reichlich spät, nach Jasien gelangen konnte. Auch die
Anregung der k. u. k. Heeresleitung, eine Kampfgruppe von Linsingens
rechtem Flügel über Osmoloda nach Jasien zu entsenden, ließ sich nicht
verwirklichen, da bei dem schweren Ringen der 19. ID. um den Besitz
des Wyszkówsattels nicht ein Gewehr entbehrt werden konnte.
Aber GdK. Pflanzer-Baltin fühlte sich in seinem Angriffsdrange
um so weniger gelähmt, als der Feind den abziehenden Truppen Czibul-
kas nicht folgte, weshalb diese Gruppe am 4. in die Flanke der mit dem
XIII. Korps fechtenden Russen stoßen sollte. Doch der Zustand der
erschöpften Mannschaft verhinderte die Ausführung dieser Absicht.
Schon am 5. war die ganze 30. ID. des anrollenden XI. Korps zur
Stützung des linken Flügels verfügbar; sie löste die 42. HID. ab, in der
Pflanzer-Baltin nunmehr eine Reserve gewann. Während der folgenden
Tage kämpften GM. Lilienhoff und die 10. KD. bei Tlumacz und hielten
den Feind in Schach. Als am 6. ein aufgefangener Funkspruch besagte,
daß das russische II. Kavalleriekorps beauftragt sei, nach Osten auszu-
greifen und sich der Stadt Kolomea zu bemächtigen, wurde ein bei
Obertyn unter dem Befehle Marschalls zu versammelndes Kavallerie-
korps (10. KD., 5. HKD., deutsche 5. KI), und Gruppe Lilienhoff) be-
ordert, gegen Tlumacz vorzudringen. Noch am gleichen Tage warfen
die Bataillone Lilienhoffs und die Schwadronen der 10. KD. den Feind
gegen diesen Ort zurück.
Die Armeegruppe stand nunmehr mit nur 28.000 Feuergewehren
der doppelten, an Reiterei dreifachen Überlegenheit der Russen gegen-
über. Dieses Kräfteverhältnis veranlaßte Pflanzer-Baltin, das AOK. um
rasche Heranbeförderung der zweiten Division des XI. Korps, der 15. ID.,
zu bitten. Die 6. KD. wollte er über Kuty—Wiznitz heranziehen. Es war
Eintreffen des XI. Korps auf dem rechten Heeresflügel
191
aber nun unmöglich geworden, die bisherige Kräfteverteilung, die auf
den Vorstoß gegen Dolina eingestellt war, beizubehalten, weil sich did
Russen anschickten, den rechten Flügel seiner Hauptkraft mit Über-
macht anzufallen und dessen Standfestigkeit darüber entschied, ob sich
die Armeegruppe vorwärts der Enge von Delatyn werde behaupten können.
Auch diese Aufgabe wollte Pflanzer-Baltin in offensivem Sinne lösen.
Die einzelnen Staffeln der 15. ID. wurden über Delatyn und Kolomea
in der Richtung auf Ottynia weitergefahren. Nach gelungener Beschleuni-
gung der Spitzentransporte, im allgemeinen aber doch nach erheblicher
Verzögerung wegen der zweischneidigen Maßnahme des „Echellon-
transportes", wurde die Division am rechten Flügel der Armeegruppe
eingesetzt. Während der wechselvollen Kämpfe, die in der Zeit vom
6. bis zum 10. März tobten, hielten sich die Parteien so ziemlich die
Waage. Czibulkas linker Flügel erzielte am 9. erheblichen Raumgewinn,
ebenso glückte tags darauf der 5. ID. ein Vorstoß. Die Russen griffen zu
allen erdenklichen Mitteln der Kriegführung. So kündigten sie plötzlich
durch einen Parlamentär die Absicht an, 1500 jüdische Familien gegen
die öst.-ung. Linien abzuschieben, ein Ansinnen, das begreiflicherweise
vom Armeegruppenkmdo. abgelehnt wurde.
Am 10. und 11. wütete ein Schneesturm. Große Schneeverwehungen
verhinderten zunächst die Ausführung der auf beiden Seiten gehegten
Angriffspläne. Am 13. stürzte sich der Russe jedoch mit vier Kavallerie-
divisionen und einer Schützenbrigade auf Marschall und warf ihn zurück.
Schon setzte aber Czibulka zum Gegenangriff an, der tags darauf die
vom Feinde am rechten Flügel geschlagene Einbeulung glättete. Von
allen Seiten führte Pflanzer-Baltin Verstärkungen an die bedrohten.
Stellen, zum Teil auf Lastautos, zum Teil auf der Bahn über Delatyn.
Unter großen Verlusten brach schließlich der Angriff der Russen zu-
sammen. Nichtsdestoweniger stürmte der Feind am 17. und 18. wieder
auf der ganzen Front, besonders gegen Ottynia, los; seine Vorstöße
konnten aber, abgesehen von der 10. KD., die etwas Boden verlor,
überall zurückgewiesen werden. Endlich trat nach elftägigem Ringen
am 18. nachmittags eine Kampfpause ein, die Pflanzer-Baltin zum Ordnen
der Verbände benützte. Es wurden vier Gruppen gebildet: GdK. Mar-
schall (19.HKBrig., aus der stark gelichteten 5.HKD. formiert, 10. KD.
und deutsche 5. KD.), FML. Czibulka (36. ID., komb. IBrig. Obst. Wos-
sala und 15. ID.), Gdl. Rhemen (5. und 6. ID., als Korpsreserve die
16. IBrig. der 30. ID.) und die 42. HID. als Armeegruppenreserve. Der
Verband der 54. ID. wurde aufgelöst.
192
Der Karpathenwinter 1914/15
Jetzt erforderte aber der Schutz der Ostflanke und des Rückens der
Armeegruppe im Räume zwischen Dniester und Pruth besondere Maß-
nahmen, um so mehr, als sich der Feind in den letzten Tagen bei Zalesz-
czyki und Czernowitz wieder rühriger zeigte. Bisher war diese Auf-
gabe zwei Détachements übertragen, dem des Obstlt. Papp in Czernowitz,
wo am 16. ein russischer Vorstoß abgewiesen worden war, und dem des
Obstlt. Békési bei Horodenka; jetzt trat auch die 6. KD. hinzu, die bereits
am 19. gegen Osten vorstieß und die Russen aus Kotzman vertrieb. Um in
dieser Gegend Luft zu schaffen, erhielt FZM. Ljubicic, der Kommandant
des XI. Korps, den Befehl zur Wegnahme des Brückenkopfes Zaleszczyki,
wofür ihm der Armeegruppenführer die vorgenannten Verbände unter-
stellte und am 20. noch die 88. KSchBrig. samt dem Kmdo. der 30. ID.
mit der Bahn zuführen ließ. Pflanzer-Baltin drängte auf rasche Zer-
trümmerung dieser russischen Ausfallspforte, weshalb der Führer der
30. ID., FML. Kaiser, am 22. gegen Zaleszczyki loszugehen hatte, ob-
gleich die für das Unternehmen bestimmten Truppen nicht vollständig
zur Stelle waren. Während an diesem Tage nur einige wichtige Punkte im
Vorfeld des Brückenkopfes genommen werden konnten, wurden die Russen
von der 6. KD. im Einklänge mit dem über den Pruth vorgebrochenen
Detachement Papp zum Rückzug in östlicher Richtung gezwungen.
Das wechselvolle Ringen der Südarmee
(27. Februar bis 23. März)
Hiezu Skizzen 14 und 16
Unablässig setzte die deutsche Südarmee ihre Bemühungen fort, der
Armeegruppe Pflanzer-Baltin durch Eroberung des Wyszkówsattels auf
dem kürzesten Wege die Hand zu reichen. Hier war das XXIV. RKorps
am 27. und 28. Februar aufs neue vorgegangen und erzielte am 1. März
mit beiden umfassenden Flügeln Fortschritte, aber jede Bewegung auf
den tief verschneiten Bergen war zu einer, für die Führung unerträglichen
Langsamkeit verurteilt, die dem Russen immer Zeit zu Gegenmaßnahmen
ließ. Hofmann unterstützte den Nachbar durch gleichzeitiges Vorgehen
mit gutem Erfolge, weiter links vermochte jedoch die deutsche 1. ID.
nicht vorwärts zu kommen. Vom 2. März an sollte eine kurze Erholungs-
pause eingeschaltet werden. Doch schon tags darauf mahnte die Heeres-
leitung, die Armee habe mit aller Energie vorzudringen und den Raum
Dolina—Stryj—Synowódsko zu erreichen, um dann entweder über Dro-
hobycz gegen Sambor oder zur Unterstützung des rechten Nachbarn,
Neuerlicher Angriff der Südarmee
193
unter Umständen aber mit dem Westflügel umfassend gegen Turka ein-
zugreifen. Unter den obwaltenden Verhältnissen mußte dies in Munkács
wie ferne Zukunftsmusik klingen. Linsingen berichtete nach Teschen,
daß er am 7. März wieder angreifen werde und bat abermals, ihm die
nördlich von den Karpathen fechtenden, an Pflanzer-Baltin abgetretenen
Teile der Südarmee zu unterstellen. Indes antwortete die Heeresleitung
am 5., der Armeegruppe sei es trotz des Einsatzes der 5. ID. und der
10. KD. bisher nicht gelungen, der Südarmee, die seit sechs Wochen nicht
durchzudringen vermöge, den Weg durch "das Gebirge zu öffnen, weil
die Russen ansehnliche Verstärkungen erhalten hatten. Die beantragte
Unterstellung sei ausgeschlossen. Nach dem Einsatz der deutschen 4. ID.
habe das Kmdo. der Südarmee den für den 7. beabsichtigten Angriff mit
aller Energie zu führen und mit der Westgruppe auf Skole durchzu-
dringen. Der Ostflügel Szurmays werde sich diesem Angriffe in der
Richtung auf Swidnik (am Stryjfluß) anschließen.
In Munkács hielt man aber die Richtung auf Skole, die über den
schwer bezwingbaren Zwinin führte, für weniger günstig und setzte die
deutsche 4. ID. rechts neben der Gruppe Hofmann ein, um die russi-
schen Linien an dieser Stelle zu durchbrechen. Übrigens hätte Szurmay
gar nicht mitwirken können, weil er auftragsgemäß mit dem entgegen-
gesetzten Flügel anzugreifen hatte (S. 183); für die von der 3.GID. ge-
wünschte Übernahme eines Frontstückes waren deshalb keine Truppen
mehr übrig. Linsingen hatte seine Streitkräfte nunmehr in drei Korps
gegliedert: XXIV. RKorps (Gdl. v. Gerok), Hofmann, zu dem noch die
deutsche 4. ID. trat, und komb. Korps (deutsche 1. ID. und 3. GID.).
Beim XXIV. RKorps blieb der Kampf im Gange, doch zwangen
russische Gegenstöße die 19. ID., am 6. weit nach Osten auszuweichen;
weder die Swica- noch die Beskidklause konnten genommen werden, so
daß hier die Dinge schlechter standen als vor dem 19. Februar. Dagegen
drang der linke Flügel des Korps an diesem Tage etwas vor und auch
Hof mann beteiligte sich an diesen Kämpfen.
Bei 23° Kälte und dichtem Nebel schritt die Armee am 7. zum ent-
scheidenden Angriff, der beim XXIV. RKorps vor den vollbesetzten
feindlichen Schneedeckungen sofort zum Stehen kam. In den Tagen bis
zum 18. vermochte sich der linke Flügel Geroks wieder etwas vorzu-
arbeiten und das gewonnene Gelände gegenüber wütenden Anstürmen der
Russen zu behaupten. Die deutsche 4. ID. warf die Russen wohl bei Be-
ginn der Vorrückung eine Strecke zurück, doch verzeichnete das Korps
Hofmann in den folgenden Tagen nur mäßige Fortschritte; bald mußte
II 13
194
Der Karpathen winter 1914/15
es sich im stehenden Kampfe damit begnügen, feindliche Vorstöße abzu-
weisen. Als ärgster Feind erwies sich der tiefe Schnee. Am 9. März
mußten zwei Kompagnien buchstäblich aus dem weißen Grabe geschau-
felt werden. Beim komb. Korps wurde die deutsche 1. ID. genötigt, die
kaum eroberte russische Hauptstellung wieder zu räumen; die 3.GID.
kämpfte sich gegen den höchsten Punkt des Zwinin vor. Am 10. be-
mächtigte sich die Division Conta (l.ID.) des mittleren Zwininrückens
und drang weiter gegen Osten vor. Um diesen Erfolg auszubauen, schickte
ihr Linsingen eine Brigade der 4. ID. des Korps Hofmann zu Hilfe, die
am 14. eintraf. GLt. v. Conta entschloß sich jetzt aber, gegen die schier
uneinnehmbare Hauptstellung auf dem Zwinin mit der Sappe vorzugehen.
Der allgemeine Angriff sollte nunmehr erst am 20. fortgeführt
werden; bis dahin galt es, die unaufhörlichen Gegenstöße der Russen
abzuwehren. Gleichviel, ob nun diese neuerliche Offensive, wie Gerok
vorschlug, durch eine östlich vom Swicatale weit ausholende Umfassung
des feindlichen Ostflügels oder, wie Hofmann meinte, mit einem Durch-
bruche gegen Tuchla einzuleiten sei, beide Führer hielten den Zuschub
von Verstärkungen für unerläßlich. Linsingen änderte seine bisherige
Ansicht nicht und berichtete am 18. an Kaiser Wilhelm, daß ihm den
Austritt aus dem Gebirge nur starke Kräfte erkämpfen könnten, die ent-
lang des Nordhanges der Karpathen vordringen würden. Im gleichen
Sinne lautete Linsingens schriftlicher Antrag vom 23. März an die k.u.k.
Heeresleitung. Der Armeeführer schlug vor, die Südarmee, mit Ausnahme
einer durch frische öst.-ung. Verbände zu unterstützenden Gruppe Hof-
mann, über Delatyn und Kimpolung hinter dem rechten Flügel Pflanzer-
Baltins zu versammeln und durch ein k. u. k. Korps der 2. oder der
3. Armee sowie ein deutsches Korps zu verstärken. Mit diesen Kräften samt
der ihm zu unterstellenden Armeegruppe Pflanzer-Baltin wollte Linsingen
die Flanke des russischen Heeres in Ostgalizien angreifen. Wie noch zu
schildern sein wird, hatte jedoch Iwanow bereits seine starke Offensive
gegen Böhm-Ermolli und Boroevic begonnen, als dieser Bericht in Teschen
einlangte. In den mittleren Karpathen lag jetzt die Entscheidung.
Als die Südarmee dessenungeachtet am 20. März von neuem zum
allgemeinen Angriff vorgeführt wurde, aber nirgends einen Erfolg er-
zwang, hielt Linsingen dafür, daß die Angriffskraft der verbündeten
Truppen für weitere Anstrengungen nicht mehr ausreichte1). Dies traf
doch nicht ganz zu.
*•) Von Mitte März an betrug der tägliche Krankenabgang 400 bis 700 Mann. Vom
11. bis 23. März fielen 6760 Kranke ab (Reichsarchiv, Manuskript).
Offensive der deutschen 9. Armee
195
Plötzlich schlug die Witterung um. Die weiten Schneefelder erglänz-
ten im Sonnenlicht und die klare Luft begünstigte die Schußbeobachtung
der Artillerie. So brachte denn die Fortsetzung des Unternehmens am
22. wenigstens eine Reihe örtlicher Erfolge. Das XXIV. RKorps erstritt
beiderseits der Wyszkówer Straße, im Anschlüsse daran Hofmanns rech-
ter Flügel, ein ansehnliches Stück Boden. Die 19. ID. drang sogar in die
feindliche Hauptstellung ein und nahm zahlreiche Russen gefangen.
Auch das komb. Korps, über das am 23. der bayerische Gdl. Gf. v. Bothmer
den Befehl übernahm, kam gut vorwärts (Skizze 16).
Die Vorgänge an der Front nördlich der Weichsel his zum 22. März
H i e z u Skizzen 7 und 17
Während das Ringen in den Karpathen und an den Grenzen Ost-
preußens andauerte, bildeten die im Weichselbogen stehenden Streit-
kräfte für Freund und Feind das Reservoir zur Verstärkung wichtiger
Frontteile. Seitdem die deutsche 9. Armee die Offensive Hindenburgs
gegen den Niemen um die Monatswende Jänner-Februar durch ihre Vor-
stöße unterstützt hatte, wobei Woyrsch und Dankl durch Angriffsdrohun-
gen mitwirkten, war es in Westpolen zu keinen entscheidenden Kampf-
handlungen gekommen. Die Russen bemühten sich bloß, durch erhöhte
Tätigkeit im Vorfelde ihrer Stellungen das Herausziehen einzelner
Armeekörper zu verschleiern.
Am 3. März erfuhr Conrad durch den deutschen bevollmächtigten
General Cramon, daß die 9. Armee am 5. mit einem Durchbruche der
russischen Front knapp nördlich der Pilica beginnen werde; Woyrsch
sei, obgleich der k. u. k. Heeresleitung unterstellt, bereits angewiesen,
den Feind durch einen Angriff auf Lopuszno an Kräfteverschiebungen
zu hindern.
Die deutsche 9. Armee schlug eine starke Einbeulung in den Zug
der feindlichen Linien. Auf dem Nordflügel der Armee Woyrsch hatte
Gdl. Kövess nach dem Abgehen Böhm-Ermollis den Befehl über die zu-
rückbleibenden Teile der 2. Armee übernommen. Er verlängerte seinen
linken Flügel zur Ablösung der deutschen Besatzung im Brückenkopfe
von Inowlodz und verfügte auch den Einsatz der 7. KD. nördlich von
der Pilica1), alles, um Kräfte des Nachbarn freizumachen. Das deutsche
LKorps nahm die russischen Vorstellungen bei Lopuszno, vermochte aber
*) Die 7. KD. gelangte am 21. März wieder hinter die Front der Armeegruppe
Kövess.
13*
196
Der Karpathenwinter 1914/15
nicht, sich der Hauptstellung zu bemächtigen. Die Division Bredow und
die 1. Armee unterstützten den Angriff Mackensens durch wirksame
Scheinunternehmen. Der Russe wurde um seine polnische Front besorgt und
zögerte, weitere Kräfte auf das rechte Weichselufer abzuziehen, wo in-
zwischen heftige Kämpfe entbrannt waren. Die Offensive Alexejews be-
drohte am 5. die Mitte der deutschen 8. Armee mit dem Durchbruche^
so daß der deutsche Angriff auf Ossowiec abgebrochen werden mußte.
Aber schon rüstete sich Gallwitz zum Gegenschlag und erschien am 9.
wieder vor Przasnysz, während sich der rechte Flügel der deutschen
8. Armee von neuem gegen Ostrolçka vorschob. Die russische Über-
legenheit war jedoch zu bedeutend, als daß man gegen den Narew hätte
vordringen können. Hindenburg zog daher seine Armeen gegen die ost-
preußische Grenze zurück.
Dieletzten An strengungen zumEntsatze von Przemysl
Lagebeurteilung in Neschen nach dem Ergebnis der ersten Angriffe
der 2. und der 3. Armee
Hiezu Beilage 8 sowie Skizze 8
Nach dem Willen der Heeresleitung sollte in diesem Feldzugs-
abschnitt die Entscheidung gegen Rußland in den mittleren Karpathen
fallen, wo die 2. und die 3. Armee zu einem großen Schlage ausholten.
Ungleich der Wucht späterer mächtiger Offensivunternehmungen, die
in günstiger Jahreszeit stattfanden und zum mindesten im ersten Aus-
holen einen raumgreifenden Erfolg erzielten, entbrannte das schicksal-
hafte Ringen auf dem Gebirgswalle unter schweren Hemmungen. Nur
langsam bahnten sich die entkräfteten Mannschaften den Pfad durch
den tiefen Schnee.
Die vom GdK. Tersztyánszky befehligte Hauptangriffsgruppe war
mit ihren 52.000 Feuergewehren den etwa 37.000 gegenüberstehenden
Russen der Zahl nach überlegen, dochudie artilleristische Unterstützung
beiläufig durch sechs Rohre auf den Kilometer blieb bei der im Gebirge
an und für sich verminderten Wirkungsmöglichkeit und der wegen un-
sichtiger Witterung in hohem Grade erschwerten Schußbeobachtung weit
hinter den Wünschen der vorgehenden Infanterie zurück.
Wie schon erwähnt (S. 181), hatte der Stoß des XIX. Korps über
Lupków dem Angriffe gegen Baligród um vierundzwanzig Stunden voran-
zugehen. Der 27. Februar brachte diesem Korps nur einen bescheidenen
Raumgewinn, den die 41. HID. am Vortage durch ihr entschlossenes Vor-
Verstärkung der Gruppe Tersfctyánszky
197
gehen gegen die Maguryczne angebahnt hatte. Jedoch entsprachen auch
in den beiden nächsten Tagen die vom XIX. Korps erzielten Fortschritte
nicht annähernd den Erwartungen der Führung, die mit dem Besitz der
Chryszczata, des Raumes bei Lupków und der Maguryczne gerechnet
hatte, wodurch die Westflanke der beiderseits der Baligróder Straße
vorgehenden Stoßgruppe gedeckt gewesen wäre. FML. Schmidt-Georgen-
egg, der dort mit der 27. und der 32. ID. sowie mit Teilen der 43. SchD.
gegen Norden vordrang, kam trotz vollen Einsatzes der beiden Heeres-
divisionen nur eine kurze Strecke vorwärts. Östlich von der Solinka
wandte sich das XVIII. Korps schon am 27. mit seinem Gros gegen
Tworylne am San und nahm dem Feinde einige Vorstellungen ab. Das
V. Korps beabsichtigte, den Fluß bei Chmiel zu forcieren; bis zum 1. März
abends war der Brückenschlag bis zur Mitte des Wasserlaufes gediehen.
Bei der 3. Armee wirkte die äußerste rechte Flügelgruppe der 24. ID.
seit dem 27. mit dem XIX. Korps in der Richtung auf Lupków zu-
sammen, blieb aber bald vor den starken russischen Stellungen liegen.
Am 28. begann auch bei Boroevic der allgemeine Angriff. Die Masse des
X. Korps, nunmehr durch die 45. SchD. verstärkt (S. 183), drang mit
dieser und Teilen der 21. SchD. sowie im Einklang mit der 20. HID. des
VII. Korps entschlossen gegen die Russen vor. In schwankenden und ver-
lustreichen Kämpfen, häufig zur Abwehr von Gegenstößen des Feindes
genötigt, vermochte der Ostflügel der 3. Armee bis zum Abend des
1. März wenigstens die gegenüberstehenden Russen zu binden, ohne sie
freilich aus ihren Bergstellungen werfen zu können.
GdK. Böhm-Ermolli beschloß, den Angriff Tersztyánszkys gegen
Baligród durch die ungesäumte Zuführung frischer Kräfte der 13. SchD.,
dann der 31. ID., zu nähren. Zur Schaffung einer neuen Armeereserve
wurde Szurmay angewiesen, die aus der Front gelöste 66. IBrig. bis zum
2. hinter das V.Korps nach Ustrzyki Grn. zu verschieben. Weiters kündigte
das AOK. den Antransport der 14. ID. der 1. Armee an. Diese, am 27. Fe-
bruar aus der Front der 1. Armee gezogen, begann am 4. März mit dem
Abtransport auf der Karl Ludwig-Bahn und wurde mit der Hauptkraft
nach Homonna—Takcsány, mit Teilen nach N.- und KisBerezná geleitet.
Der Beginn der Offensive berechtigte sonach keineswegs zu großen
Hoffnungen. In einem Ferngespräch, das am 1. März zwischen GM.
Metzger und dem Chef der Generalstabsabteilung des 4. Armeekmdos.,
Oberst Paie, geführt wurde, spiegelte sich die Lagebeurteilung der
Heeresleitung am klarsten wider. Der General teilte mit: der äußerste
rechte Heeresflügel, die Armeegruppe Pflanzer-Baltin, auf den Strang
198
Der Karpathenwinter 1914/15
einer wenig leistungsfähigen Gebirgsbahn angewiesen, könne nur all-
mählich verstärkt werden, so daß die Armeegruppe keinesfalls recht-
zeitig für die Operation der 2. Armee gegen Przemysl wirksam werde.
Die Südarmee habe bis jetzt keinen nennenswerten Raumgewinn erzielt,
vielleicht werde ihr der demnächst bevorstehende Einsatz der deutschen
4. ID. neuen Antrieb verleihen. Doch sei auch von dem rechten Flügel
der 2. Armee kein ausgiebiger Fortschritt zu erwarten, denn dort stün-
den Szurmays drei Divisionen beiderseits der Straße nach Turka den
von Natur aus starken und von den Russen befestigten Rückenlinien
gegenüber; dagegen hoffe man auf das Gelingen der Offensive der starken
Angriffsstaffel Tersztyánszkys über Lisko—Ustrzyki Dl. gegen Przemysl.
Ebenso könnten der rechte Flügel und die Mitte der 3. Armee vielleicht
gegen Sanok—Rymanów vordringen. Hierauf skizzierte Metzger das
nicht ungünstige Kräfteverhältnis, wonach den einundzwanzig Divisionen
(120.000 Gewehren) der 2. und der 3. Armee bloß neun bis zwölf russi-
sche Divisionen gegenüberstünden.
Zur Herbeiführung eines durchschlagenden Erfolges entschloß sich
das AOK., nunmehr auch die 100.000 Feuergewehre der 4. Armee zu
einem West-Oststoße einzusetzen. Aber es waren die Aussichten für den
Angriff der 2. und 3. Armee doch nicht allzu hoch zu veranschlagen, da
infolge der ungünstigen Ausgangslage und des durch den Aufbau des
Gebirges bedingten Zuges der Kommunikationen der Stoß der achtzehn
Angriffsdivisionen gegen Norden schwer einheitlich zu gestalten war;
nur eine Reihe großer taktischer Erfolge ließ einen Zusammenschluß
dieser Kräfte am Nordhang des Gebirges erhoffen. Danach beurteilt,
hätte die Verlegung des Schwergewichtes auf den Raum beiderseits der
Turkastraße sicherlich günstigere Aussichten geboten. Die Gründe, warum
das 2. Armeekmdo. davon ebenso absah wie von der durch das AOK.
bevorzugten und durch Boroevic im Jänner versuchten Offensive gegen
den Raum bei Ustrzyki Dl., sind bereits erörtert worden (S. 181); vor
allem zweifelte man in Ungvár darair, daß es der Südarmee gelingen
werde, aus dem Gebirge vorzubrechen. Dies wäre aber die wichtigste
Vorbedingung für die Wahl einer mehr nach Osten gelegenen Angriffs-
richtung gewesen.
Der Angriff der 4. Armee
(27. Februar bis 17. März)
Hiezu Skizzen 13 und 18
Beim 4. Armeekmdo. wartete man gespannt auf weitere Anzeichen,
die auf Dimitriews Rückzug deuten konnten. Aber bei den Russen rührte
Angriffspläne des 4. Armeekmdos.
199
sich nichts. Nach Ansicht Conrads sollte sich jedoch die 4. Armee tinter
allen Umständen der allgemeinen Offensive anschließen. Zuerst regte
das AOK., wie schon früher einmal (S. 178), die Bildung einer starken
Stoßgruppe im Bergland südlich von Tarnów an. Das 4. Armeekmdo.
zog jedoch die Richtung auf Jaslo vor, wo drei Divisionen angesetzt
werden sollten, aber erst, wenn der Feind tatsächlich mit dem Abzüge
begann. Indes baute es auf das Gelingen eines solchen Stirnangriffes nicht
allzu fest und würde abermals bereit gewesen sein, Kräfte an Pflanzer-
Baltin abzugeben. Dies wurde jedoch in Teschen abgelehnt, weil die Bahn
über Máramaros-Sziget nur eine tägliche Leistungsfähigkeit von zwölf
Zügen besaß, sich überdies ein Angriff dieses äußersten Ostflügels auf
die Gesamtfront nicht rasch genug auswirken konnte.
Im Verlaufe der weiteren Besprechungen kehrte das 4. Armeekmdo.
zu seinem früheren Vorschlage zurück: Stoß auf der Straße Gorlice—
Jaslo und südlich von ihr, Nebenangriff auf Staszkówka. Hiebei betonte
Erzherzog Joseph Ferdinand seine pflichtmäßige Bereitwilligkeit zur
Durchführung dieses Planes, unterließ es aber wieder nicht, auf die
Schwierigkeit des Unternehmens und die voraussichtlich großen Opfer
aufmerksam zu machen. Angesichts dieser Bedenken neigte die Heeres-
leitung zu einer Wiederholung des Februarunternehmens gegen Banica,
da die Offensive der benachbarten achtzehn Divisionen gegen Norden
„insolange wie eine Wagendeichsel aus der Front" herausstoßen würde,
als die Russen nicht aus dem Räume zwischen den inneren Flügeln der
beiden Armeen herausgeworfen wären. Mit dem Fortschreiten der großen
Operation würden sich die beiden Flanken immer mehr verlängern, bis
der Stoß rettungslos versandete. Der Feind müsse daher aus der Ge-
gend von Banica verjagt werden. Dies sei von den drei Divisionen auf
dem Westflügel der 3. Armee, die hiezu frontal über die Ondava vor-
brechen müßten, allein nicht zu leisten, weshalb die 4. Armee, diesmial
mit drei Divisionen1), südlich von der Magóra vorzugehen hätte. Noch
ein anderer Vorteil würde sich daraus ergeben. Wenn die Russen infolge
der Offensive der 2. und der 3. Armee gegen Norden bis an die Becken-
reihe Jaslo—Krosno—Sanok zurückwichen, sei auch Dimitriew gezwungen,
seinen Südflügel der Aufrollung durch die konzentrisch vorgehenden
inneren Flügel der beiden Armeen zu entziehen und seine Front bis an
die Wisloka von Jaslo bis zur Mündung zurückzunehmen. Wenn sich
dann bereits stärkere Kräfte des Erzherzogs südlich von der Magóra
*■) Bei der im Februar unternommenen, mißlungenen Aktion hatte die 4. Armee
nur anderthalb Divisionen angesetzt.
200
Der Karpathenwinter 1914/15
befänden und auf Krosno ausgriffen, so würde die kaum gebildete russi-
sche Front aus den Angeln gehoben werden können. Dagegen träfe der
vom 4. Armeekmdo. geplante Stirnangriff über Gorlice auf mehrere stark
befestigte russische Stellungen und bliebe sicherlich noch vor Jaslo stecken.
Das 4. Armeekmdo. beharrte jedoch auf seiner Anschauung. Für den
Angriff über Baniqa benötige man vier Divisionen, um bis zur Straße
bei Zmigrod durchzudringen, die man weder verfügbar machen, noch in
dieser Gegend versorgen könne. Auf das III. Korps sei nach den bis-
herigen Erfahrungen nicht zu zählen. Die Mitwirkung der Artillerie sei
in diesem Gelände nicht in ausreichendem Maße möglich. Die Wieder-
holung des Stoßes würde auf die Unterführer und die Truppe den
ungünstigsten Eindruck machen. Endlich habe die dort anzutreffende
russische Reiterei den Ruf, im Fußgefechte viel standhafter zu sein als die
feindliche Infanterie. Der Angriff über Gorlice sei trotz aller taktischer
Nachteile vorzuziehen; es könnten hiezu mehr Truppen verfügbar ge-
macht werden als für den Südflügel und die Artillerie, zumal die mittlere,
vermöge hier ausgiebiger zu wirken.
Um einen Entschluß herbeizuführen, teilte das AOK. am 2. März
nach Okocim mit, falls zur Durchführung eines Angriffes überhaupt kein
rechtes Vertrauen bestehe, werde die 8. ID. abtransportiert werden. Dar-
auf entschied sich das 4. Armeekmdo. für den Angriff über Gorlice. Dieser
sei zwar schwierig und auf das Erreichen von Zmigrod könne man besten-
falls erst nach Ablauf einer Woche rechnen; immerhin sei die Sache doch
ins Werk zu setzen.
FML. Arz, mit der Leitung des Angriffes betraut, beabsichtigte, am
6. März mit der 12. ID., der halben 26. SchD., der 8.*) und der 10. ID.
gegen Gorlice, mit der 39. und der 51. HID. gegen Staszkówka vorzugehen.
Die Sicherung im Räume südlich der Magóra wurde der anderen halben
26. SchD. im Einklang mit dem linken Flügel der 3. Armee übertragen.
Wegen starken Schneetreibens wurde das Unternehmen verschoben,
auf Befehl der ungeduldig gewordenen Heeresleitung aber für die Nacht
auf den 8. in Aussicht genommen. Schlechte Witterung, so verlautete es
aus Teschen, dürfe kein Hindernis sein. Der Angriff der 4. Armee war
eben dringend geworden; die Lage erlaubte keine weitere Verzögerung.
Nach kräftiger Artillerievorbereitung begann am 7. bei Einbruch der
Dunkelheit die Vorrückung der einzelnen Gefechtsgruppen (Skizze 18).
Das Ergebnis des nächsten Tages bestand im wesentlichen darin, daß sich
!) Die 8. ID. (/KJR. 3 und 4, IR. 28 und F JB. 30) wurde aus dem nördlichen
Armeeabschnitte zunächst in den Raum bei Grybów verschoben.
Erfolge der 8. und der 12. ID. bei Gorlice
201
die 8. ID. mit großer Tapferkeit den Raum bei Sçkowa erstritt, die 12. ID.
in der Richtung gegen Gorlice erhebliche Fortschritte erzielte und auch
die Gruppe Hadfy, obgleich sie am linken Flügel einen Rückschlag erlitt,
gegen Staszkówka vordrang. Der Nordflügel der 4. Armee beschränkte
sich dem starken Feinde gegenüber auf Scheinunternehmen. Aber die
Offensive über Sçkowa und gegen Gorlice konnte nicht in Schwung er-
halten werden; abermals wurde die Tätigkeit der Truppen durch heftige
Schneestürme gehemmt und zahlreiche Erfrierungsfälle lichteten die Reihen
des Angreifers. Der Verlust vom 8. bis 11. März betrug etwa 6000 Mann.
Das 4. Armeekmdo. regte in Teschen an, die Fortführung des An-
griffes bis zum Eintritte besserer Witterung zu verschieben; auch eine
aus dem Abschnitte des FML. Roth herangezogene kombinierte Brigade
treffe zur Verstärkung des FML. Arz erst am 15. westlich von Gorlice
ein. Doch das AOK. forderte die Fortsetzung des Angriffes, da die in den
Karpathen mit ungleich größeren Opfern schwer ringenden Armeen sonst
nicht Raum gewinnen könnten. Solange man an der Karpathenfront „keine
geschlossene Mauer" vor sich gehabt hatte und hoffen durfte, dort „zügig"
vorwärts zu kommen, sei die Vernachlässigung der nach Osten gerich-
teten Frontteile (4., 1. und Armee Woyrsch) in weit höherem Maße mög-
lich gewesen als jetzt, wo man nicht mehr in der Lage wäre, einen
russischen Ost-Weststoß durch rasches Vordringen aus den Karpathen zu
parieren. Der Angriff der 4. Armee habe den Zweck, größere Verschie-
bungen des Feindes zu verhindern. Wenn alles mitwirke, könne der Feind
„zermürbt" werden.
Da es mit dem Anstürmen offensichtlich nicht ging, richtete sich die
4. Armee auf ein planmäßiges Vorarbeiten ein. Leider hatte eine schwere
Schlappe des tschechischen IR. 36 südlich von Sçkowa auf die Stimmung
des Angreifers ungünstig eingewirkt. Auch antworteten die Russen mit
unaufhörlichen Gegenstößen, deren Gewalt aber an der Standhaftigkeit
unserer Truppen zerbrach. So sqllte nun, nach dem Einsätze der vor-
erwähnten kombinierten Brigade, am 17. versucht werden, bei Gorlice
ein Loch zu schlagen.
Das Ringen der 2. und der 3. Armee auf seinem Höhepunkte
(2. bis 10. März)
Hiezu Beilage 8
Am 2. und 3. März erfolgte ein Gegenangriff von Brussilows VIII.
und XII. Korps, der mit besonderer Heftigkeit gegen die öst.-ung. Linien
202
Der Karpathenwinter 1914/15
heranbrandete und auch während der Nacht fortwütete. Trotzdem der
Feind hiefür seine abgekämpften Verbände rasch durch frische ersetzt
hatte, zerschellte der gegen die Armee Böhm-Ermolli beiderseits der Bali-
gróder Straße gerichtete Vorstoß an der Abwehr durch die Truppen
Tersztyánszkys. Bei der Armee Boroevic wurden das X. und das VII.Korps
von der Sturmflut erfaßt, doch setzten scharfe Gegenstöße der 45. SchD.
und der 20. HID. dem Beginnen des Feindes feste Schranken. Bevor die
Offensive fortgesetzt werden konnte, mußte aber das k.u.k. 3. Armee-
kmdo. am 4. eine Atempause einschalten, um die Verbände zu ordnen
und für neue Anstrengungen vorzubereiten.
Am 3. rief die Heeresleitung alle Armeen auf, den Feind endlich aus
West- und Mittelgalizien zu vertreiben und die Festung Przemysl bis
Mitte März zu entsetzen.
Aber Tersztyánszky vermochte trotz des Eingreifens der 13. SchD.
am 4. und der 31. ID. am 6. sowie einzelner taktischer Erfolge gegen
Baligród nicht entsprechend Raum zu gewinnen. Bei seiner Nordgruppe
focht nunmehr rechts von der Baligróder Straße das Korps FML. Lütgen-
dorf (31., 32. ID. und halbe 43. SchD.), links das Korps FML. Schmidt-
Georgenegg (13. SchD. und 27. ID.).
Der rechte Flügel der 2. Armee sollte durch Scheinangriffe die Auf-
merksamkeit des Feindes von der Richtung Baligród ablenken und ihn
um dieSanlinie besorgt machen. So kämpfte sich das XVIII. Korps gegen
den Fluß vor, wobei gelegentliche Rückschläge nicht ausgeblieben waren,
die Tersztyánszky am 2. sogar genötigt hatten, seinen Flügel abzubiegen.
Die vom V. Korps über die Brücke bei Chmiel auf das Nordufer gewor-
fenen Abteilungen vermochten dort niemals festen Fuß zu fassen und
auch die Unterstellung der Armeereserve (66. IBrig.) brachte in das ver-
lustvolle Ringen keinen frischen Impuls; das Korps war nicht imstande,
den langgestreckten Odrytrücken, das erstrebte Kampfziel, wieder zu ge-
winnen. Weiter oberhalb setzten sich am jenseitigen Sanufer einige Kom-
pagnien des äußersten rechten Flügels des V. Korps und vom linken Flügel
Szurmays fest.
Der 5. März brachte den hart mitgenommenen Truppen der 3. Armee
schweres Unheil. Ein vom VII. Korps und dem linken Flügel des X. Korps
angesetzter Angriff scheiterte unter großen Verlusten1), worauf Boroevic
weitere Vorstöße untersagte; seine Armee fiel in die Abwehr zurück.
Da dieser Entschluß den Ausgang des Gesamtunternehmens in Frage
stellte, wandte sich das 2. Armeekmdo. um Abhilfe nach Teschen. Die
1) Das VII. Korps hatte seit dem 1. März 60 o/o des Gefechtsstandes eingebüßt.
Der Heeresbefehl vom 6. März
203
Heeresleitung spornte nun am 6. abends alle Armeen zu unablässiger
Fortführung der Karpathenschlacht an1): „Auf der ganzen Kampffront
von der Weichsel bis nach Ostgalizien darf sich in diesen entscheidenden
Tagen kein Frontteil auf rein passives Verhalten beschränken." Im be-
sonderen wurde das 3.Armeekmdo. aufgefordert, nicht nur mit dem
rechten Flügel anzugreifen, sondern den Feind auch an den anderen
Frontabschnitten wenigstens durch Geschützfeuer und durch Vortreiben
starker Détachements zu binden.
Oberst Veith schreibt über diese Kampftage:
„Am 1. März setzt Nebel und heftiges Schneetreiben ein, alle Orientierung schwin-
det, ganze Regimenter verirren sich, katastrophale Verluste sind die Folge. Am 6. März
ein neuerlicher Wetterumschlag: klarer Himmel, bei Tag Tauwetter, bei Nacht Kälte
bis zu —20 Grad; die Folge ist gänzliche Vereisung aller Hänge, die jeden Angriff
auch ohne feindliche Gegenwirkung zu einer touristischen Höchstleistung macht. Und
als dies glücklich bewirkt ist, bleibt auch wieder der Sonnenschein aus, der wenigstens
in den Tagesstunden die Kämpfer etwas erwärmt hatte; ein eisiger Nordweststurm
zieht die letzte Wärme aus Mark und Bein. Im ganzen Angriffsraum kein Quartier,
kein Mann kommt durch Tage und Wochen aus den Kleidern, die bei den meisten
längst hart anliegende Eispanzer bilden; der steinhart gefrorene Boden verhindert die
Angreifenden, sich im feindlichen Feuer einzugraben, die Verluste steigern sich enorm.
Die Verwundeten, deren Abschub aufs äußerste erschwert ist, gehen massenhaft elend
zugrunde; der durch die wochenlangen Kämpfe und Entbehrungen erschöpfte Mann
darf sich auch bei Nacht nicht dem Schlafe hingeben, der sofortigen Erfrierungstod
bedeuten würde.....
Am 10. März bricht ein Schneesturm los, wie ihn anderswo nur die Gletscher-
region kennt. Jede Vorrückung stockt, jeder Krankenabschub wird unmöglich, ganze
Schwarmlinien deckt auf immer das weiße Tuch. Der vom Sturm blankgeschliffene
Eisboden ist vollends ungangbar, jedes Eingraben ausgeschlossen; deckungslos und
bewegungsunfähig steht die Infanterie vor den feindlichen Hindernissen, das Gros der
Artillerie noch immer drei bis vier Märsche hinter der Front 2) ! Und die Truppe hat
gehalten; trotz aller Meldungen ihrer Kommandanten, die seit Wochen die völlige Er-
schöpfung versichern, trotz aller inneren Verhetzungen und der sie rings umgebenden
Spionage3): trotz alldem hat sie in dieser Hölle durchgehalten."
Mühsam drangen in den nächsten Tagen einzelne Angriffskeile weiter
vor. Szurmays verstärkter linker Flügel kämpfte sich nördlich von der
!) In den letzten Tagen mehrten sich die Abgänge aus der Front in erschrecken-
der Weise. Beim XIX. Korps der 2. Armee betrugen sie bis zum 5. März 5000 Mann;
die 32. ID. war von 11.817 auf 5971 Feuergewehre zusammengeschmolzen.
2) Die fahrenden Batterien, welche keine Ausrüstung für den Gebirgstransport
besaßen, konnten nur in den Tälern und in unmittelbarer Nähe der wenigen Straßen
Verwendung finden, ein großer Teil war daher nicht vorgezogen worden.
3) Zu dieser Zeit tauchte vor der Front der 4. Armee ein von den Russen aus
tschechischen Gefangenen und Überläufern gebildetes Nachrichtendetachement auf.
204
Der Karpathenwinter 1914/15
Bahn näher an die vom Feinde stark besetzten Höhen heran, doch kam
das Vorgehen am 8. ¿rum Stehen, worauf der Gruppe das IR. 76 der 14. ID.1)
unterstellt wurde. Die Kämpfe der beiden links anschließenden Korps
waren rein örtlicher Natur, doch gab am gleichen Tage der Feind dem
Drucke des XVIII. Korps nach und räumte das westliche Sanufer.
Während die Nordgruppe Tersztyánszky s nur wenig Boden gewann,
errang das XIX. Korps einen ausgesprochenen Erfolg. Am 8. eroberte
die 41. HID. die Höhe Maguryczne und nahm den Russen eine große
Zahl von Gefangenen ab. Da auch die 29. ID. den Feind zurückdrängte,
konnte FML. Trollmann die Verfolgung einleiten, die am 9. bis hart an
die Bahnkurve bei Lupków gedieh. Als die Honvéds tags darauf den
Feind auch von der Chryszczata vertrieben2), war die Flanke der Nord-
gruppe (Korps Lütgendorf und Korps Schmidt) für die Fortsetzung des
Stoßes gegen Baligród vollkommen gesichert.
Inzwischen marschierte die Hauptkraft der 14. ID. über Cisna heran.
Über ihre Verwendung, die sich später als folgenschwer erwies, gingen
die Meinungen auseinander. Tersztyánszky wollte Trollmann verstärken,
um den Erfolg des XIX. Korps durch die Fortsetzung des Stoßes auf
Radoszyce auszubauen und damit seiner Nordgruppe mittelbar vorwärts
zu helfen. Doch das 2. Armeekmdo. befahl den Einsatz der Division auf
dem rechten Flügel Lütgendorfs, indem es am Leitgedanken der Opera-
tion festhielt. Noch war der Glaube an das Gelingen der Aktion auf
Przemysl nicht erschüttert, da man Lütgendorf und Schmidt-Georgenegg
an Feuergewehren für doppelt so stark als die gegenüberliegenden Russen
schätzte. Das Armeekmdo. verfehlte nicht, Tersztyánszky aufmerksam
zu machen, daß bisher niemals eine ähnliche Überlegenheit an entschei-
dender Stelle bestanden habe. Da die Flügel der Stoßstaffel aber zurück-
hingen, fehlte dem Stirnangriff jedwede flankierende Unterstützung und
ebenso eine ausreichende Mithilfe der Artillerie. Immer blieb der Ver-
teidiger im Bunde mit den Naturgewalten der Stärkere. Und doch hing
es nur an einem Faden und der Durchbruch der Stoßgruppe Tersztyánszky
wäre gelungen, denn schon meldete der Führer des VIII. Russenkorps,
er beabsichtige auf Sanok zu weichen. Da verbot ein scharfer Befehl
Brussilows den erschütterten Truppen jeden Schritt rückwärts3).
*) Das Regiment gehörte zu jenen Teilen der 14. ID., die auf dem nach Uzsok
führenden Schienenweg antransportiert wurden (vgl. auch S. 197).
2) Schon am 7. hatte sich ein kleiner Trupp der 41. HID. der Chryszczata be-
mächtigt, konnte sich aber dort nur kurze Zeit behaupten.
3 ) Broussilov, 110 ff.
Der Höhepunkt der Offensive der 2. Armee
205
Von einer Hilfeleistung der zusammengeschmolzenen und durch Fehl-
schläge erschütterten k. u. k. 3. Armee, der keine frischen Kräfte zuge-
führt werden konnten, war bei der 2. wenig zu spüren. Die russischen
Führer trieben ihre Scharen mit größter Rücksichtslosigkeit und bei voller
Mißachtung der furchtbaren Verluste, freilich ohne Nennenswertes zu er-
reichen, abermals gegen das X. und das VII. Korps vor. In der Abwehr
erschöpften sich die Kräfte der öst.-ung. Divisionen. Wieder griff die
Heeresleitung ein und forderte vom linken Flügel der Armee Boroevic
erhöhte Tätigkeit. Dort umspannten aber die dünnen Linien des XVII.
und des III. Korps einen Raum von etwa 35 km Frontbreite; der Angriff
über das Ondavatal gegen die starken und dichtbesetzten russischen Stel-
lungen bot wenig Aussicht auf Erfolg. Übrigens deuteten die in Kaschau
eingelaufenen Nachrichten auf eine angeblich am 10. beginnende groß-
angelegte Offensive des Feindes gegen die k. u. k. 3. Armee. Man stellte
sich daher auf die Verteidigung ein. Das X. Korps sammelte seine 2. ID.
als Reserve im Laborczatale.
Gerade jetzt aber zog der Russe hier einzelne vorgeprellte Gefechts-
gruppen in seine Hauptstellung zurück. Als Erklärung hiefür können die
Weisungen Iwanows vom 7. März an den Führer der russischen 3. Armee
gelten, wonach Dimitriew die Armee des Erzherzogs Joseph Ferdinand
und den Westflügel der Armee Boroevic mit einem Mindestmaß an Trup-
pen festzuhalten, starke Kräfte jedoch im Räume Mezölaborcz—Lup-
ków—Sanok zu einer Offensive auf Homonna zu versammeln hatte. Der
Befehlshaber der russischen Südwestfront wollte „den Feind, der sich
nach Przemysl durchschlagen will, im Rücken bedrohen"1). Die rück-
gängigen Bewegungen der Russen vor der Front der k. u. k. 3. Armee,
die man in Kaschau nicht zu deuten wußte, mögen diesen zunächst offen-
bar aufgeschobenen Angriff vorbereitet haben.
Der Massenstoß der k. u. k. 2. Armee hatte aber am 10. März seinen
Höhepunkt erreicht (Beilage 8). Die vorderen Linien waren seit Beginn
der Vorrückung nur um ein kleines Stück gegen Norden vorgedrungen.
Das endgültige Scheitern des Entsatzversuches
(11. bis 20. März)
Hiezu Beilage 8 sowie Skizze 18
In Teschen und Ungvár zerrte die Sorge um die eingeschlossene
Festung, deren Lebenskraft im Erlöschen war, an den Nerven der Führer
*) Boncz-Brujewitsch, I, 72.
206
Der Karpathenwinter 1914/15
und der Stäbe; wiederholt beförderte der Draht anspornende Befehle an
Tersztyánszky. Da erschütterte der Feind am 11. März das Gebäude der
öst.-ung. Offensive in seinen Grundfesten.
Brussilow besorgte nach dem ansehnlichen Raumgewinn des k. u. k.
XIX. Korps gegen die Bahnkurve bei Lupkow, daß das russische Front-
stück gegenüber der Armee Boroevic aufgerollt werden könnte. Daher
stieß er am 11. kräftig gegen die in der Verfolgung begriffene 29. ID.
vor und warf sie in ihre frühere Stellung zurück. Das gleiche Schicksal
widerfuhr tags darauf der linken Nachbardivision (34. ID.). Nur die 41.HID.
(2100 Feuergewehre) klammerte sich noch an den errungenen Boden.
Böhm-Ermolli beschloß, alle verfügbaren Reserven dem XIX. Korps
zuzuführen, um einen Durchbruch des Feindes auf Wola Michowa zu ver-
hindern, nach Festigung dieses Frontteiles aber die Operation auf Lisko
fortzusetzen, obgleich Tersztyánszky die Erfolgsmöglichkeit nur noch
als sehr gering bezeichnet hatte. Zur Herstellung der Lage ersuchte das
2. Armeekmdo. den Nachbar im Westen um Unterstützung, doch die rechte
Flügeldivision der 3. Armee (24. ID.) hielt zwar den Grenzkamm fest,
ließ auch ihre Artillerie gegen Lupkow wirken, aber zu einem Entlastungs-
stoß fehlten ihr die Kräfte.
Trotz der Abgabe mehrerer Bataillone an Trollmann glückte es noch
zuletzt der Nordgruppe Tersztyánszkys, dem Korps Schmidt-Georgenegg,
nach heißen und erbitterten Kämpfen am 11. und 12. zwei vielumstrittene
Punkte, das Dorf Rabe und die Manilowahöhe, zu erobern x) und gegen
russische Gegenangriffe zu behaupten.
Nach dem Einsätze der 14. ID. übernahm ihr Führer, FML. Martiny,
den Befehl über das rechte Flügelkorps Tersztyánszkys (14. ID. und Gros
der 43. SchD.), doch konnten weder dieses noch das Korps Lütgendorf im
Angriffe durchdringen. Beim XVIII. Korps wurden nur unbedeutende Ge-
ländevorteile erreicht, hingegen nahm das V. Korps seine über den San
gelangten Abteilungen, die sich in nutzlosen Gefechten verbluteten, auf
das linke Ufer zurück.
Auf dem Westflügel Szurmays stockte das Vorgehen; der Versuch,
sich mit der Sappe vorzuarbeiten, scheiterte an dem hartgefrorenen Boden.
So stimmte denn das 2. Armeekmdo. dem Antrage des Gruppenführers
zu, die vor den russischen Linien festgebannten Truppen wieder in die
alten Stellungen zurückzunehmen, dafür aber starke Reserven hinter dem
1) Im Kampfe um die Manilowa zeichnete sich das SchR. 24 besonders aus. Im
österreichischen Bundesheeres feiert das Wiener IR. Nr. 3 den 12. März als Gedenktag
dieser Waffentat.
Brussilows Stoß auf Wola Michowa
207
linken Flügel bereitzustellen (IR. 76 und halbe 7. ID.), die der bedrohten
Westgruppe Tersztyánszky s zugeführt werden sollten. Der Russe nützte
die Lage aus und brach jetzt gegen die Mitte und den rechten Flügel
Szurmays vor. Doch wehrte am 14. die 38. HID. einen ungestümen An-
fall des Feindes ab, ging selbst zum Gegenangriffe über und warf die
Russen zurück, die eine erkleckliche Anzahl von Gef angenen in den Händen
der Angreifer ließen.
Die Gefechtsstände bei der Armeegruppe Tersztyánszky sanken be-
ängstigend. Ihr Führer beabsichtigte nunmehr, an die Stelle des bisherigen
Angriffsverfahren ein methodisches Vorarbeiten treten zu lassen. Weiters
sollte sich die Nordgruppe links schieben und das Korps Schmidt, bei
der neuerlichen Vorrückung entlang des Dzialrückens vordringend, den
Hauptdruck auf den Feind ausüben. Ungeachtet der vom 2. Armeekmdo.
geäußerten Bedenken, daß hiedurch, ganz abgesehen von dem entstehen-
den Zeitverluste, von der scharfen Nordrichtung abgewichen werde, be-
stand GdK. Tersztyánszky auf seiner Absicht, deren Durchführung auch
bereits eingeleitet war.
Aber Brussilow durchkreuzte diese letzten, der Befreiung von Prze-
mysl geltenden Pläne. Am 13. nachmittags durchbrach er die Front des
XIX. Korps und stieß gegen Wola Michowa vor.
Nach dieser schweren Verwundung der Westflanke war an eine Fort-
setzung der Offensive gegen Baligród nicht mehr zu denken. Zum Glück
unterließ der Russe auch diesmal ein rasches Nachdrängen, so daß Wola
Michowa in unserer Hand blieb. Am nächsten Tage ging jedoch die
Maguryczne verloren, worauf die Chryszczata freiwillig geräumt wurde.
Statt seiner Angriffsaufgabe nachgehen zu können, mußte FML. Schmidt
der 41. HID. beispringen und überdies heftige russische Anstürme auf die
Manilowa abwehren.
Jetzt erwies sich das 3. Armeekmdo. insoferne als Helfer in der Not,
als es am 15. durch Verlängerung seines rechten Flügels bis in die Ge-
gend von Lupków die Widerstandskraft des Korps Trollmann stärkte,
das sich nun auf erheblich verschmälerter Front wieder behaupten konnte.
Dennoch war die Hoffnung auf eine Wendung zum Besseren zunichte ge-
macht. Am 14. März nachmittags befahl das 2. Armeekmdo. dem GdK.
Tersztyánszky sowie dem XVIII. und dem V. Korps, die Offensive vor-
läufig einzustellen. Alle verfügbaren Reserven der Nordgruppe, insge-
samt elf Bataillone, wurden dem XIX. Korps zugeschoben.
Während sich das Los der Offensive der 2. Armee entschied, fand
zwischen den verbündeten Heeresleitungen ein wichtiger Meinungsaus-
208
Der Karpathenwinter 1914/15
tausch statt. Der Chef des deutschen Generalstabes richtete am 13. März
eine Depesche nach Teschen, die sich vorwiegend mit der Politik Öster-
reich-Ungarns gegenüber Italien befaßte. Im gegenwärtigen Zeitpunkte
sah jedoch Gdl. Conrad in der Weiterführung des Kampfes gegen
Rußland die nächstliegende Aufgabe. Da er in Kenntnis von der Auf-
stellung neuer Armeekörper in Deutschland war, antwortete er mit der
Bitte, dem k. u. k. Heere zwei bis drei deutsche Divisionen zuzuführen,
auch wenn diese nicht mehr rechtzeitig eintreffen würden, um am Ent-
sätze von Przemysl mitzuwirken. Er gedenke, die Offensive aus den Kar-
pathen in Ostgalizien unbedingt fortzusetzen, wobei die deutschen Ver-
bände ein notwendiger Kräftezuschuß für Linsingen oder Pflanzer-Baltin
wären. Den gleichen Wunsch machte Conrad übrigens auch beim Ober-
befehlshaber Ost geltend.
Falkenhayn besorgte sogleich, daß eine unmittelbare Verstärkung
der Südarmee geplant sei und wies darauf hin, daß die deutschen Trup-
pen nicht an den Gebirgskrieg gewöhnt und dafür auch nicht ausgerüstet
seien. Linsingen habe ihm am 13. berichtet, daß er ein Durchkommen der
Südarmee im März wohl noch für möglich hielte, falls die öst.-ung. Front
ihren Angriff energisch fortsetze und der starke Frost und der Schnee-
fall aufhörten1). Sonach wäre Linsingen, meinte der deutsche General-
stabschef, vielleicht doch imstande, seinem linken Nachbar den Weg zu
bahnen, doch müßten ihm von Böhm-Ermolli — wenn auch nur schwache
— Verstärkungen geschickt werden oder zumindest dessen rechter Flügel
sich dem Vorgehen anschließen. Dies sei eine „einfache Meinungsäuße-
rung", nicht aber die „Anmaßung von Ratschlägen".
Conrad erwiderte, daß er einen frontalen Einsatz deutscher Neu-
formationen bei der Südarmee nicht in Betracht gezogen habe; diese
Kräfte sollten zunächst dem GdK. Pflanzer-Baltin zugeführt werden und
erst später unter dessen Befehl treten, wenn Linsingen das Gebirge passiert
hätte. Bei einer solgchen Verwendung sei eine Gebirgsausrüstung für
die deutschen Truppen überflüssig. Er fügte noch hinzu, daß er im
Augenblicke die Kriegshandlung in Ostgalizien für die wichtigste halte,
da die dort und in der Bukowina erfochtenen Siege die weitere Haltung
Rumäniens bestimmen würden.
Falkenhayn berichtigte diese Ausführungen zunächst dahin, daß es
sich bei den von Conrad erwähnten Formationen nicht um „neue" Trup-
pen handle, sondern um Verbände, die man durch Abgaben von den
Frontdivisionen bilde. In der Kardinalfrage erklärte Falkenhayn, daß er
1) Reichsarchiv (Manuskript).
Ausfallspläne der Festung Przemysl
209
den großen Einfluß vollauf würdige, den die Ausführung der Conrad-
schen Pläne auf die Entschlüsse in Bukarest ausüben könnte, doch sei vor-
läufig eine Kräfteverschiebung vom westlichen auf den östlichen Kriegs-
schauplatz völlig ausgeschlossen, derzeit aber auch eine solche vom Ost-
heere in die Karpathen, obgleich er dies ursprünglich in Aussicht ge-
nommen hätte.
Die deutsche Westfront hatte sich zu dieser Zeit heftiger Angriffe
der Franzosen in der Champagne und südöstlich von Verdun sowie der
Briten bei Lille zu erwehren und focht gegen eine namhafte Überlegen-
heit der Alliierten.
Nachdem das XIX. Korps von den Russen durchbrochen war und
als man die Größe der Verluste Böhm-Ermollis x) voll überblicken konnte,
verstummten bei der Heeresleitung in Te sehen auch die zuversichtlichsten
Wortführer der Hoffnung auf eine Befreiung Przemysls.
Das Festungskmdo. Przemysl hatte am 8. März gemeldet, daß es
einen Ausfall mit 24 bis 26 Bataillonen zu je 800 Mann2) in der Richtung
auf Bircza plane, doch lasse der Kräftezustand der Mannschaft besorgen,
daß das Ergebnis im Mißverhältnis zu der zahlenmäßigen Stärke der
Ausfallstruppen stehen werde. Am 13. wurde Gdl. Kusmanek vom AOK.
verständigt, es sei nicht mehr mit Sicherheit anzunehmen, daß die Armee
Böhm-Ermolli bis zum 18. über Ustrzyki Dl.—Lisko vorzudringen ver-
möge. Sollte die Lage bis zum 17. erkennen lassen, daß der Entsatz nicht
rechtzeitig möglich sei, so gebiete sowohl die Verwertung der in der
Festung befindlichen Truppen als auch die Waffenehre und die bisherige
ruhmvolle Haltung der Besatzung den Versuch, sich mit so vielen Kräften
als möglich durchzuschlagen und den Anschluß an die Armee im Felde
zu erkämpfen. Hiefür kämen die Richtungen gegen Lisko, Stary Sambor—
Turka oder Sambor in Betracht. Die gründliche Zerstörung der Bahnen
in der Gegend von Sambor sei von höchstem Werte. Auch in diesem
äußersten Falle habe sich die in der Festung zurückbleibende Defensiv-
besatzung bis an die letzte Grenze der Möglichkeit zu halten und sich
erst dann den Weg ins Außenfeld zu bahnen.
!) GdK. Böhm-Ermolli hatte am 1. März einschließlich der 31. und der 14. ID.
über 148.848 Feuergewehre verfügt und verlor in den darauffolgenden 14 Tagen: 23.891
Tote und Verwundete, hievon etwa 450 Offiziere; 10.465 Gefangene und Vermißte,
hievon etwa 60 Offiziere; 16.730 Kranke, hievon etwa 110 Offiziere. Somit insgesamt
51.086. Von diesem 33 v. H. betragenden Abgange der 2. Armee entfielen 73 v. H. auf
die Gruppe Tersztyánszky.
2) Während der zweiten Einschließung hatte sich der Gefechtsstand der Festungs-
besatzung durch Tod, Verwundung und Erkrankung um fast 24.000 Mann vermindert.
II 14
210
Der Karpathenwintef 1914/15
Gdl. Kusmanek funkte tags darauf nach Teschen : müsse die Festung
behauptet werden, so erübrigten für einen Ausfall in der von ihm
gewählten Richtung Bircza nur 12 bis 15 Bataillone zu je 700 Mann.
Aussichtsreich sei das Unternehmen nur dann, wenn bei Bircza der Ge-
fechtskontakt mit der 2. Armee hergestellt werden könnte. Für einen Durch-
bruch spätestens am 19. Mär z in den frühesten Morgenstunden nähme er
die Richtung Sambor in Aussicht; die Grenze der Widerstandsfähigkeit
des festen Platzes sei durch die Verpflegslage schon jetzt gegeben, da
die Gesamtverpflegung bis zum 24. März reiche. Die Durchbruchsstaffeln
hätten die Festung am 19. früh und die zurückgelassene Minimalbesatzung
spätestens am 20. abends, beide Gruppen mit viertägiger Reserve Ver-
pflegung, zu verlassen. Nach Aufzehrung dieser Rationen hoffte man auf
die Besitznahme der russischen Vorräte bei Sambor.
Von der Heeresleitung befragt, ob es möglich sei, daß die 2. Armee
bei Erneuerung des Angriffes bis spätestens 23. über die Linie Ustrzyki
Dl.—Lisko vorzudringen vermöge, verneinte dies GdK. Böhm-Ermolli
von Haus aus; an einen Ausfall gegen Bircza durfte daher nicht mehr
gedacht werden. Das AOK. und das 2. Armeekmdo. fanden nunmehr,
daß man der Festungsbesatzung bei einem Durchbruche auf Sambor am
raschesten die Hand zu reichen vermöchte. Von Teschen aus wurde an-
geregt, Szurmay zum Hauptträger der bevorstehenden Aktion zu machen,
womit der Einklang zwischen seinem Angriffe und der anscheinend im
besten Gange befindlichen Offensive der Südarmee hergestellt worden
wäre. Böhm-Ermolli entschied sich jedoch aus taktischen Gründen dafür,
das V. Korps mit der Aufgabe des Vorstoßes gegen Nordost zu betrauen,
und dieses durch alle Kräfte Tersztyánszkys zu verstärken, die der General
nicht zum Halten seiner mit blutigen Opfern errungenen Stellungen
brauche. Da Tersztyánszky hiezu mindestens 40.000 Feuergewehre als
nötig bezeichnete, konnte nur die komb. 31. ID. (FML. Lütgendorf) frei-
gemacht und mit ihrem Gros schon am 16. gegen Osten in Marsch gesetzt
werden. Aber gerade an diesem Nachmittage richtete sich gegen das
XIX. Korps ein heftiger russischer Angriff, der zwar abgewiesen wurde,
aber doch dazu zwang, das zur 31. ID. gehörige IR. 69 vorübergehend
zurückzubehalten.
Das V.Korps wehrte am 19. einen russischen Vorstoß ab; sein An-
griff, dessen Beginn zuerst für den 20. vorgesehen war, wurde auf den
21. verschoben, um der Artillerie Zeit zur Vorbereitung zu gewähren.
Somit reichlich spät für das Unternehmen der Besatzung von Przemysl,
die bereits am 19. den russischen Einschließungsring durchstoßen wollte.
Der Angriff der 4. Armee
211
Aber auch Szurmay erhob Vorstellungen gegen die Beteiligung seines
linken Flügels an dem Angriffe, zu dem allerdings bei ihm, wie man in
den letzten Tagen erfahren hatte, die taktischen Verhältnisse nicht ein-
luden. Gegen die Mitte und den rechten Flügel dieser Gruppe stürmte
der Russe am 17., 18. und 19. vergeblich los. Das 2. Armeekmdo. ge-
stattete nunmehr, daß sich Szurmay auf einen Scheinangriff beschränke,
dafür aber noch das IR. 68 an das V. Korps abgebe. Tersztyánszky sollte
an seiner Front vom Mittag des 19. an eine lebhafte, den Wiederbeginn
der Offensive vortäuschende Tätigkeit entfalten. An diesem Tage er-
wehrte sich das Korps Schmidt abermals ruhmvoll des gegen die Manilowa
vorbrechenden Feindes.
Die vom 4. Armeekmdo. für den 17. beabsichtigte Wiederaufnahme
des Angriffes (S. 201) verzögerte sich um vierundzwanzig Stunden. Am
18. um 3h30vorm. führte FML. Arz die Stoßgruppe gegen Gorlice und
gegen Sçkowa vor, doch die erstrebte Überraschung der Russen mißlang
und auch die 39. HID. konnte nach einem Anfangserfolge nicht durch-
dringen. Am nächsten Tage wurden Teile der 10. ID. durch russische
Gegenangriffe zurückgeworfen, während der Feind an anderen Front-
stellen weniger Glück hatte. Das III. Korps war nicht in die Lage ge-
kommen, den äußersten rechten Flügel der 4. Armee zu unterstützen;
denn Dimitriew richtete sein Augenmerk auf den Raum beiderseits von
Gorlice. Dagegen bedrohte der Russe die 45. SchD. der 3. Armee am 17.
und 18. vergeblich mit seinen Vorstößen, die, wie sich bald herausstellte,
wichtigen Täuschungszwecken dienten.
Am 19. entbrannte der Artilleriekampf auf der ganzen Front der
3. Armee, bald waren die Stellungen des XVII. Korps und der 22. SchD.
in Rauch und Dampf gehüllt. Gegen sie brach in der Nacht auf den 20.
ein mächtiger Ansturm der Russen los.
Der Fall der Festung Przemysl
Hiezu Beilagei 9
Gen. Iwanow hatte das russische 11. Armeekmdo. beauftragt, eine
„energische Tätigkeit" gegen Przemysl zu entfalten (S. 162). Noch lag aber
den Russen die Erinnerung an die blutigen, fruchtlosen Oktoberstürme
in den Gliedern. Sie hofften, daß der Augenblick nicht mehr fern sei,
da die vielköpfige Besatzung ihre Verpflegsvorräte aufgezehrt haben
werde; dann mußte der feste Platz von selbst fallen. So beschränkte sich
der Feind darauf, seine Artillerie gegen die Vorfeldstellungen und den
Gürtel wirken zu lassen — seit dem 9. Februar schwiegen die russischen
14*
212
Der Karpathenwinter 1914/15
Feuerschlünde nur selten — und zog im Nordwesten und Südwesten den
Einschließungsring enger, nicht ohne dabei mit den äußerst rührigen
Festungstruppen in erbitterte Kämpfe zu geraten, die ihm wichtige Punkte
im Vorfeld immer wieder streitig machten.
Um Mitternacht auf den 14. März errangen die Russen den einzigen
ausgesprochenen Erfolg vor Przemysl, indem sie sich überfallsartig der
bisher mit Zähigkeit festgehaltenen Vorfeldstellung Na Górach—Batycze
vor dem nördlichen Gürtelabschnitt bemächtigten. Das Festungskmdo.
entsendete zwar ungesäumt einige Bataillone zum Gegenangriff; doch
verzögerte sich ihre Bereitstellung längere Zeit. Der Versuch wurde schließ-
lich für aussichtslos gehalten und aufgegeben.
Kusmaneks Plan, gegen Sambor durchzubrechen (S. 210), erfuhr eine
Wandlung, als der Festungskmdt. ausTeschen die Gruppierung der russi-
schen Streitkräfte in Galizienerfuhr. Demnach stellten sich demUnternehmen
kaum zu bewältigende Hindernisse entgegen. Er ließ am 16. an die Heeres-
leitung funken, daß er in der Richtung über Mosciska—Gródek—Lemberg
vorstoßen werde, „um der Armee doch noch einen Dienst zu leisten".
Das AOK. riet indes noch am gleichen Tage, die ursprüngliche Absicht
beizubehalten, da für den Durchbruch der Besatzung auf Sambor die
Mitwirkung des Ostflügels der 2. Armee durch eine Offensive beider-
seits derTurkastraße bereits eingeleitet war. Sollte aber Kusmanek dennoch
die Richtung Lemberg wählen, so möge er trachten, Anschluß an die Armee-
gruppe Pflanzer-Baltin zu gewinnen, die mit ihrem rechten Flügel süd-
östlich von Tlumacz gegen Stanislau angreife.
Aus einem Radiogramm vom 19. früh erfuhr die Heeresleitung, daß
das Festungskmdo. auf dem Vorstoße gegen Lemberg beharre und dieser
zurzeit bereits im Gange sein müsse.
Für diesen Entschluß waren verschiedene Gründe maßgebend ge-
wesen. Mit vollem Recht glaubte Gdl. Kusmanek, seinen entkräfteten
Truppen x) eine Vorrückung und den Kampf im schwierigen Berggelände
südlich der Festung nicht mehr zumuten zu können. Mit Ausnahme der
Richtung gegen Osten wäre man überall auf zahlreiche Bachniederungen
gestoßen, welche die russische Abwehr begünstigten. Dagegen traf der ge-
plante Angriff auf den schwächsten Teil der Einschließungslinie2), voraus-
1) Aus den von Kusmanek eingeforderten Berichten ging hervor, daß sich zum
Beispiel beim ung. LstlR. 16 nur mehr 25—30 v. H. gesunde Leute befanden, 70 v. H.
der Mannschaft des ung. LstlR. 9 für Angriffe ungeeignet und beim k. k. LstlR. 33
nur mehr die Hälfte der Landstürmer dienstfähig waren.
2) Tatsächlich befanden sich aber hier in mehreren Linien hintereinander an-
geordnete russische Stellungen von großer fortifikatorischer Stärke.
Der Durchbruchsversuch der Besatzung von Przemysl
213
sichtlich nur auf Reichswehrtruppen, das ebenere Gelände konnte hier
die Raschheit der Bewegung fördern, auch ließ der Stoß in dieser uner-
warteten Richtung eine Überraschung der Russen erhoffen. Kusmanek
gab sich aber keinen Täuschungen hin. Eine Summe unerhörter Glücks-
fälle wäre notwendig gewesen, um das Unternehmen zum gewünschten
Ausgange zu bringen. Nach Gelingen des Durchbruches hätte man sich
der feindlichen Verpflegsvorräte in Mosciska und S^dowa Wisznia be-
mächtigen und dann auf gewaltigem Umwege den Anschluß an Pflanzer-
Baltin gewinnen müssen. Selbst ohne feindliche Gegenwirkung wären die
hiezu unerläßlichen großen Marschleistungen bei der Entkräftung der
Mannschaften ausgeschlossen gewesen. Der Verteidiger von Przemysl
wollte jetzt nur noch die Waffenehre durch einen heroischen Schlußakt
bis zum letzten Ende wahren, gleichviel ob das Unternehmen zu ruhm-
vollem Untergange oder zu kaum erhofftem Gelingen führen würde.
Immerhin konnte dem Feinde Abbruch getan, Verwirrung in seine Reihen
getragen und auf diese Weise den Karpathenarmeen genützt werden,,
Am 19. sollte zuerst der Einschließungsring durchstoßen werden,
worauf der Rest der Besatzung nach Zerstörung der Werke und der Ar-
mierung sowie nach Vernichtung des gesamten Kriegsgeräts der Durch-
bruchsstaffel zu folgen hatte.
Gdl. Kusmanek wandte sich mit einem Funkspruch an den Obersten
Kriegsherrn x) :
Eure Majestät!
Nach ununterbrochenen sechsmonatigen Kämpfen vom Feinde unbesiegt, jedoch
durch Hunger gezwungen, wird morgen, den 19. März, die Besatzung von Przemysl,
obzwar die Mannschaft durch monatelange Entbehrungen aller Art fast ganz entkräftet
ist, den Versuch beginnen, den eisernen Ring des Feindes zu durchbrechen, um vor
ihrem wahrscheinlichen Untergange der Feldarmee vielleicht doch noch einen Dienst
zu leisten.
In diesem schicksalschweren Augenblicke erheben sich unsere Herzen in unent-
wegter Liebe und Treue zu Eurer Majestät. Kusmanek Gdl.
Der Kaiser antwortete:
Die Meldung des heroischen Ausfalles, den die bisher unbesiegte Besatzung
Przemysls zu unternehmen entschlossen ist, hat Mich tiefstens ergriffen und aus dem
Grunde Meines Herzens sende Ich den Helden, die eine letzte Großtat zur Ehre des
Vaterlandes und dem Ruhm unserer Waffen beginnen, Meine Segenswünsche. Was die
1) Kusmanek hatte als mehrjähriger Vorstand des Präsidialbüros des Kriegs-
ministeriums das Protokoll bei den alljährlich unter Vorsitz des Kaisers abgehaltenen
Konferenzen über die Personalien der Generale zu führen gehabt und war daher dem
Herrscher näher bekannt.
214
Der Karpathenwinter 1914/15
Besatzung Przemysls geleistet, bleibt ewig denkwürdig und jedem einzelnen gebührt
ein Blatt aus dem Lorbeerkranze, den dankerfüllt Ich und das Vaterland der tapferen,
opferfreudigen Besatzung Przemysls weihen.
Des Allmächtigen gnädigster Schutz sei mit Euch! Franz Joseph.
Als dieser Funkspruch in der Festung eintraf, standen die Truppen
bereits im Kampfe.
Im Schneeregen hatten sich die für den Ausfall bestimmten Ver-
bände in der Nacht zum 19. auf den zur Pfütze gewordenen Straßen
nächst der Ostfront der Festung gesammelt. Noch bei Dunkelheit begann
die Vorrückung über die Linie der Werke. Obgleich das Festungskmdo.
bei Einleitung der Aktion alle Vorsichtsmaßnahmen zu weitestgehender
Geheimhaltung getroffen hatte, erlangten die Russen zweifellos durch
Auffangen und Dechiffrieren der mit Teschen gewechselten Funksprüche
Kenntnis von der Ausfallsabsicht und auch von der gewählten Richtung.
Ungesäumt verstärkten sie die Einschließungslinie gegenüber der Ost-
front und lauerten auf den Augenblick, wo ihnen das umstellte Wild ins
Garn lief. Leider hatte sich auch der Beginn der Vorrückung erheblich
verzögert. Schon bei den Versammlungsmärschen äußerte sich die Mattig-
keit der ungenügend ernährten Mannschaften in der übermäßig langen
Dauer der vorgeschriebenen Bewegungen ; einzelne Leute brachen, kaum
nachdem sie die Unterkünfte verlassen hatten, unter schweren Erschöp-
fungszuständen zusammen. Größer als vorausgesehen war auch der Zeit-
verlust beim Durchschreiten der schmalen Gassen der Hinderniszone und
bei Umgehung der Minenfelder.
Schon dämmerte der Morgen herauf, als der Kampf gegen die aus-
geruhten und reichlich verpflegten Russen begann. Mit gewohntem Ge-
schick hatte der Feind seine Batterien verteilt, die ihren Geschoßhagel
gegen den Angreifer sandten und dessen Vordringen bald ein Ziel setzten.
Das Höchstmaß des Bodengewinnes, der erkämpft wurde, ist aus Bei-
lage 9 ersichtlich. Von dem Ungestüm tapferer Führer fortgerissen, er-
folgte die Vorrückung der Regimenter der 23^ HID. nicht im vorgesehenen
Einklang. Bald wandte sich das Blatt zu Ungunsten der Division, die, von
einem Flankenstoß der russischen 58. RD. getroffen und vielfach ein-
gekreist, 680/0 Verluste erlitt; ihr Zurückweichen riß auch den Nord-
flügel in das Verhängnis hinein. So scheiterte der mit Anspannung aller
noch aufzubietenden Kräfte unternommene Durchbruchsversuch unter
schweren Einbußen. Um 2h nachm. durchschritten die letzten geschlos-
senen Truppenteile auf ihrem Rückzüge die Hinderniszone. An dem
Feuer der Werke brach sich die Verfolgung des Feindes.
Kusmaneks Telegramm an den Kaiser
215
Gdl. Kusmanek berichtete hierüber nach Schönbrunn :
Eure Majestät!
Im Namen der Besatzung von Przemysl für die hochbeglückenden huldvollsten
Worte Eurer Majestät tiefbewegt dankend, melde ich, daß heute die Besatzung von
Przemysl den Durchbruchsversuch gewagt hat. Ich bin aber tiefunglücklich, Eurer
Majestät gleichzeitig treugehorsamst berichten zu müssen, daß dieser Versuch nicht ge-
lungen ist. In siebenstündigem verzweifelten Kampfe haben die Truppen bei widrigem
Schneesturm mit dem Aufgebot ihrer letzten Kraft den starken Feind zu durchbrechen
versucht. Nach großen Verlusten, bei welchen die stets so tapfere k. ung. 23. Land-
wehrinfanterietruppendivision, soweit sich dies bis jetzt überblicken läßt, zur Hälfte
aufgerieben wurde und auch die anderen Truppen schwer gelitten haben, mußte wieder
hinter den Gürtel der Festung zurückgegangen werden. Da bei der dermaligen völligen
Erschöpfung der Mannschaft ein nochmaliger Durchbruchsversuch ganz aussichtslos wäre,
will ich die Festung nunmehr bis an die Grenze der Möglichkeit halten, um so durch
weiteres Binden der hier befindlichen feindlichen Kräfte dem Zweck der Feldarmeen
noch solange als möglich zu nützen.
Treu unserem Eide und in grenzenloser Liebe und Ergebenheit für Eure Majestät
werden wir bis zum Ende ausharren. Kusmanek Gdl.
Nunmehr wurde alles darangesetzt, um in letzter Stunde einer Er-
stürmung des Platzes zu begegnen. Unausbleiblich war aber das Ende
herangerückt. Am 20. und 21. wurden russische Angriffe gegen die Nord-
west-, die Nord- und die Ostfront tapfer abgewehrt. Dann trat am 21.
der Verteidigungsrat zusammen und beschloß im Sinne der schon vor
vierundzwanzig Stunden eingelangten Billigung durch die Heeresleitung,
die Festung am nächsten Tage zu übergeben. Die physische Kraft der
Besatzung war durch den Hunger aufgezehrt und die noch bis zum 24.
reichende Reserveverpflegung mußte für jene Zeitspanne aufgespart
bleiben, die bis zu den weiteren Verfügungen des Feindes über das
Schicksal der Besatzung verstreichen mochte1).
Am 19. war das Papiergeld der Festung (600.000 bis 700.000 K)
verbrannt worden; am 20. und 21. fanden noch größere Pferdeschlach-
tungen statt. Die Bahnhofseinrichtungen und die Fahrbetriebsmittel so-
wie überhaupt alle für den Feind verwertbaren Kriegsgeräte wurden zer-
stört oder unbrauchbar gemacht. An den beiden letztbezeichneten Tagen
starteten die Offiziere der Luftfahrtruppe in Freiballons, die jedoch alle
auf Feindesgebiet verschlagen wurden.
x) Als zehn Jahre früher die Russen die Festung Port Arthur den Japanern
übergaben, befanden sich dort noch an Verpflegsvorräten in Tonnen: Korn 700, Weizen-
mehl 150, Maismehl 40, Hülsenfrüchte 700, Gerste 2, Reis 1, Pökelfleisch 40, Zwieback
60, Zucker 20 und Pferdefutter für zwei Monate. Außerdem lagerten in der Festung
noch die Vorräte der Marine (nach Beilage 19, Bd. III der Einzelschriften über den
russisch-japanischen Krieg, Wien 1909).
216
Der Karpathen winter 1914/15
Während der Nacht auf den 22. verfeuerten die Werke ihre letzte
Geschützmunition, worauf man die Rohre mit Ausnahme der älteren
Kanonenmodelle entweder durch verstärkte Ladungen oder durch Ekrasit-
patronen unbrauchbar machte. Von dem schaurigen Dröhnen und Krachen
verstört, kauerte der Russe hinter seinen Deckungen.
Der anbrechende Tag stand schon unter dem Zeichen des Frühlings.
Leuchtend stieg die Sonne über der Sanfeste auf, als um 6h das eigent-
liche Zerstörungswerk begann; unter Blitz und Rauch und unter mäch-
tigen Detonationen vollzog sich die Sprengung der Gürtelwerke und der
Flußbrücken. Alle fortifikatorischen Anlagen verwandelten sich in wüste
Trümmerhaufen. Noch einen letzten Gruß funkte der Platz an die Waffen-
brüder: „Unser Schicksal schwer empfindend, wünschen wir den Feld-
armeen Ruhm und Sieg!"
Weiße Fahnen flatterten an der Gürtellinie auf. Gegen 9hvorm.
drangen die ersten russischen Abteilungen in die Stadt ein; ein Stabs-
hauptmann forderte dem Festungskommandanten den Säbel ab.
Zwei Stunden früher war auf der großen Lemberger Straße ein
Kraftwagen aus der Stadt gerollt. Oberst Martinek, Kommandant der
108. LstlBrig., und der Festungsgeneralstabschef Obstlt. Hubert fuhren
nach Mosciska, um im Standorte des russischen 11. Ameekmdos., dem
Auftrage Kusmaneks gemäß, über das Schicksal der Besatzung zu ver-
handeln1). Sie fanden schlimmen Empfang beim General Seiiwanow.
Die Hoffnung des russischen Führers, die Festung mit stürmender
Hand zu nehmen, war vereitelt; das in Przemysl ausgeführte Zerstö-
rungswerk, dessen Donnerschläge bis in das Hauptquartier der Belagerer
hallten, beraubte Seiiwanow der ersehnten Trophäen und führte ihm die
versäumte Gelegenheit deutlich vor Augen. Als dann noch später der
Schall einer vereinzelten Explosion an sein Ohr drang, glaubte er, seine
Truppen seien in eine Falle gelockt worden. Er verweigerte den Parla-
mentären jede weitere Besprechung, ließ ihnen die Waffen abnehmen
und behandelte sie gegen alles Völkerrecht .als Gefangene. Erst am 23.
vormittags besann er sich — angeblich auf Geheiß des Zaren — eines
Besseren und gestattete ihnen nach dem Abschluß der Verhandlungen die
Rückfahrt nach Przemysl. Im ganzen gerieten 9 Generale, 93 Stabs- und
2500 Oberoffiziere und 117.000 Mann in Kriegsgefangenschaft. In An-
erkennung ihrer Tapferkeit gestattete man den Offizieren, den Säbel zu
behalten. Diese Begünstigung wurde aber nach drei Wochen wieder
1) Verhandlungen über die Übergabe der Festung hatten nicht stattgefunden.
Die Bedeutung von Przemysl für die Kriegshandlungen
217
zurückgenommen, als sich das haltlose Gerücht verbreitete, ein gefan-
gener Russe sei grausam verstümmelt worden.
Dem Verteidiger von Przemysl, Gdl. Kusmanek, dem später das
Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens verliehen wurde, hatte
Kaiser Franz Joseph am 20. März erwidert:
Ergreift es Mich tiefstschmerzlich, daß der gestern kühn gewagte Durchbruch der
Besatzung Przemysls an der Übermacht des Feindes scheiterte, so blicke Ich doch mit
wehmütigem Stolze auf den unvergleichlichen Opfermut der Braven, denen der Erfolg
nicht beschieden war. Allen, die da kämpften, danke Ich allerherzlichst für die Helden-
tat und segne Ich das ruhmvolle Andenken jener, die ihr Leben auf dem Felde der
Ehre hingaben.
Noch in fernster Zukunft wird die Geschichte weithin künden, was Österreich-
Ungarns Krieger mit der hartnäckigsten Verteidigung der Festung Przemysl vollbracht
haben; — sie waren standhaft und tapfer bis zum letzten Ende.
Franz Joseph.
Rückblick
Bei einer rückschauenden Betrachtung der Geschehnisse während der
ersten drei Monate des Jahres 1915 wird man den Eindruck gewinnen,
daß aus der von der Heeresleitung geplanten entscheidenden Kriegs-
handlung eigentlich nur ein großangelegter Entsatzversuch der vom Feinde
eingeschlossenen Festung Przemysl geworden war. Trotz des leidvollen
Opfermutes der Truppe blieb indes diesem Beginnen der Erfolg versagt.
Nach den theoretischen Lehren vom Kriege sollten freilich militä-
rische Operationen niemals in ein Abhängigkeitsverhältnis zu festen
Plätzen geraten, die doch nur für engbegrenzte Zwecke erbaut werden.
Trotzdem hatten sich in den letzten Kriegen das oberitalienische Festungs-
viereck 1848, 1859 und 1866, Sebastopol während des Feldzuges der
Westmächte in der Krim, Straßburg, Metz, Paris und Beifort im deutsch-
französischen Waffengange, Port Arthur 1904/05, Adrianopel, Janina, die
TschataldtschalinieundSkutari 1912/13 eine gewisse Hörigkeit des Feld-
heeres erzwungen. Niemals gelang es aber einer Besatzung in der Stärke
von mehreren Divisionen, sich durchzuschlagen und den Anschluß an die
eigene Feldarmee zu gewinnen.
Nach unserer heutigen Kenntnis der Dinge wäre die Bestimmung von
Przemysl erfüllt gewesen, als sich die k. u. k. Heeresleitung Anfang No-
vember 1914 entschlossen hatte, den Feldzug im Gebiete des mittleren
San abzubrechen, die öst.-ung. Armeen nach Westgalizien zurückzuführen
und der russischen Dampfwalze auf andere Weise den Weg zu verstellen.
Oft wird behauptet, daß man damals den Abzug der Besatzung befehlen
218
Der Karpathen winter 1914/15
und die Festung nach Zerstörung der Werke und Gürtelbauten dem
Feinde hätte überlassen sollen.
Vieles sprach dagegen. Eine Räumung des Platzes, dessen fortifika-
torische Stärke übrigens vielfach überschätzt wurde, hätte die Zuversicht
des feindlichen Auslandes gestärkt, auch auf das Inland und den deutschen
Verbündeten niederstimmend gewirkt; insbesondere würde eine solche
Maßnahme bei der für Hiobsbotschaften mehr als für Erfolge empfäng-
lichen Bewohnerschaft der beiden Hauptstädte Wien und Budapest pa-
nischen Schrecken erzeugt und weiters die der Donaumonarchie noch
geneigten Teile ihrer ostslawischen Bevölkerung in ihrem Zugehörigkeits-
gefühle erschüttert haben. Außer diesen politischen bestanden auch mili-
tärische Gegengründe. Conrad drängte beständig darauf, daß die DOHL.
das Schwergewicht der Kriegführung auf den östlichen Kriegsschauplatz
verlegen möge. Geschah dies, so konnte bei Wiederaufnahme der Offen-
sive in Bälde der San erreicht und Przemysl wieder zu einem wertvollen
Stützpunkte werden. Sicherlich spielte auch die Erwägung mit, daß die
Festung ansehnliche Kräfte des Feindes binden und an der Betätigung
im freien Feld hindern werde. Tatsächlich legten die Russen dem Platze
bei ihrem zweimaligen Vormarsche über Mittel- nach Westgalizien eine
schier übertriebene Bedeutung bei. Sie boten sowohl im September als
auch im November vor bewirkter Einschließung zu Sicherungszwecken
ein Übermaß an Truppen auf, was dem öst.-ung. Heere bei seinen Rück-
zügen außerordentlich zustatten kam. An einen belagerungsmäßigen An-
griff dachte die russische Heeresleitung nicht und begnügte sich, ge-
witzigt durch den blutigen Fehlschlag der Anstürme im Oktober, mit der
Zernierung des Platzes.
Da das engmaschige und leistungsfähige Eisenbahnnetz Galiziens
während der dem 22. März vorangehenden sechs Monate durch den Wir-
kungsbereich der Festung an einem wichtigen Knotenpunkte der zwei-
geleisigen Hauptstrecke gesperrt war, sahen sich die Russen zu einem
langwierigen, kr äf te verbrauchen den Bau von Schienenwegen gezwungen,
um ihrer galizischen Front, Przemysl im Norden umgehend, alles Er-
forderliche zuzuführen. Sie fingen im großen Stile mit einer Umgehungs-
bahn an, die Lemberg im Norden umkreiste und bestimmt war, den
Hauptverkehr auf die leistungsschwache Strecke Lemberg—Rawa Ruska—
Jaroslau (Beilage 3 von Bd. I) zu legen. Emsig strebten sie an, ihrö
Schienenstränge von Norden her ins Land zu treiben, indem sie den Bau
der 40 km langen Eisenbahn Wladimir-Wolynski—Sokal, der 86 km lan-
gen, eine Sanüberbrückung erfordernden Linie Lublin—Rozwadów und
Die unterbliebene Räumung der Festung
219
schließlich auch der 40 km langen, mit einer Weichselüberbrückung ver-
bundenen Linie Ostrowiec—Nadbrzezie begannen, ohne diese aber wäh-
rend der neunmonatigen Besetzung des Landes vollenden zu können.
Auch nötigte die Unterbrechung des Bahnnetzes bei Przemysl dazu, viele
Truppenverschiebungen mit Fußmärschen zu bewerkstelligen, endlich
war hiedurch sicherlich die Versorgung ihrer südlich der Weichsel fech-
tenden Heeresteile wesentlich erschwert.
Diesen Vorteilen muß aber entgegengehalten werden, daß die im
November 1914 unterlassene Räumung von Przemysl verhängnisvoll auf
die öst.-ung. Kriegführung eingewirkt hat, indem fortan alle Offensiv-
handlungen auf den Entsatz der Festung eingestellt wurden. Dabei dachte
die öst.-ung. Heeresleitung sogar Mitte März, als über die Aussichts-
losigkeit des furchtbaren Ringens kein Zweifel mehr bestand, noch nicht
daran, die Übergabe des Platzes anzuordnen und damit die nutzlosen
Leiden der Besatzung abzukürzen. Im Gegenteil. Das AOK. verlangte
schließlich einen Durchbruch, an dessen Gelingen sich niemand zu glau-
ben getraute. Läßt sich dieses Handeln mit nüchternen Zweckmäßig-
keitsforderungen auch kaum in Einklang bringen, so ist der soldatische
Standpunkt dennoch verständlich1).
Die Festung war allmählich zu einem Palladium der k. u. k. Wehr-
macht geworden; eine Preisgabe ohne äußersten Zwang hieß den kriege-
rischen Sinn in Heer und Volk untergraben und eine Herabstimmung
herbeiführen, wie eine solche dem Kaiser Napoleon nach Jena und Auer-
städt eine Reihe preußischer Festungen mühelos in die Hände gespielt
hatte. Jetzt war Przemysl einmal vom Feinde eingeschlossen und von einer
opferfreudigen Besatzung tapfer behauptet. Der Entsatz wurde zur Pflicht.
Dabei drängte die Zeit nicht nur wegen der aus Verpflegsgründen be-
fristeten Lebensdauer der Festung, sondern auch wegen der allgemeinen
politischen Lage, die durch die Haltung Italiens und der noch neutralen
Balkanstaaten wesentlich beeinflußt werden konnte. Die Armee Boroevic
war Ende Dezember nach ihrem Vorstoße bis an die galizische Becken-
reihe vor den losstürmenden Russen Brussilows in die Karpathen ausge-
wichen. Ihre Verstärkung war schon deshalb geboten, um der Ausbrei-
tung des Feindes auf ungarischem Boden einen Riegel vorzuschieben.
x) Über die Kämpfe um Przemysl und den Fall der Festung hat Mjr. a. D. Dr.
Stuckheil eine Reihe inhaltsreicher Aufsätze in den Jahrgängen 1923, 1924 und 1925
der „Militärwissenschaftlichen und Technischen Mitteilungen" veröffentlicht. Außer-
dem lag ein Manuskript des Ministerialrates Dr. Smolik vor, der die Verteidigung von
Przemysl als Reserveoffizier mitgemacht hat.
220
Der Karpathenwinter 1914/15
Da erschien es denn naheliegend, den Hebel in der Gebirgszone anzu-
setzen und in der kürzesten Richtung auf Przemysl vorzudringen. Ob
sich die Heeresleitung der vollen Tragweite des Entschlusses bewußt
war, derart große Truppenmassen in den winterlichen Karpathen zum
Kampfe vorzuführen, ohne daß für eine entsprechende Ausrüstung ge-
nügend vorgesorgt worden war und ohne Rücksicht darauf, ob der weit-
aus größte Teil der Einzelstreiter die körperliche Eignung für diese Auf-
gabe mitbrachte, bleibe dahingestellt. Bei diesem Verfahren, das offenbar
als das einzig mögliche angesehen wurde, hoffte man sicherlich, daß
durch einen fließend vorwärtsschreitenden Angriff der Aufenthalt im Ge-
birge nur von kurzer Dauer sein werde. Als diese Hoffnung jedoch nicht
in Erfüllung ging, sich die Folgen des Entschlusses in erschreckender
Weise äußerten und die Heeresleitung erkannte, daß der eingeschlagene
Weg zum Entsätze von Przemysl nur anscheinend der kürzeste war,
sprach vieles dagegen, das Steuer völlig umzustellen. Unerschütterlich
hielt der Wille des Feldherrn an dem Unternehmen fest, bis sich diese
Ausdauer viel später und erst nach monatelangem Schwanken der Schick-
salswaage, freilich in ganz anderer Weise, bezahlt machen sollte.
Auch der Feind stand im Banne von Przemysl. Dies beweist schla-
gend eine wenn auch inhaltlich anfechtbare Depesche, die der Gen. Alexe-
jew am 15. April 1915 an die Stawka gerichtet hat. Zu dieser Zeit nicht
mehr Stabschef Iwanows, sondern Befehlshaber der Nordwestfront, er-
klärte er, daß eine russische Karpathenoffensive nur insolange berechtigt
gewesen sei, als die hinter der Front der 8. Armee gelegene Festung
noch nicht bezwungen war1). Brussüow wieder äußerte sich des öfteren
unmutig darüber, daß seine Handlungsfreiheit durch die seiner Armee
aus der Festung heraus drohende Gefahr behindert sei und rühmte sich
später, daß der Fall von Przemysl nur der Ausdauer und dem Opfermute
seiner Truppen, insbesondere dem VIII. Korps, zu danken gewesen sei2).
Vor dem aufgeschlagenen Buche der Vergangenheit läßt sich un-
schwer behaupten, daß es auch andere Möglichkeiten gegeben hätte, die
Feldzugsentscheidung zu erzwingen, für die die Befreiung von Przemysl
nur eine Etappe bilden durfte. Da sich diese Festung mit Rücksicht auf
die VerpflegsVorräte bis zum 22. März zu halten vermochte, konnte auch
der längere Weg einer großen Umfassung des linken Heeresflügels der
Russen eingeschlagen werden, wofür die Armeegruppe Pflanzer-Baltin
entsprechend verstärkt werden konnte. Diese hatte die Schrecken des
1) Boncz-Brujewitsch, I, 99.
2) Broussilov, 74, 77ff, 90 und 112.
Andere Lösungsmöglichkeiten
221
Gebirges bereits hinter sich und wäre dann imstande gewesen, der Süd-
armee rasch aus den Bergen herauszuhelfen. Nach der Vereinigung dieser
beiden Kraftgruppen konnte die ohnehin von der Heeresleitung befohlene
Aufschwenkung bewirkt und unter Sicherung der offenen Flanke durch
gestaffelt nachfolgende Reserven der von seiner obersten Führung stief-
mütterlich bedachte russische Ostflügel umfaßt und geschlagen werden.
Damit wäre der Grundgedanke der Kriegshandlung verwirklicht worden.
Diesem Plane stellte sich allerdings die geringe Leistungsfähigkeit der
Bahnlinie über Máramaros-Sziget—Körösmezö—Delatyn entgegen, die
jetzt schon kaum ausreichte, allen Bedürfnissen der nördlich vom Ge-
birge kämpfenden Armeegruppe gerecht zu werden1) ; bei ihrer ausschließ-
lichen Benützung war eine ausgiebige Verstärkung Pflanzer-Baltins nicht
mit der erwünschten Schnelligkeit zu erreichen. Ein ins Gewicht fallen-
der Kräftezuschub hätte sich aber durch Mitbenützung anderer, wenn
auch nur bis in das südliche Anland der Karpathen führender Linien
und hierauf durch Fußmärsche wesentlich beschleunigen lassen. Nicht
unbedenklich blieb freilich die Gefährdung der offenen Ostflanke und
immerhin auch die Abhängigkeit einer starken Armee nördlich des Ge-
birges von einer einzigen Bahn mit ungünstiger Linienführung, doch
hatte man zum Beispiel die Basierung der Hauptkraft der 2. Armee auf
die einzige Straße Takcsány—Cisna ruhig mit in Kauf genommen.
Größere Sicherheit als der eben erörterte Umfassungsangriff durch
Ostgalizien hätte wohl noch eine Offensive entlang der galizischen
Beckenreihe geboten. Doch beim 4. Armeekmdo. hatte man sich niemals
für eine Frontalschlacht in Westgalizien zu erwärmen vermocht. Erst viel
später reifte der Plan eines operativen Durchbruches aus dem Stellungs-
gebiete der 4. Armee.
Wie dem immer auch sei: ob nun der Hauptstoß über Stanislauoder
1) Diese Karpathenbahn war schon nach ihrer Anlage leistungsschwach (vgl. Bei-
lage 3 von Bd. I), aber ihre Benützung war auch durch ihren Linienzug nicht unbe-
denklich. Eine Unterbrechung, ja bloße Bedrohung des nur 60 km von der Front am
Wyszkówsattel entfernten Bahnknies bei Huszt—Királyháza hätte die Versorgung der
Armeegruppe Pflanzer-Baltin gefährdet. Eine baldige Besserung der Betriebslage konnte
nicht erhofft werden. Erst nach der Winteroffensive Pflanzer-Baltins (1914) kam die
Bahn, von Rahó an in arg zerstörtem Zustande, in eigene Hand. Kunst- und Stations-
bauten sowie die Drahtleitungen an der 1000 m ansteigenden Strecke konnten durch
harte Arbeit der Eisenbahnkompagnien nur provisorisch hergestellt werden, so daß der
Betrieb der letzten 86 km bis Delatyn unter erschwerten Bedingungen geführt werden
mußte. Die Fortsetzung über Nadwórna nach Stanislau war wegen eines gesprengten
Viaduktes unmöglich, die Strecke nach Kolomea nur von halber Leistungsfähigkeit.
222
Der Karpathenwinter 1914/15
über den Dunajec unternommen worden wäre — nie hätte er dem Heere
so schwere Opfer auferlegt wie dort, wo er wirklich versucht worden ist.
Dem von der Heeresleitung eingeschlagenen Verfahren stellten sich
mannigfache Hindernisse entgegen. Sowohl für die am 23. Jänner als auch
für die am 27. Februar beginnende Offensive ergab sich schon aus der
Ausgangslage die Schwierigkeit, den zurückhängenden rechten Flügel zeit-
gerecht in das richtige Verhältnis zu bringen. Dieser Nachteil war schwer
wettzumachen, eine straffe Zusammenfassung der Kräfte kaum zu er-
reichen. Verzichtete man auch beidemale nicht auf die Mitwirkung der
Armeegruppe Pflanzer-Baltin und der Südarmee, so wurde das Schwer-
gewicht doch — und darin hat sich der verhängnisvolle Einfluß der Festung
geäußert — auf den unmittelbar gegen Przemysl gerichteten Nordstoß
gelegt. Die hier angesetzten Kräfte mußten innerhalb der Gebirgszone
um die Entscheidung ringen, ohne auf das Herankommen der Flügel-
gruppe warten zu dürfen, weil eben der Entsatz des festen Platzes als
ein rasch zu erreichendes Ziel angesehen wurde.
Der Operationsplan faßte zwei Parallelunternehmungen ins Auge:
den Nordstoß zum Entsätze von Przemysl und die Umfassung der linken
Flanke des Feindes, dem die Rückzugswege verlegt werden sollten. Da-
mit wurde eine gewisse Zwiespältigkeit in die Kriegshandlung getragen,
die auch das AOK. empfinden mochte. So wollte es der Heeresmitte auch
deshalb ein Abwarten nicht gestatten, um dem Feinde nicht Gelegenheit
zu bieten, sich mit Übermacht auf den aufschwenkenden Flügel zu werfen.
Dabei blieb es wieder fraglich, ob man nicht auf dem kürzesten Wege
gegen die Festung geringerem Widerstande begegnet wäre, falls die Russen
zu vorerwähntem Zwecke stärkere Kräfte gegen Südosten verschoben
hätten. Diese Zwiespältigkeit kam in gelegentlichen Entschlußschwan-
kungen beim Einsätze frischer Kräfte (VIII. Korps) zum Ausdrucke und
erzeugte auch bei den Unterführern Unsicherheit. Immerhin war die
erste Offensive dadurch begünstigt, daß die geschlossene Front Brussi-
lows nur wenig über die Straße Lisko—Baligród—Cisna hinausragte. Die
angebahnte Überflügelung konnte jedoch nicht zu einer Umfassung aus
der Tiefe werden, weil der Gruppe Puhallo, die anfangs verhältnis-
mäßig rasch Gelände gewann, die nötigen Kräfte, die gestaffelt folgen-
den Reserven, fehlten.
Aber auch der deutschen Südarmee sollte aus dem Gebirge heraus-
geholfen werden, von links durch Szurmay und von rechts durch Pflanzer-
Baltin. Bei dieser Linksschwenkung unter den erschwerenden Verhält-
nissen des Gebirges und der Jahreszeit hätte aber der Impuls zur Vor-
Das Los der Entsatzversuche
223
bewegung zweckmäßigerweise stets von rechts ausgehen müssen. Da
äußerte jedoch Przemysl seine Anziehungskraft und die Südarmee ver-
langte eine Erleichterung ihrer schweren Aufgabe auch vom linken Nach-
bar. Darunter litt die Einfachheit, Sicherheit und Einheitlichkeit der
Offensive, ihre Wucht ward geschwächt und als die Russen, nirgends
ernstlich in die Klemme gebracht, selbst zum Angriffe übergingen, glückte
ihnen der Einbruch in den wichtigen Raum bei Mezölaborcz.
Waren für den Jännerangriff unzureichende Kräfte aufgeboten, so
gelang es bei der Februar-Märzoffensive eine relative Überlegenheit zu
erzielen. Leider war aber jetzt der Entsatz von Przemysl, wenn man ihn
überhaupt noch erzielen wollte, so dringend geworden, daß sich der Stoß
in kürzester Richtung wieder den Vorrang erzwang. Mittlerweile hatte
sich die Lage teils verschlechtert, teils verbessert. Verschlechtert, weil
Brussilow seine Blöße erkannt und eine zusammenhängende Front bis zum
Wyszkówsattel gebildet hatte, verbessert, weil sich Pflanzer-Baltin zur-
zeit im vollen Siegesläufe östlich der Karpathen befand. Seine recht-
zeitige Verstärkung würde die Südarmee und die Gruppe Szurmay flott-
gemacht haben. Aber die Sorge um Przemysl beherrschte alles Handeln.
Im Kampfverfahren der beiden Offensivunternehmungen fällt der
von der 3. Armee grundsätzlich angewandte Angriff in Staffeln auf, vor
dem Conrad gewarnt hatte; das Warten auf den Erfolg des Nachbarn
wurde zum Hemmschuh der Entschlußfreiheit. Immer nur an einzelnen
Stellen angepackt, konnten die Russen ihre Reserven an die bedrohten
Punkte verschieben. Das 3. Armeekmdo. aber besorgte, bei gleichzeitigem
Einsätze seiner Kräfte einem sicherlich übermächtigen russischen Gegen-
drucke gegenüber mit abgekämpften Verbänden wehrlos zu werden1).
Die Kampfkraft des Angreifers wurde in hohem Grade dadurch herab-
gemindert, daß eine ausreichende Mitwirkung der Artillerie unter den
obwaltenden Umständen nicht möglich war. Ganz abgesehen davon, daß
dem Frontalstoße der 2. Armee eine flankierende Unterstützung mangelte,
war dies der Hauptgrund, warum der festgefügte und den Russen über-
legene Angriffskeil Tersztyánszkys gegen Baligród nicht durchzustoßen
vermochte. Einer raumgreifenden Offensive hätten in diesem Gelände
überhaupt nur Gebirgsbatterien folgen können, doch hätte kein Friedens-
organisator die hiefür erforderliche große Zahl für einen unwahrschein-
lichen Fall aufzustellen vermocht, ein Grund mehr gegen die Verlegung
der entscheidenden Kriegshandlung in die Karpathen. So wurde die
Infanterie, die sich langsam und mühselig durch Schnee und Eis, über
*) Mitteilung des GM. Pitreich (Zuschrift vom 20. September 1929).
224
Der Karpathenwinter 1914/15
Berg und Tal vorarbeitete, weder durch den moralischen Eindruck des
artilleristischen Beistandes befeuert, noch durch seine fühlbare Wirkung
unterstützt. Überdies war der Angreifer auf dem feindwärtigen Hange
des Gebirges stets im Nachteil, weil das Verschieben und Entfalten ge-
hemmt sowie Zuschub und Abschub über dieKammhöhen erschwert waren.
Vielleicht hätte das von einem Kriegsteilnehmer empfohlene „schicht-
weise" Vorgehen (S. 142) zu besseren Ergebnissen geführt; im Jänner fehlten
hiezu die Kräfte, später aber spornte die Lage der Festung Przemysl zu
höchster Eile an.
Die Anforderungen an die Truppen überstiegen häufig die Grenze
ihrer Leistungsfähigkeit, so daß Befehle nicht selten nur zum Scheine be-
folgt wurden; darunter litt das disziplinäre Gefüge des Heeres. Nicht
immer brachten die Führer den Freimut zu klaren und entschiedenen
Gegenvorstellungen auf, ihre Klagen verhallten nur zu oft, ohne gehört
zu werden. In keiner anderen Kriegsperiode häufte sich in gleichem Maße
das Versagen von Truppenteilen slawischer Nationalität wie bei dieser
übermenschlichen Inanspruchnahme.
So war Przemysl am 22. März trotz aller Entsatzbestrebungen ge-
fallen und 119.600 Männer der Festungsbesatzung zogen in sibirische
Kriegsgefangenschaft. Die Bemühungen zur Erhaltung des festen Platzes
hatten sich außerdem ungünstig auf die Anlage der Kriegshandlungen
ausgewirkt.
Auch die Russen, die durchschnittlich härter und widerstandsf ähiger
waren, büßten das Unternehmen mit gewaltigen Opfern, die sicherlich
die des habsburgischen Heeres bedeutend überstiegen, zumal ihre Füh-
rung ohne Rücksicht auf Verluste verfuhr. Dieser Blutzoll bildet einen
gewichtigen Posten in der Bilanz der Kriegshandlung, denn die wenn
auch vergeblichen Entsatzversuche fielen für den Endausgang des Ringens
mit dem Zarenreiche stark ins Gewicht und russische Militärschriftsteller
bezeichnen den Entschluß Iwanows zur Offensive über die Karpathen
als „den Anfang vom Ende".
Die Gegenoffensive Iwanows
Die Führerentschlüsse bei den Russen und bei
den Verbündeten
Hiezu Beilagen 6, 8 und 10
Am 19. März hatte sich der Großfürst-Generalissimus entschieden
(S. 164), die Offensive gegen die Deutschen aufzugeben und sich mit voller
Pläne der Russen und der öst.-ung. Heeresleitung
225
Kraft auf das gegnerische Karpathenheer zu werfen. Auf die hierüber
nach Zarskoje Selo erstattete Meldung bemerkte der Zar: „Gerade dies
würde auch ich machen."
Die von Iwanow im Hauptangriffsraum verfügte Gruppierung läßt
Rückschlüsse auf die Absichten der Russen zu. Durch die Gewinnung
des Bahnknotenpunktes Homonna sollte der Karpathenverteidigung des
Gegners ein tödlicher Stoß versetzt werden. Zu einem solchen Kampf-
ziel lud auch die weit vorspringende Stellung der Gruppe Tersztyánszky
besonders ein. Ihr gegenüber, wie überhaupt vor den inneren Flügeln der
Armeen Böhm-Ermolli und Boroevic, ballten Brussilow und Dimitriew die
stärksten Kräfte zusammen. Weniger eindrucksvoll gibt sich aus dem
Aufmarsch der Russen ihr Wille kund, über Bartfeld gegen Eperjes vor-
zudringen. Die Absicht hiezu ist dennoch nicht zu bezweifeln.
Der Fall von Przemysl sollte an diesen Plänen nichts Wesentliches
ändern. Wohl bestanden zwischen der Stawka und Iwanow mancherlei
Meinungsverschiedenheiten. Zuletzt drang aber doch der zähe Wille
Iwanows durch. Seinen Wünschen gemäß sollte die Heeresmitte die Linie
Zboro—Varannó—Csap—Szatmár-Németi gewinnen, wobei die 3. Armee
ihren linken Flügel bis in die Gegend von Sztropkó auszudehnen hatte. Die
gegen Pflanzer-Baltin angesetzten Streitkräfte Letschitzkis wurden nicht,
wie der Generalissimus vorschlug, direkt gegen den Raum Delatyn—
Nadwórna—Kolomea, sondern zu einer mehr ostwärts ausholenden Um-
fassung angesetzt. Die durch den Fall von Przemysl freigewordenen
Heereskörper wurden zum Teil bei Mezölaborcz, zum Teil gegenüber
der deutschen Südarmee in die Schlacht geworfen, wobei sie sich freilich
erst Ende März—Anfang April fühlbar machen konnten1).
Als über das Schicksal von Przemysl kein Zweifel mehr bestehen
konnte, hatte die öst.-ung. Heeresleitung darüber schlüssig werden müssen,
ob der bisherige Leitgedanke des Ringens gegen Rußland beizubehalten
sei. Schon in seiner Depesche an Falkenhayn vom 14. März (S. 208) hatte
Conrad angekündigt, daß er die Offensive über die Karpathen und in
Ostgalizien unbedingt weiterführen wolle. Bot sich jetzt nach dem Falle
der Festung endlich die Gelegenheit, ohne anderweitige Rücksichten an
*■) Danilo w, 458 f ; Broussilov, 121 ; Boncz-Brujewitsch, I, 79 ff
und II, 9 ff. — Auf die Wiedergabe der nach den obigen Darstellungen schwer klar-
zustellenden Meinungsverschiedenheiten der hohen russischen Befehlsstellen kann füg-
lich verzichtet werden. Bemerkenswert für die völlige Ahnungslosigkeit Iwanows ist
eine Weisung, die er um diese Zeit dem Gen. Dimitriew zukommen ließ : „Man muß
sich vor Augen halten, daß die Westfront der 3. Armee heute noch weiter an Bedeutung
verloren hat, weil hier der Feind kein reales wichtiges Operationsziel hat."
II 15
226
Der Karpathenwinter 1914/15
die Entscheidung mit dem verstärkten Ostflügel des Heeres zu schreiten,
so war wieder der Augenblick für zeitraubende größere Kräfteverschie-
bungen nicht günstig, da die Russen sehr bald über ihre beiden vor Prze-
mysl freiwerdenden Korps verfügen konnten und überdies alle Nach-
richten und Anzeichen auf den Zuschub weiterer Verbände an ihre Front
in den mittleren Karpathen deuteten. Der Feind mußte daher fest an der
Klinge gehalten werden, damit er nicht ungestört Vorbereitungen zu
einem Schlage in unerwarteter Richtung zu treffen vermochte.
Das AOK. erließ daher in kurzer Aufeinanderfolge am 17., 19. und
20. März neue Weisungen an die südlich der Weichsel stehenden Armeen
als Richtschnur für die nächste Zeit. Bei Fortführung der Offensive sollte
nunmehr Pflanzer-Baltin „nach Möglichkeit" verstärkt werden, tun den
Nachbararmeen vom Ostflügel her den Weg aus dem Gebirge zu öffnen.
Demnach wurde dem 3.Armeekmdo. befohlen, vom 20. an die 4. KD.
von Eperjes nach Ó Radna, weiters die komb. IBrig. und die 1. LstlBrig.
nach Delatyn abzusenden. Pflanzer-Baltin hatte sich mit dem linken
Flügel zu behaupten und mit dem rechten bei Sicherung gegen Osten und
unter Festhaltung von Czernowitz den Angriff fortzusetzen.
Nach dem Einlangen der nächsten Marschbataillone — diese be-
gannen schon am 17. im Operationsgebiete einzutreffen — sollten auch
die Süd-, die 2., die 3. und die 4. Armee die Offensive wieder auf-
nehmen, um den Feind daran zu hindern, Kräfte im Bahntransporte
gegen Westen zu verschieben und etwa aus dem derzeit schwach be-
wehrten Weichselbogen vorzustoßen. Die Heeresleitung machte besonders
darauf aufmerksam, daß der angeordnete Angriff nicht mehr, wie bisher
durch den vergeblich versuchten Entsatz von Przemysl bedingt, unter dem
Drange der Zeit stehe, sondern „mit Zähigkeit und in systematischer
Weise" zu führen sei. Dem Feinde müsse das Gesetz diktiert werden,
kein Frontteil dürfe längere Zeit untätig bleiben. Der 2. Armee wurde
vorgeschrieben, die Stellungen ihres Westflügels auszubauen und mit
ihrem auch weiterhin zu verstärkenden Ostflügel im Einklänge mit der
Südarmee den Feind zurückzuwerfen. Nach Maßgabe der Auffüllung
der Stände durch die Ergänzungen war das IV. Korps für eine Verschie-
bung innerhalb der Armee oder für den Abtransport bereitzustellen. Die
3. Armee hatte sich auf ihrem Ostflügel zu neuerlichem Angriffe zu
massieren. Endlich sollte die 4. Armee mit ihrem verstärkten Südflügel
den Vorstoß beiderseits der Linie Gorlice—Jaslo fortsetzen.
Falkenhayn trat indes mit anderen Plänen hervor. Er schlug der
k. u. k. Heeresleitung am 22. vor, in den Karpathen zu strengster Defen-
Falkenhayn plant wieder einen Angriff gegen Serbien
227
sive überzugehen, dafür aber mit den dort erübrigten Kräften einen
überraschenden Schlag gegen Serbien zu führen. Bekanntlich hatte er
diese Absicht schon um die Jahreswende kundgetan (S. 96); jetzt er-
wartete er sich davon „die Sicherung von Flanke und Rücken einer etwa
in nächster Zeit gegen Italien zu bildenden Front". Überdies wünschte
er dieses Unternehmen, um den „an den Dardanellen hart bedrängten
Türken beispringen zu können"1).
Conrad hielt hiezu acht bis zehn deutsche Divisionen für notwendig,
während Falkenhayn glaubte, mit drei bis vier die zahlenmäßige Über-
legenheit über das serbische Heer erzielen zu können; er gedachte auf
die bei der Südarmee eingeteilten deutschen Divisionen zu greifen und
diese durch öst.-ung. aus dem Abschnitte nördlich der Weichsel ablösen
zu lassen.
Mittlerweile waren die Russen den in Teschen gehegten Offensiv-
plänen zuvorgekommen und hatten sich vom 20. März an mit voller
Wucht auf die 3. (S. 211) und alsbald, wie noch darzustellen sein wird,
auch auf die 2. Armee geworfen. Der k. u. k. Chef des Generalstabes
antwortete daher am 23.: „Nach meiner Überzeugung ist auch beim
Übergang zur vollen Defensive eine Schwächung der in den Karpathen
und in der Bukowina kämpfenden verbündeten Streitkräfte dermalen
ebensowenig durchführbar, wie ein Abziehen von Kräften des deutschen
Ostheeres, welches — trotz des großen Erfolges der Masurenschlacht —
dermalen auch nicht in der Lage ist, die beabsichtigte, entscheidende
Offensive weiterzuführen, sondern in schweren Kämpfen sich gleichfalls
der hartnäckigen russischen Angriffe zu erwehren hat." Conrad wollte
daran festhalten, die Offensive mit starkem Ostflügel fortzusetzen, so-
bald die jetzt im Gange befindlichen Angriffe gegen die Armeen
Boroevic und Böhm-Ermolli abgeschlagen waren. Das Unternehmen
gegen Serbien werde überhaupt nur dann zu verantworten sein, wenn
durch Verwendung überlegener Kräfte die rasche und vollständige Nieder-
werfung dieses Feindes mit „absoluter Sicherheit" zu erwarten wäre.
Bliebe ein solcher durchgreifender und vernichtender Schlag aus, so
wäre die Geltung Österreich-Ungarns auf dem Balkan endgültig „rui-
niert". Beim Übergange zur reinen Defensive auf dem russischen Kriegs-
* schauplatze müßte die Front bis auf den Karpathenkamm zurückgenom-
men, daher die Bukowina geräumt werden, was aller Voraussicht nach
Rumänien zum Losschlagen veranlassen würde. Conrad wisse aus verläß-
licher Quelle, daß die Stawka von der Entente zur baldigen Wieder-
x) Falkenhayn, 53.
15*
228
Der Karpatfienwinter 1914/15
besetzung der Bukowina aufgefordert worden sei, deshalb wolle er
Pflanzer-Baltin weiter verstärken, sobald an der Karpathenfront Kräfte
entbehrlich sein würden.
Während diese Verhandlungen vor sich gingen, die mit der Ver-
tagung des serbischen Projektes ihren Abschluß fanden, war Przemysl
gefallen. Falkenhayn fügte seiner Depesche vom 22. bei: „Von den
Russen wird soeben die Übergabe von Przemysl in die Welt gefunkt.
Sollte die Nachricht zutreffen, so wird die Erinnerung an die helden-
mütige Haltung der Besatzung in jedem deutschen Herzen den Entschluß
nur noch verstärken, Österreich-Ungarns Feinde wie seine eigenen unter
allen Umständen niederzuringen."
Hierauf versicherte Conrad: „Der Fall Przemysls, so tief er mich
berührt, ändert nichts an meiner Überzeugung und dem festen Willen
der k. u. k. Armee, komme, was da wolle, in Treue mit dem deutschen
Heere durchzuhalten bis zum Ende."
Wachsende Bedrängnis bei der 2. und der 3.Armee
HiezuBeilagen 8 und 10 sowie Skizze 18
Schon in der Nacht auf den 20. machte sich der Entschluß der Russen
zum Hauptangriff gegen die öst.-ung. Karpathenfront bei der k. u. k.
3. Armee empfindlich fühlbar. Der Feind drückte das XVII. Korps (l.Lst-
IBrig. und 11. ID.) und die 22. SchD. des III. Korps nach erbitterten,
vom Wiener Landsturm und von den steirischen Schützen wacker ge-
führten Kämpfen zurück, so daß bis zum 24. eine starke Einbeulung ent-
stand. Noch behauptete sich aber die äußerste linke Flügeldivision (28. ID.)
in ihren Stellungen, gegen welche die Russen ihre Anstürme erst am 22.
begannen. Auch das VII. Korps stand in heißem Gefechte ; Gegenangriffe
von Teilen dieses Korps konnten am 21. trotz ansehnlicher eigener Ver-
luste nicht durchdringen. Das X.Korps wehrte-die wiederholt vorstoßenden
Russen jedesmal ab; die 2. ID. warf sich am 21. dem Feinde entgegen,
errang auch örtliche Vorteile, doch kam ihr Vorgehen schon am nächstenTage
wieder zum Stehen. Nur die 21. SchD. mußte ein Stück Gelände preisgeben.
Leider erreichte aber der Feind gleich zu Beginn seiner Offensive,
daß die für Pflanzer-Baltin bestimmten Verstärkungen (S. 226) nicht ab-
transportiert werden konnten. Schon am 20. vormittags bat das 3. Armee-
kmdo. um ihre Belassung, damit die schüttere Front in der Richtung auf
Sztropko nicht durchstoßen werde. Das AOK. gewährte diese Bitte sogleich.
Die Russen schreiten zu wuchtiger Offensive
229
Die 4. KD. befand sich mit Teilen bereits in der Einladestation Eperjes,
einige Transporte waren sogar schon abgerollt. Da inzwischen die 11. ID.,
überfallsartig vom Feinde angegriffen, ihre Gräben nahezu kampflos preis-
gegeben hatte, wurde die Reiterdivision zur Umkehr befohlen; ihr Ein-
satz in die entstandene große Lücke stellte die Lage wieder her. Die
komb. IBrig. (IR. 81 und 88) wurde mit je einem Regiment westlich und
östlich der Laborcza zur Stützung des X. Korps eingesetzt, während die
1.LstlBrig. noch nicht ausgelöst war1). Die Heeresleitung verfügte am
20. die Unterstützung der Armee Boroevic durch Böhm-Ermolli. Dieser
beabsichtigte, die 27. und die 14. ID. nach dem Eintreffen der Marsch-
formationen aus der Front zu ziehen und bei Cisna zu versammeln. Nun
sollten diese Kräfte nach Maßgabe ihrer Bereitstellung truppenkörper-
weise an den linken Nachbar abgeschickt werden.
Unterdessen hatten sich aber die Russen auch auf die 2. Armee ge-
stürzt und erzielten an vielen Stellen Erfolge2). Ehe beim V.Korps der
Angriff der komb. 31. ID., FML. Lütgendorf (S.210), begonnen hatte,
wurde die 37. HID. am 21. zurückgeworfen und das XVIII. Korps verlor
einige wichtige Stellungsteile ; bei der Nordgruppe Tersztyánszkys wurden
die inneren Flügel der 13. SchD. und der 27. ID. eingedrückt, während die
Chryszczata in wechselvollem Ringen genommen und behauptet werden
konnte.
Der Helfer war somit selbst in Bedrängnis geraten.
Tersztyánszky vermochte nur wenige Bataillone für die 3. Armee
freizumachen. Boroevic ersuchte um deren Einsatz am linken Flügel der
2. Armee (34.ID.), um seiner 24.ID. die Abwehr auf dem Beskidkamme
zu erleichtern.
Die große entscheidungsuchende Offensive der Russen war nunmehr
in vollem Gange. Es spricht für die nie verzagende Zuversicht Conrads,
daß er das Heraustreten des Feindes aus dem schützenden Bereiche seiner
starken Stellungen begrüßte, da sich nun die erwünschte Gelegenheit biete,
die russische Angriffskraft zu zermürben. In dem Befehle vom 21. abends
1) Pflanzer-Baltin erhielt statt der ihm hiedurch entzogenen Verstärkungen die
8. KID. der 2. Armee.
2) Aus den Akten ist nicht zu entnehmen, wann das 2. Armeekmdo. verständigt
wurde, daß man den Durchbruchsplan der Festungsbesatzung von Przemysl gegen
Sambor fallengelassen habe. Da sich aber die geplante Hilfsaktion des Ostflügels der
Armee Böhm-Ermolli auch in den Rahmen der beschlossenen großen Offensive ein-
ordnete, scheint das AOK. diese Benachrichtigung nicht für dringend gehalten zu
haben; möglicherweise stand jedoch schon die Verschiebung des Angriffsbeginnes (S.210)
mit der Kenntnis der geänderten Absichten Kusmaneks in Zusammenhang.
230
Der Karpathen winter 1914/15
hieß es, das AOK. gewärtige, daß die braven Truppen der 2. und der
3. Armee, die sich in den Schneestürmen des Winters durch Härte und
Ausdauer bewährt hatten, bis zum vollen Erfolge durchhalten würden.
Das 2. Armeekmdo. habe die aus Tersztyánszkys Nordgruppe auszu-
lösenden Kräfte am Westflügel einzusetzen, damit der Raum bei Wola Mi-
chowa verläßlich behauptet werde ; die 14. ID. möge dem V. Korps zu-
gewiesen werden, um den Rückschlag bei der 37. HID. wettzumachen.
Böhm-Ermolli erhielt freie Hand, den eingeleiteten Angriff Lütgen-
dorfs weiterführen oder die hiefür bestimmten Kräfte an anderer Stelle
„aktiv eingreifen" zu lassen. Von der 4. Armee wurde gefordert, einen
Vorstoß gegen ihren Südflügel mit einem Gegenschlage zu beantworten;
sie müsse aber die 26. SchD. an die 3. Armee abgeben. Diese Division
gelangte hierauf mit einer Brigade im Fußmarsch über Zboró zur
22. SchD. des III. Korps, mit der anderen im Bahntransport von Grybów
über Neusandez und Eperjes gegen Bartfeld zum XVII. Korps. Ihr Ein-
satz erfolgte regimenterweise.
Erst am 22. vormittags wurde Böhm-Ermolli vom AOK. unterrichtet,
daß der Durchbruchsversuch der Besatzung von Przemysl am 19. ge-
scheitert sei; am Nachmittag kam dann die traurige Nachricht von
dem Falle der Festung nach Ungvár. Das 2. Armeekmdo. entschloß sich
mit Rücksicht auf die Gesamtlage und auch im Hinblick auf die stark er-
schütterte 37. HID., Lütgendorfs Vorrückung trotz ihres guten Fortschrei-
tens einzustellen und zunächst die ins Wanken geratene Front des V. Korps
zu festigen. Ungeachtet dessen wies die verstärkte 37. HID. ebenso wie die
33. ID. am 22. neue Anstürme der Russen ab, während das XVIII. Korps
ein Stück zurückwich. Bei der Gruppe Tersztyánszky — Korps Schmidt
(13. SchD., 32. und 27. ID.) und Korps Trollmann (41. HID., 29. und
34. ID.) — wurden die 27. und die 34. ID. in ihre vor Beginn der Offensive
eingenommenen Stellungen zurückgedrückt, doch an anderen Stellen
berannte der Russe vergeblich die Front.
Am 23. herrschte bei den Mittelkorps der Armee Boroevic leidliche
Ruhe. Umso heftiger wütete jedoch der Kampf an den Flügeln; er for-
derte auf beiden Seiten schwere Opfer. Die 22. SchD. rang hartnäckig
um den Kastelik vrch; ihr war das SchR. 10 der 26. SchD. zu Hilfe geeilt.
Mit rühmenswerter Standhaftigkeit schlug das X. Korps den Ansturm
der Russen ab. Die 21. SchD. hatte am 21. (S. 228) und nun auch am 23.
Gelände preisgeben müssen, wobei sich aber der heldenmütige Wider-
stand des Egerer SchR. Nr. 6 den glänzendsten Episoden der Karpathen-
schlachten anreihte; freilich schmolz dabei das Regiment von 3000 auf
Schwierige Lage der k. u. k. 2. Armee
231
800 Feuergewelire zusammen. Jetzt schien aber das Ungewitter gegen
den rechten Flügel des X. Korps (24. ID.) zu ziehen. Der Feind ballte
starke Kräfte zusammen, offenbar in dem Bestreben, den inneren Flügeln
der Armeen Böhm-Ermolli und Boroevic den Beskidrücken zu entreißen.
Wiederholt forderte das 2. Armeekmdo. seinen linken Nachbar auf, einer
Erschütterung dieses wichtigen Eckpfeilers durch einen gemeinsamen An-
griff der 34. und der 24. ID. vorzubeugen.
Überhaupt suchte Böhm-Ermolli in vorbildlicher Weise die 3. Armee
in weitestgehendem Maße zu unterstützen, doch die Schläge gegen seine
eigene Front vereitelten diese Absicht immer wieder von neuem. So
glückte den Russen in der Nacht zum 23. ein Überfall auf die 9. ID. des
XVIII. Korps, der die Widerstandskraft der hiebei in Mitleidenschaft ge-
zogenen Truppen nachhaltig schwächte. Sowohl bei der 2. als auch bei
der 3. Armee erlahmte bei diesen Zusammenstößen der Kampf wille zuerst
bei der Mehrzahl jener Verbände, die sich aus tschechischer Mannschaft
zusammensetzten, wodurch die feindlichen Unternehmungen wesentlich er-
leichtert wurden. Solches Versagen wirkte stets verderblich auf die wacker
ausharrenden Nachbartruppenteile und verlangte von diesen verdoppelte
Hingebung, was Opfer von erschreckender Höhe bedingte. Die in der
Heimat betriebene politische Agitation durfte sich ihres Erfolges rühmen.
An die Führung der 2. Armee traten vielfältige und schwere Auf-
gaben heran. Augenblicklich war die Abwehrkraft am heftigsten beim
XVIII. Korps erschüttert, wodurch auch die selbst nicht angegriffene
14. ID. Tersztyánszkys zum Abbiegen ihres Flügels genötigt wurde.
Durch Abgaben von der Armeegruppe Tersztyánszky, bei der eine
kurze Kampfpause eingetreten war, sowie vom V.Korps, dessen 33. ID.
sich gegen die russischen Vorstöße tapfer behauptete, konnten insgesamt
elfeinhalb Bataillone zur Herstellung der Lage beim XVIII. Korps und
zur Wiedergewinnung der verlorenen Höhe Stoly zugeschoben werden.
Aber auch der Hilferuf des 3. Armeekmdos., wo man die herannahende
Krise des Ostflügels bereits ahnte, verhallte nicht ungehört. Die 34. ID.
hielt sich zum Gegenangriff bereit, sobald die vor der 24. ID. ange-
sammelten russischen Kräfte zum Schlage gegen den Beskidkamm aus-
holen würden. Weiters wurde bei Szinna im Etappenraum der 2. Armee
ein Detachement (fünf Marschbataillone und dre$ Kanonenbatterien) unter
dem Obst. Biffi gebildet und hinter den rechten Flügel der 3. Armee
geschoben, wohin auch die 1. LstHusBrig. der Gruppe Szurmay kam.
Den gleichen Zweck verfolgte ein Befehl des AOK. an das 4. Armee-
kmdo., alle verfügbaren Kräfte mit der Bahn an den Ostflügel der S.Armee
232
Der Karpathen winter 1914/15
zu führen. Ohnedies war die Offensive gegen Gorlice längst auf einem
toten Punkte angelangt; man beschränkte sich darauf, dem Feinde ihre
Wiederaufnahme vorzutäuschen und seine gelegentlichen Vorstöße abzu-
weisen. Das AOK. glaubte zu dieser Zeit, daß die Russen aus ihren Brücken-
köpfen am unteren Dunajec gegen den schwachen Nordflügel der 4. Armee
vorzubrechen beabsichtigten, doch scheinen sie daran nicht gedacht zu
haben; möglicherweise trugen die Bombenwürfe eines 24cm-Mörsers gegen
diese Brücken dazu bei, etwa bestehende Pläne im Keime zu unterdrücken.
Erzherzog Joseph Ferdinand führte nun der 3. Armee zwei in Reserve
befindliche Regimenter (IR. 28 und KJR. 4) zu.
Mittlerweile scheiterte am Westflügel der Armee Boroevic ein Ver-
such der 22. SchD., sich am 24. März wieder des Kastelik vrch zu be-
mächtigen. Die Division wich in eine hintere Linie aus, worauf der Führer
des III. Korps beabsichtigte, seine ganze Front vom Feinde abzusetzen
und bis beiderseits von Zboró zurückzunehmen. Die Folge war, daß die
erwähnten Verstärkungen nicht, wie es das AOK. ursprünglich gewünscht,
dem X., sondern dem linken Flügel des III. Korps zuflössen.
Beim XVII. Korps vereitelte die tapfere l.LstlBrig., verstärkt durch
zwei Bataillone der 26. SchD., alle Bemühungen der Russen, in ihre Stel-
lung einzudringen. Ebenso wacker hielt sich die 4. KD., in deren Reihen
das SchR. 12 eingeschoben wurde. Gegen das VII. Korps verhielt sich der
Feind am 24. untätig. Die 21.SchD. erwehrte sich eines russischen Vorstoßes.
In der Nacht auf den 24. hatte sich aber das Ungewittcr gegen die
24. ID. entladen. Nach heißem Ringen und sehr großen beiderseitigen Ver-
lusten wurde diese Division in den Morgenstunden von der Kammhöhe
geworfen; ihre Reste sammelten sich im Räume südöstlich von Virava.
Die Gegenangriffe der 34. ID. waren nicht imstande, dieses Mißgeschick
abzuwenden; ihr linker Flügel behauptete sich jedoch östlich von der
Einbruchstelle auf dem Be,skidrücken.
Die vorausschauenden Maßnahmen des 2. Armeekmdos. trugen jetzt
gute Früchte, weil das heranmarschierende Detachement Obst. Biffi zeit-
gerecht in die vom Feinde aufgerissene Lücke zwischen beiden Divisionen
eingesetzt werden konnte.
Böhm-Ermolli erwog, die gleich einer Bastion gegen den Feind vor-
springende Front der Nordgruppe Tersztyánszkys in eine Sehnenstellung
zurückzunehmen, um hiedurch die 14. und die 27. ID. leichter aus der
vordersten Linie lösen zu können, verzichtete aber auf die Durchführung
dieser Absicht, als der Feind eine Ausbeutung seines auf dem Beskidkamme
errungenen Erfolges unterließ. An den anderen Frontabschnitten der
Unaufhörliche russische Anstürme
233
2.Armee verlief der 24.März ruhig; nur bei der 33.ID. und beim Korps
Schmidt versuchten die Russen gegen unsere Stellungen vorzudringen.
Wegen der Zuspitzung der Lage, die durch den teil weisen Verlust
des Beskidkammes entstanden war, forderte die Heeresleitung das
4. Armeekmdo. auf, Boroevic noch weiter zu unterstützen. Der Erzherzog
stellte die Hauptkraft der 8. ID. in der Gegend von Grybów für den
Bahntransport in das Laborczatal bereit. Indes trat abermals einer jener
unvorhergesehenen Zwischenfälle ein, die das sorgfältigst vorbereitete
Konzept der Führung zu Schanden zu machen pflegen. In der Nacht auf
den 25. überfielen die Russen die 28.ID., durchbrachen ihre Front nächst
Konieczna und rissen damit die inneren Flügel der 4. und der 3. Armee
weit auseinander. Darauf ging das ganze III. Korps auf Weisung seines
Führers bis Zboró zurück. Hierüber äußerst befremdet, befahl das AOK.
dem Armeeführer, sich selbst nach Bartfeld zu begeben, die näheren Um-
stände zu erheben und die Verwendung der schon früher vom 4-. Armee-
kmdo. zugesendeten Verstärkungen an Ort und Stelle zu regeln1).
Diese bedauerlichen Vorgänge beeinflußten nunmehr die Verwen-
dung der 8. ID., deren Abtransport auf Vorschlag des 4. Armeekmdos.
eingestellt wurde. Auf dessen Antrag sollte die Division im Laufe des
26. bei Uscie Ruskie gesammelt werden, am folgenden Tage in der Rich-
tung über Regetów angreifen und auf diese Weise die zwischen den beiden
Armeen klaffende Lücke schließen.
Am 25. brandeten die russischen Massen fast überall an die Stel-
lungen der 2. und der 3. Armee heran, ohne jedoch anderswo ähnliches
Unheil wie beim III. Korps anzurichten. Die 2. Armee nahm die Angriffs-
gruppe des FML. Lütgendorf freiwillig in die allgemeine Front zurück,
die 33. ID. hielt russischen Vorstößen stand, während sich der rechte
Flügel des XVIII. Korps zur Wiedereroberung der Höhe Stoly anschickte.
Dem Anstürme des Feindes gegen den linken Flügel dieses Korps und
gegen die ganze Front des Korps Schmidt konnten Schranken gesetzt
werden. Im Rahmen der Armee Boroevic spielten sich Kämpfe haupt-
*■) Boroevic berichtete nach Teschen, die Russen seien am 25. bei Morgengrauen
völlig unerwartet vor den Gräben des IR. 47 (28. ID.) aufgetaucht und hätten unter
Ausnützung der eingetretenen Verwirrung das sonst jederzeit bewährte Regiment zu-
rückgedrängt. Daß unverhältnismäßig viel Gelände preisgegeben wurde, habe die Korps-
führung verschuldet, die eine schon früher für den kritischesten Fall ausgegebene Rück-
zugsdisposition ohne Nötigung in Kraft setzte. Allerdings war die verlassene Stellung
sehr ausgedehnt und nur schütter besetzt. Die Truppen waren stark hergenommen und
wiesen erhebliche Abgänge auf. Vgl. auch Schwarzleitner, Das III. Korps in den
Karpathen (Österr. Wehrzeitung, Wien, Jhrg. 1923, Folge 2, 5, 6, 7),
234
Der Karpathenwinter 1914/15
sächlich bei der 45. SchD. und der 20. HID. ab, deren Truppen, Tag und
Nacht von den Russen berannt, nicht vom Platze wichen, des weiteren
bei der durch das SchR. 9 der 26. SchD. verstärkten l.LstlBrig., die den
feindlichen Sturmwellen zu trotzen wußte.
Damit waren aber die wackeren Verteidiger an der Grenze ihrer
Leistungsfähigkeit angelangt. Böhm-Ermolli berichtete in diesem Sinne an
das AOK. und wies besonders auf die erschütterte Kampfkraft des V. und
des XVIII. Korps hin. Unter solchen Umständen verzögerte sich das Aus-
scheiden von Reserven und Tersztyánszky meldete, daß die 14. und die
27. ID. vorerst nicht aus der Front gelöst werden könnten.
In Teschen täuschte man sich nicht darüber, daß sich die Gefahr
eines russischen Durchbruches der öst.-ung. Gebirgsstellungen in der Rich-
tung gegen Budapest durch Mitwirkung des freigewordenen Gros der
11. Armee wesentlich gesteigert hatte. Glückte dies dem Feinde, dann
mochte auch die westgalizische und polnische Front der Verbündeten un-
haltbar werden. Conrad gab daher dem Gdl. Falkenhayn am 24. März
zu erwägen, ob nicht zwei bis drei deutsche Divisionen in die Karpathen
abzuschicken wären.
An der deutschen Westfront war um diese Zeit der auf Lille an-
gesetzte Durchbruch der Engländer bereits am 13. März als gescheitert zu
betrachten gewesen. Auch bei der am 20. erloschenen „Winterschlacht
in der Champagne" war es den Franzosen nicht gelungen, die deutschen
Linien zu durchstoßen. Die DOHL. kam jedoch erst Ende März zur
Überzeugung, „daß es den Gegnern im Westen in absehbarer Zeit nicht
möglich sein werde, eine Entscheidung zu erzwingen"1). Falkenhayn
zögerte mit einer ausreichenden Hilfeleistung in den Karpathen, zumal
infolge der durchgreifenden Umbildung des Westheeres in Divisionen zu
drei Infanterieregimentern erst im April schlagfertige Einheiten verfüg-
bar wurden und Hindenburg unweit der Südgrenze Ostpreußens gegen
russische Übermacht focht2). Abgesehen davon sträubte sich der deutsche
Generalstabschef innerlich dagegen, seine gebirgsfremden Truppen in den
als fruchtlos angesehenen Karpathenkämpfen verbrauchen zu lassen.
Vorerst verlangte er am 25. von Conrad, daß dieser alles daran setze,
um das k. u. k. Ministerium des Äußern zu ungesäumtem Abschlüsse mit
dem römischen Kabinette zu bewegen; denn wenn dort die Lage der 2.
und der 3. Armee bekannt würde, sei eine Einigung überhaupt nicht mehr
1) Falkenhayn, 56.
2) Nach Angabe Falkenhayns standen den 381/2 Divisionen des deutschen Ost-
heeres 531/2 russische Divisionen gegenüber.
Bildung des deutschen Beskidenkorps
235
zu erwarten. Daran, fügte er hinzu, könne auch das etwaige Eingreifen
von zwei deutschen Divisionen nichts ändern.
Aber am 26. und 27. nötigte die äußerst gespannte Lage die beiden
Heeresleitungen doch zu einer Vereinbarung. Es wurde die Bildung eines
deutschen Beskidenkorps unter dem Befehl des GdK. v. d. Marwitz be-
schlossen; hiezu hatten General Woyrsch die 35. RD., die Südarmee
die deutsche 4. ID. und Hindenburg die 25. RD. seiner 9. Armee beizu-
stellen. Zuerst erfolgte vom 27. an der Abtransport der 25.RD. (vorläufig
nur zu zwei Infanterieregimentern und drei Artillerieabteilungen); die
beiden anderen Divisionen begannen die Bahnfahrt am 29. März. Außer-
dem sollte auch Böhm-Ermolli entbehrliche Kräfte dem Ostflügel der
3. Armee zusenden. Die Heeresleitung regte überdies einen Entlastungs-
vorstoß des linken Flügels der 2. Armee an, doch ihr Führer, der ein
solches Unternehmen für aussichtslos hielt, half dem Gdl. Boroevie mit
der bereits im Anmärsche auf Homonna befindlichen 1. LstHusBrig. und
mit einer kombinierten Division unter dem FML. Martiny aus. Diese be-
stand an Infanterie aus einer später auf dreieinhalb Bataillone vermin-
derten kombinierten Brigade (Teile der 14. und der 27. ID.), die im
Fußmarsche über Telepócz anrückte und aus der 128. HIBrig. der Gruppe
Szurmay *-), deren Abtransport von Fenyvesvölgy am 28. begann.
Die Krise
(26. bis 31. März)
Unaufhörlich hämmerten die Russen auf die 2. und die 3. Armee los
und entrissen der öst.-ung. Front am 26. und 27. März manches Stück
Boden. Dem XVIII. Korps Böhm-Ermollis gelang es unter diesen Um-
ständen nicht, die Höhe Stoly zu erobern, und die 32. ID. (Korps Schmidt)
wurde am 27. nach tapferer Gegenwehr zum Ausweichen gezwungen. Bei
der Armee Boroevic zerschellte am 26. ein gegen die 2. ID. des X. Korps
gerichteter Angriff, wobei die Russen große Verluste erlitten. Auch die
45.SchD. war seit diesem Tage2) in heftige Abwehrkämpfe verstrickt,
von denen alsbald auch der rechte Flügel der 20. HID. in Mitleiden-
schaft gezogen wurde. Ebenso heftig machte sich der feindliche Anprall
gegen die anderen Teile des VII. Korps geltend; die 17. ID. hielt stand,
*■) Als Ersatz für die 128. HIBrig. (früher 128. LstlBrig.) verlangte das 2. Armee-
kmdo. die Rückgabe der beim Korps Hofmann kämpfendenBataillone der 38.HID. (S.185),
2) Die 45. SchD. wurde am 28. dem VII. Korps unterstellt.
236
Der Karpathenwinter 1914/15
die 1. KD. wurde aber etwas zurückgedrückt. Verlor beim XVII. Korps
die 1. LstlBrig. nach tapferer Gegenwehr ihren Stellungsteil, so wies doch
das bei ihr eingeteilte SchR. 9 die abermals angreifenden Russen ab,
denen es auch nicht glückte, die 4. KD. zum Wanken zu bringen. Auch in
dem links anschließenden Abschnitt wurden alle Gräben behauptet.
Große Sorge bereitete aber die Bedrängnis des X. Korps. Da sich
am anstoßenden Flügel der 2. Armee das XIX. Korps seit einigen Tagen
verhältnismäßiger Ruhe erfreute, schlug FML. Trollmann, so wie es auch
das AOK. wollte, einen Entlastungsstoß in der Richtung Lupków-Palota
vor. Das 2. Armeekmdo. ließ sich jedoch bei den ungeklärten Verhält-
nissen nicht darauf ein und bestand auf fortgesetzter Bildung von Re-
serven; es befahl dem GdK. Tersztyánszky, der nach Einsatz der Marsch-
formationen über 52.000 Feuergewehre verfügte, das Gros der 27. ID. bei
Cisna zu sammeln1). Mit der Ablehnung des vom XIX. Korpskmdo. vor-
geschlagenen Vorstoßes behielt die 2. Armee recht; denn alsbald hatte
sie krisenhafte Tage zu überstehen, deren Ausgang sich noch schlimmer
gestaltet hätte, wenn jener Plan ausgeführt worden wäre. Am 28. wurde
der Nordgruppe Tersztyánszky s die blutgetränkte Manilowahöhe ent-
rissen; die 32. ID. des Korps Schmidt vermochte sich nicht länger zu be-
haupten und auch die 13. SchD. kam ins Gleiten. Nur die 43. SchD. focht
nicht ohne Glück, doch mußten einige für die komb. ID. FML. Martiny
bestimmte Bataillone zurückbehalten werden.
Bei diesem unerfreulichen Kampfverlaufe ließ sich die Ausführung
der vom 2. Armeekmdo. schon am 24. erwogenen Absicht nicht länger
aufschieben (S. 232). Am 28. wurde die Nordgruppe Tersztyánszky s in
die befestigte Sehnenstellung zurückgenommen und damit die vorsprin-
gende Bastion mit einem Raumverlust von etwa 3y2km abgetragen.
Im Grenzgebiete der 4. und der 3.Arm^e übernahm FML. Králi-
cek, der Führer des IX. Korps, den Befehl über die hier bereitgestellten
Gefechtsgruppen. Diese rückten konzentrisch zum Angriff überRegetów
(S. 233) vor. FML. Fabini mit dem Gros der 8. ID. und der komb. IBrig.
Obst. Fischer (IR. 59 und SchR. 30), rechts begleitet durch die halbe
11. HKD., gegen Südosten, das Detachement GM. v. Haustein (IR. 87 und
eine Feldkanonenbatterie) sowie die beiden von der 4. Armee zur Ver-
fügung gestellten Regimenter (IR. 28 und KJR. 4) gegen Nordosten. Der
kräftige Widerstand der Russen östlich von Regetów konnte jedoch von
den auf weiten Raum verteilten Angriff Struppen, die sich ihren Weg
mühsam durch tiefen Schnee bahnen mußten, nicht überwunden werden.
1) Das Detachement Biffi wurde aufgelöst und durch Verbände der 34. ID. ersetzt.
Schwere Abwehrkämpfe der 2. und der 3. Armee
237
Über die Frage, wie nunmehr einem feindlichen Durchbruche an der
Nahtstelle der zwei Armeen am besten vorzubeugen sei, vermochten
sich die beiden Armeelandos. nicht zu einigen. Die Heeresleitung billigte
endlich am 29. den von Okocim ausgehenden Vorschlag, die Lücke
nicht zu schließen, sondern die Angriffstruppen derart zurückzunehmen,
daß der Südflügel der 4. Armee — mit einer starken Reserve von sechs
Bataillonen bei Hanczowa — jederzeit zu einem Flankenstoß bereit blieb,
falls die Russen den linken Flügel der Armee Boroevic angreifen sollten.
Damit war einer Kräftezersplitterung am besten vorgebeugt. Fehlte der
Aktion über Regetów auch der taktische Erfolg, so überlegte es sich der
Feind von nun an doch, den Stoßkeil gegen die Nahtstelle der beiden
Armeen weiter vorzutreiben.
Der Druck der Russen gegen die 3. Armee hielt beim X. und beim
XVII. Korps auch während der nächsten Tage an. Die 4. KD. bestand am
28. einen überaus harten, aber mit vorbildlicher Tapferkeit geführten
Abwehrkampf, der ihr die warme Anerkennung des Feldmarschalls Erz-
herzog Friedrich eintrug; am nächsten Tage wurde sie jedoch unter er-
heblichen Verlusten ein Stück zurückgedrängt, da die in ihrer Front ein-
gereihten Abteilungen eines tschechischen Schützenregiments gänzlich
versagten. Im Abschnitte des X. Korps bewährte sich die 2. ID. (mit dem
mährischen IR. 81) in zäher Verteidigung gegen den Tag und Nacht los-
stürmenden Feind. Diesem gelang zwar ein Einbruch an der Nahtstelle
zur 24. ID., dann ging ihm aber der Atem aus, so daß die Front wieder
zusammengeschlossen werden konnte.
Schon marschierten die von Böhm-Ermolli der 3. Armee zur Ver-
fügung gestellten Teile der Division Martiny heran, als sich gerade in
diesem Augenblick die Lage bei der 2. Armee weitaus schwieriger ge-
staltete als bei ihrem Nachbar. Nach längerer Unterbrechung nahm der
Feind am 29. seine Angriffe gegen alle drei Divisionen des XIX. Korps
wieder auf. Heftig wogte der Kampf hin und her; noch glückte es an
diesem Tage, die Stöße abzuwehren. Daß der rechte Flügel der 41. HID.
abgebogen werden mußte, war nur ein Folge des Abzuges der Nord-
gruppe Tersztyánszkys, die im Laufe der Nacht und des Vormittags in
der hinteren Stellung einlangte1). Ebenso mußte auch das XVIII.Korps
seinen linken Flügel zurückbiegen. Schlimm sah es bei der 37. HID. des
V. Korps aus, die von den Russen geworfen wurde, während sich die
33. ID. zu behaupten vermochte. Als sich der Feind nun mit ansehnlichen
1) Bei der Nordgruppe standen sodann von rechts nach links: 43. SchD., 32. ID.
und 13. SchD. Als Reserve Tersztyánszkys das Gros der 27. ID. bei Cisna.
238
Der Karpathenwinter 1914/15
Kräften in die zum XVIII. Korps hin aufgesprungene Lücke hineinschob,
wurde FML. Ziegler, der neuernannte Führer dieses Korps, beauftragt,
mit vier Regimentern — teils von der Gruppe Tersztyánszky, teils vom
V. Korps — in den entblößten Raum vorzudringen und das südliche
Sanufer wieder zu gewinnen.
Böhm-Ermolli, bestrebt, das Gefüge der Hauptkraft seiner Armee
durch frische Kräfte zu festigen, bat die Heeresleitung um Freimachung
von Szurmays 38. HID. durch die Südarmee. Er holte sich jedoch vorerst
einen ablehnenden Bescheid. Die 38, und die 40. HID. hielten den russi-
schen Anstürmen in der Nacht auf den 29. ebenso stand wie die 38. allein
den wiederholten Angriffen des Feindes am 30. und 31. März.
An diesen beiden Tagen setzten die Russen ihr verhängnisvolles
Werk aber auch gegen die Mitte und den Westflügel der 2. Armee fort
und durchbrachen die Front des XIX. Korps. Die 41. HID. räumte nach
einer Standeseinbuße von 60 v. H. ihre Stellung und die Korps Trollmann
und Schmidt mußten in die Linie Südende Jablonki—Tousty Dil (auf dem
Beskidkamm) zurückgenommen werden. Ausnahmsweise drängte der
Feind der 13. SchD. so hitzig nach, daß diese an beiden Tagen in schwere
und verlustreiche Kämpfe verwickelt wurde.Ein russischer Einbruch bei der
32. ID. konnte nur dadurch begrenzt werden, daß ihr Führer, GM. Ludwig
Goiginger, die Divisionsreserve persönlich dem Feinde entgegenwarf. Das
XVIII. Korps nahm nach einem in der Abwehr erzielten Augenblicks-
erfolg jetzt seinen linken Flügel zurück, um Tersztyánszky mit einigen
Abteilungen beispringen zu können, büßte aber am 31. seine Selbstlosig-
keit mit erheblichem Geländeverlust auf dem rechten Flügel. Schon hatte
am 30. FML. Ziegler seine vier Regimenter zum Vorrücken befohlen, als
das 2. Armeekmdo. um die Mittagsstunde die Einstellung der Bewegung
befahl, weil sich das V. Korps nicht länger halten konnte. Überdies
mußte die 37. HID. (2000 Feuer ge wehre) weiter nach Südosten Raum
geben. Der Korpsführer, FML. Scheuchenstuel, beantragte hierauf den
Rückzug auf die Höhen knapp nördlich vom Wolosate-Wetlinkatale. In
Anbetracht der heillos verschlimmerten Verhältnisse konnte GdK. Böhm-
Ermolli seine Zustimmung nicht versagen.
Am 27. März war unterdessen dem 3. Armeekmdo. vom AOK. die
Zuführung des deutschen Beskidenkorps und der komb. ID. Martiny ange-
kündigt worden. Die russische Offensive sollte durch einen geschlossenen,
starken und einheitlichen Angriff, dem sich das X. und das VII. Korps
anzuschließen hätten, endgültig abgewiesen werden, wobei ein tropfen-
weiser Einsatz dieser Verstärkungen nicht erf olgen durfte. Im Gegensatze
Die Verwendung des Beskidenkorps
239
zu den Anweisungen des Vormonates, die ein unbedingtes Ausharren ge-
fordert hatten, verfügte aber jetzt die Heeresleitung, daß das III. und
das XVII. Korps, wenn die Armee vor vollendeter Bereitstellung der
frischen Kräfte zum Ausweichen gezwungen werde, in eine nach Nord-
osten gekehrte Front zurückzunehmen seien, um einen Gegenangriff in
die Flanke des vordringenden Feindes führen zu können1).
Unter dem Eindrucke der schweren Krisen der Abwehrschlacht
wandte sich der Armeeführer am 29. mit der Frage an die Heeresleitung,
ob das Verbot, die anrollenden Kräfte zu verwenden, auch dann Gel-
tung behalte, wenn das X. und etwa auch das VII. Korps vor bewirkter
Versammlung der deutschen Armeekörper zum Rückzüge gezwungen
würden und durch den Einsatz frischer Truppen die Verteidigungs-
abschnitte festgehalten werden könnten. Das AOK. antwortete, daß die
ungestörte, noch etwa eine Woche erfordernde Bereitstellung der neuen
Verbände selbstverständlich gesichert werden müsse, ein einheitlicher Ein-
satz des deutschen Beskidenkorps sei jedoch anzustreben.
Gdl. Boroevic beabsichtigte, dieses Korps bei Homonna und nördlich
davon zu beiden Seiten der nach Mezölaborcz führenden Bahn zu versam-
meln und beiderseits des Laborczatales angreifen zu lassen. Schon acht-
undvierzig Stunden nach der hierüber erstatteten Meldung war jedoch der
Armeeführer anderen Sinnes geworden und bezweifelte das Gelingen dieses
Angriffes. Wie er nachTeschen berichtete, sei die Angriffsstaffel von 50.000
Feuergewehren gegenüber 40.000 russischen zu schwach, das Gelände
schwierig, die Artillerie Wirkung unzulänglich, die Kampf kraft der Truppen
mit jener zu Beginn des Krieges nicht zu vergleichen, endlich seien die
Deutschen im Gebirge ungeübt. Nach allen bisherigen Erfahrungen werde
sich die Offensive nach geringem Raumgewinn festlaufen; es wäre daher
besser, den Stoß so lange aufzuschieben, bis sich der Russe durch seine
Anstürme geschwächt und sich hie durch das Kräfteverhältnis günstiger
gestaltet habe. Boroevic schlug vor, die eintreffenden frischen Verbände
1) In ähnlicher Weise äußerte sich die Heeresleitung am 29. März in einer Depesche
an das 2. und das 3. Armeekmdo., die die Mängel der bisherigen Gefechtsführung be-
rührte: auch der ungefähr gleich starke Feind kämpfe mit relativ schwachen Kräften
in ausgedehnter Front. Er müsse an weiterem Vorgehen gehindert werden, bis man nach
Erschöpfung seiner Angriffskraft selbst zur Offensive übergehen könne. Durch lediglich
passiven Widerstand in gleichmäßig besetzter Linie sei dieses Ziel nicht zu erreichen.
In den letzten Tagen sei es den Russen gelungen, durch zusammengefaßten Stoß an
einzelnen Stellen unserer dünnen Front einzubrechen. Die Folge davon sei : allmählicher
Raumverlust. Man lasse lieber „bewußt" eine Lücke bestehen, um den eingedrungenen
Feind sodann mit zurückgehaltenen und geschonten Kräften anzufallen.
240
Der Karpathenwinter 1914/15
mangels anderer Reserven zu verläßlicher Stützung der Front zu ver-
wenden und das Beskidenkorps noch enger, als es anfangs beabsichtigt
war, an der Bahnlinie zu versammeln, um sich für die kommende Zeit
größere Handlungsfreiheit zu sichern.
Die Antwort traf am frühen Morgen des 30. März ein. Das AOK.
erklärte, wiederholt darauf hingewiesen zu haben, daß der Zeitpunkt für
den Übergang zur Offensive von der Erschöpfung der feindlichen An-
griff skraft abhänge. So gebühre den seit mehr als einer Woche schwer
ringenden Truppen des Ostflügels der 3. Armee höchstes Lob für ihr Be-
streben, dieses erste Ziel zu erreichen. Bis zur Versammlung der Deutschen
werde es klar sein, ob die Russen ihren Druck gegen Bartfeld und nörd-
lich davon, oder gegen Girált, Sztropkó und das Olyka- und Laborcza-
tal fortsetzten. Im letzten Falle sei ein planmäßiges Stützen der Kampf-
front unvermeidlich. Stoße aber der Feind in südwestlicher Richtung
weiter gegen das XVII. und das III. Korps los, so wäre ein geschlossener
Einsatz der deutschen Kräfte in einer später noch zu bestimmenden Rich-
tung angezeigt. Für Stützungszwecke sollte auf die Gruppe Martiny und
nicht auf das Beskidenkorps gegriffen werden.
Inzwischen hatte sich aber die Krise bei der 2. Armee sehr verschärft.
Am 30. März abends telegraphierte GdK. Böhm-Ermolli nach Teschen,
bisher sei er nach Kräften bemüht gewesen, „den Intentionen des AOK.
zu entsprechen", habe niemals „pessimistische Berichte" erstattet und
sich hiedurch den Anspruch erworben, nicht mißverstanden zu werden.
Bereitwillig habe er in den letzten Tagen der hartbedrängten 3. Armee
so rasch wie möglich Kräfte zur Verfügung gestellt. Nun führe man aber
dem Ostflügel des Gdl. Boroevic drei deutsche Divisionen zu, die für
defensive Zwecke genügen würden. An eine Offensive zu denken sei im
Rahmen der Streitkräfte südlich der Weichsel ausgeschlossen. Angesichts
dieser Verhältnisse wiederhole er nunmehr seine schon am Vormittag
gestellte Bitte um Verstärkung durch eine Division und um Rückgabe der
Gruppe Martiny1). Seine Truppen seien aufs äußerste erschöpft; der
Bogen dürfe nicht überspannt werden. Aus diesem Grunde wie auch aus
Geländerücksichten könne der Ostflügel des V. Korps nicht am San
belassen werden, wie es die Heeresleitung verlange. Dem Armeekmdo.
stünden nur noch 1500 Feuergewehre als letzte Reserve zur Verfügung.
Nach der von der Heeresleitung erteilten Erlaubnis traten hierauf
1) Vom FML. Martiny befanden sich am 30. abends hinter dem Ostflügel der
3. Armee: 31/2 Bataillone, 1 Schwadron und 6 Batterien von der Gruppe Tersfctyánszky
und das HIR. 30 von der 128. HIBrig. der Gruppe Szurmay.
Das AOK. über das Kräfteverhältnis
241
die mit Fußmärschen zu Boroevic herangezogenen Teile der Gruppe Mar-
tiny ihren Rückmarsch zur 2. Armee an; auch die 128.HIBrig. sollte
nach Fenyvesvölgy zurückgefahren werden.
Da alles Geschütz und sämtliche Fuhrwerke des XVIII. Korps auf
die einzige Straße über Cisna angewiesen waren und sich das rechtzeitige
und geordnete Abfließen des Trosses bei den wenigen fahrbaren Verbin-
dungen zu einer drückenden Sorge gestaltete, erhielt Tersztyánszky am
31. den Befehl, die Stellungen wenigstens noch zwei bis drei Tage zu
halten. Um kein Mittel zur Besserung der Lage ungenützt zu lassen, wurde
Boroevic ersucht, seinen Ostflügel wieder bis zum Beskidkamm auszu-
dehnen, was der Führer der 3. Armee jedoch unter Hinweis auf die
Wegnahme der Gruppe Martiny ablehnte.
Am Nachmittag des 31. gab das 2. Armeekmdo. für den Fall unaus-
weichlicher Notwendigkeit einen Rückzugsbefehl aus, nach dem die
Armee hinter den Karpathenhauptkamm in eine um 16 km verkürzte Front
zurückzugehen gehabt hätte.
In denselben Stunden sah sich auch die Heeresleitung genötigt, durch
Ausgabe abändernder Befehle der sich mehrenden Bedrängnis der 2. Ar-
mee Rechnung zu tragen. Den neuen Anordnungen wurde eine Mitteilung
über das mutmaßliche Kräfteverhältnis an den einzelnen Armeefronten
vor ange schickt. Demnach dürften einander gegenübergestanden haben:
den 75.000 Feuergewehren der Armeegruppe Pflanzer-Baltin 100.000 bis
120.000 russische,
den 47.000 Feuergewehren der Südarmee 44.000 russische,
den 110.000 Feuergewehren der 2. Armee 156.000 russische,
den 70.000 Feuergewehren der 3. Armee, vermehrt um die 16.000 Feuer-
gewehre des Beskidenkorps, 50.000 russische und
den 100.000 Feuergewehren der 4. Armee 90.000 russische.
Somit hätten nur die Armeegruppe Pflanzer-Baltin und die 2. Armee
eine erhebliche Übermacht der Russen vor sich gehabt. Offenbar zog man
aber in Teschen bei diesem Kalkül die hinter den feindlichen Fronten
angesammelten Ergänzungsmannschaften nicht in Betracht.
Im Heeresbefehl vom 31. März abends wurde aus diesem Kräftever-
hältnisse der Schluß gezogen, daß die russische Offensive gegen die
3. Armee als gescheitert anzusehen sei, wogegen die 2. Armee mit dem
überlegenen Feinde noch hart zu ringen habe. Um Böhm-Ermolli entweder
durch einen Offensivstoß zu entlasten oder ihn nach Bedarf unmittelbar
zu unterstützen, sollten starke öst.-ung. Reserven rasch hinter dem Ost-
flügel der Armee Boroevic bereitgestellt, daher das deutsche Beskiden-
II 16
242
Der Karpathenwinter 1914/15
korps nach Maßgabe seines Eintreffens dort, und zwar entweder in den
Abschnitt des X.1) oder des VII. Korps in die Kampffront eingesetzt und
mindestens drei öst.-ung. Divisionen aus den Stellungen gelöst werden.
Da ein Einbruch des Feindes über Berehy-Grn, und Ustrzyki-Grn. den
rechten Flügel der 2. Armee aufs äußerste gefährden, den Verlust des
Uzsokpasses und damit auch jenen des von der Südarmee hart erkämpften
Raumes zur Folge haben würde, sollte Linsingen, zunächst bei Beschrän-
kung auf die Defensive, seinen Westflügel strecken und möglichst starke
Teile der 38. HID. zur Verfügung des 2. Armeekmdos. stellen.
Die Gewinnung von Reserven durch die vorangehende Ablösung eines
öst.-ung. durch das deutsche Korps erscheint auf den ersten Blick be-
fremdlich. Nach den Vereinbarungen der beiden Heeresleitungen sollte
jedoch der Verband des Beskidenkorps nicht zerrissen werden, was bei
einem anderen Verfahren nicht unbedingt gewährleistet war. Auch wollte
man umständliche Änderungen der bereits eingeleiteten Nachschubs Vor-
kehrungen vermeiden. Eine „rasche" Reservenbildung konnte freilich auf
diese Weise nicht stattfinden, zumal die deutschen Divisionen noch lange
nicht vollständig eingetroffen waren.
Die letzten Märzkämpfe bei der Armeegruppe
Pflanzer-Baltin und bei der Südarmee
Hiezu Beilage 11 sowie Skizzen 16, 19, 20 und 21
Die Hoffnung des GdK. Pflanzer-Baltin auf ausgiebige Verstärkungen,
die ihm durch die Befehle der Heeresleitung vom 17. und 19. März (S. 226)
in Aussicht gestellt worden waren, zerrannen, als die Russen gegen die
Armee Boroevic vom 20. an vorzustürmen begannen und damit die Zurück-
behaltung der beiden Infanteriebrigaden und der4. KD. erzwangen (S.228).
Der Armeegruppenführer erhielt nur die 8. KD. der 2. Armee, deren erste
Transporte am 23. von Nagymihály abrollten. Hiedurch wurde das un-
günstige Kräfteverhältnis gegenüber der 9. Armee Letschitzkis wenig ge-
bessert. Pflanzer-Baltin mußte in der nächsten Zeit gegen feindliche Über-
macht einen schwierigen Abwehrkampf nach drei Seiten führen. Wurde
diese Verteidigungsaufgabe von der Armeegruppe auch trefflich gelöst, so
fiel ihre Tätigkeit doch gegen die ursprüngliche Absicht aus dem Rahmen
des Gesamtfeldzuges; sie vermochte der Südarmee nicht mehr den Weg
1) Gdl. Hugo Meixner hatte am 27. wieder die Führung des X. und FML. Kraut-
wald jene des III. Korps übernommen.
Pflanzer-Baltin verstärkt seine Ostgruppe
243
aus den Karpathen zu bahnen und noch weniger auf die in den folgenden
drei Wochen tobenden Schlachten der Heeresmitte Einfluß zu üben.
Gen. Letschitzki bemühte sich gemäß den Aufträgen, die er vom Be-
fehlshaber der Südwestfront erhalten hatte (S. 225), von Osten aus zwischen
den Flußläufen des Dniester und des Pruth in die Bukowina einzubrechen,
sich der Landeshauptstadt Czernowitz zu bemächtigen und durch einen
solchen politisch wertvollen Erfolg die Haltung Rumäniens zu beein-
flussen. Indes verhielt er sich in der nächsten Zeit gegen die Nordgruppe
seines Gegners ziemlich zurückhaltend und begnügte sich, die öst.-ung.
Linien im oberen Lomnicatale am 23. etwas zurückzudrücken und einzelne
Vorstöße gegen die Fronten der Generale Rhemen und Czibulka ausführen
zu lassen, die ohne Ergebnis blieben.
Pflanzer-Baltin sah sich gezwungen, seine Ostgruppe auf Kosten der
Nordgruppe zu verstärken. Er zog in der Nacht zum 23. die deutsche
5. KD. und die k. u. k. 10. KD. aus der Front Marschalls und verschob
die beiden Reiterdivisionen mit der Absicht gegen Horodenka, sie auf
das nördliche Dniesterufer zu werfen. Vornehmlich lag ihm aber ein
offensives Vorgehen gegen den äußersten linken Flügel des feindlichen
Heeres am Herzen.
Das Detachement Obstlt. Papp brachte am 23. März einen russischen
Angriff nördlich des Pruth zum Stehen. Überdies wurde am 26. der Süd-
flügel des XXXII. Russenkorps von der Gruppe GM. v. Schwer (6. KD.,
19. HKBrig. und Detachement Papp) zurückgedrängt.
Als der Hauptteil der 8. KD. bei Horodenka ausgeladen war, ließ
Pflanzer-Baltin am 26. noch die 42. HID. zur Verstärkung der Ost-
gruppe im Bahntransport abrollen. Mit dem Befehl über sämtliche vom
Pruth bei Czernowitz bis zum Dniester bei Nie£wiska versammelten Kräfte
in der Stärke von 15.000 Feuergewehren wurde der deutsche GdK. Mar-
schall betraut, der nunmehr am 27. über die Gruppe Ljubicic (komb.
30. ID., die den Brückenkopf von Zaleszczyki einschloß, 42. HID., 6., 8.
und 10. KD. sowie 19. HKBrig.) und die deutsche 5. KD. verfügte.
Der Armeegruppenführer mußte jedoch seine Absicht aufgeben, mit
Teilen seiner Reiterei das nördliche Dniesterufer zu gewinnen, da der
Versuch einiger Landsturmkompagnien, den Fluß oberhalb von Zaleszczyki
zu "überschreiten, am 24. März mißlungen war und die Verhinderung feind-
licher Übergangsversuche alle Kräfte in Anspruch nahm. Am 27. und 28.
wurden russische Abteilungen, die bei der Dniesterschleife nächst Uscie
Biskupie auf das Südufer gelangt waren, nach glücklichen Kämpfen bei
Okna über den Fluß zurückgeworfen.
16*
244
Der Karpathenwinter 1914/15
Pflanzer-Baltin, der am 29. mit seinem Stabe von Delatyn nach Ko-
lomea übersiedelte, setzte an diesem Tage die 42. HID. zu einem Stoße
in südöstlicher Richtung gegen die feindliche Pruthgruppe an. Da aber
das russische III. Kavalleriekorps bei Chotin den Dniester überschritten
hatte, am 30. die 19. HKBrig. zurückwarf und den Nordflügel der kroa-
tischen Division überraschend anfiel, mußten die Truppen nach erheb-
lichen Einbußen bis an die Reichsgrenze zurück (Skizze 19).
Diese bedrohliche Wendung bewog den Armeegruppenführer, noch
vier Feldjägerbataillone der 16. IBrig. und zwei Polenbataillone hieher
zu verschieben. Für die Gruppen Czibulka und Rhemen entfiel jetzt auf
drei Meter Front nur ein Feuergewehr, weshalb Pflanzer-Baltin das AOK.
um eine Infanteriebrigade als Verstärkung bat, ohne — wie es nach den
geschilderten Geschehnissen bei der 2. und der 3. Armee begreiflich war
— Gehör zu finden. Zu seiner Genugtuung scheiterten am 31. März und.
1. April russische Vorstöße gegen den rechten Flügel der wieder ge-
festigten Ostgruppe. Trotzdem wurde die Lage kritisch, als die russische
12. KD. am 2. April den Dniester bei Uscie Biskupie übersetzte. In Kolo-
mea zögerte man nicht, der Nordgruppe noch die 9. IBrig. zu entnehmen
und, zum Teil mit Bahn, das IR. 13 als Armeereserve nach Obertyn, das
IR. 93 nach Okna zu dirigieren. Auch die Russen schoben weitere Kräfte
nach Osten und warfen sich am 4. auf FML. Kordas1) rechten Flügel,
den sie umgingen, im Rücken faßten und zum Ausweichen zwangen. Zu
rechter Stunde griff das bewährte nordmährische IR. 93 in das Gefecht
bei Okna ein und gewann durch einen entscheidenden Gegenstoß die ver-
lorengegangenen Stellungen schon am Abend dieses Tages wieder zurück.
Damit erloschen die Kämpfe an diesem Frontabschnitt für längere Zeit.
In der Reihe der Leistungen, für die GdK. Freih. v. Pflanzer-Baltin
mit dem Kommandeurkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens ausge-
zeichnet wurde, bildet die kühne Führung dieses bewegten, phasenreichen:
Feldzuges ein besonderes Ehrenblatt.
Das Unternehmen der komb. 30. ID. gegen den Brückenkopf bei Za-
leszczyki gestaltete sich überaus schwierig. Wie man bald erkannte, konnte
ein gewaltsamer Angriff nicht zum Ziele führen, denn auch die Russen
werteten die Bedeutung dieses Überganges vollauf und klammerten sich
um so mehr an dessen Besitz, als sie von hier aus zwischen die beiden
Hauptgruppen Pflanzer-Baltins hineinstoßen konnten. In heißen und ver-
lustreichen Kämpfen vojn 22. bis zum 26. März und vom 2. bis 9. April
gelang es nur, den Halbkreis der Einschließung zu verengen und sich im
*■) FML. Korda hatte an Stelle des FZM. Ljubicic das XI. Korpskmdo. übernommen.-
Linsingens Vorschläge ¡zur Wendung der Lage
245
näheren Vorfeld festzusetzen. Gegen die russische Kernstellung schien
aber ein Erfolg nur durch den nunmehr eingeleiteten Sappenangriff bei
kräftiger Artillerieunterstützung möglich.
GdK. Pflanzer-Baltin besorgte, daß der Feind die Neutralität Ru-
mäniens nicht respektieren und südlich vom Prath gegen Czernowitz vor-
brechen werde. Zur etwaigen Abwehr eines solchen Unternehmens wurden
Teile der 6. KD. nach Molodia gelegt. Überdies kündete auf Weisung der
Heeresleitung der öst.-ung. Militârattaché in Bukarest der Regierung
König Ferdinands an, daß für den Fall, als die rumänischen Behörden
eine Neutralitätsverletzung nicht mit der Entwaffnung der russischen
Angriffstruppen beantworten sollten, die Abweisung eines Vorstoßes ohne
Rücksicht auf die Gefährdung rumänischen Gebietes erfolgen müßte, wo-
bei es aber die öst.-ung. Truppen trotzdem vermeiden würden, die Grenze
zu überschreiten.
In der Angriffstätigkeit der deutschen Südarmee trat nach den Er-
folgen des 22. März eine Pause ein. Russische Vorstöße, die sich haupt-
sächlich gegen das XXIV. RKorps richteten, wurden aufgefangen.
Linsingen drahtete am 23. an die DOHL. nach Mézières, die 2. Armee
habe den Angriff aufgegeben, auch Pflanzer-Baltin dringe anscheinend
nicht mehr vorwärts, weshalb ein Durchkommen durch die Karpathen
in diesem Monate ausgeschlossen sei. Wie beim Kaiser Wilhelm habe er
nunmehr auch in Teschen beantragt, die Operation nördlich des Gebirgs-
walles fortzusetzen (S. 194). Eine tags darauf erfolgte Anfrage des AOK.,
ob er für den Fall des Überganges zur Defensive Truppen abgeben
könne, verneinte er. Dagegen schlug er dem GdK. Pflanzer-Baltin wieder
vor, dem GdK. Marschall die 5. oder eine andere Infanteriedivision zur
Verfügung zu stellen, damit dieser deutsche General die Gebirgspforten
für die Südarmee endlich aufzuriegeln vermöchte. Bei der augenblick-
lichen Lage der Armeegruppe war dieser Wunsch unerfüllbar.
Die Befehle vom 17. und 19. März sowie auch die Beantwortung des
von Linsingen am 23. gestellten Antrages bewiesen, daß jetzt auch von der
Heeresleitung eine Verstärkung des rechten Heeresflügels geplant wurde.
Sie vertröstete den deutschen Armeeführer, daß die russischen Angriffe
gegen Böhm-Ermolli und Boroevic vorerst abzuweisen seien, ehe der
Kampfgruppe im Pruth-Dniestergebiete Verstärkungen und dem West-
flügel seiner Armee Ersatz für die deutschen Truppen zugeschoben wer-
den könnten. Bis dahin müsse der Angriff, namentlich an beiden Flügeln,
f ortgesetzt und der gegenüberstehende Feind verläßlich gebunden werden.
Mittlerweile war die Bildung des deutschenBeskidenkorps beschlossen
246
Der Karpathenwinter 1914/15
worden, aber es bedurfte erst eines besonderen Befehles Kaiser Wil-
helms1), bevor der Führer der deutschen Südarmee einer abermaligen
Aufforderung der k. u. k. Heeresleitung zur Kräfteabgabe entsprach.
Linsingen bestimmte hierauf die deutsche 4. ID. zum Abtransport und
ersetzte sie bei Hof mann durch die 12. LstTerrBrig. des Korps Gerok.
Die Osterschlacht in den Karpathen
(1. bis 6. April)
Hiezu Beilage 10 sowie Skizzen 21 und 22
Zurücknahme der 2. Armee hinter den Karpathenhauptkamm
In den mittleren Karpathen war unterdessen die Lage der 2. Armee
unhaltbar geworden. Die Russen hatten die öst.-ung. Linien an mehreren
Stellen eingedrückt oder durchbrochen (S. 238). Vornehmlich schlug jetzt
der Feind weiter gegen den rechten Flügel des XVIII. Korps los, bis
dieser am 1. April in den Morgenstunden in das Wetlinkatal zurücksank.
Die Nahtstelle zum V. Korps lag in tiefer Einbeulung. Auch das Korps
Schmidt und die 41. HID. verloren wichtige Berghöhen. GdK. Böhm-Er-
molli ersuchte nunmehr seinen Nachbar Linsingen, die Südarmee möge
ihren linken Flügel bis zum Stryj strecken, damit das 2. Armeekmdo.
von dort Kräfte heranziehen könne. Da von Munkács aus die Erfüllung
dieses Wunsches erst für die Nacht auf den 7. in Aussicht gestellt wurde,
während Eile not tat, suchte die Heeresleitung eine Hilfeleistung im
Wege der 3. Armee herbeizuführen.
Gdl. Boroevic hatte im Sinne des am Abend des 31. erhaltenen Be-
fehles (S. 241) gemeldet, er werde das Beskidenkorps nach und nach zur
Ablösung der 2., der 24. ID. und der 21. SchD. des X. Korps einsetzen, so
daß diese drei Divisionen vom 10. April abends an hinter dem Ostflügel
der 3. Armee verfügbar seien. Das AOK. forderte aber, daß mindestens
eine Division schon am 4. zum Abrollen aus dem Laborczatale gegen
Osten bereitstehe. Auch diese Maßnahme konnte nicht mehr rechtzeitig
wirksam werden; das 2. Armeekmdo. zweifelte, daß die gegenwärtige
Stellung solange zu halten sein werde. Noch war beim Korps Schmidt
ein Gegenangriff im Gange, vielleicht gelang es hiedurch, das wankende
Gebäude der Verteidigung zu stützen. Als sich aber auch diese Hoffnung
als trügerisch erwies, entschloß sich Böhm-Ermolli am 1. April kurz nach
2h nachm., die Armee staffelweise hinter den Hauptkamm des Gebirges
!) Reichsarchiv (Manuskript).
Weiterungen beim Rückzüge der 2. Armee
247
zurückzunehmen, den äußersten rechten Flügel hiebei auf die Magura
A1013 (östlich vom Stryj) zu stützen, das Ungtal unter Freigabe desUzsok-
passes südwestlich von Fenyvesvölgy zu sperren und sich des weiteren
in der Linie Harczos—Kistopolya—Nagypolány—Telepócz (Beilage 10) zu
behaupten. Die ersten Befehle ergingen an die Gruppe Tersztyánszky
(Korps Schmidt und Trollmann) und das XVIII. Korps. Tersztyánszky
sollte mindestens bis zum 3. morgens halten, um ein geordnetes Abfließen
der Trosse seiner Gruppe und des XVIII. Korps über Cisna zu ermög-
lichen und dann in eine Zwischenstellung zurückgehen, wobei der linke
Flügel Trollmanns zuletzt aufzubrechen und bei Aufrechthaltung des Zu-
sammenhanges mit der Front des benachbarten X. Korps abzurücken hatte.
Die Gruppe Martiny wurde dem GdK. Tersztyánszky unterstellt.
Gegen diese Anordnungen wurden Einsprüche erhoben. Einerseits
berichtete Tersztyánszky, daß sich die 32. ID. bestenfalls noch während
der Nacht auf den 2. auf den Höhen nördlich von Cisna behaupten könne,
andererseits erklärte sich die Heeresleitung mit der Preisgabe des Uzsok-
passes nicht einverstanden und befahl, daß die 2. Armee nur so weit wie
unbedingt notwendig zurückgehen dürfe — der Westflügel immerhin bis
in die Linie Nagypolány—Telepócz—Világ. Szurmay müsse jedoch mit
Rücksicht auf die Südarmee bis zum Einlangen der Verstärkungen von
der 3. Armee nördlich des Uzsokpasses stehen bleiben. Hiezu habe er
entbehrliche Teile seiner Gruppe sowie die im Rücktransport nach Feny-
vesvölgy begriffene 128.HIBrig (S. 241) einzusetzen.
In Anbetracht der bedrängten Lage Böhm-Ermollis wies aber das
AOK. den Gdl. Boroevic an, durch das Beskidenkorps nicht drei, sondern
vier öst.-ung. Divisionen ablösen zu lassen. Als der Führer der 3. Armee
bei dieser Gelegenheit erfuhr, wie weit sein Nachbar zurückgehen wolle,
legte er dagegen Verwahrung ein und verlangte, daß sich der linke Flügel
" der 2. Armee auf dem Beskidkamme behaupte, eine Forderung, der übrigens
in der Folge ohnedies entsprochen wurde.
Für seinen Ostflügel ordnete Böhm-Ermolli an, daß das V. Korps
am 2. den Rückzug vom linken Flügel aus anzutreten und die 37. HID.
zur Erholung nachRévhely—N.-berezna vorauszuschicken habe. Die 33.ID.
dieses Korps sollte den Feind abhalten, in der gefährlichsten Richtung
gegen die Bahn bei Fenyvesvölgy nachzudrängen und hiezu den Talweg
bei Wolosate, Front gegen Norden, sperren. Für diese Nachhutaufgabe
wurde die Division dem FML. Szurmay unterstellt, der seine auf Volo-
vec basierte 38. HID., unter dem Vorbehalte der Genehmigung durch das
AOK., an die Südarmee abzugeben hatte.
248
Der Karpathenwinter 1914/15
In der strittigen Frage des Uzsokpasses drahtete das 2. Armeekmdo.
nach Teschen, daß die Freigabe dieses Gebirgstores unvermeidlich sei,
weil die Russen gegen den Raum bei Wolosate ungestüm vordrängten.
Bei dem Zustande der Truppen, insbesondere in Anbetracht der niedrigen
Feuergewehrstände, sei es unausbleiblich, daß der Feind ins Ungtal ein-
brechen, die wichtige Straßen- und Eisenbahnverbindung Szurmays durch-
schneiden und hiedurch die im östlichen Frontabschnitte dieser Gruppe
kämpfenden Verbände in eine äußerst gefährliche Lage bringen werde.
Die zugesagten Verstärkungen kämen zu spät, diese Gefahr zu bannen.
Bei den Befehlsstellen in Teschen, Kaschau, Ungvár und Munkács
beschäftigte man sich am 2. April unausgesetzt mit den durch den Rück-
zug der 2. Armee notwendigen Maßnahmen. Am frühen Vormittag äußerte
Gdl. Boroevic gegenüber dem AOK., daß er. auf Grund seiner fünf-
monatigen Erfahrungen eine so weite Zurücknahme der 2. Armee für
unzweckmäßig halte, da die gewählte Linie zur Abwehr viel weniger
geeignet sei als der Beskidkamm. Voraussichtlich würden die Russen
daraufhin von seinem Nachbar ablassen, sich hinter dem freigegebenen
Beskidkamme verschieben und dann im Laborczatale in der Richtung
auf Homonna gegen seine Armee losgehen. Er warf die Frage auf, ob
es unter diesen Umständen angehe, die bis zum 9. April aus seiner
Front zu lösenden vier Divisionen (2. und 24. ID., 21. und 45. SchD.) bei
der 2. Armee einzusetzen oder ob nicht gerade für seinen Nachbar das
Behaupten des Raumes südlich von Mezölaborcz noch an Bedeutung ge-
wonnen habe.
Nicht ohne Schärfe erwiderte das AOK. auf diese Meinungsäuße-
rung, die auf Belassung der abzugebenden Verbände bei der 3. Armee
abzielte, daß in klarer Erkenntnis der Wichtigkeit des bezeichneten
Raunfës starke deutsche Kräfte dorthin gewiesen wurden, um ein ver-
läßliches Behaupten, aber auch das Herausziehen von k. u. k. Divisionen
zur freien Verfügung der Heeresleitung zu ermöglichen. Ob diese Ver-
bände teilweise oder ganz zur unmittelbaren Unterstützung der 2. Armee
oder in der Folge bei der 3. zur Offensive oder zur Abwehr verwendet
würden, bleibe späterer Entschließung vorbehalten.
Aber auch Gdl. Linsingen wehrte sich jetzt auf das Heftigste gegen
die geplante Zurücknahme der Gruppe Szurmay und beschwor das AOK.,
der 2. Armee in den Arm zu fallen und die Preisgabe des Uzsokpasses
zu verhindern, damit die Südarmee nicht auf das mit vielem Blute er-
kämpfte Gelände und auf die Fortführung ihrer Offensive verzichten
müsse. Die Überlegenheit des Feindes sei nicht so groß, daß die starke
Linsingens Einspruch gegen die Maßnahmen seines linken Nachbarn
249
2. Armee die fast unangreifbaren, an der Nordseite noch mit Schnee be-
deckten Karpathenstellungen nicht zu behaupten vermöchte. Müßten
der linke Flügel und die Mitte unbedingt zurück, so solle der rechte
Flügel Böhm-Ermollis doch die Linie Szczawinka—Kinczyk Bukowski—
Pliska—Ceremcha—Kicera halten oder man möge die dort befindlichen
Kräfte der Südarmee unterstellen. Überdies wandte sich das Kmdo. der
Südarmee in sicherlich ganz ungewöhnlicher Form auch unmittelbar mit
folgender, nicht chiffrierter Depesche an das 2. Armeekmdo. : „Bis jet£t
[2. April, lhá3 nachm.] ist vom AOK. Teschen trotz Anfrage noch kein
Befehl zur Unterstellung der 38. HID. unter die Südarmee eingegangen.
Die Südarmee, die den ganzen Rückzug der 2. Armee für unnötig hält,
hat keine Veranlassung, eine zurückgehende Division einer anderen Armee
zu übernehmen und sich dadurch zum Mitschuldigen des Rückzuges zu
machen."
Nun hatte aber die 38. HID. gerade an diesem Tage einen russi-
schen Vorstoß abgewiesen und war zum Gegenangriffe geschritten.
Das AOK. ging auf Linsingens Vorschlag ein. Die Gruppe Szurmay
(7. ID., 40. und 38. HID. sowie die sich bei Fenyvesvölgy allmählich
wieder sammelnde 128.HIBrig.) wurde dem deutschen Armeeführer unter-
geordnet und sollte beiderseits des Uzsokpasses zäh ausharren und nötigen-
falls nur ihren linken Flügel nach Maßgabe des Zurückgehens der 2. Armee
in die von der Südarmee beantragte Linie abbiegen. Weiters kündigte
die Heeresleitung die Überweisung einer Division der 3. Armee an den
Ostflügel Böhm-Ermollis an. Kaum war die betreffende Depesche von
Teschen abgegangen, traf dort die Meldung des 3. Armeekmdos. ein, daß
diehiefürinBetrachtkommende24.ID. schwerlich freizumachen sein werde.
Gdl. Linsingen unterstellte nunmehr die 38. HID. dem Korps Both-
mer, zog aber am 4. eine komb. Brigade aus ihrer Front und setzte sie
gegen den gefährdeten neuen Westflügel der Südarmee in Marsch. Alles
dies bedingte eine Änderung der Abschnittsbildung bei den drei anderen
Korps, die ihre linken Flügel zu strecken hatten.
Das vorerwähnte Telegramm Linsingens rief beim 2. Armeekmdo.
starkes Befremden hervor; dazu kam noch die Abtrennung der Gruppe
Szurmay, die als ein Zeichen verminderten Vertrauens in die Armeefüh-
rung gedeutet wurde. GdK. Böhm-Ermolli und GM. Dr. Bardolff baten
um ihre Enthebung. Der Erzherzog-Feldmarschall lehnte jedoch beider
Ansuchen ab und betonte, daß die Loslösung Szurmays aus dem Armee-
verbande nur aus sachlichen Gründen erfolgt sei. Überdies entschuldigte
sich Gdl. Linsingen bei seinem Nachbar.
250
Der Karpathenwinter 1914/15
Die Notwendigkeit, die Front der 2. Armee vom Feinde abzusetzen,
war zweifellos gegeben, da die vielfach vermengten Verbände seinem
starken Drucke nicht länger zu widerstehen vermochten. Die Truppen
waren nach mehr als dreimonatigen Gebirgskämpfen völlig erschöpft,
ihre Stände tief gesunken. Mit der Ausführung des Entschlusses zu
zögern ging nicht an, weil die Straße Cisna—Czirókaófalu den einzigen
Abflußweg für die gesamte Artillerie und den zahlreichen Troß der
Gruppe Tersztyánszky und des XVIII. Korps bildete und bei einem plötz-
lich erzwungenen Rückzüge leicht verhängnisvolle Stauungen eintreten
konnten. Daß eine verhältnismäßig weit zurückliegende neue Wider-
standslinie gewählt wurde, erklärt sich daraus, daß das 2. Armeekmdo.
den hart mitgenommenen Truppen in den wenigen Ortschaften dieses
Raumes wenigstens bescheidene Erholungsmöglichkeiten bieten wollte,
die weiter vorne bei der dünnen Besiedelung des Gebirges nicht zu finden
waren. In den bisherigen Stellungen mangelte es an Unterkünften für
Reserven; gerade darin lag eine der Hauptursachen für den gänzlichen
Verbrauch der Kampfkraft der Verbände und für die große Einbuße
durch Krankheiten.
Da die Rückbewegung der 2. Armee schon seit Tagen vorauszusehen
war, hätten sich die geschilderten Reibungen vielleicht vermeiden lassen,
wenn von Teschen aus rechtzeitig Anordnungen für die Flügelanschlüsse
getroffen worden wären. Offenbar hoffte aber die Heeresleitung, sich
diesen Rückzug mit Hilfe der aus der Front der 3. Armee gezogenen
Divisionen ersparen zu können. Das Festhalten des Uzsokpasses, vom
AOK. befohlen und vom Kmdo. der Südarmee nachdrücklich verfochten,
war zweifellos wünschenswert.
Im allgemeinen wurde der Rückzug der 2. Armee befehlsgemäß aus-
geführt. Auch das gezwungenermaßen vorzeitige Zurückgehen des Korps
Schmidt in eine Zwischenstellung zog keine nachteiligen Folgen nach sich,
obgleich der Feind an einzelnen Stellen heftig nachdrängte. Unaufhör-
liches Kampfgetöse erfüllte in diesen Tagen'Höhen und Täler1).
Am 4. April waren der Ostflügel und die Mitte der Armee Böhm-
Ermolli in der neuen Linie eingetroffen. Die zurückgelassenen Nachhuten
hielten bis zum 5. und wichen erst auf den verschärften Druck des
Feindes gegen die Hauptstellung zurück. Schwierigkeiten bereitete der
1) Bei der 33. ID. unternahm Oblt. Karl v. Ungár des IR. 83 im Gefechte auf
Bukove Berdo (östlich von Wolosate) am 2. April einen kühnen initiativen Gegenstoß,
für welche Tat ihm auch das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens (Bd. I,
S. 362) verliehen wurde.
Die Osterschlacht bei der k. u. k. 3. Armee
251
gesicherte Anschluß an die Südarmee. Die 33. ID., vom 2. Armeekmdo.
der nun abgetrennten Gruppe Szurmay vorübergehend unterstellt, spannte
wohl von der Höhe Halicz bis in die Gegend nördlich von Wolosate
einen Abwehrschirm, um die Russen vom Ungtale abzuhalten, doch klaffte
zum rechten Flügel Böhm-Ermollis hin eine Lücke, die von Truppen des
V. Korps bloß notdürftig ausgefüllt werden konnte, weil bei Szurmay
bisher nur Teile der 128.HIBrig. eingetroffen waren, indes der Rest von
der 3. Armee zurückgehalten worden war.
Da die 2. Armee bei 53 km Frontausdehnung zwar über 53.000 Feuer-
gewehre verfügte, die Truppen aber infolge der ungeheueren Anforde-
rungen der letzten Zeit eine erhebliche Einbuße an ihrer Gefechtskraft
erlitten hatten, wurde die 33. ID. schwer entbehrt. Auf Bitte Böhm-Er-
mollis befahl daher die Heeresleitung dem Kmdo. der Südarmee, diese
Division der 2. Armee möglichst bald wieder zur Verfügung zu stellen
und für eine Reserve hinter dem linken Flügel Szurmays selbst zu sorgen.
Die hiefür bestimmte komb. Brigade der 38. HID. konnte jedoch erst am
8. April am Orte ihrer Bestimmung eintreffen.
Die am linken Flügel Böhm-Ermollis fechtenden Divisionen, die 29.
und die 34., hatten gemäß den Wünschen der 3. Armee auf den Grenz-
höhen zu verharren gehabt. Sie waren in die schweren Kämpfe verstrickt
worden, die diese Armee in der Oster woche zu bestehen hatte.
Der Russenansturm gegen die 3. Armee und seine Abwehr
(1. bis 5. April)
Wie aus den Weisungen des AOK. vom 31. März zu schließen ist,
gab man sich in Teschen der Hoffnung hin, daß die Offensive der Russen
gegen die Armee Boroevic, nach dem Kräfteverhältnis beurteilt, bereits als
gescheitert anzusehen war (S. 241). Obgleich der Feind seit dem 28. März
andauernd gegen den wacker standhaltenden Ostflügel dieser Armee los-
schlug, erschien dies offenbar nur als der Ausklang der Schlacht. Bald
aber belehrte der ungestüme Ansturm der Russen, die hier durch die
von Przemysl anrückenden Kräfte, vermutlich die 81. und die 82. RD.,
verstärkt worden waren, die öst.-ung. Führer eines besseren.
Folgten die Russen in den Kartagen an den ruhigen Abschnitten der
Gesamtfront, im Weichselbogen und gegenüber der 4. Armee, ihren ge-
heiligten Osterbräuchen, indem sie ihre Schützengräben unbewaffnet ver-
ließen und sich unseren Truppen mit Geschenken nähern wollten, so ent-
brannte im Gegensatz hiezu nördlich von Bartfeld und rittlings vom
Laborczatale ein wütender Kampf.
252
Der Karpathenwinter 1914/15
Bei Zboró warfen sich die Russen am Karsamstag (3. April) auf die
28. ID. und drängten sie infolge der kampflosen Waffenstreckung fast des
gesamten Prager IR. 28 aus ihren Stellungen zurück. Nur dem Vorgehen
der 8. ID. vom Südflügel der 4. Armee war es zu danken, daß der Feind
seinen Erfolg nicht weiter auszubauen vermochte. Unter diesen Verhält-
nissen konnte dem Ersuchen des 4. Armeekmdos. um Rückgabe der am
Westflügel der 3. Armee eingesetzten beiden Regimenter — IR. 28 und
KJR. 4 — nicht entsprochen werden. Das IR. 28 wurde auf Antrag des
3. Armeekmdos. aufgelöst und seine Reste auf die Truppen des III. Korps
aufgeteilt, während das KJR. 4 nach dem Eintreffen der nächsten Er-
gänzungen der 4. Armee zugesendet werden sollte.
Auch beim XVII. Korps war am 5. ein Rückschlag zu verzeichnen.
Der Feind drückte die 1. LstlBrig. beträchtlich nach Süden zurück. Ein
vom Obst. Graf Spannocchi mit Teilen der 4. KD. (UR. 13) und dem
SchR. 9 schneidig geführter Gegenstoß auf Sosfüred in die Flanke der
nachdrängenden Russen gebot jedoch ihrem weiteren Vordringen Ein-
halt. An diesem Tage wies die 20. HID. des VII. Korps einen feindlichen
Vorstoß ab. Gleiches glückte der 22. SchD. des III. Korps in der darauf-
folgenden Nacht. Erzherzog Joseph nahm aber wegen der Krise beim
XVII. Korps seinen linken Flügel und die Mitte weit nach Süden zurück,
obgleich alle Anstürme der Russen an seiner Front unter großen Feind-
verlusten zerschellt waren1). Sztropkó wurde geräumt.
Der Feind ballte nunmehr so ansehnliche Kräfte vor den Linien der
28. ID. zusammen, daß das 3.Armeekmdo. besorgte, eine Fortsetzung
der Russenstöße gegen seinen Westflügel werde abermals eine Lücke zur
4. Armee hin aufreißen. Die Heeresleitung befahl beiden Armeen, alle
verfügbaren Kräfte an der Nahtstelle einzusetzen. Die 28. ID. wehrte
aber am 5. und 6. April die russischen Anstürme ab, wozu auch das Vor-
gehen der 8. ID. gegen die Höhen östlich von Regetów n±. wesentlich
beitrug.
War es dem Westflügel der Armee imiiierhin geglückt, wenigstens
das Ärgste, eine völlige Zerreißung der Front, zu vereiteln, so hatte sich
am Ostflügel die Lage mittlerweile für kurze Zeit noch kritischer ge-
staltet. Dort war der russische Ansturm schon am Karfreitag (2. April)
*■) Bei der 17. ID. zeichnete sich Obst. Silvio Spiess von Braccioforte, Kmdt. des
IR. 39, am 5. April dadurch aus, daß er die in die Stellung beiÉrfalu (östlich von Sztropkó)
eingedrungenen Russen persönlich mit schwachen Reserven angriff und zurückwarf.
Er fand dabei den Heldentod. Für diese Tat und sein tapferes Verhalten im Vorjahre
bei Suloszowa wurde ihm das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens zuerkannt.
Gegenangriff des deutschen Beskidenkorps
253
zu beängstigender Kraft angewachsen. Während der Feind am frühen
Morgen gegen die auf dem Beskidkamm stehende 34. ID.1) der 2. Armee
vergeblich anrannte, gelang es ihm weiter südwestlich, die in ihrer Wider-
standskraft erlahmende 2. ID., sowie, die Hauptkraft der 24. ID. und die
östlich vom Laborczatale fechtenden Teile der 21. SchD. bis in die Linie
südlich von Virava-Ökröskö zurückzudrücken. Die Frontlinie war dem
Reißen nahe, weite Lücken klafften in dem welligen, bewaldeten, un-
übersichtlichen Gelände.
Da traf amNachmittag der Führer des deutschenBeskidenkorps, GdK.
V. d. Marwitz, beim X.Korpskmdo. in Laborczbér ein. Zum Glück war die
zur Ablösung der k. u. k. 24. ID. bestimmte 25. RD. — zwei Infanterie-
regimenter der 50. RIBrig. (ein drittes Regiment traf erst am 9. April
ein) — schon bis Ujbánya gelangt und wurde im Einvernehmen der beiden
Korpsführer vorbefohlen. Auch drei Bataillone der 128. HIBrig., die im
Laborczatal zur Rückfahrt nachFenyvesvölgyeinwaggoniertwerden sollten,
wurden wieder auf das Gefechtsfeld vorgezogen (S. 251).
Gdl. Boroevic befahl dem GdK. Marwitz, den Gegenangriff einheit-
lich zu leiten; das X.Korps wurde ihm hiezu unterstellt. Der preußische
General verfügte hierauf, daß sich die Divisionen Meixners am 3. April
in ihren Stellungen zu behaupten hätten. Die deutsche 25. RD. sollte zu-
nächst als Stütze der inneren Flügel der 2. und der 24. ID. dienen, je-
doch jede Gelegenheit benützen, den Feind im Einvernehmen mit den
Nachbartruppen zurückzuwerfen. Die deutsche 35. RD. und die deutsche
4. ID., die sich zum Teil noch im Bahntransporte befanden, wurden an-
gewiesen, im Laborczatale nachzurücken.
Trotz des Erfolges, den die Russen am 2. östlich der Laborcza er-
rungen hatten, behauptete sich die Masse der 21. SchD. in ihrer Stellung
knapp westlich des Tales, doch war ihre Ostflanke durch das notge-
drungene Ausweichen des rechten Flügels auf etwa 5 km aufgerissen.
Ohne Mühe konnte sich der Feind diesen Umstand zunutze machen und
die Division noch vor dem Anrücken der Hauptkraft des Beskidenkorps
zu einem Kampfe zwingen, dessen Ausgang nicht abzusehen war. Da alle
einlaufenden Nachrichten besagten, daß die Russen starke Kräfte beider-
seits der Laborcza bereitstellten, nahm der Führer des X. Korps die Haupt-
kraft der Schützendivision zurück, um den Anschluß an die Gefechts-
gruppe im Tale herzustellen. Diesem Rückzug, der in der Nacht vom 2.
i) Hier zeichnete sich Lt. Zoltán Laczhegyi des IR. 101 am 5. April bei einem
Gegenstoße zur Wiedereroberung der Höhe Gusina (östlich von Virava) besonders aus.
und erwarb sich das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens.
254
Der Karpathenwinter 1914/15
auf den 3. April ausgeführt wurde, schloß sich auch die links benachbarte
45. SchD. an1).
Am Karsamstag wandte sich das Blatt. Wieder versuchten die Russen,
die 34. ID. vom Beskidkamme hinabzuwerfen. Da ihnen das nicht glückte,
vermochte sich der rechte Flügel der 24. ID. auch weiterhin südlich Virava
zu behaupten. Aus dem linken Gefechtsabschnitte dieser Division brach
die deutsche 25. RD. auf den nordwärts zur Kobila streichenden Haupt-
rücken vor. Ihr Angriff gewann rasch Raum und unterstützte die 2. ID.,
deren rechter Flügel (HIR. 30 der 128. HIBrig.) /die Uhliskohöhe erstürmte
und deren linker gemeinsam mit Teilen der 21. SchD. bis an die Berg-
hänge östlich Hegyescsaba vordrang. Westlich der Laborera gewannen
die 21. und die 45. SchD. einen Teil des preisgegebenen Geländes zurück.
Tagsüber leuchtete — zum ersten Male in diesem Jahre — die Sonne
des Frühlings über schneefreie Flächen. Sie beschien den Rückzug der
Russen, von denen beträchtliche Scharen die Kriegsgefangenschaft der
Fortsetzung des Kampfes vorzogen.
Am Ostersonntag setzte GdK. Marwitz die 35. RD. östlich der La-
boreza ein. Dadurch verengte sich der Gefechtsstreifen der 2. ID. wesent-
lich. Er hatte die Richtung auf Kobila und Javirska. Der Angriff der
2. ID., die allerdings, einschließlich des HIR. 30, nur etwa 3000 Feuer-
gewehre zählte, sollte beginnen, sobald die 35. RD. auf gleiche Höhe
angelangt war. Dies konnte erst zu Mittag der Fall sein. Das stark zer-
klüftete und waldbedeckte Bergland behinderte die Vorrückung. Es wurde
Abend, bis die verbündeten Truppen sich bis an die stark besetzten feind-
lichen Linien herangearbeitet hatten. Der letzte Stoß wurde auf den
nächsten Tag verschoben.
Aber auch am Ostermontag, den 5. April, gab es mancherlei Hemm-
nisse. Die 25. RD. eroberte erst gegen Mittag eine der Kobila südlich vor-
1) Von Teschen, wo man wahrscheinlich über die Grundlagen für die Entschlie-
ßungen des X. Korpskmdos. nur mangelhaft unterrichtet war, kam ein scharfer Befehl :
lokale Einbrüche dürfen nicht zur Zurücknahme ausgedehnter Frontteile führen. Der
Kommandant des X. Korps wurde von seinem Posten enthoben. Wie bei anderen Heeren
erfolgten auch beim öst.-ung. zahlreiche Abberufungen höherer Führer. Fehlgriffe waren
dabei unvermeidlich, so auch in diesem Falle. Es scheint, als ob der Vorwurf, daß die
betreffenden Befehlshaber im Abwehrkampf nicht die nötige Zähigkeit bekundeten, nicht
immer berechtigt war. Oft bezeichnete die übergeordnete Stelle den Gefechtszweck nicht
klar genug und die beliebte Anweisung zum „Ausharren bis auf den letzten Mann"
erfuhr eine schädliche Verallgemeinerung. Erst in einer späteren Phase des Krieges kam
wieder die alte Fechterregel zur Geltung, daß ein elastisches Ausweichen manchmal
besser ist als die Fortführung des Kampfes unter ungünstigen Bedingungen.
Der Sieg am Ostermontag 255
gelegene Kuppe und die 35. RD. den von der Javir&ka südwestlich ab-
streichenden Bergrücken. Zwischen den beiden deutschen Divisionen sah
sich die 2. ID. plötzlich vom Feinde angegriffen. Sie warf ihn aber zu-
rück und erstürmte nachstoßend gegen 4h nachm., trotz des Flankenfeuers
der russischen Artillerie, von den beiden Nachbarn kräftig unterstützt,
diejavirska- und Kobilahöhen — ein Beweis, daß selbst diese hart mitge-
nommenen Truppen noch über einen erstaunlichen Kampfwillen verfügten.
Am selben Tage war auch der linke Flügel Böhm-Ermollis das Ziel
heftiger Angriffe. Gegenüber der 29. ID. erzielte der Russe einige Vor-
teile, vor der 34. brachen sich seine Sturmwellen.
Westlich vom Laborczatale rückte am 5. April die deutsche 4. ID.
in den Abschnitt der 21. SchD. ein. Sie entriß den Russen an den zwei
folgenden Tagen im Vereine mit dieser Division und der 35. RD., in
deren Verband auch die k. u. k. Infanterieregimenter 81 und 88 fochten,
ein ansehnliches Stück Gelände, das für die Behauptung der künftigen
Verteidigungsfront nötig war.
Erst die Entwicklung der nächsten Zeit ließ die öst.-ung. Befehls-
stellen die Bedeutung des Kampferfolges erkennen, der durch den Gegen-
stoß des Beskidenkorps und der sich ihm anschließenden öst.-ung. Heeres-
körper errungen worden war und der sich alsbald über die gesamte Kar-
pathenfront auswirken sollte. Das AOK.Teschen stand fürs erste noch stark
unter dem Eindruck des Nachgebens beim VII. Korps im Räume um
Sztropkó, wo neues Mißgeschick zu drohen schien. Boroevic rechtfertigte
die Geschehnisse mit dem Hinweis, daß er die ihm erteilten Befehle
befolgt habe. Im einzelnen berichtete er, die Gruppe Marwitz habe mit
34.000 Feuergewehren auf nur 16 km Front angegriffen und sich mit der
25. RD., der k. u. k. 2. ID. und Teilen der 35. RD. am 5. zwar der Höhen
westlich von Virava bemächtigt; links und rechts dieser Stoßgruppe sei
aber das Gefecht nicht recht vorwärts gegangen. Da die Weisung des
AOK., vier öst.-ung. Divisionen aus der Front zu ziehen, nicht wider-
rufen worden sei, habe er mit Rücksicht auf die sinkenden Stände1)
und auf das Zurückweichen der 2. Armee (S. 250) die Weiterführung
der Offensive nicht für angezeigt gehalten. Die Gruppe Erzherzog
Joseph — 14.000 Feuergewehre auf 17 km — habe russische Angriffe
wohl abzuweisen vermocht, doch wären ihre Linien weit über die der
Nachbarn vorgesprungen, so daß mit einer Umfassung der Flügel zu
rechnen war, insbesondere des westlichen, der sich an die völlig er-
x) Am 7. April zählten die 21. SchD. 2700, die 24. ID. und die 45. SchD. je 2000,
die 2. ID. nur 1200 Feuergewehre.
256
Der Karpathenwinter 1914/15
schöpfte l.LstlBrig. lehnte. Insbesondere sei die Artillerie des VII.Korps
höchst gefährdet gewesen, als die Landsturmbrigade und die 4. KD. um
ein beträchtliches Stück zurückwichen. Leider durfte die deutsche 4. ID.
nicht im Ondavatal verwendet werden, wo man sie zum Stützen der
Front gebraucht hätte, weil das Beskidenkorps befehlsgemäß beisammen
zu halten war. Boroevic habe das VII. Korps nicht den Zufälligkeiten
eines erzwungenen Rückzuges aussetzen wollen, um so weniger, als die
niedrigen Gefechtsstände derartige Wagnisse verboten. Daher habe der
Korpsführer mit seiner Zustimmung den linken Flügel auf 8 km, die
Mitte auf 4 bis 5 km, den rechten Flügel aber gar nicht zurückgenommen.
Im Zwischengelände fände sich kein passender Verteidigungsabschnitt.
Nach den vom AOK. am 27. März erteilten Weisungen (S. 239) hätte
sich freilich auch ein anderes Auskunftsmittel dargeboten. Statt des nur
schütter zu besetzenden Sackes bei Sztropkó konnte eine Lücke zwischen
den zurückgebogenen inneren Flügeln des VII. und des XVII. Korps be-
lassen und der hier etwa eindringende Feind durch Flankenstoß von
beiden Seiten in die Zange genommen werden, vornehmlich von Osten her
durch entbehrliche Kräfte der Gruppe Marwitz. Da jedoch Boroevic für
seinen Westflügel (28. ID.) bangte und das Beskidenkorps nicht geteilt
werden durfte, mag ihm, der für derartige Manöver überhaupt keine
Vorliebe besaß, dieses Verfahren nicht ausführbar erschienen sein.
Eine Fortführung der Offensive des Beskidenkorps hielt GdK. Mar-
witz trotz der offensichtlichen Zerrüttung der feindlichen Verbände nur
dann für angebracht, wenn sich die Nachbarfronten anschließen konnten ;
ein vereinzelter Vorstoß hätte die günstig gestaltete Lage nur wieder
verschlechtert. Da diese Mitwirkung augenblicklich nicht möglich war,
erhielt der Führer des Beskidenkorps vom S.Armeekmdo. den Befehle
die erkämpften Stellungen festzuhalten und die 2. und die 24. ID. sowie
die 21. und die 45. SchD. aus der Front zu ziehen.
Diese Auslösung begann alsbald und war bis zum 10. durchgeführt.
Das Beskidenkorps übernahm das ganze Frontstück. Angriffsversuche
der Russen am 11. und 13. konnten von den Deutschen, am ersteren Tage
auch von der 20. HID. und dem XVII. Korps, mit leichter Mühe vereitelt
werden. Die auf 40.000 Streiter, darunter 8500 Gefangene, geschätzte
Einbuße an Kraft, welche die Russen in der Osterschlacht erlitten hatten^
war nicht ohne weiteres zu ertragen gewesen. Die Angriffskraft des
Feindes hatte einen schweren Stoß erlitten, woraus auch die Führung
ihre Schlußfolgerungen ziehen mußte.
Allerdings gingen auch hier einige Tage vorüber, ehe sich Iwanow
Das geschichtliche Ergebnis der Osterschlacht
257
und der Großfürst-Generalissimus der Auswirkung der Schlacht bewußt
wurden. Noch am 6. April fand Gen. Alexe je w, der neue Befehlshaber
der russischen Nordwestfront, mit seinem Vorschlage, dem Abziehen
deutscher Kräfte aus dem Weichsellande und aus Ostpreußen am besten
durch eine Offensive gegen Berlin zu begegnen, entschiedene Ablehnung.
Der Stabschef des Höchstkommandierenden antwortete am 8., daß ohne
die Zustimmung des Großfürsten ein Schlag links der Weichsel nicht
einmal „vorbereitet" werden dürfe1).
Tags zuvor hatte es der Befehlshaber der Südwestfront mit großer
Freude begrüßt, als ihm von der Stawka eröffnet wurde, daß das nach
Lemberg entsandte III. kauk. Korps zu seiner Verfügung stehe. Da trat
in den nächsten drei Tagen — offenbar mit wachsender Erkenntnis des
Ergebnisses der Osterschlacht — eine tiefgehende Wandlung in den Ab-
sichten Iwanows ein. Hatte er im März der Heeresleitung den Entschluß
zur Karpathenoffensive in zähem Kampfe abgerungen, so entschloß er
sich jetzt gegen ihren Willen über Nacht, die 3. und die S.Armee zur
Einstellung ihrer Angriffe und zum Übergehen in die Abwehr anzuweisen.
Vor dem Höchstkommandierenden begründete er diesen Entschluß zum
Stillstande mit dem Auftreten gegnerischer Verstärkungen, die Teile seiner
Karpathenfront zurückgedrängt hätten. Auch die Fehlschläge gegenüber
der deutschen Südarmee und der Armeegruppe Pflanzer-Baltin, die Ver-
luste und die Ermüdung seiner Truppen, der schlechte Zustand der
Kommunikationen, die Verzögerung aller Bewegungen durch den Schnee
in den höher gelegenen Gebieten des Kampfraumes und endlich der
stockende Nachschub hätten ihn veranlaßt, die Wiederaufnahme der Offen-
sive vorläufig bis zum Eintreffen des III. kauk. Korps zu verschieben.
Beiderseits der Laborcza war den Russen nicht nur endgültig die
Einfallspforte nach Ungarn verriegelt worden, sondern sie glaubten auch
noch bis in den Monat Mai hinein, daß von dort aus eine neue Offen-
sive der Verbündeten beginnen werde. Es waren große Hoffnungen ge-
wesen, die Rußland auf den Stoß nach Ungarn gesetzt hatte. Der Serbe
sollte zu neuem Handeln angespornt, Rumänien auf den Plan gerufen
werden. Der Niederbruch des alten Habsburgerreiches konnte das nahe
Ende sein.
Auf den Höhen südlich von Mezölaborcz waren — das sollte sich
alsbald zeigen — diese Hoffnungen zunichte gemacht worden. Das war
das weltgeschichtliche Ergebnis der Osterschlacht in den Karpathen.
1) Boncz-Brujewitsch, I, 82, 84 und 89.
II
17
258
Der Karpathenwinter 1914/15
Der Ausklang des großen Karpathenringens
Hiezu Beilage 11 sowie Skizze 21
Die Angriffe Brussilows nach der Osterwoche und die
Eroberung des Zwinin durch die Deutschen
(6. bis 14. April)
Nachdem der linke Flügel Böhm-Ermollis (34. und 29. ID.) schon in
die Osterschlacht hineingezogen worden war, hatten sich vom 6. April
an nun auch die Mitte der 2. Armee sowie die Gruppe Szurmay hef-
tiger russischer Anstürme zu erwehren. Obgleich man einen Angriff
auf den Abschnitt zwischen der Höhe Halicz und dem Dorfe Patak-
ófalu erwartete, war die 33. ID. des V.Korps mit Ausnahme eines Re-
giments aus ihrer das Wolosatetal sperrenden Stellung abberufen und
in das Ungtal gezogen worden, wo sie dem 2. Armeekmdo. eine will-
kommene Reserve bildete. Die vereinsamt gebliebenenTeileder 128.HIBrig.
sowie vermengte Abteilungen des V. Korps und der Gruppe Szurmay
vermochten nunmehr dem übermächtigen Feinde keinen ausreichenden
Widerstand entgegenzustellen. Szurmay mußte seinen linken Flügel in
die Höhenlinie Szczawinka—Pliska—Ceremcha zurücknehmen.
Die gerade jetzt vorgebrachte Anregung Pflanzer-Baltins, die Süd-
armee möge ihre Front zur besseren Sicherung der stets schlecht be-
schirmten Nahtstelle bis zum Mszanatale strecken, fand in Munkács an-
gesichts der Ereignisse bei Szurmay kein Gehör.
Ungünstig verliefen auch die Kämpfe im Zentrum der 2. Armee. Der
Russe brach bei Kistopolya in die Linien der 44. SchD. des XVIII. Korps
ein, wodurch das Armeekmdo. genötigt wurde, die kaum in den Erho-
lungsquartieren des Ungtales eingetroffene 37. HID. wieder gegen den
bedrohten Raum zu dirigieren; denn auch das Korps Schmidt wurde vom
Feinde heftig angepackt und die 43. SchD. bei Nagypolány eingedrückt.
Brussilow durfte sich somit rühmen, der öst.-ung. Front am 6. an drei
Stellen schwere Schäden zugefügt zu haben.
Von Teschen aus zur Hilfeleistung aufgefordert, wies das 3. Armee-
kmdo. darauf hin, daß die Gruppe Marwitz noch selbst im Kampfe
stehe; auch gedachte es die zuerst verfügbaren Kräfte zur Stützung einer
vom linken Armeeflügel aus geplanten Offensive in das Ondavatal zu ver-
schieben. Dafür stellte das 4. Armeekmdo. die 51. HID. (9400 Feuer-
Brussilows Vorstöße in den Waldkarpathen
gewehre) zur Verfügung. Der Abtransport dieser Division1) nach Ho-
monna-Szinna—Takcsány begann am 7. nachmittags und dauerte bis
zum 13. April. Obgleich die Erzherzogsarmee damit bis an die äußerste
Grenze gegangen war, wurden an sie neue Anforderungen gestellt. Als
nämlich das AOK. erfuhr, daß das III. kauk. Korps von der Nord-
westfront nach irgend einem Punkte südlich der Weichsel transportiert
werde, wurde dem 4. Armeekmdo. empfohlen, eine weitere Division aus
der Front zu ziehen und als Reserve bereitzustellen, um gegen einen
immerhin möglichen Angriff gewappnet zu sein. Dem konnte jedoch bei
der schwachen Besetzung der Stellungen nicht mehr entsprochen werden.
Mit Bangen sah man in Okocim der nächsten Zukunft entgegen ; denn die
dünnen Linien der 4. Armee schienen einem starken russischen Angriffe
nicht mehr gewachsen zu sein, obgleich die Armee noch immer über
98.600 Feuergewehre und 2780 Reiter verfügte. In den Gedanken der
Karpathenoffensive eingesponnen, ließ sich jedoch die Stawka die gün-
stige Gelegenheit zu einem Schlage in Westgalizien entgehen. Sie sollte
dies später bitter zu bereuen haben.
Vor der Front der Erzherzogsarmee räumten die Russen das linke
Dunajecufer bei Wolka. Sie wurden am 3. April auch aus ihrem Brücken-
kopfe bei Pasiçka vertrieben. Am 14. gelang es ihnen, überraschend in die
Stellung bei Ciçzkowice einzubrechen, doch warf sie ein Gegenstoß sofort
wieder heraus.
Mit ganzer Kraft setzte der Feind die Kämpfe in den Bergen fort,
wo der Winter noch immer sein strenges Regiment führte. Wie zu er-
warten war, bemühten sich die Russen, in das Ungtal einzudringen und
stießen gegen die Ceremcha vor, den Stützpfeiler an der Nahtstelle zwi-
schen der Gruppe Szurmay und dem V. Korps. Linsingen fürchtete, daß
Szurmay nach dem vorzeitigen Abziehen der 33. ID. nicht imstande sein
werde, den Angriff zum Stehen zu bringen und bat das AOK. um Unter-
stützung durch Böhm-Ermolli. Dieser versammelte hierauf am 7. starke
Kräfte des V. Korps bei Patakófalu, denen Abteilungen Szurmays ange-
gliedert wurden. Auch von der 33. ID., deren Truppen sehr erschöpft
eben das Ungtal erreichten, wurde die 65. IBrig. für den Bahntransport
von Sóslak nach Malomrét bereitgestellt2). Am 7. und 8. drangen die
Russen weiter gegen die Ceremcha vor, ohne sich ihrer zu bemächtigen,
dagegen wurde östlich davon die Kiczera sokilska der 7. ID. entrissen.
*) Als Ersatz für die 51. HID. wurde der Gruppe Arz das IR. 80 des XIV. Korps
zugewiesen.
2) 11.1 km Entfernung, ein Beweis, wie schonungsbedürftig die Truppen waren.
17*
260
Der Karpathenwinter 1914/15
Die Gefahr für Szurmays Westflügel schien gebannt zu sein, als die
kombinierte Brigade der 38. HID. (S. 249) und die von der 3. Armee zu-
rückgehaltenen drei Bataillone der 128.HIBrig. hier eingetroffen waren.
Dennoch stieß der Russe am 11. in die öst.-ung. Linien südwestlich des
Oberteiles der Ceremcha hinein. Schon aber stand die 65. IBrig., Obst.
Freih .v. Dürfeid, hinter der Einbruchsteile zum Gegenangriffe bereit.
Verstärkt durch Abteilungen Szurmays und des V. Korps bahnte sich diese
Gruppe ihren Weg durch tiefen Schnee und warf in zweitägigen Kämpfen
den Feind überall heraus, wo er sich in die Widerstandszone der öst.-ung.
Truppen eingebohrt hatte. Am Morgen des 14. gewannen Dürfeids ver-
mengte Verbände die Herrschaft über die ganze Umgegend der Ceremcha.
Tags vorher hatte Linsingen nach Teschen gedrahtet, das AOK. möge
bei der DOHL. die Verstärkung der Südarmee durch deutsche Truppen
beantragen, da die Widerstandskraft der Streiter Szurmays durch die
Witterung stark herabgemindert worden sei .Wohl stand die k. u. k.
Heeresleitung bereits in Verhandlungen mit Mézières, doch ließ sich die
Verwendung deutscher Verstärkungen für diesen Zweck noch nicht be-
stimmen.
Seit dem 9. April waren die Kommandos der 2. Armee und der Süd-
armee mit der Frage der Abgrenzung der Armeebereiche und mit der
Entwirrung der auf der Ceremcha im bunten Durcheinander stehenden
Abteilungen beider Armeen beschäftigt. Beide Befehlsstellen verlangten
die Einbeziehung dieser wichtigen Höhe in ihren Bereich. Linsingen machte
hiebei geltend, daß die Bahn im Ungtale der Versorgung seines linken
Flügels diene, er daher das Recht auf Verteidigung der gefährdeten Strecke
beanspruche. Das AOK. entschied zugunsten der 2. Armee.
Während das V. Korps am 9. einen Versuch der Russen vereitelte,
sich der Stinkahöhe zu bemächtigen, kämpften die Mitte und der West-
flügel der 2. Armee tagelang heftig um die völlige Behauptung der
eben bezogenen neuen Stellungen. Die 37. HID. (S. 258) verstärkte das
XVIII. Korps durch eines ihrer Regimenter und gab eine Brigade an das
Korps Schmidt ab; das vierte Regiment wurde als Reserve zurückbehalten.
Nach wechselvollen Kämpfen gelang es aber dem XVIII. Korps und
dem Korps Schmidt, bis zum 10. die Einbuchtungen bei Kistopolya und
Nagypolány auszuglätten und alle Angriffe abzuweisen. Beim XIX. Korps
wurden die 41. HID. und die 29. ID. durch die Russen stark bedrängt;
die 29. ID. mußte am 8. den Beskidkamm aufgeben und am 11. auch
ihren rechten Flügel abbiegen, weil die 41. HID. bis zur Kirche von Tele-
pócz zurückgedrückt worden war. Während hier die Kämpfe andauerten,
Die Deutschen stürmen den Zwinin
261
blieb die 34. ID. seit dem 5. unbehelligt. Die 51. HID. (S. 258) wurde am
13. mit ihrer Hauptkraft zur Ablösung des linken Flügels der von den
Höhen herabgeglittenen 41. HID. verwendet; ein Regiment ersetzte die
13. SchD., die aus der Front gezogen wurde.
So rang Böhm-Ermolli gegen ansehnliche Überlegenheit; den 55.000
Feuergewehren der 2. Armee standen nach Schätzung des 2. Armee-
kmdos. etwa 70.000 bis 72.000 russische gegenüber1).
Ohne sich durch die schwierige Lage bei Szurmay abschrecken zu
lassen, setzte die deutsche Südarmee nach dem günstigen Ausgange der
vorangegangenen Abwehrkämpfe am 9. April mit ihrer Hauptkraft zum
Angriffe an. Das XXIV. RKorps konnte zwar dem zähen Feinde am
10. und 11. April die Höhe Czyrak nicht entreißen, doch arbeitete sich
das Korps Hofmann mit seinem linken Flügel näher an den Ostry heran.
Größere Erfolge waren der deutschen 1. ID. des Korps Bothmer be-
schieden. Sie erstürmte am 9. die letzten noch in den Händen der Russen
befindlichen Teile des Zwinin, um die sie seit acht Wochen gerungen
hatte und drängte dem weichenden Feinde bis zum 11. in der Richtung
auf Skole nach; doch wurden diese Fortschritte durch erbitterte Angriffe
der Russen gegen die 3.GID. bald wieder gehemmt.
Linsingens Absicht, das Korps Bothmer in nordwestlicher Richtung
vorstoßen zu lassen, konnte nicht ausgeführt werden, weil die Haupt-
kraft der 38. HID. am 11. von den Russen aus ihrer Stellung geworfen
wurde. Ein am nächsten Tage unternommener Gegenangriff drang nicht
durch, immerhin gelang es der Honvéddivision am 14., sich unter Mit-
hilfe von Abteilungen der deutschen l.ID. und der 3.GID. einiger ver-
lorener Höhen wieder zu bemächtigen.
Das Abflauen der Karpathenkämpfe in der zweiten
Aprilhälfte 1915
Die Lage, die in der ersten Aprilhälfte in den Karpathen heran-
gereift war, hatte Freund und Feind veranlaßt, die bisherigen Absichten
zu überprüfen und neue Entschlüsse zu fassen.
Für die öst.-ung. Heeresleitung war schon während der Osterschlacht
die Frage brennend geworden, ob es selbst bei Überwindung der augen-
blicklichen Krise angehe, den Russen die Initiative, die sie seit Ende
März besaßen, noch länger zu überlassen. Nach der Osterschlacht erwog
*■) Bei der Gruppe Tersztyánszky (Korps Schmidt und Trollmann) rechnete man
mit einem täglichen Abgang von 2000 Feuergewehren.
262
Der Karpathenwinter 1914/15
Conrad vorübergehend, aus der zurzeit bestehenden Gruppierung mit
allen Kräften südlich der Weichsel ungesäumt — etwa um den 20. — zu
einem Generalangriff überzugehen. Inzwischen hatten aber Verhand-
lungen mit dem deutschen Generalstabe zu Ergebnissen geführt, denen
Gdl. Conrad diesen Plan um so lieber zum Opfer brachte, als auch das
politische Verhältnis zu Italien auf größere Entschlüsse hindrängen ließ.
Allerdings mußte bis zu deren Ausführung noch der ganze April hin-
gehen, während dessen die Lage in den Karpathen zu halten war.
Nicht unähnlich hatten sich die Dinge für die russische Heeres-
leitung gestaltet, wobei für ihre Entschlüsse außer den Verhältnissen
auf dem Kriegstheater vor allem der Angriff der Alliierten auf die
Dardanellen mitbestimmend werden mußte (S. 6). Und zufälligerweise
sollte sich auch für sie die Nötigung ergeben, bis Anfang Mai eine
zwar die Handelsfreiheit der Unterführer nicht völlig unterbindende
Operationspause eintreten zu lassen.
Selbstverständlich taten beide Teile das Möglichste für die Geheim-
haltung. Demgemäß konnte auch das AOK. Teschen aus den Nach-
richten über den Feind die Umrisse eines größeren russischen Planes
noch nicht erkennen. Nur daß ein Angriff Letschitzkis gegen Pflanzer-
Baltin bevorzustehen schien, erfuhr man sowohl durch den Nachrichten-
dienst, wie auch durch Luftaufklärung. Dabei deuteten alle Anzeichen
dahin, daß der russische Anschlag dem linken Flügel der Armeegruppe
Pflanzers gelten mochte, was sich später als nicht zutreffend erweisen
sollte. Im Gegensatz zu früher zog der Führer der Armeegruppe auf
Grund dieser Auffassung seine Kräfte gegen den linken Flügel hin zu-
sammen. Überdies erhielt er am 19. April von der Heeresleitung die
Mitteilung, daß mit dem Einsatz des III. kauk. Korps bei Letschitzki
zu rechnen sei. Auch seine Flieger stellten starke Ansammlungen in den
Tälern der Lomnica und der Czeczwa fest. GdK. Pflanzer unterschätzte
die sich hieraus ergebenden Gefahren um so weniger, als der Zusammen-
hang mit der deutschen Südarmee zu wünschen übrig ließ und auch das
Gelände nach der Schneeschmelze die Russen zu einem Angriff gegen
die Nahtstelle einladen mochte.
Um zunächst den Widerstand in den Tälern der Lomnica und der
Bystrzyca Soîotwinska zu kräftigen, wurden die hier fechtenden Gruppen
verstärkt, die wichtigsten Übergänge in der Lücke befestigt und die
Wege verbessert. Am 20. legte das AOK. dem GdK. Pflanzer im Hinblick
auf die bevorstehende Einreihung der „neunten" Marschbataillone — bei
der Armeegruppe 20.000 Mann — ans Herz, den Feind von der Bahn-
Versammlung der Gruppe Ljubicic
263
strecke Huszt—Máramaros-Sziget—Körösmezö—Kolomea verläßlich fern-
zuhalten; hinter dem linken Flügel der Armeegruppe war eine starke
Reserve auszuscheiden, da sich die beständig im Kampfe liegende Süd-
armee nicht ausdehnen und nur die unmittelbar in ihre Flanke führenden
Gebirgszugänge sichern konnte.
Vier Tage später wurde dem Armeegruppenführer mitgeteilt, daß
in Westgalizien eine große Offensive vorbereitet werde und daß seine
Truppen den Feind durch möglichst rege Tätigkeit zu binden hätten.
Zur Täuschung der Russen wurden überdies zwei deutsche Kompagnien
unter möglichst großem Aufsehen von der Südarmee nach Czernowitz
gefahren, wo sie sich wie die Spitzenstaffel eines größeren Heeres-
körpers zu benahmen hatten. Pflanzer faßte nun aber auch den Ent-
schluß, sich nicht mehr mit Scheinunternehmen zu begnügen, sondern dem
ihm drohenden russischen Angriff durch einen Gegenstoß zuvorzu-
kommen, der gleichzeitig den Wünschen der Heeresleitung möglichst
vollkommen gerecht werden sollte. Bis zum 1. Mai versammelte er
daher unter dem Kommando des FZM. Ljubicic 21 Bataillone und
7 Batterien (Teile der 5., der 6. und der 15. ID. sowie die ganze 16. IBrig.)
in zwei Gruppen, die er zwischen der Bystrzyca Solotwinska und der
Czeczwa mit dem Schwergewicht westlich der Lomnica zu einem Vor-
stoße gegen Nordosten anzusetzen gedachte. Damit wollte er den ganzen
linken Flügel der Armeegruppe (Gruppe Rhemen) bis in die Linie Chle-
bowka—Perehinsko—Suchodol vorreißen.
Auch der Feind erwies sich gegenüber dem Gebirgsflügel schon
seit Tagen überaus tätig; bereits am 1. Mai stieß er auf den Höhen nord-
westlich Osmoloda vor, konnte aber leicht abgewiesen werden, obgleich
die Südarmee nicht in der Lage war, die erbetene Unterstützung zu
leisten. Am gleichen Tage setzten aber auch schon tatkräftig geführte
kleinere Vorstöße der Gruppen Rhemen und Czibulka ein, die den Feind
im unklaren über die Richtung des wirklich geplanten Angriffes halten
sollten. FML. Czibulka beabsichtigte überdies, eine gemischte Abteilung
auf das nördliche Dniesterufer zu werfen.
Durch alle diese Maßnahmen wurde die Ostgruppe zugunsten der
Gruppe Ljubicic erheblich geschwächt, während vom 26. an nach ver-
schiedenen Anzeichen nun doch ein russischer Angriff zwischen Dniester
und Pruth bevorzustehen schien. Pflanzer-Baltin stellte daher dem GdK.
Marschall die Armeereserve, die 8. KD., zur Verfügung; der deutsche
General hatte den belagerungsmäßigen Angriff gegen Zaleszczyki fort-
zuführen und dem Feinde den zäh verteidigten Brückenkopf zu entreißen.
264
Der Karpathenwinter 1914/15
Die deutsche Südarmee setzte mittlerweile ihre Angriffe fort und
band hiedurch den ihr gegenüberstehenden Feind. Ihrem rechten Flügel,
dem in weitausgedehnter Stellung beiderseits der Wyszkówer Straße
eingegrabenen Korps Gerok, blieb es hiebei versagt, Fortschritte zu er-
zielen. Beim Korps Hofmann gewann der Sappenangriff allmählich
gegen die östlich der Straße nach Skole aufragenden Höhe Ostry derart
Raum, daß der heißumstrittene Berg endlich am 24. April nach hef-
tigem Kampfe von den braven Truppen gestürmt werden konnte1). Dies
war für die öst.-ung. und die deutschen Verbände an den inneren Flü-
geln der Korps Hofmann und Bothmer das Signal, sich ohne Säumen
aus ihren Stellungen zu erheben und sich auch des vom Ostry zur
Straße hinabziehenden Höhenrückens zu bemächtigen. Schon in den Vor-
tagen hatte das Korps Bothmer ansehnliche Leistungen vollbracht. Nach-
dem die 38. HID. am 11. durch die Russen aus ihren Linien beiderseits
desStryj geworfen worden war (S. 261), konnte ein Gegenangriff am 14.
nur einen teilweisen Wiedergewinn der preisgegebenen Höhen erzielen.
Die Honvéddivision, die eine Brigade an die Gruppe Szurmay hatte
abgeben müssen (S. 249), setzte jedoch, unterstützt von den deutschen
Nachbartruppen, ihre Anstrengungen am 15., 16. und 22. April fort,
wodurch schließlich die früheren Stellungen, auch die des rechten Flü-
gels der 40. HID., der am 11. gleichfalls in Mitleidenschaft gezogen
worden war, fast ganz wieder in eigenen Besitz gelangten. Die deutsche
l.ID. erstritt am 18. eine wichtige Berghöhe und trotzte nächtlichen
Angriffen. Nach der Eroberung des Ostry blieben die inneren Flügel der
Korps Hofmann und Bothmer vorerst im Vorgehen, in der Folge hielten
sie das gewonnene Gelände gegenüber ungestümen Tag- und Nacht-
angriffen des Feindes.
Bei der Gruppe Szurmay kam es ebenfalls zu heftigen Zusammen-
stößen. Neuerlich fühlten sich die Russen verlockt, in das Ungtal einzu-
brechen. Das russische XXVIII. Korps griff am 21. an und bemächtigte
sich eines Teiles unserer südöstlich von Wolosate gelegenen Stellung.
Die unmittelbar darauf mit schwachen Kräften unternommenen Gegen-
angriffe blieben ergebnislos. Szurmay rief nach Munkács und Ungvár
um Hilfe. Linsingen wandte sich daher am 22. vormittags an das AOK.
und bat, das 2. Armeekmdo. möge angewiesen werden, die jetzt bei
Fenyvesvölgy in Reserve stehende halbe 37. HID. zur Unterstützung
Szurmays einzusetzen oder mit dem ganzen V. Korps zur Offensive
x) Für die erfolgreichen Kämpfe seines Korps in den Karpathen wurde Gdl.
Hofmann mit dem Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens ausgezeichnet.
Die letzten Abwehrkämpfe Szurmays und der 2. Armee
265
gegen Ustrzyki-Grn. zu schreiten. Böhm-Ermolli zögerte jedoch, seine
letzte im Ungtale befindliche Reserve aus der Hand zu geben; nur die
Artillerie des V. Korps beteiligte sich an den Kämpfen südöstlich von
Wolosate. Der Führer der 2. Armee behielt übrigens mit seiner kühlen
Beurteilung der Lage recht; denn obgleich die am 22. von Szurmay
unternommenen Gegenangriffe unter erheblichen eigenen Verlusten schei-
terten, nützten die Russen ihren Anfangserfolg nicht aus und stießen
über die Einbruchstelle nicht weiter vor. Immerhin zeigte sich der
Nachteil, daß Szurmays linker Flügel der Südarmee unterstellt war.
Besser wäre es gewesen, die Sicherung des Ungtales in eine Hand zu
legen; auch der in diesen Tagen in Durchführung gewesene Austausch
der mit dem V. Korps vermengten Verbände Szurmays vollzog sich
schleppend und umständlich. Nachdem der russische Durchbruchskeil
geschickt abgeriegelt worden war, gelang es aber dem FML. Szurmay,
sich der bis zum 26. dauernden unausgesetzten feindlichen Anstürme
zu erwehren. Vom 2. Armeekmdo. wurde ihm nur ein Regiment der
37. HID. vorübergehend und nur für den Fall äußerster Dringlichkeit
zur Verfügung gestellt. Vom 24. an griff der Russe auch die Mitte und
den rechten Flügel der Gruppe Szurmay an, die sich nicht nur in der
Abwehr dem Feinde gewachsen zeigte, sondern sogar zum Gegenangriff
schreiten ¡konnte.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die geschilderten Kämpfe der
Südarmee ihren Zweck vollständig erfüllten und aller Wahrscheinlich-
keit nach mit dazu beitrugen, daß der Feind die ihm in Westgalizien
drohende Gefahr nicht inne wurde1). Linsingen, der wie alle anderen
Armeeführer von der bevorstehenden Offensive in Westgalizien verstän-
digt worden war, beantwortete diese Mitteilung am 30. damit, daß er
der Heeresleitung vorschlug, ihm zwei Divisionen zuzuführen, die er
an seinem rechten Flügel in der Richtung auf Dolina einsetzen wollte.
Stets blieb er ein Anhänger des von ihm unablässig verfochtenen Flügel-
angriffes. Dieser Antrag wurde aber ebenso abgelehnt wie der von
Tags darauf, deutsche Truppenteile hinter den linken Flügel der be-
nachbarten Armeegruppe Pflanzer-Baltin zu verschieben, um dem Feinde
gleichwie bei Czernowitz das Eintreffen starker deutscher Einheiten
vorzutäuschen. Pflanzer-Baltin erhob dagegen Einspruch, weil er wegen
des bevorstehenden Angriffes der Gruppe Ljubicic nicht weitere Russen-
kräfte herbeilocken wollte.
1) Für die erfolgreiche Verteidigung des Uzsokpasses im April 1915 wurde dem
FML. Szurmay das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens verliehen.
266
Der Karpathen winter 1914/15
Bei der 2. Armee (S. 258) brannten die Kämpfe über die Aprilmitte
hinaus noch einige Tage weiter fort, doch blieben sie auf die Gruppe
Tersztyánszky beschränkt. In Ungvár und Teschen erwartete man einen
größeren Angriff der Russen gegen den vom V. Korps gehüteten Raum
Ceremchahöhe—Patakófalu. Der Feind stieß wohl bei Wolosate in Szur-
mays Front hinein, ließ aber das rechte Flügelkorps Böhm-Ermollis un-
behelligt. Abgesehen, von gelegentlicher Hilfeleistung beim linken Nach-
bar erfreute sich auch das XVIII. Korps verhältnismäßiger Ruhe. Mit
geringen Kräften unternommene Vorstöße der Russen wurden am 15.
und 22. April glatt abgewiesen.
Dagegen zog bei Tersztyánszky das Korps Schmidt beständig russi-
sche Angriffe auf sich; diese gipfelten am 17. darin, daß sie der
43.SchD. die beherrschende Koziolata entrissen. Vermutlich wollte sich
der Feind durch den Besitz dieser Höhe die für ihn wertvollen Unter-
künfte im Tal von Zemplénoroszi sichern. Alle Wiedereroberungs-
versuche mißlangen. Als überdies ein sorgfältig vorbereiteter größerer
Gegenangriff Schmidts gegen diesen wichtigen Stützpfeiler am 20. trotz
erheblicher Verluste nicht durchdringen konnte und auch das in den
folgenden Tagen gegen die Koziolata zusammengefaßte Artilleriefeuer
keinen merkbaren Erfolg erzielte, beschloß man am 26., sich mit diesem
Verluste vorläufig abzufinden. Der rechte Flügel des XIX. Korps rang
bis zum 25. andauernd um die Höhen bei Telepócz. Seit es der 41. HID.
am 18. gelungen war, einen Teil der seinerzeit verlorenen Stellungen
dem Feinde wieder zu entreißen, suchte dieser im Ondavatal weiter vor-
zudringen, doch wurden seine Angriffe abgewiesen. Die beiden linken
Flügeldivisionen — 26. SchD. und 34. ID. — blieben mit Ausnahme eines
in der Nacht auf den 22. von der 34.ID. abgeschlagenen Vorstoßes
unbehelligt.
Neben den hiernach erforderlichen taktischen Anordnungen be-
schäftigte sich das 2. Armeekmdo. in diesen beiden Wochen unausgesetzt
damit, seine Verbände wieder zu ordnen, die nicht nur innerhalb der
eigenen Front, sondern auch mit den Truppen Szurmays vermengt
waren. Mitte April hatte sich von den vierzehn Divisionen der Armee
nur die Hälfte in ihrer kriegsgliederungsmäßigen Zusammensetzung be-
funden, die übrigen Divisionen waren auseinandergeraten. Nach der
Einreihung der Marschformationen erhöhte sich der Stand der 2. Armee
am 15. auf 79.000 Feuergewehre, doch schon vier Tage später war ein
Ausfall von 12.000 Feuergewehren zu verzeichnen. Ablösungen und Ver-
schiebungen hielten die Truppe unaufhörlich in Atem, bis am 27., als
Die Lage bei den Heeresteilen beiderseits der Weichsel
267
die Kämpfe abgeflaut waren, die Befehle für eine Neugruppierung aus-
gegeben werden konnten, deren Durchführung mehr als eine Woche in
Anspruch nahm. Der Verband der Armeegruppe Tersztyánszky wurde
in der Nacht auf den 1. Mai aufgelassen.
Da vor den Linien dieser Gruppe, insbesondere vor der 13.SchD.,
zahlreiche Russenleichen lagen und der Verwesungsgeruch den Aufent-
halt in den Schützengräben fast unerträglich machte, sollte mit dem
Feinde eine kurze Waffenruhe zur Bestattung der Toten vereinbart
werden. Obgleich es sich nur um ein kleines Frontstück handelte, befahl
das AOK. dennoch, die Verhandlungen einzustellen, um dem Feinde
auch nicht die geringste Gelegenheit zu Truppenverschiebungen an die
westgalizische Front zu bieten.
Im Gegensatz zur 2. Armee hielt die Kampfpause seit der Oster-
schlacht bei der Armee Boroevic an. Die Russen fürchteten hier den Los-
bruch einer Offensive und arbeiteten fieberhaft an der Verstärkung
ihrer Stellungen.
Gegenüber der k. u. k. 4. Armee hatten die Russen seit Anfang April
lebhafte Aufklärungstätigkeit entwickelt, die um die Monatsmitte noch
gesteigert und zeitweilig auch durch kleinere Unternehmen (am 7. und 8.
bei der 3. ID., am 14. bei Ciçzkowice) begleitet war. Vom 19. an ließ
sich der Feind auch die Erkundung durch Flieger stärker angelegen sein,
um freilich nach ein paar Tagen wieder zu erlahmen. Dies wurde von
den Verbündeten besonders begrüßt, denn in den gleichen Stunden
setzte die Ausladung der ersten deutschen Truppen vor Gorlice ein.
Bei der Armee Dankl und beim XII. Korps hatte die seit Wochen
währende Ruhe weiter angehalten. Das unablässige Zufließen von Er-
sätzen bei verhältnismäßig geringen Verlusten ließ die Truppenstärken
dieser Heereskörper beträchtlich anschwellen, so daß die Infanterie-
regimenter fünf und sechs starke Bataillone zählten. Dies sollte der
Heeresleitung ermöglichen, für den bevorstehenden Schlag in West-
galizien noch Verbände in der Stärke von zwei Divisionen auf das süd-
liche Weichselüfer zu werfen.
Das Ergebnis des Karpathenwinters
Mit dem „Karpathenwinter" hatte eine der denkwürdigsten Phasen
des großen Ringens 1914—1918 ihren Abschluß gefunden. Wenn die
Theorie das Karpathengebirge meist nur als „Durchzugsland" gelten
ließ, so war sie wie in manchem anderen durch die Macht der Tatsachen
268
Der Karpathenwinter 1914/15
Lügen gestraft worden. Die Karpathen — und zwar nicht nur der
offenere westliche Teil, sondern auch das gegen die Bukowina hin-
streichende Waldgebirge — waren für lange Wochen zum großen Schlacht-
felde geworden, auf dem sich das Geschick ganzer Heere erfüllen sollte.
Und dies hatte sich in der härtesten Zeit des Jahres begeben, während
der Winter Berg und Tal in seine Fesseln geschlagen hatte, um heute
ganze Schützenketten im wahrsten und schrecklichsten Sinne des Wortes
in Eis und Schnee erstarren zu lassen und morgen durch Regen oder
Tauwetter weite Strecken des Vielfach aller Hilfsmittel baren Landes
in Sumpf und Morast zu tauchen. Gelände und Wetterunbill waren in
diesen Monaten für die Kämpfer, die auf den Waldhöhen und in
den einsamen, gottverlassenen Tälern ihr Letztes gaben, nicht selten ge-
fährlichere Feinde als die, mit denen man sich Aug in Aug messen
konnte. Dies galt für beide Parteien in gleicherweise.
Gen. Iwanow, der Führer der russischen Südwestfront, hatte wohl
seit je die Meinung vertreten, daß von den beiden mitteleuropäischen
Kaisermächten zuerst Österreich-Ungarn niederzuringen sei. Aber er
hatte dabei bis über die Jahreswende hinaus viel eher an einen Sieges-
zug über Krakau nach Mähren, denn an einen Angriff über die Kar-
pathen gegen Budapest gedacht. Wie sehr dieses Gebirge den Russen
Scheu einflößte, bewies noch manche Maßnahme des Spätherbstes 1914.
Der erste Entschluß, den Schrecknissen des Karpathen winter s zu trotzen,
um Großes, vielleicht Größtes zu erkämpfen, war zweifellos vom öst.-
ung. Generalstabschef ausgegangen, der um Neujahr den Plan, entworfen
hatte, dem Feinde über die Karpathen hinweg die linke Flanke abzu-
gewinnen, und damit nur einen neuen Beweis seines großen unerschütter-
lichen Wollens gab, dem allerdings sogar der kraftbewußte Verbündete
nur schweren Herzens Gefolgschaft zu leisten vermochte.
Die große Gefährdung, die den Russen aus den Plänen Conrads
erwachsen war, hatte dann auch sie veranlaßt, den Tücken des winter-
lichen Gebirges nicht länger aus dem Wege zu gehen. Aus der aktiven
Abwehr öst.-ung. und deutscher Angriffe wurde allmählich die große
russische Offensive gegen Budapest, zu der nach dem Falle von Przemysl
— immer noch widerwillig — auch der Großfürst-Generalissimus seine
Zustimmung gab.
Gewaltige Heeresmassen wurden solcherart in vier schweren Kriegs-
monaten durch die Karpathen von Norden und Süden her aufgesogen.
Um die Jahreswende waren auf öst.-ung. Seite zwischen der Bukowina
und Gorlice rund 18 Infanterie- und 6 Kavalleriedivisionen gestanden. Sie
Die Bilanz des Erfolges
269
vermehrten sich bis 211m 24. April auf etwa 46 Infanterie- und 81/2 Ka-
valleriedivisionen. Im Zusammenhang mit dem Truppenaufgebote für
die Karpathen hatten die öst.-ung. Eisenbahnen in 116 Tagen 2 Armee-
kmdos., 10 Korpsstäbe und 42 Divisionen zu transportieren, wozu über
2500 Züge benötigt wurden1). Die Russen hatten zu Beginn des
ersten Angriffes der Verbündeten, am 23. Jänner, die Reichswehrbriga-
den miteingerechnet, im gleichen Abschnitte 20 Infanterie- und 11 Ka-
valleriedivisionen eingesetzt. Am 24. April zählte die russische Kar-
pathenfront — ohne die strategischen Reserven — 38 Infanterie- und
14 Kavallerie divisionen. Die gegenüber den Verbündeten geringer e Zahl
der russischen Divisionen wurde durch die größere Zahl der Bataillone
und meist auch durch die doch höheren Stände mindestens ausgeglichen.
Mit dem Falle von Przemysl war das Geschick der Conradschen
Offensive entschieden; sie war nicht geglückt. Aber auch dem großen
Russenanstuirm sollte das gleiche Schicksal werden. Entgegen den Wün-
schen der Stawka, die einer Umfassung des gegnerischen Ostflügels den
Vorzug gegeben hätte, versuchte es Iwanow mit einem Durchbruch gegen
Eperjes und Homonna. Aber was den öst.-ung. und deutschen Divisionen
nicht vergönnt war, blieb auch den heranbrausenden Russenmassen ver-
sagt: ihre übrigens durch keinen wirklichen Sturmblock getragenen An-
griffe erschöpften sich, ohne durchzudringen. Bei der Verteidigerrolle,
die den Mittelmächten in ihrem Kampfe auf der „inneren Linie" zuge-
fallen war, stellte sich schließlich der Mißerfolg der Russen doch er-
heblich größer dar als der, den in den Monaten zuvor die Verbündeten
erlitten hatten. Und ebenso war der Abwehrerfolg, den das öst.-ung.
Heer, von deutschen Streitern getreulich unterstützt, errungen hatte, am
Ende wesentlich höher zu bewerten als der der Russen im Jänner,
Februar und März. Die öst.-ung. Offensiven hatten den Entsatz von
Przemysl, den Wiedergewinn Galiziens angestrebt, was die Russen ver-
hindern konnten. Beim russischen Vorstoß gegen die ungarische Ebene aber
ging es um einen ungleich höheren Preis: um nicht mehr und nicht
weniger als den Bestand des Donaureiches.
1) Es wurden antransportiert : 1 Armee- und 5 Korpskmdos. sowie 21 Infanterie-
divisionen und 1 Kavalleriedivision aus Westgalizien und Polen; 3 Korpskmdos. und
7 Infanteriedivisionen vom Balkankriegsschauplatz und 1 Armee- und 2 Korpsstäbe
sowie 6 Infanteriedivisionen und 1 Kavalleriedivision des deutschen Heeres. Zum
Transport dieser Massen waren insgesamt 120.000 Waggons nötig. Vgl. auch Ratzen-
hof e r, Der Aufmarsch hinter den Karpathen (Militärwissenschaftliche Mitteilungen,
Wien 1930, Juli-Augustheft).
270
Der Karpathen winter 1914/15
Die Opfer, die auf beiden Seiten getragen werden mußten, ent-
sprachen der unerhörten Hartnäckigkeit des Ringens, von dem die Kar-
pathentäler vier Monate hindurch widerhallten. Eine verläßliche Verlust-
statistik gibt es für diesen Kriegsabschnitt weder hüben noch drüben,.
Auf öst.-ung. Seite schwanken die Berechnungsergebnisse des Gesamt-
verlustes an Toten, Verwundeten, Kranken, Gefangenen und Vermißten,
wenn man die Besatzung von Przemysl mitrechnet, zwischen 600.000
und 800.000 Mann. Davon mögen ein Zehntel auf Tote, vier bis fünf
Zehntel auf Verwundete und Kranke, der Rest auf verwundet, krank
oder heil in Gefangenschaft Geratene entfallen1).
Über die Verluste der Russen liegen noch um Wesentliches unver-
läßlichere Angaben vor. Nach amtlichen russischen Zusammenstellungen2)
sind in den Verlustlisten des russischen Heeres in den ersten neun
Kriegsmonaten insgesamt 1,200.000 Tote, Verwundete, Vermißte und Ge-
!) Major Dr. Czegka gelangt unter Benützung von Aufstellungen des Gen. Ratzen-
hof er zu folgender Berechnung:
Stand an Feuergewehren der Fußtruppen samt Reitern und Schützen
der Kavalleriedivisionen am 1. Jänner..............287.660 Mann,
hiezu Ersätze vom 1. Jänner bis 30. April für die obigen Kategorien 737.460 „
hiezu Armeekörper vom Südosten....................71.700 „
Summe . . . 1,096.820 Mann,
hievon Stand an Feuergewehren, Reitern und Kavallerieschützen
am 1. Mai................................535.000 „
daher Abgang an Toten, Verwundeten, Kranken, Gefangenen, Ver-
mißten der obigen Kategorien....................561.820 „
hiezu 10 v. H. als Abgang vom sonstigen Kampfstand (Offiziere,
Artillerie, Maschinengewehre usw.)................56.180 „
ferner Erkrankte und Verstorbene des Erhaltungsapparates . . . 55.000 „
außerdem Besatzung der Festung Przemysl................120.000 „
ergibt als Gesamtverlust des öst.-ung. Nordheeres vom 1. Jänner bis
30. April 1915 ..............................793.000 Mann.
In diesen vier Monaten wurden Kranke und Verwundete von der
Front in die Heimat abgeschoben ..............435.000 „
daher (von, 673.000 Mann abgezogen, bei Vernachlässigung der im
Armeebereiche Wiedergenesenen) Tote, Vermißte und Ge-
fangene ohne Besatzung von Przemysl..............238.000 „
mit der Besatzung von Przemysl......................358.000 „
Aus dem Hinterlande wurden bis zum 1. Mai 1915 insgesamt 20.000 Offiziere,
930.000 Mann, 100.000 Pferde und 17.000 Fuhrwerke in den Armeebereich trans-
portiert. Vgl. auch Ratzenhof er, Verluste im Karpathenwinter 1915 (Militär-
wissenschaftliche Mitteilungen, Wien 1930, September-Oktoberheft).
2) Sowjetrussische Übersicht über die Verluste der russischen Armee 1914—1918
(Moskau 1925).
Physische und moralische Verfassung von Freund und Feind
271
fangene ausgewiesen. Die tatsächliche Einbuße ist mindestens um 60 bis
70v.H. höher einzuschätzen, beläuft sich also auf 1,800.000 bis 2,000.000
Mann, wenn nicht auf mehr1).
Die Opfer der Russen in den Karpathenkämpfen werden demnach
nicht wesentlich höher, aber gewiß auch — trotz der Gefangenen von
Przemysl — nicht erheblich niederer zu bewerten sein. Empfindlicher
allerdings als die Menschenverluste traf die Russen die Einbuße an. Ge-
rät und Munition, da die russische Kriegsindustrie und die Heimat-
behörden auf dem Gebiete des Materialersatzes völlig versagten.
Bei Betrachtung der moralischen Verfassung des öst.-ung. Heeres ist
daran zu erinnern, daß dieses gegen Ende des opferreichen Feldzuges
1914 zu einer Landsturm- und Milizarmee geworden war. An dieser
Tatsache hat sich während des Karpathenwinters bei der täglich und
stündlich herrschenden Not an Mann nichts bessern lassen. Es war im
Gegenteil der ohnehin schon schwache Stamm an geeigneten Offizieren
und gedienter Mannschaft noch geschwächt worden. Die Neueingezogenen
füllten, körperlich weniger widerstandsfähig, dazu infolge der kurzen
Ausbildung den vielfältigen Aufgaben der Kampfführung nicht gewach-
sen, die Verlustlisten in erschreckendem Ausmaße. Nicht unvermerkt
bleibe hiebei auch, daß von den zahlreichen gebirgsgewohnten Truppen
Österreich-Ungarns (III., XIV. und teilweise auch XV., XVI., II. und
XII. Korps) nur ein verhältnismäßig geringer Teil in den Karpathen
verwendet wurde, wo sie sich, auch dank ihrer Gebirgsausrüstung, sicher-
lich leichter zurechtgefunden hätten als irgendein Heereskörper aus dem
Banat, dem böhmischen Becken oder dem galizischen Flachland.
Immer stärker wurde die Truppe auch von der entmutigenden
Erkenntnis erfaßt, daß der Krieg noch lange dauern werde ; dies erzeugte
vielfach schwere Kriegsmüdigkeit, die erst in besseren Zeiten wieder
überwunden werden konnte. Über die politischen Folgen wurde schon
früher in anderem Zusammenhange gesprochen. All dies drückte die
Kampffähigkeit der Armee gewiß empfindlich herab. Dabei ist aber
nie zu übersehen, daß die Forderungen, welche die Führung trotz allem
an sie stellen zu dürfen glaubte, vielfach übermenschlich genannt werden
müssen, und man darf hier gewiß anführen, daß auch die sicherlich
besser gefügten und vor allem auch besser ausgerüsteten deutschen Divi-
x) Der englische General Knox, damals Militärbevollmächtigter beim russischen
Heer, kommt auf Grund amtlicher Petersburger Mitteilungen zu einem um 25 bis
30 v. H. höheren Ergebnis (Knox, With the Russian Army 1914—1918, New York
1921, I, 297ff.).
Ill
Der Karpathenwinter 1914/15
sionen Linsingens keine nennenswert größeren Angriffsleistungen zu voll-
bringen vermochten als ihre österreichischen und ungarischen Kameraden.
Wirklicher Raumgewinn war nur der Armeegruppe Pflanzer beschieden
gewesen, wobei sich ihr freilich im Gebirge anfangs nur verhältnismäßig
geringer Widerstand entgegengestellt hatte.
Das Bild, das zur selben Zeit die russische Armee bot, war aller-
dings von dem der Gegner nicht erheblich verschieden. Die körperlichen
und moralischen Anforderungen des Krieges in den Karpathen hatten
auch den Muschik gezwungen, sein Letztes herzugeben ; mit dem einzigen
Unterschied vielleicht, daß der Russe den Unbilden des Winters besser
gewachsen war als seine aus nicht so rauhen Ländern stammenden
Gegner. Sonst unterscheiden sich die Klagen, die von den Führern aller
Grade in diesen Wochen und Monaten ausgestoßen wurden, durch nichts
von denen im anderen Lager. Übermäßig drückte auf die Moral des
Zarenheeres der schon berührte, von Tag zu Tag zunehmende Mangel
an Kriegsmaterial, zumal an Schießbedarf. Die Nötigung, durch Blut-
opfer auszugleichen, was die Mißwirtschaft in der Heimat verschuldet
hatte, hinterließ beim letzten Kämpfer tiefste Mißstimmung. So begann
denn schon damals die Verratslegende, die später so verheerend wirken
sollte, vom Gemüte des Muschiks und des Offiziers Besitz zu ergreifen,
wobei die Fama, wie bekannt, sogar vor dem Herrscherhaus keineswegs
Halt machte. Dem Zaren begegnete die Armee bei dem Besuche, den er
in der zweiten Hälfte April auf Wunsch der Panslawisten dem „be-
freiten" Galizien abstattete, nach übereinstimmenden Berichten mit auf-
fallender Kühle. Schon fiel in den Offizierskreisen das böse Wort, daß
er ja doch nur ein „Deutscher" sei1). Solcherart wies die wichtigste
Säule der zaristischen Armeeverfassung, der Autoritätsglaube, bereits
bedenkliche Sprünge auf, die nicht mehr zu verkleistern waren. Das
rücksichtslose Streben der russischen Führung, die Ebenen Ungarns —
koste es, was es wolle — zu gewinnen, hatte, da ihm der Erfolg versagt
blieb, in die Seele des ausgezeichneten russischen Soldaten eine bedenk-
liche Saat gelegt, die zum erstenmal in den nächsten Wochen, ungleich
gefährlicher aber nach zwei Jahren aufgehen sollte.
!) Paléologue, La Russie des tsars (Paris 1921), I, 354.
Die politisch-militärische Lage Österreich-Ungarns
im April 1915
Die Kampfpause an der Balkanfront
H i e z u Beilagen II und 25 des I. Bandes sowie die Beilage 12
Bevor in der Schilderung des Krieges gegen Rußland fortgefahren
wird, ist es nötig, einen Blick auf die politisch-militärische Entwicklung
im Südosten und im Südwesten des Habsburgerreiches zu werfen, wie
sie sich seit der Jahreswende 1914/15 gestaltet hatte und vor allem zu
verfolgen, wie auch für den engeren Bereich Österreich-Ungarns der
Zwei- zu einem Dreifrontenkrieg ausartete.
Als nach der Schlacht bei Arangjelovac die öst.-ung. Balkanstreit-
kräfte hinter den schützenden Stromschranken der Drina, Save und Donau
wieder vaterländischen Boden erreicht hatten, war es vor allem das Be-
streben der Heeresleitung und des ihr wieder unterstellten Oberkomman-
dos der Balkanstreitkräfte gewesen, die stark gelichteten Streiterscharen
neu aufzufüllen, das fehlende Kriegsgerät zu ersetzen und den aufs
härteste hergenommenen Truppen die so nötige Ruhe und Erholung zu
gewähren. In operativer Hinsicht wurde dem neuen Oberbefehlshaber
gegen Serbien, dem GdK. Erzherzog Eugen, der nunmehr bei Auflösung
der 6. Armee alle Balkanstreitkräfte als 5. Armee unter seinem Kom-
mando vereinigte, die Mindestaufgabe gestellt, serbische Einbrüche in
das Gebiet der Monarchie, vor allem in der Richtung Wien oder Buda-
pest, zu verhindern.
Wenngleich die Gesamtstärke der gegen Serbien verbliebenenTruppen-
macht (mitinbegriffen die Flußsicherungen, die Festungsbesatzungen und
die mobilen Streitkräfte in Bosnien und der Herzegowina) 260 Bataillone,
33 Schwadronen und 14-0 Feldbatterien betrug, zählten die für einen An-
griff brauchbaren 160 Bataillone — alles andere war Landsturm — nur
91.000 Streiter, die erst im Laufe des Jänner nach Einreihung von Er-
sätzen auf 133.000 Gewehre gebracht werden konnten. Trotzdem waren
der Erzherzog und sein Generalstabschef, FML. Alfred Krauss, von An-
beginn gesonnen, jedem Einbruch der Serben durch Angriff zu begegnen.
Hiezu wurde die Masse der 5. Armee in die Mittelstellung nördlich der
18*
276
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
unteren Save verlegt, wo vier Korps — kombiniertes, XIII., XV., XVI.—
zwischen Alt-Pazua und Sid bereitgestellt wurden; das VIII. bezog auf
dem nördlichen Donauufer nordwestlich von Neusatz ausgedehnte Er-
holungsquartiere. Fielen die Serben unter entsprechender Sicherung ihrer
Nordgrenze nach Bosnien ein, so bestand die Absicht, ihnen mit kraft-
vollem, beiderseits der Drina nach Süden geführtem Stoße in die Flanke
zu fallen. Brach hingegen der Feind über die untere Save vor, dann
sollte ihn die Masse der 5. Armee im Stirnangriff zurückwerfen. Für den
weniger wahrscheinlichen, aber nach einer Meldung aus Rom immerhin
denkbaren Fall eines serbischen Donauüberganges war die ungesäumte
Verschiebung starker Kräfte mit Bahn und Fußmarsch nach dem Banat
vorgesehen, wofür durch Befestigungen geschützte Behelfsbrücken bei
Titel und westlich von Groß-Becskerek eingebaut wurden.
Abgesehen von diesen Abwehrmaßnahmen stand selbstverständlich
auch die Wiederaufnahme der Offensive gegen Serbien zur Erwägung.
Conrad dachte vorübergehend daran, die Balkanstreitkräfte nach der für
Ende Jänner erhofften Erreichung der vollen Kampffähigkeit wieder
zum Angriff aufzurufen. Bei Falkenhayn stand nach wie vor die Sorge
im Vordergrund, durch Öffnung des Donauweges endlich eine von Ru-
mänien unabhängige Verbindung für Materialsendungen nach der Türkei
zu gewinnen1). Hiezu genügte es nach Anschauungen Falkenhayns,
nötigenfalls den Serben, wie schon im November vorgeschlagen, den
Nordostwinkel des Landes, den Negotiner Kreis, zu entreißen. Im Gegen-
satz hiezu vertrat Conrad die grundsätzliche Auffassung, daß eine solche
Lösung bei der Rührigkeit der Serben durchaus ungenügend wäre; eine
gesicherte Landbrücke zur Türkei könne nur durch die völlige Bezwin-
gung Serbiens bei gleichzeitigem Bündnis mit Bulgarien erzielt werden.
'Ähnlich wie der k. u. k. Generalstabschef äußerten sich der deutsche Bot-
schafter in Konstantinopel, Freih. v. Wangenheim, und der in die Türkei
entsandte GFM. v. d. Goltz, die in einem Siege der Mittelmächte über die
*) Die günstige Gelegenheit, den Türken größere Mengen an Kriegsmitteln auf
dem Donauwege zuführen zu lassen, war zur Zeit der Offensive Potioreks versäumt
worden. Ein nachher, Ende Dezember, mit Unterstützung durch die Donauflottille unter-
nommener Versuch scheiterte an der Wachsamkeit der Serben. Ebenso wurde ein (bereits
nach dem ersten Ententeangriff auf die Dardanellen) in der Nacht auf den 31. März
1915 ausgesandter Donaudampfer schon 15 km südöstlich von Belgrad von serbischer
Artillerie zerschossen, so daß 40 Waggonladungen Schießbedarf im Strom versanken.
Dieses Unternehmen war mit Zustimmung Bulgariens versucht worden. Manchmal setzte
man den Transporten für die Türkei auch in Sofia Hindernisse entgegen, da man
selbst Bedarf nach Kriegsausrüstung hatte und auch gegen die Türken mißtrauisch war.
Truppenverschiebungen von der Balkanfront in die Karpathen
III
Serben aneli das einzige Mittel erblickten, den niederschmetternden Ein-
druck der Niederlage von Arangjelovac bei den neutralen Balkanstaaten
wieder zu verwischen. Unter diesen Einflüssen begann sich auch Falken-
hayn stärker mit dem Gedanken einer gemeinsamen Offensive gegen
Serbien zu befassen, die er jedenfalls dem von Conrad um die Jahres-
wende vorgeschlagenen Karpathenangriffe vorgezogen hätte. Anfangs
Jänner drang aber der öst.-ung. Generalstabschef mit der Meinung
durch, daß eine Entscheidung gegen Rußland im Augenblicke für die Ge-
samtlage doch noch erstrebenswerter sei als die ungesäumte Niederwer-
fung Serbiens. Wie schon in anderem Zusammenhange zur Sprache kam,
war damit auch das Schicksal der Balkanstreitkräfte für die nächsten
Monate entschieden. Ihnen fiel vor allem die Rolle zu, als große Kraft-
reserve dem Nordheere Division um Division in die Karpathen nachzu-
senden, selbst aber auf bedeutendere Unternehmen zu verzichten.
Die erste Anfrage aus Teschen langte schon am 6. Jänner ein, ge-
rade zur Stunde, da das Kommando der Balkanstreitkräfte neben den
Abwehrmaßnahmen gegen Serbien auch solche gegen das im Augen-
blick recht unsicher gewordene Rumänien erwog. Die eigene operative
Lage stellte sich dennoch schon damals günstiger dar, als man zuerst be-
fürchtet hatte. Zumal die Truppen des XV. und des XVI. Korps machten
bald einen erstaunlich guten Eindruck1). Zudem führten die Grenz-
flüsse Hochwasser, das einen Angriff der Serben fast ausschloß. So zö-
gerten der Erzherzog, dem der Kaiser das entscheidende Wort über-
lassen hatte, und sein Generalstabschef keinen Augenblick, die für den
Kampf gegen Rußland erbetene Truppenaushilfe beizustellen. Vom
10. Jänner an rollte das nunmehr als XIX. bezeichnete kombinierte Korps
(7. und 29. ID. sowie 40. HID.) in die Karpathen ab (S. 107).
Am 16. Jänner traf die zweite Truppenanforderung aus Teschen ein.
Die Truppenstärken der Balkanstreitkräfte waren inzwischen schon wieder
recht ansehnlich geworden. So wies das XIII. Korps nach Einstellung
des Ersatzes und der Mannschaft der aufgelösten 104. LstlBrig. mehr
als Kriegsstärke auf. Nur das VIII. litt, trotz der Auffüllung durch die
aufgelöste 6. LstTerrBrig., noch unter Ersatzschwierigkeiten. Immerhin
zählte die 5. Armee am 14. Jänner, also schon nach Abgang des XIX.Korps
und auch ohne Festungsbesatzungen, bereits 161.000 Gewehre. Ange-
sichts dessen mußte das Kommando der Balkanstreitkräfte auf Wunsch
der Heeresleitung auch das XIII. Korps (36. ID. und 42. HID.) abgeben,
1) Vgl. auch Kraus s, Die Ursachen unserer Niederlage (3. Auflage, Mühchen
1923), 170.
278
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
das vom 20. an der Armeegruppe Pflanzer-Baltin zugeführt wurde (S. 155).
Erzherzog Eugen ging zuletzt so weit, seinem Bruder, dem Armeeober-
kommandanten, am 31. Jänner aus eigenem Entschlüsse noch das VIII.Korps
anzubieten. Hocherfreut nahm Erzherzog Friedrich dieses Anbot an. Das
VIII. Korps war kurz zuvor wegen angeblicher Bedrohung des Banats
durch die Serben gegen den Raum von Groß-Becskerek verschoben
worden. Es begann mit seinen beiden Divisionen (9. ID., 21.SchD.) am
3. Februar nach Norden abzurollen (S. 137).
Die Armee des Erzherzogs Eugen zählte trotz dieser Schwächung
nun schon über 200.000 Gewehre, fast 2400 Säbel und 1161 Feldge-
schütze. Die Zahl der Bataillone erster Linie betrug allerdings nur 70.
Da überdies Rumänien nach wie vor Anlaß zu Besorgnissen bot, und
außerdem Mitte Februar Italien gegen jede neue Offensivhandlung
Österreich-Ungarns auf dem Balkan Einspruch erhob1), mußte sich nun
das Hauptquartier der Balkanstreitkräfte fast ausschließlich auf die Ver-
teidigung hinter den noch immer hochgehenden Grenzströmen einrichten.
Hiezu wurde das XV. Korps (1. und 48. ID.) auf den weiten Raum
Alt-Pazua—Ruma verteilt, indes das XVI. (18., 50. und kombinierte, jetzt
57. ID.) zwischen Sid und Brcko ausgedehnte Quartiere bezog (Beilage 12).
In Bosnien traten die 4. und die 5. GbBrig. £ur 58. ID., die 6. GbBrig.
und die 18. LstGbBrig. zur 59. ID. zusammen. Emsig wurde an der tech-
nischen Ausgestaltung der Verteidigungszone gearbeitet. Brücken über
den Bosut, die Drau und die Theiß, bei Erdut und Titel durch Brücken-
köpfe gesichert, sollten raschen Trupp en ver Schiebungen dienen. Syrmien
wurde mit einem ausgedehnten Verteidigungs system ausgestattet, damit
das XV. und das XVI. Korps nach Bedarf freigemacht werden konnten.
Auch die Stellungen an der Donau und der Drina wurden ausgestaltet,
Sarajevo zu einem großen Waffenplatz ausgebaut. Die Donauflottille, die
im Jänner nach Budapest zurückgezogen worden war, traf bei Besserung
der Wasserstandsverhältnisse wieder im Armeebereiche ein und beteiligte
sich seit 17. Februar an dem Vergeltungsfeuer, das wegen Beschießung
der offenen Städte Semlin und Mitrovica auf Belgrad gerichtet wurde.
Außer dem Streben, die Kräfteabgaben durch Verstärkung der Befesti-
gungen wettzumachen, wurden in verschiedenen Orten Südungarns auch
kleine Abteilungen deutscher Regimenter recht auffällig gezeigt, um den
Ersatz der weggeführten Korps durch deutsche vorzutäuschen. Diese
Kriegslist verfehlte ihre Wirkung nicht. Die vorzüglichen Nachrichten
über die Lage beim Feinde, die der Kundschaftsdienst trotz mannigfaltiger
*) Österreichisch-ungarisches Rotbuch (Wien 1915), 92 f.
Die Lage des serbischen und des montenegrinischen Heeres
279
Schwierigkeiten einbrachte, ermöglichten es, solche Täuschungsmittel mit
Erfolg anzuwenden.
Die serbische und die montenegrinische Armee waren, als sie zu
Weihnachten 1914 wieder ihre Landesgrenzen erreicht hatten, gleich ihrem
Gegner schwer hergenommen gewesen. Die serbische Heeresleitung hatte
sich daher nicht minder vor allem die Wiederherstellung der Kampf-
kraft und die Sicherung des Landes angelegen sein lassen. Sie war unter
dem durch das Auftreten deutscher Demonstrationstruppen verstärkten
Eindruck gestanden, daß Österreich-Ungarn ungesäumt zu einem neuen
Schlag ausholen werde. Die vier Divisionen starke 1. Serbenarmee hatte
daher im Save—Drinawinkel die Zugänge nach Valjevo zu beschirmen.
Die Verteidigung Belgrads wurde Truppen des III. Aufgebots übertragen,
denen die SumD.I als Rückhalt diente. Südlich von der Hauptstadt lagen
westlich und östlich der Bahn Belgrad—Nis die 3. und die 2. Armee, drei
und zwei Divisionen stark, die zum Teil auch am Flußsicherungsdienst
mitwirkten. Den Donauabschnitt zwischen der Morava- und der Timok-
mündung schützten zwei starke, aus Truppen III. Aufgebotes gebildete
Abteilungen, hinter denen Ende Jänner die DonD.I der 1. Armee um
Pozarevac aufmarschierte. Die zwei Divisionen starke Armeegruppe Uzice,
der auch die montenegrinische LimD. zugewiesen war, sperrte die von
Ostbosnien nach Uzice führenden Anmarschwege. Die Kavalleriedivision
hatte um Palanka Quartiere bezogen.
Vom montenegrinischen Heer, dessen Gesamtstand 52.900 Mann,
140 Geschütze und 105 MG. betrug, stand die Armeegruppe Sandzak
mit etwa 30 Bataillonen an der Drinafront zwischen dem Lim und der
Tara, das Herzegowina-Detachement mit 20 Bataillonen im Grenz-
raume östlich von Bileca und Trebinje und das Lovcen-Detachement
im Osten und Süden der Bocche di Cattaro. Das Altserbische Détache-
ment sperrte an der Südgrenze mit 20 Bataillonen die aus Albanien
kommenden Wege und sicherte die Küste. Diese Gruppierung blieb im
wesentlichen bis zum Herbst 1915 unverändert1).
Schien dergestalt alles aufs beste für die Sicherung des Landes ge-
ordnet zu ,sein, so wurde das serbische Oberkommando doch von schweren
Sorgen bedrückt. Zunächst waren es die noch unsicheren Verhältnisse
im neuerworbenen Süden des Reiches, wo das Treiben bulgarischer und
jungtürkischer Banden zu Truppenentsendungen zwang. Aber auch die
x) Großer Generalstab, Der große Krieg Serbiens ¡zur Befreiung und
Vereinigung der Serben, Kroaten und Slowenen (Belgrad 1924), VIII, 24 f., in serbi-
scher Sprache. Künftig zitiert als: Serb. Gstb.W.
280
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
Ereignisse in Albanien, wo der neue, serbenfreundliche Machthaber
Essad Pascha gegen Aufständische immer mehr in die Hinterhand geriet,
fesselten das Interesse der serbischen Regierung1). Wieder mußte die
Feldarmee Kräfte abgeben, die bereitgestellt wurden, um bei einem
Übergreifen der Aufstandsbewegung nach Serbien jene strategisch wich-
tigen Punkte an der Albanergrenze zu besetzen, die Serbien im Jahre
1913 auf Einspruch Österreich-Ungarns hatte räumen müssen.
Eine schwere Heimsuchung für Serbien war das Auftreten von Kriegs-
seuchen. Flecktyphus und Cholera forderten Zehntausende von Opfern
im Heer und in der Bevölkerung und konnten aus Mangel an ausrei-
chenden sanitären Einrichtungen nicht mit Erfolg bekämpft werden. Die
besonders verseuchte KombD. der 3. Armee verlegte man — um sie über-
haupt kampfkräftig zu erhalten — in gesündere Quartiere knapp nörd-
lich von Kragujevac 2).
Diese Krankheiten waren ein gewichtiger Grund für Serbiens mili-
tärische Untätigkeit in den ersten neun Monaten des Jahres 1915.
Eine weitere Sorge betraf den unzureichenden, von Rußland durch
Rumänien über Prahovo (an der Donau nördlich von Negotin) nach Ser-
bien geleiteten Zuschub an Kriegsmaterial3). Um dieser schweren Krise
abzuhelfen, wurde eine neue Zufuhr von Saloniki her eingeleitet. In der
Folge strebte man an, eine über Rumänien führende durchlaufende Bahn-
verbindung von Rußland zum Ägäischen Meer einzurichten, was auch
im Interesse des gleichfalls an großem Munitionsmangel leidenden Zaren-
heeres gelegen gewesen wäre. Als erster Schritt hiezu wurde bei Prahovo
ein Eisenbahntrajekt eingebaut. Zur Sicherung dieser wichtigen Trans-
portlinie verlegte das serbische Oberkommando Mitte März die KombD.
in den Timokkreis, was auf der Gegenseite den Erzherzog Eugen am
19. dieses Monats zur Verschiebung der 109. LstlBrig. nach Orsova ver-
anlaßte. Aber auch unter schwerem Mangel an Nahrungsmitteln hatte
die serbische Armee zu leiden. Dies bewog Mitte März, die Masse der
montenegrinischen LimD. aus der Armeegruppe Uzice auszuscheiden
und in den Sandzak Novipazar zu verlegen4).
1) Serb. Gstb.W., VIII, 42 f.
2) Ebenda, VIII, 61.
».) Ebenda, VIII, 51.
4) Ebenda, VIII, 78. — Auch die Westmächte waren bestrebt, zur Eröffnung einer
von Saloniki durch Serbien nach Rußland führenden Landverbindung das ihrige beizu-
tragen. Aber der Versuch, mit Hilfe von Venizelos Griechenland zum Verlassen seiner
Neutralität zu bewegen, scheiterte noch an der Widerstandskraft des Königs Konstantin.
Serbiens Sorgen, und Pläne
281
Der herannahende Frühling brachte auch die Möglichkeit größerer
Kriegshandlungen auf dem Balkan. In Übereinstimmung mit dem Russen-
ansturm in den Karpathen wußten Konfidenten von einem knapp bevor-
stehenden Angriff der Serben und Rumänen in der Richtung auf Temesvár
zu berichten1). Als anfangs April immer dichter werdende Meldungen
über serbische Ansammlungen gegenüber von Báziás einen Einbruch
ins Banat besorgen ließen, verlegte Erzherzog Eugen die 10. GbBrig. der
48. ID. nach Ung.-Weißkirchen. Auch wurden weitere auf rasche Ver-
schiebungsmöglichkeit abzielende Maßnahmen getroffen, so die Baggerung
der die Donau und die Temes verbindenden Wasserlinie, damit Pancsova
auf dem Wasserwege mit Umgehung von Belgrad erreicht werden konnte.
Die am 10. April auf 234.000 Gewehre, 350 Feld- und 852 Festungs-
geschütze angewachsene Heeresmacht der Balkanstreitkräfte befähigte
den Erzherzog wohl, jeden Angriff der etwa 210.000 Gewehre starken
Serben abzuwehren. Beim Hinzutreten Rumäniens wäre jedoch ein Ab-
wehrerfolg schon mehr als fraglich gewesen. Zum Glück bannte ein neuer-
liches Anschwellen der Grenzströme nach der Schneeschmelze die Ge-
fahr eines mit den Russen gleichzeitig erfolgenden Angriffes der Serben.
Als am 19. April das Wasser zu sinken begann, war der Russenansturm
in der Osterschlacht zusammengebrochen. Die serbische Armee verharrte
nun mit Rücksicht auf ihre Notlage auch weiterhin in Untätigkeit, ob-
wohl der Großfürst Nikolai Nikola je witsch am 20. April den serbischen
Thronfolger Alexander zur Offensive aufforderte und ihm vorhielt, die
Verschiebung starker öst.-ung. Kräfte (Vili., XIII. und XIX. Korps) von
der Balkan- an die Karpathenfront nicht verhindert zu haben2).
Italiens Abfall vom Dreibunde
H i e z u Beilage 13 sowie Skizze 25
Wenn über die Art der „Kompensationen", die Italien von Österreich-
Ungarn begehrte, noch ein Zweifel bestanden hätte (S.7), so wäre er
durch die amtlichen Mitteilungen zerstreut worden, die die italienische
Regierung am 11. Jänner 1915 nach Wien gelangen ließ. Italien lehnte es
ab, sich im Sinne des Artikels VII des Dreibundvertrages mit Gebiets-
entschädigungen auf dem Balkan zu begnügen, deren Zusicherung übri-
gens bei der augenblicklichen Kriegslage wertlos war, sondern forderte
1) Diese Konfidentennachrichten waren richtig. Die Serben planten jedoch, nur
für den Fall offensiv zu werden, als die Rumänen mitgingen.
2) Serb. Gstb.W., VIII, 102ff.
282
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
unbekümmert um den Kriegsfortgang altösterreichischen. Boden: „Triest
und Trient", wie es aus allen Kundgebungen der mächtig emporschwellen-
den Irredenta hervorklang1). Die durch diese Eröffnungen auf dem
Wiener Ballhausplatz brennend gewordene Frage, ob man sofort in Ver-
handlungen über die Wünsche Italiens eintreten sollte, führte Mitte Jänner
zum Rücktritt des Grafen Berchtold, dessen Nachfolger Baron Burián
gemäß den Wünschen Tissas konkrete Verhandlungen so lange hinaus-
zuziehen hoffte, bis eine Wendung der Kriegslage die Begehrlichkeit der
Italiener herabzumindern vermochte2).
Der Karpathenangriff brachte aber diese auch vom AOK. erhoffte
Wendung nicht. Gleichzeitig begann Deutschland einen heftigen Druck
auf Österreich-Ungarn auszuüben, um es den italienischen Wünschen
gefügiger zu machen. Man hatte in der Wilhelmstraße seit Kriegsbeginn
die Überzeugung, daß es ohne ausreichendes Entgegenkommen nicht
abgehen werde und gab sich dabei noch bis ins Frühjahr 1915 hinein
der optimistischen Hoffnung hin, sich schon durch die Abtretung des
Trentino oder sogar eines noch schmäleren Grenzstreifens mindestens die
wohlwollende Neutralität Italiens sichern zu können. Fürst Bülow, zu
Weihnachten wegen seiner engen Beziehungen zu den maßgebenden ita-
lienischen Kreisen zum „außerordentlichen Botschafter" in Rom ernannt,
bestärkte die Reichsregierung in dieser Zuversicht; der Nachdruck, mit
dem er für Zugeständnisse des Habsburgerreiches an Italien eintrat und
die Offenheit, die er dabei auch gegenüber den Italienern an den, Tag
legte, verstimmten in Wien alsbald außerordentlich stark.
Das Verhalten der Reichsleitung fand durchaus den Beifall Falken-
hayns, der sich bei seinen immer wieder auftauchenden Bestrebungen,
über Serbien den Weg nach Konstantinopel zu öffnen, durch den öster-
reichisch-italienischen Gegensatz auch in seiner Handlungsfreiheit auf
dem Balkan schwer beengt fühlte. Hatte doch Mitte Februar Italien die
öst.-ung. Regierung sogar wissen lassen, daß es bei einer Wiederauf-
nahme der Angriffe Östereich-Ungarns gegen Serbien für die weitere
Entwicklung jedwede Verantwortung ablehnen müßte! Dazu mußte eine
Rückwirkung des österreichisch-italienischen Konfliktes auf die Haltung
des Königreiches Rumänien befürchtet werden. Noch im Jänner 1915
hatte Falkenhayn den italienischen Militârattaché in Berlin, Obstlt. Bon-
giovanni, ausdrücklich wissen lassen, daß er auf die Abtretung öster-
!) Österreichisch-ungarisches Rotbuch 1915, 77ff.; Burián, Drei Jahre aus der
Zeit meiner Amtsführung im Kriege (Berlin 1923), 26.
2) Musulin, 254f.; Ti s za, Briefe, 150ff.
Italiens Gebietsforderungen
283
reiehischen Gebietes an Italien hinarbeiten wolle1). Er ließ denn auch in
weiterer Folge keine Gelegenheit vorübergehen, im Sinne seiner An-
schauungen auf seinen öst.-ung. Kollegen einzuwirken. Dabei verfehlte
er nicht, den Bundesgenossen damit zu trösten, daß es bei einem glück-
lichen Kriegsausgang sehr wohl möglich sein werde, den Italienern ihre
Beute wieder abzujagen. Auf Conrad machten auch solche Trostworte
keinen Eindruck. Erbittert ließ er sich vernehmen, ein Friede durch Land-
verzicht sei, wenn man ihn unbedingt wünsche, durch die Abtretung Elsaß-
Lothringens viel vollständiger zu erreichen.
So drangen denn bei den Besprechungen, die kurz darauf, am
20. Februar, in Teschen stattfanden, Bethmann-Hollweg und Falken-
hayn auf Burián und Conrad schon sehr heftig ein, und am 9. März
mußte sich Burián — ermächtigt durch einen am Tag zuvor abgehaltenen
Kronrat2) — herbeilassen, den Italienern als Preis für ihre Freund-
schaft das Trentino anzutragen. Sonnino stellte am 10. April diesem An-
bot ein schweres Bündel von Forderungen entgegen: der Bundesgenosse
sollte nicht nur Trient, sondern auch Bozen, Görz und Gradisca sowie
die wichtigsten Adriainseln an Italien abtreten, Triest mit erweitertem
Gebiet zu einem unabhängigen Freistaat umwandeln, das Recht Ita-
liens auf Valona und Saseno anerkennen und sich an Albanien desinter-
essiert erklären3). Nunmehr strebten, darüber konnte kein Zweifel sein,
die Dinge der Entscheidung zu.
In der Tat hatten die Italiener am 9. März den Ententemächten in
London eine Denkschrift mit den Forderungen vorgelegt, von deren Er-
füllung sie den Eintritt in den Krieg gegen Österreich-Ungarn abhängig
machten4). Die Gewinnung des neuen Kampfgenossen wurde vor allem
von England und dann auch von der russischen Heeresleitung betrieben,
indes die politischen Kreise von Petersburg die italienischen Wünsche
nach Landbesitz an der Ostküste der Adria im Hinblick auf die Serben
nur mit großem Mißbehagen zur Kenntnis nahmen. Erst ein Schreiben des
Präsidenten der französischen Republik Poincaré an den Zaren überwand
die Schwierigkeiten. Am 26. April wurde der Londoner Vertrag zwischen
1) R e y m a n n, Biographie Falkenhayns im Deutschen biographischen Jahrbuch,
IV (Berlin 1929), 56 ff.
2) In diesem Kronrat hatte der Kaiser im Einverständnis mit seinem Außen-
minister ausdrücklich verfügt, daß nur eine Gebietsabtretung in Welschtirol in Frage
kommen könne.
3) Österreichisch-ungarisches Rotbuch 1915, 128 ff.
á) G 1 a i s e - H o r s t e n a u, Die Katastrophe — Die Zertrümmerung Österreich-
Ungarns und das Werden der Nachfolgestaaten (Wien 1929), 42 ff.
284
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
Italien und den Ententemächten unterzeichnet. Darnach sollte der neue
Bundesgenosse binnen Monatsfrist in den Kampf gegen die Mittelmächte
eintreten, wofür ihm bei entsprechendem Kriegsausgange Südtirol bis
zum Brenner, Triest, Görz und Gradisca, Istrien bis zum Quarnero mit
Einschluß von Volosca, Nord- und Mitteldalmatien samt Trebinje und
den wichtigeren Adriainseln, außerdem Valona und Saseno und ein ge-
bührender Anteil an einer etwaigen kleinasiatischen oder nordafrikani-
schen Kriegsbeute zugesichert wurden. Der Papst durfte keinen mit dem
Krieg oder dem Friedensschluß zusammenhängenden Verhandlungen bei-
gezogen werden. Italien sollte zu entsprechender Frist dem von den drei
Ententegroßmächten am 4. September 1914 gegen einen Sonderfrieden
geschlossenen Vertrag beitreten.
Italiens Rüstungen und Kriegs-pläne
Das Hinausziehen der Verhandlungen in Wien und London war den
Italienern aus militärischen Gründen gar nicht unangenehm gewesen. Bot
es ihnen doch die Möglichkeit, die um die Jahreswende noch wenig fort-
geschrittene Rüstung weiter zu vervollkommnen.
Als Ende Juli 1914 die Fackel des europäischen Krieges lichterloh
aufgeflammt war, hatte auch in den italienischen Generalstabsbureaus
emsigste Tätigkeit geherrscht. Eben erst, am 27. des genannten Monats,
hatte der seit vier Wochen durch das plötzliche Hinscheiden des Gen. Pollio
verwaiste Generalstab in der Person des Conte Luigi Cadorna einen neuen
Chef erhalten. Wenngleich lange nicht so dreibundfreundlich wie seine
Vorgänger Saletta und Pollio, war er doch bestrebt, die durch den lybi-
schen Krieg in Mitleidenschaft gezogenen Kriegsvorbereitungen im Geiste
einer Erfüllung der 1913 wieder übernommenen militärischen Dreibund-
pflichten zu überprüfen. Diese Pflichten bestanden in der Beistellung einer
gegen Frankreich bestimmten Vogesenarmee von drei Armeekorps und
zwei Kavallerie divisionen (Bd. I, S. 3) sowie in einer einheitlichen Verwen-
dung der öst.-ung. und der italienischen Kriegsflotte unter dem gemein-
samen Oberbefehl des öst.-ung. Admirals1). Cadorna schlug dem König
sogar vor, die für den Anschluß an die deutschen Armeen bestimmten
Heereskörper noch um weitere Korps zu verstärken2). Bezeichnender-
*) Kriegsarchiv (Marinearchiv), Österreich-Ungarns Seekrieg 1914—1918
(Wien 1929/31), 43 f.
2) Cadorna, Altre pagine sulla grande guerra (Mailand 1926), 15 ff. Siehe
auch Gatti, L'ultimo atto militare italiano della triplice allianza (Rassegna italiana,
Rom, Dezember-Heft 1923), 764 ff.
Cadornas Kriegspläne
285
weise hielt der General am 2. August die Zustimmung seines Königs in
Händen. Doch schon am Vorabend hatte der Ministerrat das Verharren
in der Neutralität beschlossen, und wie der König die Aufforderung des
Kaisers Franz Joseph, Waffenhilfe zu leisten, mit dem Hinweis auf diesen
Ministerbeschluß ablehnte, so hatte Cadorna das gleiche auf die tele-
graphische Einladung Conrads zu gemeinsamen Besprechungen der Gene-
ralstäbe zu tun, wobei der italienische Generalstabschef die Bemerkung
beifügte: „Wenn Österreich-Ungarn Lovcen nicht besetzt und Gleich-
gewicht in der Adria nicht stört, wird Italien niemals gegen Österreich-
Ungarn vorgehen1)." Gen. Cadorna sollte nicht in die Lage kommen,
dieses Wort zu halten.
Frankreich dankte der lateinischen Schwester ihren Entschluß jeden-
falls aus brennendem Herzen, konnte es doch alsbald in den Nöten des
ersten Feldzuges seine Alpengrenze ganz entblößen. Deutschland hin-
gegen mußte die ausfallende italienische Vogesenarmee auf Kosten seines
Ostheeres durch eigene Kräfte ersetzen, womit sich Italien zugleich auch
Anspruch auf den Dank Rußlands erwarb2).
Entsprechend diesen ersten, den späteren Verbündeten geleisteten
Diensten begann der italienische Generalstab auch sofort, den Front-
wechsel der Armee vorzubereiten. Noch am 2. August wurde eine „leichte"
Mobilmachung angeordnet, indem man zweieinhalb Reservejahrgänge
einberief3). Gleichzeitig schickte sich Cadorna an, eine Studie über eine
Offensive gegen Österreich-Ungarn zu entwerfen. Eine solche sei, betont
er in seinen Denkwürdigkeiten, nicht vorhanden gewesen, da sich Italien
bisher für einen Angriff auf das Habsburgerreich zu schwach gefühlt und
daher nur Vorbereitungen für eine Abwehr getroffen habe 4). Diese Ab-
wehr war so gedacht gewesen, daß der größere Teil des Heeres (zwei
Armeen mit 14 Infanterie- und 4 Kavallerie di visionen) am Piave zwi-
schen Vittorio Veneto und dem Meere aufzumarschieren hatte, indes
zwei weitere Armeen, 12 Divisionen stark, an der Gebirgsgrenze zwischen
dem Stilfser Joch und dem Monte Peralba und 6 Divisionen als Heeres-
reserve bei Mantua und Padua versammelt werden sollten. 3 Divisionen
hätten zum Schutze Süditaliens und Roms zurückzubleiben gehabt5).
1) Conrad, IV, 176.
2) Reichsarchiv, I, 181 f.
3) Ministero della guerra, L'esercito italiano nella grande guerra
(1915—1918) — weiterhin als „Ital. Gstb.W." zitiert — (Rom 1927), I, Beilagenheft, 69.
4) Cadorna, La guerra alla fronte italiana (Mailand 1921), I, 24f. und 134;
vgl. auch Ital. Gstb.W., II, Text, Iff., und Skizzen 1 bis 5.
5) Ital. Gstb.W., I, Text, 154f.
286
Vom Zwei- 211m Dreifrontenkrieg
Jetzt vor eine offensive Aufgabe gestellt, glaubte Gen. Cadorna in
Anbetracht der geringen Stärke des Heeres — 14 Korpskmdos. mit 25
Infanterie- und 4 Kavalleriedivisionen erster Linie und 10 Mobilmiliz-
divisionen — sich zunächst nur einem der beiden Operationsziele, Süd-
tirol mit Trient oder Küstenland mit Triest, zuwenden zu können. Da ein
Angriff gegen Südtirol wegen der österreichischen Sperrwerke und der
Festung Trient, zu deren rascher Niederkämpfung die italienische Be-
lagerungsartillerie zu schwach war, keinen Erfolg zu verheißen schien,
entschied er sich für die Offensive über den Isonzo. Bei dieser Opera-
tionsrichtung winkte nicht nur die Besitznahme des wertvolleren der beiden
ersehnten Ziele, sondern auch die Möglichkeit eines Zusammenwirkens
mit der serbischen Armee, dessen man bei dem entlegenen Vorstoß auf
Trient hätte entrateli müssen. Allerdings konnte die italienische Vor-
rückung gegen Triest und Laibach durch einen österreichischen Vorstoß
aus Tirol in der linken Flanke gefährdet werden. Doch Cadorna fühlte
sich stark genug, um den Hauptangriff nach dem Gebirge hin verläß-
lich zu sichern. Zu diesem Zwecke sollten — wie für eine reine Abwehr —
zwei Armeen (12 Infanteriedivisionen stark), gestützt auf die Grenz-
befestigungen, Tirol von Westen, Süden und Osten umklammern. Der
östlichen dieser beiden Armeen war überdies ein Angriff aus dem Cadore
auf Toblach zugedacht, von wo sie, im Drau- und Gailtal vorrückend,
der verhältnismäßig schwachen Kraftgruppe, die an der Kärntner Grenze
aufmarschierte (2 Divisionen und Gebirgstruppen), den Einbruch in die
Becken von Tarvis und Villach erleichtern sollte. Die gleichfalls in zwei
Armeen gegliederte Masse des Heeres (14 Infanteriedivisionen und die
Heeresreiterei) wollte Cadorna aus ihrem Versammlungsraum beider-
seits des Tagliamento zum Stoß zwischen den Julischen Alpen und dem
Meere ansetzen, wobei ihr die Karnische Gruppe, von Tarvis durch das
Tal der Wurzner Save herabsteigend, die Hand zu reichen hatte. Starke
Heeresreserven, die als Verstärkung der Hauptangriffsgruppe gedacht
waren, wenn sie nicht zur Abwehr eines österreichischen Vorstoßes aus
Tirol gebraucht wurden, plante Cadorna bei Verona und Padua bereit-
zustellen. Das nächste Ziel der Hauptstoßgruppe war das Becken von
Laibach, von wo sie je nach der strategischen Lage die Draustrecke
Klagenfurt—Völkermarkt zu erreichen oder weiter talab bei Marburg
und Warasdin die Tore Ungarns zu sprengen hatte. Eine Bedrohung
Süditaliens sowie einen österreichischen, bei Verletzung der Schweizer
Neutralität auf Mailand gerichteten Angriff glaubte man berechtigterweise
nicht mehr besorgen zu müssen.
Die militärischen Rüstungen Italiens
287
Diese am 1. September 1914 festgelegten Richtlinien behielten auch
für die tatsächliche Durchführung der Operationen ihre Geltung1).
Während Gen. Cadorna seinen Offensivplan in allen Einzelheiten
durcharbeitete, erlangte er am 24. September volle Kenntnis von der
verzweifelten Bekleidungslage des Heeres, die der lybische Krieg verur-
sacht hatte. Auch der Mangel an großkalibrigem Geschütz, an Maschinen-
gewehren und an Lastkraftwagen sowie der unerfreuliche disziplinare
Zustand vieler Regimenter ließen es ihm unmöglich erscheinen, das Heer
bei herannahendem Winter ins Feld zu führen. So legte er sich gemein-
sam mit dem Kriegsminister ein Sanierungs- und Ausbauprogramm zu-
recht, dessen Dauer er mit 51/2 Monaten bemaß.
In den Monaten der Sachaufrüstimg des italienischen Heeres wähnte
sich sein Generalstabschef dauernd dadurch beunruhigt, daß Österreich-
Ungarns Heer schon mobilisiert war und daß es mit der russischen und
der serbischen Front entnommenen Truppen plötzlich über das noch nicht
kriegsbereite Italien herzufallen vermöchte. Selbst die zuweilen äußerst
gespannte Lage der k. u. k. Streitkräfte auf diesen beiden Kriegsschau-
plätzen, die Cadorna doch bekannt gewesen sein mußte, konnte dieses
Schreckensgespenst nicht aus seinem Arbeitszimmer bannen. Um nun sein
Vaterland gegen einen Überfall aus Tirol oder aus dem Küstenlande zu
schützen, richtete er gleich zu Beginn des Weltkrieges nahe der öster-
reichischen Grenze eine „vorgeschobene Besetzung" (occupazione avan-
zata) ein, in die Gebirgsformationen, darunter auch solche, die bisher an
der französischen Grenze gestanden waren, und Truppen der zunächst
gelegenen Garnisonen verlegt wurden. Ende August wurden diese Grenz-
sicherungen im Friaul verstärkt, und um die Monatswende Oktober-
November die Grenzbefestigungen bei weiterem Reservistenaufgebot mit
Be Satzungen versehen2 ).
Eine zweite Maßnahme betraf die Verbesserung der Mobilmachung
und des Aufmarsches. Bisher hätten sich diese beiden Vorgänge, für
deren Durchführungsdauer ein Monat vorgesehen war, in enger Wechsel-
wirkung abzuspielen gehabt, wobei die Truppenkörper wegen der zum
Teil exterritorialen Ergänzung erst im Versammlungsraum ihre Schlag-
fertigkeit erlangen sollten. Nach dem neuen Mobilisierungsverfahren, das
am 1. März 1915 in Kraft trat und die möglichste Geheimhaltung der
Mobilmachung bei Beschleunigung des darauf folgenden Aufmarsches zum
Ziele hatte, sollten die Regimenter grundsätzlich in den Garnisonsorten
1) Cadorna, La guerra, I, 95 f£.; Ital. Gstb.W., I, Beilagenheft, Beilage 50.
2) Ital. Gstb. W., I, Text, 156.
288
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
den Kriegsstand annehmen, die Bildung der höheren Einheiten hatte hin-
gegen erst im Aufmarschraum zu erfolgen. Durch die möglichst geheime
Mobilisierung sollte der Diplomatie die Freiheit des Handelns gewahrt
bleiben und eine unerwünschte vorzeitige Kriegserklärung des Gegners
hintangehalten werden. Erst zu politisch günstiger Zeit sollte der Auf-
marsch in drei großen Transport staff ein (zuerst sechs Korps und die
Heeresreiterei, dann zweimal je vier Korps) erfolgen, wobei als Voraus-
setzung für das Gelingen der Heeresversammlung ein wirksamer Schutz
durch die nötigenfalls zu verstärkende „vorgeschobene Besetzung" an-
gesehen wurde1).
Um die Jahreswende 1914/15 kam ein frischerer Zug in Italiens
Handeln. Der Besetzung der Insel Saseno folgte trotz des Einspruches
Cadornas am 25. Dezember die Landung italienischer Truppen in Valona
{S. 7) 2). Am 4. Jänner wurde die Bildung der im Frieden nicht aufge-
stellten Mobilmilizregimenter (2. Linie) angeordnet.
Entsprechend dem Verlaufe der weiteren diplomatischen Verhand-
lungen machte auch die Aufrüstung des italienischen Heeres weitere Fort-
schritte. Anfang März wurde die in Aussicht genommene Verstärkung der
„vorgeschobenen Besetzung" verfügt, die Mitte April einen Stand von
142.000 Mann erreichte3). Drei Tage vor dem Abschluß des Londoner
Vertrages begann endlich auch die „geheime Mobilmachung", indem die
nun acht Korps umfassende erste Heeresstaffel auf vollen Kriegsfuß ge-
setzt wurde. Zugleich mit der politischen Entscheidung waren so auch
militärisch die Würfel gegen den früheren Bundesgenossen gefallen.
Ö st er re ich-Ungarn s Ab wehr maßnahmen gegen Italien
Ehe das k. u. k. AOK. Mitte August 1914 Wien verließ, leitete es
noch Maßnahmen zur Abwehr eines von dem schon höchst unverläßlichen
italienischen Verbündeten etwa versuchten Angriffes ein. Gdl. Conrad,
seit jeher von größtem Mißtrauen gegen Italien erfüllt, urteilte damals,
daß „es ganz im Geiste italienischer Mentalität" läge, „jetzt, da Öster-
reich-Ungarn im Nordosten und auf dem Balkan schwer bedroht war, den
bisherigen, klug getäuschten Bundesgenossen skrupellos von rückwärts
anzufallen" *). Deshalb beauftragte der Armeeoberkommandant Erz-
1) Ital. Gstb.W., I, Text, 157f.
2) Vgl. auch Kiszling, Italiens Neutralität und geheime Aufrüstung zum Kriege
(Berliner Monatshefte, Jahrgang 1929, 1101 ff.).
3) Ital. Gstb.W., I, Text, 161.
±) Conrad, IV, 377.
Die erste Grenzsicheriing gegen Italien
289
herzog Friedrich am 13. August den GdK. Franz Rohr, „die Reichsver-
teidigung an unserer Südwestgrenze unter den jetzt gegebenen Verhält-
nissen zu studieren, vorzubereiten und der jeweiligen Lage entsprechend
zu organisieren"1). Infolge der „durch die allgemeine Lage gegebenen
Unmöglichkeit, gegen eventuelle Feindseligkeiten Italiens ausreichende
Streitkräfte zu verwenden", sah sich die Heeresleitung zwei Tage später
auch veranlaßt, den Ausbau der projektierten Donaubrückenköpfe Krems,
Tulln, Wien, Preßburg, Komorn und Budapest zu beantragen, welchem
Vorschlag Kaiser Franz Joseph am 22. zustimmte2).
Nach den bis Mitte August einlaufenden Nachrichten war es nicht
ausgeschlossen, daß sich für die Italiener aus dem Einfalle irregulärer
Freischaren (Garibaldianer) oder aus irredentistischen Unruhen auf öster-
reichischem Boden der Vorwand zu einem Eingreifen gegen die Donau-
monarchie ergeben könnte. Solche Möglichkeiten hatte das Gruppenkmdo.
GdK. Rohr, das am 16. August in Wien aufgestellt wurde, tatkräftig zu
durchkreuzen. Kam es zum Kriege gegen Italien, dann sollte Rohr den
vordringenden Feind in Tirol und auf dem Marsche vom Tagliamento
gegen Wien so lange aufhalten, bis von den anderen Kriegsschauplätzen
entsprechende Kräfte herangeholt waren.
Zur Erfüllung dieser Aufgabe wurde dem GdK. Rohr eine sehr bunte
und unorganisierte Truppenmacht unterstellt. Er konnte fürs erste über
alle von der Feldarmee zurückgelassenen militärischen Verbände ver-
fügen, als da waren: Marschbataillone, Ersatzkörper, Eisenbahnsiche-
rungen, Küstenschutz- und Grenzfinanzwachabteilungen, Gendarmerie-
posten mit Landsturmassistenzen, Marinesignalstations- und Kabelwachen.
Dazu kamen noch die nichteingereihten Landsturmpflichtigen, in Tirol
und Vorarlberg überdies die Standschützen, von denen noch die Rede
sein wird. Den Kern für die Verteidigung der Südtiroler Bastion sollte
das als „Sicherheitsbesatzung für den Kriegsfall R" vorgesehene Tiroler
LstlR.I bilden; im Küstenlande hatten diese Rolle das Laibacher LstlR. 27
und 5 Grenzschutzkompagnien zu übernehmen. Anfangs September wurde
die in fünf Unterabschnitte geteilte Südtiroler Grenze durch 17 Bataillone,
1V4 Schwadronen und 12 Geschütze mobiler, milizartiger Neuaufstel-
lungen gedeckt, deren Führer der Militärkommandant von Innsbruck,
FML. v. Koennen-Horák, war. In Kärnten und im Küstenlande standen
zur selben Zeit unter dem Befehle des Grazer Militärkommandanten,
FML. v. Mattanovich, 23y4 Bataillone, IV2 Schwadronen und 8 Geschütze
1) Conrad, IV, 378 f.
2) Ebenda, IV, 399, 477.
II 19
290
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
gleicher Art. Ihnen war im Bereiche der genannten Militärbezirke noch
die infanteristische, artilleristische und technische Widerstandskraft der
Grenzbefestigungen zuzuzählen, die aber nur die für den Kriegsfall R
vorgesehene, beschränkte Ausrüstung und Besatzung erhalten hatten. Der
Hauptkriegshafen Pola, der die 112. LstlBrig. und das SchR. 5 als Be-
satzung hatte, unterstand direkt der Heeresleitung. Besonderer Kraftzu-
wachs winkte der Gruppe GdK. Rohr im Ernstfalle dadurch, daß sie mit
zahlreichen Marsch- und Landsturmbataillonen der Militärbereiche Wien,
Prag und Leitmeritz, bald auch noch mit einer Honvédmarschbrigade
rechnen durfte, die ihr die Heeresleitung in der Stunde der Not zur Ver-
fügung zu stellen gedachte. Der Gruppenbefehlshaber hätte bei einem
solchen Aufgebot über die ansehnliche Truppenmacht von etwa 200
Bataillonen verfügt. Zudem wäre man nicht fehlgegangen, wenn Kaiser
und Heeresleitung sich bei einem Einbrüche der Italiener an die bewährte
Treue der deutschen sowie auch der slowenischen und der kroatischen
Bevölkerung der bedrohten Länder gehalten und sie zur Mitwirkung an
der Verteidigung aufgerufen hätten.
Da diese zusammengewürfelten Truppen trotz ihrer Zahl nur be-
grenzte Verwendungsfähigkeit aufgewiesen hätten, konnten ihnen im all-
gemeinen nur defensive Aufgaben zugedacht werden. Demgemäß war
der Entschluß beschaffen gewesen, den der Gruppenbefehlshaber am
18. August gefaßt hatte. Er gedachte, gegenüber einem Angriff der
Italiener das Land Tirol, gestützt auf die Befestigungen und das Volks-
aufgebot, bis zum äußersten zu halten, die von Villach durch das obere
Murtal zum Semmering führende Vormarschlinie unter Ausnützung der Be-
festigungen von, Malborghet, Predil und Flitsch zu sperren und östlich von
der Linie Görz—Triest dem Feind den Eintritt in das Karstgebirge zu
verwehren. An einen Entscheidungskampf gegen die letztgenannte, wohl
stärkste Heeresmasse der Italiener war freilich erst an der Save zu
denken und auch hier nur dann, wenn inzwischen ausreichende Verstär-
kungen eingelangt waren.
Übrigens sah sich GdK. Rohr bald genötigt, mit einer erheblich ge-
ringeren Truppenmacht zu rechnen, als sie ihm in den ersten Kriegs-
wochen in Aussicht gestellt war. Als der 20. September, der Gedenk-
tag der Einnahme von Rom (1870), der als besonderer Lostag für einen
Vorstoß der Italiener galt, ereignislos vorübergegangen war, wurde nicht
nur aus allen oben genannten Militärbereichen Marschbataillon auf Marsch-
bataillon zu den Feldarmeen geholt, sondern auch die verschiedenen Land-
sturmverbände folgten ihnen nach und fanden in den werdenden Donau-
Truppenabgaben der Gruppe GdK. Rohr
291
brückenköpfen Verwendung. Auch in der Folge durfte das Gruppenkmdo.
Rohr mit den in den Militärbereichen Innsbruck und Graz eben befind-
lichen Marschbataillonen nur als mit einem höchst unsicheren und vor-
übergehenden Besitzstand rechnen.
Aber es blieb nicht bei der Abberufung der Marschbataillone allein.
Schon am 25. September war das krainerische LstlR. 27 von der Heeres-
leitung nach Bosnien geholt worden. Als der Feind Sarajevo bedrohte,
folgte am 10. Oktober auch die aus den besten Truppen (darunter das
Tiroler LstlR.I und die Grenzschutzkompagnien) gebildete Brigade Obst.
v.Wieden in der Stärke von 8V2 Bataillonen, li/4 Schwadronen und
3 Feldbatterien sowie 18 aus alten Feldgeschützen zusammengesetzten
immobilen Batterien. Anfangs Dezember wurden die 2. LstMaBrig. mit
6 Bataillonen, ferner 21 Ersatzabteilungen und einige eben erst neu auf-
gestellte Batterien in die Karpathen abbefördert. Die anfangs Oktober
der Gruppe Rohr zugewiesene 5. LstTerrBrig. aus Znaim stellte gegen-
über diesen Einbußen keinen vollwertigen Ersatz dar.
Die Heeresleitung unterschätzte denn auch die Schwierigkeiten nicht,
die der Führung der Gruppe Rohr aus diesem ständigen Wechsel der
Stärke erwuchs. Noch am 20. September hatte sie die Aufgabe der Gruppe
dahin eingeschränkt, daß nur mehr ein Einfall von Freischaren an der
Grenze abzuweisen war, indes der Einbruch regulärer italienischer Kräfte
bloß in der Linie der aufs äußerste zu verteidigenden Befestigungen
aufgehalten werden sollte. Ende September nahm GdK. Rohr seine mo-
bilen Abwehrtruppen in weitere Winterquartiere zurück; auch die Ver-
teidigung der Südspitze der Tiroler Bastion wurde aus der Linie der
Etsch-Arsasperren in die Front Riva—Rovereto—Folgaria rückverlegt.
Diese Umgruppierungen waren erlaubt, da auch die Italiener ihre Grenz-
truppen rückverlegt und teilweise sogar deren Stände vermindert hatten.
Das Gruppenkmdo. GdK. Rohr war eifrig bestrebt, mit emsiger
Unterstützung durch die beiden Militärkmdos. die allzü empfindlichen
Lücken durch Neuaufstellungen aufzufüllen, wobei es allerdings auch
weiterhin vor der Begehrlichkeit der Feldarmeen keineswegs sicher war.
Es zog Landsturmersatzkompagnien und Eisenbahnsicherungsabteilungen
zu Landsturmbataillonen zusammen, bildete bei den Kavallerie-, Artillerie-
und Sappeurersatzkörpern Marschzüge, stellte aus den in den Befesti-
gungen halbwegs entbehrlichen Geschützen neue Batterien auf. Ein be-
sonderes Plus in der Rüstung der Gruppe bildete im März die Auf-
stellung der Reservebataillone der IR. 29 und 37, die aus den nach Tirol
entsandten Militärarbeiterabteilungen der gleichbenummerten Hee re sregi-
19*
292
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
menter entstanden und trotz der Herkunft der Mannschaft aus der un-
garischen Ebene sogar in den Gletscherstellungen Westtirols wertvolle
Dienste leisten sollten.
Neben den wehrgesetzlich begründeten Neuformationen wurden auch
Freiwilligenverbände ins Leben gerufen, zu deren Schaffung die öster-
reichischen Alpenlande seit je den besten Boden abgaben. Kärnten schritt
an Opfermut mit seinen vier Regimentern (10.000 Mann.) an der Spitze;
die politischen Behörden nahmen sich des Aufgebotes, das auch schon im
Grenzdienste verwendet wurde, mit besonderem Eifer an. Die Salzburger
stellten 6 Bataillone, die Oberösterreicher 4, junges Blut von 17, 18 und
19 Jahren, das älteren Kämpen an Todesmut nichts nachgab. Auch ein
Triestiner Jungschützenbataillon trat in den Dienst des Vaterlandes. Weni-
ger zahlreich war das Aufgebot in der Steiermark, am schlechtesten in
Krain, da sich die Heeresleitung nicht zu entschließen vermochte, den
Freiwilligen die slowenische Kommandosprache zuzubilligen. Ende April
zählte die Gruppe des GdK. Rohr insgesamt 25.600 freiwillige Schützen,
von denen allerdings nur ein Viertel als Kampftruppe verwendbar war.
Wie schon angedeutet, griff man in Tirol und Vorarlberg auf das
historische Institut des Standschützenwesens, das seine Wurzeln im XVI.
und XVII. Jahrhundert hatte. „Auf einem ganz allgemein gehaltenen Ge-
setz von 1913 fußend, das die Tiroler Schießstände' als landsturmpflich-
tige Körperschaften erklärte, wurden nunmehr alle Tiroler und Vorarl-
berger Standschützen zuerst in Züge, dann in Kompagnien und Bataillone
zusammengefaßt, mit Waffen, Munition und Trains, im letzten Augen-
blicke sogar auch mit Soldatenuniformen versehen und auf diese Weise
aus ihnen eine Art Bauernmiliz gemacht. Unsäglich waren die Schwierig-
keiten, die sich diesem Werke entgegenstellten. Jedes Gewehr, jede
Patrone, jedes Uniformstück mußten buchstäblich erbettelt oder mit
List aus irgend einem Hinterlanddepot ergattert werden... Auch vor
den ,Standschützen', diesem Letzten, was die Tiroler Heimaterde her-
zugeben hatte, machte die begehrliche Hand der Heeresleitung nicht
Halt. Zwar konnten die Standschützenformationen nicht ohne weiteres
auf ferne Kriegsschauplätze gefahren werden, davor schützte sie das Ge-
setz1). Dafür aber wurde aus ihnen den Winter und das Frühjahr 1915
über der letzte auch nur halbwegs wehrfähige Mann herausgepreßt. Der
kritische Mai 1915 fand daher Tirol bis zum Weißbluten ausgesogen und
!) Auch die Entsendung des Tiroler LstIR. I nach Bosnien wurde von den auto-
nomen Behörden des Landes als nicht gesetzmäßig betrachtet. Daher der Widerstand, den
sie teilweise der Verwandlung der „Schießstände" in eine Volksmiliz entgegensetzten.
Standschützen und Freiwillige
293
buchstäblich jedes wehrhaften Mannes bar. Das Letzte aber, was das
arme Land an Männlichkeit noch hatte, Greise und Kinder, Untaugliche
und Invalide, harrte, in 44 Bataillone und 23 selbständige Kompagnien
formiert, in seinen heimatlichen Behausungen auf den Ruf des Kaisers1)."
Bei der Eigenart ihrer Geschichte ist es nicht zu wundern, daß die
Gruppe des GdK. Rohr in den zehn Monaten ihres Bestandes außer-
ordentlich wechselnde Truppenstärken aufwies. Die feldbereiten Marsch-
bataillone der Militärbe reiche Graz und Innsbruck und die Re ser ve-
bataillone mitgerechnet zählte sie
am 3. September 1914 30y2 Bataillone, 20 Geschütze
„ 20. September 1914 S31/2 „ 22 „
„ 31. Oktober 1914 361/2 „ 40 „
„ 31. Dezember 1914 29V2 „ 70 „
„ 28. Februar 1915 35 „ 90 „
„ 30. April 1915 36 „ 96
Mit der Mannschaftsgestellung allein war es selbstverständlich nicht
getan. Schon die Schilderung der Tiroler Verhältnisse hat gezeigt, daß
die Beschaffung von Bewaffnung, Bekleidung und Ausrüstung kaum we-
niger Kopfzerbrechen bereitete. In den ruhigen Wintermonaten bemühte
sich das Gruppenkmdo., einigermaßen Ordnung in das Chaos der unter-
schiedlichsten Waffen zu bringen. Standen doch nicht weniger als fünfer-
lei Gewehrmodelle (Werndl, Mannlicher, Mauser und Mexikaner M. 13
und 14) bunt durcheinander in Verwendung. Schließlich führten die
Landsturmbataillone in jedem Militärkommando nur ein Modell des
Mexikanergewehres. Bei den freiwilligen Schützen befanden sich noch
beträchtliche Mengen der alten Werndleinzellader. Der Küstenrayon
Pola erhielt später russische Gewehre.
Den Munitionslagern der italienischen Front schlugen nach Neujahr
1915, als die ärgste Krise bei der Feldarmee gebannt war, etwas bessere
Stunden. Auch Geschütze wurden wieder zugewiesen, allerdings zum
größten Teil altes Feldkanonenmaterial M. 75/96, dann aber auch belgi-
sches Beutegeschütz. In die Werke wurden an Stelle der ihnen entnom-
menen Maschinengewehre Modell Schwarzlose vielfach griechische Ma-
schinengewehre eingestellt.
*•) Pfersmann, Vom stillen Heldentum eines Volkes (in dem von Kerch-
n a w e herausgegebenen III. Bd. der Sammlung „Im Felde unbesiegt", München 1923,
282 ff.). — Nach der im April 1915 abgehaltenen Musterung betrug der Gesamtstand
der Tiroler und Vorarlberger Standschützen damals 32.400 Mann.
294
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
Bei der auf reine Abwehr abgestimmten Kampfaufgabe der Gruppe
Rohr gewannen die Befestigungen naturgemäß erhöhte Bedeutung. Sie
waren bei Beginn der Kämpfe geradezu das Rückgrat der Gebirgsfront,
weil sie — nicht zum geringsten mit ihren zwar kleinen, aber alpin
hervorragend ausgebildeten Be satzungs détachements der Kaiserschützen-
regimenter — den sonst fast durchwegs milizartigen Truppen der Verteidi-
gungsabschnitte einen festen Rückhalt boten. Sie wirkten sich nach Kriegs-
beginn aber auich deshalb günstig aus, weil die Italiener die Abwehrkraft
dieser meist veralteten Sperrbefestigungen weit überschätzten.
Es waren dies an der Tiroler Westfront die ¿um Teil noch aus der Zeit vor 1866
stammenden, im Jahrzehnt vor dem Weltkrieg aber erweiterten und auf Kasematt- und
Panzerwerke umgebauten Sperren und Befestigungsgruppen von Gomagoi und Tonale.
Im Süden Tirols sollten die Werke von Lar dar o und die Festung Riva der Verteidigung
der Judikariensenke dienen. Auf der Hochfläche von Folgaria—Lavarone war auf
Anregung des Gdl. Conrad in den letzten acht Jahren vor dem Weltkriege ein mehr
Angriffszwecken dienender Waffenplatz entstanden. Die Tiroler Ostfront wurde in
den 80er Jahren bei Landro und Sexten, dann später bis 1905 bei Tenna *) (westlich
von Levico), Paneveggio, Moena, Buchenstein, Tre Sassi (beide östlich von Arabba)
und Plätzwiese (westlich von Landro) zum Schutze der Val Sugana und der Dolomiten-
übergänge vor italienischen Einbrüchen mit Sperrfesten versehen. In etwas zurück-
gezogener Lage fing die Festung Trient, deren Gürtel um die Jahrhundertwende durch
Anlage moderner Panzer werke gegen Süden erweitert worden war, die im Etschtal
führende Vormarschlinie auf. Trient bildete infolge seiner Lage auch den Kern für
die Verteidigung Südtirols. Dem an der Schweizer Grenze gelegenen Kasemattwerk
Nauders kam nur untergeordnete Bedeutung zu. Die alte Franzensfeste hatte bloß
noch Depotzwecken zu dienen.
Die Einbruchwege nach Kärnten sperrten die uralten, unter Conrads Amtstätig-
keit als Chef des Generalstabes in Panzerwerke umgebauten Forts bei Malborghet und
Flitsch sowie die kasemattierte Anlage bei Raibl.
Sehr stiefmütterlich war der Grenzraum am Isonzo mit Fortifikationen bedacht.
Nachdem schon nach der Annexionskrise die Gefahr eines Dreifrontenkrieges hervor-
getreten war, wurde er erst im Jahre 1912 durch einige westlich von Tolmein er-
baute feldmäßige Stützpunkte verstärkt.
Der Hauptkriegshafen Pola erfuhr in den 80er Jahren eine Erneuerung seines
Nordgürtels, der sich jedoch bald als zu eng erweisen sollte, und dem nach Kriegs-
ausbruch eine feldmäßige Anlage vorgelegt wurde. Die Seefront >vurde um die Jahr-
hundertwende durch die moderne Befestigung der Reede von Fasana und der Insel
Lussin bereichert 2).
Als nun von August 1914 an mit der Möglichkeit eines italienischen
Angriffes gerechnet werden mußte, plante man fürs erste, sich im wesent-
lichen auf die vorhandenen permanenten Anlagen zu stützen. Da diese
*) Die hier erbauten zwei Werke galten als vorgeschobene Forts der Festung Trient.
2) Über die Küstenbefestigungen siehe Bd. I, 84.
Fortifikatorische Ausgestaltung der Gren-zstellungen 295
aber nur die nach Tirol und im Abschnitt zwischen dem Kanal- und dem
oberen Isonzo tale führenden Einbruchswege beschirmten, die schwachen
Truppen aber keineswegs ausreichten, um auch in den andern Grenz-
räumen überlegenen italienischen Streitkräften einen längeren Aufenthalt
zu bereiten, betrachtete es GdK. Rohr seit dem Abgang der Feldtruppen
nach Galicien als dringend nötig, die ständigen Befestigungsanlagen durch
behelfsmäßige zu ergänzen; aber der Kaiser wies den General am 26. August
1914 persönlich an, daß bei solchen Arbeiten äußerste Vorsicht zu üben
sei, damit der uin verläßliche Nachbar nicht herausgefordert werde. So
verstrichen der August und der September ohne nennenswerten Fort-
schritt in der Ausgestaltung der Grenzbefestigungen und auch die darauf
folgenden Monate wurden vornehmlich zum Ausbau hinterer Stellungen
verwendet : an der wichtigen Verbindungslinie Riva—Folgaria, im obersten
Isonzo tal, am Mojstrovkapaß, an den Übergängen über den Gailbach,
an der Drau und an der Save, bei den Engen von Zoll und Präwald.
Als nach Neujahr Italiens Haltung immer bedrohlicher wurde, konnte
man endlich auch in der Befestigungsfrage etwas aus der bisherigen Zu-
rückhaltung heraustreten. An den Eingängen der Karstengen östlich vom
Isonzo und von Triest wurden feldmäßige Sperranlagen hergestellt, denen
allerdings größerer Wert nicht zugesprochen werden konnte. Ebenso
wurde längs der Kärntner und Tiroler Grenze emsig an den Talstellun-
gen gearbeitet (Lardaro—Gardasee, Verbindung Riva—Folgaria, Fort
Valmorbia im Vallarsa, Noyau von Trient, Plöckenpaß, Predil). Hiebei
wurden auf Grund der Erfahrungen von Przemysl und Cattaro (Fort
Vermac) die Geschütze allmählich aus alten, nicht bombensicheren Wer-
ken in die neu errichteten Feldstellungen überführt. In den Gebirgen,
die von 1914 auf 1915 durch einen besonders schneereichen Winter heim-
gesucht wurden, mußte man sich zunächst mit der Anlage von. Schnee-
deckungen begnügen, die im Frühjahr durch solche aus Erde und Gestein
ersetzt wurden.
Mit zunehmender Festigung wurden die Truppen Rohrs auch
zu höheren Einheiten zusammengeschlossen. Die anfangs aufgestellten
Gruppen und Brigaden wurden im Februar 1915 in Divisionen zusammen-
gefaßt, deren Kommandos nach Bozen, Trient, Villach und Laibach
kamen. Ihren festen Kern bildeten die Landsturm- und die Reserve-
bataillone, während ihnen die allmonatlich formierten Marschbataillone
nur kurze Zeit vor ihrem Abtransport angehörten, bis schließlich im
Mai 1915 die X.Marschbataillone des Heeres und die IX. der öst. Land-
wehr als selbständige, feldverwendungsfähige Einheiten in ihrem Ver-
296
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
band verblieben. In diesen wurden, vor Kriegsausbruch auch die Stand-
schützen- und die Freiwill^genbataillone eingegliedert. Wegen der erhöhten
Bedeutung der Isonzofront wurde im Mai in Görz ein neues Divisions-
kommando aufgestellt, und jenes von Laibach zuerst nach Monfalcone,
später nach Sesana vorverlegt. Die fünf Divisionskommandos erhielten
schließlich die Bezeichnung 90 bis 94. In Istrien wurde der Küsten-
schutz straffer organisiert und verstärkt. Die Stärke der Heeresmacht
Rohrs, dessen Stab schon am 27. Februar 1915 dem eines Armeekom-
mandos gleichgestellt wurde und der am 12. Mai in FML. Scotti, dem
langjährigen Generalstabschef des Grazer Korps, einen neuen Stabschef
erhielt, betrug in der ersten Maihälfte 1915 — ohne Zuschübe von den
anderen Kriegsschauplätzen — 112 Bataillone, 9 Schwadronen und 49
Batterien1). Hiebei sind die Sicherheitsbesatzung und die Bestückung der
Werke, die Küstenschutzabteilungen sowie der der Heeresleitung direkt
unterstehende Kriegshafen Pola nicht eingerechnet.
Unterdessen hatten die diplomatischen Verhandlungen über die Ge-
bietsabtretungen der Donaumonarchie ihren Fortgang genommen. Trotz
wachsender Forderungen Italiens teilte der Außenminister Baron Burián
am 9. April dem GdK. Rohr mit, daß er an die Möglichkeit eines fried-
lichen Abkommens glaube, keinesfalls aber eine Verschärfung der Lage
im April für wahrscheinlich halte. Dessenungeachtet ließ das Armee-
gruppenkommando Mitte April, da sich um diese Zeit auch die Schnee-
verhältnisse im Gebirge zu bessern begannen, seine Truppen die näher
zur Grenze liegenden Verteidigungsräume beziehen. GdK. Rohr handelte
mit dieser Maßnahme durchaus in Übereinstimmung mit dem AOK., das
im Gegensatz zum Ballhausplatz eine friedliche Lösung schon kaum
mehr erwartete und deshalb — wie später noch zu erörtern sein wird —
eine Verstärkung der Deckungstruppen zwecks Sicherung eines Auf-
marsches gegen Italien durch weitere Kräfte plante. Da das AOK. am
16. April befahl, daß bei einem Einbruch der Italiener der Widerstand
der Deckungstruppen in den am Isonzo zu errichtenden Befestigungen
aufzunehmen sei, wurde nach Erkundung der Baustellen und Bereit-
stellung der Arbeitskräfte am 27. April der erste Spatenstich zu jener Ver-
teidigungslinie getan, in der Truppen aller Länder der Donaumonarchie
in ruhmvollen Kämpfen zweieinhalb Jahre lang einem stets überlegenen
Feinde das Vordringen verwehrten.
!) Hievon 29 Landsturm-, 21 Marsch-, 7 Reserve-, 1 See-, 39 Standschützen-
und 15 Freiwilligenbataillone, 22 Feld-, IOI/2 Gebirgs-, 4 schwere und 121/2 Land-
ßturmbatterien mit altartigem Material.
Conrad gegen Gebietsabtretungen an Italien
297
Entschluß der Mittelmächte zum Angriff gegen
die Russen
Hiezu Beilagen 14 und 15 sowie Skizze 24
Die Entstehung des Gorlice-Planes der Mittelmächte
An geeigneter Stelle ist schon der bedeutende Einfluß hervorge-
hoben worden, den die italienische Gefahr zu Anfang Jänner 1915 auf
die Entschlüsse Conrads ausgeübt hat (S.95). Diese Gefahr war mitent-
scheidend gewesen für das Wagnis, über das verschneite, vereiste, weg-
lose Gebirge ganze Armeen angreifen zu lassen. Auch das Scheitern der
damals beschlossenen Karpathenoffensive konnte fürs erste den General-
stabschef dem Gedanken nicht geneigter machen, sich Italiens Nachgeben
durch Gebietsabtretungen zu erkaufen.
Daran hatte sich auch nichts geändert, als er im Kronrat vom
8. März (S. 283) notgedrungen seinen grundsätzlichen Widerstand gegen
jedes Zugeständnis an Italien aufgegeben hatte. Wenn Conrads Stim-
mung in diesem Belange weiterhin audh Schwankungen unterlag, ge-
brach es ihm vor allem an dem Glauben, daß es wirklich möglich sein
werde, Italien durch Gebietsopfer für die ganze Dauer des Krieges von
einem Eingreifen abzuhalten. Entweder sei es überhaupt nicht gesonnen,
ernsthaft zum Schwerte zu greifen, dann brauche man nicht freigebig
zu sein, oder es sei zum Kriege entschlossen, dann, werde ihm durch
die Abtretung Welschtirols erst recht das Tor für einen weiteren Beute-
zug ins Herz Österreichs geöffnet. Zu diesen praktischen Erwägungen
trat die gefühlsmäßige Ablehnung, die in der heißen Liebe Conrads zur
Tiroler Erde wurzelte, und der Gedanke an den niederschmetternden
Eindruck, den es auf die Armee machen mußte, wenn, mitten in der
Schlacht die Welschtiroler Kaiserjäger und Kaiserschützen in die dem
begehrlichen Anrainer als Beute hingeworfene Heimat entlassen werden
würden. Noch um einen Grad unmöglicher hielt er es aus geopolitischen
Gründen, den Italienern Gebiete am Isonzo und an der Küste zu über-
lassen ; nicht zu Unrecht erblickte er in einem solchen Opfer eine Selbst-
preisgabe der Monarchie. Da vermochte er sich weit eher mit dem Ge-
danken zu befreunden, etwa Ostgalizien zu opfern und auf solche Weise
den Frieden mit dem Zarenreiche zu erkaufen. Aber weder die öst.-ung.,
298
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
noch die deutsche Diplomatie sah einen Weg, der derartigen Vorschlägen
des k. u. k. Generalstabschefs Verwirklichung verheißen hätte.
Ganz von selbst kam Gdl. Conrad bei dieser Lage in seiner Seelen-
not immer wieder auf den Gedanken zurück, der ihn in der ersten Jänner-
woche wesentlich zum Entschluß angespornt hatte, über die Karpathen
anzugreifen : durch einen großen Schlag gegen Rußland nicht nur diesen
Feind abzuschütteln, sondern auch Italien und mit ihm Rumänien und
sonstige Neutrale zum Einlenken zu zwingen. Dieser einem ungebrochenen
Kraftbewußtsein entspringenden Erwägung gesellte sich dann allerdings
um die Monatswende März-April 1915 immer wieder auch die bange Sorge
zu, ob überhaupt die Karpathenfront zu halten sein werde. Je nachdem,
ob diese Sorge stärker im Vordergrund stand oder mehr zurücktrat,
änderten sich auch die Anschauungen des Generalstabschefs über die
augenblicklichen Erfolgsmöglichkeiten — je nachdem hatte er auch bei
seinen Vorschlägen an die deutsche Heeresleitung entweder eine unmittel-
bare Stützung der Front, eine mehr oder minder taktische Entlastung
durch entsprechend angesetzten Gegenstoß oder einen strategischen Schlag
größter Abmessung im Auge.
In der eigentlichen Geburtsstunde des Gorlice-Entschlusses — als
am 1. April abends der deutsche Militärbevollmächtigte, GM. v. Cramon,
dem öst.-ung. Generalstabschef gegenüberstand — bangte dieser beson-
ders schwer um das Schicksal der 2. Armee, die sich eben anschickte,
dem andrängenden Russen auf einige Kilometer Tiefe das Schlachtfeld
zu überlassen (S.246). Cramon ließ jedoch sofort durchblicken, daß
deutscherseits auf eine unmittelbare Stützung der Karpathenfront, wie
sie eben noch durch das Beskidenkorps erfolgt war, nicht mehr zu rechnen
sei; doch wäre es „etwas anderes . . . , wenn die Lage durch eine Offen-
sive geändert werden könnte1)".
Diese Bemerkung Cramons ließ Conrad auf einen seit längerem
immer wieder erwogenen und auch schon, allerdings nach ungenügender
Vorbereitung und mit unzureichenden Kräften ausgeführten Gedanken
zurückkommen (S. 201). Die sich immer mehr vergrößernde Einbuchtung
in die Karpathenfront lud dazu ein, die Entlastung dieses schwer be-
drohten Frontabschnittes durch einen Gegenstoß aus der Flanke in der
Richtung West—Ost, über Jaslo und Rymanów, zu erzielen. Seiner Er-
innerung nach hatte Conrad diesen Gedanken zum erstenmal gegenüber
Falkenhayn schon am 11. Jänner auf dem Breslauer Bahnhof (S. 97)
zur Sprache gebracht. FML. Arz, dessen Korps die ganze Zeit über bei
x) C r a m o n, 12.
Die Geburtsstunde des Gorlice-Entschlusses
299
Gorlice stand, berichtet1), einige Wochen später dem 4. Armeekmdo.
einen ähnlichen Vorschlag erstattet, aber kein Gehör gefunden zu haben.
Im März wurde dann der schon erwähnte Versuch mit unzulänglichen
Mitteln unternommen. Der Mißerfolg sprach keineswegs gegen den Ge-
danken an sich, dessen Ausführung um so mehr lockte, als klar geworden
war, daß ein aus entgegengesetzter Richtung durch Pflanzer geführter
Stoß verschiedener Gründe wegen nicht zur Reife gedeihen konnte.
Auf Grund der Unterredung mit Conrad depeschierte Cramon noch
am 1. April abends an seine Heeresleitung nach Mézières: „Exzellenz
Conrad ist weitere Unterstützung mehr denn je erwünscht, und zwar
entweder durch eine deutsche Division zu seiner Verfügung zum Stützen
der 2. Armee oder durch Offensive stärkerer Kräfte gegen Flanke und
Verbindungen des russischen Angriffes aus Richtung Gorlice."
Noch in derselben Nacht sprach — wie üblich — GM. Cramon auch
telephonisch über die Angelegenheit mit Falkenhayn; denn am anderen
Morgen konnte er dem öst.-ung. Generalstabschef mitteilen, daß die
DOHL. eine Verstärkung der Karpathenfront abgelehnt habe.
In den gleichen Stunden hatte sich das Oberkommando Hinden-
burgs durch den Hptm. Fleischmann in Teschen wegen der in den Kar-
pathen entstandenen Lage anfragen lassen. Die Antwort Conrads zeich-
nete scharf umrissen den Gorlice-Plan, wie er ihn damals schon gedacht
hatte. Die auf 100.000 Mann zusammengeschmolzene 2. Armee müsse
vor dreizehn bis vierzehn russischen Divisionen nachgeben. Zunächst sei
eine Stützung durch Kräfte der 3. Armee geplant. Größeres könne nur
durch einen mit mindestens vier neuen Divisionen aus der Gegend Gor-
lice—Zbor ó unternommmenen Stoß gegen die Verbindungen der russi-
schen Karpathenfront erzielt werden.
Am selben 2. April lud Falkenhayn, durch das sich immer drohen-
der gebärdende Italien beunruhigt, Conrad zu einer Besprechung nach
Berlin ein. Diese fand am 4. statt. Aufzeichnungen über sie fehlen. Als
ziemlich sicher ist anzunehmen, daß Conrad bei dieser Beratung die Mög-
lichkeit, mit den Italienern doch noch zu einem friedlichen Abschluß zu
gelangen, nicht so entschieden in Abrede gestellt hat, als bei anderen Ge-
legenheiten. Nach den Notizen des Chefs der Operationsabteilung der
DOHL., des Obersten Tappen, wurde auch die kritische Lage in den
Karpathen erörtert, was im Hinblick auf die eben tobende Osterschlacht
wahrhaftig begreiflich ist. Dagegen bestritt Falkenhayn nachträglich, daß
*) A r z, 55.
300
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
über den Gorlice-Plan gesprochen worden sei1), und der letzte Absatz des
Fernspruches, den der General am gleichen Tage an Cramon abgehen
ließ, spricht für die Richtigkeit dieser Angabe, wobei es freilich ver-
wunderlich bleibt, daß nicht doch Conrad den Plan zur Sprache brachte.
Falkenhayn schreibt nämlich: „Die Frage eines kräftigen Vorstoßes aus
der Gegend Gorlice in Richtung Sanok beschäftigt mich seit längerer
Zeit. Die Ausführung hängt von der allgemeinen Lage und Bereitstellung
der nötigen Kräfte — vier Divisionen werden nicht genügen, vermutlich
aber vier Armeekorps — ab. Große Schwierigkeit bereitet wahrscheinlich
die geringe Leistungsfähigkeit der Bahnen auf Tarnów und über Neu-
sandez. Immerhin wäre es mir lieb, bald von Ihnen einen Vorschlag zu
erhalten, wie Sie sich die Operation denken. Angaben über die Leistungs-
fähigkeit der Bahnen, Möglichkeit, auf dortigen Wegen unsere Fahrzeuge
zu gebrauchen, dürfen nicht fehlen. Strengste Geheimhaltung der ganzen
Angelegenheit vorläufig auch der österreichischen Heeresleitung gegen-
über ist unbedingt geboten" 2).
Unterdessen hatten Conrad schon bei seiner Heimkehr nach Teschen
neue Nachrichten über eine Verschärfung des italienischen Konfliktes er-
wartet. Es war in Erfahrung gebracht worden, daß sich Italien mit Ruß-
land in engem Meinungsaustausch befand3) und daß es die kritische
Lage in den Karpathen seinem „sacro egoismo" dienstbar machen wolle.
Damit gewannen in Conrads Denken die Gefahren, die sich gerade aus
einer Abtretung Welschtirols an ein zum Kriege entschlossenes Italien
ergeben mußten4), gegenüber den Hoffnungen auf eine friedliche Lösung
sofort wieder entscheidend die Oberhand. Gleichzeitig mußte seine Sorge
auch einem Eingreifen Rumäniens gelten. Demgemäß erwog er, die
Gruppe Rohr durch sieben Divisionen zu verstärken und überdies deren
drei nach Siebenbürgen zu werfen. Den Ausfall dieser zehn Divisionen
an den anderen Fronten konnte nur der stärkere deutsche Verbündete
ersetzen, der dem Vernehmen nach schoin wieder über erhebliche Neu-
aufstellungen verfügte. Falkenhayn hielt jedoch den Zeitpunkt, sich mit
Truppenaufbietungen gegen Italien zu befassen, auf keinen Fall schon
für gekommen; Kraftüberschüsse waren seiner Ansicht nach zunächst
dazu zu verwenden, um im Westen oder im Osten einen die Kriegslage
1) Mitteilungen des deutschen Reichsarchivs, Potsdam, am 24. Jänner und am
12. November 1929.
2) Cramon, 12; Wortlaut berichtigt nach Mitteilungen des Reichsarchivs, Pots-
dam, am 12. November 1929.
3) Bestätigt durch: Das zaristische Rußland im Weltkriege, 263ff.
4) Vgl. darüber Cadorna, La guerra, I, 111.
Conrads Vorschläge vom 7. April
301
wendenden Schlag zu führen. Italien möge fürs erste — riet er Conrad
am 6. April —durch Gebietszugeständnisse ferngehalten werden; die Ab-
rechnung mit dem Bundesgenossen, von gestern sei auf später zu ver-
schieben. Selbst das am gleichen Tage gestellte Ersuchen Conrads, der
eben von neuen schweren Russenstürmen bedrohten 2. Armee (S. 260)
zwei deutsche Divisionen zur unmittelbaren Stützung zuzuführen, stieß
auf die Ablehnung Falkenhayns, der sich dabei auf einen bei Nancy und
Verdun drohenden französischen Angriff berief.
Die Meldungen, die in den nächsten Stunden aus den Karpathen
kamen, überhoben die k. u. k. Heeresleitung fürs erste wieder der schwer-
sten Besorgnisse. Umso nachdrücklicher war Conrads Sinnen und Trachten
darauf gerichtet, zu erreichen, daß Deutschlands augenblicklicher Kraft-
überschuß jedenfalls einer Entlastung des im Nordosten, Südosten und
Südwesten umstellten Donaureiches zustatten kam. Bei der Einstellung
Falkenhayns zur italienischen Krise war dies nur auf dem Wege eines
gemeinsamen Schlages gegen Rußland möglich, der nach Auffassung des
k.u.k. Generalstabschefs auch der Gesamtlage am stärksten gerecht wurde.
Demgemäß trat Conrad am 7. mit einem neuen Vorschlag an die DOHL.
heran. Anknüpfend an die Berliner Unterredung führte Conrad aus, daß
„selbst ein nennenswerter deutscher Erfolg im Westen das Verhalten
Italiens wohl weniger beeinflussen würde alsein Erfolg gegen Rußland".
Daher seien die nächsten deutschen Neuformationen dazu auszunützen,
den Feind durch Flügelangriffe aus Ostpreußen und Ostgalizien „hinter
die Weichsel-San-Dniesterlinie zurückzuzwingen". Dieses Ziel sei mit ver-
hältnismäßig geringem Zeitaufwande erreichbar. Nachher würden beide
Heeresleitungen „freie Hand für andere Ziele" haben, wobei sich viel-
leicht auch die Möglichkeit erschlösse, „mit Rußland zu einem Arrange-
ment zu kommen".
Dieser Vorschlag wird von den Kritikern des Weltkrieges fast durch-
wegs abgelehnt1). Auch Falkenhayn meinte in seiner Antwort, daß die
von Conrad vorgeschlagene Operation weder „nach Raum und Zeit",
noch „nach Wegen und Eisenbahnen" den erwünschten „schnellen und
sicheren Erfolg" verheiße. Er mochte damit nicht Unrecht gehabt haben.
Immerhin ist aber daran zu erinnern, daß der deutsche Generalstabs-
chef damals an die Möglichkeit kriegsentscheidender Schlachtenerfolge
überhaupt nur mehr wenig glaubte und schon unter allen Umständen
einer enger gesteckten Zielen dienenden „Ermattungsstrategie" den Vor-
zug zu geben geneigt war.
i) Vgl. u. a. Kühl, Der Weltkrieg 1914/18 (Berlin 1929), 182f.
302
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
Durch Hptm. Fleischmann über die Sorgen und Wünsche desAOK.
Teschen im Laufenden gehalten, griff nun das deutsche Oberkmdo. Ost
ein. Es erklärte sich bereit, bei Falkenhayn die Überweisung eines Korps
aus dem Westen an die öst.-ung. Front zu befürworten — zunächst aller-
dings unter der Bedingung, daß in der Karpathenfront ein zweites deut-
sches Armeekmdo. aufgestellt oder doch wenigstens der mit der Leitung
eines größeren Abschnittes zu betrauende GdK. v. d. Marwitz unmittel-
bar an die k. u. k. Heeresleitung gewiesen werde. Damit sollte Falken-
hayn der Vorschlag von „Ober Ost" mehr mundgerecht gemacht werden.
Conrad erklärte sich nach einigem Zögern bereit, der zweiten Lösung
zuzustimmen, wenn dafür ein deutsches Korps zur Stützung der Kar-
pathenfront überwiesen werde. Es kam jedoch nicht zur Ausführung
dieses Abkommens, da Falkenhayn inzwischen mit weit bedeutsameren
Vorschlägen hervorgetreten war.
Entsprechend dem Befehle vom 4. April hatte sich GM. Cramon am
5. vertraulich an den Chef des k. u. k. Feldeisenbahnwesens, den Obst.
Johann Straub, gewandt1). Straub setzte Cramon auseinander, daß es
möglich sei, in den Raum Gorlice—Tarnów täglich hundert hundertach-
sige Züge zu führen, von denen etwa vierzig für den Nachschub gebraucht
würden, sechzig aber für das Heranführen von Truppen zur Verfügung
stünden. Cramon schrieb hierauf am 6. April nach Mézières, daß vier
deutsche Armeekorps gemeinsam mit den k. u. k. Truppen des betreffen-
den Frontstückes ausreichen würden, um zwischen Gorlice und Tarnów
die dort etwa 56.000 Gewehre zählenden Russen zu durchbrechen. Der
Aufmarsch könne in acht Tagen beginnen. Nach Wegnahme des Wisloka-
abschnittes würden der rechte Flügel der Stoßgruppe auf Dukla, die
Mitte auf Krosno anzusetzen, der linke Flügel gegen Przemysl oder zur
Sicherung gegen Norden zu verwenden sein. Erwünscht sei deutsches
Kommando und möglichst reiche Ausstattung mit Haubitzen2).
Auf Falkenhayn hatte in diesen Wochen der Druck der durch den
Kampf an der „inneren Linie" aufgeworfenen Probleme nicht weniger
gelastet als auf seinem öst.-ung. Kollegen. Wohl hatte er sich schon Ende
März zu der „festen Überzeugung" durchgerungen, daß ihm die West-
feinde in absehbarer Zeit nichts mehr anzuhaben vermochten 3). In den
letzten anderthalb Monaten hatten sich die Franzosen in der Winter-
schlacht in der Champagne, die Engländer nördlich vom La Bassee-Kanal
x) Vgl. Straub s Darstellung in der Wiener „Reichspost", 1. Jänner 1921.
2) C r a m o n, 13.
3) Falkenhayn, Oberste Heeresleitung, 56.
Der Ententeangriff gegen die Dardanellen
303
blutige Köpfe geholt. Trotz der schweren Kämpfe war es den Deutschen
möglich gewesen, hinter der Front durch Abtrennung der vierten Regi-
menter von den bestehenden Divisionen vierzehn neue Divisionen zu bil-
den1), die durch ihre volle Ausrüstung mit Artillerie und Kampf gerät
in der Gesamtheit doch einen nicht zu unterschätzenden Kraftzuschuß
darstellten. Aber trotz der offenkundigen Entlastung der Westfront war
es für Falkenhayn keineswegs von Anbeginn eine beschlossene Sache,
in welcher Richtung dieser Kraftüberschuß am besten anzusetzen war.
Die Hoffnung, daß es die Lage erlauben werde, einen an sich gewiß
erfolgverheißenden Gegenangriff im Westen zu unternehmen, mußte
im Hinblick auf die sonstige politische und militärische Hochspannung
alsbald begraben werden. Daß Falkenhayn noch immer eine gütliche Aus-
einandersetzung mit Italien für möglich hielt, ist weiter oben ausgeführt
worden. Noch am 12. April gab er dieser Erwartung gegenüber dem
Berliner italienischen Militârattaché beredten Ausdruck2). Viel bedroh-
licher betrachtete er im Augenblick die Gefahr eines völligen Zusammen-
bruches des öst.-ung. Verbündeten in den Karpathen. Hatte er sich noch
Ende März der Erwartung hingegeben, es werde nun eine Kampfpause
gegen die Russen eintreten, so hatte die Osterschlacht bald darauf seine
Nervenkraft auf eine neue, schwere Probe gestellt. Die Meldungen, die
ihm über die Verfassung der öst.-ung. Truppen zukamen, lauteten außer-
ordentlich düster. Wenn dann auch die Osterschlacht noch glimpflich
abging, so war es nach dem Urteile Falkenhayns doch mehr als fraglich,
ob die Wehrmacht Österreich-Ungarns eine Wiederholung solch kritischer
Stunden und Tage noch ertragen werde.
Dieser Sorge um den einen Bundesgenossen hatte sich aber eine fast
noch größere um den zweiten, den türkischen, beigesellt. Am 18. März
hatte eine britisch-französische Flotte den Eintritt in die Dardanellen zu
erzwingen versucht. Das Unternehmen war zwar gescheitert; es konnte
aber kaum ein Zweifel bestehen, daß es den Auftakt zu weit größeren
Anstrengungen der Westmächte bilden mochte. In Odessa harrte bereits
ein russisches Expeditionskorps des Eingreifens. Im Hinblick auf diese
Entwicklung gewann für Falkenhayn die Frage entscheidende Bedeutung,
bei gleichzeitiger Gewinnung Bulgariens die Serben niederzuwerfen und
so endlich die Landbrücke nach Konstantinopel aufzurichten.
x) Schwarte, Der Große Krieg 1914—1918; Die Organisation der Krieg-
führung (Leipzig 1921), I, 18 f.
2) Zwehl, Erich v. Falkenhayn (Berlin 1926), 129 f. ; Alberti, L'azione mili-
tare italiana nella guerra mondiale (Rom 1924), 71 ff.
304
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
Der erste Vor schlag Falkenhayns, datiert vom 21. März, traf in
Teschen in dem Augenblick ein, da sich das Schicksal Przemysls erfüllte.
Begreiflicherweise antwortete Conrad, daß eine Offensive gegen Serbien,
so sehr er sie wünschen würde, nur ohne Schwächung der Karpathenfront
denkbar sei. Würde man durch eine solche Schwächung den durch die
Belagerungskorps von Przemysl verstärkten Russen Gelegenheit zu neuen
Erfolgen in den Karpathen geben, so würde dies neben den Serben auch
noch die Rumänen und die Italiener auf den Plan rufen, was nicht nur
Österreich-Ungarns, sondern auch Deutschlands Verderben werden müßte.
Falkenhayns Anträge waren offensichtlich auch durch den GFM. v. d.
Goltz beeinflußt, der am 29. März auf der Rückreise in die Türkei auch
Conrad seine Aufwartung machte, um ihm mitzuteilen, daß bei einer
Offensive gegen Serbien mit einer Mitwirkung der Bulgaren und der
Türken zu rechnen sein würde. Nun verhielt sich auch Conrad gegenüber
dem Plane eines Angriffes auf Serbien nicht mehr so ablehnend — unter
der Voraussetzung, daß Deutschland vier nicht der Karpathenfront ent-
nommene Divisionen zur Verfügung stellte. Verstimmt bekämpft er im
Depeschen Wechsel der nächsten Tage Falkenhayns Wunsch, die Leitung
des künftigen serbischen Feldzuges nicht dem Erzherzog Eugen, sondern
einem deutschen General zu übertragen, einen Wunsch, den — noch
unter dem fortwirkenden Eindruck von Arangjelovac — gewiß auch Bul-
garien geäußert hatte.
Die in denselben Tagen wütende Osterschlacht in den Karpathen
lenkte dann aber Falkenhayns Auge doch wieder auf den öst.-ung. Bundes-
genossen. Der Vorhalt Conrads, daß schon ipci Hinblick auf das bedroh-
liche Verhalten Italiens ein Schlachtenerfolg gegen Rußland mit dem
Einsatz aller zusammenraff baren Kräfte angestrebt werden müsse, ver-
fehlte zwar beim deutschen Generalstabschef den erhofften Eindruck.
Falkenhayn besorgte im Gegenteil, daß ein solcher Erfolg die ohnehin
geringe Bereitschaft Österreich-Ungarns, Italien durch Gebietszugeständ-
nisse zu befriedigen, noch herabdrückeii würde. Zu guter Letzt sollte
aber doch die brennende Sorge, daß der Bundesgenosse an der Donau
noch früher als jener am Bosporus am Wege liegen bleiben könnte, alle
solchen Bedenken zurückdrängen.
Die Frage, wie ein Entlastungsstoß im Osten beschaffen sein mochte,
hatte Falkenhayn durch seine Gehilfen schon seit Mitte März behandeln
lassen1). Neben einem Angriff im Weichsellande und einem ebensolchen
!) Vgl. Reichsarchiv, VII. Bd., dessen Bürstenabzüge bei Verfassung dieses
Abschnittes eingesehen werden konnten.
Falkenhayn entschließt sich für Gor li ce
305
südlich des Tátragebirges stand auch eine Offensive aus dem Frontab-
schnitte Neusandez—Tarnów zur Erwägung. Schon am 31. März hatte
der Chef des deutschen Feldeisenbahnwesens, Obst. Groener, von Falken-
hayn den Auftrag erhalten, die Versammlung von drei Armeekorps in
diesem Räume zu bearbeiten. „Alles dies waren indessen nur voraus-
schauende Maßnahmen für einen an sich durchaus unerwünschten, die
Pläne der DOHL. kreuzenden Notfall"1).
Bald darnach aber häuften sich, auch durch den. Ausgang der Oster-
schlacht keineswegs zum Schweigen gebracht, neue, höchst ungünstige
Meldungen über den Zustand der öst.-ung. Karpathenfront und nimmer-
müde wies nun GM. Cramon immer wieder darauf hin, wie diese be-
drückende Lage am besten durch einen entschlossenen Angriff in West-
g ali zie n überwunden werden könne. So rang sich der deutsche Chef des
Generalstabes — wenn auch schwer genug — zu dem Entschlüsse durch,
den zur Verfügung stehenden deutschen Kräfteüberschuß zunächst in den
Reihen der Verbündeten einzusetzen, und zwar in jenem Räume, den
er selbst dem Obst. Groener am 31. März bezeichnet hatte, den Conrad
unabhängig davon tags darauf dem GM. Cramon vorgeschlagen und auf
den dieser seither stets aufs neue hingewiesen hatte: am Dunajec. Am
13. April trat der Leiter der deutschen Kriegführung mit den entschei-
denden Anträgen hervor. Conrads Umfassungsplan vom 7. neuerlich ab-
lehnend, stellte er, ohne auf das am 1. zwischen dem österreichischen
Generalstabschef und Cramon geführte Gespräch zurückzukommen, der
k. u. k. Heeresleitung folgende „Operationsgedanken" zur Erwägung:
„Eine Armee von wenigstens acht deutschen Divisionen wird mit starker
Artillerie hier im Westen verfügbar gemacht werden und auf Muszyna,
Grybów, Bochnia abtransportiert, um dann aus der ungefähren Linie
Gorlice—Gromnik in der allgemeinen Richtung auf Sanok vorzustoßen.
Zu der Armee müßte die aus ihrer Stellung durch k. u. k.Truppen recht-
zeitig abzulösende Division Besser [deutsche 47. RD.] und eine k. u. k.
Kavallerie division treten. Auch würde die Armee und die k. u. k. 4. Armee
in einem Befehlsverband, und zwar in diesem Falle natürlich einem
deutschen, zu vereinigen sein."
Zugleich regte Falkenhayn an, dem geplanten Stoße dadurch größere
Wirkung zu sichern, daß die Armeen Böhm-Ermolli und Boroevic die
Russen noch weiter südwärts gegen die Linie Ungvár—Flomonna—Va-
ranno—Zboró nachziehen sollten.
1) Reichsarchiv, VII, Bürstenabzug.
II
20
306
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
Conrad telegraphierte noch am selben Abend sein Einverständnis
zurück, wobei er betonte, daß die von Falkenhayn vorgeschlagene Ope-
ration von ihm seit langem gewünscht, aber wegen unzureichender Kräfte
bis dahin nicht durchgeführt worden sei. Nur die Idee, die 2. und die
3. Armee weiter zurückzunehmen, lehnte er in weiterer Folge ab. Offen-
bar besorgte er, daß die Lawine, einmal ins Rollen gebracht, nicht mehr
im richtigen Augenblick aufgehalten werden könnte.
Gemäß dem gleichfalls ausgesprochenen Wunsche Falkenhayns be-
gab sich Conrad am 14. nach Berlin, wo in den Abendstunden mit dem
deutschen Generalstabschef das Nähere über den geplanten Angriff per-
sönlich vereinbart wurde. Eine neue deutsche 11. Armee, die zunächst
aus acht deutschen und zwei öst.-ung. Infanteriedivisionen und einer
öst.-ung. Kavalleriedivision zu bestehen hatte, sollte bei Gorlice am Süd-
flügel der k. u. k. 4. Armee eingesetzt werden und mit dieser zugleich, die
ebenfalls durch zwei schlagkräftige öst.-ung. Divisionen zu verstärken
war, die gegenüberstehende russische Front durchbrechen. Die Karpathen-
armeen der Verbündeten hatten den Feind zunächst festzuhalten, dann
aber auch über das Gebirge vorzustoßen.
Einen breiten Raum nahm in der Berliner Besprechung die Regelung
der Befehlsfrage ein. Erst durch die Berufung auf den Willen des Deut-
schen Kaisers erreichte Falkenhayn, daß dem Oberbefehlshaber der 11. Ar-
mee, GO. Mackensen, auch Erzherzog Joseph Ferdinand unterstellt wurde.
Dafür wurde Mackensen formell an die Befehle der k. u. k. Heeresleitung
gewiesen. Am 16. April faßte Falkenhayn zu Mézières in einer nach
Teschen gerichteten Depesche diese Verabredung nochmals schriftlich
zusammen. Damit war der Grundstein zu einer der größten Kriegshand-
lungen gelegt, die die Weltgeschichte kennt, zum siegreichen Frühjahrs-
und Sommerfeldzug 1915, der die Heere der Mittelmächte von West-
galizien über Lemberg und Brest-Litowsk hinaus führen sollte.
Die nachdrückliche Forderung Conrads, der geplanten Offensive
schon gleich die Eroberung Lembergs zum Ziel zu setzen, hatte allerdings
bei der Berliner Beratung vom 14. April die Zustimmung Falkenhayns
noch nicht gefunden. Dieser kam wieder auf die Notwendigkeit zu
sprechen, das Schicksal des dritten Verbündeten, des lebensgefährlich
bedrohten ottomanischen Reiches, nicht außer acht zu lassen. Hatte die
11. Armee in begrenzter Frist dem öst.-ung. Heere die erwünschte Ent-
lastung gebracht, dann sollten sich zu mindestens erhebliche Teile dieser
Armee gemeinsam mit den öst.-ung. Balkanstreitkräften sowie mit sechs,
je 24 Bataillone starken bulgarischen Divisionen und 100.000 Türken
Die italienische Gefahr
307
gegen Serbien wenden, um endlich die Land Verbindung Berlin-Wien-
Konstantinopel herzustellen. Ohne von der nahen Verwirklichung dieser
Absichten überzeugt zu sein, übernahm es Conrad, durch die k. u. k.
5. Armee das Nähere für die Ausführung erheben zu lassen.
In bezug auf Italien hatte Falkenhayn schon in seiner Depesche vom
13. April ausdrücklich betont, daß es durch entsprechende Zugeständnisse
mindestens bis nach Durchführung des Schlages in Galizien, womöglich
aber für den ganzen Krieg von einem Eingreifen auf der Seite der Entente
abgehalten werden müsse. „Jedes Opfer," hatte er in Anknüpfung an
frühere Gedankengänge betont, „würde in solchem Falle nur ein vor-
übergehendes sein." Bei dieser Anschauung war er geblieben, obgleich er
wußte, daß Italien am 10. April seine Forderungen auf das rein deutsche
Gebiet von Bozen, fast auf das ganze Küstenland samt Triest und auf
die dalmatinischen Inseln ausgedehnt hatte1).
In einer mehrstündigen ergreifenden Audienz, die Conrad am 21. April
gemeinsam mit dem Außenminister und dem Generaladjutanten Bolfras
beim 85 jährigen Kaiser Franz Joseph hatte, wurde das italienische Problem
mit allen sich auftürmenden Schwierigkeiten noch einmal durchberaten.
Eine der Hauptfragen galt der Möglichkeit, daß Italien maßlos bleibe.
Sollte man dann alles zugestehen oder doch durch Widerstand mit be-
schränkten Mitteln dartun, daß man nur der Gewalt der Waffen weiche ?
Die Heeresleitung hatte den sich näher an die Grenze heranschiebenden
Truppen des GdK. Rohr schon am 16. den Befehl zukommen lassen, daß
einer Vorrückung der Italiener gegen Innerösterreich schon am Isonzo
entgegenzutreten sein werde. Allerdings konnte sie wegen der Notwen-
digkeit, möglichst stark gegen Rußland zu bleiben, Rohr nicht mehr
sieben, sondern bloß dreieinhalb Divisionen versprechen, von denen je
eine für Tirol und für Pola bestimmt war, indes die übrigen Verstär-
kungen, womöglich Gebirgstruppen, gemeinsam mit den schon vorhan-
denen Kräften und „gestützt auf die Befestigungen im Räume von Tarvis
und die feldmäßigen Anlagen am Plöckenpaß und am Isonzo das Vor-
dringen des Feindes in das Drautal und das Laibacher Becken zu ver-
zögern hätten, um den Aufmarsch weiterer Kräfte in rückwärtigen
Räumen zu sichern". Diese „weiteren Kräfte" sollten zu geeigneter Frist
der russischen Front entnommen werden.
Die Absicht, dem südwestlichen Nachbar seine Beute im Falle der
Überspannung seiner Forderungen nicht kampflos zu überlassen, fand
bei der Audienz vom 21. April die Zustimmung aller Beteiligten, auch
!) Österreichisch-ungarisches Rotbuch 1915, 128 ff.
20*
308
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
die des Kaisers. Dringend geboten war es, endlich über das Maß der
Mithilfe Deutschlands bei einem italienischen Überfall Klarheit zu ge-
winnen. Bei dem Verhalten, das Deutschland bisher in der italienischen
Frage an den Tag gelegt hatte, war man dieser Mithilfe in Wien keines-
wegs sicher; auch der Kaiser war von schwerem Mißtrauen erfüllt. Da
Conrad die Auffassung vertrat, daß es vor allem Aufgabe der Diplomatie
sei, das Verhältnis zum Bundesgenossen zu klären, sagte sich Burián un-
gesäumt zu einer Beratung in Berlin an, die am 24. stattfand und an der
auch die beiden Generalstabschefs teilnahmen.
Ein beträchtlicher Teil des Tages war durch Besprechungen der
beiden Letztgenannten über die allgemeine militärische Lage ausgefüllt.
Was Italien anlangte, so suchte Conrad seinen reichsdeutschen Kollegen
aufs neue von der Unmöglichkeit zu überzeugen, die italienischen For-
derungen in Bausch und Bogen anzunehmen. Lieber möge Deutschland,
das doch gegenüber den Ententegroßmächten Faustpfänder in der Hand
habe, mit diesen schon im Felde stehenden Feinden zu einem Abkommen
zu gelangen trachten. In strategischer Hinsicht wäre an einen erfolg-
reichen Widerstand gegen die Italiener nur zu denken, wenn man ihren
36 Divisionen 20 der Verbündeten entgegenzustellen vermöchte. Diese
Divisionen standen aber im Augenblick nicht zur Verfügung, da nach
übereinstimmender Ansicht beider Generalstabschefs alles Erreichbare
zunächst gegen Rußland angesetzt werden mußte. So blieb die Frage der
deutschen Hilfe auch jetzt noch offen.
Was die Absichten gegen Serbien betraf, so teilte Conrad seinem
deutschen Kollegen den vom 5. Armeekmdo. inzwischen vorgelegten Ope-
rationsplan mit. Erzherzog Eugen schlug einen umfassenden Angriff gegen
den serbischen Mittelraum Kragujevac—Krusevac—Kraljevo vor. Ein öst.-
ung. Korps (58. und 59. ID.) sollte von Rogatica—Visegrad gegen Kraljevo,
die Masse der öst.-ung. und der deutschen Streitkräfte über die Save
und die Donau angreifen. Den Bulgaren war ein Stoß über Zajecar,
den Türken ein solcher rittlings der Straße Caribrod-Nis zugedacht.
Übergangsmittel zur Überquerung der Ströme waren genug vorhanden.
Als bester Zeitpunkt für den Beginn des Unternehmens wurde der Aus-
gang des Monats Mai bezeichnet. Falkenhayn war mit diesen Vorschlägen
einverstanden. Nur die inneren Flügel der Donaufront und der Bulgaren
waren ihm zu weit entfernt, was sich aber im Hinblick auf die Felsen weit
des sich hier erstreckenden Eisernen Tores nicht vermeiden ließ. Übrigens
sollte dieser Operationsplan schon in dem Augenblick, da er den beiden
Generalstabschefs vorlag, einer seiner Hauptgrundlagen fast beraubt sein.
Offensivpläne gegen Serbien und ihre Zurückstellung
309
Denn tagsdarauf setzte sich, ein britisch-französisches Expeditionskorps
auf der Südspitze der Halbinsel Gallipoli fest, womit eine Teilnahme der
Türken an einer Offensive gegen Serbien aus dem Rahmen des Mög-
lichen gefallen war.
Die gemeinsamen Besprechungen der Staatsmänner und der General-
stabschefs bewegten sich in ähnlichen Bahnen. Der Reichskanzler ver-
sprach, Österreich-Ungarn auch in der italienischen Angelegenheit un-
bedingt die Treue zu halten. Falkenhayn erklärte abermals, über den
Umfang einer etwaigen Waffenhilfe noch nichts Bestimmtes sagen zu
können. Er wie Conrad forderten von der Diplomatie, daß sie ein Ein-
greifen Italiens und Rumäniens womöglich verhindere oder doch so lange,
als es anging, hinausziehe — eine Aufgabe, die sicherlich leichter ge-
stellt als gelöst war. In das Grau der Stimmung, die am Verhandlungs-
tische herrschte, leuchtete als einziger Sonnenstrahl die Hoffnung auf
den kriegerischen Erfolg, der eben in den Bergen und Wäldern West-
galiziens in aller Heimlichkeit angebahnt wurde. Wieder hatte das Schwert
das entscheidende Wort zu sprechen.
Die Absichten der Russen
Wenige Stunden nachdem auf den Höhen von Mezölaborcz das deut-
sche Beskidenkorps im Verein mit öst.-ung. Regimentern dem Russen-
ansturm Halt geboten hatte, wurden von Iwanow am 6. April, noch voll
guter Erwartung, Weisungen für die Fortsetzung des Angriffes ausgegeben.
Unter Festhalten der Flügel am Dunajec und am Dniester sollten seine
Armeen die Linie Zboró—Varanno—Csap-—Huszt gewinnen, wobei das
Vordringen bis Huszt auch die Dniesterfront Pflanzers zum Einsturz
bringen konnte. Als aber in den nächsten Tagen nicht nur das Ergebnis
der Osterschlacht klarer wurde, sondern sich auch die letzten An-
strengungen Brussilows gegen die k. u. k. 2. Armee als erfolglos erwiesen,
verfügte am 10. April der Oberbefehlshaber der russischen Süclwestfroat,
den Angriff einzustellen, bis man Verstärkungen herangeführt, die Stände
aufgefüllt und vor allem die Munitionsnot einigermaßen behoben hatte.
Inzwischen hatte aber Gen. Alexejew, der frühere Generalstabschef
Iwanows, nunmehr seit Ende März an Stelle Rußkis Oberbefehlshaber
der Nordwestfront, noch einmal die Frage des Karpathenstoßes und
seiner Zweckmäßigkeit aufgeworfen. Obgleich einer der Haupturheber
dieses Unternehmens, hatte er in einer um die Monatswende verfaßten
Denkschrift entschieden dagegen Stellung genommen, um gleichzeitig
310
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
einem direkten Stoß von Warschau in der Richtung Berlin das Wort zu
reden. Der Karpathenangriff habe von Haus aus dem Zwecke gedient^
hieß es in der Denkschrift beiläufig, dem Hauptschlag gegen Deutschland
die nötige Schulterfreiheit zu schaffen; mehr zu erzielen sei nicht seine
Aufgabe gewesen.
Alexejew kam jedoch mit diesen Auffassungen bei der Heereslei-
tung schlecht an. Sowohl der Großfürst-Generalissimus wie sein Gene-
ralstabschef Januschkiewitsch hatten sich nun stark auf das Karpathen-
unternehmen festgelegt, dessen Gegner sie einst gewesen waren. Der
Dardanellenangriff der Alliierten (S. 303) konnte jeden Augenblick durch
den Anschluß Rumäniens, ja sogar Bulgariens, die Balkanfrage entschei-
dend aufrollen. In London wurde fieberhaft an der Gewinnung Italiens
gearbeitet. Der Höchstkommandierende fühlte sich verpflichtet, dieser
Entwicklung militärisch durch Fortführung des Angriffes auf Ungarn
gerecht zu werden.
In diesen Erwägungen ließ sich die Stawka auch nicht stören, als
zu Anfang April, wohl schon zum zweiten- oder drittenmal in den
letzten Monaten, Nachrichten über das Auftauchen deutscher Verstär-
kungen in Westgalizien einlangten. Wohl wies General Danilow in seiner
Denkschrift vom 12. April auf die Gefahren hin, die sich für das Kar-
pathenunternehmen einstellen konnten, wenn sich diese Meldungen als
richtig erwiesen. Aber zum ersten schenkte man ihnen — noch mit Be-
rechtigung — keinen besonderen Glauben, und zum zweiten gab man
sich der Hoffnung hin, daß ein Erscheinen der Russen in der Donau-
und Theißebene wegen der in Österreich-Ungarn eintretenden politischen
Folgen auch die aus Westgalizien etwa drohenden Gefahren mit einem
Schlage beseitigen werde1).
Demgemäß erhielt Alexejew den Befehl, ja nichts ohne die Zustim-
mung der Stawka zu unternehmen, dafür aber die Ausscheidung starker
Reserven einzuleiten, deren erste, das III. kauk. Korps, als Verfügungs-
truppe der Heeresleitung nach Chyrów in Galizien abzugehen hatte.
Iwanow aber wurde verständigt, daß der Großfürst-Generalissimus ob
der Einstellung des Karpathenangriffes peinlich berührt sei.
Mittlerweile hatten jedoch die Ergebnisse der Osterschlacht noch
nachhaltiger auf die Stimmung der Führer des Südwestheeres gewirkt.
Zumal Dimitriew, der Befehlshaber der 3. Armee, stand unter dem be-
1) Ob die russische Heeresleitung mit solchen Erwägungen Recht behalten hätte,
bleibe dahingestellt. Es ist hier schon gesagt worden, daß es Falkenhayn sogar er-
wünscht gewesen wäre, die Russen noch weiter in die Karpathen hineinzuziehen.
Die Russen wollen den Stoß nach Ungarn fortsetzen
311
stimmten Eindruck, daß das Auftreten der Deutschen bei Mezölaborcz
nicht als Abwehrmaßnahme, sondern als Auftakt zu einer großen gegne-
rischen Offensive zu betrachten sei. Iwanow witterte außerdem aus dem
Räume von Sztropkó erhebliche Gefahren. Zusehends trat gegenüber
diesen Besorgnissen der Gedanke an die Fortführung der eigenen Offen-
sive in den Erwägungen dieser Generale zurück. Schließlich kam es
so weit, daß Iwanow — offenbar in falscher Auslegung des Meinungs-
atistausches zwischen Alexejew und der Stawka — am 15. April seinen
Armeen verkündete, im Hinblick auf neue Entschlüsse der Heeresleitung
könne ein weiteres Vordringen nach Oberungarn unterbleiben und es sei
dem Gegner nur dann durch Angriff zu begegnen, wenn er galizischen
Boden beträte.
Die unablässigen Mahnungen der Stawka bereiteten diesem echt
russischen Zwischenspiel alsbald ein Ende. Der Großfürst wollte über
die Pläne Iwanows endlich Näheres erfahren. Nun erst entschloß sich
dieser — es war schon der 27. April — seine vor zwanzig Tagen an
die Armeen ausgegebenen Angriffsweisungen vorzulegen und gleich-
zeitig mitzuteilen, daß er den Hauptangriff rittlings der Linie Turka—
Nagy-Verecke zu unternehmen gedenke. Die Führung dieses Stoßes sollte
dem 11. Armeekmdo. zufallen, das —ohne über eine besonderen Angriffs-
willen verratende Stoßgruppe zu verfügen — zwischen dem 8. und dem
9. Armeekmdo. eingeschoben wurde.
Die Stawka war mit der verhältnismäßig passiven Rolle nicht ein-
verstanden, die Iwanow der 9. Armee zudachte. Auch die Bereitstellung
des an die Südwestfront fahrenden XXXIII. Korps weit östlich bei
Kamieniec-Podolski behagte ihr nicht; es sollte näher herangezogen
werden, um bei einem umfassenden Angriff der 9. Armee gegen Pflanzer-
Baltin zur Hand zu sein.
Iwanow fügte sich den beiden Forderungen und setzte den 3. Mai
als Beginn des Angriffes fest, ohne daß freilich von wirklichen Angriffs-
vorbereitungen die Rede sein konnte. Der Glaube an den Erfolg scheint
eben bei den Befehlsstellen der Südwestfront schon geschwunden ge-
wesen zu sein.
Von der Dunajecfront war bezeichnenderweise im Schriftenwechsel
der russischen Befehlshaber nur flüchtig die Rede. Dort hatte Dimitriew
sogar vor einer Woche noch eines der drei Korps, das XXI., abgezogen,
um es in den Abschnitt seiner besonderen Vorsorge, in den Raum von
Mezölaborcz, zu verschieben. Auch die am 26. April einlangende Nach-
richt von der Ansammlung erheblicher gegnerischer Kräfte in der Ge-
312
Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
gend Neusandez—Grybów—Ciçèkowice hatte die tags darauf gefaßten
entscheidenden Entschlüsse Iwanows und der Stawka noch nicht zu be-
einflussen vermocht. In den letzten Apriltagen machte sich dann aller-
dings unter dem Eindrucke neuer Botschaften über Westgalizien ein,
gewisser Wandel bemerkbar. Dimitriew zeigte Miene, seinen starken
linken Flügel zugunsten des rechten zu schwächen. Ebenso ließ Iwanow
die bei Dçbica ausgeladene 63. RD. in den Raum Jaslo—Brzostek vor-
schieben und auch das nun an seine Befehle gewiesene III. kauk. Korps
wurde von Chyrów nach Krosno gewiesen, wo es am 2. Mai eintreffen
konnte. Es ist aber gerade bei dieser zweiten Maßnahme doch noch
fraglich, ob sie schon als Gegenzug gegen den Aufmarsch Mackensens
betrachtet werden kann oder ob sie nicht noch immer von der Sorge
wegen der angeblich in ¡der Duklasenke drohenden Gefahren diktiert war.
So gesellte sich auf russischer Seite der ungünstigen Verfassung der
Truppen, die sich namentlich in einer trostlosen Munitionslage aussprach,
noch die Zerfahrenheit in der Führung bei. Der Eigenwilligkeit und dem
passiven Widerstand der Frontbefehlshaber stand die Wehrlosigkeit und
Schwäche der Stawka gegenüber in einer Stunde, in der die Heereslei-
tungen der Mittelmächte im Begriffe waren, sich in gleichfalls nicht
leicht erkämpfter Geschlossenheit zu einer gewaltigen Kriegstat zu-
sammenzutun. Es konnte da nicht anders sein: der mit Brillanten ge-
schmückte Georgssäbel, den der Zar Nikolaus Ende April auf seiner
Reise durch das „befreite Galizien" seinem Oheim, dem Großfürsten-
Generalissimus, überreichte, mußte für den Träger und sein Heer zum
Danaergeschenk werden.
Die Durchbruchsschlacht bei Gorlice
(2. bis 8. Mai 1915)
Hiezu Beilagen 15 und 16
Der Aufmarsch zur Schlacht
Das war ein denkwürdiges Frühlingserwachen Ende April 1915 in
den westgalizischen Bergen. Zug um Zug rollte über Krakau undTeschen-
Bielitz und auch auf weitem südlichem Umweg heran und schüttete vor
den staunenden Kämpfern der k. u. k. 4. Armee Tausende und aber Tau-
sende von Pickelhauben aus samt Geschütz und Kriegsgerät. Falken-
hayn hatte besonders tüchtige, kriegserprobte Truppen auserwählt, dar-
unter preußische Garden, Hannoveraner, Bayern, Niederschlesier, hatte
sie mit den besten Kampfmitteln ausgerüstet und ihnen besonders kriegs-
erfahrene Führer beigegeben. Galt es doch, einen Plan in die Tat umzu-
setzen, dessen Ausführung bisher in solchen Abmessungen noch nicht ver-
sucht worden war: einen Durchbruch durch eine Front, zu deren techni-
scher Ausgestaltung dem Feinde Monate zur Verfügung gestanden waren.
Zur Täuschung der Russen wurde das Möglichste getan. Nördlich
der Weichsel, in den Karpathen und sogar an der Westfront hatten Schein-
angriffe die Aufmerksamkeit der Russen von der Angriffsstelle abzu-
lenken. Am äußersten Nordflügel brach der deutsche GLt. v. Lauen-
stein am 27. April mit drei Infanterie- und ebensoviel Reiterdivisionen
in Kurland ein, wo er zu Anfang Mai an die Dubissa und bis in die Ge-
gend von Mitau gelangte. Auch das neue, schreckenerregende Kriegs-
mittel, das Giftgas, sollte — knapp, nachdem es im Westen zum erstenmal
angewendet worden war — zur Verschleierung der eigenen Absichten be-
nützt werden. Ungünstige Windrichtung ermöglichte es jedoch erst am
2. Mai, einen bei Skiernewice angesetzten Gasangriff durchzuführen. Bei
der 11. Armee mußte ein gleicher Versuch unterlassen werden, da das
Gas nicht rechtzeitig eintraf.
In Westgalizien selbst sollten allerlei Maßnahmen die Geheimhal-
tung des Angriffes verbürgen. Der Generalstabschef Mackensens, Obst,
v. Seeckt, hätte am liebsten die ganze Zivilbevölkerung aus dem Auf-
marschraum abgeschoben. Die Truppenmärsche wurden dem Blicke des
Feindes möglichst entzogen ; keine größere Abteilung durfte sich, nament-
316
Von Gorlice bis Lemberg
lieh in den späten Vormittags- und in den frühen Nachmittagsstunden, auf
den Straßen zeigen, da zu dieser Zeit die russischen Flieger in den Lüften
kreisten. In der Nähe der Front wurden alle Bewegungen in der Nacht
durchgeführt. Deutsche Offiziere, die zur Ablösung der öst.-ung. Truppen
in die Stellung vorgingen, bedienten sich der Feldmützen ihrer Verbün-
deten statt der Helme.
Am 22. April hatte das AOK. im Einvernehmen mit der DOHL. die
grundlegenden Befehle erlassen. Die 11. Armee erhielt den Auftrag, aus
dem Räume Sçkowa—Ciç±kowiee vorzubrechen und mit ihrem starken
Südflügel die Richtung Zmigrod—Dukla— Sanok einzuschlagen. Die noch
südlich des 11. Armeebereiches stehenden zwei Divisionen der 4. Armee
— die 10. und die 8. — waren durch Heereskörper der 3. Armee abzu-
lösen, die den Angriff der 11. südlich der gegen Zmigrod streichenden
Magorahöhe (Watkowa) zu decken hatten. Die 4. Armee sollte den Raum
bis zur Weichsel sperren und über die Biala sowie gegen die Höhen
zwischen dieser und dem Dunajec angreifen. Die in den Karpathen und
nördlich der Weichsel stehenden Streitkräfte hatten den Feind zu binden
und am Abziehen von Truppen nach Westgalizien zu hindern.
Entsprechend den Weisungen der Heeresleitung zog Gdl. Boroevic
das X.Korps (24., 2. ID., 45. SchD.) und die 21. SchD. auf die Höhen
östlich von Uscie Ruskie, wo sie die beiden Divisionen der 4. Armee ab-
lösten und sich mit starkem Nordflügel zum Angriff gruppierten. Außer-
dem nahm das 3. Armeekmdo. noch die 22. SchD. bis zum l.Mai in die
GegendvonBartfeld, um sie in den nächstenTagen gleichfalls demX.Korps
folgen zu lassen. So sah Boroevic doch noch einen am 13. April erstatteten
ähnlichen Vorschlag im Großen der Verwirklichung entgegengehen.
Die ersten Truppen Mackensens langten, am 21. April in Westgalizien
ein. Der Antransport der ersten sechs Infanteriedivisionen — Gardekorps,
XXXXI. RKorps, 119. ID., ll.bayr. ID. — nahm acht Tage und fast 500
Züge in Anspruch. Das deutsche X.Korps folgte als zweite Staffel1).
Das k. u. k. VI. Korps rückte, um den Verbündeten Platz zu geben, in den
Raum beiderseits von Luzna zusammen. Südlich von Gorlice gelangten
die Bayern und die 119. ID. in, die Front, nördlich davon das XXXXI. R-
Korps. Links von Arz marschierte das GKorps zur Schlacht auf. Vom
X. deutschen Korps kam die 20. ID. in die Gegend von Grybów, die 19.
in den Raum bei Zakliczyn. Das k. u. k. AOK. legte begreiflicherweise auf
schnelles Losschlagen Wert, damit die Überraschung des Feindes nicht
i) Vgl. auch Ratzenhofe r, Der Eisenbahnaufmarsch bei Gorlice (Wehr-
zeitung 1929, Folge 10, 11).
Die 11. und die 4. Armee
317
verloren ging, und ordnete an, daß auf das deutsche X. Korps jedenfalls
nicht gewartet werden dürfe. Der Angriff wurde zuerst auf den 1. Mai
festgesetzt, dann aber auf den 2. verschoben.
Die k.u.k.4. Armee, deren Befehlshaber, Erzherzog Joseph Ferdinand,
sich ohne Einwendung dem Kommando der deutschen 11. unterstellte,
trat in folgender Ordnung zum Kampfe an x) : IX. Korps (32 Bataillone,
7 Schwadronen, 30 Batterien), bestehend aus der 106.LstID. und der 10.ID.,
beiderseits von Gromnik; Gruppe FML. Roth (46 Bataillone, 6 Schwa-
dronen, 50 Batterien), mit der 3. und der 8. ID. nordöstlich von Zakliczyn,
den linken Flügel an den Dunajec gelehnt; mit der LstGruppe Obst. v.
Morgenstern und der deutschen 47. RD. den Dunajec abwärts bis in den
Bereich von Radlów; schließlich die neu aufgestellte Gruppe FML. Stöger-
Steiner (etwa 23 Bataillone, 7 Schwadronen, 11 Batterien), zusammenge-
setzt zum Teil aus schon in diesem Räume befindlichem Landsturm
(4y2 Landsturminf ante rie- und 7 Landsturmetappenbataillone), zum Teil
aus von der 1. Armee überstellten Truppen, von Radlów bis zur Dunajec-
mündung. Als Armeereserve stand fürs erste die vom XII. Korps heran-
gezogene komb.Brig. GM. v. Szende 2) zur Verfügung, die mit ihren zwei
Infanterieregimentern (Nr. 62 und 82) elf Bataillone, gegen 10.000 Feuer-
gewehre, zählte3). Der Bitte des Erzherzogs Joseph Ferdinand, die aus
der Front gelöste ll.HKD. bei der Armee zu belassen, wurde zunächst
nicht willfahrt, da dieser Heereskörper im Sinne der Berliner Abmachungen
zu Mackensen zu gelangen hatte. Für alle Fälle wurde die 1. Armee an-
gewiesen, eine Brigade der 2. KD. an ihrem Südflügel bereitzustellen.
GO. Mackensen bezog mit seinem Stabe in Neusandez Quartier4). Er
erließ am 29. um 6h abends den Befehl für den Angriff. Die 11. Armee
!) Für die Schilderung der Ereignisse bei der k. u. k. 4. Armee stand auch eine
zusammenfassende Niederschrift des im Österr. Kriegsarchiv eingeteilten Gstbsobstlt.
a. D. Uriel zur Verfügung.
2) Bisher Kommandant der 31. IBrig.
3) Mit den von der 1. Armee und von der Gruppe Kövess herangezogenen Kräften
sollte die vom AOK. Teschen übernommene Verpflichtung, die 4. Armee durch zwei
Infanteriedivisionen zu verstärken, erfüllt werden (S. 306).
4) „ . . . Eine Besprechung, die Oberst v. Seeckt am 19. April im Anschluß an
seine Meldung im Hauptquartier Teschen mit Gen. v. Conrad hatte, ergab völlige
Übereinstimmung über die geplante Operation. Obst. v. Seeckt erhielt hiebei einige
Aktenstücke zur Verwendung bei den Vorbereitungen der Durchbruchsschlacht. Sie
enthielten jedoch nur die Darstellung von Angriffen kleinen und kleinsten Ausmaßes
im Räume von Gorlice. Irgendwelche operative Vorbereitungen für die bevorstehende
Durchbruchsoffensive der 11. Armee waren von der öst.-ung. Heeresleitung bisher
nicht getroffen." (Reichsarchiv, VII, Bürstenabzüge.)
318
Von Gorlice bis Lemberg
wurde angewiesen, mit der ganzen Front bis an den Abschnitt Zmigrod—
Kolaczyce durchzustoßen. Links von ihr hatte der Südflügel der 4. Ar-
mee zunächst Ryglice und die Höhe Gorskie, A 403 südlich von Tarnów,
zu gewinnen. Weiterhin sollte sie die Nordflanke der 11. Armee decken.
Eine Reihe von Bestimmungen galt der artilleristischen, infanteristischen
und technischen Vorbereitung des Angriffes, für die auch gesonderte
Weisungen herausgegeben wurden. Die „Angriffsstreifen" der Korps
waren bis,an die Linie Dukla—Frysztak derart ausgesteckt, daß die 11. Ar-
mee eine Schwenkung von Nordost gegen Ost vollzog. In einer 5 km von
den Ausgangsstellungen entfernten Linie sollte am ersten Angriffstag
unbedingt der Einklang zwischen den vorwärtsstürmendenTruppen wieder-
hergestellt werden. Das deutsche X. Korps hatte an diesem Tage bis an
den Dunajec zu folgen.
An Artillerie waren für den Angriff zwischen dem Karpathenkamm
und Tarnów 733 leichte, 175 mittlere und 24 schwere Geschütze bereit-
gestellt; dazu kamen noch bei der deutschen 11. Armee 70 Minen werf er.
Dem Einsatz dieser 1000 Rohre wurde besondere Sorgfalt zugewendet,
da er für das sichere Gelingen des Durchbruchs entscheidend war1).
Das schon stark durch Flieger geförderte Erkundungsergebnis über
die gegenüberstehenden russischen Kräfte deckte sich mit der Wirklich-
keit nahezu völlig2). Von Gladyszów bis Rzepiennik hielt das X., von
dort bis zur Dunajecmündung das IX. Russenkorps die Stellung. Jenes
zählte 3 Infanteriedivisionen, dieses ebensoviel und noch 5 Reichswehr-
brigaden. An Reserven standen hinter der Dunajecfront, gegen Süden
mehr zusammengeballt, 2 Infanterie- und 5 Kavalleriedivisionen; außer-
dem war das III. kauk. Korps im Anrollen (S. 312). Im unmittelbaren
Schlachtbereich hatten sich sonach am ersten Kampftage die rund 22 In-
fanteriedivisionen und 1 Kavalleriedivision zählenden Verbündeten mit
etwa 14 russischen Inf anterie- und 5 Kavallerie di visionen (das kauk. Korps
nicht eingerechnet) zu messen, ein Kräfteverhältnis, das, durch artille-
ristische Mittel noch erheblich verbessert, sicherlich erfolgverheißend war.
Der Vorstoß an die Wisloka
(2. bis 5. Mai)
Ohne die Russen zu alarmieren war das Gefecht da und dort schon
am 30. April oder 1. Mai aufgeflackert; so bei den Bayern der ll.Divi-
!) Die Geschützzáhlen sind einer Aufstellung des GM. d. R. Hornung entnommen.
2) Ronge, 155 f.
Der Sturmangriff
319
sion, die dem Feind am letzten Apriltage das Dorf Ropica ruska südöst-
lich von Sçkowa entrissen hatten. Am 1. mittags setzte weisungsgemäß
das Einschießen der Artillerie ein. Die Nacht wurde zum Vorschieben
der Infanterie verwendet, wobei es wieder an einzelnen Punkten der
Front zu Gefechten kam. Am 2. früh entrollt sich das große Schlacht-
drama, dessen Beginn der bei Gorlice im Brennpunkte der Ereignisse
stehende Führer des XXXXI. RKorps, Gdl. v. François, in fesselnder
Weise schildert1):
Fünf Minuten vor sechs Uhr ! Schußfertig stehen die Kanoniere an den Ge-
schützen, die Infanteristen haben Sturmgepäck angelegt und drängen an die Brust-
wehr, um zu hören und zu sehen.
Auf unserem Gefechtsstand Höhe 747 ist es still geworden, jeder steht an
seinem Platz, die Uhr in der Hand. Blau der Himmel, klar die Luft und zu unseren
Füßen wie Schlangen im Gelände die eigenen und die russischen Kampflinien. Rechts
am Rahmen des Panoramas: Gorlice mit der Kirchhofshöhe, in der Mitte die dunkle
Waldmasse des Kamieniec und zur Linken der Bergkegel des Pustki, das Angriffsziel
der Österreicher.
Sechs Uhr ! Der 12 cm bei Höhe 696 gibt den Signalschuß und alle Batterien, von
den Feldkanonen bis zu den schweren Mörsern, feuern schlagfertig eine Salve nach den
russischen Stellungen. Dann folgt ein Rollen und Grollen, ein Krachen und Stampfen;
700 Geschütze öffnen den Feuerrachen und speien Stahl und Eisen, das zischend und
pfeifend die Luft durchschneidet. Drüben bohren sich die Geschosse in den Boden und
werfen Erdmassen, Holzsplitter und Hindernisteile meterhoch in die Luft. Jenseits der
russischen Linien schlagen Rauch und Flammen aus Gehöften und Dörfern. Hier und
dort sieht man Russen aus Gräben und Stützpunkten flüchten, doch todbringend eilen
ihnen unsere Schrapnells nach. Schwere Flachbahngeschütze halten die feindlichen An-
marschstraßen unter Feuer. Nördlich Gorlice lodert eine dicke Feuersäule haushoch
auf, schwarze Rauchmassen steigen aufwärts tief in die Wolken hinein. Ein unver-
geßliches, ergreifendes Schauspiel. Die Tanks einer Naphthafabrik hatten sich entzündet,
ob durch unser Feuer oder vorsätzlich durch die Russen, keiner weiß es.
Die russische Artillerie zögerte geraume Zeit mit der Antwort, ihr Feuer blieb
schwach. Stark schien die russische Artillerie nicht zu sein.
Der Uhrzeiger steht auf neun ! In das Wirkungsschießen der Artillerie mischt sich
ein neues Getöse. Die Minenwerfer beginnen ihr Zerstörungswerk. Kleine und große
Minen fliegen im hohen Bogen, dem Auge sichtbar, über die Sturmstellung hinweg in
die feindliche Stellung. Scharf und nervenerschütternd ist die Detonation. Die Bäume
brechen wie Streichhölzer, riesige Stämme werden hochgeschleudert, die Steinmauern
der Häuser fallen in Trümmer, Erdfontänen spritzen aus dem Boden. Das Erdreich
erbebt, die Hölle scheint entfesselt...
Zehn Uhr! Das Minenfeuer verstummt, die Artillerie verlegt das Feuer. Schrille
Pfiffe. Über die Brüstung hinweg stürzt die erste Sturmwelle vorwärts auf den Feind.
An nicht wenig Stellen der langen Schlachtfront hatte schon dieses
erschütternde Präludium der Widerstandskraft des Feindes den Todes-
i) François, Gorlice 1915 (Leipzig 1922), 47 f.
320
Von Gorlice bis Lemberg
stoß versetzt. Von ihrer an Munitionsnot leidenden Artillerie kaum unter-
stützt, floh die russische Infanterie entweder diese Hölle, indem sie nach
hinten oder zum Gegner hin das Weite suchte; oder sie kauerte sich an
die Grabenböschungen, in vollster Ergebenheit des Geschickes harrend,
das da kommen mochte, Tod, Verwundung oder Gefangenschaft brin-
gend. FML. Arz schildert solche Schlachteindrücke, indem er die Ein-
nahme der vordersten Linien des nordöstlich von Lu£na aufragenden
Pustkiberges berichtetx) :
. . . Unsere Spannung wuchs auf das Höchste, als Punkt 10h die Infanterie aus
den Sturmstellungen vorbrach. Bald entschwand sie in Staub und Rauch, rasch vor-
dringend. Wird es gelingen? Die Frage stand auf aller Lippen. Da erkennt man am
Südwesthange, wo sich der Rauch zu verziehen begann, erst einzelne Leute, dann ganze
Linien herabeilen. Der Angriff scheint nicht gelungen zu sein. Doch die zurückfluten-
den Linien werden immer dichter, ballen sich zu Massen, die viel stärker als die zum
Angriffe angesetzten waren — jetzt erkennen wir es deutlich: die sich wie Lava über
die Hänge ergießenden Massen sind — Russen. Es waren Tausende von Gefangenen,
die sich glücklich schätzten, der Hölle entronnen zu sein. Der Berg war unser, das
erste Loch in die feindlichen Stellungen war geschlagen.
Nicht überall wirkte die Erschütterung des Feindes freilich so schleu-
nig. Oft genug ermannte er sich noch in der vordersten Linie oder doch
in hinteren Stellungen zu starkem Widerstand, der durch die allerdings
wenig planvoll eingesetzten Reserven genährt wurde. Dann gab es schwere
Kämpfe, die auf beiden Seiten empfindliche Lücken rissen.
Das Schwergewicht der Schlacht lastete auf der 11. Armee, die den
Durchbruch zu erkämpfen hatte. In ihrer Mitte entwand die 82. RD. des
XXXXI. RKorps der russischen 61. RD. am Vormittag den Friedhof nord-
westlich von Gorlice und br ach am Nachmittag über das in einen Trümmer-
haufen zerschossene Städtchen vor, dessen Name fürderhin mit der Er-
innerung an eine der größten Schlachten der Weltgeschichte verknüpft
sein sollte. Rechts von der 82. RD. drang die 119. ID. über Gorlice hinaus.
Ihre südliche Gruppe wirkte an der von der ll.bayr. mit gewohntem
Schwung durchgeführten Erstürmung des 3 km östlich von Sçkowa auf-
steigenden Zamczyskoberges mit2). Öst.-ung. Gebirgsbatterien hatten
diesen schweren Angriff erfolgreich begleitet. Den Befehl über das aus der
!) A r z, 60.
2) Der Anteil der reichsdeutschen Truppen an den Kämpfen wird in diesem
Werke nur so weit geschildert, als es zum Verständnis der Ereignisse bei den öst.-
ung. Heeresteilen nötig ist. Die Darstellung dieses Anteils fußt in diesem Abschnitte
auf den im Österr. Kriegsarchiv verwahrten Akten, ferner auf Reichsarchiv, VII
(Bürstenabzüge); Gorlice (XXX. Bd. aus der Folge „Schlachten des Weltkrieges",
Oldenburg 1930); François, Gorlice.
Der Sturm auf den Pustkiberg
321
119. und der 11. bayr. ID. komb. Korps hatte an diesem Tage der Führer
der Bayern, GM. Ritt. v. Kneußl, geführt. Am Abend wurde es, bei
gleichzeitiger Angliederung der 20. ID., dem Kommandierenden des
deutschen X. Korps, Gdl. v. Emmich, übertragen.
Die 81.RD.des XXXXI.RKorps focht im engen Anschlüsse an das k.u.k.
VI. Korps. Bei diesem hatte die westgaliziseh-sudetenländische 12. ID.,
FML. Kestranek, schon in der Nacht auf den 1. Mai die Russen aus dem
Dorfe Lu±na vertrieben. Ihr Angriffsziel für den 2. war der schon, ge-
nannte, zu einer Festung ausgebaute Pustkiberg. Die 72 Rohre, die FML.
Arz, der Kommandierende des VI. Korps1), gegen dieses Bollwerk
hatten wirken lassen, erschütterten den Verteidiger aufs schwerste. Gegen
Mittag erklomm das IR. 56, auf heimatlichem Boden fechtend, die be-
herrschende Kuppe. Aber so gewaltig der erste Eindruck war — es währte
doch noch bis in die frühen Nachmittagsstunden, ehe die russische 31. ID.
ihre Höhenstellungen völlig geräumt hatte. Unterdessen rang sich südöst-
lich von Luzna die 81. RD. gegen den zäh verteidigten Kamieniecwald
vor, während auf der anderen Seite der 12. ID. die ungarisch-slowaki-
sche 39. HID., FML. Hadfy, die Wiatrowkihöhe trotz des von Norden
kommenden russischen Flankenfeuers zu gewinnen trachtete. GM. v.
Metz (Kmdt. der 23. IBrig.), der die gesamte Angriffsinfanterie der 12. ID.
befehligte, zögerte nicht, nach der Eroberung des Pustkiberges sofort
seinen beiden Nachbarn Hilfstruppen zu senden. So fielen gegen 5h abends
der Kamieniecwald und bei Einbruch der Dunkelheit die Wiatrowkihöhe.
Die preußische Garde war zur selben Zeit in ungestümem Vordringen
bis Rzepiennik gekommen.
Am rechten Flügel der k. u. k. 4. Armee hatte sich die 10. ID. nach
zähem Ringen mit der 70. Russen di vision der Höhen nördlich des andert-
halb Gehstunden langen Gassenortes Rzepiennik bemächtigt, während
die wackere lOó.LstID. 2 km überGromnik hinausgelangt war und auch
südöstlich vom Wal unter verschiedenen Schwankungen örtliche Erfolge
errungen hatte.
Dem nach langer Trennung wieder vereinigten, unter dem „Edel-
weiß" fechtenden XIV. Korps des FML. Roth waren vier durch Monate
ausgebaute Stützpunkte der Russen als Angriffsziel gegeben: südöstlich
vom Wal der steile Kegel des „Zuckerhutes", nordöstlich vom Wal die
Höhe 481, dann weiter das „Hufeisen" und schließlich nahe dem Dunajec
die Trigonometerhöhe 419. Ihr Name soll in Erinnerung gerufen sein,
*) Riedl, Die Gefechtstätigkeit des k. u. k. VI. Korps in der Durchbruchs-
schlacht bei Gorlice am 2. Mai 1915 (Budapest 1928), 20 ff.
II 21
322
Von Gorlice bis Lemberg
denn manches junge Blut vom Inn und von der Etsch, von der Salzach
und von der Traun mußte die Erde röten, ehe der Russe sie preisgab.
Am 2. Mai früh stürmte der rechte Flügel der Linzer 3. ID., FML.
Horsetzky, mit dem 2. KJR. und einem Bataillon 59er den „Zuckerhut",
behauptete ihn durch Stunden gegen schwerstes Geschützfeuer und über-
mächtige Gegenstöße, mußte ihn jedoch schließlich wieder dem Feinde
überlassen1). Die Division blieb tagsüber vor den russischen Hindernissen
liegen. Die Kaiserjäger der 8. ID. bemächtigten sich um 7h früh des „Huf-
eisens", doch war auch ihnen durchschlagender Erfolg versagt. Daß auch
an diesem Mißgeschick etwaiger Mangel an Opfermut wahrlich nicht die
Schuld trug, erweist sich aus den Verlusten der stürmenden Truppe, die
in diesen Tagen beim XIV. Korps größer waren als in irgendeinem
anderen Abschnitte der Schlachtfront. Büßten einzelne Kompagnien doch
mitunter alle Offiziere und drei Viertel ihrer Mannschaft ein 2) !
Die gegenüber von Tarnów stehende 47. RD. bereitete am ersten
Schlachttage die Wegnahme der ausgedehnten Brückenkopfstellung vor,
die die Russen hier nach der Schlacht von Limano wa-Lap ano w auf dem
Westufer des Dunajec festgehalten hatten. Sie wurde nun von zwei Re-
gimentern der russischen 5. ID. verteidigt.
Ein schöner Erfolg war der Gruppe FML. Stöger-Steiner am unteren
Dunajec beschieden. Mit der Brigade GM. Schaible an der Spitze über-
setzte sie nach Mitternacht den Fluß und legte in den ersten Morgen-
stunden eine Kriegsbrücke darüber. Die gegenüberstehenden Reichswehr-
brigaden gaben auf dem Ostufer 4 bis S km Raum. FML. Stöger-Steiner
erhielt von der 1. Armee eine halbe 2. KD. und überdies die ursprüng-
lich der 11. Armee zugedachte ll.HKD. der 4. Armee zugewiesen, um
bei weiterem Vordringen in den Rücken des Feindes wirken und auch die
Weichsel gegen Norden sichern zu können.
Auch am entgegengesetzten Flügel der Schlachtfront, gegenüber dem
k. u, k. X.Korps der 3.Armee, mußten die Russen Raum geben. Seit
frühestem Morgen im Kampfe, warfen gegen Abend die 21. und die
45. SchD. unter den Augen des Armeeführers Boroevie die russische 9.Di-
vision von den Höhen östlich von Malastów, indes Mitte und rechter
Flügel des Korps befehlsgemäß in ihren Stellungen verharrten.
Um Mittag war auf einer Höhe westlich von Gorlice der Armee-
o(f&i kommandant FM. Erzherzog Friedrich mit dem Thronfolger und dem
x) Unsere Rainer im Weltkriege 1914—1918 (Salzburg 1918), 109 ff.
2) Vgl. u.a.Schemf il. Das k. u. k. 3. Regiment der Tiroler Kaiserjäger (Bre-
gens 1926), 171 f.
Die Lage der Russen am 2. Mai
323
Chef des Generalstabes Gdl. Conrad erschienen, um Zeuge des großen
Erfolges zu sein, der hier errungen worden war. Hunderte von Gefan-
genen, oft nur von einem einzigen Reitersmann eskortiert, zogen, ihres
Lebens sichtlich froh, an ihnen vorüber und legten Zeugenschaft von der
schweren Erschütterung ab, von der der Feind betroffen war. Ein herr-
licher Maientag umfing das Grauen der Walstatt. Der Wettergott blieb
den Angreifern auch in den nächsten Kampftagen unverändert wohlgesinnt.
Die russische Führung war am frühen Morgen durch den von der
Front herüber dröhnenden Kanonendonner aus ihrer Untätigkeit jäh er-
weckt worden. Die Rettungsversuche, die Gen. Dimitriew tagsüber unter-
nahm, erwiesen sich jedoch als völlig unzulänglich. Bei Gorlice kam die
Masse der aus der Reservestellung geholten 63. RD. gerade noch zurecht,
die weichenden Trümmer der 61. aufzufangen. Die Alarmrufe der 3. Ar-
mee nötigten den Generalstabschef der Südwestfront, dem Befehlshaber
dieser Armee die Verfügung über das III. kauk. Korps zu übertragen,
dessen erste Transporte eben bei Krosno einlangten und nun nach Jaslo
und Zmigrod vorgezogen wurden1).
Nicht minder kritisch als bei Gorlice gestaltete sich die Lage nörd-
lich von Bieez, wo zwischen den weichenden Flügeln des IX. und des
X. Russenkorps durch das scharfe Zugreifen des Korps Arz und der
Garde eine breite Lücke entstanden war. In höchster Eile raffte Dimi-
triew drei Infanterie- und sieben Reiterregimenter zusammen, um sie unter
dem Gen. Wolodtschenko in den bedrohten Raum zu werfen.
Sehr unbequem empfanden die Russen auch den Vorstoß Stöger-
Steiners am unteren Dunajec. Hier mußte vor allem die jenseits von der
Weichsel stehende 75. RD. helfen, die bei NowyKorczyn ein Regiment
auf das Südufer warf, ohne daß es der Gegner hindern konnte.
Wie sich das Schicksal der russischen 3. Armee weiterhin gestalten
werde — dies hing vor allem vom Eintritt des III. kauk. Korps in die
Schlacht ab. Daher war es für die Verbündeten von entscheidender Be-
deutung, daß die Stoßgruppe Mackensens auch in den nächsten Tagen
nichts an Schwung verlor. Daneben war es für die Größe des Erfolges
wichtig, daß diese Stoßgruppe möglichst bald die Richtung Ost gewann,
weil dadurch auch die russische Karpathenfront am schwersten gefähr-
det wurde.
Demgemäß wies GO. Mackensen seine 11. Armee für den 3. zunächst
!) Boncz-Brujewitsch, II, 69 ff; Zajontschkowskij, Strategische
Studie über den Weltkrieg 1914—1918, VI. Teil, in russischer Sprache (Moskau 1923),
290 ff.
21*
324
Von. Gorlice bis Lemberg
auf die Höhen westlich von Przegonina und Lipinki, sowie südlich und
nordwestlich von Biecz und westlich von Olszyny. Als sich jedoch am 3.
Vormittag zeigte, daß der Russe den dem VI. Korps und der Garde zu-
gewiesenen Raum schon freiwillig geräumt hatte, steckte um die Mittags-
stunde Mackensen, bestärkt durch die Gen. Arz und Freih. v. Plettenberg,
die Führer dieser Korps, seinen Divisionen noch weitere Ziele : sie sollten
bis zum Abend zwischen Zmigrod und Kolaczyce an die Wisloka gelangen.
Mit dem Erreichen dieser Räume sollte es jedoch am 3. Mai noch sein
Bewenden haben.
Von dem am Südflügel Mackensens fechtenden Korps Martiny der
k. u. k. 3. Armee vertrieb die 21. SchD. bis gegen Mittag die russische
9. Division auf den Höhen südlich von Przegonina (Ostra 735 und A 757)
und gewann dann auch diesen Ort. Der Korpsführer ballte nun auf den
eben genannten Höhen die 2. ID. und die 45. SchD. zu einer Stoßgruppe
zusammen, die in den nächsten Tagen auch die 24. von den Fesseln des
Stellungskampfes befreien sollte.
Das nördlich im Anschluß fechtende komb. Korps Emmich kam nach
zähem Kampfe über Lipinki hinaus, wobei es bei der tapferen ll.bayr.ID.
nicht ohne erhebliche Schwankungen abging. Nicht weniger schwer machten
es die Russen den Divisionen der Generale François und Arz, sich der
Höhen südwestlich und nordwestlich von Biecz (Wilczak und Dzial Krze-
mienny) zu bemächtigen. Gen. Dimitriew hatte den beim Zustand seines
X. Korps ziemlich gewagten Entschluß gefaßt, die Kaukasier in 10 km
Frontbreite auf den Höhen beiderseits von Biecz zum rettenden Gegen-
stoß anzusetzen. Da das k. u. k. Korps aber erst am Abend und in der
Nacht bei Biecz eintreffen konnte, hing von der Behauptung der ge-
nannten Höhen außerordentlich viel ab. Die 63. RD., die Dimitriew hier
im Räume der 31. ID. eingesetzt hatte, und andere vom linken Armeeflügel
herangeholte Verstärkungen bunter Zusammensetzung konnten jedoch das
Schicksal nicht aufhalten. Als der Abend dämmerte, waren die heißum-
strittenen Höhen von Biecz im Besitze der Verbündeten.
Links von Arz war die Garde an Olpiny herangekommen. Die in
der zweiten Weisung Mackensens vorgesehene Linie zu erreichen, war
allen vier Korps versagt geblieben.
Für die k. u. k. 4. Armee hatte die zu Beginn der Schlacht festge-
setzte Aufgabe auch weiterhin Geltung. Sie hatte mit ihrem rechten Flügel
auf annähernd gleicher Höhe mit der 11. Armee vorzudringen, aus ihrer
Mitte heraus den Raum um Tarnów zu gewinnen — wobei dem Flanken-
stoß der beiden alpe ni an dischen Divisionen des FML. Roth besondere Be-
Die 4. Armee am 3. Mai
325
deutung zukam — und schließlich auch den Feind vom unteren Dunajec
zurückzudrängen.
Das IX.Korps wurde auch am 3.Mai seiner Aufgabe in weitem Aus-
maße gerecht. Die 10. ID. zwang die sich ihr entgegenwerfenden Teile
der Gruppe Wolodt schenko auf die Höhen südwestlich von Ryglice zurück,
die 106. LstlD. warf die 70. Russendivision bei Tuchów auf das Ostufer
der Biala. So hatte das Korps um die Mittagsstunde schon beiläufig den
Raum erreicht, der zur Deckung der 11. Armee nötig war, als Mackensen
seine Angriffsziele weiter nach Osten verlegte. Um der dadurch ge-
schaffenen Lage Rechnung zu tragen, wies der Erzherzog Joseph Ferdi-
nand der 10. ID. nun noch fünf Bataillone unter GM. Szende zu. Der An-
griff wurde fortgesetzt. Am Abend stand die 10. ID. auf dem Dobrolyn
südlich von Ryglice, indes die 106. LstlD. in Tuchów einrückte.
An der Lockerung der Russenstellung westlich von Tuchów hatte
auch die 3. ID. hervorragenden Anteil. Sie hatte sich schon am frühen
Morgen endgültig des „Zuckerhutes" bemächtigt und in den darauffol-
genden Stunden gegen die Biala hin Raum gewonnen. Während ihr rechter
Flügel dem Feinde gegen Tuchów an den Fersen blieb, wandte sie sich
links dem Kampffeld der 8. ID. zu, die sich in den Morgenstunden unter
erheblichen Verlusten an das Drahtverhau der feindlichen Hauptstellung
herangearbeitet hatte, aber dort für den ganzen Tag festgebannt blieb,
obwohl sie gleich der 3. ID. durch zwei Bataillone der Armeereserve
verstärkt worden war. Der Armeeoberkommandant hatte den Kämpfen
der alpenländischen Regimenter auf einer Höhe bei Wojniez beigewohnt.
Einige Entlastung versprach dem XIV. Korps in seiner schwierigen
Lage die Vertreibung der Russen aus ihrem Brückenkopf nordwestlich
von Tarnów. Hier war es der 47. RD. geglückt, unterhalb von Radlów
zwei Bataillone auf das Ostufer des Dunajec zu bringen, worauf der
Feind flußaufwärts das ganze Westufer räumte. Abwärts von Radlów
vermochte zwar Stöger-Steiner nicht weiter Raum zu gewinnen, sich aber
immerhin gegen starke Gegenangriffe zu behaupten.
Auf russischer Seite hatte man an diesem Tage schon ziemliche Klar-
heit über den Gegner gewonnen. Gen. Dragomirow, der Generalstabschef
Iwanows, teilte am Abend dem Generalquartiermeister der Stawka am
Telephon mit, daß dem X. Korps GO. Mackensen mit vier Korps, dar-
unter der preußischen Garde, gegenüberstehe. Dimitriew hatte zu Iwanow
schon von der Möglichkeit gesprochen, die am heftigsten angegriffene
Front hinter die Wisloka zurücknehmen zu müssen und je ein Korps aus
der Narewfront und aus der Bukowina als Verstärkung erbeten; auch
326
Von Gorlice bis Lemberg
ein Eingreifen der 4. Armee in westlicher Richtung oder über die Weichsel
sei geboten. Iwanow beurteilte jedoch die Lage an der Duna jecfr ont noch
keineswegs so kritisch. Dimitriew sollte es nur versuchen, die Lage durch
den Gegenangriff seiner Kaukasier wiederherzustellen.
Die Kaukasier, deren Führer Irmanow nun auch den Befehl über das
X. Korps übernahm, kamen aber viel zu spät auf das Schlachtfeld, wie bei
der zersplitterten Anfahrt des Korps1) nicht anders zu erwarten war.
Die eine der beiden Divisionen, die 21., trat am 4. Mai nachmittags bei
Bednarka in den Kampf. Es gelang ihr hier wohl, das* Vordringen der
verstärkten k. k. 21. SchD. Martinys und des Korps Emmich vorüber-
gehend zu verzögern. Aber am Abend flutete sie gemeinsam mit den
Trümmern der 9. gegen Dembowiec und Zmigrod zurück. Die k. k.
21. SchD. hatte den Russen Bartne und den Berg Watkowa entrissen.
Martinys Korps, dem nun auch die bis Uscie Ruskie gefolgte 22. SchD.
(S.316) unterstellt wurde, sollte nun schärferen Kurs gegen Krempna
nehmen, um hier womöglich noch einen Teil der russischen Karpathen-
front abzuschneiden. Vom komb. Korps Emmich gelangten die Bayern
von Bednarka halben Weges bis Zmigrod heran, indes die 119. ID. die
Russen noch von den Höhen südwestlich von Dembowiec vertrieb. Im An-
schluß daran hatten sich die beiden Divisionen des Gdl. François, erheb-
lichen russischen Widerstand brechend, bis Osobnica vorgearbeitet.
Nördlich der Ropa konnte die 52. ID. des III. kauk. Korps erst abends
den bedrängten Kameraden zu Hilfe eilen. Dennoch hatten sich die zu-
sammengewürfelten Bataillone der 61. und der 63. RD. in diesem Räume
noch tapfer gegen die Anstürme des Korps Arz und der Garde gewehrt.
Erst nach erheblichen Anstrengungen war es der k. u. k. 12. ID. gelungen,
den Feind über Biecz zurückzuwerfen, während die 39. HID. bis gegen
Abend an die Niederung nordöstlich von Biecz gelangte. Links von Arz ließ
sich die Garde weder durch die Flügelstöße der Gruppe Wolodtschenko,
noch durch einen Rückschlag, der bei der benachbarten k. u. k. 10. ID. auf
dem Dobrolyn eintrat, daran hindern, östlich von Olpiny die gleiche
Höhe mit dem k. u. k. VI. Korps zu gewinnen.
Dem Angriff des rechten Flügels der k. u. k. 4. Armee hatten die
Russen am 4. früh im Mündungswinkel zwischen Dunajec und Biala und
auf den Höhen nordwestlich von Tuchów (Gors,kie) die durch Reiterei
verstärkte 42. ID., zwischen Tuchów und Ryglice die 70. RD., südöstlich
von Ryglice die Gruppe Wolodtschenko entgegengestellt. Diese Heeres-
körper waren ebenso wie der Nordflügel des russischen IX. Korps zum
1) Broussilov, 123.
Die Kämpfe der 4. Armee am dritten Schlachttage
327
Gegenangriff befohlen. Aber es kam kaum mehr zu einer einheitlichen
Kampfhandlung.
Auf öst.-ung. Seite hatten sich Abteilungen der 10. ID. in der Nacht
noch des dem Dobrolyn vorgelegenen Obszar bemächtigt. Am 4. früh
waren die Regimenter des FML. Horsetzky im Bereiche des Wal tief in
die russischen Stellungen eingebrochen, die nun auch hier brüchig wurde.
Beim Schein der Morgensonne, die wie an den vorangegangenen Tagen
vom wolkenlosen Himmel her ableuchte te, rückten nun die 3. und die 8. ID.
über die blutgetränkten Kampf Stätten in nordöstlicher Richtung der Biala
zu. Rechts von ihnen schob sich eine Brigade der 106. LstlD. an den Fluß
heran und über ihn hinweg, um eine Brücke und sechs Stege einzubauen,
die in den Nachmittagsstunden fertig wurden.
Östlich von der Biala, wo von links nach rechts die andere Brigade
der 106. LstlD. und die 10. ID. eingenistet waren, ergab sich am Vor-
mittag der schon beim Vorgehen der Garde erwähnte Rückschlag. Das Ba-
taillon der 10. ID., das den Obszar inne hatte, mußte diesen Punkt vor einem
Gegenstoß Wolodtschenkos räumen. Die große Wichtigkeit des Kampf-
raumes der 10. ID. hatte längst die Aufmerksamkeit des Armeekmdos.
in besonderem Maße auf sich gezogen. Nun entschloß es sich um 10h
vorm., das Schwergewicht seiner ganzen, Stoßgruppe auf das rechte Biala-
ufer zu verlegen. Die 106. LstlD. sollte alle entbehrlichen Teile auf diesem
Ufer zusammenziehen, die 10. ID. durch sechs Bataillone der früheren
Gruppe Szende — davon vier, die schon beim XIV. Korps eingesetzt
waren — verstärkt werden. Auch Roth hatte alles, was links von der
Biala entbehrlich war, auf das rechte Ufer zu entsenden. Dafür sollte er
die Bezwingung der Höhen südlich von Tarnów (Gorskie) einem östlich
der Biala geführten Flügelangriffe Králiceks überlassen. In weiterer
Folge hatte das IX. Korps — auch im Sinne der später einlangenden
Weisungen Mackensens — die Wislokastrecke Brzostek—Pilzno zu ge-
winnen, das XIV. beiderseits der großen Straße und der Bahn Tarnów—
Rzeszów vorzudringen.
Die Einzelverfügungen des Armeekmdos. stießen aber beim FML.
Roth, der schon den Bialaübergang nordwestlich von Tuchów vorbereitet
hatte, auf starke Einwände; es sei erfolgverheißender, statt der zeitrau-
benden Verschiebungen dieses Unternehmen auslaufen zulassen. So setzte
denn nach Mittag die Gruppe Szende (S. 325) gemeinsam mit Abteilungen
der 106. LstlD. gegen die Höhen südöstlich von Tuchów und bald darauf
die 10. ID. aus westlicher und südwestlicher Richtung gegen den Obszar
zum Angriff an, der bis Abend noch Raum gewann und in der Nacht zur
328
Von Gorlice bis Lemberg
Wiedergewinnung des Obszar führte. Die Russen hatten die ihnen aufge-
tragenen Gegenstöße mit Opfermut, aber zusammenhanglos geführt.
Die 3. ID. konnte in der Nacht auf den 5. nordöstlich vom Wal die
Biala überschreiten. Im Mündungswinkel hatte sich der Feind noch ein-
mal in einer östlich von Wojnicz verlaufenden, südwärts gekehrten Stellung
festgeklammert. Wieder mußten die Kaiserjäger Schritt um Schritt mit
Blut erkaufen. Links davon war es der 47. RD. und der Gruppe Stöger-
Steiner nicht vergönnt, ihre Brückenkopfstellungen nach Abwehr russi-
scher Gegenstöße zu erweitern.
Solcherart hing wohl die Nordflanke des Stoßkeiles der Verbündeten
am Abend des 4. Mai noch immer beträchtlich zurück und auch die 11. Ar-
mee hatte die ihr zugedachten Ziele wegen des heftigen Widerstandes
des Russen nicht erreicht. Aber der Südflügel Mackensens steckte schon
tief in den russischen Linien, die zum Reißen gespannt waren.
Die Kämpfe am 5. Mai und das Eingreifen der k. u. k. 3. Armee
Am 4. abends hatte Dimitriew seinem Frontbefehlshaber gemeldet,
daß die Kaukasier nur mehr in der Lage gewesen seien, die Reste der
70., der 61. und der 63. RD. und der Gruppe Wolodtschenko aufzufangen.
Die gesamte Westfront könne nur mehr fünf Divisionen stark bewertet
werden und würde auch nach dem Eintreffen der in Aussicht gestellten
13. sib. SchD. und einer kombinierten, deren Zusendung gleichfalls ange-
kündigt war, nur ihrer sieben zählen. Vom X. Korps waren bloß 4000 bis
5000 Bajonette geblieben, die Divisionen führten 800 bis 1000 Streiter in
ihren Reihen.
Der Rückzug der Gruppe Irmanow hinter die Wisloka mußte selbst-
verständlich auch auf die benachbarten Frontabschnitte zurückwirken.
Von den Karpathentruppen wurde das XII. Korps auf den Duklapaß,
das XXIV. in den Raum westlich und südlich von 2migrod gerufen. Am
Nordflügel der Armee Dimitriews hatte das IX. Korps bis zum 5. abends
zwischen der Dunajecmündung und Pilzno Stellung zu nehmen. Südlich
sollte die Gruppe Wolodtschenko anschließen. Zwischen Brzostek und
Zmigród sammelte Irmanow die Trümmer seiner Korps, wobei aller-
dings noch die Behauptung der Höhen westlich vom Flusse in Aussicht
genommen war.
Fast noch gefährdeter als die Lage an der Wisloka sah der Armee-
führer jene beim IX. Korps an, das gleich „einem dünnen Vorhang" ge-
spannt war und dessen Reichswehrtruppen sich in Menge gefangen nehmen
Der Vormarsch der ganzen 3. Armee
329
ließen. Angesichts dieser Verhältnisse erachtete er es gar nicht für un-
möglich, daß derGegner nun trachten werde, zwischen der 3.und der 4. Ar-
mee durchzustoßen und den Zusammenhalt zwischen ihnen zu zerreißen.
Auf der Seite der Verbündeten rief das Vordringen Mackensens bis
an die Wisloka nun auch die ganze k. u. k. 3. Armee auf den Plan. Es lag
der Gedanke nahe, die Verkeilung starker russischer Streitkräfte in den
Karpathen auszunützen und Teilen dieser Kräfte womöglich den Rück-
zug zu versperren. Zu diesem Ende ordnete der am 4. Mai spät abends
erlassene Heeresbefehl an, daß sich von der 3. Armee dem über Krempna
auf Tylawa gewiesenen k. u. k. X. Korps nun auch die Gruppe Kraut-
wald anzuschließen habe. Einige Stunden darauf befahl die Heeresleitung
überdies den rechten Flügel der 3. Armee, das Beskiden-und das VII. Korps,
zum Vorrücken, indes die Armeemitte den Feind noch festzuhalten hatte.
Als sich jedoch am frühen Morgen zeigte, daß die Russen auch vor
dieser zurückwichen, ließ Boroevic seine ganze Armee aus ihren zu Ostern
noch so schwer behaupteten Gräben zur Offensive vorbrechen. Der linke
Flügel der 2. Armee war schon von der Heeresleitung angewiesen, dieser
Bewegung zu folgen.
Östlich der Bahnlinie Homonna—Mezölaborcz stieß nun freilich das
Beskidenkorps auf den noch festen Flügel der 3. Russenarmee ; es arbei-
tete sich bei Virava bis an die Hindernisse der feindlichen Hauptstellung
heran. Links von der Bahn drückte die deutsche 4. ID. den Westflügel
des XXI. Russenkorps auf Mezölaborcz zurück. Das k. u. k. VII. Korps
drang kampflos in Sztropkó ein, traf aber auf den Höhen nordöstlich von
diesem Orte auf den starken Widerstand des schrittweise gegen den Dukla-
paß weichenden russischen XII. Korps; die Kämpfe dauerten bis in die
Nacht. Nachdem nur die Gruppe GM. Berndt bei Sosfüred einen kurzen
Kampf zu bestehen gehabt hatte, erreichte links vom Erzherzog Joseph
das XVII. Korps am Nachmittage die Ondava ab- und aufwärts von
F.-Vizköz. Das III.Korps, dem neben der 26. SchD. und der 28. ID. auch
die 24. ID. des X. Korps unterstellt worden war, rückte mit den beiden
erstgenannten Divisionen im Vormarsch gegen Krempna in die Front
beiderseits von Alsopagony ein. Die 24. ID. erreichte, über Rostajne
kommend, im Nachtmarsche noch Zydowskie. Die Absicht, die 26. SchD.
an diesem Tage den Entscheidungskämpfen noch näher zu bringen,
mußte der Armeeführer aufgeben, da die böhmischen Schützen im Graben-
krieg ihre Marschfähigkeit eingebüßt hatten.
Zumal das dem k. u. k. III. Korps gegenüberstehende russische XXIV.
hatte es verständlicherweise sehr eilig gehabt, den Marsch in den ihm
330
Von Gorlice bis Lemberg
zugewiesenen Raum südlich und westlich von Zmigrod anzutreten. Denn
die Bedrohung in der rechten Flanke und im Rücken war höchst bedenk-
lich geworden. In der Tat sollte es nur einem Teil des Korps gelingen,
den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Von Westen kam das k.u.k. X.Korps
angerückt, dessen 2. ID. zugleich mit der 24. den Raum nordwestlich von
Zydowskie gewann, indes die 21. SchD., gefolgt von der 45. SchD., am
Abend bei Krempna gegen Abteilungen des X.Korps der Russen und
deren hastig nach Nordosten strebende 49. ID. in den Kampf trat und
die aus den Karpathen heranführende Straße schon durch Geschützfeuer
sperrte. Von Norden drohte noch schwerere Gefahr, denn dort war der
Südflügel Mackensens bereits erheblich über 2migrod, den Versamm-
lungsraum des XXIV. Russenkorps, hinausgekommen !
Die öst.-ung. Heeresleitung hatte der 11. Armee für den S.Mai vor-
geschrieben, den Stoß mit verstärktem Südflügel in die Linie Dukla—
Krosno—Strzyzów fortzusetzen. Daß es dem Feinde an diesem Tage in
der Tat nicht mehr gelang, die Geschlossenheit seiner Front aufrechtzu-
erhalten, kam vor allem dem Korps Emmich zustatten, das — mit der
bayr. 11. und der 20. ID. im ersten, der 119. im zweiten Treffen —über
2migrod bis in den Raum nördlich und westlich von Dukla vorstoßen
und die Hand auf die Lebensader des XXIV. und des XII. Russenkorps
legen konnte. So bereitete sich hier an den Ausgängen der Gebirgstäler
eine Kriegshandlung von dramatischer Spannung vor, die in den nächsten
48 Stunden ihre Lösung finden sollte.
Der frühzeitige Verlust von Zmigrod hatte aber die tapferen Kau-
kasier noch keineswegs veranlaßt, auch die Höhen südwestlich und nord-
westlich von Jaslo kampflos preiszugeben. Das deutsche XXXXI. RKorps
hatte den ganzen Tag über erbittert zu ringen, bis es ihm zu sp äter Nacht-
stunde glückte, den Feind im Räume von Osobnica zu werfen. Nicht
anders erging es nördlich der Ropa der im ersten Treffen des VI. Korps
vordringenden 12. ID., die über die Niederung nordöstlich von Bieez noch
ohne russische Gegenwirkung hinwegkam, dann aber Mühe genug hatte,
sich bis zum Abend auf 5 bis 6 km an Jaslo heranzuarbeiten. Ebenso-
wenig wie diesen beiden Korps gelang es der Garde, am 5. die der 11. Ar-
mee vorgezeichnete Linie zu erreichen. Die Kaukasier hielten bis in den
Abend hinein die Höhen westlich vonKolaczyce mit zäher Verbissenheit.
Die k. u. k. 4. Armee hing zum Unbehagen der Heeresleitung noch
immer weit zurück. Ihre Spitzen division, die 10., drang bis auf die Höhen
südwestlich von Jodiowa vor, stellte hier den Anschluß an die Garde her
und erfüllte damit auch die Aufgabe, deren Nordflanke zu decken. Die
Die Russen weichen vor dem XIV. Korps
331
Gruppe Wolodtschenko zog sich gegen Abend südlich von Brzostek über
die Wisloka zurück, wo sich nördlich des ebengenannten Ortes auch die
Reste der 61. und der 31. Russendivision sammelten.
Die Masse des k. u. k. IX. Korps staffelte sich über Ryglice gegen
Zalasowa zurück. Bei der starken Ausdehnung der Truppen Králiceks
besorgte das 4. Armeekmdo. ein Reißen der Verbindung zum XIV.Korps,
von dem die 3. ID. wohl die Biala überschritten hatte, die 8. aber noch
immer von der russischen 42. im Mündungswinkel aufgehalten wurde.
Ebenso ging es auf dem linken Flügel, bei der 47. RD. und der Gruppe
Stöger-Steiner, nicht vorwärts. Um endlich den Bann zu brechen, der auf
der Armee lastete, nahm am 5. nachmittags Erzherzog Joseph Ferdinand
in Aussicht, die 8. ID. vom Westufer der Biala abzuziehen und sie östlich
des Flusses mit der 3. ID. zu einer eng geschlossenen Stoßgruppe zu ver-
einigen, die endlich den Weg nach Tarnów öffnen sollte. Da kam spät
abends die Nachricht, daß es der 3. ID. geglückt war, die Höhe Gorskie
zu erstürmen, ohne daß sich erst ein umfassendes Eingreifen der 106. Lst.-
ID. (Gruppe GM. Aust) fühlbar machen mußte. Gleichzeitig meldeten
die Kaiserjäger Fortschritte westlich der Biala. Nun atmete auch das
4. Armeekmdo. auf. Als vor Mitternacht auf den 6. Mai Mackensen an-
fragen ließ, ob es nicht zweckmäßig wäre, die bei Stöger-Steiner ange-
sammelte Reitermasse hinter die 11. Armee zu nehmen, gab der Chef der
Operationsabteilung des 4. Armeekmdos., Obst. Paie, der Hoffnung Aus-
druck, daß der Feind nun auch gegenüber der 4. Armee nachzugeben
scheine und daß sich daher für die Kavallerie sehr bald in den Ebenen
südlich von der Weichsel ein Betätigungsfeld ergeben werde.
Die Einnahme von Tarnów und das Kesseltreiben
bei D u k 1 a
(6. Mai) V
Unterdessen hatte auf der Seite der Russen ein zwischen den Be-
fehlsstellen geführter Meinungsaustausch am 5. Mai vormittags weitge-
hende Anschauungsgegensätze aufgedeckt. Obgleich Iwanow sehr unge-
halten war, zeigte er gegenüber Dimitriew noch immer eine gewisse
Zuversicht. Zumal die vom Führer der 3. Armee in den Vordergrund
gerückte Gefahr eines Durchbruches zwischen der Weichsel und dem
Karpathenvorlande hielt der Frontbefehlshaber durch das Heranführen
der 13. sib. SchD. für ziemlich gebannt. Düsterer blickte Iwanows General-
stabschef Dragomirow in die Zukunft. Er betrachtete die Lage in West-
galizien für unhaltbar und sprach sich der Stawka gegenüber für einen
332
Von. Gorlice bis Lemberg
Rückzug der drei rechten Armeen — 4., 3., 8. — in die Linie liza—Józe-
fów—Przemysl (dieses in die Front einbezogen)—Turka aus, indes die
9. Armee gleichzeitig zur Offensive überzugehen gehabt hätte. Doch fand
er mit diesem Vorschlage keineswegs den Beifall der Heeresleitung, deren
Generalstabschef ihm telegraphieren ließ, daß sich die 3. Armee unbe-
dingt an der Wisloka zu halten habe. Im Hinblick auf die Front im west-
lichen Weichsellande forderte die Stawka, daß Zumindestens der rechte
Flügel der 3. Armee nicht weiter als bis an den Unterlauf des ebenge-
nannten. Flusses zurückgehen dürfe. Der Großfürst tat ein übriges, in-
dem er am 5. abends den Gen. Dimitriew wissen ließ : „Das Eintreffen des
ruhmreichen III. kauk. Korps und anderer Verstärkungen bietet Gewähr,
daß von Ihrer Seite alles geschehen wird, um wieder eine günstigere
Lage herzustellen."
Bei seiner Sorge um den gestreckten Nordflügel war Dimitriew vor
allem bestrebt, das IX. Korps aus seiner ausgesetzten Lage in die Linie
Szczucin—Pilzno zurückzuführen. Die Befehle hiezu scheinen noch um die
Mittagszeit ergangen zu sein, wurden aber erst in der folgenden Nacht
und auch da nur zum Teil ausgeführt. Inzwischen waren beim Kmdo. der
3. Armee auch die Hiobsbotschaften über die Ereignisse im Räume Jaslo—
Dukla eingetroffen. Wenn auch die Meldungen noch kein zuverlässiges
Bild ergaben, — von der 48.ID. des XXIV.Korps fehlte überhaupt jede
Nachricht — so war es doch klar, daß der Raum um Zmigrod und der
Duklapaß verloren waren und daß demnach den beiden dorthin gewie-
senen Korps, dem XXIV. und dem XII., neue Abschnitte zugewiesen
werden mußten. Ebenso war an eine Behauptung der Höhen westlich der
Wisloka nicht mehr zu denken. Demgemäß rief Dimitriew seine hart her-
genommene Mitte hinter die Wisloka und die Jasiolka zurück. Der Süd-
flügel des IX. Korps hatte bei Pilzno noch eine Brückenkopf Stellung zu
beziehen. Links davon hatten das X.Korps (31.ID., 61.RD., 16.KD., 3.Don-
KosD.) den Raum oberhalb von Brzostek1), weiter das kaukasische den
Abschnitt bei Jedlicze und das XXIV. jenen bei Rymanów einzunehmen.
Das XII. Korps sollte hier mit einer scharf gegen Westen gerichteten Front
anschließen und die 12. sib. SchD. brigadenweise bei Frysztak und Zar-
szyn als Reserve ausscheiden. Das XXI. Korps hatte in seinen Karpathen-
stellungen östlich vonMezölaborcz auszuharren. Der Stab desXXIX.Korps
wurde an die untere Wisloka befohlen, um dort den Befehl über die da-
hin entsandten, tropfenweise einlangenden Verstärkungen — 13. sib.SchD.
und 62. RD. — zu übernehmen. Ausdrücklich verlangte Dimitriew, daß
x) Gen. Wolodtschenko befehligte eine Gruppe am rechten Flügel des X. Korps.
Vorbrechen des XIV. Korps über Tarnów
333
die 8. Armee fest bleiben möge, denn auch er sei entschlossen, nunmehr
mit seinenTruppen äußerstenWiderstand zu leisten, „koste es, was es wolle".
Die Aufmerksamkeit der Heeresleitung in Teschen war in diesen
Stunden vor allem auf das Kesseltreiben in der Gegend von Dukla ge-
richtet. Ihm einen möglichst großen Erfolg zu sichern, war der Zweck der
am 5. spät abends erlassenen Befehle. Das XXXXI. RKorps hatte südlich
von Jaslo die Wisloka zu überschreiten, das Korps Emmich in den Raum
südlich von Krosno vorzudringen, das Korps Martiny über Tylawa nach
Jasliska zu stoßen. Dem rechten Flügel der 3. Armee wurde die Straße
Radoszyce—Zagorz als Leitlinie vorgeschrieben, dem rechten Flügel
Böhm-Ermollis die Linie Wolosate—Lutowiska—Kroscienko (südwest-
lich von Chyrów). Die Hauptkräfte der 4. Armee sollten südlich der
großen Straße Tarnów—Pilzno angesetzt, die bei Dçbica mündenden
Bahnen möglichst bald durch vorbrechende Reiterei unbrauchbar ge-
macht werden.
Die Hoffnungen der Heeresleitung, daß nun endlich auch die 4. Armee
ihrer Fesseln ledig sein werde, erfüllte sich am linken Armeeflügel noch
immer nicht. Wohl hatte der Feind das östliche Dunajecufer gegenüber
der 47. RD. völlig geräumt und auch bei Stöger-Steiner genügte ein nicht
allzu starker Druck, um die Russen zu einigem Raumopfer zu veran-
lassen. Aber schon in der Höhe von D^browa richteten sie sich zu neuem
Widerstande ein. Hier mußte am linken Flügel der deutschen Reserve-
division die bereits gegen Dçbica aufgebotene Honvédreiterei wieder zum
Feuergefecht absitzen. Aufklärung über die Lage brachte bald ein russi-
scher Funkspruch. Der Führer des IX. Russenkorps hatte sich — offen-
bar in Kenntnis der bei der Stawka herrschenden Stimmung — entschlossen,
nur den linken Flügel weiter abzubiegen, mit dem rechten aber noch
nächst der Dunajecmündung auszuharren, wozu ihm die nördlich an-
schließende 4. Armee Unterstützung in Aussicht stellte.
Dagegen zogen sich die Russen vor der Mitte der k. u. k. 4. Armee
in Eile zurück. Ohne sich in der am Vorabend geplanten Weise umzu-
gruppieren, trat das Korps Roth die Vorrückung in nordöstlicher und
östlicher Richtung an. Das oberösterreichische IR. 14 berichtet darüber in
seinem Ehrenbuche1): „Durch die unaufhaltsamen Märsche, ständigen
Gefechte, den fehlenden Schlaf, mangelhaften Nachschub, da der Train
mit diesem Tempo nicht Schritt zu halten vermochte, waren die Soldaten
körperlich ganz herabgekommen und fielen oftmals vor Ermüdung um ....
x) Rgts.-Gesch. des IR. 14: Ein Buch der Erinnerung an große Zeiten 1914—1918
(Linz 1919), 38.
334
Von Gorlice bis Lemberg
Fast achtzehn Stunden war das Regiment nach Zwiernik1) mehr ge-
stolpert als marschiert und wartete, dort angekommen, als Divisions-
reserve auf weitere Befehle, die erst in den frühen Morgenstunden ein-
trafen." Abteilungen der 8. ID. besetzten gemeinsam mit den Landstürmern
Morgensterns, die nun in den Etappendienst übertreten sollten, die arg
zerschossene Stadt Tarnów. Gegen Abend gelangte die Masse des Inns-
brucker Korps in das Hügelland westlich und nordwestlich der Brücken-
kopfstellung von Pilzno. Südlich von dieser kämpfte die 106. LstlD.,
nachdem sie tagsüber mehrfach mit der 3.kauk. KD. die Klinge ge-
kreuzt hatte, noch in der Nacht mit der russischen 70. RD. und Teilen
der 42. ID. um wichtige Höhen. Leichter hatten es die 10. ID. und die ihr
angeschlossene Gruppe GM. Szende gehabt; sie vermochten am linken
Wislokaufer gegenüber Brzostek ihr Nachtlager fast ohne Schuß zu be-
ziehen. Da die Truppe einer Rast dringend bedürftig war, mußte jedoch
der vom Armeekmdo. gewünschte Flußübergang auf den 7. verschoben
werden.
Entgegen dem Drängen Teschens hatte GO. Mackensen für den 6.Mai
zunächst die Absicht, Mitte und linken Flügel seiner Armee, die etwas
zurückhingen, dem rechten auf gleiche Höhe folgen zu lassen. Erst am
6. mittags wies er diesen an, in der Richtung Rymanow nachzustoßen. An
diesem Tage gelangte die Garde, der nun auch die 19. ID. angeschlossen
war, bis an den Abschnitt Jaslo—Kolaczyce, nahm den erstgenannten
Ort, vermochte aber ihre 10 km weiter östlich liegenden Marschziele
nicht mehr zu erreichen. Vom VI. Korps kam die 12. ID. spät abends
nach Jaslo. Die 39. HID. durchfurtete die brennendes Erdöl führende
Wisloka bei der zerstörten Bahnbrücke oberhalb von Jaslo und kam süd-
lich der Jasiolka, mehr oder minder an der neu ausgesteckten Russen-
front vorübermarschierend, auf einen halben Tagmarsch über die Stadt
hinaus. Die 81. RD. des Gdl. François stieß bis Zrçcin vor, indes die 82.
ins zweite Treffen genommen wurde. Rechts vom XXXXI. RKorpsnahm
die Masse des Korps Emmich bei Iwla und Dukla Front gegen Süden.
Sie sollte dort gemeinsam mit der 3. Armee die Abschnürung der aus
den Karpathen nordwärts strebenden Russen vollenden.
Nun war es allerdings den beiden Divisionen des vor allem bedrängten
XXIV. Russenkorps noch in der Nacht geglückt, sich unter Aufopferung
von Seiten- und Nachhuten in das Bergland östlich von Krempna durch-
zuschlagen. Wenn auch stark dezimiert, gewann von hier die 49. ID.
den ihr vorgezeichneten Raum südlich von Krosno, wo sie gemeinsam mit
x) Örtlichkeit südlich von. Dçbica.
Die 48. Russen di vision zersprengt
335
der 11. KD. den ausgedehnten Abschnitt Jedlicze—Rymanów besetzte.
Umso übler wurde der 48. mitgespielt, die, der 49. nachfolgend, zu-
nächst versuchte, von Mszana aus über Hyrowa durchzubrechen. Von den
Bayern hieran gehindert, kehrte die Division wieder nach Mszana
zurück. Hier schlug ihr aber das Geschütz- und Gewehrfeuer der von
Krempna anrückenden k. k. 45.SchD. entgegen. Der Großteil der russi-
schen Infanterie flüchtete in die Wälder östlich von Mszana, indes die
Artillerie unter entsprechender Bedeckung über Tylawa auf die Dukla-
straße zu gelangen trachtete. Hier aber lief sie der Reiterei des GM.
Bern dt in die Hände, der seinem XVII. Korps mit der 18. KBrig. und
den Landsturmhusaren über den Duklapaß, mit der 21. KBrig. nach Cze-
remcha vorausgeeilt war. Bei Tylawa kam es zum Zusammenstoß. Die
Russen wehrten sich verzweifelt. Aber schon mußten sich ganze Abtei-
lungen ergeben, während sich der andere Teil noch in den Raum südöst-
lich von Dukla durchschlug, wo ihn am nächsten Tage sein Schicksal er-
eilen sollte.
Das k. u. k. X. Korps, das die 21. SchD. als Armeereserve zurückge-
lassen, dafür aber die 24. ID. wieder unterstellt bekommen hatte, näch-
tigte, seit Tagen unausgesetzt auf dem Marsche und im Kampf, gemein-
sam mit der Masse der Reiterei Berndts im Räume Mszana—Tylawa; die
21. KBrig. war bis Jasliska gelangt. Dahinter erreichte das XVII. Korps
mit der 11. ID. Czeremcha, mit der Gruppe Obst. v. Bolzano (IR. 81 und
88), der 26. SchD. und der l.LstlBrig. den Raum nördlich und südlich
vom Duklapasse. Die 28. ID. blieb bei F.-Odor zurück. Sie sollte sich
mit der 22.SchD., die zunächst dem X.Korps über Malastówund Rostajne
gefolgt, nun aber hier inf olge des Zusammenrückens der 3. Armee gleich-
falls entbehrlich geworden war, wieder zum III. Korps zusammenschlie-
ßen, dem die beiden Divisionen nach der Normalgliederung des Heeres
angehört hatten und das nun an den rechten Flügel der S.Armee ver-
schoben werden sollte.
Von diesem Armeeflügel war das VII. Korps dem russischen XII.,
nachdem die 20. HID. noch südöstlich von Nagybukócz heftige Kämpfe
zu bestehen gehabt hatte, bis an die Straße Mezölab or cz—Czeremcha ge-
folgt. Die 1. KD. nächtigte hinter dem Ostflügel des Korps. Das. Bes-
kidenkorps nahm Mezölaborcz und schwenkte in eine gegen Nordosten
gerichtete Front ein. Ihm gegenüber machte das russische XXI. Korps
noch wenig Miene, weiter Raum zu geben.
Am linken Flügel der 2. Armee, die in den vergangenen Tagen eifrig
bemüht gewesen war, die Aufmerksamkeit des Feindes durch erhöhte Ar-
336
Von Gorlice bis Lemberg
tillerietätigkeit und Scheinunternehmen zu fesseln und ihrerseits auch
einen oder den anderen russischen Vorstoß abzuwehren gehabt hatte,
schob sich am 6. Mai die 34. ID. im Anschluß an die deutsche 25. RD.
näher an die Kammstellung der russischen 3. SchD. heran. Neben ihr er-
stürmten die wackeren Deutschböhmen der 29. ID. eine Grenzhöhe süd-
lich von Wola Michowa (Na Stobach), mußten sie aber dem Feinde
wieder überlassen. Das Armeekmdo. in Ungvár traf unterdessen alle Vor-
bereitungen, um seine Korps auf die ersten Anzeichen eines russischen
Rückzuges aus den Stellungen zu rufen.
Die Fortführung des Angriffes über den Wislok
(7. und 8. Mai)
Hiezu Beilage 17
Noch am 6. Mai spät abends wies Dimitriew in einem Ferngespräch
mit Iwanow auf die wahrscheinlich eintretende Notwendigkeit weiteren
Absetzens vom Gegner hin. Für den Augenblick waren es namentlich
die Fortschritte der Verbündeten bei Jaslo, die den Führer der 3. Russen-
armee besonders beunruhigten. Er hielt es für unvermeidlich, noch in der
Nacht die Zurücknahme der inneren Flügel des X. und des III. kauk. Korps
gegen Gogolow zu verfügen. Gleichzeitig sollte das IX. Korps endlich
zwischen Szczucin und Pilzno in Stellung gehen. In denselben Stunden
kam von Iwanow der Befehl an Dimitriew, das XXI. Korps aus der Front
zu ziehen und um Sanok als Reserve aufzustellen. Dimitriew bat, diese
Weisung im Hinblick auf die Lage beim XXIV. Korps und auf den Zu-
sammenhang mit der 8. Armee erst am 8. ausführen zu dürfen. Iwanow
befahl, wenigstens die Artillerie des Korps bald verfügbar zu machen.
Entsprechend diesen Maßnahmen beim Feinide stieß am 7. Mai der
rechte Flügel und die Mitte des Beskidenkorps auf dem Beskidrücken
noch immer auf starken Widerstand, den zu brechen ihm an diesem Tage
noch nicht gelang. Lediglich der linke Flügel kam einigermaßen vorwärts,
indem er die Höhen beiderseits vom Bahnknie bei Mezölaborcz in Besitz
nahm. Immerhin lohnten sich aber die Anstrengungen der Angreifer, da
ein russischer Funkspruch den von Dimitriew für die folgende Nacht
angeordneten Abzug des gegenüberstehenden XXI. Korps verkündete.
Die drei anderen Korps der k. u. k. 3. Armee — VII., XVII. und X. —
hatten den Auftrag, dem gegen den oberen Wislok zurückweichenden
Feinde unter scharfem Auf schwenken gegen Osten an der Ferse zu bleiben.
Am rechten Flügel des VII. Korps griff die 1. KD. vergeblich die Höhen
Die Katastrophe der Division Kornilow
337
nordwestlich von Vidrány an. Im Anschluß daran stürmte die 20. HID.
eine starke russische Bergstellung an der galizisch-ungarischen Grenze
(Weretyszów); es währte bis zum Abend, ehe der Feind den umstrittenen
Punkt preisgab.
Offenbar um das Abfließen von Artillerie und Troß gegen Norden
zu erleichtern, hatte das russische XII. Korps im Räume westlich und
südwestlich von Surowica am 7. morgens erhebliche Kräfte zurück-
gelassen, die erst durch einträchtiges Zusammenwirken der 17., der 11., der
2. ID. und der 26. SchD. in fast den ganzen Tag über währenden Kämpfen
auf die Höhen südwestlich von Wislok Wk. und an den Wislok abwärts
von Surowica zurückgedrückt werden konnten. Die 17. ID. des VII.Korps
gelangte in den Raum westlich von Wislok Wk., das XVII. Korps mit
der 11. ID. bis Surowica, mit der 1. LstlBrig. dahinter und mit der nun-
mehr unterstellten 26. SchD. in die Gegend südöstlich von Krolik-Polski.
Vom X. Korps nächtigte die 2. ID. bei Jasliska und sicherte durch eine
vorgeschobene Abteilung die Verbindung zwischen der 11. ID. und der
26. SchD. Die 45. SchD. traf auf dem Wege nach Królik-Polski auf die
in der vorangegangenen Nacht hieher geflüchteten Teile der russischen
48. ID. Nur mehr Trümmer dieser Division, insgesamt 8 schwache Ba-
taillone und 14 Geschütze, vermochten sich auf das rechte Wislokufer
durchzuschlagen. Über 1300 Mann, 16 Geschütze und 5 schwere Hau-
bitzen blieben in des Gegners Hand. Der Führer der unglücklichen
Division, der ehrgeizige Gen. Kornilow, wurde am 12. Mai mit zwei
Obersten und fünf anderen Offizieren von einer Munitionskolonne der
k. u. k. 17. ID. bei F.-Vizköz aufgegriffen und gefangen genommen1).
Zahlreiche Versprengte irrten geraume Zeit in den Wäldern herum, wo-
bei ihnen die russenfreundliche ruthenische Bevölkerung dieses Land-
striches Unterstand gewährte und mitunter auch zur Rückkehr in den
Bereich des russischen Heeres verhalf. Die 24. ID. rückte der 45. nach;
die wieder dem X.Korps zugewiesene 21. SchD. gelangte in den Raum
um Mszana.
Die nunmehr armeeunmittelbar gestellte Kavalleriegruppe GM.Berndt
— 4, KD. und 1. LstHusBrig. — tauchte am 7. Mai bald nach Mittag auf
den Höhen bei Rymanów auf, wo sie von der deutschen 119. ID. zuerst
für Russen gehalten und beschossen wurde. Sie konnte dennoch den vor
i) Kornilow entkam später mit Hilfe eines tschechischen Wachsoldaten aus der
Gefangenschaft und spielte dann in der russischen Revolution und bei der Bekämpfung
des Bolschewismus eine hervorragende Rolle. Er fiel im Frühjahr 1918 als Befehls-
haber einer weißen Armee bei einem Sturm auf Jekaterinodar im Kaukasus.
II
22
338
Von. Gorlice bis Lemberg
ihren Augen zurückweichenden Marschsäulen des Feindes durch Ge-
schützfeuer noch recht lästig werden.
Der Führer der 11. Armee erhielt frühzeitig durch Flieger fort-
laufend Meldung über den Rückzug der Russen im Räume von Jaslo und
Kolaszyce. Die Masse der Armee hatte am 7. nachzustoßen, den Wislok
zwischen Haczów und Frysztak zu überschreiten und sich auf den Höhen
östlich des Flusses festzusetzen. Der Südflügel sollte sich gegen Besko
ausdehnen und wie an den Vortagen darauf bedacht sein, etwa noch in
den Beskiden steckenden russischen Kräften den Rückweg zu verlegen.
Die als südlichste Heeressäule vordringende 119. ID. des Korps
Emmich hatte, allmählich durch Teile der deutschen 20. ID. verstärkt,
westlich und östlich von Iwonicz heftige Kämpfe vor allem gegen die
12. sib. SchD. zu bestehen, trat bei Rymanów, wie schon erwähnt, mit
der Reiterei des GM. Berndt in Fühlung und vermochte noch den Wislok-
übergang bei Besko zu gewinnen. Links von Emmich gewann François
südlich von Krosno Raum.
Vom Korps Arz, dessen Divisionen seit Beginn der Schlacht bereits
4000 bis 6000 Mann eingebüßt hatten, besetzte die 39. HID. gemeinsam
mit deutschen Radfahrern die Stadt Krosno; die Russen (XXIV. Korps)
hatten sich auf die Höhen östlich davon zurückgezogen. Die links gestaffelt
vorgehende k. u. k. 12. ID. stieß im Raum von Jedlicze auf die am Süd-
flügel des III. kauk. Korps fechtende 9. ID. Eine Lücke in der gegne-
rischen Schlachtordnung erspähend, ging diese sogar zum Gegenangriff
über, wich aber schließlich, auch um den Zusammenhang mit dem
XXIV. Korps nicht zu verlieren, auf die Höhen westlich von Odrzykon
zurück, deren eine (A 326) noch in der fünften Nachmittagsstunde von
den Österreichern erobert wurde.
Links durch die deutsche 19. ID. verlängert, maß sich die preußische
Garde nordöstlich und nördlich von Jaslo wieder mit den Kaukasiern
Irmanows, die heftigen Widerstand leisteten, aber schließlich doch bei
Lubla aus den ihnen von Dimitriew am Abend zuvor zugewiesenen
Stellungen gegen den Wislok zurückgeworfen wurden.
Der k. u. k. 4. Armee hatte Mackensen für den 7. aufgetragen, die
Wisloka zu überschreiten und —nach links hinten gestaffelt — mit dem
rechten Flügel Frysztak zu gewinnen. Die Reiterei sollte sich ehestens in
den Ebenen nördlich der Bahn ausbreiten.
Nachdem die Brigade GM. Szende noch in der Nacht unterhalb von
Brzostek über die Wisloka gestoßen war, gewann die 10. ID. morgens
auch oberhalb dieses Ortes das Ostufer. Diese Kampfgruppen gelangten
Andauerndes Zurückhängen der 4. Armee
339
aber tagsüber über diesen Brechpunkt des mit seinem Südflügel gegen
Gogolów zurückgebogenen X. Russenkorps trotz heftigen Bemühens nicht
hinaus; es war schon Nacht geworden, als der Russe endlich Brzostek
preisgab und gegen Osten abzog. Auch die zweite Division des IX. Korps,
die 106., kam an diesem Tage nicht erheblich vorwärts; sie wurde trotz
mancher örtlicher Erfolge am Südteil des Brückenkopfes von Pilzno
festgehalten, so daß sich der Korpskommandant veranlaßt fühlte, für
den nächsten Tag einen Nordstoß der 10. ID. in Aussicht zu nehmen1).
Diese Sorge sollte aber dem FML. Králicek durch die Linzer Divi-
sion des links anschließenden XIV. Korps abgenommen werden. Diese
hatte früh morgens den Brückenkopf von Pilzno von Westen her ange-
griffen und rang den ganzen Tag über und durch einen guten Teil der
Nacht mit dem linken Flügel des russischen IX. Korps (70. RD. und
2. komb. KosD.) um jeden Fußbreit Bodens, bis die Russen endlich am
8. bei Morgengrauen eiligst über die Wisloka abzogen.
Hatte der Feind diesen Drehpunkt für das von Dimitriew angeord-
nete Zurückschwenken des IX. Korps auf jeden Fall solange wie möglich
halten müssen, so stießen weiter westlich die k. u. k. 8. ID. bei Walki, die
deutsche 47. RD. bei Lisia Gora und die Gruppe Stöger-Steiner nördlich
davon deshalb noch bis in den Abend hinein auf heftigsten Widerstand,
weil die Russen hier den Befehl, auf Radomysl und Szczucin zurück-
zugehen, erheblich verspätet erhielten.
Das andauernde Zurückhängen des linken Armeeflügels veranlaßte
das 4.Armeekmdo., für das XIV. Korps eine ähnliche Kriegshandlung zu
erwägen, wie sie innerhalb des IX. Korps vorübergehend der 10. ID. zu-
gedacht war. FML. Roth sollte den Russen nach ihrem Abzüge über die
Wisloka nicht sofort folgen, sondern zuerst der deutschen 47. RD. und
der Gruppe FML. Stöger-Steiner durch einen gegen Norden geführten Stoß
Entlastung bringen. Mackensen hingegen sah gegenüber solchen Plänen
in der Fortführung der Offensive gegen Osten das beste Mittel, auch
den Feind nördlich der Przemysler Bahn zum Rückzug zu zwingen. Er
sprach sich daher schärfstens gegen die Absichten des Erzherzogs Joseph
Ferdinand aus. Dagegen erreichte dieser beim k. u. k. AOK. die Unter-
stellung der in der Ebene fechtenden Gruppen unter ein gemeinsames
Kommando, mit dem von der Heeresleitung der vom Nordufer der
Weichsel herbeigeholte Führer des I. Korps, GdK. Karl Freih. v. Kirch-
bach, betraut wurde.
*) Übrigens soll es schon am 7. abends Reitern der 106. LstlD. geglückt sein, in
Pilzno einzudringen.
22*
340
Von Gorlice bis Lemberg
Der Entschluß der Russen zum Rückzug hinter den Wistok
Inzwischen hatte den Führer der russischen 3. Armee die aufs Neue
zutagegetretene Brüchigkeit der Front beim III. kauk. Korps und die
offenbar drohende Gefahr eines Durchbruches zwischen dem XII. und
dem XXIV. Korps (in der Gegend von Rymanów) wieder mit schwerster
Sorge erfüllt, der er gegenüber Iwanow und Brussilow in bewegter Klage
Ausdruck lieh. Die Armee zehre sich seit fünf Tagen völlig auf, meldete
er dem Frontbefehlshaber; eine Stützung durch zwei bis drei Armeekorps
sei unbedingt nötig, wenn man es nicht vorziehe, sich dem Druck des
Feindes durch beschleunigte Märsche zu entziehen.
Diese schwierige Lage -der 3. Armee war bereits der Hauptgegen-
stand einer Besprechung gewesen, die am 7.Mai vormittags auf dem Bahn-
hofe zu Cholm im Salonwagen des aus dem Hauptquartier herbeigeeilten
Großfürsten zwischen diesem, Gen. Iwanow und dem gleichfalls heran-
geholten Oberbefehlshaber der Nordwestfront, Gen. Alexejew, stattgefun-
den hatte. Wie es scheint, brachte der Stabschef Iwanows abermals den
schon am 5. aufgeworfenen Gedanken vor, die Heeresfront gegen den San
zurückzubiegen. Diese Idee wurde aber vom Großfürsten wie von seinem
Generalquartiermeister Danilow gleich entschieden verworfen. Der Gene-
ralissimus erteilte den strikten Befehl, daß die 3.Armee höchstens bis in
eine Linie zurückgehen dürfe, die „durch den Meridian der unteren Wis-
loka" gegeben war. Demgemäß ließ Iwanow die 3.Armee durch seinen
Stabschef Dragomirow anweisen, in der Nacht auf den 8. in die Linie
Szczucin—Radomysl Wk.—Wielopole—Wojkowska—Haczów—Bukowica-
rücken zurückzuweichen. Die Ausführung dieser Bewegung nötigte selbst-
verständlich auch mindestens den rechten Flügel der 8.Armee, entspre-
chend zurückzuschwenken. Die Weisungen Iwanows bestimmten diesem
Flügel die Linie Szczawne—Chryszczata als neue Stallung. Die 8. Armee
scheint zur Zeit, als dieser Befehl erlassen wurde, schon zum Rückzug an
den oberen San angewiesen gewesen zu sein. Offenkundig hat die Sorge,
der Stoß der Verbündeten gegen das XII. und das XXIV. Korps könne
überraschend in den Rücken Brussilows durchdringen, diesen Entschluß
hervorgerufen. Die Nachhuten Brussilows hatten Komancza, Jablonki,
Berehy Grn. und Ustrzyki Grn. zu halten.
Besondere Obsorge wurde in Cholm der Bildung von Reserven
für die 3. Armee zugewandt. Zunächst kamen in Betracht: die 13.sib.
SchD. und die 63. RD., die bei Mielec zum neuen XXIX. Korps zu-
sammengefaßt werden sollten; dann die vom Narew mit dem XV. Korps-
Dimitriews Befehle vom 7. Mai abends
341
kmdo. nach Rzeszów befohlene 8. ID. und das aus der Front der
3. Armee nach Sanok berufene XXI. Korps. Das Bestreben, die S.Ar-
mee durch Reserven zu stützen, ohne daß freilich über deren Verwen-
dung Besonderes gesagt worden zu sein scheint, ließ auch die Frage auf-
werf en,ob nicht auch das hinter dem Ostflügel der 9. Armee versammelte
XXXIII. Korps nach Mittelgalizien zu ziehen sei. Die Stawka hatte schon
in den letzten Tagen die Untätigkeit der 9. Armee mit wachsender Un-
geduld und steigendem Unbehagen verfolgt, deren Führer Letschitzki
sich nach wie vor auf den drückenden Munitionsmangel berief. Demge-
mäß war am 6. von Iwanow an Letschitzki ein geharnischter Befehl er-
gangen, endlich die Offensive zu ergreifen. Die Hoffnung auf deren Er-
folg fiel sicherlich auch wesentlich ins Gewicht, wenn die Stawka noch
immer jedem weiteren Absetzen der 3. Armee an den San die Zustimmung
versagte. Das Bestreben, in Ostgalizien endlich eine Wendung herbei-
zuführen, wurde um so nachdrücklicher, als noch im Laufe des 7. Nach-
richten über das Auftreten deutscher Truppen bei Stanislau und Czerno-
witz einlangten. Nun stellte der Großfürst in seinen zusammenfassenden
Weisungen vom 8. Mai mittags dem Gen. Iwanow die Verwendung des
XXXIII. Korps frei. Dafür ordnete er an, daß auch die zweite Division
des XV. Korps zum Abgehen nach Rzeszów bereitzustellen und außerdem
ein Korps der 4. Armee dahin zu senden sei, indes das um Odessa zu
einem Unternehmen gegen den Bosporus bereitgestellte V.kauk. Korps
nach Lemberg genommen werden sollte.
Am gleichen Tage wandte sich der Großfürst Nikolai Nikola je witsch
an General Joffre mit der Bitte, einen schon geplanten Entlastungsangriff
an der Westfront ungesäumt zu beginnen. Des Großfürsten Hilferuf
sollte nicht vergeblich erschallen.
Inzwischen hatte am 7. Miai gegen Abend Dimitriew einen neuen Rück-
zugsbefehl ausgegeben, der die Armee im Sinne der von der Stawka und
von Iwanow erteilten Erlaubnis hinter den Wislok zurückrief. Die Korps
hatten folgende Linien zu beziehen: IX. Szczucin—L^czki,- X. L^czki— "
Wielopole, IH.kauk. Wielopole—Wisniowa—Odrzykon, XXIV., demneben
der 49. und den Trümmern der 48. ID. und einer Kavalleriedivision auch
die vorerst zur Reserve bestimmte 12. sib. SchD. angegliedert wurde,
Odrzykon—Gegend östlich von Rymanów, XII. im Anschluß daran über
den Bukowicarücken bis auf die Höhe westlich von Szczawne; dahinter
bei Sanok das XXI. Korps als Armeereserve. Knapp vor Mitternacht
folgte diesen Befehlen noch die Weisung an das XXI. Korps, nach voll-
zogener Versammlung in der Richtung Besko—Rymanów zum Angriff
342
Von Gorlice bis Lemberg
überzugehen. Der Zeitpunkt war nicht festgesetzt. Das XXI. Korps
konnte vor dem 9. abends kaum versammelt sein.
Der Einbruch der Verbündeten in die Russenfront bei Krosno und
Rymanów
Auf seiten der Verbündeten wies das k. u. k. AOK. am 7. um 7h
abends den Armeen ihre weiteren Ziele an. Die 4. sollte gegen den Raum
um Rzeszów vordringen, die 11. zwischen Besko und Frysztak den Wislok-
übergang erzwingen und mit dem rechten Flügel über Zarszyn auf
Mrzyglód am San, mit dem linken auf Tyczyn südlich von Rzeszów
stoßen. Die 3. Armee hatte nun auch den Widerstand des Feindes in der
Gegend des Lupkówer Sattels zu brechen und die allgemeine Vorrückungs-
richtung Sanok einzuschlagen.
Mackensen unterließ es nicht, der 4. Armee einzuschärfen, daß es
vor allem gelte, den Feind über die Wisloka zu werfen und mit der
Masse den Raum Rzeszów—Sçdziszow, mit der Reiterei aber die Bahn
Przeworsk—Rozwadów zu gewinnen; durch scharfes Vordringen gegen
Osten sei auch der Gruppe Stöger-Steiner am besten geholfen. Das4.Ar-
meekmdo. fügte sich selbstverständlich diesen Weisungen, aber die Sorge,
daß der Russe, dessen Front nördlich der Weichsel noch weit vorge-
schoben war, die gespannte Lage der 4. Armee zu irgendeinem Gegen-
schlag ausnützen mochte, bewog den Erzherzog immer wieder, nament-
lich das XIV. Korps, an die Notwendigkeit entsprechend tiefer Staffelung
zu erinnern.
Die Gruppe FML. Stöger-Steiner kam im Laufe des 8. Mai nach
mehrfachen Kämpfen mit dem IX. Russenkorps und vielleicht auch mit
Abteilungen der russischen 4. Armee, die nach vorübergehender Verwen-
dung südlich von der Weichsel wieder auf das Nordufer zurückgeworfen
wurden, auf 7 bis 8 km an Szczucin heran. Die Sicherung am Südufer der
Weichsel und der dort aufgestellten Batterien der 1. Armee wurde einem
von der 46. SchD. beigestellten Regiment übertragen. Unmittelbar nörd-
lich vom Flusse räumte der Feind, zum Teil unter dem Druck der 46. SchD.,
einige Punkte seiner über die unterste Nida vorgeschobenen, Stellungen
(darunter auch den Stützpunkt Czarków). Für die k. u.k. 1. Armee, die
ihre 50.000 Feuergewehre auf 70 km Frontbreite verteilt hatte, kam ein
entscheidendes Zugreifen trotz der begreiflichen Ungeduld des Armee-
führers nicht in Frage.
Südlich von FML. Stöger-Steiner stieß die linke Flügelgruppe der
deutschen 47, RD. dem Feind unter Gefechten über D^browa und Rad-
Neue Erfolge der 11. Armee
343
goszcz bis südwestlich von Radomysl nach, indes die Hauptkraft die
russischen Nachhuten bei Lisia Gora warf und bis Zassów kam. Zum
Mißbehagen des Armeekmdos. blieb die ll.HKD. abermals in der In-
fanterielinie hängen, da ihr der Feind eine geschlossene Front entgegen-
stellte. Die Gruppe FML. Stöger-Steiner, die deutsche 47. RD. und die
11. HKD. wurden nunmehr ¡zum komb. Korps GdK. Kirchbach zu-
sammengeschlossen, während die Brigade der 2. KD. unter die Befehle
des FML. Roth trat.
Das XIV. Korps erreichte am 8. ohne besondere Zusammenstöße mit
dem Feinde beiderseits der Bahn den Raum von Dçbica.
Um neuerliches Festsetzen der Russen zu vereiteln, strebte das
IX. Korps der Gegend von Wielopole zu. FML. Králicek nahm entgegen
den Weisungen des auf Staffelung bedachten Armeekmdos. die 106. LstlD.
zur Vermehrung der Stoßkraft des Korps auf gleiche Höhe, drang aber
weder westlich von Wielopole, wo die Flügel des III. kauk. und des
X. Russenkorps zusammenstießen, noch mit der 10. ID. nördlich von
Fr y stak durch.
Am Nordflügel der 11. Armee faßte die durch die deutsche 19. ID.
verstärkte Garde oberhalb von Frysztak und bei Odrzykon auf dem
Ostufer des Wislok festen Fuß. Bei Odrzykon griff gegen Abend auch
die k. u. k. 12. ID. ein, die als Verbindung zur Garde gegenüber der
39. HID. etwas zurückgeblieben war und bei Einbruch der Dunkelheit
den Kaukasiern den Südteil von Korczyna und die Ruine Odrzykoó
entriß. Die Schlappe, die Iwanow durch die inneren Flügel der preußi-
schen Garde und des k. u. k. VI. Korps erlitten hatte, machte auf die
russische Führung einen tiefen Eindruck. Die 39.HID. und die deutsche
82. RD. vervollständigten diese neuerliche Niederlage der Kaukasier, in-
dem sie deren Widerstand auf den Höhen östlich von Krosno brachen.
Die 81. RD. des Korps François schlug bei Haczów eine empfindliche
Bresche in die russische Wislokfront.
Noch besorgter blickten die Russen in die Gegend von Rymanów
und Besko, wo das Korps Emmich gemeinsam mit der Reiterei die Ver-
bindung zwischen dem XXIV. und dem XII. Russenkorps zu zerreißen
drohte. Die Verbündeten machten südöstlich von Haczów Fortschritte;
auf Besko durchzustoßen mißlang ihnen jedoch.
Die Divisionen der 3. Armee warfen sich, wieder scharf östliche
Richtung einschlagend, auf das am oberen Wislok angeklammerte russi-
sche XII. Korps. Am Nordflügel schwenkte das X. Korps mit der 24. ID.
und der 45. SchD. gegen Odrzechowa auf, das ihnen als Angriffsziel ge-
344
Von Gorlice bis Lemberg
wiesen war. Die 24. faßte im Anschluß an das Korps Emmich am Abend
auf dem rechten Wislokufer Fuß, blieb aber vor den russischen Höhen-
stellungen liegen. Rechts von ihr brachte die 45.SchD. ein Regiment auf
das östliche Ufer, allerdings auch ohne Einbruch indie russischen Haupt-
stellungen. Auf die im zweiten Treffen verbliebene 21. SchD. hatte neuer-
lich das 3.Armeekmdo. seine Hand gelegt; sie wurde für den 9. zur
Versammlung in den Raum Jasliska—Czeremcha befohlen und sollte als-
bald aus dem Bereiche der Armee zu anderweitiger Verwendung abgehen.
Das XVII. Korps, dem für diese Kampfphase außer der 26. SchD.
und der 11. ID. auch die 2. ID. unterstellt war, focht am 8. Mai südwestlich
von Odrzechowa. Die beiden erstgenannten Divisionen erstürmten den
westlichen Eckpfeiler der Bukowica (Zruban). Während die 26. SchD.
bis an die Hügel bei Odrzechowa herankam, scheiterte der Versuch der
11. ID., die Bukowica vollends in die Hand zu bekommen. Diese schwierige
Arbeit blieb dem VII. Korps vorbehalten, das tagsüber das linke Wislok-
ufer südwestlich von Surowica säuberte und bei einbrechender Dunkel-
heit — 17. ID. links, 20. HID. rechts angesetzt — den sich verzweifelt
wehrenden Russen den Bukowicakamm entriß. Nur die Höhe westlich
von Szczawne (A706), wo die Armeen Dimitriews und Brussilows zu-
sammenstießen, wurde von den Russen gegenüber den Angriffen der
k. u. k. l.,KD. behauptet.
Das Beskidenkorps drang, zum Teil unter heftigen Kämpfen, bis
in die Gegend südlich von Szczawne vor.
Die aus dem Räume östlich vom oberen Wisloktal heimkehrenden
Flieger brachten den Verbündeten herzerhebende Nachrichten. Auf allen
Straßen, die aus dem Bereiche des XXI. Russenkorps und der Armee
Brussilows herausführten, wälzte sich der Troß in unabsehbaren Zügen
gegen Norden und Nordosten über Sanok, Zagorz und Lisko, zum Teil
hatten die Wagenkolonnen schon den San überschritten und waren in
Staub und Dunst verschwunden. Auf den Straßen gegen Sanok strebten
auch Infanterie und Artillerie des XXI. Korps und auf den Bahnstationen
östlich von Sanok drängten sich die Menschen, stauten sich Hunderte von
Fuhrwerken. Aus dem Südosten leuchtete der Feuerschein der von den
Russen gewohnheitsgemäß gelegten Brände. Deutlich zeichnete sich im
ganzen Umkreis das Bild des in Staffeln von West gegen Ost durchge-
führten Rückzuges der Russen ab. Der Auftrag, den die Heeresleitungen
der Mittelmächte ihren Armeen gegeben hatten: die Front des Feindes
bis in die Gegend des Lupkówer Sattels zum Einsturz zu bringen, war
in gewaltigem Ausmaße erfüllt.
Rückzug der Russen, vor der 2. Armee und der Gruppe Szurmay
345
Die Auflockerung der Russenfront in den
Waldkarpathenund die Armeegruppe P flanke r-B altin
in der ersten Maiwoche
H i e z u Beilage 18 sowie Skizze 27
Aber der Erfolg der Verbündeten blieb nicht beim Lupkower Passe
stehen. Er griff am 8. Mai auf die 2. Armee über und noch über diese hinaus.
Am linken Flügel Böhm-Ermollis warf das XIX. Korps mit der 34.
und der 29. ID. am Morgen den Feind von den Grenzhöhen südwestlich
und südlich von Wola Michowa hinab1). Die Artillerie wurde in Eile nach-
gezogen, erhebliche Teile des Korps nächtigten im obersten Osîawatale.
Gegen Mittag konnte die ganze 2. Armee die von Brussilow preis-
gegebenen Grenzhöhen ersteigen. Vorgeschobene Abteilungen standen
am Abend in der Linie Ustrzyki Grn.—Wetlina—Chryszczata.
Wie vor Böhm-Ermolli wich Brussilow auch vor dem Westflügel der
Südarmee zurück. Das Armeekmdo. Linsingen hatte in der zurückliegen-
den Woche stark unter der ihm aufgezwungenen Untätigkeit gelitten.
Wohl hätte am 2. Mai beim Korps Hofmann ein von Honvéd und öster-
reichischem Landsturm unternommener Ablenkungsvorstoß westlich von
Tuchla zu einem schönen örtlichen Erfolge geführt, der aber von den
Russen zwischen dem 4. und 6. durch Einbrüche bei der 55. ID. Hof-
manns2) wieder wettgemacht wurde. Unterdessen war Linsingen gegenüber
der Heeresleitung auf den Ende April gestellten Antrag zurückgekommen,
seinen rechten Flügel durch Zuführung zweier Divisionen, gegebenenfalls
des von der 2. Armee abzulösenden Korps Szurmay, zu einem Angriff
in der Richtung auf Dolina vorzureißen. Die k. u. k. Heeresleitung war
solchen Ideen keineswegs abgeneigt. Aber die Ereignisse waren schneller.
Am 8. Mai um 3h früh nahmen die Truppen Szurmays wahr, daß der
Feind die gegenüberliegenden Gräben geräumt hatte. Der Sprung nach
hinten, den der Russe unternahm, war allerdings nicht groß. Immerhin
gewannen Szurmays Truppen den Berg Halicz und das Dorf Beniowa
und auch vor dem linken Flügel des Korps Bothmer war eine leichte
Lockerung der Feindfront eingetreten.
!) Zanantoni, Die Geschichte der 29. ID. im Weltkrieg 1914—1918 (Reichen-
berg 1929), I, 237 ff.
2) Das Korps Hofmann hatte in der letzten Zeit ruthenischen und tschechischen
Mannschaftsersatz erhalten, der den Kampf wert seiner zu erheblichem Teile aus Neu-
aufstellungen bestehenden Truppen schädigte. Zu Beginn des Monats Mai ergaben sich
sechs Kompagnien Landwehr und Landsturm, die sich aus Ruthenen und mährischen
Tschechen zusammensetzten, widerstandslos dem Feinde oder liefen zu ihm über.
346
Von Gorlice bis Lemberg
Auf dem Ostflügel der Verbündeten, bei der Armeegruppe Pflanzer-
Baltin, hatte am 2. Mai FZM. Ljubicic bei Osmaloda mit seinen 21 Ba-
taillonen *) den ihm übertragenen Ablenkungsangriff (S. 263) begonnen.
Die Korpsgruppe entriß der russischen 74. RD. an diesem Tage die Höhe
Sehlis, welcher Erfolg allerdings mit schweren Opfern erkauft werden
mußte. Tags darauf hatte nördlich von Nadwórna der rechte Flügel des
XIII. Korps einen russischen Angriff abzuschlagen. Gleichzeitig warf der
Feind der Gruppe Ljubicic Verstärkungen entgegen, die in den nächsten
Tagen auf etwa zwei Regimenter anwuchsen und durch deren Einsatz
den öst.-ung. Truppen weiterer Raumgewinn versagt blieb. Unterdessen
häuften sich im Hauptquartier Pflanzers Nachrichten über unmittelbares
Bevorstehen eines großen Angriffes durch die samt den Reichswehr-
brigaden rund 12 Infanterie- und über 9 Kavallerie di visionen zählende
Armee Letschitzkis und ein am 7. Mai abgehorchter Funkspruch brachte
die letzte Bestätigung dafür, daß es Aufgabe dieser feindlichen Streit-
macht war, schon in den nächsten Tagen in der Richtung Kolomea—
Máramaros-Sziget vorzubrechen. Im einzelnen ließ das Auftauchen des
XXXIII. Russenkorps im Räume von Buczacz kaum einen Zweifel darüber,
daß der Feind seinen Hauptstoß zwischen Zaleszczyki und der Dniester-
schleife nördlich von Obertyn führen werde. Das Armeegruppenkmdo.,
das vom 8. Mai an die Bezeichnung „7. Armeekmdo." zu führen hatte,
ließ daher zur Stützung des meistbedrohten Abschnittes die 19. HKBrig.,
2 Kaiserschützenbataillone und 1 Gendarmeriebataillon bei Zastavna,
ferner 2 Bataillone Heeresinfanterie, 2 Regimenter der 42. HID. und die
8. KD. bei Horodenka bereitstellen. Außerdem erhielt FML. Czibulka den
Auftrag, hinter seinem rechten Flügel Verfügungstruppen auszuscheiden.
Die einheitliche Leitung des Abschnittes von der russischen Reichsgrenze
bis zur Gruppe Czibulka wurde dem GdK. Marschall übertragen.
Die zwischen Pruth und Dniester gegen Osten gewendeten Frontteile
wurden dem unmittelbar ans Armeekmdo. gewiesenen Kommandanten
des XI. Korps, FML. Korda, unterstellt.
Den Angriff der Gruppe Ljubicic, deren Einsatz die ohnehin schon
genug ausgedehnte Armeefront noch um 28 km verlängert hatte, ließ
der Armeeführer im Hinblick auf die weitere Aussichtslosigkeit und die
allgemeine Lage am 8. Mai einstellen. Vielleicht ergab sich die Möglich-
keit, dadurch Reserven für die schwer bedrohte Armeemitte freizumachen.
A) Gruppe GM. Weiss: 9. IBrig. (IR. 13 und 93); FJB. 8, 9 und 16. Gruppe
Obst. Kuhn: IR. 5. Gruppe Obst.Köckh: IV/96, 16. IBrig. (FJB. 14 und 18). Korps-
reserve : FJB. 1, 13 und 27.
Die Kündigung des Dreibundvertrages durch Italien
347
Am selben Tage war es den Kaiserschützen vor Zaleszczyki vergönnt,
einen schönen und überraschenden Erfolg zu melden. In der Nacht zuvor
war Mjr. Procházka x) des KSchR. I aus eigenem Entschlüsse in den der
Stadt am Südufer des Dniester vorgelagerten Brückenkopf eingedrungen,
der nun von der 30. ID. in einem Ansturm genommen werden konnte.
Teile der Division stießen des anderen Morgens in die am Nordufer
liegende Stadt nach. Es wurden 3500 Gefangene eingebracht. So aner-
kennenswert diese Tat war, kam sie dem Armeekmdo. in diesem Augen-
blick nicht sonderlich gelegen, da es lieber bei dem bevorstehenden
Russenangriff über möglichst starke Teile der 30. ID. frei verfügt hätte.
Wohl hatte die Heeresleitung schon am 6. die Absendung des bei der
3. Armee aus der Front gedrückten III. Korps befohlen; aber der Bahn-
transport konnte erst am 8. beginnen. Die 7. Armee mußte demnach ge-
faßt sein, den ersten Ansturm der Russen zunächst mit den schon zur
Stelle befindlichen Kräften abzuwehren.
Die öst.-ung. Heeresleitung zwischen dem 4. und dem 9. Mai
Es gehört mit zum Schicksal der öst.-ung. Heeresleitung, daß sie auch
eines so großen Erfolges wie des bei Gorlice errungenen kaum ein paar
Stunden lang froh sein durfte. Schon bei der Rückkehr vom Schlachtfeld
(S. 325), am 4. Mai früh, harrten ihrer trübe Nachrichten über das Ver-
halten Italiens. Diese wurden tagsüber noch verschärft, indem die Kunde
kam, der Nachbar im Süden habe nun auch den Dreibundvertrag in aller
Form gekündigt. Von Falkenhayn langte Mahnung über Mahnung ein,
Österreich-Ungarn möge nun nicht länger zögern, sondern sich zu den
äußersten Zugeständnissen entschließen. Auch der öst.-ung. Generalstabs-
chef machte sich jetzt diese Auffassung völlig zu eigen und ließ den
Außenminister wissen, daß es unmöglich sei, der Armee nun auch noch
die Last eines italienischen Krieges aufzubürden.
Die nächsten Tage brachten insofern einê kleine Entspannung, als
Burián von einer Fortführung der römischen Verhandlungen zu be-
richten vermochte. In der Tat hatte der Ballhausplatz weitere Anbote
machen lassen und der k. u. k. Botschafter Freih. v. Macchio ging, vom
Fürsten Bülow angespornt, auf eigene Verantwortung noch über die Zu-
geständnisse hinaus, die ihm sein Chef vorgezeichnet hatte. Eine Gegen-
äußerung Italiens blieb allerdings aus. Baron Burián konnte den mut-
!) Mjr. Robert Procházka erhielt für diese hervorragende Waffentat das Ritter-
kreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens. (Vergi, hiezu Mjr. Dr. Cz egka, Der Kaiser-
schützenhandstreich auf Zaleszczyki am 8. Mai 1915 [Mil.-wiss.Mitt., Heft 1/2 1931].)
348
Von Gorlice bis Lemberg
maßlichen Grund für dieses Verhalten mitteilen, als er am 7. Mai abends
in Teschen mit dem deutschen Reichskanzler, den beiden Generalstabs-
chefs Conrad und Falkenhayn sowie den beiden Ministerpräsidenten
Stürgkh und Tisza zu einer Beratung zusammentrat. Wie auf dem Wege
über die neutralen Mächte bekannt geworden war, hatte Italien am
26. April in London mit den Ententemächten mehr oder minder bindend
abgeschlossen. Nach übereinstimmenden Nachrichten war der Eintritt
Italiens in den Krieg zwischen dem 20. und dem 26. Mai zu gewärtigen.
Politisch hatten diese Teschener Besprechungen das wichtige Ergeb-
nis, daß Deutschland durch den Mund seiner führenden Männer in aller
Form den Willen kundgab, sich im Falle eines italienischen Krieges be-
dingungslos hinter den öst.-ung. Bundesgenossen zu stellen. Das Ausmaß
der militärischen Hilfeleistung mußte bei der allgemeinen Anspannung auf
allen Kriegsschauplätzen der Stunde der Entscheidung vorbehalten bleiben.
Diese Entscheidung sollte, wenn sie schon kommen mußte, durch diplo-
matische Verhandlungen noch solange als möglich aufgehalten werden.
In operativer Hinsicht waren die beiden Generalstabschefs ent-
schlossen, sich in der Offensive gegen Rußland durch die drohende Hal-
tung Italiens zunächst keineswegs aufhalten zu lassen; es war im Gegen-
teil nur noch mehr erwünscht, dem abschwenkenden Bundesgenossen die
Stärke der Mittelmächte eindrucksvoll vor Augen zu führen. Am 4. Mai
hatte Falkenhayn die Zusendung einer neuen Division aus dem Westen,
der 56. ID., verfügt. Gleichzeitig schlug er Conrad vor, auch Teile der
k. u. k. Balkanstreitkräfte nach Galizien zu werfen. Er fand damit aber
nicht den Beifall seines österreichischen Kollegen. Die Überführung der
14. GbBrig. aus Syrmien nach dem Kriegshafen Pola verriet schon, daß
der öst.-ung. Generalstabschef in den Truppen des Erzherzogs Eugen vor
allem eine Reservearmee für die Errichtung einer Front gegen Italien
sah. Wenn er zur gleichen Zeit in einer Depesche an den Militârattaché
in Sofia, Obst. v. Laxa, noch von der Möglichkeit einer frühestens Ende
Mai einsetzenden Offensive gegen Serbien sprach, so bleibe dahinge-
stellt, ob er noch an eine solche Entwicklung glaubte. Die am 8. Mai
an die Balkanstreitkräfte erlassenen Weisungen rückten jedenfalls die
Abwehr eines serbisch-rumänischen Angriffes gegenüber eigenen Angriffs-
absichten durchaus in den Vordergrund. Die Gefahr, daß Italiens Ein-
tritt in den Krieg auch Rumänien auf den Plan rufen werde, war bei
den Beziehungen zwischen Rom und Bukarest nicht zu unterschätzen,
wenn Rumänien auch durch den Sieg der Verbündeten gegen Rußland
wieder nachdenklich geworden sein mochte.
Das Schwergewicht des Krieges liegt nun im Osten
349
Inzwischen war am 8. Mai durch den Rückzug der ganzen Russen-
front zwischen der oberen Weichsel und dem tupkówer Paß und noch
jenseits von diesem das Kampfziel von Gorlioe nach dem Buchstaben der
Abmachungen (S. 344) erreicht. Die zwischen den Generalstabschefs herr-
schende Übereinstimmung, den Druck auf die Russen fortzusetzen, blieb
aber auch jetzt noch bestehen, wie der persönliche und schriftliche
Meinungsaustausch dieser Stunden erwies. Die DOHL. übersiedelte am
9. Mai aus Mézières nach dem von Teschen nur eine Autostunde ent-
fernten oberschlesischen Schlosse Pleß. Auch daraus zeigte sich sinn-
fällig, daß die deutsche Kriegführung ihr Schwergewicht bis auf weiteres
nach dem Osten verlegt hatte x), wie dies von Conrad, Hindenburg und
Ludendorff seit Oktober 1914 gewünscht worden war.
War in diesem Belange endlich volles Einvernehmen hergestellt, so
galt dies nicht in gleichem Maße für die Auffassungen der beiden Ge-
neralstabschefs über die Fortführung der Offensive im Einzelnen. Wäh-
rend Falkenhayn keiner anderen Erwägung Raum gab als der, auch
weiterhin den entscheidenden Druck auf die Russen von der Armee
Mackensen ausgehen zu lassen, hatte der Erfolg bei Gorlice Conrad
noch keineswegs von der schon der Denkschrift vom 7. April (S. 301)
zugrunde liegenden Ansicht abgebracht, daß der Angriff aus der Mitte
und das darauf folgende frontale Zurückdrängen des Feindes nie und
nimmer das große Ergebnis verhießen wie eine ausholende Umfassung.
Bezeichnenderweise ließ er sich schon in den ersten Tagen der Schlacht
bei Gorlice seiner Umgebung gegenüber vernehmen, daß es doch zweck-
mäßiger gewesen wäre, den größeren Teil der Divisionen Mackensens
bei Hindenburg einzusetzen. Der Wunsch nach Flügelwirkung machte
ihm denn auch am 6. Mai den Entschluß leicht, der von einem starken
russischen Überfall bedrohten Armee Pflanzers das bei Boroevic frei ge-
wordene III. Korps zuzusenden2). Zwei Tage später begann das Korps
zu rollen; zum Mißbehagen Falkenhayns, der alle anderswo entbehr-
lichen Kräfte bei der Heeresgruppe Mackensen eingesetzt wissen wollte
und im scharfen Zugreifen dieser Heeresgruppe auch die beste Entlastung
Pflanzers sah.
Zugleich mit dem III. Korps wurde die gleichfalls der 3. Armee
x) Reichs a rchiv, VII, Bürstenabzüge.
2) Die Heeresleitung hatte zuerst die Absicht, dieses aus alpenländischen Truppen
bestehende Korps an die italienische Front zu senden, kam aber im Hinblick auf die
Lage bei Pflanzer davon ab (Mitteilung des GM. Kless, damals Hauptmann in der
Operationsabteilung des AOK.).
350
Von Gorlice bis Lemberg
entnommene Brigade Obst. Bolzano (IR. 81 und 88) nach Osten geführt;
sie hatte das in der Mitte der Südarmee fechtende Korps Hofmann zu
verstärken.
Neben diesen Maßnahmen beschäftigte die k. u. k. Heeresleitung vor
allem die Frage, wie endlich der Feind im Weichsellande ins Wanken ge-
bracht werden konnte. Da die dort stehenden eigenen Kräfte zu einem
Stirnangriff zu schwach waren, strebte Conrad an, durch einen Flanken-
stoß vom südlichen Weichselufer her Luft zu schaffen. Zu diesem Zwecke
entschloß sich das AOK. am 9., die 21. SchD. der 3. Armee, am 10. zwei
weitere Divisionen der 2. Armee mit Bahn nach Tarnów zu verlegen.
Falkenhayn lehnte den Vorschlag Conrads, dem geplanten Unternehmen
auch Divisionen der Westfront anzuschließen, mit dem Hinweis auf einen
bei Lille und in Flandern drohenden französisch-britischen Angriff ab,
der tatsächlich am 9. Mai losbrach.
Im übrigen war an eine weitergehende Umgruppierung der öst.-ung.
und deutschen Angriffsarmeen aus mannigfachen Gründen im gegebenen
Augenblick nicht zu denken. Schon die italienische Gefahr nötigte, im
Suchen nach einem Erfolg nicht wählerisch zu sein, sondern ihn zu neh-
men, wo er sich bot. Die Armeen hatten im allgemeinen, wie sie eben
gruppiert waren, dem Feind an den Fersen zu bleiben.
Der Rückzug der Russen an den San
(9. bis 13. Mai)
Die Schlachten bei Sanok und Rzeszów
(9. und 10. Mai)
Hiezu Beilage 18
Am 8. Mai hatte die Armee Mackensen, links durch das k. u. k.
IX. Korps, FML. Králicek, wacker unterstützt, in scharfem Zugriff die
russischen Höhenstellungen zwischen Besko und Frysztak in ihrer ganzen
Ausdehnung aufgerissen. Das bedeutete, daß der bestimmte Wunsch des
Großfürsten-Generalissimus, die stark ausgeblutete Armee Dimitriew
habe sich unbedingt in der Höhe der unteren Wisloka zu halten, kaum
mehr erfüllt werden konnte. Zumal die Bedrohung des Raumes von
Rzeszów fiel in dieser Hinsicht schwer ins Gewicht, da von hier aus dem
weit auseinandergezogenen IX. Russenkorps der Rückweg an den San
unterbunden werden konnte. Nicht besser stand es mit der Gegend von
Schwierige Lage der k. u. k. 4. Armee
351
Sanok in Ansehung der noch in den Karpathen steckenden 8. Armee.
In dieser schwierigen Lage hätten weder Dimitriew, noch Iwanows Ge-
neralstabschef Dragomirow einen Augenblick gezögert, den Rückzug an
den San und in das blutgetränkte Bergland südlich von Przemysl zu be-
fehlen. Aber die entschiedene Weisung derStawka, keinen Fußbreit gali-
zischen Bodens freiwillig preiszugeben, hinderte die russischen Führer,
solche Gedanken schon jetzt in die Tat umzusetzen. Schicksalsergeben
hängten sie ihre letzte Hoffnung an den Erfolg des Gegenstoßes, der dem
XXI. Korps für den 10. aus dem Räume um Sanok aufgetragen war. In
diesem Sinne wurde für den 9. der 3. Armee der Befehl erteilt, sich zu
behaupten, wo sie stand, „koste es, was es wolle".
Beim Angriffsblock der Verbündeten war zweifellos die Lage der
Erzherzogsarmee verhältnismäßig schwierig geworden. Das Hauptaugen-
merk ihrer Führung richtete sich begreiflicherweise vor allem auf die
Nordflanke, die sich von Tag zu Tag weiter auf getan hatte. Auch am
9. machte der Feind nördlich der Weichsel noch keine Miene, seine
Stellungen an der Nida zu verlassen. Man entnahm im Gegenteil einem
Funkspruch, daß der am Südflügel der 4. Russenarmee befehligende
Gen. Mischtschenko vorschlug, sein XXXI. Armeekorps vom nördlichen
Weichselufer aus zum Gegenstoß in ¡die Flanke der Heeresgruppe Macken-
sen vorzuführen. Solchen Plänen gegenüber war GdK. Dankl mit seiner
nur mehr 2y* Infanteriedivisionen starken Armee zur Wehrlosigbeit verur-
teilt. Allerdings machten die Gefechte, die FML. Stöger-Steiner an diesem
Tage bei Mçdrzechow zu bestehen hatte, nicht den Eindruck eines Auf-
taktes zu einem größeren Angriffsunternehmen. Die Russen brachen viel-
mehr hier wie bei Szczucin die Weichselbrücken ab. Aufgabe der Gruppe
Kirchbach blieb es jedoch, sich vor allem zur Abwehr und zum Angriff
gegen Norden bereitzuhalten.
Im Räume Dçbica—Zassow focht das XIV. Korps, mit der 3. ID.
östlich, mit der 8. westlich der Wisloka und links begleitet von der deut-
schen 47. RD., im allgemeinen mit der Front Nordosten, ohne daß es
diesen Kräften gelang, den Widerstand des noch fleißig schanzenden
IX. Russenkorps zu brechen. Die im Armeebereich befindlichen Teile
der 2. KD. waren bei der Division Horsetzky eingesetzt, die 11. HKD. bei
GLt. Besser. Das Armeekmdo. plante, die Reiterei, wenn sich nicht in den
nächsten Stunden eine Lücke in der Feindfront auftat, möglichst zur
Weichselsicherung heranzuziehen. Ebenso wurde die Armeereserve aus
dem Räume südöstlich von Pilzno näher an diesen Ort herangeschoben,
damit sie gegen Norden hin mehr zur Hand sei.
352
Von Gorlice bis Lemberg
Unverdrossen wie an den Vortagen nahm das IX. Korps auch am 9.
an dem Hauptstoße der Heeresgruppe teil. Der Gewinn wichtiger Vor-
stellungen bei Wielopole bereitete einen bedeutsamen Schlachtenerfolg
vor. Im Anschluß südlich davon schlug die 11. Armee eine neue tiefe
Scharte in die schon stark brüchig gewordene russische Front. Die durch
die deutsche 19. ID. verstärkte Garde entriß den Kaukasiern Irmanows
die Ufer höhen östlich vom Wislok. Der Feind rettete sich hinter die
Tiefenlinie Domaradz—Strzyzów. Dem Korps des FML. Arz, das am 7.
und 8. die russische Front bei Krosno aufgerissen hatte, brachte der 9.Mai
gleichfalls neue Erfolge. Ohne Rücksicht auf die Garde, die länger auf
den Uferhöhen zurückgehalten worden war, stieß das Korps — mit der
12. ID. links, der 39. HID. rechts — aus dem Räume von Krosno und
östlich davon über die russischen Stellungen bei Korczyna hinaus; auch
unbekümmert darum, daß in diesem Orte, wie in dem 4 km rechts davon
liegenden Dorfe Kombornia noch Russen hielten. Die Besatzung von Kor-
czyna wurde durch das Zusammenwirken der Reserven beider Divisionen
überwältigt, eine kurze Krise auf dem linken Flügel der Honvéd rasch
behoben, der Verteidiger von Kombornia eingekesselt und zur Übergabe
gezwungen. Während dieser schicksalhaften Stunden sammelten sich auf
dem Ringplatze in Krosno allmählich über 3000 Gefangene, darunter
viele Offiziere. Obgleich das XXIV. Russenkorps namhaft verstärkt
wurde1), war die Niederlage nicht abzuwenden gewesen. Es suchte
hinter der von Brzozów nach Domarad± ziehenden Niederung Anschluß
an die Kaukasier2).
Keine geringeren Erfolge hatte am 9. Mai der Südflügel der Armee
Mackensen zu verzeichnen. Die 82. RD. hob am frühen Morgen gemein-
sam mit der 39. HID. bei Haczów ein Russenbataillon aus. Das Korps
Emmich, verstärkt durch die ll.bayr.ID., warf den Feind von den Höhen
östlich und nördlich dieses Ortes. Das Spitzenbataillon der 81. RD. ge-
langte fast gleichzeitig mit den Russen nach Brzozów.
Während die 20. ID.bei Rymanów gesammelt wurde,hatte die 119. ID.
des Korps Emmich in dem am späten Abend des Vortages genomme-
nen Orte Besko heftige Angriffe von Abteilungen des XII. Russenkorps
abzuwehren. Sie wurde dabei von der 24. ID. des am Nordflügel der
3. Armee fechtenden k. u. k. X. Korps sowie von der Artillerie und den
!) Vermutlich durch Teile der 58. RD. und zwei Infanterieregimenter der Be-
satzung von Przemysl, dessen eines bei Korczyna die Waffen strecken mußte.
2) Die 12. ID. nahm bis in die dritte Nachmittagsstunde 18 Offiziere und 2250
Mann gefangen. Allerdings waren auch die Verluste des Korps Arz wieder erheblich.
Die Armeen Boroevic und Böhm-Ermolli am 9. Mai
353
Schützen der Reiterdivision Berndt nachdrücklich unterstützt. Inzwischen
war es der 45. SchD. bis gegen Mittag geglückt, den Russen den West-
teil von Odrzechowa zu entreißen. In den Abendstunden liefen bei den
Generalen Emmich und Martiny Meldungen über den, Vormarsch starker
russischer Kräfte von Sanok gegen Zarczyn ein; es waren Teile des zum
Gegenangriff aufmarschierenden russischen XXI. Korps. Aber das wirre
Hin und Her in den Märschen hinter der feindlichen Front ließ die
Führer der Verbündeten diese Nachricht nicht besonders beachten.
Vom XVII. Korps schloß die zur Zeit ihm unterstellte 2. ID. nach-
mittags in der Höhe der 45. SchD. auf. Die zwei anderen Divisionen rangen
weiter südöstlich in stehendem Kampf. Das VII. Korps war die ganze
Nacht über noch mit der Säuberung der Bukowicahöhen beschäftigt ge-
wesen. Als es, stark ermüdet und infolge der Nachschubschwierigkeiten
unzureichend verpflegt, am Morgen gegen die Straße Szczawne—Bu-
kowsko niederstieg, stieß es auf eine neue starke Stellung, deren Bezwin-
gung einige Vorbereitung erheischte. Die 1. KD. harrte mit Ausnahme
der in der Front verbliebenen Schützen bei WislokWk. auf die Stunde,
die sie zur Verfolgung ins Oslawatal aufrufen sollte. Diese Hoffnung
täuschte. Die Nachhuten des VIII. Russenkorps zwangen vielmehr das
Beskidenkorps nördlich von Komancza zu einem zeitraubenden Auf-
marsch, ehe sie gegen Szczawne wichen. Es war sonach der k. u. k. 3. Ar-
mee nicht gegönnt gewesen, das ihr gesteckte Ziel Sanok zu erreichen.
Auch die 2. Armee sah sich bei ihrer Vorrückung durch russischen
Widerstand und äußerst schwierige Wegverhältnisse immer wieder ge-
hemmt, so daß die Masse von der ihr vorgezjeichneten Linie Baligród—
Höhen südlich vom obersten San noch ziemlich abblieb. Das XIX. Korps
folgte dem gegen Zagorz abfließenden VIII. der Russen, das ihm auf
dem Sulitaberg südöstlich von Szczawne und auf den Höhen Garb und
Szczob nordöstlich von Baligród starke Nachhuten in den Weg legte.
Deren Widerstand vermochten die 29. und die 34. ID. am 9. Mai noch nicht
zu brechen. Die hinter der 29. ID. nachrückende 43. SchD. wurde durch
die Vorgänge in der rechten Flanke im Vormarsch etwas aufgehalten.
Da das VIII. Korps (14. ID., 41. und 51. HID.) aus der Front gedrückt
und im Räume Wola Micho wa—Cisna und südlich davon zurückgeblie-
ben war, schloß hier das IV. Korps an, das sich aber schon einige Kilo-
meter nördlich von Cisna durch russische Abteilungen aufgehalten sah.
Flankierendes Eingreifen der schon östlich der Chryszczata vorgehenden
43. SchD. zwang diesen Feind zwar zum Rückzug; aber die Hoffnung,
ihm den Weg abzuschneiden, blieb unerfüllt.
Ii
23
354
Von Gor li ce bis Lemberg
Die beiden rechten Flügelkorps der 2. Armee wurden — ähnlich wie
Teile der 3. Armee im Jänner — durch den Zug der Gebirge zur Vor-
rückung gegen Nordost genötigt. Die 44. SchD. links, die 9. ID. rechts,
kämpfte das XVIII. Korps im Räume von Kalnica mit vom XVII. Russen-
korps zurückgelassenen Nachhuten. Die 33. ID. des V.Korps blieb dem
feindlichen XVIII. soweit wie möglich an den Fersen und stand abends
bei Dwernik und östlich davon mit auf dem Südufer des San zurück-
gebliebenen Abteilungen im Gefecht. Die 37. HID. kam, im zweiten
Treffen folgend, bis Mitternacht nicht weit über UstrzykiGrn. hinaus,
wo sie ermattet Halt machte.
Das AOK. ging auf den Vorschlag Böhm-Ermollis, den rechten
Armeeflügel statt auf Kroscienko gegen Stary Sambor zu weisen, um so
lieber ein, als dadurch die Südarmee ihren linken Flügel mehr zusammen-
fassen konnte.
In der Nacht auf den 10. flammte plötzlich im Räume südlich von
Sanok der Kampf heftig auf. Das russische XII. Korps, noch verhältnis-
mäßig in guter Verfassung, stürzte sich auf die Divisionen des VII. und
des XVII. Korps, wobei es ihm allerdings nur gelang, die 26. SchD. etwas
zurückzudrücken. Dieser russische Überfall war zweifellos das Vorspiel
zu dem unmittelbar bevorstehenden Gegenstoß des XXI. Russenkorps,
den Gen. Dobrorolski, der Stabschef Dimitriews, als sehr kühnes Unter-
nehmen bezeichnete, aber als „das einzige, das die Armee zur Behaup-
tung der heutigen Stellung zu befähigen" vermöge.
Um den Abschnitt Jacmierz—Besko—Rymanów zu gewinnen, wie
befohlen war, ließ Gen. Schkinski sein XXI. Korps in zwei Angriffssäulen
vorrücken: die 44. ID. rechts auf Jacmierz, die 33. links auf Zarszyn;
die 3. SchD. folgte der linken Kolonne als Reserve nach. Der erste Stoß
bot insofern einige Aussicht auf Erfolg, als zwischen der in den Raum
südlich von Brzozów abgezogenen ll.bayr. ID. und der bei Besko ge-
bundenen 119. eine nicht unerhebliche Lücke klaffte und die Sicherungen
der letztgenannten Division auf den ersten Anprall der Russen Raum
geben mußten. Die deutsche Führung war der Lage aber durchaus ge-
wachsen. Während sich die Russen mit ihrer Masse an der 119. ID.
verbissen und Teile auch von den Bayern angezogen wurden, warf
Gdl. Emmich die im zweiten Treffen gehaltene 20. ID., zum Teil in
einem von der russischen Literatur besonders hervorgehobenen Flanken-
marsche, bei Jacmierz zwischen den beiden Kampfgruppen in die Schlacht.
In einem zusammenfließenden Angriff stürzten sich die 119., die 20. und
die ll.bayr. ID. auf die in der Front Besko—Grabownica-Starzenska
Der mißglückte Gegenstoß des russischen XXI. Korps
355
schwerfällig aufmarschierenden Russen. Die Bayern schufen, indem sie
den Südflügel des XXIV. Russenkorps bei dem letztgenannten Orte warfen,
der 20. ID. Schulterfreiheit für ihren Angriff auf Jacmierz. Während hier
die Ereignisse den erwünschten Verlauf nahmen, machte sich von Süden
her der Druck des k. u. k. X. Korps fühlbar. Wohl war die 24. ID. durch
die Kämpfe bei Besko gebunden. Doch gelang es der 45.SchD., unter-
stützt von der 2. ID., sich bis ¡zum Nachmittage des ganzen vom Feinde
besetzten Höhenrückens bei Odrzechowa zu bemächtigen. Zur gleichen
Zeit erzielte die Masse des XVII. Korps südöstlich von Odrzechowa
Fortschritte. In Kenntnis der Lage bei den Deutschen verfügte FML. Mar-
tiny nun, daß die 45. SchD. unter dem Schutze der gegen Odrzechowa
nachgezogenen Artillerie auf Zarszyn vorzurücken habe. Damit wäre die
von Emmich angebahnte Einkreisung Schkinskis vervollständigt worden.
Der Angriff der 45. SchD. begann um 7h abends, wurde aber durch eine
in größter Hast entgegengeworfene Feindgruppe aufgehalten.
Unterdessen sah sich das russische XXI. Korps bei Jacmierz von der
deutschen 20. ID. in heftigem Flügelangriff angefallen. Damit war das
Schicksal des russischen Gegenstoßes besiegelt. Als die Nacht herein-
brach, hasteten Schkinskis Regimenter gegen Sanok und Izdebki zurück.
Der Entlastungsangriff der Russen war mißglückt.
Auch die nördlich der Walstatt von Sanok fechtenden Verbündeten
blieben in ihren Erfolgen hinter den rechten Nachbarn nicht zurück.
Das XXXXI. RKorps warf die Russen bei Brzozów und stand abends süd-
westlich von Izdebki mit Nachhuten, der von der 11. bayr. ID. besiegten
Teile des XXIV. Korps im Gefecht. Vom k. u. k. VI. Korps wurde die
39. HID. bei Domarad± wieder in heftigere Kämpfe verwickelt. Sie trug
ihren Angriff über Barycz bis zu dem an der Straßengabel östlich ge-
legenen Weiler Ujazdy vor, dessen Verteidiger allerdings erst des anderen
Morgens bezwungen werden konnten. Nördlich von der Honvéd kam
die infolge der schlechten Wege etwas zurückgebliebene 12. ID. über die
kampflos geräumten Stellungen östlich von Lutcza mit ihren Vortruppen
auf 6 km gegen Bla±owa heran.
Der Nordflügel des russischen XXIV. Korps und die Masse der
Kaukasier wurden von der Garde und der ihr angeschlossenen deutschen
19. ID. über Niebylec und Strzyzów zurückgetrieben; zwei eiligst heran-
geführte Regimenter der 13.sib. SchD. konnten den weiteren Rückzug
in den Raum südwestlich von Rzeszów wohl verzögern, aber nicht auf-
halten. Die deutsche 56. ID. (S. 348) gelangte, der Garde folgend, in die
Gegend von Frysztak.
23*
356
Von Gor li ce bis Leinberg
Schwere Arbeit hatte das Korps Kralicek der k. u. k. 4. Armee zu
verrichten, dem es am Vortage noch nicht geglückt war, die bei Wielopole
fechtenden inneren Flügel der Kaukasier und des X. Russenkorps zu er-
schüttern. Die erprobte 106. LstlD. riß zuerst die feindliche Stellung süd-
lich vom genannten Orte auf. Die Bresche verbreiterte sich rasch auf
5 km. Ungesäumt stieß das ganze Korps in die zermürbte Front des
Feindes hinein, der in den Händen der 106. LstlD. allein 2800 Ge-
fangene zurückließ.
Das Vorgehen des IX. Korps war durch den Südflügel der 3. ID.
gefördert worden, der gegen die Höhen östlich von Laczki anstürmte und
bis zum Nachmittag unter heftigen Kämpfen in diese Stellung eindrang.
Vor der Mitte und dem linken Flügel der 4. Armee machte das russi-
sche IX. Korps zunächst noch immer keine Miene, die Stellungen nord-
östlich von Dçbica, bei Zassów, Radomysl Wk. und gegen Szczucin hin
preiszugeben. Wohl errang die Hauptkraft der 3. ID. bei Dçbica, die 8.
östlich von Zassów, die 47. RD. vor Radomysl manchen örtlichen Erfolg,
aber im Ganzen lastete der Druck dieser gegen Südwesten gekehrten
Russenlinie noch schwer auf der Armeeführung. Schon hatte diese in den
Nachmittagsstunden den Entschluß gefaßt, am frühen Morgen des 11.
die 8. ID. durch Zuführung der Armeereserve endlich zum Durchbruch
längs des westlichen Wislokaufers zu befähigen, als ein russischer Funk-
spruch den Rückzug des IX. Russenkorps hinter die untere Wisloka und
die Linie Mielec—Sçdiszow verkündete und damit für die k. u. k. 4. Armee
eine neue Lage schuf.
Auf sehr zähen Widerstand war am 10. Mai am anderen Flügel der
mittelgalizischen Front die Armee Böhm-Ermolli gestoßen. Die Nötigung,
sich an den Südhängen des Odrytrückens und in den rechts und links
anschließenden Abschnitten zuverlässig zu behaupten, war für Brussilow
schon im Hinblick auf den Angriff s ver such des XXI. Korps und die Lage
des XII. gegeben; nicht minder mußte dem aus den Gebirgen abfließen-
den Troß der nötige Vorsprung gesichert werden, wollte man ein De-
bakel vermeiden. Die k. u. k. Truppen konnten daher weder, wie es
GdK. Böhm-Ermolli verlangt hatte, die Magura Lomnianska und den
Zukówrücken ersteigen, noch den San bei Lisko erreichen.
Beim V.Korps warf die 33.ID. die noch südlich vom obersten San
haltenden russischen Nachhuten über den Hochwasser führenden Fluß
zurück und gewann bei Dwiernik selbst das Nordufer. Nur auf der Cze-
reszankahöhe östlich von Dwernik behauptete sich der Russe noch auf
dem Südufer. In dem Streben, der Truppe einen Stirnangriff zu ersparen,
Vorstoß der 2. Armee an den obersten San
357
bat GdK. Böhm-Ermolli die deutsche Südarmee, die Gruppe Szurmay
flankierend eingreifen zu lassen, was sich aber tags darauf nicht mehr
als nötig erweisen sollte.
Links vom V. Korps vermochte das XVIII. mit der 9. ID. und der
44. SchD. an den Hängen südwestlich vom A 846 Fuß zu fassen. Noch
weiter links focht beiderseits der Solinka und beiBaligród das IV. Korps,
31. ID., 32. ID. und 13. SchD., das den Angriff auf die Höhen nord-
östlich von Baligród auf den 11. verschob. Vom XIX. Korps war die
29. ID. tagsüber gegen die Höhen Szczob und Garb (S. 353) im Kampfe
gestanden. Als sie nach Mitternacht zum Sturm gegen den Szczob ansetzte,
war dieser vom Feinde geräumt. Auf dem linken Flügel des XIX. Korps
wirkte die 34. ID. am Angriff des deutschen Beskidenkorps gegen die
Sulitahöhe (S. 353) mit; bei sinkender Abendsonne gab der Russe die zäh
verteidigte Höhenstellung preis.
Zu dieser Stunde verfügte GdK. Böhm-Ermolli über erhebliche Re-
serven. Es standen im zweiten Treffen: am rechten Flügel die 37. HID.,
hinter dem XVIII. Korps das VIII. mit drei Divisionen, hinter dem IV.
die 27. ID. und hinter dem XIX. die 43. SchD. Der Armeeführer gedachte
am 11., zwei dieser Divisionen, die 43. und die 51., gegen den Rücken
des vor dem Beskidenkorps noch immer nur schrittweise weichenden
Feindes anzusetzen. Da erhielt er von der Heeresleitung die Weisung,
zwei Divisionen zum Abtransport zur 4. Armee bereitzustellen. Gegen-
vorstellungen des Armeekmdos. blieben ergebnislos; die 37. und die
41. HID. wurden zum Abrollen bestimmt.
Dem Vormarsch der Armee Böhm-Ermolli hatte sich am 9. auch die
Gruppe Szurmay der Südarmee angeschlossen. Sie drängte die Russen
nach Gewinn der Höhe Kiczera sokoloska (nördlich von Beniowa) durch
die 7. ID. und der Höhe Byczok durch die 40. HID. gegen den Ostry und
die links und rechts anschließenden Höhenstellungen zurück. Den 10. Mai
verwendete FML. Szurmay zu Umgruppierungen innerhalb der eigenen
Front, da ihn die geringeren Fortschritte des benachbarten V. Korps zur
Zurückhaltung veranlaßten.
Der russische Gegenstoß am Dniester
(9. bis 12. Mai)
Hiezu Skizzen 27 und 28
Am 9. Mai, zeitlich morgens, war auch der schon erwartete Sturm
der Russen gegen die k. u.k. 7. Armee losgebrochen.
358
Von Gorlíce bis Lemberg
Das russische XXXIII. Korps begann um4h früh mit dem Überschreiten
des Dniester bei Kopaczynce und überwältigte die schwache deutsche
9. KBrig. Anderenorts offenbar nur zur Ablenkung unternommene Über-
gangsversuche wurden mühelos abgewiesen. In höchster Eile hasteten die
8. KD. und die halbe 42. HID. heran, kamen jedoch zu spät, um das
feindliche Unternehmen im Keime zu ersticken. Der Russe schuf sich in
den Ortschaften Czernelica und Kopaczynce feste Stützpunkte eines rechts-
ufrigen Brückenkopfes und stand alsbald im flachen Bogen um die Über-
gangsstelle, vom Dniester südöstlich von Czernelica über D^bki und
Korniów; ihm gegenüber befand sich außer den vorgenannten Verbänden
noch die von Zastawna herangezogene halbe 5. HKD.
Um die Ausbreitung des XXXIII. Russenkorps auf dem südlichen
Flußufer zu fördern, mußte auch der rechte Flügel der benachbarten
Gruppe FML. Czibulka zum Weichen gebracht werden. So stürzten sich
die 71. RD. und die 2. SchD. der Russen auf die k.u.k. 15.ID. und schlu-
gen nördlich von Obertyn eine tiefe Einbuchtung in ihre Front. Gegen
die 36. ID. schien sich westlich der Bahn Ottynia—Stanislau gleichfalls
ein Angriff vorzubereiten. Überdies wurde auch die Ostgruppe Pflanzer-
Baltins zwischen dem Pruth und dem Dniester mit voller Wucht ange-
fallen. FML. Korda, der sich hier gegen das III. Kavalleriekorps und das
XXXII. Korps zu wehren hatte, verlor nachmittags drei Stützpunkte des
südlichsten Abschnittes.
GdK. Pflanzer-Baltin sammelte Reserven, wo er sie gerade fand;
eifrig kittete er lose Kompagnien und Bataillone des Heeres, der Land-
wehr, der Gendarmerie und des Landsturms zu neuen Einheiten zu-
sammen und warf sie an die meistbedrohten Punkte. Auf diese Weise
konnte der Feind von der durch vier Bataillone der Armeereserve ver-
stärkten 15. ID. um ein Stück aus dem Einbruchsraume zurückgedrängt
werden. Für die Gruppe Marschall wurden bei Horodenka fünf Ba-
taillone bereitgestellt und der deutsche General beauftragt, Czibulkas
Rücken gegen die bei Czernelica übergegangenen Russen zu schützen.
Während an der Front Rheinens bis zur Bystrzyca Solotwinska die
Stellungen der 5. und der 6. ID. nur von der russischen Artillerie bear-
beitet wurden, wogte beim FZM. Ljubicic auf dem Jawornik und süd-
westlich von Lipowica ein schwerer Kampf. Die hier verstärkten Russen
umfaßten die Gruppe von Westen her und erzwangen die Räumung des
linken Czeczwaufers. Damit waren die Absichten des Armeeführers durch-
kreuzt, der aus diesem Abschnitte Reserven auslösen wollte (S. 346). Da
ein russischer Durchbruch zwischen der 7. und der Südarmee drohte,
Weichen der Front Pflanzers bei Czernelica
359
konnte hier kein Feuergewehr entbehrt werden. Wieder wandte sich
Pflanzer-Baltin an Linsingen und ersuchte ihn, die Gefahr durch einen
Entlastungsstoß nördlich vom Mszanatale gegen den Neriedów zu bannen.
Mit eigenen Offensivplänen beschäftigt, versagte jedoch der deutsche Ar-
meeführer seine Unterstützung. Ljubicic mußte am 10. seine Front zu-
rücknehmen und wurde tags darauf vom Feinde, dessen Stärke auf dreißig
Bataillone der 37. ID. und der 74. RD.1) geschätzt wurde, heftig be-
drängt; wenigstens konnten doch die russischen Angriffe im Mszanatale
abgeschlagen werden.
Der Hauptangriff der Russen richtete sich aber gegen Marschall
und Czibulka. In der Nacht zum 10. wurde die Front der 15. ID. bei
Chocimierz eingedrückt; die wackeren Truppen drangen zwar wieder
vor, verloren jedoch abermals die Anhöhen nördlich des Ortes.
Das russische XXXIII. Korps erweiterte am 10. seinen Brückenkopf,
so daß sich Marschall trotz der ihm zugeführten Verstärkungen nur in
der Linie Michalcze—Siemakowce—Olejowa Korolówka bis zur Dniester-
schleife nordöstlich von Obertyn zu behaupten vermochte. Am rechten
Flügel Marschalls befehligte GLt. v. Heydebreck (deutsche 5. KD. und
Obstlt. Békési), am linken FML. Kaiser (halbe 42. HID., halbe 5. HKD.,
8. KD. und sieben Bataillone der Gruppe GM. Eckhardt, bestehend aus
einem Kaiserschützenbataillon, Teilen der 42. HID., drei Landsturm-
infanteriebataillonen, einem Gendarmeriebataillon und einem kombi-
nierten Infanteriebataillon der Gruppe Rhemen).
Bei Uscieczko und unterhalb davon konnten alle feindlichen Über-
gangsversuche vereitelt werden; ihr Gelingen hätte die Stellungen Mar-
schalls unhaltbar gemacht. Unaufhörlich hämmerte der Russe gegen die
erschöpften Verteidiger los; doch die brave Truppe hielt stand.
Abermals holte die russische Führung zu einem Stoße westlich vom
Brückenkopfe bei Czernelica aus. Am 11. mittags erlag der rechte Flügel
der 15. ID. einem scharfen Angriffe, wodurch auch die Front Marschalls
aus ihren die Übergangsstelle des XXXIII. Russenkorps umklammernden
Stellungen weichen mußte. Die Abwehr vermochte sich erst wieder im
Abschnitte Horodenka—Okno—Obertyn und südlich von Chocimierz zu
festigen. Feindliche Kavallerie ritt gegen Horodenka an, wurde aber als-
bald durch die in ihre Reihen einschlagenden Artilleriegeschosse zur Um-
kehr gezwungen.
Ebenso schwer gestalteten sich am 10. und 11. die Kämpfe der Ost-
gruppe. Als aber hier zwei aus der Gegend von Zaleszczyki herbeige-
1) Auch Teile der russischen 11. und der 32. ID. wurden hier festgestellt.
360
Von Gorlice bis Lemberg
holte Kaiserschützenbataillone zur Verstärkung der polnischen Legionäre
und der Landstürmer Papps einlangten, wandte sich das Blatt. Im Süd-
abschnitte Kor das wurde die alte Stellung im Sturm zurückgewonnen.
Nördlich davon erwehrte sich GM. Schwer (halbe 5.HKD. und 6. KD.)
nicht nur der russischen Vorstöße, sondern fügte dem Feinde große Ver-
luste zu und brachte zahlreiche Gefangene ein.
Dagegen ereilte die hier verbliebene Brigade der 42. HID. am 10.
das Mißgeschick, aus ihren Gräben geworfen zu werden. Doch bewährte
sich die 10. KD. als Helferin für den weichenden linken Flügel der kroa-
tischen Honvéd, deren verlorene Stellungen tags darauf im Gegenan-
griffe wieder erobert wurden. Noch einmal rannte der Russe hier an,
ohne jedoch etwas ausrichten zu können. Am 11. standen sämtliche
Truppen Kor das in den früheren Linien.
Trotzdem war die Lage der 7. Armee infolge des russischen Ein-
bruches bei Marschall und Czibulka äußerst kritisch geworden. Es schwand
die Hoffnung, daß der unausweichliche Rückzug durch das allmählich
einlangende III. Korps verhindert werden könne. Am 10. wurden die
Spitzenstaffeln der 22. SchD. — zwei Bataillone und zwei Batterien — noch
bei Horodenka ausgeladen und in den Kampf der Gruppe Marschall
geworfen; ein weiteres Bataillon entstieg dort am Morgen des 11. Mai
der Bahn, dann aber verscheuchte der gegen die Stationsgebäude gerich-
tete vernichtende Eisenhagel der russischen Artillerie die noch anrollen-
den Transporte. Diese Ausladungen vollzogen sich übrigens gegen den
Willen des Armeeführers, der das III. Korps nicht zersplittert, sondern
alle frischen Kräfte beiderseits der Linie Czortowiec—Kolomea zur Ab-
wehr des russischen Durchbruches zusammengefaßt wissen wollte. Aus
diesem Grunde unterstellte er jetzt den linken Flügel Marschalls dem
Kommandanten der 15.ID.1). Sodann befahl er die Besetzung des Brücken-
kopfes Kolomea, wohin auch Gdl. Rhemen alle entbehrlichen Kräfte
entsenden sollte.
Am 12. erneuerten die Russen ihre Anstrengungen gegen den Ost-
flügel Czibulkas und gegen die Gruppe Marschall mit — soweit festge-
stellt ist — drei bis vier Infanterie- und eineinhalb bis zwei Kavallerie-
divisionen. Ehe sich noch am Morgen der übermächtige Angriff gegen
Horodenka aussprach, wurde dieser Ort von den Truppen Marschalls,
die durch die dreitägigen Kämpfe erschüttert und auf halben Stand herab-
gesunken waren, geräumt. Bald darauf glitt auch die Gruppe Benigni zurück.
x) FML. Benigni, Kommandant der 15. ID., verfügte hierauf außer über seine Divi-
sion noch über die zusammengewürfelte Gruppe des GM. Eckhardt und über die 8. KD.
Abermaliger Raumverlust bei der 7. Armee
361
Um dieMittagstun.de entschloß sich Pflanzer-Baltin schweren Herzens,
seinen rechten Flügel hinter die befestigte Pruthlinie zu nehmen. Die
Gruppe Korda ging daher, vom Feinde stark gedrängt, bis zum Abend
in die Linie Mahala—Kuczurmik—Stawczan zurück. Der Russe, durch
drei frische im Bahntransporte nach Boj an herangeholte Bataillone ver-
stärkt, folgte mit etwa zwei Reiterdivisionen, welche die 10. KD. zurück-
drängten. Als aber kein weiterer Angriff drohte, blieb Korda nördlich
vom Pruth stehen, vom 7. Armeekmdo. ermächtigt, den Rückzug nach
eigenem Ermessen fortzusetzen. Die Gruppe Marschall faßte in der Linie
Stecowa—Kulaczkowce wieder Fuß. Im anschließenden Abschnitte bis
Kamionka Wk. übernahm der Führer des III. Korps, FML. Krautwald,
den Befehl über die 8. KD. und die Gruppe Eckhardt sowie über Teile
der 15. ID.; dorthin wurden auch die nächsteintreffenden Transporte
seines Korps gelenkt. Czibulka bog seinen rechten Flügel von Ottynia
gegen Kamionka Wk. ab; er und Rhemen sollten sich in ihren Stellungen
behaupten, während Ljubicic die notwendigsten Kräfte zwischen der
Bystrzyca Solotwinska und der Lomnica sowie zur Deckung des Ein-
bruchsweges über Osmaloda zu belassen, mit dem Gros aber nun doch
in der Nacht zum 13. in den Raum bei Nadwórna zu rücken hatte.
Entschluß der Russen zum Rückzug an den San
(10. Mai)
Hiezu Beilage 18
Schon in den ersten Nachmittagsstunden des 10. Mai konnte für
Dimitriew kein Zweifel mehr bestehen, daß der Gegenstoß des XXI. Korps
mißglückt war. Außerdem war aus dem Kampfraum der Kaukasier und
des XXIV. Korps Hiobspost auf Hiobspost gekommen. Offenbar war
zunächst besonders zu befürchten, daß der Gegner zwischen dem zweit-
genannten Korps und dem XX. über den San auf Bircza durchbrach.
Daher wurde vor allem das XXI. Korps angewiesen, möglichst rasch die
Sanstrecke Siedliska—Zagorz zu besetzen und zur Verbindung mit dem
XXIV. Abteilungen auf die Höhen östlich von Izdebki vorzuschieben.
Wohl ziemlich zur selben Zeit — in der vierten Nachmittagsstunde —
wies Dimitriew auch den anderen Korps seiner Armee neue Räume zu.
Das IX. hatte an die untere Wisloka und in die Linie Mielec—Sçdziszow
zu weichen, eine Verfügung, von der, wie erinnerlich (S. 356), die
gegnerische k. u. k. 4. Armee schon zwei Stunden später Kenntnis erhielt.
Dem X.Korps wurde, wohl noch in Unkenntnis der von den öst.-ung-
362
Von Gorlice bis Lemberg
Truppen bei Wielopole errungenen Erfolge, die verhältnismäßig vorge-
schobene Stellung Sçdziszow—Wisniowa zugewiesen. Die Kaukasier und
das XXIV. Korps sollten sich südlich von Strzyszów und Niebylec, wei-
ters bei Domaradz und Izdebki sammeln, wo der Anschluß an das
XXI. Korps herzustellen war. Das XII. Korps hatte sich, wohl um den
sicheren Abzug des XXI. zu verbürgen, zunächst noch auf den Höhen
südwestlich und südlich von Sanok zu behaupten, wobei der linke Flügel
bis Tarnawa zu strecken war.
Kaum waren jedoch diese Weisungen erlassen, als die Nachrichten
aus der Gegend von Wielopole und Strzyszów erkennen ließen, daß auch
hier ein weit stärkeres Absetzen vom Gegner nötig war. In einem um
7h abends erlassenen zweiten Befehl wurde verfügt, daß die Frontlinie
von Sçdszizow über die Höhen unmittelbar südwestlich von Rzeszów und
über Bla±owa gegen Izdebki zu verlaufen habe. Den Truppen wurde ein-
geschärft, die ihnen zugewiesenen Stellungen am 11. „bis zum letzten
Mann" zu halten. Gleichzeitig erfuhren die höheren Befehlsstellen aller-
dings, daß „nicht benötigte Artillerie" zurückzusenden sei, da den
weiteren Kämpfen nur der „Charakter von Nachhutgefechten" zu-
kommen werde1).
Durch das Zurückweichen der Flügel der 3. Armee hinter die untere
Wisloka und auf Sanok wurde selbstverständlich auch die Lage der
Nachbararmeen stark berührt. Das Kmdo. der Südwestfront mußte die
nördlich der Weichsel stehende 4. Armee anweisen, ihre Front in die
Linie Kielce—Lagow—Polaniec zurückzubiegen, indes dem rechten Flügel
der 8. Armee aufgetragen wurde, zwischen Tarnawa und Rajskie Stel-
lung zu beziehen, von wo dann die Armeefront über den Odrytrücken
weiter zu verlaufen hatte. Sowohl Gen. Dimitriew als auch Dragomirow,
der Stabschef Iwanows, waren sich jedoch schon völlig klar darüber,
daß man der 3. Armee auch in den für den 11. zugewiesenen Linien
keinen nennenswerten Widerstand mehr zumuten durfte.Während Iwanow
selbst die Zügel stark am Boden schleifen ließ, übernahm es Dragomirow,
der Stawka diese ihr sehr unwillkommene Anschauung zu übermitteln.
Es geschah dies durch ein um 6h abends geführtes Ferngespräch, dem
auch ein erläuternder Brief Dragomirows an Januschkiewitsch folgte.
Der Stabschef Iwanows kam auf seinen schon seit Tagen immer wieder
erstatteten Vorschlag zurück, der qualvollen Lage der 3. Armee dadurch
ein Ende zu setzen, daß man sie hinter den unteren San zurückführte.
Natürlich erheische ein solcher Entschluß auch bei der 4. und 8. Armee
*) Boncz-Brujewitsch, II, 124 ff.
Zustimmung der Stawka zum Rückzug an den San und den Dniester
363
entsprechende Maßregeln. Die 4. Armee müsse in die von Wysmierzyce
über Radom und Il±a gegen Józefów verlaufende „Radomer Stellung"
zurückgenommen werden, die 8. in die Linie Przemysl—Turka—Zawadka.
Von Przemysl sei nur die Ostfront feindwärts zu besetzen. Die 11. und
die 9. Armee könnten vorerst angewiesen werden, den Druck auf den
rechten Heeresflügel des Gegners fortzusetzen und so die Versamm-
lung am San mittelbar zu unterstützen. Wie wenig Dragomirow auch der
durch solche Verfügungen geschaffenen Lage traute, beweisen die in
seinem Schreiben an Januschkiewitsch enthaltenen Vorschläge, man möge
ehestens an die fortifikatorische Ausgestaltung von Brest-Litowsk, Kiew,
Mohilew und anderen Punkten im Innern Rußlands schreiten.
In der Stawka war man über Dragomirows Hoffnungslosigkeit ent-
rüstet; er wurde wegen „nervöser Überreiztheit" seines Postens ent-
hoben. Aber den Tatsachen, die Dragomirows Pessimismus verschuldet
hatten, vermochte man sich nun auch in der Umgebung des Groß-
fürsten-Generalissimus nicht länger zu verschließen. Der Zustand der
3. Armee „war zu jener Zeit hoffnungslos. Die Divisionen, des X. und
das XXIV. Korps hatten einen Stand von je 1000 Mann; nicht besser war
es um die Divisionen des III. kauk. Korps bestellt"1). Nur die beiden
südlichen Korps wiesen noch einige Kampfkraft auf. Dimitriew hielt bei
dieser Verfassung seiner Armee sogar die Behauptung des unteren San
nur dann für möglich, wenn zwei bis drei frische Korps herangeführt
wurden, und Dragomirow forderte in seiner Denkschrift nicht weniger
als den sofortigen Einsatz der Ausbildungskaders samt ihren Offizieren
in die Armeefront. Nun mußte sich auch der Großfürst-Generalissimus
wohl oder übel herbeilassen, dem Rückzug an den San grundsätzlich zu-
zustimmen; über den San und Dniester hinaus dürfe jedoch kein Schritt
galizischen Bodens preisgegeben werden, vielmehr sei hinter dieser Linie
alles aufzubieten, um das Südwestheer möglichst bald wieder angriffs-
fähig zu machen. Die 4. Armee hatte im Anschluß an die 3. auch weiter-
hin den Raum zwischen der Pilica und der Sanmündung verläßlich zu
halten, die 11. und die 9. waren vorläufig zur Bindung des Gegners
südlich des Dniester zu belassen, Przemysl in die neuen Linien einzube-
ziehen, aber nicht als Festung, sondern nur als Teil der Feldstellung.
Diese Weisungen beantwortete Iwanow dahin, daß es unvermeidlich
sei, die 4. Armee sofort in die Radomer Stellung, mit dem linken Flügel
sogar hinter die Weichsel zurückzunehmen; allerdings berge die Aus-
dehnung der Armeefront auch dann die schwersten Gefahren, denen nur
!) Boncz-Brujewitsch, II, 131.
364
Von Goriice bis Lemberg
durch rascheste Verstärkung gesteuert werden könne. Der rechte Flügel
der S.Armee werde am 11. die schon erwähnten Stellungen zwischen
Tarnawa und dem Odrytrücken beziehen und tags darauf in die Linie
Bircza—Rajskie zurückschwenken. Die beiden Armeen am Ostflügel der
Front hätten wohl noch zu trachten, den Raum Nadworna zu gewinnen,
dagegen käme, wie zwischen den Zeilen zu lesen war, ein Angriff über
die Karpathen nicht mehr in Frage.
Die grundsätzliche Zustimmung des Großfürsten-Generalissimus
zum Rückzug hinter den San scheint dem Gen. Dimitriew wohl noch in
der Nacht auf den 11. mitgeteilt worden zu sein. Denn um 3hfrüh
ließ er den zwei Befehlen von 4 h nachm. und 7h abends einen dritten
folgen, der die Fortsetzung des Rückzuges hinter den San verfügte. Die
für den 28. vorgesehene Frontlinie blieb in Geltung. Am 29. hatte die
Masse der Armee die Linie Baranów—Ranizów—Lancut—Kanczuga—
Pruchnik—Krzywcza—Bircza zu überschreiten, am 30. zwischen Rozwa-
dów und Sosnica und in der Gürtellinie von Przemysl Aufstellung zu
nehmen. Die sechs Kavalleriedivisionen waren am Gegner zu belassen
und hatten dessen Vormarsch solange wie möglich zu verzögern.
Mit diesem Befehl war auch das Schicksal der russischen Stellungen
im Weichsellande und in den Waldkarpathen besiegelt.
Die Verfolgungs kämpfe am 11. und 12. Mai
Die Armee Dimitriews brach noch am 10. abends zum Rückmärsche
in die ihr für den 11. vorgezeichneten Stellungen auf. Am Nordflügel
begann das IX. Korps um 9h abends das westliche Wislokaufer zu
räumen. Der vom k. u, k. 4. Armeekmdo. noch für den Abend geplante
Stoß links dieses Flusses hätte daher zum Luftstoß werden müssen.
Schon seit 6h in Kenntnis der russischen Absichten, übertrug nun der
Erzherzog das Schwergewicht des Unternehmens auf das Ostufer, wo
das XIV. Korps, verstärkt durch die Brigade GM. Szende, den Russen
womöglich den Rückzug über Przeclaw zu verlegen hatte. Gleichzeitig
sollten die noch auf dem Westufer fechtenden Kräfte der Gruppe GdK.
Kirchbach dem weichenden Feinde in scharf östlicher Richtung nachstoßen.
Das Ringen nordöstlich von Dçbica flammte noch in der Nacht
mächtig auf. Da traf kurz vor Mitternacht ein Befehl der Heeres-
leitung ein, der der 4. Armee auftrug, unter Einsatz des heranfahrenden
VIII. Korps — 21. SchD., 37. und 41. HID. (S. 350) — der russischen
4. Armee über die Weichsel in den Rücken zu fallen. Das Armeekmdo.
Die Einnahme von Rzeszów
365
war auf einen solchen Auftrag schon vorbereitet, es konnte den schon
angeordneten Angriff des XIV. Korps, der durchaus den Absichten des
AOK. entsprach, auslaufen lassen.
Der Russe, der wohl wußte, um was es ging, stellte den Divi-
sionen des FML. Roth eine starke Abwehr entgegen. Die durch 400
Karabiner der 2. KD. verstärkte 3. ID. warf den Feind in heißem Ringen
aus seinen Gräben westlich und südwestlich von Ropczyce, verwehrte
ihm, sich in Sçdziszow festzusetzen, und rückte in diese Stadt ein. Die
Brigade Szende und das 1. KJR. drangen rechts vom Wislok, die Masse
der 8. ID. links von ihm flußabwärts vor. Heftige Kämpfe führten die
beiden Gruppen schließlich bis Przeclaw, wo den ganzen 11. um die
Örtlichkeiten und die brennende Brücke gerungen wurde. Als Meister
im Rückzüge wußte sich der Russe zuletzt auch hier wieder der dro-
henden Abschnürung zu entwinden.
Das Korps Kirchbach gelangte bis an die untere Wisloka; doch
fanden die 47. RD. und die 11. HKD. die Brücke bei Mielec gesprengt
und das andere Ufer so stark besetzt, daß von einer Flußbezwingung
abgesehen wurde. Die Gruppe FML. Stöger-Steiner schob sich im Laufe
des Tages unterhalb von Mielec an die Wisloka heran. Sie hatte keinen
geringen Anstoß durch die noch am 11. vormittags eingelangte Nach-
richt erhalten, daß der Russe auch seine Nidastellungen endlich abzu-
brechen begonnen hatte und offenbar gegen die Czarna zurückwich.
Dennoch hatten Etappentruppen und die Kavalleriegruppe Obstlt. Freih.
v. Vever noch weiter zwischen Szczucin und der Wislokamündung im
Sicherungsdienst zu bleiben..
Gegenüber dem in engem Anschlüsse an Mackensen vorgehenden
Südflügel der 4. Armee nahm das X. Russenkorps am 11. früh befehls-
gemäß auf den Höhen südwestlich von Rzeszów Aufstellung. Das k. u. k.
IX. Korps formte sich am späten Nachmittage zum Angriffe, der Feind
zog es jedoch vor, über Rzeszów gegen Nordosten zu weichen. Noch
in der Nacht drangen Vortruppen des FML. Králicek in die Stadt ein.
Daß das Korps im Vergleiche zur Masse der 4. Armee weit vorgeprellt
war, war jetzt belanglos. Wußte man doch aus abgehorchten Funk-
sprüchen, daß der Feind erst wieder am San ernsthaft Halt machen
werde. Vergeblich rief der Erzherzog abermals die Reiterei zur Verfol-
gung in den Rücken der feindlichen Infanterie auf. Die 11. HKD. hatte
die untere Wisloka ohne Erfolg nach einer Durchbruchsstelle abgesucht.
Sie nächtigte schließlich südlich von Przectaw.
Auch gegenüber der Armee Mackensen zeigte der Russe nirgends
366
Von Gorlice bis Lemberg
Miene, die ihm für den 11. vorgeschriebene Linie länger zu halten, als
dies für das Abfließen nach hinten nötig war. Am Nordflügel der 11. Ar-
mee gewann das Korps Plettenberg gegenüber den Kaukasiern den Raum
Tyczyn—Bla±owa. Im Anschlüsse daran erstieg der linke Flügel des
Korps Arz, die 12. ID., die Höhen östlich von Bla¿owa, um von dort mit
der schweren Artillerie in Teile des über Jawornik Polski zurückdrän-
genden XXIV. Russenkorps hineinzufeuern. Diese russische Gruppe hatte
noch in der Nacht auf den 11. der scharf zugreifenden 39. HID. Ujazdy
überlassen müssen und war, arg zerzaust, bei Jawornik Polski von einigen
in Przeworsk ausgeladenen Bataillonen der 62. RD. aufgenommen worden.
Die Honvéd nächtigte im Räume um Dynów.
Von den zwei deutschen Korps des rechten Flügels der 11. Armee
stieß das Korps François bei Izdebki gleichfalls auf Teile des XXIV. Rus-
senkorps, wobei neben der 12. Russendivision auch die Reste der schwer-
geprüften 48. wieder hart wegkamen. Während François oberhalb von
Dynów den San erreichte, gewann vom Korps Emmich die 119. ID. bei
Ulucz das rechte Flußufer, indes die ll.bayr. ID. bei Dydnia nächtigte.
Das von Sanok gegen Nordosten strebende XXI. Russenkorps konnte
unter solchen Umständen nicht mehr daran denken, die ihm am 10.
abends aufgetragene Stellung am San zu beziehen. Durch eine Gruppe
bei Mrzyglód gedeckt, schlug es sich mit der Masse auf die Straße Zaluz—
Bircza, an der die müden Regimenter bei Tyrawa Woloska und nordöst-
lich davon um Mitternacht zu kurzem Ausruhen anhielten.
In diesem Nächtigungsraum vermengten sich die Truppen des
XXI. Korps mit dem ihm nachfolgenden XII., das am Morgen auf den
Höhen südwestlich und südlich von Sanok noch gegen den linken Flügel
derk. u. k. 3. Armee Nachhutgefechte geführt, dann aber diese Stellungen
allmählich geräumt hatte. So hatte zuerst das südlich von Sanok fech-
tende XVII. Korps die vom Feinde in der Nacht noch gehaltenen Höhen
frei gefunden und am Vormittag konnte das X. Korps Pisarowce besetzen.
Den Schützen der KD. Berndt bot sich gerade noch Gelegenheit, durch
Feuer bei dem aus Sanok wegdrängenden Troß der Russen Verwirrung
anzurichten. Nachmittags marschierten nach kurzem Gefecht die Spitzen-
regimenter des X. Korps und der 2. ID. (XVII. Korps) in Sanok ein. Die
4. KD. eilte nun voraus, mußte sich aber ihr Nachtlager bei Zaluz erst
erkämpfen. Das Beskidenkorps kam unter mannigfachen Gefechten mit
Nachhuten des XII. und des VIII. Russenkorps über Tarnawa hinaus.
Das VII. Korps (17. ID., 20. HID.) fand keinen Raum mehr in der Front
und wurde bei Bukowsko als Armeereserve versammelt.
Weiterer Rückzug der Russen aus den Waldkarpathen
367
Im Gegensatz zu Schtscherbatschew, dem Führer der weiter östlich
anschließenden 11. Russenarmee, scheint Brussilow noch in der Nacht auf
den 11. Mai zur Überzeugung gelangt zu sein, daß seine Karpathenstel-
lung mit dem Rückzug der 3. Armee unhaltbar geworden war. Gemäß
den Befehlen Iwanows wäre bis zum 29. das VIII. Korps in die lang ge-
streckte Front Bircza—Rajskie zurückzubiegen gewesen, indes die Masse
der Armee in der Linie Odryt—Zawadka zu verbleiben gehabt hätte.
Eine solche Aufstellung hätte den Gegner geradezu eingeladen, vom
mittleren San her südlich an Przemysl vorüber in den Rücken der noch
in den Karpathen steckenden Kräfte Brussilows zu stoßen. Das Kmdo.
der Südwestfront konnte sich denn auch den Vorstellungen Brussilows
nicht verschließen, es mußte der Zurücknahme der 8. Armee in die Linie
Przemysl—Chyrów sowie auf die Höhen südlich von Stary Sambor und
beiderseits von Turka zustimmen. Dabei scheint dem VII. Russenkorps
ein langsameres Tempo aufgetragen worden zu sein, um der 11. Armee
ein längeres Verweilen in den Karpathen zu ermöglichen.
So setzte denn der Rückzug der ganzen 8. Russenarmee schon am
11. Mai ein und die Divisionen Böhm-Ermollis vermochten die tagszuvor
eingetretene Verzögerung in der Verfolgung ausreichend wettzumachen.
Dabei drängte sich der Armee von selbst die lockende Aufgabe auf, von
Süden her möglichst rasch in den „Hals" Lisko—Chyrów einzudringen
und das hier zurückhastende russische VIII. Korps — nach einem Worte
Napoleons — noch „en flagrant délit" zu fassen.
Das flotte Vorwärtskommen des Beskidenkorps überhob das k. u. k.
XIX. am linken Flügel der 2. Armee der am Vortage übernommenen
Pflicht, mit Teilen flankierend in nordwestlicher Richtung einzugreifen.
Die beiden Divisionen, die 34. links, die 29. rechts, arbeiteten sich an
Lisko heran, mußten aber in der Höhe von Hoczew am Südüfer des San
halten, da der Russe allen Übergangsversuchen der Deutschböhmen noch
zähesten Widerstand entgegensetzte. Das nun fünf Divisionen starke
IV. Korps, das das Straßenstück Uherce—Ustrzyki Dl. gewinnen sollte,
bezwang mit seinem linken Flügel, 27. und 32. ID., den; Sanfluß im Laufe
der Nacht auf den 12., mit der Mitte, 13. SchD., erst am nächsten Morgen;
alle drei Divisionen hatten eine heftige Gegenwirkung zu brechen. Da-
gegen setzte die am rechten Flügel vorgehende 31. ID. bei derSolinka-
mündung ihren Fuß ohne ernsthafte Behinderung durch den Feind auf
das Nordufer des Flusses. Die 51. HID. folgte als Reserve.
Dem XVIII. Korps wurde die Unterbindung der Straße östlich von
Kroscienko aufgetragen. Beide Divisionen überschritten — fast ohne
368
Von Gorlice bis Lemberg
Artillerie, die nur schwer vorwärts kam — in der Nacht auf den 11.
den San und überstiegen im Morgengrauen den wider Erwarten vom
Feind schon freigegebenen Odrytrücken. Die 44. SchD. fühlte unter
Kämpfen gegen den Zukowberg heran, während die 9. ID. schon vor
dem Ostre aufgehalten wurde. Am rechten Armeeflügel erreichte die
33. ID. als Spitzendivision des V. Korps den Odrytrücken und die Höhen
südöstlich von Lutowiska. An Stelle der abrollenden 37. HID. (S. 357)
rückte die 14. ID. im zweiten Treffen bis Berehy Grn. nach.
Mit immer wieder bewundertem Geschick hatte es der Russe ver-
standen, die verderbliche Bedrohung der Chyrower Straße am kriti-
schesten Tage abzuwehren. Dabei war die moralische Verfassung der
Armee Brussilows alles andere denn günstig zu nennen. Der Muschik
sagte zu seinem General: „Während unsere Artillerie fast schweigt und
unser Gewehrfeuer schon selten wird, bringt uns das feindliche Feuer
von Stunde zu Stunde größere Verluste bei. Wir sind ihm unnötig aus-
gesetzt, denn es ist unmöglich, dagegen aufzukommen. Man kann nicht
mit leeren Händen raufen1)."
Am linken Flügel Brussilows begann das VII. Korps mit dem Abbau
seiner Gebirgsstellungen. Die Gruppe Szurmay nahm den Augenblick
wahr und trat die Vorrückung an. Die links vorgehende 7. ID. über-
querte den obersten San, mußte sich zunächst aber mit dem Besitz der
unmittelbar vorgelagerten Höhen begnügen. Die 40. HID. bemächtigte
sich des Ostry und des unmittelbar südöstlich davon aufragenden Jaslo-
wiec. Linsingen zögerte nicht, für den 11. schon seine ganze Armee
zum Angriff aufzurufen, wobei er —damit auch den Wünschen. Pflanzers
entgegenkommend — das Schwergewicht auf den Ostflügel zu verlegen
gedachte. Aber mit der Ausführung dieses Planes hatte es noch sein Be-
wenden. Zutreffender wurde die Heeresleitung dem Gebote der Stunde
gerecht, indem sie am 11. Linsingen anwies, sich der allgemeinen Vor-
rückung vom linken Flügel an anzuschließen.
Zunächst kam das Korps Bothmer an die Reihe. Allerdings machte
der rechte Flügel Schtscherbatschews auch am 12. Mai noch immer nicht
Miene, seine Stellungen gegenüber der deutschen 1. ID. zu verlassen.
Doch entriß ihm diese die heißumstrittene Waldkuppe 927 unmittelbar
südöstlich von Koziowa, womit in die Front der 11. Russenarmee das
erste Loch geschlagen war. Links von der 1. ID. konnten die 3.GID.
und die 38. HID. hinter dem russischen VII. Korps 6 bis 10 km Raum
gewinnen, wobei der Russe zahlreiche Gefangene zurückließ. Dabei ging
*) Broussilov, 131.
Die Lage der 2. und der 3. Armee am 12. Mai
369
es, zumal östlich vom Stryjflusse, nicht ohne erbitterte Kämpfe ab. Die
40. HID. Szurmays rückte am 12. Mai rittlings der Uzsoker Straße bis in
die Gegend südwestlich von Turka vor. Die 7. ID. nahm den Höhenzug
westlich dieses Ortes und kam kampflos bis Wolcze. Der Feind hielt die
Höhen südlich von Turka und den langgestreckten Rücken, der vom
Petryków gegen Nordwesten zieht.
Der k. u. k. 2. Armee hatte das AOK. am 11. den Auftrag zukommen
lassen, sie möge nunmehr mit starkem linkem Flügel entlang der Chyrówer
Straße vorgehen und den abziehenden Marschsäulen Brussilows auf diese
Weise möglichst Abbruch tun. Für die Mitte und den linken Armeeflügel
bedeutete die Erfüllung dieses Auftrages eine starke Rechtsschwenkung.
Dabei ergab sich von selbst, daß das XIX. Korps im Laufe des 12. miti
seinen drei Divisionen aus dem ersten Treffen ausschied, indem sich ihm
nordöstlich von Lisko die 27. ID. des IV. Korps vorschob. Die Masse des
IV. Korps hielt am 12. abends mit den Divisionen des ersten Treffens vor
Ustrzyki Dl., das XVIII. kam bis Bandrów, das V. erstieg die Höhen nord-
westlich von tomna. Die den Korps vorgeschriebenen Marschziele wur-
den, wenn auch zum Teil unter erheblichen Wegschwierigkeiten, erreicht.
Die 3. Armee war am 11. Mai bei Sanok auf 10km Frontbreite zu-
sammengepreßt worden. Die Heeresleitung wies den Gdl. Boroevic an,
sich bei der weiteren Vorrückung im Räume Dobromil—Cisowa—Iskan
wieder zu entfalten. Die der Armee gegenüberstehenden Russenkräfte,
das XII. und das XXI. Korps, waren noch vor Morgengrauen aufge-
brochen, um über Bircza den Raum von Przemysl zu gewinnen. Um das
Abfließen dieser Truppenmassen zu sichern, wurden nordöstlich von
Tyrawa-Woloska starke Nachhuten zurückgelassen. Auf diese stieß GM.
Berndt, dem für die Verfolgung außer der 4. KD. noch die 1. unterstellt
worden war. Zunächst war jedoch nur die 4. KD. zur Hand, die unter
erheblichen Opfern vergeblich versuchte, den russischen Widerstand zu
brechen. Erst gegen Abend zogen sich die feindlichen Nachhuten auf
halben Weg gegen Bircza zurück. Von der Masse der 3. Armee gelangte
das Beskidenkorps und das X. in die Linie Tyrawa-Woloska—Mrzy-
glód, während das XVII. und das VII. südlich und südwestlich von Sanok
aufschlössen. Die 1. LstHusBrig. wurde als Verbindung zur 11. Armee
ausgeschieden.
Die vor den Divisionen Mackensens weichenden Russenkräfte hatten
sich am 12. in der ihnen für diesen Tag vorgezeichneten Linie tancut—
Kanczuga—Pruchnik—Krzywcza erst gar nicht aufgehalten. Der große
Heerbann setzte den Marsch an den San fast in einem Zuge fort. So
II 24
370
Von Gorlice bis Lemberg
konnte die 11. Armee die ihr aufgetragene Linie Iskan—Lancut an diesem
Tage vielfach ohne ernstere Zusammenstöße mit dem Feinde erreichen.
Das VI. Korps verstellte am Morgen der 12. sib. SchD. und den Resten
der 48. ID. bei Jawornik Polski die Rückzugslinie gegen Nordosten, so
daß diese Truppen gegen Pruchnik ausweichen mußten, aus welchem Ort
sie dann gegen Abend durch die deutsche 82. RD. vertrieben wurden.
Unterdessen hatte weiter nordwestlich, bei Kanczuga, die an der Spitze
des VI. Korps marschierende 12. ID. gegen Teile der 62. Russendivision
gekämpft, die auf den Höhen östlich vom genannten Orte der hart mit-
genommenen 49. ID. den Rücken deckten. Im großen erreichten: Korps
Emmich Iskan und den Raum südwestlich davon, Korps François die
Gegend Pruchnik—Dubiecko, Arz mit den Spitzenregimentern Kan-
czuga, die Garde Tarnawka—Lancut.
Beginn des Rückzuges der Russen im Weich s ell ande
Für die Entwicklung der Lage bei der k. u. k. 4. Armee war vom
11. Mai an der Rückzug der Russen im Weichsellande von entscheiden-
dem Einfluß.
Noch am 9. Mai war der Russe gegen den rechten Flügel der
deutschen 9. Armee vorgestoßen, ohne jedoch durchgedrungen zu sein.
Tags darauf war nach den russischen Funksprüchen eine Rücknahme der
Armee Ewerts an die Czarna und auf Kielce wahrscheinlich geworden.
In der Nacht auf den 11. begannen das XXXI. und das XXV. Korps tat-
sächlich ihre Stellungen an der Nida zu verlassen.
GdK. Dankl sandte zunächst die noch bei der Armee verbliebene
ló.KavBrig. der 2. KD. nach Szczucin1). Gleichzeitig folgten dem ab-
ziehenden Feinde gemischte Abteilungen des I. Korps und der 4. ID. des
II. Korps. Nur gegenüber dem linken Flügel der 25. ID. hielt der Russe
seine Dauerstellungen noch fest. Die weit verteilten Hauptkräfte der
beiden südlichen Divisionen mußten erst gesammelt werden und traten
am 12. Mai vom Ostufer der rasch überbrückten Nida aus. Die geringe
Streiterzahl sowie die durch den langen Stellungskrieg bedingte Herab-
minderung der Marschfähigkeit nötigten die 1. Armee, nur tastend vor-
zugehen. Das Schwergewicht der Vorrückung wurde auf die Richtung
gegen Staszów gelegt. Unbehelligt gelangten die Truppen an ihrem
ersten Marschtage an die Linie Szczucin (nördliches Weichselufer)—
*) Hier wurde eine Kriegsbrücke geschlagen, über die das vor einigen Tagen der
4. Armee geliehene SchR. 31 am 13. wieder zur 46. SchD. einrückte.
Die Lage der k. u. k. 4. Armee am 12. Mai
371
Ostrów. Gleichzeitig waren auch Teile der Armeeabteilung Woyrsch
aus ihren Gräben vorgebrochen; die Division Bredow kämpfte um die
Höhen von Kielce. Zur Sicherung der Südflanke Bredows entsandte die
25. ID. eine gemischte Abteilung gegen Morawica. Auch die deutsche
3.LD. konnte den am Morgen weichenden Russen folgen, die 4. LD.
Lopuszno nehmen, während an der übrigen Front der Armeeabteilung
noch Stillstand herrschte.
Nun kam fürs, erste ein Vorstoß der k. u. k. 4. Armee über die
Weichsel nicht mehr in, Frage. Die Heeresleitung verfügte daher am 11.
nachmittags, daß die Bewegung in der bisherigen Staffelordnung fort-
zuführen, und der rechte Flügel gegen den unteren San anzusetzen sei.
GO. Mackensen fügte ergänzend bei, daß das IX. und das XIV. Korps
über Rzeszów—Kolbuszowa auf Zolynia—Ranizów zu folgen hatten und
das Korps Kirchbach über Mielec nachzuführen war. Die Armee sollte
die linke Flanke der gegen Jaroslau vordringenden Divisionen Macken-
sens gegenüber Bedrohungen aus dem S an-Weichselwinkel schützen1).
Die ll.HKD. hatte sich bei Rzeszów dem 11. Armeekmdo. zur Ver-
fügung zu stellen.
Da die Russen über Sokolow und Majdan und entlang des südlichen
Weichselufers abzogen, konnte die k. u. k. 4. Armee am 12. Mai die Linie
Stobierna—Kolbuszowa—Chorzelów fast kampflos erreichen; nur die am
rechten Flügel vorgehende 10. ID. des IX. Korps kam nördlich von
Rzeszów wiederholt ins Gefecht mit der 2. komb. KD. des Feindes.
Die Armee des Erzherzogs hatte bis zum 12. Mai 77 Offiziere und
27.400 Mann als Gefangene eingebracht; die Beute betrug 55 Maschinen-
gewehre und 6 Geschütze. Das Armeekmdo. übersiedelte von Okocim
in ein Schloß bei Tarnów.
Die Wiedereroberung Mittelgaliziens
(12. Mai bis 5. Juni)
Die beiderseitigen Weisungen für die Fortführung
des FeldZuges
(12. und 13. Mai)
Der allgemeine Rückzug der Russen in Galizien und im Weichsel-
lande stellte die Heeresleitungen der verbündeten Mittelmächte vor neue
*) Die Verbündeten hatten durch ihren Funkerhorchdienst erfahren, daß eine
Division des russischen XV. Korps im Räume von Tarnobrzeg auftauchen werde.
24*
372
Von Gorlice bis Lemberg
Entschlüsse, die von den beiden Generalstabschefs am 12. Mai nach-
mittags zu Pleß gefaßt und abends von Teschen aus in Befehlsform weiter-
gegeben wurden. Von den in Betracht kommenden Hauptstoßrichtun-
gen: südlich von Przemysl oder über Jaroslau oder über den unteren
San, entschied man sich für die mittlere als die kürzere.
Demgemäß lauteten die Befehle, die am 12. abends vom k. u. k. AOK.
erlassen wurden. Die 11. Armee hatte wieder als Stoßkeil zu wirken^
indem sie bei entsprechender Deckung gegen Przemysl den Feind beider-
seits von Jaroslau über den San werfen sollte. Der 4. Armee wurde
aufgetragen, nördlich der 11. das rechte Sanufer zu gewinnen, dabei
aber auch weiterhin den Flankenschutz gegen den San-Weichselwinkel
zu besorgen. Die 3. Armee war mit ihrem Nordflügel gegen die West-
und Südfront von Przemysl vorzuführen und sollte den Platz womöglich
im Handstreich nehmen; im Falle dies nicht ging, den gewaltsamen An-
griff vorbereiten. Der rechte Flügel hatte der russischen San Verteidigung
über Dobromil—Nowe Miasto—Mosciska in die linke Flanke zu fallen.
Die 2. Armee sollte über Chyrów, Sambor und Horodyszcze gegen Nor-
den aufschwenken und hiebei starke Kräfte hinter dem rechten Flügel
zu einem etwaigen Eingreifen bei der Südarmee bereitstellen, die, nach
rechts hinten gestaffelt, mit dem linken Flügel über Drohobycz vorzu-
dringen hatte. Der 7. Armee wurde die Behauptung der von ihr inne-
gehabten Räume vorgezeichnet, endlich den Divisionen nördlich der
Weichsel die Verfolgung des weichenden Feindes in nordöstlicher und
östlicher Richtung. Da man den Russen möglichst wenig Zeit zum Atem-
holen gönnen wollte, wurde auch diesmal von einer tiefergreifenden Um-
gruppierung der Streitkräfte abgesehen, die übrigens auch durch die
Bahnlage in den von den Russen geräumten Landesteilen sehr erschwert
worden wäre. Nicht zu Unrecht hatte Conrad am 12. Mai bei seinem Be-
suche im deutschen Hauptquartier auf die Ähnlichkeit der augenblick-
lichen Kriegslage mit jener im Oktober 1914 hingewiesen, dabei aber
auch daran erinnert, daß damals ein Feind in seiner vollsten Machtent-
faltung zu bekämpfen war, indes man es jetzt mit einem stark ausgeblu-
teten und auch in seiner Moral schwer getroffenen Gegner zu tun hatte.
Auf russischer Seite fanden die in den letzten Tagen gefaßten und
zum Teil schon in Ausführung befindlichen Entschlüsse in einem Befehle
ihren Niederschlag, den Gen. Iwanow nach mannigfachem Meinungs-
austausch mit der Stawka und mit den untergeordneten Kommandos
am 13. Mai erließ, zu einem Zeitpunkte, da die Armee Dimitriew schon
ihre neuen Stellungen am San erreicht hatte. Aus diesen Weisungen geht
Iwanows Anordnungen für die Armeen der Südwestfront
373
vor allem hervor, daß sich die russische Führung zu dem Entschluß
durchgerungen hatte, den Südflügel der 4. Armee entgegen verschie-
denen Vorschlägen nicht schon gleich hinter die Weichsel zurückzunehmen,
sondern in der Linie Opatow—Tarnobrzeg—Rozwadów eine Flanken-
stellung gegenüber den gegen den San vordringenden Streitkräften der
Mittelmächte beziehen zu lassen. Die Besetzung des San-Weichselwinkels
sollte neben anderen Truppenteilen das von der Nordwestfront heran-
geführte XV. Korps übernehmen. Eine solche Aufstellung konnte nicht
bloß der Armee Dimitriew Entlastung bringen, sondern auch als Sprung-
brett für die Wiederaufnahme einer Offensive dienen.
Von der 3. Armee hatten sich die drei nördlichen Korps, IX., X.
und III. kauk., zwischen Rozwadów und der Wislokmündung auf dem
überhöhten Ostufer des San festzusetzen. Die drei südlichen Korps,
XXIV., XXI. und XII., wurden, nicht zuletzt auf Wunsch der Korps-*
führer, im Brückenkopf von Jaroslau und weiter bis zum Gürtel von
Przemysl auf dem Westufer des Flusses belassen. Die Verteidigung von
Przemysl — und zwar nur als eines Teiles der Feldstellung (S. 363) —
übertrug Iwanow dem VIII. Korps der 8. Armee, um die zur Schlacke
ausgebrannte 3. Armee zu entlasten. Die Masse der 8. Armee war an-
gewiesen, sich im Anschluß an Przemysl mit fast gegen Süden gerich-
teter Front auf der Landesschwelle südlich von Mosciska und am
Dniester nordöstlich von Sambor zu entschiedenem Widerstand einzu-
richten. Der 11. Armee war der Dniester abschnitt von südlich von Ko-
marno bis Bukaczowce, der 9. jener von da bis über Zaleszczyki hinaus
und dann die Reichsgrenze zwischen Dniester und Pruth zur Deckung
überwiesen. Doch hatte Letschitzki diese Aufgabe jedenfalls in möglichst
weit gegen die Karpathen vorgeschobener Stellung und möglichst an-
griffsweise zu erfüllen, und auch dem Gen. Schtscherbatschew scheint
.sehr bald eine solche Lösung aufgetragen worden zu sein, wiewohl ihm
der Befehl vom 13. Mai das Eintreffen unmittelbar südlich vom Dniester
schon für den 15. vorgeschrieben hatte.
Diese Weisungen an den linken Heeresflügel waren nicht zuletzt
von politischen Erwägungen in bezug auf Rumänien diktiert. Allerdings
legte die Stawka keinen übermäßigen Wert auf eine tätige Mitwirkung
dieses Landes an der Seite Rußlands, ja sie stand einer solchen sogar
mit gemischten Gefühlen gegenüber1). Sie war zufrieden, wenn Rumä-
nien in der Neutralität verblieb. Umso mehr betonte der Großfürst-
Generalissimus in einer Depesche an den französischen Höchstkomman-
*■) Das zaristische Rußland im Weltkriege, 204.
374
Von Gorlice bis Lemberg
dierenden, Gen. Joffre, daß nunmehr der Zeitpunkt zum Eintritt in den
Krieg für Italien gekommen sei, und daß auch die Westmächte ihrç
Angriffe in Flandern und Nordfrankreich (S. 350) endlich zu einer
breit angelegten Offensive ausgestalten mögen. Er rechnete vorwurfs-
voll dem Bundesgenossen die Zahl der deutschen Divisionen vor, die aus
Frankreich auf den östlichen Kriegsschauplatz geschickt worden waren,,
und rühmte sich, daß kein einziger dieser Truppenteile dank der russischen
Rührigkeit wieder nach Westen habe zurückkehren können. Wenn die
westlichen Verbündeten es vermochten, ein weiteres Herüberwerfen deut-
scher Truppen an die russische Front zu verhindern, dann konnte nach
der noch immer zuversichtlichen Auffassung des Großfürsten das Zaren-
heer in seinen neuen Stellungen ein weiteres Vordringen des Gegners
sehr wohl hintanhalten1).
Die Schlacht bei Jaroslau
(14. bis 20. Mai)
H i e 2 u Beilagen 19 und 20
Der Vorstoß der Verbündeten über den San
Obgleich die Verbündeten möglichst eilig nachsetzten, hatte der
hastige Rückzug der Russen an den San die Fühlung zwischen Freund und
Feind ein wenig gelockert. Mit zunehmender Entfernung vom Etappen-
bereich der Dauerstellung und von den Kopfstationen machten sich über-
dies bei den Armeen der Mittelmächte Erhaltungsschwierigkeiten fühl-
bar, die zusammen mit der Notwendigkeit, den Truppen eine Atempause
zu gewähren und die schon stark gelichteten Reihen aufzufüllen, zur
Einschaltung eines Operationsstillstandes zwingen mußten. Diesen Hemm-
nissen gesellte sich im Laufe der unmittelbar folgenden Kriegshand-
lungen noch die völlige Unklarheit über die russischen Absichten; bei.
Wird der Feind versuchen, sich am San zu halten? Wird er noch dies-
seits vom Flusse neuerlich Fuß fassen wollen ? Wird er sich an ¡den festen
Platz Przemysl klammern ? Diese verschiedenen Fragen hatten nicht bloß
in den Pleßer Besprechungen vom 12. Mai schon eine Rolle gespielt, sie
zeigten sich auch immer wieder in den Befehlen, die in den nächsten
Tagen von den verschiedenen Kommandos erteilt werden sollten2).
*) Danilow, 499 f.
2) Metzger bei Schwarte, V, 102 ; François, Gorlice, III ff.
Anordnungen Mackensens vom 13. Mai für die Fortsetzung der Operationen 375
Was den Hauptstoß anlangte, so hatten die Heeresleitungen der Ver-
bündeten beschlossen, daß Mackensen zunächst zu trachten habe, auf
dem Ostufer des San festen Fuß zu fassen und so von Anbeginn einen
Keil in die von den Russen etwa geplante San-Dniesterverteidigung
hineinzutreiben.
Befehlsgemäß rückte die 11. Armee am 13. Mai zwischen dem San
und dem Wislok weiter vor. Sie erreichte am Abend die Linie Krzywcza—
Pruchnik—Przeworsk. Die russische Reiterei war nach Osten ausgewichen.
Nur das Garde,korps hatte noch in der Nacht auf den 13. bei Urzejowice
ein Gefecht mit einer Nachhut des III. kauk. Korps zu bestehen gehabt.
Das Augenmerk links auf den Sanwinkel gerichtet, hatte auch die 4. Armee
ihre Marschziele, die Linie Zolynia—Sokolów—Majdan—Padew Naro-
dowa, kampflos erreicht.
Die Armee Boroevic, deren Vormarschstreifen sich südlich vom San
hinzog, begann sich am gleichen Tage aus der Zusammenballung bei
Sanok zu lösen und gegen die Linie Dobromil—Przemysl aufzuschwenken,
wobei das XVII. Korps zwischen dem Beskidenkorps und dem X. in die
Front einrücken, das VII. aber im zweiten Treffen bleiben sollte. Trotz
Hitze und schlechter Wege bewältigten die Truppen an diesem Marsch-
tage bis zu 32 km. Ohne wesentlichen Zusammenstoß mit den weichenden
Divisionen Brussilows kamen die 1. KD. bis gegen Dobromil, das X. Korps
über Bircza hinaus; das Beskidenkorps und das XVII. blieben um je
einen halben Tagmarsch zurück, das VII. hielt noch bei Sanok. GM. Berndt
stellte die Fühlung zum linken Flügel Böhm-Ermollis her.
Am 13. nachmittags erließ Mackensen einen die nächsten Aufgaben
festsetzenden Befehl. Darnach sollte die 11. Armee in Jaroslau und zu
beiden Seiten dieser Stadt, die 4. links davon bei entsprechender Deckung
der Flanke den San überqueren. Im Rahmen der 11. Armee fiel die San-
bezwingung den Korps Arz und Plettenberg zu, deren innere Flügel
gegen die Stadtmitte von Jaroslau vorzugehen hatten. Hinter diese An-
griff sgruppe sollte die bis Lancut gelangte deutsche 56. ID. nachgezogen
werden. Nördlich von diesem fünf Divisionen starken Sturmblock war
das deutsche X. Korps durch Abtrennung der 19. ID. von der Garde und
Vorziehen der 20. ID. über Lancut wieder kriegsgliederungsgemäß zu-
sammenzufassen. Gdl. Emmich, der vom rechten Flügel der Armee heran-
geholt wurde, hatte mit diesem Korps die Deckung der Nordflanke der
11. Armee zu besorgen. Das Korps François (XXXXI. R) wurde beauf-
tragt, über Radymno vorzustoßen, während das Korps Kneußl mit der
11. bayr. und der 119. ID. Przemysl in Schach halten sollte.
376
Von Gor lice bis Lemberg
Das 11. Armeekmdo. rechnete in diesem Augenblick damit, daß sich
der Feind am San erbittert sur Wehre setzen werde, und beschloß, den
Angriff planmäßig zu führen. Die Verteilung der schweren Artillerie auf
die einzelnen Verbände wurde neu geregelt, und jede Phase des Unter-
nehmens genau umschrieben. Darnach war der 14. für Erkundungen und
das Herangehen der Infanterie an die russischen Stellungen, der 15. zum
Einrücken in die von Krzywcza über Mackowice, Kosienice, Ghlopice,
Gieszacin, Ujezna undjagiela verlaufende „Artillerieschutzstellung4 ^aus-
zunützen. Die Nacht auf den 16. wurde für das Beziehen der Geschütz-
stellungen in Aussicht genommen, am darauf folgenden Nachmittag sollte
mit dem Einschießen begonnen werden, während sich das Fußvolk so
weit vorzuarbeiten hatte, daß am 17. der Sturm stattfinden konnte.
Kaum waren jedoch diese Befehle ausgegeben, als die Nachricht
vom Abmärsche einer 20 km langen Kolonne aus Przemysl gegen Osten
einlief. Verzichtete der Feind am Ende auf die Verteidigung der San-
linie? Die Möglichkeit war bei dem Zustande der 3. Russenarmee nicht
ganz von der Hand zu weisen. Jedenfalls legte GO. Mackensen den Unter-
führern ans Herz, dort, wo der Russe nachgab, nicht zu zögern, sondern
sich ihm an die Fersen zu heften und ihm möglichst über den San nach-
zustoßen, wo man sich dann brückenkopfartig festsetzen konnte.
Aber der Russe dachte weder daran, die Sanlinie preiszugeben, noch
war er gesonnen, die Verteidigung des Flusses schon jetzt ganz auf das
Ostufer zu verlegen. Demgemäß stellte sich das russische XXIV. Korps
bei Jaroslau, das XXI. westlich und südwestlich von Radymno, das XII.
im Anschluß daran bis zum Gürtel von Przemysl der Armee Mackensen
in vielfach recht gut ausgebauten, stark verdrahteten Verschanzungen
entgegen. Die 20 km lange Kolonne, die aus Przemysl abgerückt war,
bedeutete demnach nicht Rückzug, sondern gehörte offenbar den beiden
letztgenannten Korps an, die in Przemysl dem VIII. Korps Brussilows
Platz gemacht hatten und in ihre Abschnitte abgerückt waren.
In ungebrochenem Drange nach vorwärts überschritt dennoch die
Masse der 11. Armee schon am 14. die Linie der „Artiüerieschutzstellung",
Das Korps Kneußl gelangte mit den Spitzen bis Mackowice und Rokiet-
nica nördlich von Przemysl, das Korps François trat auf den Höhen
westlich von Radymno mit dem XXI. Russenkorps in Gefechtsberührung.
Das k. u. k. VI. Korps, FML. Arz, marschierte südlich und südwestlich
von Jaroslau zum Angriff gegen den Brückenkopf auf, die Garde west-
lich und nordwestlich der Stadt, wobei der linke Flügel teilweise Front
gegen den San nahm. Die 19. ID. Emmichs schwärmte zur Flankensiche-
Die Einnahme des Brückenkopfes von Jaroslau
377
rung im Mündungswinkel des Wislok aus, indes sich die 56. und die
20. ID. im Räume Markowa—Lancut zum Eingreifen versammelten.
Die Flieger der Verbündeten meldeten, daß die Russen den Jaros-
lauer Brückenkopf besetzt hielten und sich südwestlich und südlich de£
Stadt besonders starke Stützpunkte eingerichtet hätten. Es waren dies
Meierhof und Schloß Pawlosiow, Höhe Cupajówka mit A 264, Dorf Kidalo-
wice. Auch westlich und südwestlich von Radymno ergaben Erkundungen
das Vorhandensein starker Stellungen1). Wie in allen Gegenden, die die
Russen auf ihrem Rückzüge heimgesucht hatten, wüteten in Jaroslau
gewaltige Brände; auch der Bahnhof stand in Flammen.
Das Ringen um den Brückenkopf von Jaroslau begann am 14. und
währte den ganzen 15. über bis spät in die Nacht. Dem Korps Arz fiel
neben dem rechten Flügel der 2. GID. die schwere Aufgabe zu, die starken
Verschanzungen der Südfront zu nehmen. Die 12. ID. rang um die
Cupajówka und, zum Teil eng vermengt mit der Garde, um Meierhof
und Schloß Pawlosiów; die 39. HID. um das Dorf Kidalowice. Der Hon-
véd oblag überdies die Deckung der Ostflanke gegenüber Tuczçpy, wo
die inneren Flügel des XXIV. und des XXI. Russenkorps zusammen-
stießen. Die Besatzung von Jaroslau, die 62. RD., vermischt mit anderen
Truppenteilen, wurde im Laufe des Kampfes durch Bataillone der Ar-
meereserve Dimitriews verstärkt. Besonders ungünstig machte sich beim
Angriff des VI. Korps das Flankenfeuer fühlbar, das vom Ostufer des
San kam. Als der 15. zur Neige ging, entschied sich dennoch das Schick-
sal von Jaroslau. Gegen Abend räumten die Russen den Brückenkopf,
um sich bald darauf befehlsgemäß durch die Stadt aufs andere Sanufer
zurückzuziehen. Der Eindruck des Ereignisses auf Gen. Dimitriew war
so groß, daß er auch dem XXI. und dem XII. Korps die Preisgabe der
Stellungen auf dem westlichen Sanufer befahl. Offenbar durch die Stawka
beeinflußt, ließ Iwanow dies aber nicht zu, so daß Dimitriew seinen
Rückzugsbefehl an die zwei ebengenannten Korps widerrufen mußte. Das
XXIV. Korps hatte, stark gelichtet und durcheinandergeraten, zwischen
der Lubaczówka und der Gegend nördlich von Radymno das rechte Ufer
Zu halten. Der Entschluß der Russen, südwestlich von jaroslau doch noch
auf dem Westufer des San auszuharren, war nicht zuletzt durch die
Rücksicht auf Przemysl diktiert worden, dessen Besitz für das Zarenreich
zu einer Prestigefrage geworden war.
GO. Mackensen hatte noch am 15. nachmittags den drei Mittelkorps
seiner Armee, XXXXI. R, k. u. k. VI. und Garde, aufgetragen, den Über-
i) Arz, 64 ; François, Gorlîce, 114 ; Boncz-Bru j ewitsch, II, 147 ff.
378
Von Gorlice bis Lemberg
gang über den San nach gründlicher artilleristischer Vorbereitung zu er-
zwingen. Nördlich von der Garde sollte das deutsche X. Korps auf dem
Ostufer des Flusses gegen Sieniawa vorgehen. Als nächstes Kampfziel
wurde die Einrichtung einer brückenkopfartigen- Stellung bestimmt, die
gegenüber von Radymno begann, über Laszki nordwärts an die Luba-
czówka verlief und nördlich von deren Mündung auch die alten öster-
reichischen Brückenkopf Stellungen bei Sieniawa in sich schließen sollte.
Teilweise noch in der Nacht, jedenfalls in den frühen Morgenstun-
den, stürmten die k. u. k. 12. ID. und die 2. GID. den Russen durch Jaroslau
nach. Jene erreichte den San südöstlich der Stadt, von dieser konnten
um 5h nachm. die ersten Bataillone das rechte Flußufer betreten, auf dem
sie bis zur Straßengabel nordöstlich von der abgebrochenen Straßen-
brücke vordrangen. Alsbald wurde von den Gardepionieren auch ein
Teil der 12. ID. überschifft; es waren bis 10h abends fünf Bataillone der
24. IBrig., die, nach rechts hinten gestaffelt, südlich an die Garde an-
schlössen. Unterdessen war auch für eine mehrfache Überbrückung des
San Sorge getragen worden.
Die 39. HID. hatte mittlerweile am 15. abends und am 16. früh an
dem Sturm des Korps François gegen die Stellungen von Tuczçpy mit-
gewirkt. Erst nach der Einnahme dieses Ortes konnte sie nördlich davon
an die Ausführung des ihr aufgetragenen Sanüberganges schreiten. Die
Masse des XXXXI. RKorps bereitete an diesen Tagen den Angriff auf
die Stellungen von Radymno vor. Südlich davon übernahm das komb.
Korps Kneußl den Schutz gegen Przemysl, das in der Hand der Russen
trotz seiner starken Beschädigungen den weiteren Kriegshandlungen
der Verbündeten ein schweres Hemmnis auferlegte. Kneußl schuf zu-
nächst am 14. der aus dem zweiten Treffen herangeholten 119. ID. bei
Krzywcza Platz1), indem er seine eigene 11. bayr. ID. etwas nach Norden
zog. Tags darauf schob sich die 11. bayr. an den Südflügel der 81. RD.
heran, ohne daß sie bei diesem Flankenmarsche vom Przemysler Gürtel
mehr als durch einige Artilleriegeschosse belästigt worden wäre. Der
Gedanke an einen Handstreich mußte nach den durch Offiziere ausge-
führten Erkundungen dennoch fallen gelassen werden. Am 16. vertrieben
die Bayern, nunmehr schon durch das Kreuzfeuer aus der Festung und
der Front des XII. Russenkorps stark behindert, den Feind aus einigen
Vorstellungen bei Batycze und Trójczyce2). Die 119. ID. hatte unter-
*) Kneußl, Przemysl, Mai/Juni 1915 (München 1925).
2) Diese und die sonstigen aus dem Bereiche von Przemysl genannten Orte sind
in der Beilage 9 enthalten.
Die k. u. k. 4. Armee am 14. Mai
379
dessen Front gegen die Werke von Ujkowice genommen. Südlich davon
stellte bei Letowina eine gemischte Abteilung der k. u. k. 24. ID. (X. Korps)
die Verbindung mit der Armee Boroevic her.
Am linken Flügel der 11. Armee war zwischen der unmittelbar ab-
wärts von Jaroslau angesetzten 1. GID. und der 19. ID., die im Wislok-
winkel mit nordwärts gerichteter Front gegen noch am linken S anufer
verbliebene Abteilungen des III. kauk. Korps kämpfte, eine Lücke ent-
standen, die erst am 16. durch die deutsche 20. ID. ausgefüllt werden
konnte. Diese Division brach in der Nacht auf den 17. bei Nielepkowice
auf das Ostufer des San vor. Damit hatten die Verbündeten — nach der
k. u. k. 12. ID. und der Garde — an einem dritten Punkte ihren Fuß auf
das rechte Sanufer gesetzt, ein für die Russen genug bitteres Ergebnis.
Bei der k.u.k. 4. Armee hatte am 14. die Reiterei — jedes der drei
Korps hatte eine Kavalleriebrigade vor sich — die russischen Kavallerie-
divisionen auf ihre Infanterie zurückgedrückt, wobei es zu verschiedenen
Zusammenstößen kam, durch die auch ab und zu die Spitzenabteilungen
der Infanterie in den Kampf gerufen wurden. Im allgemeinen war aber
auch dieser Tag für die Armee ein reiner Marschtag. Das IX. Korps
erreichte den San beiderseits von Lezajsk. Das XIV. fühlte mit der
ll.HKD. und mit Infanterie gegen den Sanabschnitt Sarzyna—Rudnik
vor, indes die Masse des Korps in den vom Herbst 1914 her wohlbekannten
Räumen von Je±oweund östlich davon nächtigte. Das Korps GdK. Kirch-
bach ging mit seinen Hauptkräften von Südwesten her auf einen halben
Tagmarsch an die russische Stellung Tarnobrzeg—Nisko heran, die der
Feind zu einem befestigten Gefechtsfeld ausgebaut hatte. Neben Teilen der
75. und der 83. RD. Ewerts, die durch den doppelten Brückenkopf von
Sandomierz herangeführt worden waren, war bis jetzt südwestlich von
Rozwadów die 8. ID. des XV. Korps gemeldet worden, deren Antrans-
port man auf der erst im Kriege gebauten Bahn Lublin—Rozwadpw
bewerkstelligt hatte. Oberhalb von Nisko hatten sich die Russen noch
bei Rudnik und Sieniawa in linksseitigen Brückenköpfen eingerichtet.
Doch wurde dem k. u. k. 4. Armeekmdo. aus Funksprüchen bekannt, daß
der Feind nicht gesonnen war, an diesen zwei Punkten diesseits des
Flusses starken Widerstand zu leisten.
Erzherzog Joseph Ferdinand gedachte seine Doppelaufgabe so zu
lösen, daß das IX. und ein halbes XIV. Korps den San bezwingen, das
Korps GdK. Kirchbach den Brückenkopf von Sandomierz nehmen sollten.
Da jedoch das zweite Unternehmen vom Fortschreiten der Armee Dankl
nördlich der Weichsel abhing und deren Südflügel, die 46. SchD., am
380
Von Gorlice bis Lemberg
14. abends erst die Gegend von Osiek erreichte, stand für die Erwägun-
gen des Armeekmdos. zunächst die Sanbezwingung im Vordergrund.
Es befahl dem IX. Korps, zwischen den Mündungen des Wislok und der
Zlota Vorbereitungen für den Flußübergang zu treffen. Bei Gelingen
des Unternehmens sollte das Korps die Gegend von Cieplice gewinnen
und von hier aus gemeinsam mit der von Süden her vorgehenden deut-
schen 19. ID. die Russen aus dem Bereiche von Sieniawa vertreiben.
Am 15. Mai früh räumte der Feind gegenüber dem k.u.k. IX.Korps
die letzten Stellungen westlich des San. Der Südflügel Králiceks konnte
artilleristisch an den Kämpfen der deutschen 19. ID. mitwirken. Vom
XIV. Korps war an diesem Tage die Division Horsetzky mit der Säube-
rung einzelner Russennester am diesseitigen Ufer beschäftigt, indes die
Kaiser jäger des FML. Fabini den Ort Rudnik stürmten. Die Hauptwider-
standslinie des Korps verlief im allgemeinen längs der Waldränder
zwischen Sarzyna und Rudnik, folgte dann weiter der Bahn und schloß
am linken Flügel den OrtWarcholy ein. Bei Rudnik waren zwischen den
beiden Infanteriedivisionen die Schützen der ll.HKD. eingesetzt. Teil-
weise gab es wieder das vom Dunajec wohlvertraute Schützengrabenleben.
Allerdings stellten sich bei der Spatenarbeit, zumal in der Gegend von
Rudnik, schmerzliche Hindernisse ein; allenthalben stieß man auf halb
verweste Leichen aus den Oktoberkämpfen 1914. Da die Bewohnerschaft
der Gegend politisch verdächtig war, wurde sie verhalten, ihre vielfach
zu Schutt und Ruinen gewordenen Heimatdörfer zu verlassen1).
Das Korps GdK. Kirchbach entwickelte sich gegenüber den Russen-
stellungen zwischen Nisko und Tarnobrzeg. Die ll.HKD.wurde mit
Ausnahme der Schützen hinter die Front zurückgenommen; die halbe
2. KD. sammelte sich bei Jezowe.
Inzwischen war aber dem k. u. k. 4. Armeekmdo. auf eine Anfrage
hin vom GO. Mackensen mitgeteilt worden, daß ein gleichzeitiger und
einheitlicher Sanübergang nicht beabsichtigt sei. Jedes Korps möge die
Gunst des Augenblickes ausnützen und bei Gelingen des Unternehmens
dem Nachbar helfen. Da eine solch günstige Lage beim weit aus-
einandergezogenen IX. Korps nicht bestand, befahl der Erzherzog dem
FML. Králicek, von der für den 16. geplanten Flußbezwingung abzu-
sehen. Der Korpskommandant faßte nun den Entschluß^ über den unter-
sten Wislok in den Kampf der deutschen 19. ID. einzugreifen. Da kam die
Nachricht von der Absicht der deutschen 20. ID., den San zu überschreiten.
*•) IR. 14, Ein Buch der Erinnerung, 40 f; persönliche Mitteilungen des Gdl.
Horsetîzky.
Russische Maßnahmen am 17. Mai
381
Wie erinnerlich (S. 379), gelang diese Absicht im Laufe des 16. Mai. Als
aber am 17. knapp nach Mitternacht die ersten Pontons mit Landstür-
mern der 106. LstlD. ins Wasser gesetzt wurden, schlug den Überschif-
fungsabteilungen so schweres Feuer entgegen, daß Králicek den doch
wieder aufgenommenen Plan, das Ostufer zu gewinnen, neuerlich zu-
rückstellen mußte.
Unterdessen hatte sich beim Korps GdK. Kirchbach die komb. ID.
FML. Stöger-Steiner am 16. der Gräben nördlich von Machów bemächtigt.
Da jedoch die schwere Artillerie noch nicht nachgekommen war, wurde
die Fortführung des Angriffes gegen Sandomierz auf den 19. verschoben.
Nur der rechte Flügel der 47. RD. sollte die offenkundige Schwäche der
russischen Front bei Przyszów Kameralny ausnützen, um, unterstützt
vom linken Flügel der Division Fabini, in der Richtung Rozwadów
einen Keil vorzutreiben. Bis zum Beginn des Hauptangriffes konnte die
Armee auch schon über erhebliche Teile der ihr zugesandten, so dringend
nötigen Verstärkungen verfügen. Von diesen war die 21. SchD., deren
Hauptkräfte am 16. Dçbica erreichten, jedenfalls für das Korps Kirch-
bach bestimmt. Von den beiden anderen Divisionen trafen, die ersten
Staffeln der 37. HID. am 16. bei Radomysl, die der 41. HID. bei Czarna
ein. Aber nur der größere Teil dieses Kräftezuwachses sollte tatsächlich
zur 4. Armee gelangen. Am 16. abends ereilte die 41. HID. der Befehl,
ungesäumt hinter die bei Opatów durch einen russischen Gegenstoß be-
drängte 1. Armee abzurücken.
Der Führer der 3. Russenarmee hatte sein XXIV. Korps vor dem
Drucke Mackensens in eine Front zwischen der Lubaczówkamündung und
dem Dorfe Wietlin zurückgenommen, in der sich die Verbände in der
Nacht auf den 17. zur Not ordneten. Das XXI. Korps lehnte seinen Nord-
flügel in der Gegend von Tuczçpy an den San. Wieder kam Dimitriew
in seinen Vorschlägen an Iwanow auf den Gedanken zu sprechen, nun
auch die beiden südlichen Korps der 3. Armee hinter den Fluß zurück-
zunehmen; nur wenn das bei Lemberg versammelte V.kauk. Korps
(S. 341) binnen vierundzwanzig Stunden bei Jaroslau eingesetzt werden
könne, sei es ratsam, den linken Armeeflügel noch jenseits des Flusses zu
belassen. Iwanow fällte, wohl im Einverständnis mit der Stawka, die auf
die Behauptung von Przemysl nach wie vor Gewicht legte, die salomoni-
sche Entscheidung, daß das XXI. und das XII. Korps der 8. Armee zu
überstellen seien; dafür wurde das in den Sanwinkel gewiesene XV. Korps
der 3. Armee angegliedert, die auch weiterhin, koste es, was es wolle, in
ihren Stellungen auszuharren hatte.
382
Von Gorlice bis Lemberg
In der Tat erwiesen sich in den nächsten Tagen die Besorgnisse
Dimitriews wegen der beiden zur 8. Armee abgegebenen Korps noch als
unberechtigt. Mangel an Schießbedarf nötigte das gegen sie fechtende
XXXXI. RKorps am 18. Mai, den Angriff bis auf weiteres aufzuschieben.
Das Korps hatte mit seinen beiden Divisionen und der 11. bayr. lediglich
für die Sicherung der rechten Armeeflanke zu bürgen und wurde er-
mächtigt, seinen Südflügel zurückzubiegen. Die 119. ID. nahm Mackensen
aus dem Korpsbereiche in die Gegend westlich von Jaroslau.
Die Korps Arz, Plettenberg und Emmich waren inzwischen daran
geschritten, die Stellungen östlich und nördlich von Jaroslau zu einem
großen Brückenkopf zu erweitern, der nach den von Mackensen am 17.
erlassenen Weisungen von Wietlin über Makowisko, Cetula, Radawa und
Mielniki auf die Höhen östlich von Sieniawa verlaufen sollte. Dem k. u. k.
VI. Korps fiel hiebei die Aufgabe zu, rittlings des von Jaroslau nach
Wietlin führenden Weges vorzustoßen. Die 24. IBrig. drang am 17. früh
mit dem IR. 57 in den Westteil des Wietlin vorgelagerten Dorfes So-
biecin ein, hatte sich dann aber mehr links zu ziehen, da die Masse der
39. HID. unterdessen mit Teilen bei Jaroslau, mit Teilen nördlich von
Tuczçpy den San zu überschreiten begann und in den Kampf bei Sobiecin
eingriff. Die Russen (12. sib. SchD.) räumten diesen Ort erst am 18. nach
Mitternacht, worauf sich die Honvéd gegen Wietlin vorarbeitete, das
am 19. genommen werden sollte. Inzwischen hatte die 12. ID. den Feind
über Surochów zurückgedrängt.
Nördlich von Arz war am 18. bei Morgengrauen die 1. GID. links
von der 2. in den Kampf getreten; die beiden Divisionen gewannen,
wiederholt russische Gegenstöße abweisend, bis zum Abend die Linie Ma-
kowisko—Cetula. Im Anschluß daranwarfen die deutsche 56. und 20. ID.
den linken Flügel des XXIV. Russenkorps über die Lubaczówka zurück.
Die Lage begann hier für die Russen umso kritischer zu werden, als
nördlich der Lubaczówka die deutsche 19. ID. am 17. die von Sieniawa
gegen Südosten führende Straße überschritten hatte und tags darauf den
Südflügel des III. kauk. Korps gegen die Wälder südlich von Dobra
zurückdrückte.
Die Fortschritte des deutschen X. Korps ermöglichten es dem be-
nachbarten k. u. k. IX. Korps der 4. Armee, am 18. abends südlich von
Sieniawa den GM. Reymann mit einer gemischten Abteilung der k. u. k.
10. ID. den San übersetzen zu lassen.
Der von den inneren Flügeln der Korps Roth und Kirchbach bei
Przyszów Kameralny am 17. versuchte Stoß versandete bald nach dem
Die Begrenzung des Angriffes der Heeresgruppe Mackensen
383
Beginn. Das 4. Armeekmdo. hatte nichts dagegen einzuwenden, daß die
Truppen in ihre Hauptstellungen zurückkehrten. Hauptsache blieb, daß
diese gehalten wurden. Als Rückhalt für Roth und die 47. RD. wurde in
der Nacht auf den 18. die Brigade Szende in die Gegend von Stany ver-
schoben. Tags darauf marschierten vier Bataillone nach Nowosielec hinter
die Front der 8. ID. Das VIII. Korps (21. SchD. und 37. HID.) kam am 18.
in den Raum Kolbuszowa—Majdan—Mielec. Sein Einsatz sollte in den
nächsten Tagen den GdK. Kirchbach befähigen, den Russen den Brücken-
kopf von Sandomierz zu entreißen. Am rechten Flügel der Armee be-
hielt das Korps Králicek den Auftrag, die Höhen östlich und nördlich
von Sieniawa in Besitz zu nehmen.
GO. Mackensen wies am 18. um 8h30 abends seine drei östlich vom
San stehenden Korps an, sich mit den gewonnenen Räumen zu begnügen
und einzugraben. Nur das XXXXI. RKorps, dessen Zurückhängen auch
dem Vorgehen des Korps Arz Schwierigkeiten bereitet hatte, sollte nach
Ergänzung der Munitionsvorräte und Einstellung von Mörsern den An-
griff auf Radymno fortsetzen.
Die Begrenzung des Angriffes durch Mackensen war vor allem in
den schon am 15. gefaßten Absichten begründet. Ein starker Brücken-
kopf sollte die Möglichkeit bieten, wieder eine Angriffsgruppe zusammen-
zuraffen, deren Aufgabe es sein mochte, östlich vom San in den Rücken
von Przemysl zu stoßen. Aber neben diesen Plänen veranlaßten nun am
18. auch die Nachrichten über den Feind dazu, sich zunächst Beschrän-
kungen aufzuerlegen. Es konnte kaum ein Zweifel bestehen, daß der
Feind östlich und nordöstlich von Jaroslau stärkere Kräfte zusammen-
bog, mit deren Eingreifen von Stunde zu Stunde gerechnet werden mußte.
Der Gegenangriff der Russen
In der Tat hatte sich die Stawka den andauernden Hilferufen Dimi-
triews nicht verschlossen und am 18. im Räume südlich von Lubaczów
ein „komb. Korps" versammelt, das aus der von Lemberg herangeholten
3. kauk, SchD. (S. 341) und der dem Narewabschnitt entnommenen 77RD.
zusammengesetzt war. Diese Truppenmacht sollte von Laszki über Wietlin
vorstoßen und in weiterer Folge die östlich vom San stehenden Kräfte
Mackensens von Südosten her aufrollen. Die ganze Front der 8. Armee
sowie das XXI. und das XII. Korps südlich von Jaroslau hatten sich
diesem Angriffe anzuschließen, um den Gegner mindestens daran zu
hindern, daß er Kräfte in den meist bedrohten Raum werfe.
384
Von Gorlice bis Lemberg
In größter Hast wurde das komb. Korps noch am 18. spät abends
vorgetrieben, wobei man nicht einmal das Eintreffen der zweiten Brigade
der 77. RD. abwartete. Die vierundzwanzig Russenbataillone stürzten
sich zwischen Makowisko und Wietlin auf die 1. GID. und das Korps
Arz. Als der Morgen graute, war der Ansturm der Russen als abgeschla-
gen anzusehen. Allerdings war es dann dem mit der 12. ID. nördlich, mit
der 39. HID. südlich vom Sklo vorgehenden Korps Arz weder am 19.r
noch am 20. vergönnt, den Russen das jetzt noch erheblich stärker be-
setzte Dorf Wietlin zu entreißen.
Der vom Nordflügel Brussilows gegen das Korps François geführte
Stoß hatte keinen besseren Erfolg zu verzeichnen als der Angriff des
komb. Korps. Vor der ll.bayr. ID. brach der Sturm des XII. Russen-
korps schon unter dem Abwehrfeuer zusammen. Westlich und nordwest-
lich von Radymno bedurfte es größerer Anstrengungen, der Russen vom
XXI. Korps Herr zu werden. Zumal bei Tuczçpy wurde den ganzen
19. über heftig gerungen, wobei auch ein von Arz schwer entbehrtes
Honvédregiment südlich vom San gebunden blieb.
Nördlich vom k. u. k. VI. Korps harrte das Gardekorps gegenüber
mehrfachen, freilich ziemlich planlos geführten Vorstößen des Feindes
in seinen Stellungen zwischen Makowisko und Cetula aus. Links von
ihm riß die 56. ID. zwischen dem russischen XXIV. und dem III. kauk.
Korps eine empfindliche Lücke auf, indem sie den rechten Flügel des
erstgenannten Korps am 19. bei Radawa über die Lubaczówka warf
und bis Molodycz zurückdrängte, wo er Front gegen Westen nahm. Da
gleichzeitig auch die 20. ID. bis an die Lubaczówka vorgestoßen war,
und die 19. ID. nördlich der Lubaczówka die von Sieniawa nach Süd-
osten führende Straße in breiter Front überschritten hatte, wurde die
Lage der Russen hier recht ernst. Dimitriew sah Mackensen schon östlich
vom San in den Rücken Brussilows vorstoßen. Er rief das III. kauk^
Korps an die Waldränder nördlich der Lubaczówka zurück und ent-
sandte in die Lücke westlich von Molodycz in größter Hast fünf Ka-
valleriedivisionen, denen auch möglichst rasch Teile der 77. RD. (offen-
bar zunächst von der zuletzt ausgeladenen Brigade) folgen sollten.
Zugleich erhielt das komb. Korps den Befehl, nur die unbedingt nötigen
Kräfte südlich der Lubaczówka zu belassen, mit allem Verfügbaren aber
in den Raum nördlich des ebengenannten Flusses abzurücken. Dimitriew
bestürmte den Oberbefehlshaber der Südwestfront am Abend des 19.,
er möge die 3. Armee „nun bedingungslos zurücknehmen und so der end-
gültigen Niederlage und Auflösung entziehen". Die Antwort lautete
Gegenangriffe der Russen über den San
385
jedoch: „Keinen Schritt zurück!" Und tags darauf wurde Gen. Dimitriew
durch den Gen. Lesch ersetzt, der sich, zumal in den letzten vierzehn
Tagen, als Befehlshaber des XII. Korps bewährt hatte.
Die Krise an den inneren Flügeln des XXIV. und des III. kauk.
Korps flaute übrigens am 20. dadurch einigermaßen ab, daß die deutsche
56. ID russische Gegenmaßnahmen nicht erst abwartete, sondern im Sinne
der grundlegenden Weisungen Mackensens wieder hinter die Lubaczówka
zurückging. Der linke Flügel des Korps Emmich entriß den Russen an
diesem Tage östlich und südöstlich von Sieniawa einige Höhenstellungen.
Vom k. u. k. IX. Korps war die Kampfgruppe des GM. Reymann am
19. früh in Sieniawa eingedrungen; am 20. erkämpften die erschöpften
acht Bataillone mit der Slawahöhe den nordöstlichen Eckpfeiler des
alten österreichischen Brückenkopfes; allerdings wurde nördlich von
Sieniawa das die Flanke deckende Jägerbataillon durch einen russischen
Gegenstoß etwas zurückgedrückt.
Gemäß den Befehlen Dimitriews waren auch die drei rechten Flügel-
korps der 3. Russenarmee zum Angriff übergegangen. Das X. Korps setzte
in der Nacht auf den 19. „die Hälfte seiner Truppen" nördlich von Le-
±ajsk über den San und schlug auf die 13 km Front haltende 106. LstlD.
los. Trotzdem einige Abteilungen der benachbarten 3. ID. herbeieilten,
konnte der Feind auf den Sandhügeln des Westufers gegenüber dem
linken Flügel der Division Kletter Fuß fassen. Die wackeren Landstürmer
setzten aber zum Gegenangriffe an und warfen die Russen über den
Fluß zurück, wobei 10 Offiziere und 2000 Mann, ein ganzes sibirisches
Regiment, in Gefangenschaft gerieten1). Ebenso wurde der bei Krzeszów
über den San gelangte Feind durch die Division Horsetzky zurückgetrie-
ben; er mußte am 20. vormittags das linke Flußufer wieder verlassen.
Der linke Flügel des auf 30 km Front ausgedehnten XIV. Korps, die
8. ID., war am 19. über Nisko und Ulanów von Teilen des IX. Russen-
korps angefallen worden. Heftige Kämpfe erheischten den Einsatz sämt-
licher Korpsreserven. Nachdem am Abend die Lage südlich Ulanów be-
reits als gesichert anzusehen gewesen war, stürzte sich am 20. der Russe
unterhalb von Rudnik auf die zwischen den Divisionen Horsetzky und
Fabini eingeschobenen Fußabteilungen der Honvédreiterei und die tags
zuvor gleichfalls hier eingesetzten Schwadronen der 2. KD. und entriß
ihnen nachmittags diesen Ort. Flügelabteilungen des IR. 14 griffen ein;
!) Bei der Abwehr dieses Russenüberfalles erwarb Oblt. Georg Dragicevic des
FsAR. 1 als Kommandant zweier 9 cm-Kanonenbatterien das Ritterkreuz des Militär-
Maria Theresien-Ordens.
II
25
386
Von Gorlice bis Lemberg
von dem in der Nähe als Reserve aufgestellten IR. 82 der Brigade GM.
Spende, die nunmehr ganz dem XIV. Korps zur Verfügung stand, wurde ein
Bataillon1) vorgesendet. Kurz darauf langten auch als Spitzenregiment
der vom Armeekmdo. nach Je£owe befohlenen 21. SchD. die wackeren
Egerländer (SchR. 6) auf der Walstatt ein. In hartem Ringen, das noch
den ganzen 21. über anhielt, wurden die Russen wieder aus Rudnik und
dem Räume nordwestlich davon gegen den San zurückgetrieben.
Das vorläufig nur aus fünf Regimentern bestehende XV. Russenkorps
versuchte am 19. und am 20. bei Krawce in die Stellungen der 47. RD.
einzubrechen, sein Beginnen blieb aber erfolglos. Vor der Division Stöger-
Steiner schob es sich kampflos näher an die österreichischen Linien heran.
Inzwischen hatte die Möglichkeit, die bei den Divisionen des VIII.Korps
(21. SchD. und 37. HID.) zu der jenseits der Weichsel noch immer unter
starkem russischem Druck stehenden 1. Armee abschieben zu müssen,
vorübergehend den geplanten Angriff auf Sandomierz überhaupt in Frage
gestellt. Am 19. abends war die Lage insofern geklärt, als wenigstens
mit dem Einsatz der 37. HID. beim Korps GdK. Kirchbach gerechnet
werden durfte, dem die Wegnahme von Sandomierz übertragen war. Der
Angriff konnte freilich bestenfalls erst am 21. oder 22. beginnen. Die
Kirchbach gleichfalls zugedachte 21. SchD. mußte, wie erwähnt, hinter
das XIV. Korps in die Gegend von Je£owe verschoben werden und blieb
hier umso mehr gebunden, als im Laufe des 19. ein Befehl Mackensens
die Ablösung der nördlich der Lubaczówka fechtenden deutschen 19. ID.
durch das k. u. k. IX. Korps verfügte und dieses daher durch die Gruppe
GM. Szende verstärkt werden mußte. Überdies wurde die k. u. k. 4. Armee
von der Heeresleitung noch zur Abgabe von drei Bataillonen und einer
Batterie an die im Werden begriffene italienische Front verhalten, die
zusammen mit zwei Bataillonen und einer Batterie des Korps Arz die
59. GbBrig., GM. Fernengel, bilden sollten.
Das Ruhebedürfnis der Truppe und Umgruppierungen zur Erfüllung
neuer Aufgaben veranlaßten den GO. Mackensen, seiner Heeresgruppe
einige Tage Atemholens zu gewähren.
In dieser Spanne Zeit mochte sich auch vielleicht — die Hoffnung
sollte sich allerdings nicht erfüllen — das Schicksal der Festung Przemysl
entscheiden, von dessen Behauptung oder Räumung durch die Russen
die weiteren Entschlüsse Mackensens beeinflußt werden mußten.
1) Der Führer dieses Bataillons, der Dragonermajor Egon Freih. v. Waldstätten,
erhielt das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens. Er hatte sich schon bei
der Wislokbezwingung am 7. Mai hervorgetan.
Vorrückung der Verbündeten im Weichsellande
387
Die Schlacht bei Opatów
(15. bis 22. Mai)
Hiezu Beilage 19
Nördlich der Weichsel gestattete am 13. Mai der Rückzug der russi-
schen 4. Armee auch der ganzen Armeeabteilung Woyrsch samt der
Armeegruppe Kövess das Austreten aus der Dauerstellung. Blieben wohl
die endgültigen Absichten des Feindes noch im Dunkel, so war am 14. aus
den verschiedenen Nachrichten doch die erste Zwischenetappe zu er-
kennen, die er auf seinem Rückzüge einzunehmen gedachte. Am Süd-
flügel mochten sich das XXXI. Korps zunächst mit je einer Division in den
Brückenkopf von Sandomierz und auf Opatów, das XXV. auf Ostrowiec
und Il±a zurückziehen. Nördlich davon wichen die Grenadiere und das
XVI. Korps gegen Radom, das XIV. mit dem Nordflügel entlang der Pilica.
Dankls schwache Armee rückte bis zum 14. abends ohne nennens-
werte Kämpfe in die Linie Osiek—Raków ein. Tags darauf jedoch ver-
mochte der Südflügel der Armee, das aus der 46. SchD. und der ló.KBrig.
bestehende I. Korps, nur unter heftigen Kämpfen gegen Teile des
XXXI. Russenkorps bis Koprzywnica und Klimontów durchzudringen,
indes das aus der 4. und der 25. ID. sowie einer Brigade der Polenlegion
zusammengesetzte II. den Raum südöstlich und nordwestlich von Iwaniska
erreichte. GdK. Dankl gedachte, am 16. das I. Korps gegen den linkssei-
tigen Brückenkopf von Sandomierz anzusetzen, wozu auch die schwere
Artillerie vorgeholt werden sollte. Das II. Korps hatte sich am gleichen
Tage bis Lipnik, Opatów und Ostrowiec vorzuschieben. Allenthalben
zeigte die Landschaft noch viele Spuren der Kämpfe, welche die 1. Armee
auf dem Rückzug von der Weichsel im Herbst 1914 zu bestehen gehabt
hatte: Brandruinen, verfallene Schützengräben, Grabhügel sonder Zahl.
Die Armeeabteilung Woyrsch hatte unterdessen am 13. Kielce ge-
nommen und war Tags darauf bis Chybice, Bzinek und Nieklan gelangt.
Am 15. stemmten sich russische Nachhuten der Division Bredow bei
Chybice entgegen, während das Landwehrkorps bis an die obere Kamienna
Raum gewann.
Von der in den Monaten der Ruhe auf 40.000 Gewehre und 6000
Karabiner angewachsenen Armeegruppe Kövess, die gleichfalls am 13.
ausgetreten war, hatte die am Südflügel vorrückende Gruppe GM. Gold-
bach (Teile der 16. ID.) kampflos Konsk durchschritten, um des anderen
Morgens gemeinsam mit preußischen Land wehr ab teilungen nordöstlich
von dieser Stadt russische Nachhuten zu werfen. Das Reiterkorps GdK.
25*
388
Von Gorlice bis Lemberg
Hauer und die Hauptkräfte der 16. ID., FML. Schariczer, hatten am 14.
bei Stefanów und Gielniów stärkere Kämpfe zu bestehen gehabt. Am
15. geriet die 16. ID. bei Gielniów durch einen russischen Gegenstoß
vorübergehend in eine heikle Lage; doch räumte der Feind am 16. früh
•die Walstatt. Dieser Rückzug war nicht zuletzt durch Eingreifen von
Teilen der 35. ID., GM. Podhoránszky, veranlaßt, deren rechter Flügel
den Russen eben Drzewica entrissen hatte, indes dem linken Flügel das
Vorgehen auf Ossa durch die Mitwirkung der am Südflügel der deutschen
9. Armee fechtenden Division Menges erleichtert wurde.
Die durch den Verlauf der Weichsel gegebene Gestaltung des Kampf-
raumes sowie die Auffassung, daß sich der Russe hier nicht mehr so
bald stellen werde, veranlaßte nun die Heeresleitung, den Streitkräften
links der Weichsel mehr gegen Nordost gerichtete Vorrückungsstreifen
vorzuschreiben. Da sich andrerseits Dankls Armee im Hinblick auf Sando-
mierz mehr gegen den rechten Flügel zusammenzog, mußte sich schon
am 16. Mai zwischen ihr und der in der Richtung Ilza auf schwenkendem
Armeeabteilung Woyrsch eine Lücke ergeben, die durch das über Str.
Slupia nach Kunow gewiesene, drei Bataillone und eine Batterie zählende
Detachement Obstlt. Wolff (IR. 84) vom k. u. k. II. Korps nur notdürftig
gedeckt war.
Als die Verbündeten diese Nachteile im Vertrauen auf die Größe
ihres Sieges in Kauf nahmen, hatten sie die Rührigkeit des Feindes unter-
schätzt. Vielleicht nur, um die Aufmerksamkeit vom San abzuziehen^
vielleicht auch, um in elfter Stunde eine grundlegende Änderung der
Lage herbeizuführen, hatten sich die Russen entschlossen, mitten aus
dem Rückzug heraus mit dem Südflügel der 4. Armee einen Gegenschlag
zu führen1).
Zuerst bekam die LD. Bredow auf ihrem Vormarsch gegen Ilza die
russischen Absichten zu fühlen. Sie wurde westlich von Kunow von der
über die Kamienna vorbrechenden 46. ID. des XXV. Korps angefallen.
Gleiches Geschick wurde dem Detachement Obstlt. Wolff zuteil, das
sich, von Kosaken umschwärmt und von der I.Armee abgeschnitten, ¡nur
mühsam zu behaupten vermochte.
Aber der Hauptstoß des Feindes galt an diesem Tage, dem 16. Mai,
der k.u.k. I.Armee. Noch um Mittag befanden sich das I.Korps bei Kopr-
*■) Vgl. vor allem die Schrift Grischinskij, Das Angriffsmanöver des
XXV. Korps im Mai 1915 (Wojenno istoritscheski sbornik, II. Teil) 5 dann auch H o e n,
Waldstätten-Zipperer und Seifert, Die Deutschmeister (Wien 1928), 380 ff
und Michel und Wohl, Das Vierundachtziger Buch (Wien 1919), 87ff.
Der Kampf der k. u. k. 25. ID. bei Opatów
389
zywnica, das II. einige Kilometer vor Opatów im Angriffe. Nachrichten
über ein Vorrücken russischer Verstärkungen gegen den rechten Flügel
der Armee konnten ihren Führer nicht hindern, im Einvernehmen mit
dem benachbarten 4. Armeekmdo. weitere Maßnahmen zur Wegnahme
von Sandomierz zu treffen. Während die 4. ID. noch Raum gewann,
wurde die rittlings der Straße Kobylany—Opatów vorgehende 25. ID.
von der 3. GrenD. der Russen überraschend in die Flanke gefaßt. Trotz-
dem die Division ungesäumt eine Abwehrfront bildete, mußte sie nach
heldenmütigem Kampfe dem russischen Stoße auf Iwaniska weichen.
Die Deutschmeister hatten allein fast 1200 Mann an Toten, Verwunde-
ten und Gefangenen eingebüßt; es gab Kompagnien, die alle Offiziere
und bis zu 200 Mann verloren hatten. Von einem Bataillon 84er waren
an diesem glühendheißen Tage 984 Mann ausmarschiert, aber nur 104
aus dem Kampfe zurückgekehrt. Von den 121 Offizieren und 5323 Mann,
um die sich nach den amtlichen Ausweisen in der zweiten Maihälfte der
Stand der Wiener Division vermindert ha,tte, entfiel der erheblichste
Teil auf die schweren Tage von Opatów.
Der Rückzug der 25. ID. nötigte auch die 4., ihren Geländegewinn
preiszugeben. Dagegen behauptete sich die 46. SchD. in der Linie Kopr-
zywnica—A 222 nördlich von Klimontów, den Verlust eines Dorfes sofort
wieder wettmachend, gegen alle russischen Ablenkungsangriffe.
Während sich diese Ereignisse abgespielt hatten, war das Landi-
wehrkorps mit der Masse in die Linie Mirzec—Szydlowiec aufgeschwenkt,
vorgeschobene Abteilungen hatten bereits Wierzbica erreicht. Bei der
Gruppe Kövess hatte GM. Goldbach den Feind bei Ruski Bród durch
zwei in seinen Rücken gesendete Bataillone in der Nacht auf den 16. zu
schleunigstem Rückzug gezwungen. Die Divisionen des Gdl. Kövess
rückten in die Linie Przysucha—Ossa ein.
Die Geschehnisse des Tages veranlaßten den GO. Woyrsch fürs
erste, die LD. Bredow und die Gruppe Kövess zum Halten zu befehligen;
nur das LKorps, GdK. König, sollte freie Hand behalten. Am 16. spät
abends griff auch die k. u. k. Heeresleitung ein. Die 1. Armee und die
LD. Bredow sollten sich unbedingt behaupten. Jene hatte hinter dem
linken Flügel Reserven zusammenzuziehen, diese das k. u. k. II. Korps
mit entbehrlichen Kräften zu unterstützen. Das Korps König und die
Gruppe Kövess sollten gegen Osten einschwenken, die letztgenannte
Richtung Radom nehmen. Außerdem hatte die der 4. Armee zugedachte
41. HID. über Szczucin zur 1. Armee abzugehen (S. 381).
Auf feindlicher Seite befahl Gen. Ragosa, der Befehlshaber des
390
Von Gorlice bis Lemberg
XXV. Korps, der 3. GrenD., am 17. den Angriff gegen die k. u. k. 25. ID.
fortzuführen; der Kommandant des XXXI. Korps, Gen. Mischtschenko,,
sandte die 83. RD. ¡zum Angriff gegen die Mitte Dankls vor.
Zur Deckung der Grenadiere griff die 46. Russendivision noch in
der Nacht die Division Bredow bei Chybice an; Bredows Kämpfer hielten
sich zwar, doch wurde die letzte Reserve aufgezehrt. Am 17. durch-
brachen die Grenadiere die 25. ID.; die vom Vortage erschütterten Ba-
taillone wichen in den Raum südöstlich von Lagów. Nun mußte das
ganze II. Korps in die Linie Klimontów—A 321 südwestlich von Iwaniska
zurückgebogen werden, indes die erprobten Regimenter der Division
Urbanski unter einer zähen, unnachgiebigen Führung den heftigsten An-
griffen der Russen nicht einen Fußbreit Bodens preisgaben.
Bei Fortsetzung des russischen Druckes drohte der 1. Armee die
Gefahr, von ihren Verbindungen gegen die Weichsel abgedrängt zu
werden. Da zudem die Spitzenstaffeln der 41. HID. erst bei Szczucin aus-
geladen wurden, faßte Dankl zunächst den Entschluß, seine Armee
hinter die Czarna zurückzuführen.
Das LKorps war unterdessen am 17. im Sinne der Weisungen aus
Teschen in die Linie Tychów—Wierzbica, die Gruppe Kövess gegen
Oronsk, Odrzywól und Rozanna auf geschwenkt. Während sich diese Be-
wegungen ohne schwerere Kämpfe vollzogen, festigte sich indes beim
GO. Woyrsch die Überzeugung, daß der Russe zwischen ihm und der
1. Armee durchbrechen wolle. Diesen Absichten gegenüber sollte Bredow
gegen Bodzentyn weichen, um damit dem Korps König Gelegenheit zu
einem Flankenstoß gegen das russische XXV. Korps zu eröffnen. Die
Vorrückung gegen Radom sollte inzwischen eingestellt werden.
Die k. u. k. Heeresleitung erwog einen Augenblick, der 1. Armee
auch die 21. SchD. und die 37. HID (S. 386) zu Hilfe zu schicken, kam
aber von diesem Gedanken im Hinblick auf die größere Bedeutung des
Raumes südlich der Weichsel wieder ab. Das Zurückweichen der 1. Armee
hinter die Czarna paßte ihr allerdings im Hinblick auf die Lage der 4.
keineswegs. Sie schlug Dankl vor, sein Glück lieber durch einen Gegen-
angriff des II. Korps zu versuchen. Eine solche Lösung hielt der Armee-
führer bei der augenblicklichen Verfassung der 25. ID. nicht für aus-
sichtsreich. Dafür entschied er sich, den Rückzugsgedanken aufzugeben
und die Armee bis zum Eintreffen der 41. HID. zum Ausharren in den
am 17. abends eingenommenen Stellungen zu verhalten.
Auch mit dem Stehenbleiben der Armeegruppe Kövess war das
AOK. nicht einverstanden. Es erblickte in der Fortführung des Stoßes
Entspannung der Lage nördlich von der Weichsel am 19. Mai
391
gegen Radom eine viel bessere Gegenmaßnahme gegen den Angriff des
XXV. Russenkorps. Ein solches Vordringen setzte jedoch voraus, daß die
deutsche 9. Armee gegenüber dem russischen Brückenkopf Nowe Miasto
durch eine sprungbereite Gruppe die Flankendeckung der Gruppe Kövess
übernahm. Dazu fehlte es aber an den nötigen Kräften.
Zuletzt waren es die Russen selbst, die den Führern der Verbündeten
ihre Sorgen abnahmen. Statt den Angriff gegen den hart mitgenommenen
linken Flügel der 1. Armee fortzusetzen, wandte sich General Ragosaam
18. auf Befehl Ewerts gegen die durch Teile des LKorps eiligst ver-
stärkte Division Bredow. Die deutschen Waffengefährten hatten an diesem
und am nächsten Tage noch sehr heiße und schwere Stunden zu bestehen.
Für GdK. Dankl hätte es nicht erst des Drängens der Heeresleitung be-
durft, der Armee ab teilung Woyrsch durch Angriffe in der Richtung
Lagów zu Hilfe zu kommen. Aber seine lange Front war durch Stöße
des XXXI. Russenkorps selbst so stark gefesselt, daß nur das schwache
Detachement Obstlt. Wolff in der Gegend von Str. Slupia am Flügel
Bredows eingreifen konnte, wobei es 360 Gefangene einbrachte. Wolff
übernahm am 19. gemeinsam mit der von der Armeegruppe Kövess
herbeigeholten k. u. k. 7. KD. und einer deutschen gemischten Abteilung
die Wiederherstellung der Verbindung zwischen dem linken Flügel der
1. Armee und der LD. Bredow.
Im übrigen war am 19. abends die Krise nördlich des Weichsel ziem-
lich überwunden. Zuerst ließ der Feind, noch in den Nachmittagsstunden
des 19., von der 25. ID. ab, indem er gegen Iwanisko wich. Als die Divi-
sion zwei Tage später folgte, stieß sie allerdings nach kurzem Vor-
marsch neuerlich auf entschiedenen Widerstand. Ebenso hatte der Russe
am 20. noch der LD. Bredow und den Verbindungsgruppen zur k. u. k.
1. Armee einigermaßen heftig zugesetzt. Schließlich gelang es der Gruppe
Wolff gemeinsam mit Abteilungen der 7. KD. doch, in der Lysa Gora
südlich von Str. Slupia den Zusammenhang der Front aufrechtzuerhalten.
Am 22. wichen die Russen auch vor Bredow zurück, um in der
Höhe von Wasniów wieder Fuß zu fassen. Unverändert hielt der Feind
gegenüber der 46. SchD. und der 4. ID., gegen deren innere Flügel er
noch am 21. einen nicht unbedenklichen Erfolg zu erringen vermochte1).
Unter Einsatz eines Regiments der 41. HID. gelang es der 46. SchD., das
*) Der Mißerfolg wurde nach Aussage gefangener russischer Offiziere nicht zu-
letzt dadurch verursacht, daß sich erhebliche Teile des Brünner IR. 8 kampflos ergaben;
der etwa 250 Feuergewehre zählende Rest des Regiments ging westlich von Klimontów
über die Koprzywianka zurück.
392
Von Gorlice bis Lemberg
Mißgeschick zum größten Teil wieder wettzumachen. Die 4. ID. blieb aber
zunächst ein wenig eingebeult.
Das 1. Armeekmdo. beabsichtigte, nach dem Einlangen der ganzen
41. HID., das hieß am 24. oder 25. Mai, die Armee bis in die Linie Kli-
montów—Kobylany—Biskupice vorzureißen. GdK. Dankl sollte nicht
mehr in die Lage kommen, die Ausführung solcher Pläne zu leiten. Seine
Ernennung zum Landesverteidigungskommandanten von Tirol stand un-
mittelbar bevor.
Beginn der Schlacht bei Przemysl
Südlich von der Heeresgruppe Mackensen steckte die Festung Prze-
mysl als Dorn im Fleische der Verbündeten. Die Gürtelwerke hatten
zwar durch die vor dem Falle der Festung vorgenommenen Sprengungen
(S. 216) ihren Kampfwert nahezu völlig eingebüßt. Doch fand die russische
Besatzung in den größtenteils unversehrt gebliebenen Kasematten sichere
Unterkunft. Mit besonderem Eifer hatten sich die Russen auch die
Wiederherstellung und den Ausbau der Zwischenstellungen angelegen
sein lassen. Den permanenten Drahthindernissen war noch ein feldmäßiges
vorgelegt worden. Bei den in der Nacht auf den 21. März hastig durch-
geführten Geschützsprengungen waren vornehmlich die größeren und
moderneren Kaliber zerstört worden, indes ein nicht unerheblicher Teil
älteren Schießgerätes brauchbar in die Hand der Russen gefallen und
von diesen durch ähnliches Material ergänzt worden war. Hiezu kam
noch Feldartillerie vom XII. Korps. Allerdings vermochte der Festungs-
kommandant, Gen. Delwig, gerade seiner schweren Artillerie nicht
recht froh zu werden. Die oberste Führung der Russen wurde sich über die
Rolle, die sie der Festung während der nun folgenden Kämpfe zuweisen
sollte, die ganze Zeit über nicht klar. Das eine Mal gedachte man den
Platz nur als einen Teil der Feldstellung zu halten, und man ging daran,
das schwere Geschütz und auch die Feldtruppen zum größeren Teil hin-
wegzuführen. Dann kam wieder Gegenorder mit dem ausdrücklichen
Auftrag, die Feste im Hinblick auf ihre moralische Bedeutung unter
allen Umständen zu behaupten1). Der Festungskommandant bat schließ-
lich flehentlich, diesem Spiel ein Ende zu bereiten, da die Widerstandskraft'
der milizartigen ständigen Besatzung sonst völlig gebrochen würde.
Am Südflügel der Armee Mackensen hatte sich am 16. Mai die
11. bayr. ID. der russischen Vorstellungen von Trójczyce und Batycze be-
*) Broussilov, 130 f.
Der erste Angriff des k. u. k. X. Korps auf Prîzemysl
393
mächtigt, worauf sie freilich in das Kreuzfeuer der Gürtelwerke und des
jenseits vom Radabach eingegrabenen XII. Russenkorps geriet. Die deut-
sche 119. ID. war, aus der Gegend von Babice nad Sanem heranrückend,
schon tags zuvor ohne nennenswerte Belästigung durch die Festung gegen
die Werke von Ujkowice eingeschwenkt (Beilage 9); die Ergebnisse der
Erkundungen durch Offizierspatrouillen ließen sie aber auf den ursprüng-
lich beabsichtigten Handstreich verzichten. Neben der 119. marschierte an
der Niederung westlich von Letownia eine vom Obst. Eduard Edi. von
Wieden geführte, durch Schützen der 1. LstHusBrig. verstärkte Abteilung
der k.u.k. 24.ID. auf, die den Nordflügel der Armee Boroevic bildete.
Diese Armee hatte nach dem Heeresbefehl vom 12. Mai (S. 372) den
Auftrag, die Südfront von Przemysl abzuschließen, sich ihrer durch Hand-
streich oder durch belagerungsmäßigen Angriff zu bemächtigen und zu-
gleich mit dem rechten Flügel über Dobromil und Nowe Miasto auf
Mosciska vorzudringen.
DasamlinkenArmeeflügelvorgehendek.u.k.X.Korps, FML. Martiny,
war am 14. nach Zurückdrängung feindlicher Sicherungstruppen südlich
vom San stark ermüdet an die russischen Vorfeldstellungen Pod Mazurami
und A 418 Helicha herangekommen. Am 15. nachmittags erstiegen Schützen-
schwärme der 24. ID. die vom Feinde verlassene Höhe Pod Mazurami,
von wo aus sich ihnen ein verlockender Ausblick auf Przemysl bot. Da
das 3.Armeekmdo. mitgeteilt hatte, die Besatzung der Feste bestände
vorwiegend aus Kavallerie, was auf Räumungsabsichten der Russen hin-
deute, ordnete FML. Martiny ungesäumt den Vormarsch durch die Stadt
bis an den Wiar an. Die 24. ID. kam zwar am gleichen Abend noch knapp
bis an die Gürtellinie heran und die 45. SchD. erstürmte südlich von ihr
die Höhe A 418. Aber der Versuch des Korps, in einem Zuge auch die
Werklinie von Lipnik zu durchbrechen, scheiterte am Nahfeuer des Ver-
teidigers, der sich überdies die Gelegenheit zu einer Flankenwirkung von
Grochowce her nicht entgehen ließ. Gleiche Erfolglosigkeit war einem
Angriffsversuch am 16. beschieden. Die Divisionen Martinys blieben auf
den waldreichen Hügeln südwestlich von Pralkowce und bei Helicha vor
den vielreihigen Drahthindernissen der Russen liegen. Die 4. KD. sicherte
den rechten Flügel gegen Grochowce hin; die wieder in den Korpsver-
band eintretende 2. ID. hatte tags zuvor Olszany erreicht.
Rechts von der 4. KD. hatte das in der Mitte der 3. Armee vor-
rückende XVII. Korps die Absperrung der Südfront von Przemysl zu
übernehmen. Die Vorrückung des Korps litt stark unter Wegschwierig-
keiten und den durch diese bedingten Marschstockungen. Seine linke Di-
394
Von Gorlice bis Lemberg
vision, die 11., FML. Anton v. Bellmond, kam erst am 15. spät nachts
in die Gegend von Nizankowice und Kormanice, von wo sie sich am 17.
näher an den Gürtel heranarbeiten sollte.
Vor dem rechten Flügel der 3. Armee war die 1. KD., GM. Freih.
v. Leonhardi, am 14. gegen Nowe Miasto vorgestoßen. Ihre Schützen
nahmen diesen Ort, doch stellten sich der Division alsbald stärkere rus-
sische Kräfte entgegen, gegen die sie nicht mehr durchzudringen ver-
mochte. Als tags darauf von Dobromil aus das deutsche Beskidenkorps
über den Wiar hinweg die blutgetränkten Kampfstätten von Mizyniec
überschritt, sah es sich starken, über die Höhen beiderseits von Husaków
gegen Jaksmanice hinziehenden russischen Stellungen gegenüber.
Vom XVII. Korps gelangte am 15. die 26. SchD. bei Nizankowice
hinter die 11. ID. Westlich von Nizankowice schloß die 1. LstlBrig. auf,
die der 11. ID. unterstellt wurde. Das VII. Korps kam nach erheblichem
Aufenthalt durch die vor ihm marschierenden Troßmassen mit den An-
fängen nur bis Tyrawa-Woloska.
Rechts von Boroevic hatte Böhm-Ermolli aus der am 12. erreichten
Linie Lomna—Lisko über Chyrów, Sambor und Horodyszcze vorzudringen
und gleichzeitig bereit zu sein, südlich vom Dniester zur Entlastung der
Südarmee flankierend einzugreifen. In Fühlung mit dem Feinde, doch
ohne nennenswerte Zusammenstöße kam die 2. Armee am 13. auf einen
halben Tagmarsch an Stary Sambor und Chyrów heran. In der Erwar-
tung, daß der Russe an der Straße Stary Sambor—Chyrów Widerstand
zu leisten versuchen werde, unterstellte der Armeeführer für den nächsten
Tag dem GdK. Tersztyánszky auch das XIX. Korps zu einem Durch-
stoße; zugleich wurde das Beskidenkorps zur Mitwirkung aufgefordert.
Der Russe gab jedoch die Höhen nördlich von Felsztyn und von
Chyrów, ohne es auf einen ernsten Kampf ankommen zu lassen, dem
linken Flügel Böhm-Ermollis preis. Vom rechten Armeeflügel durch-
schritt das XVIII. Korps Stary Sambor, indes das durch die 13. SchD.
verstärkte V. Korps den südöstlich davon streichenden, stark befestigten
Höhenrücken ohne sonderliche Anstrengung in, Besitz nahm. Am 14.
abends bezogen die Vortruppen der 2. Armee bei Zwor, südwestlich von
Sambor und im Bereiche der Radyczhöhe ihre Nachtquartiere.
Die Heeresleitung trug Böhm-Ermolli an diesem Tage auf, zwischen
der mit dem linken Flügel über Drohobycz vorgehenden Südarmee und
der 3. die Vorrückung gegen Rudki und Mosciska fortzuführen. Im Sinne
dieser Weisung gelangte die Masse der 2. Armee am 15. über Sambor hinaus
und in den Raum südlich von Krukienice. Die am linken Armeeflügel
Vorverlegung der Hauptquartiere des 2. und des 3. Armeekmdos.
395
vorgehende 27. ID. wirkte südlich der im Jahre 1914 vielgenannten Ma-
gierahöhe an einem Gefechte mit, das die 25. RD. des Beskidenkorps
gegen russische Nachhuten führte.
Das 2. Armeekmdo., das sich eben erst anschickte, Ungvár zu ver-
lassen und durch ein am 14. abends niedergegangenes Gewitter vor-
übergehend der Draht- wie der Weg ver bin düngen zur Front verlustig
geworden war, vermochte sich nicht leicht ein Bild von den Absichten
der Russen zu machen. Es war auf Grund der Nachrichten am ehesten
geneigt, einen völligen Rückzug des Feindes hinter die Wereszyca anzu-
nehmen, und wies demgemäß in den für den 16. und den 17. erlassenen
allgemeinen Richtlinien den Heereskörpern entsprechende Vorrückungs-
streifenan. Als es jedoch am 16. um 4h nachm. nach neunstündiger Fahrt
in Lisko einlangte, ließen die von der Front eingelangten Meldungen die
Entwicklung wesentlich anders beurteilen. Die Korps waren am Strwi^z-
knie südwestlich von Rudki und bei Krukienice auf eine starke, mit
dichten Hindernissen versehene, von Westen nach Osten verlaufende
Russenstellung gestoßen.
Die russische 8. Armee stellte sich gemäß den Befehlen der Stawka
mit etwa neun ihrer Divisionen auf der Bodenwelle zwischen Przemysl
und Dniester, um in dieser Flankenstellung einerseits den Wiederaufbau
der Sanstellungen zu sichern, andrerseits ein Abschwenken gegnerischer
Kräfte aus dem Räume südöstlich von Przemysl gegen die noch südlich
vom Dniester fechtenden russischen Streitermassen (11. und 9. Armee)
hint anzuhalten.
Gdl. Boroevic hatte am 16., an dem auch er sein Hauptquartier und
zwar von Homonna nach Sanok verlegte, noch die Höhen bei Husaków
nehmen lassen wollen. Das Beskidenkorps machte wohl einige Fortschritte^
ohne daß jedoch der Widerstand des Feindes gebrochen wurde. Das
XVII. Korps hätte mit der 21. IBrig. der 11. ID. und der 26. SchD. links
vom Beskidenkorps eingreifen sollen, wurde jedoch beim Überschreiten
des Wiar durch falsche Gerüchte über einen Russenausfall aus dem süd-
lichen Festungsabschnitt aufgehalten und konnte seine Bereitstellung links
vom Korps Marwitz erst in der Nacht vollenden.
Die 2. Armee gedachte nun, die russischen Stellungen gemeinsam mit
dem Beskidenkorps mit starkem linkem Flügel zu durchbrechen. Böhm-
Ermolli unterstellte hiezu das im zweiten Treffen folgende XIX. Korps
abermals dem GdK. Tersztyánszky, der den Hauptangriff leiten sollte.
Doch kam es am 17. nicht mehr zu einem solchen, weil wohlgezieltes
Russenfeuer das Überschreiten der Blozewkaniederung empfindlich ver-
396
Von Gorlice bis Lemberg
zögerte. Nur bei der vom FML. Kosak befehligten linken Flügelgruppe
(51. HID. und 27. ID.) entwickelten sich Kämpfe größerer Abmessung.
Rechts von den sechs Angriffsdivisionen Tersztyánszkys arbeitete sich das
XVIII. Korps links mit der durch die 86. SchBrig. verstärkten 44. SchD.
und rechts mit der 9. ID. gegen die Niederung südöstlich von Krukienice
vor, indes das V. Korps an den unteren Strwi^± gelangte. Von dem letzt-
genannten sicherte bei Woloszcza eine vom Obst. Rehwald befehligte ge-
mischte Abteilung der 14. ID. die Flanke. Nachrichten über das Abgehen
des V. kauk. Korps aus Lemberg, das in Wirklichkeit in der Richtung
Jaroslau angesetzt war (S. 383), ließen das 2. Armeekmdo. das Auf-
treten von russischen Verstärkungen vor der eigenen Front erwarten.
Inzwischen hatte am 17. das Beskidenkorps seinen Angriff fortge-
führt; seiner Zähigkeit blieb der Lohn abermals versagt. Es hatte unter
mehrfachem Flankenfeuer, darunter auch dem aus der Festung, zeitweilig
schwer zu leiden. Links von ihm besetzte die 26. SchD. die in den Oktober-
kämpfen von 1914 historisch gewordene Baumhöhe südöstlich von Jaks-
manice, während die 21. IBrig. am unteren Wiar die Verbindung zur
Hauptkraft der 11. ID. herstellte. Diese und das k. u. k. X. Korps setzten
sich südlich und südwestlich von Przemysl fest. Durch Streckung der
45. SchD. gegen Osten konnten der 4. KD., GM. Berndt, bei Cisowa einige
Tage wohlverdienter Ruhe verschafft werden. Vom VII. Korps erreichte
die Spitzendivision Bircza.
Im Laufe des Tages hatte der Großfürst-Generalissimus „in höchstem
und gewohntem Vertrauen" an die bewährte Tatkraft Brussilows appel-
liert, nicht nur Przemysl zu behaupten, sondern auch an anderen Front-
teilen „zur Befestigung der Lage durch rege Tätigkeit" beizutragen.
Brussilow beklagte sich, daß zwischen Przemysl und dem Dniester den
200 Bataillonen des Gegners nur 124 russische auf 60 km Ausdehnung
gegenüberstünden, und daß zwei Korps Verstärkungen nötig seien. Den-
noch verhallte der Appell des Höchstkommandierenden nicht ungehört1).
Am 18., 19. und 20. Mai setzten die Masse der 2. Armee und der
rechte Flügel der 3. ihre Anstürme gegen die Stellungen Brussilows fort.
Der Wille des 2. Armeekmdos., die feindlichen Linien zuerst durch Ar-
tilleriefeuer zu erschüttern, konnte wegen der geringen Bestückung der
Korps mit meist nur leichter Artillerie nicht zum Durchbruch kommen2).
Andrerseits drängte die Heeresleitung darauf hin, daß der bei Gelingen
x) Nesnamow, IV, 44.
2) Auf den Kilometer Frontraum kamen bei der Gruppe Tersztyansfcky nur 17,
beim XVIII. Korps gar nur 7, beim V. Korps etwa 14 Geschütze.
Erfolge der Gruppe FML. Kosak
397
außerordentlich wirksame Stoß gegen Mosciska möglichst ohne Aufent-
halt durchgeführt werde. So mußte abermals die Infanterie die Haupt-
last des Kampfes auf sich nehmen.
Am Ostflügel der 2. Armee vermochte die 33. ID. des V.Korps in
der Nacht auf den 18. mit Teilen bei Koniuszki-Siemianowskie das Nord-
ufer des Strwi^i zu gewinnen; die wackeren Bataillone konnten sich je-
doch gegenüber dem mächtigen Geschützfeuer der Russen nicht behaupten.
Das XVIII. Korps versuchte abermals vergeblich, jenseits der Blotna-
niederung mit stärkeren Kräften Fuß zu fassen.
Bei der vom FML. Trollmann befehligten Ostgruppe Tersztyánszkys
entspann sich an diesen Tagen eine Reihe äußerst heftiger und verlust-
reicher Kämpfe der 29., 34:, 31., und 32. ID., durch die aber nur ein-
zelne feindliche Stützpunkte erobert und gegen wütende Gegenangriffe
des russischen XVII. und XXVIII. Korps behauptet werden konnten. Die
im engen Anschluß an das Beskidenkorps angreifende Westgruppe, FML.
Kosak, erstürmte am 19. — die 51. HID., FML. Kornhaber, an der Spitze
— die zähe verteidigten Stellungen südwestlich Pnikut und brachte 5600
Gefangene, 5 Geschütze und 6 Maschinengewehre ein. Trotz dieser Nie-
derlage vermochten die Russen, dank eben eingetroffener Verstärkungen,
auch hier eine Erweiterung dés Durchbruches zu hemmen. Auch dem
Beskidenkorps war manch rühmenswerter, aber doch nur örtlicher Er-
folg beschieden. Die erhoffte Erschütterung des Feindes blieb an der
ganzen Angriffsfront aus.
Das XVII. Korps verharrte in sehr breiter Front in der Abwehr.
Beim X. Korps erschien am 19. der Armeeführer persönlich, um sich
über die Möglichkeiten eines „gewaltsamen Angriffes" auf die Festung
zu unterrichten. Es konnte keinem Zweifel mehr unterliegen, daß die Be-
satzung nicht, wie bisher angenommen, bloß aus Kosaken- und Reichs-
wehrverbänden, sondern auch aus Linien tr Uppen bestand. An einen Er-
folg war erst zu denken, wenn schwere Mörser zur Stelle waren. Der
Zustand der Straßen machte das Heranführen dieses schweren Geschützes
unmöglich. Gelang es, meldete Boroevic der Heeresleitung, die Bahnen
entsprechend rasch wiederherzustellen und dadurch den Antransport der
Mörser abzukürzen, so konnte mit der Berennung der Festung Ende Mai
begonnen werden.
Die Kämpfe auf dem rechten Heeresflügel
Der rechte Flügel der 7. Armee war noch am 13. Mai früh nördlich
vom Pruth geblieben (S. 361). Der Aufenthalt konnte jedoch nur mehr
398
Von Gorlice bis Lemberg
nach Stunden zählen. Gen. Letschitzki rief seine Armee zu neuerlichem
Angriff auf : das :aus zwei Reichswehrdivisionen bestehende XXXII. Korps
gegen Czernowitz, das III. und das II. Kavalleriekorps gegen Sniatyn, das
XXXIII. Korps gegen Kolomea. Da wurde es für Pflanzers Truppen
höchste Zeit, sich einem abermaligen überlegenen Angriff (S. 241) durch
schleunigen Abzug hinter den Pruth zu entziehen.
Während die am äußersten rechten Flügel fechtende Gruppe Obstlt.
Papp am 13. das Vordringen der Russen bei Mahala und Sadagora noch
durch Nachhutgefechte verzögerte und erst am 14. früh bei Czernowitz
hinter den Fluß wich, war FML. Korda mit seiner Hauptkraft (6. KD.,
Polenlegion, halbe 5. HKD. und halbe 42. HID.) schon am erstgenannten
Tage befehlsgemäß auf das südliche Pruthufer abgerückt, wo er den Ab-
schnitt von der Reichsgrenze bis zur Czeremoszmündung besetzte und
auch Papp aufnehmen konnte. Links von Korda bis zur Lysa Gora be-
setzte die Gruppe GdK. Marschall (10. KD., deutsche 5. KD., halbe
5. HKD., Hauptkraft der KSchBrig., SchR. 3 der 22. SchD. und Reste der
Gruppe Obstlt. Békési) die Flußstrecke; der Plan, den gegen Kolomea
vordringenden Russen deutsche und öst.-ung. Reiterei in die Flanke zu
werfen, war im Angesichte des drohenden übermächtigen Angriffes
fallen gelassen worden. Der Feind folgte gegenüber Korda und Marschall
bis an den Pruth.
Inzwischen hatte am 13. vormittags das XXXIII. Russenkorps nord-
östlich und nördlich von Kolomea zum Schlage gegen FML. Krautwald
(8. KD., Gruppe GM. Eckhardt, Teile der 15. ID., Masse der 22. SchD.)
ausgeholt. Tief gestaffelt angreifend, warf der Feind die Streiter Kraut-
walds an den Pruth zurück, wo sich diese mit der Hauptkraft in dem von
Pflanzer vorbereiteten Brückenkopf von Kolomea festsetzten. Nun konnte
der Armeeführer nicht umhin, auch die Gruppen FML. Czibulka und Gdl.
Rhemen hinter den Pruth und in den Raum südlich von Nadwórna zu-
rückzunehmen, wiewohl sich die 36. ID. Czibulkas noch am 13. nach-
mittags bei Ottynia starker russischer Vorstöße mit Erfolg erwehrt hatte.
Am 14. Mai bald nach Mittag erneuerten die Russen ihren Angriff.
Während die Masse des XXXIII. Korps gegen den Brückenkopf von Ko-
lomea anstürmte, versuchte die 12. KD. der Russen unterhalb von diesem
Punkte den Pruth zu überschreiten. Die Reiterei wurde durch das Ge-
schützfeuer des Verteidigers zurückgetrieben. Dagegen kam es bei Kolo-
mea zu schweren Kämpfen, in denen sich aber schon zeigte, welch wert-
volle Verstärkung der k. u. k. 7. Armee durch das Eintreffen der ersten
innerösterreichischen Truppen des III. Korps geworden war. Wenn der
Weisungen für die Armeen des rechten Heeresflügels der Verbündeten
399
Russenansturm siegreich abgeschlagen wurde, so war dies nicht zum ge-
ringsten das Verdienst der Kärntner Schützen1) und des Grazer IR. 27.
Das Armeekmdo. hatte am Vortage die Ereignisse bei der Gruppe
Krautwald im Hauptquartier Kolomea aus allernächster Nähe miterlebt.
Die Eindrücke der Kampfkrise und die Sorge vor einer weiteren Wir-
kung der russischen Übermacht waren jedenfalls sehr stark. Aber die
tatkräftige Führernatur Pflanzers behielt die Oberhand, zumal als die
Besetzung der neuen Stellungen durch Mitte und Westflügel reibungslos
verlaufen war. Auch das Ausschreiten der ganzen Südarmee hatte das
Seinige dazu getan, daß der Armeeführer noch am 13. abends den Ent-
schluß faßte, nicht nur auszuharren, sondern ehestens wieder selbst zur
Offensive überzugehen.
Dieser Entschluß traf sich mit den Weisungen, die tags darauf in
den ersten Nachmittagsstunden aus Teschen einlangten und das weitere
Verhalten der beiden Armeen des rechten Heeresflügels regeln sollten.
Der linke Flügel der Südarmee hatte über Stryj—Drohobycz vorzugehen
und die Dniesterstrecke 2ydaczow—Tysmienicamündung zu sichern, der
rechte von Dolina—Bolechów aus den Raum um Kalusz zu gewinnen und
gemeinsam mit der 7. Armee den zwischen der Czeczwaund der Bystrzyca
Nadworniañska vorgehenden Westflügel Letschitzkis zu schlagen. Der
Ostflügel Pflanzers hatte sich zu behaupten und alle verfügbaren Kräfte
an den Westflügel abzugeben.
Bei der Armee Linsingen war am 13. Mai endlich auch der den
Korps Gerok und Hofmann gegenüberstehende Feind locker geworden.
Die Russen hatten es hier so eilig, daß es nur teilweise gelang, engere
Gefechtsfühlung mit ihnen aufrechtzuerhalten. Die deutsche 1. ID. und
die Spitzenbrigade Hofmanns bemächtigten sich in der Nacht auf den 14.
des Ortes Skole. Am darauf folgenden Abend stand das Korps Gerok
10 km südlich von Dolina, die 131.IBrig. bei Brzaza, das Korps Bothmer
in der Linie Rozhurcze—Boryslaw, das Korps Szurmay, nach der Linken
hin mit der 2. Armee in Fühlung, im Räume um Podbuz. Die Masse des
Korps Hofmann — 129. und 130. IBrig., 12. LstTerrBrig. und die von der
3. Armee herangeführte komb. Brig. GM. Bolzano — hielt als Armeereserve
zwischen Skole und Tuchla.
Als Linsingen an diesem Tage die Absicht Pflanzers erfuhr, die
weitere Vorrückung der Südarmee schon am 15. durch einen Vorstoß
seines linken Flügels auf Kalusz zu unterstützen, begleitete er sein Ein-
verständnis mit der Weisung an die k. u. k. 19. ID., über Perehinsko vorzu-
!) Damals 4. Landwehrinfanterieregiment Klagenfurt, später GbSchR. 1.
400
Von Gorlice bis Lemberg
gehen. Linsingen selbst wollte an diesem Tage, dem Befehl des AOK.
entsprechend, mit dem rechten Flügel und der Armeemitte gegen die
Linie Dolina—Stryj aufschwenken, indes der linke Flügel nordwestlich
von Drohobycz tief gestaffelt die Bewegungen der Hauptkraft zu sichern
und die Verbindung zur 2. Armee aufrechtzuerhalten hatte1).
Auch am 15. wurde die Vorrückung der Südarmee durch die russi-
schen Wegzerstörungen vielfach behindert. Die k. u. k. 19. ID. erreichte
kampflos die Czeczwa bei Luhy. Die Masse des Korps Gerok, dessen Ar-
tillerie in dem schwierigen Gelände zum größten Teil abgeblieben war,,
wurde auf den Höhen westlich und südwestlich von Dolina in einen ziem-
lich heftigen Kampf verwickelt. Die 131. IBrig. vertrieb die Russen nach
kurzem Straßenkampf e ausBolechów. Bothmer, gefolgt von der Hauptkraft
Hofmanns, näherte sich der Stadt Stryj. Das Korps Szurmay rückte an den
brennenden Naphthaquellen von Boryslaw vorbei auf die Höhen nordwest-
lich davon. Entsprachen auch diese Fortschritte nicht ganz den Wünschen
der Armeeführung, so war der Tag doch auch insofern erfolgreich, als
er über 5000 Gefangene und acht erbeutete Maschinengewehre eingebracht
hatte. Die einlangenden Meldungen ließen allerdings keinen Zweifel
darüber, daß der Russe seinen Rückzug vorläufig wieder eingestellt habe
und sich bei Perehinsko, vor Dolina, vor Stryj und auf den Höhen östlich
und nördlich von Drohobycz zu neuem Widerstand rüste.
In der Tat bekam die Südarmee schon in den nächsten Tagen die
Zähigkeit des Feindes aufs neue zu fühlen. Die Angriffe des Korps
Szurmay verliefen zwischen dem 16. und dem 18. fast ergebnislos. Erst
am 19. gelang es dem linken Flügel gemeinsam mit der gemischten Ab-
teilung des Obst. Rehwald von der 2. Armee (S. 396), bei Litynia Fort-
schritte zu erzielen. Tags darauf erstürmten die inneren Flügel Szurmays
und Bothmers östlich von Drohobycz starke russische Stellungen, wobei
dem Feinde 1800 Gefangene abgenommen wurden. Die Truppen Bothmers
mühten sich vergeblich ab, Stryj zu gewinnen, während Hofmanns Bri-
gaden bei Bolechów um jeden Fußbreit Bodens rangen. Vom Korps Gerok
überschritt die k. u. k. 19. ID. bei Spas die Czeczwa, um auf deren Ostufer
vorzustoßen. Dieses Manöver blieb aber für die Kämpfe vor Dolina zu-
nächst ohne Ergebnis. Die Lage der ganzen Südarmee hatte sich zwischen
dem 16. und dem 20. nirgends entscheidend geändert.
Im Einklänge mit der 11. Russenarmee hatte auch der rechte Flügel
Letschitzkis etwas Raum geben müssen. Er setzte sich vor Perehinsko,
vor Solotwina und südlich von Nadwórna neuerlich fest. Der Gruppe
*) Nach einem vom deutschen Reichsarchiv zur Verfügung gestellten Manuskript.
Heftige Kämpfe bei Nadwórna
401
Ljubicic war es auf solche Weise schon am 14. möglich geworden, mit
Teilen wieder die Höhen südlich und südwestlich von Jasien (Hrynków
und Jawornik) zu besetzen, indes sich die Hauptkraft im Räume um
Huta sammelte.
Am 15. brach zwischen Delatyn und der Lomnica der Angriff des
linken Flügels der 7. Armee los. Westlich der Bystrzyca Solotwinska
hatte die schwächere Gruppe Ljubicic die Höhen westlich von Stanislau
zu gewinnen, rechts von diesem Tal sollte eine Kraft von über 50 Batail-
lonen über Ottynia und Tlumacz vorstoßen. Die 5. ID. der Gruppe Gdl.
Rheinen sah sich gleich zu Beginn des Angriffes durch die starke Gegen-
wirkung des Feindes südöstlich von Nadwórna zur Führung eines stehen-
den Feuergefechtes gezwungen. Die 6. ID. erzielte südwestlich des eben-
genannten Punktes zuerst beträchtliche Erfolge, erlitt dann aber durch
einen Gegenstoß gegen ihren linken Flügel einen nicht unempfindlichen
Rückschlag. Um an der Überwindung der Krise mitzuwirken, entschloß
sich FZM. Ljubicic, die Masse seiner Gruppe rechts aufschwenken und
im Gefechtsraum der 6. ID. eingreifen zu lassen. Das Manöver kam jedoch
nicht zur Wirkung, da sich den Bataillonen des Feldzeugmeisters allent-
haben starker russischer Widerstand entgegenstellte. Zudem litt unter
diesem Manöver das von der Heeresleitung gewünschte Zusammenwir-
ken der inneren Flügel der 7. und der Südarmee.
Am 16. wurde weiter gekämpft. Südöstlich von Nadwórna stürmten
zugleich mit den Schlesiern und Nordmährern der 5. ID. kroatische Ba-
taillone der 36. gegen die russischen Stellungen vor. Aber auch an diesem
Tage war das Schlachtenglück den Streitern Pflanzers nicht hold. Die
Russen warfen sich auf die inneren Flügel der beiden Divisionen und
nötigten diese, wieder gegen die Brückenköpfe von Delatyn und Lanczyn
Raum zu geben. Das wie immer mit Aufopferung fechtende schlesische
Regiment Kaiser verlor in wenigen Stunden 25 Offiziere und Fähnriche*
darunter 8 Kompagnieführer, und etwa 1000 Mann.
Südwestlich von Nadwórna standen die Regimenter der 6. ID. unter
dem Drucke heftiger russischer Angriffe, die aber überall unter großen
Verlusten des Feindes abgewehrt werden konnten. Auch die Gruppe des.
FZM. Ljubicic hatte sich starker russischer Stöße zu erwehren.
Um Mitternacht auf den 17. Mai brachen die Russen von Nadwórna
her zum Sturm gegen den Brückenkopf von Delatyn vor. Die im Vorfeld
eingenisteten Teile der 5. ID. wurden gegen die Hauptstellung zurück-
gedrückt. Der Stab der 7. Armee, der sich, um die Truppe nicht zu
beunruhigen, von Kolomea statt nach Máramaros-Sziget nach Delatyn
ÏI 26
402
Von Gorlice bis Lemberg
verlegt hatte, mußte nun doch noch in der Nacht nach Körösmezö zurück-
fahren, wo er der unmittelbaren Einwirkung der Kampfereignisse nicht
so ausgesetzt war. Übrigens erschöpfte der Russe bis zum Tagesanbruch
seine Angriffskraft, ohne sein Ziel erkämpft zu haben. Dagegen mußte
der rechte Flügel der Gruppe Ljubicic einem Stoße des Feindes etwas
Raum geben.
Krautwald, der am 15. über 4000 Feuergewehre des III. Korps und
eine halbe 15. ID. verfügte1), hätte sich dem Angriffe des linken Ar-
meeflügels anzuschließen gehabt, sobald dieser in die Linie Kolomea—
Stanislau gelangt war. Daran war aber vorerst nicht zu denken, denn
die Gruppe sah sich die ganze Zeit zwischen dem 15. und 19. in schwere
Abwehrkämpfe verstrickt, die zwar den Russen trotz aller Anstrengungen
keinen Erfolg brachten, wohl aber von beiden Teilen schwere Opfer
heischten.
Die heftigen Angriffe seines XXX. Korps bei Nadwórna und Kolo-
mea ließ Letschitzki weiter östlich durch mehrfache Ablenkungsunter-
nehmen begleiten, am 15. durch einen Übergangsversuch im Bereiche
Marschalls, tags darauf durch einen ebensolchen beim FML. Korda. Am
19. bei Morgengrauen griff die 71. RD. der Russen den rechten Flügel
der Gruppe FML. Czibulka bei Tiumacsyk an. In allen Fällen mußte der
Feind unverrichteter Dinge von seinem Beginnen ablassen.
Als am 20. die Schlacht bei Nadwórna und Kolomea verebbte, war
wohl der Angriff der 7. Armee nicht geglückt. Aber auch Letschitzki,
von dessen Vorgehen sich die russische Front in Mittelgalizien so wert-
volle Entlastung versprochen hatte, sah sich in seine Schranken gewiesen.
Ermattung bei Freund und Feind führte auch in diesem Bereiche
der großen Walstatt zu einer Kampfpause, die länger als eine Woche
währen sollte.
!) Der Antransport des III. Korps ging quälend langsam vonstatten. Er mußte
auf der Bahn über Körösmezö erfolgen, die außerdem -die Betriebserfordernisse des
südostgalizischen Netzes und den ganzen Bedarf der 7. Armee zu decken hatte, aber nur
12 Zugspaare im Tage zuließ. Die ersten Staffeln des III. Korps trafen am 13. um
11h vorm. in Horodenka ein. Die am 14. erzwungene Preisgabe aller von Delatyn
erreichbaren Strecken erforderte am 14. und 15. die Evakuierung von 57 Zügen nach1
Ungarn, wodurch das Heranbringen des III. Korps unterbrochen wurde und erst
wieder so aufgenommen werden konnte, daß die weiteren Entladungen vom 16. an*
stattfanden. Sie konnten erst am 29. beendet werden.
Die Denkschrift Conrads vom 13. Mai
403
Die Entschlüsse bei Freund und Feind vor der
Kriegserklärung Italiens
Angriffspläne der Mittelmächte gegen Italien und
Serbien
Unterdessen war für die obersten Führer der verbündeten Mittel-
mächte die große Kriegslage wegen der Haltung Italiens zu höchster
Spannung gediehen. Den Hiobsposten der ersten Maiwoche waren um
den 10. weitere überaus ernste Nachrichten gefolgt. Unter ihrem Ein-
druck genehmigte Kaiser Franz Joseph am 11. die von der Heeresleitung
vorgeschlagene uneingeschränkte Ausrüstung aller Befestigungen an der
italienischen Grenze und die Überführung der 57. ID. aus Syrmien zur
Verstärkung der Deckungstruppen an den Isonzo, wo die Division zwi-
schen dem 15. und 21. Mai ausgeladen wurde.
Am 11. Mai unterbreitete der Armeeoberkommandant FM. Erz-
herzog Friedrich dem Herrscher schriftlich den ersten Entwurf eines
Aufmarsches gegen Italien und der damit zusammenhängenden Stellen-
besetzungen. Die Auffassungen, die in diesem Augenblicke für die Heeres-
leitung maßgebend waren, sind einer achtundvierzig Stunden später vom
Chef des Generalstabes verfaßten, für Falkenhayn, Burián und die
kaiserliche Militärkanzlei bestimmten Denkschrift zu entnehmen, die von
zwei Möglichkeiten ausging : von der schon sehr unwahrscheinlichen, daß
Italiens Neutralität noch in zwölfter Stunde erkauft werden könne, und
von der viel näher liegenden, daß der frühere Dreibundgenosse end-
gültig in die Front der Feinde einrücke.
Für den ersten Fall forderte Conrad vor allem „die energische ge-
meinsame Fortführung des Krieges gegen Rußland ... mit dem Mindest-
ziel der Wiedergewinnung des Gebietes der Monarchie und des als Kom-
pensation für unsere [Österreich-Ungarns] Gebietsabtretungen an Italien
uns zu überlassenden Gebietes Russisch-Polens am linken Weichselufer1)".
War die Erreichung dieses Kriegszieles einigermaßen verbürgt, dann
sollten Serbien und Montenegro durch die Mittelmächte im Verein mit
*•) In einem vom 15. datierten Schreiben vertrat Conrad gegenüber dem Minister
des Äußeren auch noch einmal die Auffassung, daß bei einer Abtretung österreichi-
schen Gebietes an Italien das Deutsche Reich zu verhalten wäre, die Donaumonarchie
-durch die Grafschaft Glatz und einen Grenzstreifen in Schlesien zu entschädigen.
26*
404
Von Gor li ce bis Lemberg
Bulgarien und der Türkei niedergeworfen werden, indes Rumänien, von
wo übrigens bessere Nachrichten vorlagen, gegen Zusicherung Bessara-
biens zum Eintritt in den mitteleuropäischen Bund oder doch zur Bewah-
rung einer verläßlichen Neutralität zu gewinnen wäre.
Erklärte jedoch Italien, was schon ungleich wahrscheinlicher war,
den Krieg, dann stellte sich Conrad die weitere Entwicklung so vor, daß
sich die Verbündeten gegenüber Rußland noch mindestens in den Besitz
der San-Dniesterlinie setzten, daß sie dann aber alle hier entbehrlich wer-
denden Kräfte nach dem Südwesten sandten, „in der Absicht, einem Vor-
dringen der Italiener nach Inner Österreich soweit als möglich Schranken
zu ziehen, wotunlich aber denselben irgendwo einen lokalen Schlag zu
versetzen — während in Tirol die dort befindlichen und noch durch öst.-
ung., womöglich auch deutsche Kräfte (Bayern) zu verstärkenden Truppen
im Kleinkrieg das Gebiet zu verteidigen" hätten.
Im einzelnen führte der Generalstabschef aus: „Hiebei ist gedacht,,
daß mindestens noch eine öst.-ung. Division nach Tirol gesendet, und er-
hofft, daß diese noch durch bayrische Truppen verstärkt wird. Gegen
die über Kärnten, Krain und Küstenland einbrechende italienische Haupt-
kraft müßten etwa 20 Divisionen zusammengebracht werden, also etwa
zehn öst.-ung. und zehn deutsche. Von diesen hätten etwa vier auf der
Linie über Villach, das Gros auf der Linie Marburg—Laibach so weit
vorne versammelt zu werden, als es mit Rücksicht auf das Vorgehen der
Italiener noch möglich erscheint. Voraussichtlich im Villach-Klagenfurter
Becken und in jenem von Laibach ( ?)x) oder an der Save oder Drau.
Diese Versammlung ist durch den zähen Widerstand der entsprechend
zu verstärkenden Deckungstruppen zu sichern, welche diesen Widerstand
zunächst an der Isonzolinie und im Kanaltal zu leisten haben (Mal-
borgeth, Predil). Pola ist zu verteidigen. Die Flotte hat nach freiem Er-
messen ihres Kommandanten einzugreifen, wo es möglich ist; erwünscht
wäre, daß sie feindliche Landungsoperationen, insbesondere solche im
Gebiet von Triest verhindere..."
Im Südosten vermeinte Conrad, „nicht unbeträchtliche Kräfte zurück-
lassen zu müssen; diese stünden dann auch für eine Offensive nach
Serbien zur Verfügung, vorausgesetzt, daß ausreichend deutsche und bul-
garische Kräfte an derselben teilnehmen". Diese Offensive habe aber
„unbedingt zur Voraussetzung, daß auch der Krieg gegen Italien im ob-
skizzierten Sinne geführt werde". In Dalmatien, Bosnien und in der Her-
*■) Fragezeichen im Original der Denkschrift.
Meinungsstreit über einen Angriff auf Serbien
405
zegowina habe man den Feind wenigstens durch Kleinkrieg zu bekämpfen.
Wie schon der Vortrag an den Kaiser ausgeführt hatte, lag natürlich auch
eine weitere Abgabe von Balkanstreitkräften an den Isonzo im Bereiche
der Erwägungen.
Die Befehlsverhältnisse dachte sich die Heeresleitung so gelöst, daß
dem Erzherzog Eugen das Kommando über alle Südarmeen, im Südwesten
wie im Südosten, übertragen werden sollte. Unter ihm hätte GdK. Rohr
die Deckungstruppen zu führen und später den Befehl über die Kärnt-
ner Gruppe zu übernehmen gehabt, indes die erste Staffel der nach
Marburg und Laibach geworfenen Divisionen zu einer neuen 1. Armee
unter dem GdK. Dankl und die später folgenden deutschen und öst.-
ung. Kräfte voraussichtlich unter dem Befehl Mackensens als 11. Armee
zu vereinigen gewesen wären. Das 5. Armeekmdo. in Syrmien war dem
Gdl. Boroevic zugedacht, dessen bei Przemysl auf engem Räume zu-
sammengepreßte 3. Armee man aufzulösen beabsichtigte.
Die von Conrad am 13. verfaßte Denkschrift wandte sich vor allem
gegen die Ideen, die tags vorher Falkenhayn bei einer Besprechung in
Pleß entwickelt hatte. Falkenhayn war wohl mit der Absicht, den Angriff
gegen Rußland jedenfalls noch bis an den San, die Wisznia und den
Dniester vorzutragen, völlig einverstanden gewesen, nicht aber mit den
Angriffsplänen Conrads im Südwesten. Er hielt es im Hinblick auf die
Lage der Türkei und auf dem Balkan für ungleich wichtiger, zuerst die
Serben anzufallen und dadurch auch die Bulgaren mitzureißen, um ge-
meinsam mit ihnen und den Türken den Weg nach Konstantinopel zu
öffnen. Conrad war aber, was Italien anlangte, nicht gesonnen, von seiner
Auffassung abzugehen. Immerhin hatte er bei der erwähnten Besprechung
erklärt, über einen Angriff auf Serbien dann mit sich reden zu lassen,
wenn sich Bulgarien wirklich vertragsmäßig verpflichtete, an einem
solchen Unternehmen mitzutun. Man beschloß, Sofia zur Entsendung
eines Offiziers in das deutsche Hauptquartier aufzufordern.
Der Meinungsstreit in der Frage, ob die Offensive gegen Italien oder
gegen Serbien voranzugehen haben werde, bestand zwischen den beiden
Generalstabschefs in den nächsten Tagen unvermindert fort. Während
Falkenhayn die Bedeutung eines die Türken rettenden und die noch neu-
tralen Balkanstaaten mitreißenden Sieges über Serbien mit allem Nach-
druck auseinandersetzte, wandte Conrad ein, wie wenig ein solcher Sieg
zu bedeuten hätte, wenn es den Italienern gleichzeitig gelang, gegen das
Donaureich den vielberufenen „Stoß ins Herz" zu führen, und wenn wo-
möglich zur gleichen Zeit auch noch die Russen zum Gegenangriff
406
Von Gor li ce bis Lemberg
schritten1). Daneben kam es auch in Kommandofragen zu manchen Gegen-
sätzlichkeiten. So wollte Falkenhayn den GO. Mackensen bei einer Ver-
wendung im Südwesten nicht dem Erzherzog Eugen unterstellen, außer-
dem aber die Verteidigung Tirols im Hinblick auf die Bedrohung Bayerns
einem reichsdeutschen General anvertraut wissen, Vorschläge, auf die
einzugehen sich Conrad aus historischen, politischen und militärischen
Gründen nicht zu entschließen vermochte.
Während dieser Vorgänge im Hauptquartier hatten die Diplomaten
der verbündeten Kaisermächte in den Beziehungen zu Italien noch den
einen oder anderen letzten Hoffnungsstrahl aufleuchten zu sehen geglaubt.
Es waren aber nur mehr Phantome. Zuerst kam die durch das Eingreifen
Giolittis herbeigeführte Krise des Kabinetts Salandra-Sonnino, die aber
binnen vierundzwanzig Stunden mit einem vollen Siege der durch die
bisherige Regierung verkörperten Interventionisten endete. Fast gleich-
zeitig langten aus Rom Nachrichten ein, daß die Lage vielleicht noch im.
letzten Augenblick gerettet werden könne, wenn man den Italienern die
sofortige militärische Besetzung der ihnen angetragenen österreichischen
Gebiete einräumte und auch sonst bei Durchführung der Gebietseinver-
leibung (mise en effet) möglichstes Entgegenkommen zeige. Wie sehr
Conrad trotz seiner Entschlossenheit durch die von Italien heraufziehende
Gefahr bedrückt war, erwies sich, als er — allerdings auch auf beson-
deren Wunsch Falkenhayns — in einem am 18. an Burián gerichteten
Schreiben sogar für, solch bedeutsame Zugeständnisse eintrat, freilich
unter der Voraussetzung, daß man gegen weitere italienische „Erpres-
sungen" entsprechende Bürgschaften schaffe.
Am gleichen Tage frühmorgens kam freilich von Falkenhayn eine
Depesche des Inhalts, daß der deutsche Militârattaché in Rom, Major
v. Schweinitz, telegraphiert habe, man rechne in vatikanischen Kreisen
bestimmt für den 26. mit der Kriegserklärung Italiens. Ähnliches las man
in der Ententepresse. Diese Alarmbotschaften ließen den k. u. k. General-
stabschef einen Augenblick lang erwägen, den Angriff gegen Rußland
sofort einzustellen und ungesäumt stärkere Kräfte der Nordostfront an
die italienische Grenze zu werfen. Er kam aber in seinen Besprechungen
i) Auch Tisza trat in einem am 18. Mai nach Teschen gesandten Telegramm
für einen ungesäumten Angriff gegen Italien ein; er erwartete sich daraus auch eine
heilsame Einwirkung auf Rumänien und Bulgarien. Conrad, Ratschlägen von politi-
scher Seite grundsätzlich abgeneigt, antwortete kurz, daß alles, was „zum Schutze der
Monarchie notwendig und im Rahmen militärischer Möglichkeit gelegen" sei, ge-
schehen werde (T i s z a, Briefe, 216 und 218).
Die Denkschrift des Erzherzogs Eugen vom 17. Mai
407
mit GM. Metzger von diesem Gedanken gleich wieder ab, da es klar war,
daß der eben wieder sehr regsame Russe (S. 384 und 391) einer solchen
Schwächung der gegnerischen Linien nicht untätig zusehen würde. Nur
dás schon aus der Front gedrückte VII. Korps der 3. Armee wurde
sofort nach Mezölaborcz gewiesen, um vom 21. an nach Kärnten zu rollen.
Außerdem wurde die Aufstellung der Standschützen und der anderen
Freiwilligenverbände (S. 292) sowie (am 19.) die Alarmierung der
Militärbereiche Graz und Innsbruck unverzüglich verfügt.
Als am 18. Mai in den Abendstunden Conrad und Falkenhayn, wie
jetzt fast täglich, wieder zu einer Beratung zusammentraten, kam der
grundlegende Gegensatz in ihren Auffassungen über die Kriegführung
gegen Italien und Serbien abermals zur Sprache. Auch in der Frage,
wie viel man an Kräften schließlich aus dem Nordosten werde wegziehen
können, gingen die Meinungen nicht unerheblich auseinander. Während
Conrad wähnte, die Front werde auch nach dem Erreichen der San-
Dniesterlinie höchstens um 20 Divisionen zu schwächen sein, schätzte
Falkenhayn 27 und mehr. Führte der Meinungsaustausch, wie begreiflich,
in diesem Punkte weder jetzt, noch in den nächsten Tagen zu einem be-
stimmten Ergebnis, so kam man wenigstens in dem augenblicklich gegen-
über Italien Nötigen zu einem bestimmten Entschluß. Die Lösung, zu
der man sich entschied, scheint unter anderem durch eine vom Erzherzog
Eugen abverlangte, am 17. im Hauptquartier zu Teschen eingelangte
Denkschrift beeinflußt worden zu sein. Der zur Führung des italieni-
schen Krieges berufene Oberbefehlshaber vertrat die bestimmte Auf-
fassung, daß gegen den neuen Feind, der gefährlicher als Serbien und
Montenegro war, auch die S.Armee „mit dem letzten Mann der Feld-
formationen" anzusetzen sei, selbst die in Bosnien stehenden Divisionen
mitinbegriffen. Die Heeresleitung hatte dem Antrage des Erzherzogs
sofort zugestimmt, alles für den Abtransport gegen Italien bereitzustellen.
Auf diesen Vorschlag des Erzherzogs kam man nun in der Be-
ratung vom 18. abends zurück, an welchem Tage in Teschen die im
Pariser „Temps" bestätigte Nachricht vom Abschluß des Londoner Ver-
trages zwischen Italien und der Entente einlangte und hiemit noch die
letzte leise gehegte Hoffnung auf Vermeidbarkeit des italienischen Krieges
endgültig zerstörte. Bei dem langsamen Ausreifen der Entscheidung
in Galizien war es naheliegend, auf die Gewehr bei Fuß stehenden
Balkanstreitkräfte zu greifen. Falkenhayn war verblüfft gewesen, als er
in diesen Tagen erfahren hatte, daß im Südosten des Donaureiches
240.000 öst.-ung. Feuergewehre gegen 180.000 serbische eingesetzt waren;
408
Von Gorlice bis Lemberg
er hatte vorwurfsvoll gemeint, daß er bei Kenntnis dieser Zalilen für
Gorlice niemals so erhebliche Kräfte aus dem Westen herangeholt hätte.
Conrad konnte seinen reichsdeutschen Kollegen mit der Versicherung
beruhigen, daß sich unter dieser Masse nur 80.000 voll feldverwen-
dungsfähige Kämpfer befanden. Der Gedanke, wenigstens diese zum
größten Teil auf den südwestlichen Kriegsschauplatz zu überführen,
mußte dennoch auf fruchtbaren Boden fallen. Demgemäß lauteten die
nun gefaßten Beschlüsse, die vierundzwanzig Stunden später dem Erz-
herzog Eugen und dem GdK. Rohr in Befehlsform mitgeteilt wurden,
soweit sie diese beiden Führer betrafen.
Fünf Divisionen der 5. Armee — XV. und XVI. Korps, außerdem
die 48.ID. ■—waren ungesäumt in den Raum westlich von Agram zu führen,
wo sie in den ersten Junitagen versammelt sein konnten. Gleichzeitig
sollten neben dem schon nach Kärnten rollenden k. u. k. VII. Korps drei
Divisionen der galizischen Front (zwei deutsche der Armee Mackensen
und eine öst.-ung. der 2. Armee) bis zum 5. Juni in die Gegend von Mar-
burg gebracht werden, was allerdings voraussetzte, daß sie bis zum 26.
aus der Kampflinie herausgelöst werden konnten, Diese acht Divisionen
waren unter dem Befehl des Gdl. Boroevic als neue 5. Armee zu ver-
einigen. Außerdem sollte das aus 13 Bataillonen, 11 GbMG.-Abteilungen
und 9 Batterien bestehende deutsche Alpenkorps unter dem bayr. GLt.
Krafft v. Dellmensingen über Innsbruck und den Brenner nach Südtirol
abgehen, wo es Ende Mai eintreffen konnte. Die Verteidigung Tirols, die
vom FML. v. Koennen-Horák mit Umsicht eingeleitet worden war, hatte
GdK. Dankl zu übernehmen. GdK. Rohr war nach wie vor zum Befehls-
haber der Kärntner Front bestimmt.
Auf dem Balkankriegsschauplatz hatten nach Abgang der fünf gegen
Italien bestimmten öst.-ung. Divisionen noch ihrer zwei zu verbleiben:
die 59. in Ostbosnien und die 61., die im Banat aus der 10. GbBrig.
und der 16. HGbBrig.1) neu gebildet wurde; dazu 'kamen noch Land-
sturmflußsicherungen und die Besatzungen zahlreicher fester Plätze.
Diesen zum größten Teil milizartigen Truppen sollten ehestens deutsche
Kräfte zugeführt werden.
Der Oberbefehl der verbündeten Truppen mit Ausnahme jener
in BHD., wo Gdl. Sarkotic kommandierte, war dem GO. Macken-
sen zugedacht; er sollte auf dringenden Wunsch Falkenhayns gleich
Sarkotic nicht dem Erzherzog Eugen, sondern unmittelbar der Heeres-
*•) Die 16. HGbBrig. hatte bisher die Bezeichnung k. u. 109. LstlBrig. geführt.
Conrads Absichten für die Kriegführung gegen Italien
409
leitung unterstehen. Drei deutsche Divisionen1) waren möglichst rasch
nach dem Südosten zu werfen, um Serbien und auch Rumänien in
Schach zu halten.
Dem deutschen Generalstabschef war diese Lösung nicht zuletzt
wohl deshalb genehm gewesen, weil sie ihm noch immer die Möglichkeit
offen hielt, statt gegen Italien zuerst gegen Serbien offensiv zu werden.
Wenn selbst, wie Conrad annahm, im Nordosten schließlich nur insge-
samt 20 Divisionen der Verbündeten frei wurden, so ergab sich unter
Abrechnung von fünf Divisionen für den italienischen Krieg (VII. Korps
und die drei der S.Armee zugedachten Divisionen) und unter Zuzählung der
beiden noch im Südosten verbliebenen öst.-ung. insgesamt 17 Divisionen,
die in Gemeinschaft mit bulgarischen und türkischen Truppen mit Ser-
bien sehr wohl fertig werden konnten. An der Hoffnung Falkenhayns,
seinen Plan verhältnismäßig bald ausführen zu können, änderte sich auch
nichts, als Bulgarien, wie Conrad am 20. nachdrücklich hervorhob, die
Entsendung eines Offiziers (S. 405) abgelehnt und damit den Willen zur
Fortsetzung seiner Neutralität kundgegeben hatte. Allerdings stieß im
Hinblick auf die ungeklärte Lage in Galizien im Augenblick schon die
Überweisung der ersten drei deutschen Divisionen nach dem Südosten
auf Schwierigkeiten. Conrad bat, der Bundesgenosse möge doch wenig-
stens einige Bataillone an der Save-Donaugrenze auftauchen lassen, da-
mit der Abtransport der 5. Armee nicht durch die Serben gestört werde.
Dies geschah, wenngleich Falkenhayn den Serben Offensivpläne absprach.
Conrads Absichten für die weitere Kriegführung gegen Italien hatten
sich durch das Heranziehen der Balkanstreitkräfte insofern geändert,
als sich das Schwergewicht des geplanten Gegenangriffes aus dem Räume
Marburg—Laibach gegen Osten verschieben und die Kriegshandlung da-
mit mehr den Charakter eines Flankenstoßes erhalten mochte. Wenn
allerdings Falkenhayn riet, bei der Versammlung der Kräfte unbedingt
östlich der Linie Graz—Marburg—Agram zu bleiben, so vermochte sich
der öst.-ung. Generalstabschef dem nicht anzuschließen. Er gedachte
vielmehr, seine Kräfte möglichst gegen die nördlichen und östlichen
Ausgänge der Grenzgebirge vorzuschieben, weil sich hier der geplante
Schlag unter den für den Feind ungünstigsten Bedingungen ausführen
ließ. Im Gegensatz zu Falkenhayn, der mit diesem Zusammenstoß erst
für die erste Hälfte Juli rechnete, wähnte Conrad, daß die Italiener die
Gebirgszone schon zwischen dem 14. und dem 20. Juni durchschritten
*) In Aussicht genommen waren im Augenblick das XXXXI. RKorps und die
deutsche 1. ID.
410
Von Gorlice bis Lemberg
haben könnten. Berechtigt dieser Gedankenaustausch immerhin zur Mei-
nung, Falkenhayn habe sich mit den Offensivplänen der öst.-ung. Heeres-
leitung grundsätzlich abgefunden, so lassen es schon die Vorgänge der
nächsten vierundzwanzig Stunden wieder stark bezweifeln.
Entschluß zur Isonzoverteidigung und Befehle für
den weiteren Angriff gegen die Russen
Während die Anfänge der beiden Balkankorps mit Bahn dem Räume
westlich von Agram zustrebten, und das VII. Korps sowie die Brigade
GM. Fernengel (S. 386) in den Karpathen eben die bereitgestellten Züge
bestiegen, traf am 21. Mai vormittags im AOK. die Drahtmeldung des
Militär attachés in Rom, Hptm. Freih. v. Seiller, ein, daß die italienische
Armee doch später kampfbereit sein werde, als man bisher angenommen
hatte, und auch die DOHL. erhielt Nachrichten, nach denen der neue
Feind die volle Schlagfertigkeit erst um den l.Juni erreichen mochte.
Gleichzeitig war zu erkennen, daß im Nordosten die Entscheidung in
den Kämpfen bei Przemysl länger auf sich warten lassen werde, als man
noch vor einigen Tagen wähnte. Stellenweise war in Galizien die Lage
so zugespitzt, daß ein Abziehen stärkerer Kräfte noch keinesfalls zu
verantworten gewesen wäre. Falkenhayn erklärte denn auch, als er sich
am 21. mit seinem öst.-ung. Kollegen wieder zu einer Beratung zusammen-
fand, daß er an eine rechtzeitige Auslösung der für die 5. Armee in
Aussicht gestellten zwei deutschen Divisionen im Augenblicke nicht
denken könne, und warf zugleich die Frage auf, ob der von Conrad be-
absichtigte Stoß angesichts dieser Zwangslage bei der Schwäche der
Stoßgruppe noch ratsam sei, und ob es nicht zweckmäßiger wäre, die
Armee Boroevic möglichst bis an den Isonzo weiterzuführen und die von
den Italienern gewährte Frist zur Aufrichtung einer starken, längeren
Widerstand verbürgenden Abwehrfront auszunützen.
Es fiel dem deutschen Generalstabschef nicht leicht, seinen Ver-
handlungspartner für eine solche Lösung zu gewinnen. Wohl mußte Con-
rad bestätigen, daß für die unmittelbar nächste Zeit an eine erhebliche
Schwächung der russischen Front noch nicht zu denken war, und damit
¡auch die Erfolgsmöglichkeiten der einer entsprechenden Verstärkung
aus dem Nordosten entbehrenden 5. Armee wesentlich geringer wurden.
Doch war seiner Ansicht nach vor allem zu bedenken, ob es überhaupt
noch glücken mochte, die fünf Balkandivisionen rechtzeitig in die für
den Verteidigungskampf ausersehenen Räume zu schaffen. Nötigte der
Regelung der Befehlsverhältnisse im Süden
41Î
Feind dann doch zu früherer Ausladung, so konnte es zu einer völligen
Verzettelung der Kräfte in unfruchtbaren Teilkämpfen kommen. Diese
Möglichkeit wog für Conrad umso schwerer, als er sich von der durch
Falkenhayn vertretenen Lösung eine für die Kriegslage wirklich ent-
scheidende Verzögerung des italienischen Vormarsches nach Inner-
österreich doch nicht zu erhoffen vermochte. Aber die Ablehnung aus-
giebiger deutscher Hilfe x) und die Verhältnisse waren am Ende stärker
als die Argumente des öst.-ung. Generalstabschefs. Noch am selben Abend
wurden Erzherzog Eugen und GdK. Rohr angewiesen, die Versammlung
der 5. Armee möglichst weit nach vorne zu verlegen und auch das
VII. Korps bis in die Gegend von Villach zu führen. Begründet wurde
diese Maßnahme damit, daß die bei Przemysl angestrebte Entscheidung
vor Ende Mai nicht zu erwarten und damit „ein Zusammenfassen der
Kraft zu einem Offensivschlag vorerst nicht möglich" sei. Die Gesamt-
lage gebiete „vielmehr zunächst verteidigungsweises Verfahren... im
Grenzraum", wobei nach dem bisherigen zögernden Verhalten der Ita-
liener auch mit deren späterer Operationsbereitschaft gerechnet werden
dürfe.
Entsprechend den Weisungen der Heeresleitung verfügte GdK. Erz-
herzog Eugen am 22. vormittags, das jetzt aus Instradierungsgründen
aus der 1. und der 50. ID. zusammengesetzte XV. Korps in den Raum
von Tolmein, das aus der 18. und der 58. ID. bestehende XVI. Korps
sowie die selbständige 48. ID. aber nach Görz und St. Daniel weiterzu-
leiten (Beilagen 21 und 26).
Am gleichen Tage regelte die Heeresleitung die Befehls Verhältnisse
im Süden. Erzherzog Eugen behielt zunächst das Kommando über alle
Streitkräfte an der italienischen und an der Balkanfront bei. DemLandes-
verteidigungskommandanten von Tirol, GdK. Dankl, wurden alle im
Lande stehenden Truppen — 90. und 91. ID., 56. GbBrig. — sowie das
anrollende deutsche Alpenkorps unterstellt. GdK. Rohr hatte, seinen bis-
herigen Stab beibehaltend, die an der Kärntner Grenze eingesetzte 92. ID.
sowie die nach Kärnten fahrenden Heereskörper, das VII. Korps und die
59. GbBrig., zu führen. Die zur Verteidigung des Küstenlandes berufene
neue 5. Armee, Gdl. Boroevic, Generalstabschef GM. le Beau, setzte sich
aus den fünf heranrollenden und den drei schon an den Isonzo vorgescho-
*-) Auch das Ansuchen Conrads, für die Isonzoverteidigung schon zur Bezeu-
gung der zwischen den Mittelmächten bestehenden Solidarität wenigstens eine deutsche
Division beizustellen, fand Falkenhayns Zustimmung nicht. Nur eine deutsche 13 cm-
Batterie sollte vom 5. Juli 1915 bis zum Frühjahr 1916 an den Isonzokämpfen mitwirken.
412
Von Gorlice bis Lemberg
benen Divisionen — 93., 94., 57. — zusammen. An Stelle von Boroevic
übernahm im Nordosten FZM. Puhallo, bisher Führer des V. Korps, das
Kommando über die 3. Armee für die nur mehr kurze Dauer ihres Be-
standes. Die an der Save und an der unteren Donau zurückgebliebenen
Truppen sowie die in das Banat und gegen Neusatz anrollenden deut-
schen Neuformationen — 101., 103. und 105. ID. — wurden dem neu
gebildeten Armeegruppenkmdo. des GdK. Tersztyánszky unterstellt.
Dieser traf am 26. Mai in Peterwar dein ein, worauf Erzherzog Eugen sein
Hauptquartier nach Marburg verlegte. Am 5. Juni trat Tersztyánszky
unter die unmittelbaren Befehle der k. u. k. Heeresleitung. Zur selben
Zeit wurde GM. Goldbach nach Siebenbürgen entsandt, um dort gemeinsam
mit dem Militärkmdo. Hermannstadt in einem allerdings sehr beschei-
denen Ausmaße die Anfänge einer Landesverteidigung vorzubereiten.
Mit der Weiterleitung der 5. Armee und des VII. Korps bis in den
Grenzraum war dem Krieg gegen Italien für eine unvermutet lange Frist
seine besondere Wesensart vorgezeichnet. Es war jedoch, selbst nach den
Erfahrungen, die man mit der Stärke der Abwehr in dem neunmonatigen
Kriege schon gemacht hatte, durchaus begreiflich, daß der öst.-ung.
Generalstabschef in dem Augenblicke, da er die Befehle für diese Kriegs-
einleitung erließ, an eine solche Entwicklung noch nicht im entferntesten
zu glauben vermochte. Der Plan, dem auf über 40 Divisionen geschätzten,
frisch aufgerüsteten Heere einer militärischen Großmacht 14 zum Teil
milizartige, zum Teil erst anrollende Divisionen in reiner Abwehr ent-
gegenzuwerfen, war denn doch zu außergewöhnlich, als daß man seiner
Ausführung Erfolg auf längere Zeit hätte voraussagen können. In be-
wegten Worten teilte Conrad am 23. Mai, dem Tage der Kriegserklärung
Italiens an Österreich-Ungarn, seine Besorgnisse dem Gdl. Falkenhayn
mit: „Ich habe die Pflicht, es auch gegen den am Schicksal der Monarchie
mitbeteiligten Verbündeten offen auszusprechen, daß es für beide Reiche
gleich verhängnisvoll wäre, wenn man die Widerstandskraft und -dauer
derjenigen Kräfte willkürlich überschätzen würde, die wir augenblick-
lich dem neuen Feind an die Grenze entgegenzuwerfen versuchen. Sie
werden mit mindestens dreifacher, wahrscheinlich aber mit vier- bis
fünffacher Übermacht zu kämpfen haben. Ihr Widerstand in den einge-
richteten Grenzräumen mag auf zwei, auf drei Wochen veranschlagt
werden. Dann aber muß, nach menschlicher Voraussicht, der Augen-
blick kommen, wo sie in ihrer Widerstandskraft reduziert, zurückge-
zwungen werden, wo der Feind so weit Raum gewinnt, daß er seine
Überlegenheit umfassend geltend machen und daher fließend vorschrei-
Conrads Schreiben vom 23. Mai an Falkenhayn
413
ten kann. Wenn dieses Stadium auch erst nach zirka vier Wochen, etwa
an der Draulinie Marburg—Klagenfurt eintreten sollte, so ist der Weg
von dort nach Wien 250 km, das sind vier Wochen. Dann wäre die Mon-
archie wehrlos, wenn nicht innerhalb der Frist so starke Kräfte von
anderen Kriegsschauplätzen kommen, daß das italienische Heer zurück-
geschlagen werden kann.....Dieser Gefahr klar ins Auge zu sehen und
ihr mit aller gemeinsamen Kraft zu begegnen, ist nunmehr unsere ernste
Pflicht..
Zu diesen von Italien unmittelbar drohenden Gefahren träte, führt
Conrad des weiteren aus, noch die schmerzliche Gewißheit, daß Ru-
mänien bei einem großen Erfolg der Italiener zweifellos auch nicht ab-
seits bleiben würde. Wohl sei Deutschland durch die Ereignisse und Mög-
lichkeiten nicht unmittelbar betroffen, aber die rein militärischen Folgen
einer solchen Entwicklung würden für das Reich nicht weniger eine Kata-
strophe bedeuten als für Österreich-Ungarn. Sicherlich müsse mit Rußland
soweit als möglich abgerechnet werden. Aber das Maß hiefür sei be-
grenzt, man dürfe Italien nicht Gebiete überlassen, deren Verlust die
Monarchie in ihrem Lebensnerv treffe und ihr eine weitere Kriegfüh-
rung unmöglich mache. Dieser Fall träte ein, wenn das italienische Heer
die Save und die Drau überschreite, während beispielsweise eine vor-
übergehende Preisgabe Ostpreußens östlich der unteren Weichsel für die
Gesamtlage nicht ausschlaggebend wäre. Aus all diesen Gründen müsse
auch der Gedanke, Serbien anzugreifen, in die zweite Linie rücken. Die
Absicht, den Italienern einen ausgesprochenen Schlag zu versetzen, dürfe
nie und nimmer fallen gelassen werden, weil bei dem italienischen Wesen
ein solches Unternehmen von kriegsentscheidender Bedeutung werden
könne x).
Die bei diesen Besorgnissen begreifliche Ungeduld Conrads, endlich
den ersehnten Erfolg bei Przemysl ausreifen zu sehen, sprach sich in
den Befehlen aus, die von der k. u. k. Heeresleitung in diesen Tagen
seelischer Bedrängnis an die in Mittelgalizien kämpfenden Armeen
ausgegeben wurden. Verrieten allgemeine, vom Chef des Generalstabes
eigenhändig entworfene Erinnerungen an zweckmäßiges Kampfverfah-
ren Unzufriedenheit mit dem bisher Erreichten, so hatte man den kurzer
*■) Der Meinung, daß es bei der Psyche des Italieners und der geringen Volks-
tümlichkeit des Krieges bei der Nation nicht ausgeschlossen sei, den neuen Feind durch
einen auch nur kurzen Schlag wieder zum Ausscheiden aus der Front der Entente zu
veranlassen, hatte Conrad in diesen Tagen des öfteren Ausdruck verliehen. Er er-
innerte dabei an die Erfahrungen in den Kriegen Radetzkys.
414
Von Gorlice bis Lemberg
Ruhe dringend bedürftigen Truppen doch eine kleine Atempause zuge-
stehen müssen. Der am 21. Mai nachmittags erlassene Heeresbefehl faßte
die im wesentlichen schon in den letzten achtundvierzig Stunden fest-
gesetzten Aufgaben zusammen, an deren Lösung die Armeen der Stoß-
gruppe am 24. nach gründlicher Artillerievorbereitung zu schreiten
hatten. Die 11. Armee hatte aus dem Raum südöstlich von Jaroslau die
Richtung Buców einzuschlagen, die 3. mit dem rechten Flügel die Höhen
westlich, die 2. die Höhen östlich von Mosciska zum Ziel zu nehmen.
Przemyslwar nach dem Einlangen schwerer Artillerie und ausreichenden
Schießbedarfs vom k. u. k. X. Korps im Einklang mit den vor der Nord-
front der Feste stehenden Teilen der 11. Armee anzugreifen, wobei die
Hauptkraft überPralkowce und die Höhen südlich davon vorzugehen hatte.
Während im Südwesten des Donaureiches ein neuer starker Feind
an die Tore pochte, nahm solcherart der Krieg im Norden unaufhaltsam
seinen Fortgang. Rückschauendes Urteil ist von dem späteren, so über-
raschenden Verlauf des italienischen Krieges zu stark beeinflußt, als daß
es die ganze Bürde des Entschlusses richtig zu ermessen vermöchte, den
die beiden Generalstabschefs in den ersten drei Maiwochen 1915 zu
fassen hatten. Diese Bürde lastete drückend schwer auf Falkenhayn, noch
schwerer natürlich, weil unmittelbarer, auf Conrad, den die Verein-
barungen vom 21. und 22. Mai gegenüber seinem Vaterland und seiner
Wehrmacht mit der allerhärtesten Verantwortung belasteten. Der öst.-
ung. Generalstabschef legte damit eine Probe ehernen Führerwollens ab,
zu der in der neueren Zeit ihresgleichen wohl nur mehr im Feldherrn-
wirken eines Friedrich II. oder eines Napoleon zu finden ist.
Die russisch-italienische Militärkonvention und die
weiteren Entschlüsse der russischen Führer
Hatten die russischen Staatsmänner den Londoner Vertrag vom
26. April wegen der italienischen Aspirationen auf die größtenteils sla-
wische Ostküste der Adria nur mit geteilten Gefühlen unterschrieben,
so war die Freude der Stawka auch dadurch noch stark gedämpft ge-
wesen, daß Italien auf seinem Schein beharrte, nicht vor dem 26. Mai
losschlagen zu müssen. Nie aber hätte Rußland der Entlastung durch
den neuen Bundesgenossen dringender bedurft als in den bitteren Wochen,
da die „Phalanx Mackensen" die Armee Dimitriew von Gorlice an den
unteren San zurückwarf und damit auch die Karpathenfront der Russen
zum Einsturz brachte. Die ersehnte Hilfe Italiens war aber ausgeblieben.
Die russisch-italienische Militärkonvention
415
Dem Londoner Vertrag war anfangs April zu Paris eine zwischen den
Ententemächten und Italien abgeschlossene Militärkonvention gefolgt.
Der Großfürst-Generalissimus hatte jedoch Wert darauf gelegt, daß die
gemeinsamen Kriegshandlungen der italienischen und der russischen Land-
kräfte in seinem Hauptquartier vereinbart würden1). Diesem Wunsche
wurde durch die am 16. Mai zu Baranowiczi abgeschlossene Militär-
konvention entsprochen, die italienischerseits von dem hiezu bevollmäch-
tigten Obstlt. Ropolo gezeichnet war.
In einem der ersten Punkte dieses Vertrages tauschte Italien gegen
die Anerkennung der Pflicht, spätestens am 26. Mai loszuschlagen, die Zu-
sicherung der Ententemächte ein, ihm bei einem früheren Angriffe der
Mittelmächte durch schärfsten Druck auf diese Hilfe zu bringen. Als
das Hauptziel der künftigen gemeinsamen Operationen wurde der Vor-
stoß in die ungarische Ebene („in das Gebiet zwischen den Karpathen
und den die italienische Grenze bildenden Alpen") bezeichnet. Russen
und Italiener verpflichteten sich in gleicher Weise, diesem Ziel mit dem
Höchstmaß an Kräften zuzustreben, für Nebenoperationen aber nur eine
Minderzahl an Truppen zu verwenden. Die serbische und die montene-
grinische Armee müßten das Erreichen des obbezeichneten Zieles unter-
stützen, und zwar wurde für wünschenswert befunden, daß die serbische
Armee den ihr aufgetragenen Angriff vorzugsweise gegen Nordwesten
führe, um möglichst früh ihre Tätigkeit mit dem rechten Flügel der auf
Laibach vorrückenden italienischen Armee in Einklang zu bringen.
Wie sich von selbst versteht, waren dem Abschluß der russisch-
italienischen Militärkonvention auch entsprechende Verhandlungen zwi-
schen Rußland und Serbien vorausgegangen. Der serbische Generalstab
hatte — wenigstens nach seinen Angaben 2) — erst um den 20. April, und
zwar durch den Großfürsten Nikolai, erfahren, wie sehr die öst.-ung.
Balkanfront seit der Jahreswende geschwächt worden war. Der Woi-
wode Putnik konnte nun nicht umhin, für Mitte Mai eine Offensive in
Aussicht zu stellen. Aber das Interesse der Serben, zumal der Politiker
des Landes, richtete sich in diesem Augenblicke weit mehr auf Nord-
albanien, als auf öst.-ung. Boden, wozu die Begehrlichkeit Montenegros
nach der gleichen Richtung hin nicht wenig beitragen mochte. Nicht ohne
Grund erinnerte die serbische Heeresleitung den König der schwarzen
Berge, daß er zwei Drittel seiner Armee für eine Offensive nach Bosnien
1) D a n i 1 o w, 481 ff.; Das zaristische Rußland im Weltkriege, 328 ff.
2) Serb. Gstb. W., VIII, 121 ff.
416
Von Gorlice bis Lemberg
bereitzuhalten habe, demnach für eine geplante Expedition nach Sku-
tari nur untergeordnete Kräfte verwenden dürfe.
Am 9. Mai verständigte die Stawka Serbien über die Aufgabe, die
ihm beim Zusammengehen mit den Italienern erwachsen werde. Italien
habe sich verpflichtet, hiebei die Kriegsbedürfnisse des serbischen Heeres
:zu decken. Auch der englische Kriegsminister Kitchener stellte sich mit
der Mahnung ein, Serbien möge den für den 26. Mai in Aussicht stehenden
Eintritt Italiens in den Krieg doch wenigstens durch eine Demonstration
begleiten. Der serbische Generalstab wies in seinen Antworten auf die
— kaum bestehenden — Gefahren hin, die dem Lande nicht bloß von
Bulgarien, sondern angeblich auch von Albanien her drohten1) und
derentwegen eine Expedition nach Nordalbanien unvermeidlich geworden
sei; trotzdem sei er bereit, in absehbarer Zeit zum Angriff im Sinne der
Konvention mit Italien zu schreiten, allerdings unter der Bedingung, daß
die Alliierten dem serbischen Heere wirtschaftlich beisprängen. Der
Prinzregent kündete denn auch am 21. Mai an, daß Serbien gemeinsam
mit Italien und Rumänien die Offensive ergreifen werde. Aber schon
zehn Tage später wurde die Absicht unter Berufung auf das von den
Grenzströmen geführte Hochwasser wieder zurückgestellt. Trotz der
augenblicklichen Schwäche des Gegners wagte es der Serbe nach den
Erfahrungen des Feldzuges 1914 und bei seiner gewiß mangelhaften
Ausrüstung nicht mehr, seinen Fuß über die Save und die Drina zu setzen.
Übrigens sollte die russisch-italienische Militärkonvention vom 16. Mai
auch in anderer Beziehung ein Stück Papier bleiben, da die Italiener nicht
einmal den Isonzo zu überschreiten vermochten, während die Russen
immer weiter ins Innere ihres Landes zurückgedrängt wurden. Der Ge-
neralquartiermeister der Stawka, Gen. Danilow, klagt: „Ungeachtet der
bescheidenen Kräfte, die Österreich gegen Italien eingesetzt hatte, war
es ihm gelungen, die Offensive der italienischen Truppen zum Scheitern
zu bringen . . .2)."
Ebenso erwiesen sich die Hoffnungen Rußlands auf Rumäniens Hilfe
als trügerisch. Bratianu stellte in der offenkundigen Absicht, einen
Kampf um Zeitgewinn zu führen, bei seinen Verhandlungen mit der,
Entente Gebietsforderungen auf, die in bezug auf das Banat die serbi-
schen, auf die Bukowina russische Interessen schwer verletzten. „Die sich
1) An Versuchen, Albanien zugunsten Österreich-Ungarns zum Aufstand zu
bringen, hatte es in den ersten Kriegsmonaten nicht gefehlt. Sie wurden aber dann
als aussichtslos aufgegeben.
2) Danilow, 482 f.
Russische Maßnahmen ium Schutze Ostgaliziens
417
an der galizischen Front entwickelnden Ereignisse," schreibt Danilow,
„waren nicht dazu angetan, Rumänien gerade jetzt zu einem aktiven
Hervortreten zu veranlassen. Diejenigen hatten recht gehabt, die die
Ansicht vertraten, daß das Hervortreten Rumäniens weniger von der
einen oder anderen zugesagten Grenze abhinge als von der tatsächlichen
Lage auf dem Kriegsschauplatze." Da überdies die Angriffe der Fran-
zosen und Engländer im Westen bisher keine erkennbare Entlastung
gebracht hatten, sah sich das schwer getroffene russische Heer auch
weiterhin ausschließlich auf seine eigene Kraft gestellt.
Gen. Iwanow hatte am 19. und 20. Mai unter dem Eindruck der Er-
eignisse bei Jaroslau einen schwerwiegenden Entschluß gefaßt. An dem
erstgenannten Tage hatte er für den 21. die Räumung der Feste Przemysl
verfügt, um die dortigen Truppen nicht ,,dem Zufall auszuliefern".
Am 20. erließ er vorbereitende Weisungen für den allgemeinen Rückzug
seiner ganzen Front in die Linie Wysmierzyce—Józef ó w—Krasnobrod—
Narol — Magierów—Wereszyca—Dniester—Halicz — Stanislau—Ottynia-
Kolomea—Sniatyn—Czernowitz, in der schon seit einiger Zeit fleißig ge-
schanzt wurde. Die Bewegung sollte in etwa vierzehn Tagen vollzogen
sein, wobei die Linie Wysmierzyce—Sandomierz—Lubaczów—Mosciska—
Koniuszki-Siemianowskie—Stryj—Kolomea als erste Zwischenstellung in
Aussicht genommen war. Als jedoch im Laufe des 20. Mai der Druck
Mackensens auf die Front Dimitriews wegen der bei den Verbündeten
eingeschalteten Atempause nachließ, widerrief Iwanow diese Weisungen
noch am Abend und damit zugleich den Befehl zur Preisgabe von Przemysl.
Unterdessen hatte auch die Stawka, allerdings mit der ihr eigenen
Bedächtigkeit, einzugreifen versucht. Am 19. war dort der Entschluß
gefaßt worden, im Räume Rawa Ruska—Tomaszów eine Reservearmee
zu versammeln, die berufen sein sollte, einen weiteren Durchbruch
Mackensens in der Richtung auf Lemberg mit zusammengefaßter Kraft
aufzufangen1). Diese Armee, die als neue 12. dem in dieser Gegend
vom Einleitungsfeldzug her wohlbewanderten Gen. Plehwe unterstellt
sein sollte, hätte zunächst aus dem von der Narewfront schon anrollen-
den II. kauk. Korps und einer sich ebenfalls schon dem Kriegsschauplatz
nähernden Division aus dem Kaukasus zu bestehen gehabt, denen drei
weitere Divisionen der Nordwestfront beizugesellen gewesen wären.
Iwanow setzte diesen Plänen der Stawka überraschenderweise den
selbstbewußten Vorschlag entgegen, die Lage in Galizien möglichst rasch
i)Bonc z-B r u j e w i t s c h, II, 166 ff. ; Nesnamow, IV, 45 ff. ; 2 a j o n t s c h-
k o w s k i j, 301 ff. ; Danilow, 507.
II 27
418
Von Gorlice bis Lemberg
durch eine allgemeine Offensive wiederherzustellen, die zunächst die
Linie Baranów—Rzeszów—Dynów—Turka—Már amaros-Sziget gewinnen
sollte. Selbstverständlich paßte ein Aufmarsch Plehwes bei Tomassow
nicht in dieses Konzept. Iwanow erbat sich die schon anrollenden drei
Divisionen zur Verstärkung der 11. Armee in den Raum Mikolajów—
Halicz, während er andere Verstärkungen ins Ausfallstor Sandomierz—
Nisko gewiesen und daher über Krasnik herangeführt wissen wollte.
Diese Anträge kamen der Stawka schon deshalb nicht ungelegen, weil
Alexejew die Überweisung der von ihm noch geforderten drei Divi-
sionen von der Erlaubnis abhängig machte, gegebenenfalls hinter den
Narew und in die Stellung von Grojec (westlich von Warschau) zurück-
weichen zu dürfen. Die Heeresleitung faßte daher bloß die Weiterleitung
des II. kauk. Korps nach Chodorów ins Auge, indes bei Lemberg aus
der vom Kaukasus kommenden Division und der 3.GID. ein neues
XXIII. Korps gebildet werden sollte.
Allerdings trat nun auch Alexejew mit einem großen Plan hervor.
Noch in Unkenntnis der Absichten Iwanows, hielt er es bei dem allem
Anschein nach unmittelbar bevorstehenden Eingreifen des italienischen
Heeres für unzweckmäßig, die Zeit durch Truppenansammlungen hinter
der Mitte der Südwestfront zu vergeuden. Iwanow sollte zusehen, in
der Abwehr mit seinen eigenen Kräften auszukommen. Dafür wären
nach Alexejews Auffassung zwischen der Pilica und der oberen Weichsel
zwei Armeen in der Gesamtstärke von acht Korps zusammenzuziehen ge-
wesen, die mit starkem linken Flügel die Offensive in südwestlicher
Richtung zu ergreifen und damit die Verbindungen der „Phalanx Macken-
sen" in empfindlichster Weise zu bedrohen gehabt hätten.
Neben Iwanow und Alexejew trat in denselben Tagen noch Brussi-
low mit einem Plane hervor, dessen Ausführung die Lage der Russen in
Galizien wenden sollte. Er wünschte nicht weniger als die Überweisung
der beiden heranfahrenden Korps (II. kauk. und XXIII.) zu einem
Flanken- und Rückenstoß, der aus der Festung Przemysl gegen die
11. Armee der Verbündeten zu unternehmen gewesen wäre1).
Aber das weitere Vordringen der „Phalanx Mackensen" gewährte
den Russen nicht die Zeit, deren die Ausführung solcher Absichten be-
durft hätte. Als am 25. die Anträge des ideenreichen Befehlshabers der
russischen Nordwestfront bei der Stawka einlangten, hatte die 3. Armee
schon wieder einen neuen schweren Schlag erlitten.
i) Broussilov, 133 f.
Kämpfe am Strwi^é und bei Burczyce am 22. Mai
419
Die Schlacht bei Przemysl
(24. Mai bis 4. Juni)
Hiezu Beilage 22
Vergebliches Ringen östlich von Husaków
Während nördlich von Przemysl zwischen dem 20. und 24. Mai
eine Kampfpause eingetreten war, brannte an den inneren Flügeln der
2. und der 3. Armee auch in diesen Tagen das Feuer der Schlacht einmal
stärker, einmal schwächer fort. Einer Telegraphenabteilung der 1. Lst-
IBrig. war es geglückt, sich an das Netz der Festung Przemysl anzu-
schließen und den Räumungsbefehl Iwanows (S. 417) abzuhorchen. Dies
veranlaßte Boroevic, für den 22. der Fortführung des Angriffes durch
das Beskidenkorps zuzustimmen und auch die 2. Armee zur Mitwirkung
aufzurufen. GdK. Böhm-Ermolli gestand zunächst ein Eingreifen der
27. ID. zu, beharrte aber, als der 22. keinen Erfolg brachte, bei dem Ent-
schlüsse, den Angriff nunmehr, wie es auch die Heeresleitung gewünscht
hatte, erst auf den 24. anzusetzen.
Inzwischen hatten in der Nacht auf den 22. Erkundungsabteilungen
des k» u. k. X. Korps keinerlei Anzeichen für einen unmittelbar bevorste-
henden Abzug der Russen aus der Sanfeste bemerkt. Der Räumungs-
befehl Iwanows war eben widerrufen worden. Dafür brach in derselben
Nacht das russische VII. Korps bei Koniuszki-Siemianowskie, Ostrów und
Burczyce über die Niederung vor. Die schütteren Schützenketten der
33. ID. warfen den Feind bei Ostrów wieder zurück und nahmen ihm
500 Gefangene ab, bei Koniuszki-Siemianowskie mußten sie aber Raum
geben. FZM. Puhallo vermochte den Stoß durch den Wiedereinsatz der
schon aus der Front genommenen 14. ID. zu parieren. Die Sorge um die
am Südrande des Wielkie Bloto nur durch wenige Bataillone hergestellte
Verbindung mit Linsingens linkem Flügel, veranlaßte das 2.Armeekmdo.,
einige Tage später die 1. KD. der 3. Armee für diesen Raum zu erbitten.
Die Heeresleitung erfüllte das Ansuchen. Die Division langte am 25. süd-
östlich von Sambor ein. Der Russe verhielt sich hier jedoch weiterhin ruhig.
Weniger glimpflich spielten sich die Ereignisse im Kampfraum der
böhmischen 9. ID. bei Burczyce ab. Zwar wurden am 22. die Russen mit
Hilfe des Wiener SchR. 24, das von der hinter der Front dem Raum süd-
lich von Krukienice zustrebenden 13.SchD. herbeigeholt worden war,
wieder über die Blotnaniederung zurückgeworfen. Aber in der Nacht
27*
420
Von Gorlice bis Lemberg
auf den 24., während der linke Armeeflügel zum Sturm rüstete, tauchte
der Feind abermals vor dem XVIII. Korps auf und warf die 9. ID.,
mehrere Kompagnien gefangen abführend, bei Burczyce über den Bio-
¿ewkagrund. Der Armeekommandant stellte dem hart bedrängten Kampf-
abschnitt zunächst nur einige Schwadronen Divisionskavallerie zur Ver-
fügung, die aber bei der starken Erschöpfung der 9. ID. ebensowenig
wie ein herbeigeeiltes Bataillon der 44. SchD. die Behauptung der neuen
Stellung südlich der Blo±ewka zu verbürgen vermochten. Schließlich
mußte GdK. Böhm-Ermolli doch dem Einsatz der als Armeereserve schon
weiter gegen Westen abgerückten 13. SchD. zustimmen, der es tatsäch-
am 25. gelang, die Russen wieder aus Burczyce zu vertreiben und hinter
die Blotnaniederung zurückzudrängen. Allerdings blieben die Schützen
einige Tage an diesen Kampfraum gefesselt.
Unterdessen setzten die 2. und die 3. Armee ihre Angriffsvorberei-
tungen an den inneren Armeeflügeln fort. Die letzten Stunden vor Be-
ginn des Angriffes brachten noch einschneidende Änderungen in hohen
Befehlsstellen. FZM. Puhallo übernahm anstatt des nach Südwesten ge-
rufenen Gdl. Boroevic das 3. Armeekmdo. und legte das V. Korpskmdo.
in die Hände des FML. Goglia, der mit der Einleitung des Artillerie-
kampfes im Angriffsraum betraut gewesen war. Auch der Führer der
Angriffsgruppe der 2. Armee, GdK. Tersztyánszky, mußte, zum Befehls-
haber gegen Serbien ernannt (S.412), das IV. Korpskmdo. an den FML.
Schmidt-Georgenegg abgeben.
Am 23. nachmittags begann die artilleristische Vorbereitung. Rechts
hatte FML. Schmidt-Georgenegg mit dem XIX. Korps (29. und 34. ID.)
beiderseits von Ostrozec, mit dem IV. Korps (32. ID., 51. HID. und
27. ID. im ersten, 31. ID. und 43. SchD. im zweiten Treffen) beiderseits
von Pnikut in nordöstlicher Richtung anzugreifen. Links vom IV. Korps
wurde, bei Husaków von der in die Front genommenen k. u. k. 2. ID.
begleitet, das deutsche Beskidenkorps angesetzt. Den Schlüsselpunkt der
„starken, teilweise betonierten und in mehreren, oft bis zu sieben Reihen
hintereinanderliegenden *■)" Stellungen der Russen bildete die festungs-
artig ausgebaute Höhe Gaj nordwestlich von Pnikut.
Gegenüber der technischen Stärke der russischen Abwehr empfan-
den die Verbündeten vor allem den Mangel an Steilfeuergeschütz über-
aus bitter. Sehnsüchtig hielt die Armee Böhm-Ermolli in den ersten zwei
Tagen der neuen Kampf phase nach den schweren Haubitzen und der
30.5 cm-Mörserbatterie Ausschau, die ihr zugewiesen waren. Zumal der
i) (H o e n), Österreichisch-ungarische Kriegsberichte, Heft 4 (Wien 1915), 30.
Beginn der Kämpfe bei Husaków
421
Antransport der schweren Mörser litt stark unter den zahlreichen Brücken-
zerstörungen, durch die die ohnehin recht mangelhaften Straßenzüge
unterbrochen waren. Nachdem die Batterie endlich in der Nacht auf
den 27. südlich von Krukienice aufgefahren war, nötigten kleine Re-
paraturen am Geschütz erst wieder zu einer Verzögerung des Feuerns
um einige Stunden; zur selben Zeit widerfuhr das gleiche Mißgeschick
den hinter dem Beskidenkorps wirkenden Mörsern. Zu allem Ueberfluß
ließ auch die Erkundung der feindlichen Stellungen zu wünschen übrig,
da die wenigen Flugzeuge viel unter Motorschäden zu leiden hatten. Der
Ruf nach Schießbedarf erscholl immer wieder von allen Seiten; er
wurde von der Heeresleitung mit der Erklärung beantwortet, daß die
Leistungen der Rüstwerkstätten in der Heimat ohnehin aufs höchste ge-
spannt seien und mehr Munition in näherer Frist nicht erhofft werden
dürfe. Selbst der Nachschub an Verpflegung hatte, namentlich bei der
auf die schlechten Karpathenstraßen gewiesenen 2. Armee, mancherlei
erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden.
Sicherlich hatte auch der feindliche Armeeführer Brussilow über
ähnliche Hemmnisse in nicht geringem Ausmaße zu klagen. Seine Ar-
tillerie kämpfte womöglich mit noch größerem Munitionsmangel und
hinter der Kampflinie der Infanterie warteten lange Ketten unbewaffne-
ter Ersatzmänner auf die Gewehre, die von Toten und Verwundeten
liegen gelassen wurden. Umso erstaunlicher war der Widerstand, den
der Russe trotzdem den opfervollen Anstürmen der Regimenter Böhm-
Ermollis und Puhallos entgegenzusetzen wußte.
Am 24. um 4h früh setzten das Beskidenkorps, vier Stunden später
der vom FML. Schmidt-Georgenegg befehligte linke Flügel der 2. Ar-
mee zum Sturme an. Es gelang den Divisionen an diesem Tage wohl,
auf 150 bis 100 m an die Hindernisse des Feindes heranzukommen, aber
die überaus geschickt angelegten Flankierungseinrichtungen der Russen
machten dann jedes weitere Vordringen unmöglich. Der Führer der 32. ID.,
GM. Ritt. v. Willerding, erinnerte in einer Meldung, daß der Stand seines
Heereskörpers in den letzten Wochen von 5200 auf 1900 Feuergewehre
gesunken sei. Nicht besser sah es bei den meisten anderen Angriffs-
divisionen aus.
In den nächsten Tagen wurde viel mit der Sappe gearbeitet, und am
26. gelang es dem Beskidenkorps und den links im Anschluß fechtenden
Teilen der 2. ID., östlich von Husaków einen unter den gegebenen Ver-
hältnissen immerhin sehr begrüßenswerten Erfolg zu erringen. Aber es
blieb bei diesem einem größeren Fortschritt und tags darauf mußte selbst
422
Von Gorlice bis Lemberg •*
ein Korpsführer von der Tatkraft des GdK. v. der Marwitz erklären, daß
an ein Erreichen der Straße von Mosciska ohne Verdoppelung seiner
Divisionszahl in kurzer Frist nicht zu denken sei. Die Verstärkungsbitte
wurde ebenso abgelehnt wie der Vorschlag der ob der Erfolglosigkeit des
Hauptangriffes enttäuschten 44. SchD., die sich erbötig machte, aus ihren
Gräben am oberen Blotñagrund in das dort vielleicht schütterere Stellungs-
netz der Russen hineinzustoßen. Nur die kaum irreführenden Meldungen,
daß Teile der gegenüberstehenden russischen Armee nach Norden ab-
zögen, und immer wiederkehrende Nachrichten über eine unmittelbar be-
vorstehende Preisgabe von Przemysl ließen die 2. Armee hoffen, doch
noch bis Ende des ereignisreichen Monats Mai die Linie Strwi%±mündung—
Mosciska zu gewinnen.
Der Vorstoß Mackensens über Radymno
Das AOK. hatte es gegenüber Böhm-Ermolli und Puhallo die ganzen
Tage über nicht an Mahnungen und Aufmunterungen fehlen lassen, end-
lich in den Rücken der Sanfeste vorzustoßen. Seine Geduld war durch die
zähen Kämpfe bei Husaków und Pnikut auf eine umso härtere Probe ge-
stellt, als die 11. Armee inzwischen südöstlich von Radymno Ansehn-
liche^ geleistet hatte, und bei gleichem Fortschreiten der 3.und der2.Armee
eine völlige Abschnürung von Przemysl nicht undenkbar gewesen wäre.
Welche bedeutende Rolle die Sanfeste in den Händen des Feindes
noch zu spielen vermochte, hatte eben diese Kriegshandlung Mackensens
gezeigt. Solange Przemysl in der Flanke drohte, war es dem Stoßkeil
der Verbündeten unmöglich, die ihm nach der Natur der Dinge zufallende
Richtung gegen Osten und Nordosten einzuhalten. Die Führung der Mittel-
mächte mußte sich vielmehr entschließen, die Spitze dieses Keils nun-
mehr nach Südosten, in den Rücken von Przemysl, abzudrehen, ein Ma-
növer, das bei dem eigenartigen Verlauf der Front im Sanwinkel und
östlich von Jaroslau auch manche schwere Gefahren in sich schloß.
Mackensen hatte schon am 19. die zur Ausführung dieser Bewegung
nötige Umgruppierung einzuleiten begonnen, indem er der 4. Armee auf-
trug, den rechten Flügel des IX. Korps gegen die Lubaczówkamündung
hin zu strecken und damit Teile der deutschen 19. ID. frei zu machen.
Am 20. ergingen weitere Weisungen für das Zusammenrücken des k.u.k.
VI. Korps und der Garde im Räume Tuczçpy—Makowisko. Der Angriff
war zu führen: vom XXXXI. RKorps über Radymno in der Richtung
Naklo und Buców, vom VI. Korps über Duñkowice gegen Kalników, von
Die Eroberung von Radymno
423
der Garde südlich der Linie Makowisko—Bobrówka—Mielniki, wobei die
2. GID. bei fortschreitendem Angriffe die Deckung der 1. GID. gegen Nor-
den im Anschluß an das deutsche X. Korps zu übernehmen hatte. Diesem
Korps blieb die engere, der k. u. k. 4. Armee die weitere Flanken- und
Rückensicherung des Durchbruches von Radymno überlassen, wobei dem
Erzherzog Joseph Ferdinand gesagt wurde, daß er seine Aufgabe am zu-
verlässigsten durch die Vertreibung des Feindes aus dem Sanwinkel lösen
würde. Zur Rechten hatte die 11. bayr. ID. Mackensens Manöver zu
sichern, deren Südflügel bei Ujkowice durch die 4. KD., GM. Berndt ab-
gelöst worden war. Die deutsche 119. ID. und die 11. HKD. waren west-
lich von Radymno als Reserve ausgeschieden.
Am 23. nachmittags begann das Einschießen der Artillerie. Des an-
deren Morgens um 8h löste sich das Fußvolk nach einem zweistündigen
Bombardement, das den Feind an Gorlice erinnert haben mochte, aus
dem Gewirr von Deckungen. Zunächst wurde der gegen Tuczçpy vor-
springende Stellungsbogen des XXI. Russenkorps von François und Arz
in die Zange genommen. Starke Abteilungen des Feindes wurden zu
schleuniger Flucht gegen den San gezwungen, vom anderen Ufer her durch
Geschütz- und Maschinengewehrfeuer empfangen. Hunderte von Russen
fanden im Flusse den Tod, Tausende zogen die Gefangenschaft vor. Um
die Mittagsstunde nahm François Radymno, indes sein Südflügel gegen-
über dem zähen XII. Korps Brussilows nicht über die Rada durchdringen
konnte; Mackensen setzte hier noch gegen Abend die 119. ID. ein.
Nördlich vom XXXXI. RKorps stieß die 39. HID., über Ostrów vor-
dringend, vor dem Brückenkopf von Zagrody auf verzweifelten Wider-
stand. Inzwischen hatte sich am Vormittag die sudetenländisch-westgalizi-
sche 12. ID., zum Teil in den Vorrückungsraum der Garde übergreifend,
des Dorfes Wietlin und einige Stunden darauf in dem schwierigen, keinerlei
Übersicht gewährenden Gelände auch des ausgedehnten Fleckens Wy-
socko bemächtigt. Während die 24. IBrig. südlich von Wysocko mit
Teilen gegen den San einschwenkte, fühlte abends die 23. IBrig. x) gegen
Lazy vor. Nicht besser erging es den Russen gegenüber der preußischen
Garde, die im Räume nördlich von Wietlin und bis Bobrówka durchge-
stoßen war.
i) GM. Rudolf Ritter Metz von Spondalunga, Kommandant der 23. IBrig., er-
hielt für seine Leistungen im Maifeldzuge das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-
Ordens. Die gleiche Auszeichnung wurde dem Artilleriebrigadier der 12. ID., Oberst
Ludwig Riedl, für seine Tätigkeit in der Schlacht bei Gorlice und während der Ver-
folgungskämpfe bis zum 17. Mai zuteil.
424
Von Gorlice bis Lemberg
Der neue Führer der 3. Russenarmee, Gen. Lesch, hatte geglaubt,
dem Angriff der Verbündeten am besten dadurch zu begegnen, daß er
das III. kauk., das XXIV. und das aus Truppen zwischen der Lubaczówka
und Olchowa neu zusammengestellte XXIX. Korps zum Gegenangriff in
den Rücken von Mackensens Stoßkeil aufrief. Aber noch ehe diesem Be-
fehl Folge geleistet werden konnte, sah sich das in der Front von der
deutschen 20. ID. angefallene XXIX. Korps im Süden durch die Garde
überflügelt. Verfolgt von den Regimentern Emmichs, eilten die Russen
Hals über Kopf hinter die Lubaczówka zurück. In größter Hast warf
Lesch einige Reiterdivisionen und von ungefähr zusammengeraffte In-
fanterieabteilungen in die zwischen dem V. kauk. und dem XXIX. Korps
klaffende Lücke. Die Verluste, die die schwer geprüfte 3. Russenarmee
an diesem neuen Unglückstag erlitten hatte, waren wieder sehr empfind-
lich. Einzelne eben erst aufgefüllte Regimenter waren auf 300 und 200
Mann zusammengeschmolzen1). Die Zahl der durch die Verbündeten
zurückgeführten Gefangenen betrug 21.000; ein Drittel davon wurde
durch das k. u. k. VI. Korps eingebracht, von dem allerdings namentlich
die 12. ID. auch keine geringe Einbuße durch Tod und Verwundung zu
verzeichnen hatte. Aber wenn auch die Ausführung des von Gen. Lesch
angeordneten großen Flanken- und Rückenangriffes noch ach tun d vier zig
Stunden auf sich warten ließ, so zeigten doch zahlreiche bei Tag und
Nacht ausgeführte Teilstöße des Feindes, daß dieser noch nicht ge-
sonnen war, aus dem neuerlichen Vorgehen Mackensens entscheidende
Schlußfolgerungen zu ziehen.
Für den 25. Mai trug GO. Mackensen seinen Korps auf, in ihren
Gefechtsstreifen unaufhaltsam vorzudringen und „dem Feind nach Mög-
lichkeit den Rückzug über Mosciska zu verlegen". Die ll.bayr., die
119. ID. und die 81. RD. sahen sich auch diesen Tag über durch den
starken Widerstand der Russen mehr oder minder an den Platz gebannt,
was die Bayern bei ihrer Aufgabe, gegen Angriffe aus der Festung zu
decken, nicht weiter anfocht. Die 82. RD. gewann von Radymno in süd-
östlicher Richtung schon in den Vormittagsstunden einigen Raum; aber
auch ihr Vordringen war gehemmt, solange nicht die 39. HID. den
Brückenkopf von Zagrody zu überwältigen vermochte. Inzwischen war
auf dem Ostufer des San die Brigade GM. Metz als Spitze des Stoß-
keiles der 11. Armee nach heftigen Kämpfen in glühender Mittagssonne
bis zum Ostrand von Lazy vorgestoßen, während die rechts vorgehende
Brigade GM. v. Puchalski wegen der ungeklärten Lage bei Zagrody noch
i) Boncz-Brujewitsch, II, 168.
Das Vordringen der Stoßgruppe Mackensens auf dem östlichen Sanufer 425
etwas zurückhing. Es war der stark ausgesetzten Lage der Division und
dem empfindlichen Mangel an ausreichender Luftaufklärung zuzuschrei-
ben, wenn sie nicht nur unter dem Geschützfeuer des Feindes, sondern
auch unter dem der beiderseitigen Nachbarn litt.
Um endlich die Russenfront bei Zagrody zu lockern, warf FML.
Arz in den ersten Nachmittagsstunden seine Korpsreserve, vier Honvéd-
bataillone, zwischen dem San und der 12. ID. in den Kampf. Nun gab
es für die Russen vom XXI. Korps in den Verschanzungen von Zagrody
kein Halten mehr. Die vorderen Linien der 82. RD. arbeiteten sich bis
Swiçte vor, die Brigade Molnár erreichte Michalówka. Der rechte Flügel
der 12. ID. nahm noch Duñkowice und die Bodenwelle dahinter, indes die
von der Heeresleitung gewünschte Gewinnung von Nienowice auf den
nächsten Tag verschoben werden mußte.
Eine bange Stunde hatte GM. Metz auch deshalb erlebt, weil die
Garde erst zu Mittag zum Angriff antrat. Der traditionelle Schwung
dieser prächtigen Truppe litt bereits unter der schwierigen Aufgabe, die
der Führung durch den Schutz der mit jedem Schritt nach vorne an
Tiefe zunehmenden linken Flanke gestellt wurde. In schiefer Schlacht-
ordnung vordringend, kam das Korps bis zum Abend über Laszki hinaus.
Links von ihr stellte die 20. ID. im Räume von Zapalów die Verbindung
mit der 56. ID. des Korps Emmich her.
Am 26. Mai drang die Stoßgruppe des GO. Mackensen noch tiefer
in die Stellungen des V. kauk. Korps ein. Die Erkundung hatte einen
zum Teil ungeordneten Ostmarsch stärkerer russischer Truppenkörper
von Przemysl gegen Mosciska ergeben — ein Anreiz mehr, möglichst
bald bis an die beide Orte verbindende Straße durchzustoßen. Bei der
ll.bayr. und der 119. ID. kam es abermals zu keiner wesentlichen Än-
derung der Lage. Das Korps François schwenkte gegen Sosnica ein; eine
Kampfgruppe stand abends auf dem rechten Sanufer. Die 39. HID. nahm
nach mannigfachen Hemmnissen am frühen Nachmittag über verschie-
dene Wasserläufe hinweg das Dorf Nienowice. Während die Brigade Pu-
chalski ins zweite Treffen genommen worden war, stürmte wieder links
von ihr die Brigade Metz allen anderen Truppen der Armee Mackensen
voran. Sie warf die Russen von der Höhe Horodysko und entzündete
abends bei Chotyniec und südlich davon ihre Wachtfeuer. Teile der Bri-
gade hatten auch beim Kampfe der Garde um Zaleska Wola mitgewirkt.
Die deutsche 20. ID. schob ihre Linien beiderseits der von Jaroslau nach
Lubaczów führenden Bahn um einige Kilometer vor. Am linken Flügel
des deutschen X. Korps wurde unterhalb der Lubaczówkamündung die als
426
Von Gorlice bis Lemberg
Armeereserve in Aussicht genommene deutsche 19. ID. bis zum Abend
vollends durch Truppen der k. u. k. 4. Armee abgelöst.
Der Rückschlag bei Sieniawa
Inzwischen hatte am 25. Mai der von Mackensen wie vom AOK.
gleich erwünschte Angriff der 4. Armee im San-Weichselwinkel eingesetzt.
Im Zusammenhang mit dem Abgehen des GdK. Dankl nach Tirol
(S. 411) war zwei Tage zuvor die rund vier Divisionen starke 1. Ar-
mee als Armeegruppe GdK. Karl Freih. v. Kirchbach dem 4. Armeekmdo.
unterstellt worden. Kirchbachs Heereskörper wurden (bei Auflösung des
I. Korpskmdos.) in drei Gruppen gegliedert: GM. v. Czapp (16. KBrig.,
46. SchD., Teile der 41. HID.), Gdl. Johann Freih. v. Kirchbach (II.Korps-
kmdo., 4. und Teile der 25. ID., Polenbrigade Pilsudski) undFML. Schay
(Teile der 25. ID. und Hauptkraft der 41. HID.). Die im Sanwinkel west-
lich vom XIV. Korps angesetzten Truppen des früheren komb. Korps
Karl Kirchbach — deutsche 47. RD., Hauptkraft der 21. SchD., 37. HID.,
Gruppe FML. Stöger-Steiner und die von Rudnik nach Baranów zurück-
genommene halbe 2. KD. (3.KBrig.)—wurden zum VIII. Korps unter
FZM. Scheuchenstuel zusammengezogen.
Die Streitkräfte des Erzherzogs Joseph Ferdinand nahmen jetzt mit
ihren 113.000 Feuergewehren eine Frontbreite von 150km ein. An Ar-
meereserven gab es bloß vier Bataillone des Székler IR. 821) westlich
von Le¿ajsk und das Egerländer SchR. 6 bei Je±owe. Gemäß den vom
Oberkmdo. Mackensen erteilten Befehlen traf das 4. Armeekmdo. am 22.
und 23. Mai seine Verfügungen, in deren Mittelpunkt sich der für den
25. vorgesehene Angriff des VIII. Korps auf die von Tarnobrzeg nach
Osten verlaufenden vorderen Linien des Sandomierzer Brückenkopfes
befand. Die rechts vom VIII. Korps bis zu den Höhen von Sieniawa und
an die untere Lubaczówka reichende Front hatte sich zu behaupten und
durch Feuerüberfälle und Vorstöße, beiderseits von Le¿ajsk auch durch
Scheinvorbereitungen für einen Flußübergang, die Aufmerksamkeit des
Feindes zu fesseln. Die Armeegruppe Kirchbach links der Weichsel wurde
angewiesen, im Einklang mit der Armeeabteilung Woyrsch die Offen-
sive in der Richtung auf Opatów wieder aufzunehmen; die Gruppe GM.
Czapp sollte jedenfalls alles daransetzen, durch entschiedenes Vorgehen,
i) Von den sechs Bataillonen des Regiments war je eines beim XIV. und beim
IX. Korps eingesetzt.
Die Kräftegruppierung im Brückenkopf Sieniawa
427
mindestens aber durch Flanken- und Rückenfeuer ihrer Artillerie, den
rechts von der Weichsel angesetzten Stoß des VIII. Korps zu fördern.
Die Lage im Weichsellande war aber noch nicht darnach angetan,
zur Verwirklichung weitergehender Pläne einzuladen. Das sollte sich am
24. bei der Armeegruppe Gdl. Kövess zeigen. Heftige russische An-
stürme, die an diesem Tage gegen die Bataillone des GM. Goldbach und
gegen die 16. ID. losbrachen, wurden zwar abgeschlagen, ohne daß es
notwendig war, die nach Przysucha herangeholte 9. KD. ins Feuer zu
setzen. Aber die Kraftäußerung des Feindes zeigte doch, daß er noch
nicht willens war, freiwillig hinter die Weichsel zu weichen. Unter dem
Drucke dieser Verhältnisse mußte auch GdK. Kirchbach erklären, daß
seine Kräfte eben noch hinreichten, um die ausgedehnten Stellungen
zu halten1).
Am 25. setzte der Angriff des VIII. Korps ein. Er gewann an diesem
Tage an der ganzen Front etwas Raum, ohne freilich zu besonderen
Hoffnungen zu berechtigen. Auch unmittelbar nördlich der Weichsel gab
dei Feind etwas nach; die gegenüberstehenden Truppen, die 16. KBrig.
und der Südflügel der 46. SchD., behielten die Gefechtsfühlung. Am 26.
hatte nur mehr die 21. SchD. des VIII. Korps kleine Fortschritte zu ver-
zeichnen. In den nächsten Stunden aber sollte dieser von Anbeginn von
keinem günstigen Stern begleiteten Kriegshandlung ein empfindlicher
Rückschlag am rechten Armeeflügel ein jähes Ende bereiten.
An diesem Armeeflügel war im Laufe der letzten zwei Tage die vom
Oberkmdo. Mackensen befohlene Ablösung der deutschen 19. ID. unter-
halb der Lubaczówkamündung derart vollzogen worden, daß die k. u. k.
10. ID. ihr letztes Regiment in die Front nahm, und daß dem IX. Korps
dafür die vier noch nicht eingesetzten Bataillone des IR. 82 in den Raum
südlich von Glogowiec als Reserve zugeführt wurden (S. 386 und 426). Am
26. spät abends war die Neugruppierung durchgeführt. Der erweiterte
Brückenkopf von Sieniawa war an dem 4 km nordöstlich der Lubaczówka-
mündung vorgeschobenen rechten Flügel von einem Regiment der 10. ID.
besetzt, in der Mitte von vier siebenbürgischen Bataillonen der Gruppe
Szende (S. 386) unter dem Kmdo. dieses Generals, am linken Flügel
wieder durch viereinhalb Bataillone der 10. Division. Diese vom GM.
Reymann befehligten zwölfeinhalb Bataillone traf der Hauptstoß des
vom Führer der 3. Russenarmee schon am 25. angeordneten, nun aber
in der Nacht auf den 27. losbrechenden Angriffes.
i) Die Armeegruppe Kirchbach erfuhr in diesen Tagen durch die Abgabe von
zwei Batterien für den Südwesten noch eine weitere Schwächung.
428
Von Gorlice bis Lemberg
Der Ansturm des III. kauk. Korps, das in diesem Räume vorging,
stieß zuerst gegen das auf den Höhen nördlich von Sieniawa wohlver-
schanzte Jungbunzlauer IR. 36. Wie die später eingeleitete Untersuchung
ergab, drangen die Russen, ohne ernsten Widerstand überwinden zu
müssen, in die Gräben des Regiments ein und weit über sie hinaus. Die
36er fluteten in voller Auflösung über Sieniawa zurück und rissen auch
ihre gleichfalls größtenteils aus tschechischer Mannschaft bestehenden
Nachbarabteilungen zur Linken mit. Nicht so rasch gaben sich die Sieben-
bürger zur Rechten besiegt und ein Bataillon der noch in der Nacht her-
beigeholten Korpsreserve stürmte noch auf die von den Tschechen ver-
lassene Slawahöhe vor, konnte aber nur das dort zurückgelassene schwere
Geschütz unbrauchbar machen. In weiterer Folge scheiterte auch der Ver-
such des IX. Korps, wenigstens südlich von Sieniawa einen die Lubaczówka-
mündung halbkreisförmig umschließenden Brückenkopf zu halten, an der
schweren Erschütterung der Truppen. Noch am Abend erteilte dasAr-
meekmdo. auf Vorschlag des FML. Králicek und mit Zustimmung Macken-
sens den Befehl, die stark mitgenommenen Verbände hinter den San und
die Lubaczówka zurückzunehmen. Hinter dem erstgenannten Flusse sam-
melten sich die geworfenen Teile der 10. ID., indes die Gruppe Szende
hinter der unteren Lubaczówka Anschluß an die deutsche 56. ID. fand,
dort aber in den nächsten Tagen durch deutsche Truppen freigemacht
wurde.
Den Angriff des VIII. Korps und damit auch den der Gruppe
nördlich von der Weichsel hatte der Armeekommandant, Erzherzog
Joseph Ferdinand, schon am 27. morgens einstellen lassen, da es vor
allem darauf ankam, Reserven für den schwer bedrohten rechten Armee-
flügel zu gewinnen. Viel war es allerdings nicht, was im ersten Augen-
blick zusammengerafft werden konnte: etwa sieben Infanteriebataillone,
die 3.KBrig. und einige Schwadronen Divisionskavallerie. Zum Glück
für die 4. Armee blieb auch das III. kauk. Korps der russischen Ge-
wohnheit treu, nach jedem Erfolg Atem zu schöpfen; es drängte vorerst
nur bis an den San nach, obgleich es Gen. Lesch durch eine Division
des X.Korps verstärkt hatte. Entschlosseneres Durchgreifen des Feindes
hätte bei der ungünstigen Verfassung der Verteidiger unter Umständen
die Lage der Verbündeten nördlich von Przemysl aufs schwerste ge-
fährden können.
Der Rückschlag bei Sieniawa hatte denn auch nicht verfehlt, bei den
höheren Befehlsstellen tiefen Eindruck zu machen. Wie wenige Wochen
zuvor das IR. 28, wurde das alte, an ehrenvollen Überlieferungen reiche
Ursachen und Folgen des Verlustes von Sieniawa
429
IR. 36 einige Tage später auf kaiserlichen Befehl aus den Listen des
Heeres gestrichen. Sein Verhalten wie das seiner linken Nachbarn wurde
vor allem dem ungünstigen Einflüsse zugeschrieben, den die jüngst ein-
gereihte Ersatzmannschaft auf das Gefüge der Truppe ausgeübt hatte.
Die 10. ID. und die Gruppe Szende zählten nach dem unglücklichen
Kampfe zusammen nur 7200 Gewehre. Die Verluste betrugen 9120 Mann,
11 Maschinengewehre und 9 schwere Geschütze. Die Russen melde-
ten nur 1000 Gefangene, welche Zahl im Vergleich zu den Gesamt-
verlusten auffällt und eigentlich gegen ein planmäßiges Einverständnis
zwischen Angreifer und Verteidiger spricht. Ohne die unzweifelhaften
Leistungen anderer aus tschechischen Gebieten stammender Truppen-
teile zu unterschätzen, erblickte das 4. Armeekmdo. in der starken Durch-
setzung der Armeefront mit tschechischer Mannschaft für weiterhin doch
eine nicht unbeträchtliche Gefahr, und auch die Heeresleitung warnte
die unterstellten Führer in einem besonderen Befehle, wichtige Verteidi-
gungsabschnitte tschechischen (oder auch ruthenischen) Regimentern allein
-anzuvertrauen.
Das Oberkmdo. Mackensen wurde durch die Krise bei Sieniawa ver-
anlaßt, die schon in den Raum um Jaroslau abgegangene deutsche 19. ID.
wieder auf das Schlachtfeld zurückzurufen und eines ihrer Regimenter
am linken Flügel des Korps Emmich einzusetzen. Dieses war in der Nacht
auf den 27. gleichfalls heftig angegriffen worden und hatte sich den
ganzen Tag über wider die Anstürme der Russen seiner Haut zu
wehren. Irgend einen nennenswerten Erfolg zu erzielen, war dem Feinde
in diesem Kampfraum aber versagt.
Fortführung des Angriffes der 11. Armee
Im übrigen hatte das Oberkmdo. Mackensen schon am 25. mit der
Möglichkeit zu rechnen begonnen, daß der Russe die absonderliche Lage
der mit tiefer Flanke von Jaroslau gegen Südosten vorgeschobenen Korps
zu einem Gegenschlag ausnützen könnte. Demgemäß waren die Wei-
sungen für den 27. gehalten gewesen. Die Aufgabe, den Stoß gegen die
Straße Medyka—Mosciska zu führen, war nunmehr dem XXXXI. RKorps
übertragen worden, das zu diesem Zwecke in der Nacht auf den 27.
seine 81. RD. hinter der noch vor Sosnica festgebannten 82. auf das
rechte Sanufer zu nehmen hatte. Dagegen sollten die Vorrückungsziele
der beiden Korps der Mitte begrenzt sein. Das k.u.k. VI. Korps hatte
sich mit dem Gewinn von Kalników und der Höhen nördlich zu be-
430
Von Gorlice bis Lemberg
gnügen; die Garde sollte sich östlich und nördlich von Chotyniec und bei
Korzenica festsetzen sowie gegen die Höhe A241 die Verbindung mit dem
k.u.k. IX.Korps herstellen1). In den also vorgezeichneten Räumen hatten
sich die Korps zu festem Widerstand einzurichten. Der Sicherheit halber
sollte überdies zwischen Sosnica und Zapalów eine zweite Widerstands-
linie eingerichtet werden. Als Armeereserve wurde an Stelle der 19. ID.
die Masse der 119. aus der Front gezogen, der überdies die ll.HKD.,
ohne die bei der 11. bayr. ID. verbleibenden Fußabteilungen, in den Raum
um Jaroslau zu folgen hatte.
Der Angriff des Korps François stieß auch am 27. auf die besonders
heftige Gegenwehr der Russen. Während die 82. RD. Sosnica noch immer
nicht zu bezwingen vermochte, konnte die 81. erst in den Nachmittags-
stunden aus dem Räume südlich von Nienowice zum Angriffe gegen
Stubno und die benachbarten Orte vorbrechen, deren sie bei einbrechen-
der Dunkelheit Herr wurde. Durch dieses Abbleiben des XXXXI. RKorps
waren dessen linke Nachbarn, zumal die 39. HID., bei der um 9h früh
angetretenen Vorrückung über Kalników unablässig starkem Flanken-
feuer ausgesetzt. Dennoch drang die Honvéd knapp nach Mittag in
Kalników ein, und im Laufe des Nachmittags setzte sich die 12. ID. in
den Besitz der Höhen nördlich des ebengenannten Ortes. Gleicherweise
erreichte die Garde — an ihrem Südflügel in enger Zusammenarbeit mit
den Österreichern — die ihr vorgeschriebenen Räume. Allenthalben hatten
die Russen das Vordringen der Verbündeten auch durch Gegenangriffe
aufzuhalten gesucht.
Wie vor zehn Tagen das XII. und das XXI. Korps, war nun auch
das V. kauk. Korps dem Gen. Brussilow unterstellt worden, dessen Be-
fehlsbereich damit alle für das Schicksal von Przemysl unmittelbar ent-
scheidenden Abschnitte des mittelgalizischen Schlachtfeldes umfaßte. Für
drei Nächte hintereinander — die Nacht auf den 26., den 27. und den
28. — hatte Iwanow die ungesäumte Räumung der Feste verfügt, den
Befehl jedoch immer wieder zurückgenommen. Zuletzt griff die Stawka
mit der bestimmten Weisung ein, Przemysl dürfe erst geräumt werden,
bis „alle Möglichkeiten der 8. Armee erschöpft" wären 2). Brussilow hatte
1) Die Ziele für das VI. Korps und die Garde waren in den Befehlen vom 26.
abends etwas weiter gegen Osten vorverlegt, wurden aber dann im Laufe des 27., wohl
unter dem Eindrucke des russischen Gegenangriffes gegen die inneren Flügel der
11. und der 4. Armee, näher gesteckt.
2) Boncz-Bruj ewitsch, II, 170ff.; Nesnamow, 49ff.; Zajontsch-
k o w s k i j, 302 ff. ; D a n i 1 o w, 484 ff.
Wechselnde Befehle Iwanows für die Behauptung von Przemysl
431
schon bisher diesem Wunsche am besten dadurch entgegenzukommen
geglaubt, daß er von seiner Südfront Truppenteil auf Truppenteil dem
Stoßkeil Mackensens entgegenwarf. Dieser Kraftzuwachs des rechten
Flügels der 8. Armee belief sich bis Ende des Monats Mai sicherlich auf
mindestens vier Divisionen.
Aber auch Lesch wollte dem Schicksale von Przemysl nicht untätig
gegenüberstehen. Nach dem Erfolge bei Sieniawa hatte er am 27. abends
seiner Stoßgruppe den Auftrag erteilt, den Angriff fortzusetzen. Hiebei
sollte ein „Teil des III. kauk. Korps" gegenüber von Sieniawa einen
Übergang gewinnen, das XXIV. bei Radawa in die deutschen Linien ein-
brechen und das XXIX. über Olchowa sowohl in den Rücken der geg-
nerischen Lubaczówkafront wie auch in den der Stoßgruppe Mackensens
vorbrechen. Allerdings wurde — besonders wertvoll für das k. u. k.
IX. Korps — der Beginn dieses neuerlichen Angriffes erst auf den 30.
früh angesetzt.
Unterdessen hatten am 28. Mai Angriff Struppen Mackensens weitere
Fortschritte erzielt. Die ll.bayr. ID. hatte an ihrem rechten Flügel die
Front auf die Höhen südlich von Batycze vorgeschoben und mit ihrem
linken Flügel die Höhen südlich und südöstlich von Drohojów gewonnen.
Der 82. RD. war es in den frühen Morgenstunden endlich gelungen, dem
Feinde Sosnica zu entreißen. Teile der Division verfolgten südwärts
gegen Walawa, andere Teile wurden auf das östliche Sanufer gezogen,
wo die 81. RD. bei stark zurückgebogener linker Flanke bis über Naklo
vorstieß. Inzwischen hatte das durch Truppenzuschub verstärkte V. kauk.
Korps aus dem Räume Krakowiec—Starzawa zu einem heftigen Gegen-
stoß angesetzt. Er wurde von der 81. RD. westlich und nordwestlich von
Starzawa abgeschlagen, drückte östlich von Chotyniec die Linien der
k. u. k. 12. ID. etwas zurück und führte zwischen diesen Räumen, im Ab-
schnitt Kalników, bei der 39. HID. zu einer nicht unbedenklichen Ge-
fechtskrise, die jedoch gegen Abend unter Mitwirkung von Teilen der
12. ID. überwunden werden konnte. Daß die Lage beim Korps Arz den-
noch äußerst gespannt blieb, ergibt sich aus der niederen Streiterzahl.
Der Stand der Feuergewehre war bei der 12. ID. auf 4600, bei der
39. HID. gar auf 2600 herabgesunken. Sehnsüchtig hielt das Korpskmdo.
nach Ersätzen Ausschau.
Die Garde blieb durch den russischen Gegenstoß ziemlich unbe-
rührt, ebenso das deutsche X. Korps, das allerdings in der vorangehen-
den Nacht noch starke Angriffe abzuwehren gehabt hatte.
Mit dem Erreichen der Gegend von Naklo hatte Mackensens Flan-
432
Von Gorlice bis Lemberg
kenstoß über Radymno kulminiert. Ihn weiter fortzusetzen, schien im
Hinblick auf die ungewöhnliche taktische Lage der Stoßgruppe und
noch mehr wegen russischer Truppenausladungen, die bei Gródek Jag.,
bei Lubaczów und bei Zaklików beobachtet worden waren1), nicht mehr
ratsam zu sein. Man mußte sich damit zufrieden geben, daß aus der
Gegend östlich von Sosnica schweres Geschütz gegen die Straße bei
Medyka wirken konnte.
Sehr vorteilhaft war für die Heeresgruppe Mackensen, die k. u. k.
4. Armee mitinbegriffen, daß der von Gen. Lesch am 27. anbefohlene
Massenangriff seines linken Flügels kaum zur Geltung kam. Oberhalb
von Rudnik unternahmen die Russen am 29. einen Übergangsversuch,
der von der Division Horsetzky ohne Schwierigkeit abgewiesen wurde.
Das deutsche X.Korps sah sich am gleichen Tage und besonders heftig
am darauf folgenden Morgen an der unteren Lubaczówka angegriffen,
ohne daß der Russe jedoch irgendwo durchzudringen vermochte. Aller-
dings wußten am 30. eingebrachte russische Gefangene übereinstimmend
von einem für die nächste Nacht bevorstehenden Angriff großen Stiles
zu berichten, der bei den mehrfach bestätigten Truppenansammlungen
hinter der russischen Front sehr wohl zu gewärtigen war.
Die Bezwingung von Przemysl
Biezu Beilage 9
Der Handstreich gegen ¿Las Werk Pralkowce
Das Ergebnis der gewaltigen Kriegshandlungen in Mittelgalizien
war trotz der bei der 11. Armee errungenen Erfolge und trotz der An-
strengungen Puhallos und Böhm-Ermollis, die große Lemberger Straße
von Süden her zu gewinnen, in den letzten Tagen weit hinter den Er-
wartungen der Verbündeten zurückgeblieben. Przemysl, um dessen Ge-
winnung es vor allem ging, war noch immer durch eine zwar schmale
und schwer bedrohte, aber doch gangbare Landbrücke mit den Feld-
armeen Iwanows verbunden und hinderte die Heere der Mittelmächte
ebensosehr am Beziehen jener galizischen Abwehrstellung, die nach den
Verabredungen der Generalstäbe allein das Abziehen stärkerer Kräfte
gegen Italien oder Serbien erlauben mochte, wie schon gar an einer Fort-
führung des sonst so glanzvollen Feldzuges nach Ostgalizien oder Wol-
!) Bei Gródek Jag. wurde das XXIII. Korps, bei Lubaczów das ursprünglich nach
Chodorów gewiesene II. kauk., bei Zaklików eine aus dem Weichsellande heran-
geführte Division des XIV. Korps mit dem Korpskmdo. ausgeladen.
Der Angriff auf Pralkowce
433
hynien hinein. Dabei wechselten die Nachrichten über die Absicht der
Russen, die Sanfeste zu behaupten oder preiszugeben, wie die tatsäch-
lichen, einander jagenden Entschlüsse der russischen Generale. Mit umso
größerer Ungeduld sahen die obersten Führer der Verbündeten dem
schon angeordneten, aber längere Vorbereitungen heischenden Angriff
auf die Festung entgegen.
Als am 26. abermals Nachrichten über die knapp bevorstehende Preis-
gabe von Przemysl einlangten, erließ das 3. Armeekmdo. an das X. Korps-
kmdo., dem nun auch die Gruppe FML. Anton Bellmondx) unterstellt
wurde, den Auftrag, nach Vollendung des Artillerieaufmarsches das Werk
Pralkowce und die Höhen zwischen diesem und dem Orte Grochowce
anzugreifen. FML. Martiny nahm den 30. als Angriffstag in Aussicht.
Diese Fristerstreckung wurde aber der Ungeduld der Heeresleitung zu-
nächst nicht völlig gerecht, namentlich dann, als ihr am 28. die irrtüm-
liche Nachricht zukam, die ll.bayr. ID. gehe die Werke an der Nord-
front schon am 29. an. Am 28. abends langte bei den in Mittelgaliziejn
bodenständigen Divisionen Martinys die auf den Vorschlag des Chefs
des Generalstabs durch den Armeeoberkommandanten Erzherzog Fried-
rich erlassene Aufmunterung ein : „Ich bin überzeugt, daß das X. Korps
nicht zögern wird, seine Festung wie der zunehmen."
In der Tat hatte GO. Mackensen an diesem Tage die ll.bayr. ID.
angewiesen, nunmehr zum Angriff zwischen den Werken X und XI zu
schreiten. Aber dieser Angriff sollte, artilleristisch gründlich vorbe-
reitet, erst am 31. unternommen werden, was das k. u. k. X. Korpskmdo.
gerade noch rechtzeitig erfuhr, um den auf Befehl des 3. Armeekmdos.
schon für den 29. abends angeordneten Sturm wieder auf den nächsten
Tag oder die diesem folgende Nacht verschieben zu können.
Die Hauptkraft der 24. ID., GM. Schneider v. Manns-Au, wurde gegen
Pralkowce, die 45. SchD., FML. Smekal, gegen Lipnik und die Höhen
nordwestlich von Grochowce angesetzt (Beilage 9). Die artilleristische
Vorbereitung forderte besondere Rücksicht auf die ziemlich knappen
Munitionsvorräte, über welche die ohnehin nicht allzu zahlreiche Ar-
tillerie2) verfügte. Schon schien die kaum merkbar verminderte Gegen-
wirkung der russischen Artillerie zu der Meinung zu berechtigen, daß
es erst am 31. bei Morgengrauen zum Infanterieangriff kommen werde.
1) Diese Gruppe bestand aus den westlich vom Wiar stehenden Teilen der 11. ID.
und aus der gleichfalls dort eingesetzten 1. LstlBrig.
2) Beim X. Korps waren insgesamt eingeteilt : 80 Feldkanonen, 28 Feldhaubitzen,,
27 schwere Haubitzen, 2 Gebirgskanonen, 8 30.5 cm-Mörser.
II
28
434
Von Gorlice bis Lemberg
Schließlich stimmte aber das Korpskmdo. um 2h nachm. zu, daß der
Sturm noch am Abend unternommen werden könne. Kurz darauf kam
von der 45. SchD. zur Sturmgruppe der 24. ID. die Mitteilung, daß sie
das Werk Lipnik erst angehen werde, nachdem der Nachbar Pralkowce
genommen hätte. In der Tat stürmte dann am 30. bei sinkender Sonne
die 48. IBrig., Obst. Korzer, mit dem IR. 45 und Teilen des IR. 9 das
Werk Pralkowce und die unmittelbar anschließenden Russenstellungen.
Von der Besatzung fielen 2 Offiziere und 300 Mann in die Hände der
45er und der den Sturm mitmachenden Sappeure. Allerdings sollte es
den Tapferen unter der Führung des Obstlt. Klinger (IR. 45) nicht ge-
gönnt sein, sich des in kühnem Zugreifen errungenen Erfolges lange zu
freuen. Die Russen warfen noch am Abend Reserven an die bedrohte
Festungsfront, um das wichtige Werk zurückzugewinnen. Am 31. um 3h
früh überschüttete ihre Artillerie Pralkowce samt Umgebung mit einem
orkanartigen Feuer. Im fahlen Lichte des erwachenden Morgens sah man
die Fontänen der einschlagenden Granaten hoch über den Ruinen des
Werkes aufsteigen, wo sich die zu Verteidigern gewordenen Eroberer
unter Schutt und Trümmern der russischen Infanteriestürme zu erwehren
hatten. In dieser kritischen Lage gelang es dem durch die Brigadereserve
vorgerissenen IR. 9, die Zwischenfeldbefestigung zwischen Pralkowce und
dem San zu durchstoßen. Nun aber wurde die Lage der beiden, weiterer
Verstärkung entbehrenden Regimenter gegenüber dem schweren Ge-
schützfeuer der Russen und ihren stürmischen Angriffen von Viertel- zu
Viertelstunde kritischer. Während die Front außerhalb des Werkes all-
mählich abfiel, behauptete sich die Werksbesatzung in heldenmütiger
Aufopferung bis in den hellen Tag hinein; noch um 8h früh stand sie
mit der Außenwelt in telephonischer Verbindung. Dann aber erfüllte sich
ihr Schicksal. Nur einem schütteren Häuflein gelang es, gleichzeitig mit
den letzten, außerhalb des Werkes zurückgehenden Abteilungen die Aus-
gangsstellung zu erreichen. Die Erstürmung von Pralkowce blieb solcher-
art nur eine Episode, welche die an sie geknüpften Hoffnungen nicht er-
füllte. In der Geschichte der beteiligten mittelgalizischen Regimenter und
der vier mitwirkenden technischen Kompagnien (drei Sappeur- und einer
Pionierkompagnie) blieb sie ein Ruhmesblatt, das erst mit der Auflösung
des alten kaiserlichen Heeres verblaßte.
Iwanows Gegenangriff gegen die 11. und die 4. Armee
Mittlerweile rüstete der Russe mit der ihm eigenen fatalistischen
Zähigkeit nochmals zu einem Gegenschlag, der die Lage in Mittelgali-
Iwanows Entschluß zum allgemeinen Gegenangriff
435
zien in zwölfter Stunde retten sollte. Am 25. hatte Januschkie witsch im
Namen des Großfürsten den Gen. Alexejew auf seine Offensivvorschläge
(S. 418) wissen lassen, daß vor allem Galicien gehalten werden müsse. Zu
diesem Zwecke hatte die Nordwestfront außer dem II. kauk. noch ein
Korps — Alexejew wählte das südwestlich von Warschau fechtende XIV.
— an Iwanow abzugeben; dafür wurde die links von der Weichsel fech-
tende 4. Armee unter die Befehle Alexejews gestellt1).
Gleichzeitig setzte die Stawka alles daran, Iwanow noch einmal zu
einer vielleicht Befreiung bringenden Tat anzuspornen. Danilow schlug
dem Generalstabschef Iwanows vor, bei Lubaczów einige der 3. und der
8. Armee entnommene Korps zu sammeln, ihnen die neu zugewiesenen
Verstärkungen anzugliedern und mit dieser Kraftgruppe gegen Radymno
durchzustoßen. Iwanow vermeinte aber offenbar, nicht mehr über die
Zeit zu einem solch groß angelegten Manöver zu verfügen. Zudem schie-
nen die Ereignisse bei Sieniawa (S. 428) für ein kürzeres Verfahren zu
sprechen, das auch sonst dem wenig phantasievollen Befehlshaber des
russischen Südwestheeres besser zusagen mochte. Er faßte daher den
Entschluß, seine ganze Front, wie sie stand und ging, nach dem Ein-
langen der Verstärkungen, d. i. in der Nacht auf den 1. Juni, zu einem
einheitlichen Gegenangriff vorzuführen, der zunächst die Linie Bara-
nów—Rzeszów—Dubiecko—Wyszków—Kimpolung zu gewinnen hatte.
Das Schwergewicht der Kriegshandlung sollte in den Raum zwischen
der Lubaczówka und der Wisznia verlegt werden, wohin entgegen frü-
heren Entschlüßen zur Verstärkung des nunmehr auch das V. kauk.
Korps umfassenden rechten Flügels der 8. Armee jetzt das II. kauk.
und das neue XXIII. Korps (S.418) verlegt wurden. Dagegen führte man
das zunächst freilich nur eine Division zählende XIV. Korps und ein
komb. Kavalleriekorps über Krasnik in den San-Weichselwinkel, damit
an dieser für den Gegner gewiß besonders empfindlichen Stelle der
Druck verstärkt werden konnte.
Den Verbündeten kamen die Absichten der Russen keineswegs über-
raschend. Das AOK. teilte den unterstehenden Armeen am 31. Mai zu
Mittag mit, daß ein starker Angriff des Feindes gegen die „inneren
Flügel der 11. und der 4. Armee" zu erwarten sei. Diese beiden Armeen
hätten auf den Ausbau ihrer Stellungen und das Ausscheiden von Re-
serven bedacht zu sein, die 3. und die 2. Armee unterdessen den An-
griff fortzusetzen.
Am gleichen Abend kam noch von der 11. bayr. ID., in deren1
x) Zajontschkowskij, 302 ff. ; N e s n a m o w, 49 ff.
28*
436
Von Gorlice bis Lemberg
Reihen auch die Schützen der ll.HKD. fochten, günstige Botschaft. Die
Besatzungen der Werke Xa, XIa und XI an der Nordfront, deren artil-
leristischer Rückhalt durch den Angriff des k. u. k. X. Korps teilweise
an die Südwestfront abgezogen worden war, hatten dem Feuer der
deutschen 42cm-Mörser nicht länger standzuhalten vermocht1) und,
sich erst hinter der Gürtelstraße zu neuem Widerstand festgesetzt. Die
Bayern stürmten jubelnd nach. Links von ihnen hatten sich die westlich
vom San verbliebenen Teile der 82. RD. näher an den Gürtel heran-
gearbeitet, wenn auch der Feind gerade hier im Hinblick auf die
Verbindung der Festung mit der Außenwelt besonders hartnäckig
Widerstand leistete.
In der Nacht auf den I.Juni setzte der russische Gegenangriff
wider die ganze Front der 11. und der 4. Armee ein. Gegen Nakló rannten
die Russen vergeblich Sturm. Im Bereiche der zu einem schwachen Re-
giment zusammengeschmolzenen 39. HID. eroberte der Feind die schon
einmal heiß umstrittene Höhe südlich von Kalników; doch gewann sie
die Honvéd schon am Vormittag zurück. Weniger schwer lastete der
russische Gegenstoß auf der Garde, die einige Angriffe nördlich vom.
Szklo ohne besondere Anstrengung abschüttelte. Dafür verbissen sich
die inneren Flügel der Armeen Brussilow undLesch besonders heftig in
das deutsche X. Korps bei Zapalow und an der Lubaczówka, wo der
Kampf die ganze Nacht und einen großen Teil des folgenden Tages
über anhielt. Der zahlenmäßig überlegene Feind hatte aber nirgends
einen ins Gewicht fallenden Erfolg; seine hart mitgenommenen Regi-
menter flüchteten zum Teil in Auflösung zurück.
Gegenüber der k. u. k. 4. Armee gelang es dem russischen XIV. Korps
am 1. Juni um 2hfrüh, in das am Südflügel der 8. ID. bei Stro£a fech-
tende Pilsener SchR. 7 einzubrechen; zugleich mit diesem wurde das links
anschließende TKJR. 3 angegriffen, das sich durch Gegenstoß vorüber-
gehend Luft schuf, dann aber doch an den Waldrand jenseits der Bahn
zurückgedrängt wurde. Der Einbruch bei den böhmischen Schützen führte
außerdem zum Verluste von Ort und Schloß Rudnik. Zwischen den
Schützen und den Kaiserjägern klaffte eine Lücke, die durch die am
Abend auf dem Kampffeld eintreffenden 600 Mann der 3.KBrig. nur
zum Teil geschlossen werden konnte. Der Feind hatte von seinen Über-
gangsstellen aus einen Brückenkopf von 3 bis 5 km Halbmesser ge-
1) Boncz-Brujewitsch, II, 256. — Die Bayern verfügten, wie die deutschen
Truppen fast immer, über eine weit bessere Ausrüstung an Artillerie als die gleich-
artigen Verbände des k. u. k. X. Korps.
Der Rückschlag beim XIV. Korps
437
wonnen1). Das Armeekmdo. wagte nicht, das hinter dem IX. Korps
stehende Honvédregiment beim XIV. Korps schon einzusetzen. Dafür ver-
schob es in der Nacht auf den 2. Juni fünf Bataillone und eine Batterie
des VIII. Korps gegen Je±owe. Außerdem erhielt die Armeegruppe GdK.
Kirchbach, deren rechter Flügel übrigens gleich der Gruppe FML. Stöger-
Steiner ebenfalls Angriffe abzuwehren hatte, den Befehl, ehestens eine
Brigade aus der Front zu ziehen und bei Osiek zum Abmarsch gegen die
Armeemitte zu sammeln. Die Verschiebung hatte auf leeren Verpflegs-
wagen zu geschehen.
Der Mißerfolg vom Vortage ließ am 2. die Anstürme der Russen
gegen die 11. Armee schon stark erlahmen. Nur das deutsche X.Korps
hatte noch schwer zu kämpfen — mit dem gleichen Ergebnis wie
am 1. Juni.
Kritischer gestalteten sich die Dinge wieder bei der 4. Armee. Hier
versuchten die Russen, von rücksichtslosen Führern angetrieben, schon
in der Nacht zunächst nun auch oberhalb von Rudnik das linke San-
ufer zu gewinnen. Einer der beiden Übergangsversuche stieß auf- und
abwärts von Le£ajsk auf die 106. LstlD., die zwar, durch das hinter
der Front stehende Honvédregiment verstärkt, den Stoß des Feindes ab-
zuriegeln vermochte, mit dem weiteren Abdrängen der Russen aber doch
noch einige Tage zu tun hatte. Rascher wurden die Regimenter 59 und
14 der Division Horsetzky mit den gegenüber von Krzeszów den San
überschreitenden russischen Abteilungen fertig. Nur ein kleines Russen-
nest am linken Flügel der Division blieb noch diesseits vom Flusse zurück.
Arg spielte an diesem Tage das Schicksal wieder der wackeren
Division Fabini mit. Nachdem in der Nacht und am Morgen mehrere
russische Angriffe abgeschlagen worden waren, richtete sich knapp vor
Mittag ein neuer, erdrückender Stoß des Feindes gegen das schon am
Vortage schwer hergenommene TKJR. 3 und gegen den ,,Koffer" ge-
nannten Stellungsvorsprung nordöstlich von Stróza. Ein vernichtendes
Granatfeuer wühlte die Linien auf; die Gewehrläufe wurden durch den
wirbelnden Sand verstopft. „Was nicht erschlagen und verschüttet war,"
sagt ein Bericht, „wurde von den kurz darauf anstürmenden Russen
einfach überrannt und niedergemacht; selbst Verwundete wurden nicht
geschont. Es dürften nur wenig unverwundete Gefangene in die Hände
des Feindes gefallen sein." Der Einbruch beim TKJR. 3 nötigte auch
i) Als die höheren Befehlsstellen den Rückschlag beim tschechischen SchR. 7 auf
dessen politische Unverläßlichkeit zurückführen wollten, wies der Brigadier einen
.solchen Verdacht entschieden zurück.
438
Von Gorlice bis Lemberg
das links anschließende TKJR. 2, in eine scharf nach Osten gewandte
Front zurückzuschwenken. Zwei vom VIII. Korps herangeführte Honvéd-
bataillone wurden bei Nowosielki in die Schlacht geworfen. Obgleich
die Russen verhältnismäßig behutsam nachrückten, gewann der herbei-
geeilte Korpsführer, FML. Roth, doch den Eindruck, daß die Lage bei
der 8. ID. unhaltbar geworden war. Von einer Ermächtigung des Armee-
führers Gebrauch machend, entschloß er sich, sein Korps in die schon
vorbereitete, taktisch ungleich günstigere Stellung zurückzuführen, die
sich aus dem Räume südlich von Tarnagóra über Je£owe gegen die
Höhen östlich von Stany hinzog. Der Rückmarsch wurde in der Nacht
auf den 3. Juni durchgeführt, ohne daß die Hauptkraft des Korps
durch die Russen wesentlich gestört worden wäre. Selbstverständlich
mußte die 47. RD. im Zusammenhang mit dem Zurückgehen desXIV.Korps
ihren rechten Flügel von Przyzów Kameralny aus zurückbiegen.
Oberhalb von Tarnobrzeg drückte das XV. Russenkorps neuerlich
auf die Gruppe FML. Stöger-Steiner, ohne durchzudringen. Gleiches
galt für die russischen Angriffe auf den rechten Flügel der Armee-
gruppe Kirchbach.
Mit großer Ungeduld hielt das 4. Armeekmdo. nach der 40. HIBrig*.
Ausschau, deren erste Bataillone am 2. abends in Osiek auf die Wagen
gesetzt wurden; die Masse sollte am anderen Morgen folgen. Den FML.
Králicek verständigte das Armeekmdo., daß er das bei der 106. LstID„
eingesetzte Honvédregiment nach getaner Arbeit sofort wieder heraus-
ziehen müsse. Der Führer des IX. Korps mußte dem Erzherzog melden,
daß die Truppen einem stärkeren Ansturm des Feindes kaum standzu-
halten vermöchten. In schwerer Sorge wandte sich Erzherzog Joseph
Ferdinand an den GO. Mackensen mit der Bitte, der 4. Armee die in der
Gegend von Przeworsk eingelangte ll.HKD. zur Stützung des rechten
Armeeflügels zu überlassen. Mackensen stimmte zu, verfehlte aber
nicht, dem Erzherzog sein Befremden über das jähe Zurückweichen des
XIV. Korps bekanntzugeben; der Feind stehe infolgedessen von der großen
Aufmarschbahn Krakau—Jaroslau nur mehr 20 bis 30 km entfernt. Der
Armeekommandant nahm seine alpenländischen Truppen nachdrücklich
in Schutz und tat zugleich den festen Willen aller Führer und Truppen
kund, trotz der großen Frontausdehnung und der „minimalen Feuer-
gewehrzahl" die Lage zu behaupten.
Im übrigen konnte die schwerste Krise bei der 4. Armee zu dieser
Stunde schon als überwunden gelten. Denn in der zehnten Vormittagsstunde
kam die Freudenbotschaft von der Wiedergewinnung; von Przemysl.
Der entscheidende Angriff auf Przemysl
439
und zu gleicher Zeit die Mitteilung, daß in drei Tagen das durch den
Fall von Przemysl frei gewordene k. u. k. X. Korps hinter dem Südflügel
der 4. Armee eintreffen werde. Zudem verlief der 3. Juni an der Front
ruhiger, so daß auch die Truppen etwas Atem holen konnten.
Der Fall der Sanfestung
(3. und 4. Juni)
Unterdessen hatte auch die südöstlich von Przemysl angesetzte Front
der Verbündeten ihr Bemühen fortgesetzt, endlich der großen Rückzugs-
straße der Russen näher zu kommen. Am 30. war es der 27. ID. ge-
glückt, die erste Hindernisreihe der Gajhöhe zu durchschreiten; freilich
standen diese oberungarischen Regimenter jetzt auf sechzig Meter vor
einem zweiten Drahthindernis. Die 13. SchD. sammelte sich, nachdem
sie der 9. ID. Hilfe geleistet hatte (S.420), hinter der Gruppe Schmidt-
Georgenegg. Die Heeresleitung gab neuerlich ihre Ungeduld wegen des
langsamen Fortschreitens des Angriffes zu erkennen. Aber die Gene-
rale Böhm-Ermolli, Schmidt-Georgenegg und Marwitz kamen am 31. in
einer Besprechung doch dahin überein, den Sturm erst auf den 2. Juni
anzusetzen, damit die Truppen Zeit gewännen, sich noch näher an die
Stellungen des Feindes heranzuarbeiten.
Vor Przemysl war die ll.bayr. ID. neuerlich auf starken russischen
Widerstand gestoßen. In der Sorge, die Bayern könnten sich vor den
Festungsmauern verbluten, schlug das Oberkommando Mackensen dem
k. u. k. 3. Armeekmdo. vor, das k. u. k. X. Korps vom Südufer des San in
die an der Nordfront geschlagene Bresche nachzuziehen. FZM. Puhallo
lehnte jedoch ab, da der unverdiente Rückschlag von Pralkowce den
FML. Martiny nicht daran gehindert hatte, für den 3. Juni eine Wieder-
holung des Sturmes vorzubereiten.
Inzwischen überwältigten aber die Bayern am 2. zu Mittag die Be-
satzung des Werkes X, und am Abend fielen auch die Werke Xb und
XII sowie das Dorf 2urawice in ihre Hände. Da sich zur Linken die
82. RD. schon in der vergangenen Nacht des Werkes XIII bemächtigt
und zur Rechten die k. u. k. 4. KD., deren Artillerie übrigens am Kampfe
der Bayern brav mitgewirkt hatte, die Werke Vili, IX und IXa in Besitz
genommen hatten, waren fast alle Stützpunkte des Nordflügels bezwungen.
Am selben Tage hatte sich Brussilow den ihm schwer genug ge-
machten Entschluß abgerungen, die Festung in der Nacht auf den 3. zu
räumen und östlich von ihr in der Linie Starzawa—Buców—Medyka—
Siedliska Stellung zu nehmen.
440
Von Gorlice bis Lemberg
Der denkwürdige 3. Juni dämmerte auf, als zwischen 3h und 4hfrüh
ein dem GM. Kneußl in den letzten Tagen als Verstärkung zugeführtes
Bataillon eines preußischen Garderegiments in die Stadt einrückte. An
ihrem Nordrande trafen alsbald die Bayern mit der k. u. k. 4. KD. zu-
sammen. Da alle Sanbrücken zerstört waren, konnte der Fluß erst um
llh vormittags auf einer von einem städtischen Ingenieur aus russischem
Brückengerät erbauten Notbrücke überschritten werden. Als erster General
betrat der Führer der österreichischen Reiterei, GM. Berndt, den Boden
der Stadt. Die dreiundsiebzigtägige Russenherrschaft war zu Ende.
Eine Abteilung der 4. KD. nahm die Verfolgung auf und stieß süd-
westlich von Medyka auf feindliche Nachhuten, gegen die die beige-
gebenen Geschütze das Feuer eröffneten. Schon war auch das k. u. k.
X. Korps von Südwesten her in die Festung eingedrungen. Die 45. SchD.
hatte sich auf Grund der bald nach Mitternacht eingelaufenen Nachrich-
ten über den Abzug der Russen schon um 2hfrüh in Bewegung gesetzt
und um 9h den Tatarenhügel erreicht; die etwas später aufbrechende
24. ID. war durch die Stadt nach Kromniki marschiert, wo sie vom
Ostufer des Wiar her noch Feuer erhielt. Als FML. Martiny um llh vorm.
ankam, verließ gerade die Fronleichnamsprozession die Kirche.
Von Süden her war die Wiener 1. LstlBrig. der Gruppe FML. Anton
Bellmond als erste Truppe bei Hermanowice in den Festungsgürtel ein-
gedrungen. Am Nachmittag erschien auch GO. Mackensen in der bezwun-
genen Sanfeste. Er legte in einer Depesche dem Kaiser und König Franz
Joseph den wiedergewonnenen Platz zu Füßen. Bei aller Genugtuung über
den großen Erfolg verschmerzte man es in Teschen nicht so leicht, daß es
deutsche, nicht öst.-ung. Truppen gewesen waren, die sich zuerst den
Weg in die Festung erkämpft hatten. Als Demonstration, der die Kräfte
des Feindes und sein Geschütz von der Nordfront abzog, hatte der An-
griff des k. u. k. X. Korps sicherlich einen nützlichen Zweck erfüllt.
Das XXXXI. RKorps hatte unter Kampf die Linie 2urawica—Poz-
dziacz gewonnen und den Russen in erbittertem Ringen die Höhe östlich
von Naklo entrissen.
Südöstlich von Przemysl waren schon am 2. das Korps Schmidt-
Georgenegg (32., 31. und 27. ID. sowie 43. SchD. im ersten, 51. HID. und
13. SchD. im zweiten Treffen) und das nun gleichfalls dem GdK. Böhm-
Ermolli unterstellte Beskidenkorps (deutsche 4. ID. und 25. RD., k. u. k.
2. ID., dahinter deutsche RD.) wieder vorgestürmt. Wohl bohrten sich
die 27. ID. und Teile der 59. IBrig., die an diesem Tage 24 Offiziere und
über 1000 Mann einbüßte, tiefer in das Drahtgewirre der Gajhöhe ein;
Der 3. Juni östlich von Przemysl und am San
441
aber immer wieder lief der Angriff auf russische Verteidigungsriegel
auf, und immer wieder verstand es der Feind, jede Bresche zu schließen.
Abermals lastete, wie der Armeeführer der Heeresleitung in bewegten
Worten schilderte, der Mangel an schwerer Artillerie — die Gruppe
Schmidt-Georgenegg verfügte nur über zweieinhalb Haubitzbatterien und
zwei 30.5 cm-Mörser — und an Schießbedarf hart auf den Schultern der
Infanterie, von der man wieder Übermenschliches verlangen mußte.
Am 3. Juni drangen die 27. ID. und die 86. SchBrig. im Gajwäldchen
neuerlich um einen Schritt vor; aber die heldenmütigen Anstrengungen,die
am Nachmittag die Kameraden von der gleichfalls aus Ostgalizien und
der Bukowina stammenden 59. IBrig. und von der 201. HIBrig. zur end-
gültigen Bezwingung der russischen Schlüsselstellung machten, erwiesen
sich wieder als vergeblich. Ebenso mußte das Beskidenkorps kleine Fort-
schritte mit schweren Verlusten erkaufen, und bei dem rechts von
Schmidt-Georgenegg kämpfenden XIX. Korps, das nun wieder auf be-
stimmten Befehl der Heeresleitung unmittelbar dem Armeekmdo. unter-
stand, erlitt namentlich die 34. ID. das gleiche Geschick.
Das XVII. Korps der 3. Armee, dem die Gruppe FML. Anton Bell-
mond — 11. ID. und l.LstlBrig. — wieder überwiesen wurde, erhielt
den Auftrag, in nordöstlicher Richtung in den Rücken der dem Beskiden-
korps gegenüberstehenden Russen vorzustoßen. Da diese aber ihre Stel-
lungen noch tatkräftig behaupteten, um der zurückweichenden Besatzung
von Przemysl den Weg offen zu halten, konnte zu Anfang nur die
11. ID. den Vormarsch antreten und über den Wiar gegen Jaksmanice
und Siedliska vorrücken, wo sie wieder auf den Feind stieß. Rechts von
ihr erreichten die 26. SchD., zum Angriff aufmarschiert, bis zum Abend
Popowice, die 2. ID. die Höhe nordöstlich von Husaków. Das k. u. k.
X. Korps wurde südöstlich von Przemysl angehalten, da es der 4. Armee
als Verstärkung zugedacht war (S.439).
Im Bereiche dieser Armee hatte die 106. LstED. am 3. Juni bei Le-
iajsk darauf verzichten müssen, das Westufer des Sanflusses völlig von
den Russen zu säubern; ihr Angriff war zum Stehen gekommen. Gegen
das XIV. Korps setzte der Feind seine Vorstöße noch bis über die Nacht
auf den 5. hinaus fort. Zumal die 3. ID. hatte noch manchen Strauß zu
bestehen. Doch fand der Russe in den IR. 14 und 59 wie immer einen
überlegenen Gegner. In der letztgenannten Nacht versuchte sich der
Feind auch noch in Angriffen gegen die 21. SchD. und gegen die Gruppe
GdK. Kirchbach. Auch hier war es vergebliches Beginnen. Dennoch hatte
sich das 4. Armeekmdo. am 4. im Hinblick auf die gespannte Lage und
442
Von Gorlice bis Lemberg
das erst für den 7. zu gewärtigende Eintreffen des k. u. k. X. Korps an das
Oberkmdo. Mackensen mit der Bitte gewendet, die in tancut einlangende
deutsche 22. ID. möge vorsichtshalber zunächst hinter das IX. Korps ge-
schoben werden. Mackensen stimmte diesem Antrage zu.
Schon rollte — ähnlich wie in den Tagen vor Gorlice — wieder
Eisenbahnzug um Eisenbahnzug voll von deutschen Helmen durch West-
galizien heran. Die Heeresleitungen der Verbündeten waren im Begriffe,,
ihre mittelgalizischen Armeen zu neuen Taten aufzurufen.
Die Einnahme von Stryj
Während des Heranreifens der Entscheidung bei Przemysl hatte am
rechten Heeresflügel auch die deutsche Südarmee nach längerer Pause
einen bedeutsamen Schritt nach vorwärts getan. Als bis zum 19. Mai
nach viertägigen Versuchen noch immer keine bedeutsamen Erfolge erzielt
worden waren, hatte der Armeeführer eingegriffen, um an Stelle der
bisher von den einzelnen Korps an den verschiedensten Punkten geführ-
ten Teilangriffe möglichst starke Kräfte in einem Abschnitte zu einem
entscheidenden Schlage zu vereinigen1). Er zog hiezu auch die 38. HID.
der Gruppe Szurmay und eine Brigade der im Korps Gerok eingeteilten
48.RD.in den Kampfraum des Korps Bothmer, das nunmehr mit diesen
Kräften sowie mit der 1. ID. und einem Regiment der 3. GID. den Haupt-
schlag in der Richtung Stryj zu führen hatte. Dieser Umgruppierung fiel
auch der Bodengewinn zum Opfer, den am 22. die k. u. k. 19. ID. am
äußersten rechten Armeeflügel im Hügelgelände zwischen Perehinsko
und Spas erzielt hatte und der auf Befehl des Gdl. Linsingen wieder
aufgegeben werden mußte, um Kräfte für den Kampfraum der 48. RD.
freizubekommen.
Am 26. Mai brach der Angriff Linsingens neuerlich los. Das Er-
gebnis sollte jedoch wenig befriedigend sein. Die 40. HID. Szurmays kam
bei Gaje-W±. etwas vorwärts. Westlich von Stryj gewann die 38. HID.
wenig, die deutsche Stoßgruppe fast gar nichts an Boden. Nirgends konnte
gestürmt werden. Die Erfolge am 27. blieben noch mehr hinter den Hoff-
nungen der Führung zurück. Selbst die ausgiebige Artillerievorbereitung
hatte, wie es sich bei der Durchführung des Infanterieangriffes heraus-
stellte, den teilweise im Waldgelände liegenden und in großer Zahl und
Tiefe eingebauten Hindernis- und Flankierungsanlagen des Feindes nicht
viel anhaben können.
1) Nach einer Zusammenstellung des deutschen Reichsarchivs (Handschrift).
Die Südarmee im Rahmen der großen Kriegshandlung 443
Nicht besser erging es dem Korps Hof mann in denWäldern östlich von
Bolechów. Gegen die starken Stellungen südwestlich von Dolina stürmte
der linke Flügel des geschwächten Korps Gerok an. Hier gelang am 26.,
allerdings unter sehr großen Opfern, ein Einbruch in die russischen
Schanzen. Als aber des anderen Morgens ein neuer, besonders heftiger
Gegenangriff einsetzte, gingen alle errungenen Vorteile wieder verloren.
Das neuerliche Festrennen der Südarmee vor den russischen Stel-
lungen lastete schwer auf Linsingen. Noch am 23. hatte ihn Falkenhayn
nachdrücklich auf die Bedeutung hingewiesen, die gerade im gegebenen
Augenblicke einem Vordringen seiner Armee zukommen mußte. Die
Ereignisse bei Przemysl nahmen einen schleppenden Verlauf. Im Westen
durch die Festung gedeckt, hatten die Russen in Ostgalizien noch immer
eine Manövrierbasis, die umsomehr von Wert war, als der Eintritt
Italiens in den Krieg auch Rumänien stündlich zu einem Rückenangriff
gegen die Mittelmächte veranlassen konnte. Den Ruhm, dieses strategische
Netz zu zerreißen, konnte vor allem die Südarmee erringen. Dies war
auch ihrem Führer klar, der in erster Linie daran dachte, nach Er-
reichen des Dniester zur Befreiung der noch immer unter einem starken
und gefährlichen Druck stehenden Armee Pflanzer abzuschwenken und
mit diesen Absichten auch bei der Heeresleitung in Teschen vollen Bei-
fall fand» Das Kräfteverhältnis gegenüber dem Feinde lag nur in artil-
leristischer Beziehung einigermaßen günstig. Der Feind war schwächer
an Geschütz und verfügte kaum über den dringendst nötigen Schieß-
bedarf, dagegen stellte er den 70.000 Gewehren Linsingens deren 100.000
entgegen. Dennoch war der Führer der Südarmee entschlossen, nach einer
kurzen Atempause am 31. neuerlich den Stoß gegen Stryj aufzunehmen.
Unterdessen sah freilich auch der Russe solchem Beginnen des
Gegners nicht untätig zu. Ohne daß die russische Literatur einen ge-
naueren Einblick in die Führertätigkeit in diesem Abschnitte des Kriegs-
theaters zuläßt, ist doch festzustellen, daß sich Letschitzki durch das
Vorgehen Linsingens in seiner Flanke bedroht fühlte. Wenn er trotzdem
seinem Nachbar Schtscherbatschew nur eine finnische Brigade zusandte,
so hing dies wohl mit seinen eigenen Angriffsabsichten zusammen, die
eine größere Schwächung seiner Front nicht zuließen. Bei Linsingen ent-
stand allerdings das Bild stärkerer Truppenverschiebungen von der 9.
zur 11. Russenarmee, weshalb er an das AOK. immer wieder mit Vor-
schlägen herantrat, durch Unterstellung der ganzen 7. Armee oder wenig-
stens ihres linken Flügels stärkeren Einfluß auf die Kriegshandlungen
Pflanzers zu gewinnen.
444
Von Gorlice bis Lemberg
Die finnischen Schützen wurden gegenüber dem Korps Hofmann ins
Gefecht geworfen, wo Gen. Schtscherbatschew zur Entlastung des am
Dniester schwer bedrängten XXII. Korps sein XVIII. zum Gegenstoß
vortriebx). Kurz bevor Hofmanns Nordflügel, die verstärkte Brigade
Bolzano, am 28. morgens zum Angriff antrat, stürmten drei russische
Regimenter gegen die Mitte des Korps, die 131. IBrig., vor und zwangen
sie an die Swica zurück. Hier konnten sich die Reste dieser Brigade und
die vom Angriffsflügel zurückgeholte Korpsreserve in zweitägigem,
scharfem Kampfe behaupten; doch am Morgen des 30. stießen die Russen
trotz aller Gegenwehr über den Fluß und konnten erst abends an der
Bahn knapp vor Bolechów endgültig zum Stehen gebracht werden. Das
Korps Hofmann verlor in diesen Kämpfen über 4000 Mann, es zählte
bei einer Ausdehnung von 12 km kaum mehr 6000 Feuergewehre. Unter
den gefallenen Offizieren befanden sich die besten Bataillonsführer, ein
für die zum erheblichen Teil aus Neuaufstellungen bestehende Truppe
besonders empfindlicher Verlust.
Gdl. Linsingen beklagte sich in Teschen über das Nachgeben Hof-
manns in harten Worten und erbat noch einmal dringendst das Ein-
greifen der 7. Armee. Die Heeresleitung erließ am 30. abends den
entsprechenden Befehl. Inzwischen hatte aber Pflanzer-Baltin die beiden
Gruppen seines linken Flügels ohnehin schon angewiesen, durch einen
Angriff das Abfließen weiterer russischer Kräfte gegen die Südarmee zu
vereiteln. Hatte er doch auch sonst auf den Augenblick, die Offensive
zu eröffnen, mit Ungeduld gewartet, weil die Verteidigung der Pruth-
linie bei einem ernsten russischen Angriff den Keim des Mißlingens in
sich trug, denn eine rasche Verschiebung von Reserven war infolge der
geographischen Verhältnisse ausgeschlossen.
Der Entlastungsangriff der Westgruppe Pflanzers, die nun an Stelle
des FZM. Ljubicic der FML. Fürst Schönburg befehligte, gewann am
31. vormittags südwestlich von Solotwina und gegen Majdan Raum,
wurde aber durch einen russischen Gegenstoß pariert, der die bunt zu-
sammengewürfelten Bataillone Schönburgs wieder in ihre Ausgangsstel-
lung zurückzwang. Bei der einstweilen vom GM. Kratky geführten 6. ID.
kam es gleich beim Beginn der Vorbewegung zu einem kleinen Rück-
schlag, der aber ungesäumt wettgemacht wurde.
Mittlerweile war es Linsingen am 31. Mai endlich gegönnt gewesen,
die Anstrengungen seiner Armee durch den ersehnten Erfolg bei Stryj
gekrönt zu sehen. Nach kurzer Artillerievorbereitung, bei der auch einige
1) Nesnamow, 51 f.
Bothmers Eindringen in Stryj
445
öst.-ung. 30.5 cm-Mörser mitwirkten, drang die durch Teile der l.ID.
verstärkte 3. GID. des Korps Bothmer, links von der 38. HID. begleitet,
in die Stadt ein, wobei über 9000 Russen samt acht Geschützen in den
Händen der Sieger blieben. Auch die 40. HID. der Gruppe Szurmay bohrte
sich in die Stellungen des Feindes. Während die Hauptkraft Bothmers
den Feind beiderseits der nach Mikoíajów führenden Bahn zurück-
drückte, stieß die 38. HID. am l.Juni bis über Königsau durch. Links
von ihr warf die 40. HID. die Russen bei Gaje-Wz. und Slonsko und
stürmte bis Letnia vor. Dagegen hielt der wider die 7. ID. fechtende
Russe tagsüber noch immer stand, obgleich die 1. KD., GM. Leonhard^
und die Gruppe Obst. Rehwald weiter nördlich, beiHruszów undWoloszcza,
eingriffen (S.419).
Dem Armeeführer, Gdl. Linsingen, kam das zähe Ausharren des
XXII. Russenkorps gegenüber der 7. ID. nicht ungelegen; war es doch
verlockend, diesen Kräften des Feindes den Rückweg über den Dniester
abzuschneiden. Da das Wielkie Bloto von größeren Truppenmassen nicht
überschritten werden konnte, brauchten dazu nur die 38. und die 40. HID.
bis zu den Übergängen südlich von Mikoíajów vorzustoßen, indes die
7. ID. und die Gruppe Obst. Rehwald, deren Unterstellung unter die Süd-
armee wie die der 1. KD. bei der Heeresleitung erreicht worden war,
den Feind nicht entwischen lassen durften. Hatte die 38. HID. ihre Auf-
gabe südlich von Mikoíajów erfüllt, was Linsingen in seinem Befehl vom
l.Juni abends voll Zuversicht schon für den nächsten Morgen annahm,
dann sollte sie gegen Südosten auf das Schlachtfeld der Hauptkräfte Both-
mers abschwenken. Ihr hatten, sobald an der Dniesterstrecke Mikoíajów—
Kolodruby reiner Tisch gemacht war, weitere Teile der Gruppe Szurmay
zu folgen, um gemeinsam mit der Masse der Südarmee in die Flanke
und den Rücken der Armee Letschitzki zu stoßen.
Die Hoffnungen, die Linsingen auf die Entwicklung an seinem
linken Armeeflügel setzte, waren jedoch nach der ganzen Lage viel zu
hoch gespannt. Der sichere Besitz von Mikoíajów hatte für das Schicksal
der noch nach Westen gekehrten Massen des russischen Südwestheeres
eine viel zu große Bedeutung, als daß sich Schtscherbatschew leichten
Herzens zu entschließen vermocht hätte, den ihm in dieser Gegend noch
verbliebenen rechtsufrigen Manövrierraum preiszugeben. Er gedachte
im Gegenteil, das ihm von Warschau zurollende VI. Korps hier zum
Gegenschlag anzusetzen und so nicht nur den Rücken der 8. Armee am
zuverlässigsten zu decken, sondern auch der Hauptkraft Linsingens die
Freiheit des Handelns zu nehmen. Seinen Absichten sollte, wenn sie auch
446
Von Gorlice bis Lemberg
das Schicksal der Russen in Galicien nicht dauernd zu wenden ver-
mochten, doch vorübergehend Erfolg beschieden sein.
In der Nacht auf den 2. Juni räumten auch die gegenüber der 7. ID.
verbliebenen Russen das Feld. Die Division brach sofort aus ihren Gräben
hervor und verfolgte über Litynia hinaus. Am folgenden Morgen trieb
die 40. HID. den Feind auf Horucko zurück, indes die Gruppen GM.
Leonhardi und Obst. Rehwald erst um die Mittagsstunde in Tätigkeit
traten, dann aber bis zum Abend die Russen bis in den Mündungswinket
westlich von Kolodruby zurückdrücken konnten. Die 38. HID. war in
der Frühe im Einklang mit der 40. gegen Rudniki vorgegangen, dann
aber in der Meinung, hiedurch den Absichten des Armeeführers am
besten gerecht zu werden, in den Kampfraum nördlich von Stryj ab-
geschwenkt, wo die 3.GID. die gegen 2ydaczow weichenden Teile des
XVIII. Russenkorps bis Lisiatycze verfolgte.
Am 3. Juni setzte die Garde ihren Stoß nach Tejsaròw fort, um
nachher gegen Südosten abzuschwenken und bei Ruda den Stryjfluß zu
überschreiten. Rechts von ihr rückte die 38. HID. in die neue Front ein.
Im Bereiche Szurmays nahm die 40. HID. am 3. Juni zwar noch Ho-
rucko ein. Aber ein Befehl Linsingens rief sowohl sie wie die 1. KD. in
den Raum von Derzów, von wo aus die beiden Heereskörper dem Korps
Bothmer folgen sollten. Die zurückbleibenden Teile der Gruppe Szurmay—
7. ID., 128.HIBrig. und Gruppe Obst. Rehwald, von denen die letztgenannte
einen Rückschlag erlitt — hatten weiterhin die Dniestersicherung zu be-
sorgen und bezogen nahe Rudniki und Medenice sowie bei Litynia eine
Stellung gegen die noch am Südufer des Dniester verbliebenen Russen.
Der Druck der Russen auf das Korps Hofmann hatte inzwischen
wesentlich nachgelassen. Dafür holte Letschitzki, auch im Sinne des
am 28. Mai durch Iwanow erteilten allgemeinen Angriffsbefehles, am
2. Juni früh zu einem neuen Schlage gegen Pflanzer-Baltin aus. Beim
Morgengrauen warfen sich sein XXX. Korps auf die Stellungen des
FML. Czibulka, und sein XXXIII. auf den Abschnitt Kolomea. Die Russen
überschritten unterhalb des Brückenkopfes von Kolomea und bei Lanczyn
den Pruth, ohne sich jedoch an diesem Tage auf dem Südufer des Flusses
behaupten zu können. Tags darauf aber wurde die 36.ID., FML. Schreitter,.
südlich von Sadzawka durchbrochen. Mit Bewilligung des Armeeführers
warf FML. Czibulka das schon zur Abfahrt an die italienische Front
bereitgestellte GbSchR. 11) (S. 399) in die Schlacht, dem es in Gemein-
x) Der Führer dieses Regiments, der am 5. Juli 1916 gefallene Major Joseph
Troyer, erhielt für diese Kämpfe das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens.
Die allgemeine Lage nach der Einnahme von Przemysl
447
schaft mit Abteilungen des SchR. 5 gelang, die Höhe A 474 südlich von
Sadzawka zurückzuerobern. Diese Kämpfe sollten aber für die 7. Armee
nur den Auftakt weiterer schwerer Tage bilden.
Der Vorstoß nach Ostgalizien
(5. bis 22. Juni)
Hiezu Beilagen 22 und 24
Entschluß der Verbündeten zur Offensive gegen
Lemberg
In den Beratungen, die unmittelbar vor dem Eintritt Italiens in
den Krieg zu Teschen und Pleß stattgefunden hatten, waren Conrad
und Falkenhayn übereingekommen, den Feldzug gegen Rußland jeden-
falls bis an den San und an den Dniester fortzuführen (S. 405) ; erst nach
Gewinnung dieser Flußlinien sollte die Abgabe stärkerer Streitkräfte an
den italienischen Kriegsschauplatz in Frage kommen. Als am 3. Juni
Przemysl gefallen war, hatte die Armee Mackensen den San schon im
Rücken, wogegen der linke Flügel der k. u. k. 4. Armee noch weiter
nördlich abgeblieben und die Mitte eben in den letzten Tagen gegen
Westen und Südwesten zurückgedrückt worden war. Im Dniestergebiet
war die Südarmee mit ihrem linken Flügel und ihrer Mitte wohl an den
Fluß herangekommen. Aber der rechte Flügel Linsingens hing noch
beträchtlich zurück und die k. u. k. 7. Armee stand am Pruth mit ihren
85.000 Feuergewehren eben wieder unter dem erheblich stärkeren Druck
der 130.000 Gewehre, über die Letschitzki verfügte. Nördlich der oberen
Weichsel hielten die Russen im weiteren Vorgelände von Iwangorod und
Warschau in einer für die mittelgalizischen Armeen noch immer nicht
ganz unbedenklichen Flankenstellung.
Die beiden Generalstabschefs hatten sich selbstverständlich schon mit
den aus dieser Lage erwachsenden Möglichkeiten befaßt, ehe sie durch
den Fall von Przemysl völlig ausgereift war. Falkenhayn hat die Ge-
dankengänge, die ihn in diesen Tagen erfüllten, nach dem Kriege auf-
gezeichnet1). Für den Entschluß, im Osten den Angriff einzustellen und
sich einem anderen Feinde zuzuwenden, schienen ihm die Vorbedingun-
gen bei seiner geringen Meinung über die Widerstandsfähigkeit der
Donaumonarchie und ihres Heeres noch keineswegs gegeben zu sein.
!) Falkenhayn, 84 ff. ; Foerster, Graf Schlieff en und der Weltkrieg
(2. Aufl., Berlin 1925), 155f.; Kühl, I, 221ff.
448
Von Gorlice bis Lemberg
„Die sichere Folge wäre gewesen, daß entweder fast die gesamten, jetzt
dort befindlichen deutschen Kräfte an Ort und Stelle belassen, oder daß
schwere Rückschläge in Kauf genommen werden mußten. Im ersten
Falle wäre eine Lähmung der deutschen Kriegführung eingetreten, im
zweiten stand mit großer Wahrscheinlichkeit ein Zusammenbruch Öster-
reich-Ungarns in nicht ferner Zeit zu erwarten." Diese Erwägungen
führten den Chef des deutschen Generalstabes zu dem Schlüsse, daß es
kaum eine andere Lösung gäbe als die, dem Feinde im Angriffe an der
Klinge zu bleiben. In dieser Auffassung wurde er durch die Meldungen
des Oberkmdos. Mackensen über die Verfassung des russischen Heeres
bestärkt. Die Widerstandskraft der Russen sinke ganz offenkundig, überall
herrsche Munitionsmangel, entschiedenes Handeln gegen diese ausgelaug-
ten Truppen verbürge Erfolg!
Allerdings sagte sich Falkenhayn, daß eine solcherart fortgeführte
Offensive, wie sie auch GO. Mackensen und sein Stabschef, Obst. Seeckt,
befürworteten, nur durch die Zuleitung frischer Truppen den nötigen
Schwung bekommen könne. Diese Erkenntnis in die Tat umzusetzen, war
nicht leicht. Die Frühjahrsschlacht bei La Bassée und Arras hatte wohl
ihren Höhepunkt überschritten, der Feind war abgewehrt, aber das Feuer
glomm noch bis tief in den Juni hinein weiter. Im Bereiche Hindenburgs
war die deutsche Front an vielen Stellen ohnehin schon fadendünn ge-
spannt. Trotzdem vermochte die DOHL. aus der Westfront zweieinhalb
Divisionen sowie an Osttruppen und Neuaufstellungen noch zwei Divi-
sionen freizumachen; auch war zu erhoffen, daß in absehbarer Zeit noch
zwei der drei im Südosten aufmarschierten, neu gebildeten Divisionen
(S. 412) nach dem Norden gezogen werden könnten.
Der Gedanke, nunmehr an Stelle der galizischen Front die Armeen
Hindenburgs durch Zuführung der Verstärkungen zu einem Angriff zu
beflügeln, mußte von Anbeginn aufgegeben werden, da Hindenburg er-
klärte, daß in der Lage des deutschen Ostheeres, selbst durch den Einsatz
zweier neuer Korps kein anderer als ein rein taktischer Erfolg zu er-
zielen sein würde. Vorübergehend beschäftigte sich Falkenhayn, wie sich
bei einer Besprechung mit Conrad erwies, auch mit dem Plane, die zur
Verfügung stehende „Nachstoßstaffel" von viereinhalb Divisionen bei
der Armeegruppe GdK. Kirchbach einzusetzen und damit die Russen-
front im Weichsellande zu Fall zu bringen; dem widerriet jedoch Conrad.
Dieser hatte wohl seine Lieblingsidee keineswegs aufgegeben, über
den abgefallenen Bundesgenossen im Südwesten möglichst bald mit dem
Schwert der Vergeltung herzufallen. Dennoch beharrte er in voller Er-
Die Beschlüsse vom 3. Juni
449
kenntnis der Gesamtkriegslage nicht auf dem in Aussicht genommenen
Halt an der San-Dniesterlinie, sondern stimmte aus tiefster Überzeugung
der Fortführung des Angriffes gegen die Russen bei. Zugleich bestand
für den öst.-ung. Generalstabschef auch über die Richtung des weiteren
Stoßes kein Zweifel: dieser Stoß konnte seiner Ansicht nach nur von
Przemysl gegen Lemberg geführt werden. Die Ideen, die Conrads Den-
ken im Oktober 1914 erfüllt hatten, sollten nunmehr so in veränderter
Gestalt verwirklicht werden.
Da diese Auffassung auch den Vorschlägen des Oberkmdos. Macken-
sen entsprach, erließ Falkenhayn an dieses bereits am 2. Juni die allge-
meine Anweisung, die Offensive östlich vom San „bis zur für unsere
Zwecke ausreichenden Entscheidung"1) durchzuführen, und am 3. wur-
den zu Pleß zwischen den beiden Generalstabschefs die Befehle an alle
galizischen Armeen vereinbart. Tags darauf gab die Heeresleitung in
Teschen die grundlegenden Anordnungen für die Fortführung der Offen-
sive aus, denen noch verschiedene Einzelverfügungen folgten.
GO. Mackensen hatte mit der 11. Armee und den ihr als „Nachstoß-
staffel" zurollenden deutschen Truppen — dem XXII. RKorps, ferner
der 22. ID., der 107. ID. und der 8. bayr. RD., die vom 4. Juni an bei
Rzeszów ausgeladen wurden — den Angriff südlich der Tanewzone
fortzuführen. Dieser Stoß war gegen Osten durch die 2., gegen Norden
durch die 4. Armee zu decken. Die Südarmee hatte im Verein mit der
7. den noch südlich vom Dniester ausharrenden Feind zu schlagen. Von der
bei Przemysl zusammengepreßten 3. Armee war das k.u.k. X.Korps schon
zum Abmarsch an den Südflügel der 4. Armee angewiesen (S. 441). Das
XVII. Korps sollte ihm mit seinen drei Divisionen — 2. und 11. ID. sowie
26. SchD. — möglichst bald folgen. Das Beskidenkorps, die l.LstlBrig.
und die ung. LstHusBrig. wurden der 2. Armee angeschlossen, in deren
Verband bald auch die 4. KD. treten sollte, nachdem sie vorübergehend
für die italienische Front bestimmt war. Dafür war die 44. SchD. zur Ab-
fahrt nach dem Südwesten bereitzustellen, von der zwei Regimenter für
Kärnten, eines für Tirol bestimmt wurden. FZM. Puhallo hatte mit dem
Stabe der k. u. k. 3. Armee an die Spitze der wieder zur 1. Armee umge-
wandelten, von der 4. Armee losgelösten Armeegruppe GdK. Kirchbach
zu treten, indes Kirchbach das Kmdo. über ein aus der 46. SchD., der
halben 2. KD. und sonstigen Truppen neu aufgestelltes I. Korps erhielt.
Außer der 4. Armee sollte zum gegebenen Augenblicke auch die 2. unter
den Oberbefehl Mackensens treten.
i) Kühl, I, 223.
II
29
450
Von Gorlice bis Lemberg
Solcherart wurde auf der Seite der Verbündeten eine neue große
Schlachtenfolge eingeleitet, deren Ziel die Wiedergewinnung von Lem-
berg war. Ob über dieses geographische Ziel hinaus auch das immer
geltende strategische Ziel der Vernichtung oder doch Lahmlegung des
Feindes zu erreichen war, das stand in den Sternen geschrieben. Falken-
hayn erhoffte sich, daß der Verlust von Lemberg auf die Russen einen
„niederschmetternden Eindruck machen," und daß man damit, „dem End-
ziel, der Sicherung eines guten Friedens", näherkommen werde1). Was
Conrad anbelangt, so erblickte er in der Eroberung von Lemberg vor
allem ein durch die Gestaltung des Kriegsschauplatzes bedingtes Zwischen-
glied für eine spätere, gleichwie im Herbst 1914 wieder in den Raum
zwischen Bug und Weichsel nordwärts führende Offensive. Allerdings
lag auch ihm die Hoffnung nicht ferne, die zur Befreiung von Lemberg
noch nötigen Schläge vermöchten das russische Heer zu zermürben und
den Zaren friedensgeneigt zu machen.
Daß dabei auch der öst.-ung, Generalstabschef den Wiedergewinn
der Hauptstadt Galiziens auch sonst politisch hoch einschätzte, versteht
sich von selbst. Zumindestens würden durch einen solchen Erfolg die Ru-
mänen zuverlässiger von feindseligen Handlungen abgehalten, und es könne
sogar erreicht werden, sie noch an die Seite der Mittelmächte zu ziehen.
Zugleich befaßte sich Conrad in diesen Tagen, trotz der noch manchmal
auftauchenden Gerüchte, die Serben planten einen Angriff nach Bosnien,
mit der Möglichkeit eines Friedensschlusses mit dem Savekönigreiche.
Nicht umsonst ließen die an der Drina mitunter auf Hörweite von den
k. u. k. Grenzabteilungen stehenden serbischen Truppen, Offizier und
Mann, immer wieder ihre auch durch wirtschaftliche Not diktierte Kriegs-
verdrossenheit erkennen, und es wurde die bei Serbien angeblich beste-
hende Friedensbereitschaft auch von anderer Seite berichtet. Wie der
verantwortliche Leiter der Kriegführung Österreich-Ungarns sich die Ge-
winnung Rumäniens und Serbiens vorstellte, geht aus seinem Schriften-
wechsel mit dem Außenminister hervor. Serbien sollte dadurch gewonnen
werden, daß man endlich beherzt an die Lösung der Südslawenfrage
durch Schaffung eines dritten Staates im Rahmen der Habsburgermonar-
chie herantrat und damit auch das Savekönigreich in deren Bann zog. In
ähnlicher Weise sollte den Rumänen Gelegenheit geboten werden, durch
einen staatsrechtlichen Anschluß an das Donaureich seine Aspirationen
auf Siebenbürgen in friedlicher Weise zu verwirklichen. Es waren ähn-
*) Falkenhayn, 86.
Der Zustand des russischen Heeres
451
liehe Gedanken, wie sie zweieinhalb Jahre später Smuts als Unterhändler
Lloyd Georges gegenüber dem öst.-ung. Bevollmächtigten Grafen Mens-
dorff äußern sollte1). Sie fanden aber in den Staatskanzleien zu Wien
und Budapest kaum einen Widerhall.
Gegenmaßnahmen der Russen
Die Meldungen des Oberkmdos. Mackensen, die auch anderweits
bestätigt wurden, schilderten die Verfassung des russischen Südwest-
heeres im wesentlichen durchaus zutreffend. Die 15 Infanteriedivisionen,
die Iwanows Armeen seit Anfang Mai aus den Truppenbeständen der
Nordwestfront und von den im Bezirk Odessa gegen die Türkei ver-
sammelten Kräften als Verstärkungen erhalten hatten, waren in den
Schlachten zerronnen wie Schnee in der Frühlingssonne. Die Divisionen
der russischen Südwestfront wiesen Regimentsstärke und noch geringere
Stände auf. Der Gesamtverlust der Armeen Iwanows belief sich im Mo-
nat Mai nach den amtlichen russischen Meldungen auf 412.000 Mann an
Toten, Verwundeten, Gefangenen und Vermißten2). Kaum zur Not aus-
gebildete Rekruten wurden ohne Waffen bis knapp an die Schützenlinien
herangeführt, um hier die Gewehre der Toten und der Verwundeten an
sich zu nehmen; zwischen der Weichsel und Czernowitz fehlten 300.000
Gewehre. Besonders stark fühlbar machte sich — wie schon seit längerem —
die Munitionsnot; sie führte beinahe zur Katastrophe. Selbstverständlich
litt unter diesen Mängeln und den fortgesetzten Niederlagen auch die
Moral vieler Truppenteile mehr und mehr, indes sich andere in nicht
geringer Zahl freilich noch immer mannhaft schlugen. Die höhere und
die höchste Führung stand dieser Entwicklung vielfach mit russischem
Fatalismus gegenüber; immer seltener wagte sie, wieDanilow3) klagt,
den Versuch, die Freiheit des Handelns durch die Kunst des Manövers
zurückzuerobern.
So stellte denn auch der gewaltige Gegenangriff, den Iwanow am
28. Mai für seine ganze Front angeordnet hatte, im wesentlichen ein
Unternehmen dar, bei dessen Durchführung ausschließlich auf die Stoß-
kraft und Zähigkeit des Muschik gebaut wurde, das aber nach der ganzen
Lage von Haus aus nur geringe Erfolgsaussichten bot. In der Tat mußte
!) Glaise-Horstenau, Die Katastrophe, 160 ff. ; Benes, Der Aufstand der
Nationen (deutsche Ausgabe, Berlin 1928), 426.
2) Boncz-Bru jewitschj II, 259 f.
3) Danilow, 507.
29*
452
Von Gorlice bis Lemberg
es spätestens am 4. als gescheitert betrachtet werden, und die russische
Führung stand nun, da auch Przemysl verloren war, sicherlich vor keinen
leichten Entschlüssen. Danilow*■) bezweifelt, daß Iwanow überhaupt
noch an die Möglichkeit, Ostgalizien zu halten, geglaubt habe. Der Be-
fehlshaber der Südwestfront schildert am 5. Juni in einem an die Stawka
gesandten Bericht die Lage seiner Truppen recht düster, doch faßt er
seine Meinung in die Worte zusammen: „Dennoch glaube ich, wir müssen
unsere Stellungen mit größter Zähigkeit halten und immer wieder halten,
um den Gegner zu einem gewaltigen Munitionsaufwand zu zwingen, den
er auf die Dauer doch nicht ertragen wird. Schon jetzt gelangen Nach-
richten aus der Gefechtsfront zu uns über ein merkliches Abnehmen der
gegnerischen Geschoß Vorräte ; viele Geschosse explodieren nicht, zum
Teil stammen sie schon aus dem Jahre 1915, was gleichfalls auf eine
Erschöpfung der vorhandenen Vorräte hinweist... Diese Tatsache läßt,
wenn man im Auge behält, daß der Feind seine Erfolge vor allem seinem
ungeheuren Munitionsaufwande verdankt, die berechtigte Hoffnung zu,
der Feind werde endlich der Mittel entbehren, deren er zur Erreichung
seiner Ziele auf dem russischen Kriegstheater bedürfte2)."
Die Heeresleitung stimmte dieser Auffassung vollkommen zu, und
Iwanow erließ nach den von der Stawka erteilten Aufträgen am 5. Juni
seine Weisungen.
Den je sechs Korps starken Armeen seines rechten Flügels, der 3.
und der 8., wurde die Behauptung der bisherigen Stellungen von Tarno-
brzeg an der Weichsel über Zapalów bis zum Dniester südlich von
Komarno befohlen. Links hatte bis in die Gegend von Ni±niow die
11. Armee mit vier Korps anzuschließen. Der ebenso starken 9. Armee
war der untere Dniester bis Chotin zugewiesen, wobei die etwas unklare
Befehlsgebung allerdings vermuten läßt, daß sich Letschitzkis linker
Flügel nach Möglichkeit noch vorne am Pruth behaupten sollte 3). Zweifel-
los auf besonderen Wunsch der Stawka zog Iwanow eine Reihe von
Korps aus der Front zur Bildung von Reserven zurück. Das XXIX. Korps,
das II. kauk. und das V. kauk. sowie das IV. Kavkorps sollten sich
bei Lubaczów, das XXIII. Korps bei Lemberg, das XXI. bei Rohatyn
versammeln. Während die Fronten ihre Stellungen behaupteten, waren
die Stände aufzufüllen, die Munitionsvorräte zu ergänzen und alle An-
strengungen an die Wiederherstellung der vollen Kampffähigkeit zu setzen.
1) Danilow, 577.
2) Boncz-Brujewitsch, II, 259 f.
3) Zajontschkowskij, 303ff.; Nesnamow, 52ff.
Befehle Mackensens für den 12. und 13. Juni
453
Die Vorbereitungen der Verbündeten für die
Offensive gegen Lemberg
GO. Mackensen faßte im Sinne der ihm erteilten Weisungen den
Entschluß, seine durch die neu herangeführten deutschen Streitkräfte
verstärkte 11. Armee zum Stoß nördlich von den Gródeker Teichen,
Mitte Richtung Magier ó w, anzusetzen. Den Flankenschutz rechts sollte
die k. u. k. 2. Armee besorgen, indem sie mit starkem linkem Flügel in die
Front Komarno—Janów auf schwenkte und die Gródeker Front gleich-
falls von Norden her zu umfassen trachtete. Zum Schutz der linken
Flanke des Hauptstoßes hatte die k. u. k. 4. Armee den San zwischen
Sieniawa und Ulanów mit mindestens sechs Divisionen zu überschreiten
und sich in weiterer Folge dem Vormarsch der 11. Armee in der Richtung
Rawa Ruska—Narol-Miasto anzuschließen, wobei zur Deckung des Ta-
newabschnittes möglichst geringe, jedoch verläßlich ausreichende Kräfte
zurückzulassen waren. Als erster Angriffstag wurde der 13. bestimmt;
nur die 4. Armee sollte die Sanbezwingung mit ihrem rechten Flügel
um vierundzwanzig Stunden früher beginnen, wobei der linke Flügel
der 11. Armee mitzuwirken hatte. Bis zu diesen Tagen waren die Ver-
stärkungen und die Ersätze an Mann und Gerät herangeschafft, und
konnten auch sonst alle Vorbereitungen in Ruhe getroffen sein. Als Aus-
gangsstellung für den neuen Waffengang war im allgemeinen die Linie
ausersehen, die die drei Armeen nach der Einnahme von Przemysl inne-
hatten. Nur die inneren Flügel der 2. und der 11. Armee sollten noch die
Mosciska von Süd gegen Nord durchschneidende Tiefenlinie und die
Wisznia bei Czerniawa gewinnen.
Bei der 2. Armee war es dem IV. und dem Beskidenkorps nach zäher
Angriffsarbeit noch am 4. geglückt, nordwestlich von Krukienice in die
Stellungen des Feindes eine 8 km breite Bresche zu schlagen; dabei fiel
endlich auch der Gajberg. Die Russen wichen auf die Höhen südlich
und westlich von Mosciska, wo sie dem Nachdrängen der Verbündeten
alsbald wieder ein Ziel setzten. Vergebens mühten sich diese in den
nächsten Tagen, den Feind endlich auch über die Tiefe von Mosciska
zurückzudrücken, wobei von Süden her der linke Flügel des XIX. Korps
mitwirkte. Wohl wurde den Russen dieses und jenes Stellungsstück ent-
rissen. Aber ein voller Erfolg blieb aus, so daß sich das Oberkmdo.
Mackensen am 9. Juni veranlaßt sah, die Fortführung dieser Angriffe
bis zum Beginn der allgemeinen Offensive aufzuschieben.
Gleiche Erfahrungen machten auf den Höhen nordwestlich von
454
Von Gorlice bis Lemberg
Mosciska das k. u. k. XVII. Korps, und nach dessen in der Nacht auf
den 8. erfolgten Abmarsch (S. 419) die deutschen Ablösungstruppen. Dafür
vermochte das XXXXI. RKorps am 6. Juni den Feind bei Czerniawa
und Starzawa über die Wisznia zu werfen, wobei Teile der vor der Ab-
lösung stehenden k. u. k. 11. ID. mitwirkten, vor allem das IR. 55, das
den Russen eine Höhe westlich von Czerniawa entriß.
Inzwischen schritten die Armeen an die Herstellung der von Macken-
sen anbefohlenen Schlachtordnung. Die 2. Armee mußte sich gegen Nor-
den hin bis in die Gegend von Czerniawa strecken. Von links nach rechts
besehen, standen zu Beginn der Offensive: das Beskidenkorps mit zwei
Divisionen im ersten und einer im zweiten Treffen rittlings der nach
Mosciska führenden Straße; das IV. Korps (27. ID., 43.SchD., 31. ID.
in der Front, 32. ID. in der Reserve) südwestlich und südlich von Mos-
ciska; das XIX. Korps (13.SchD., 34. und 29. ID.) nördlich und östlich
von Krukienice; das XVIII. Korps (1. LstlBrig., die die nach Italien ab-
gegangene 44. SchD. abgelöst hatte, und 9. ID.) südöstlich von Kupno-
wice Str., und schließlich das V. Korps mit der 33. und Teilen der 14. ID.
beiderseits vom oberen Strwi^£ gegenüber von Koniuszki-Siemianowskie.
Die Sicherung am Südrand des Wielkie Bloto und die Verbindung mit
der Südarmee besorgten ursprünglich die Gruppe Obst. Rehwald und
die l.KD. (S.419). Die weiteren Ereignisse, die sich hier und im Räume
nördlich von Drohobycz bis zum 15. Juni abspielten, werden in einem
anderen Zusammenhange zu schildern sein. Die eben erwähnten Siche-
rungstruppen sollten sehr bald von den schweren Kämpfen der Süd-
armee aufgesogen werden. Zwischen der Tysmienica und der Bystrzyca
traten zuerst die nun durch einige Infanteriebataillone verstärkte 4. KD.
und dann auf Antrag Böhm-Ermollis noch die 51. HID., FML. Korn-
haber, an ihre Stelle. Die Verbindung zwischen diesen, bei Litynia fech-
tenden Streitkräften und dem rechten Flügel des V. Korps übernahmen
Infanteriepostierungen und ung. Landsturmhusaren.
Bei Czerniawa schloß das XXXXI. RKorps an die 2. Armee an. Von
der Wisznia bis über Chotiniec hinaus reichte das durch das IR. 63 ver-
stärkte x) k. u. k. VI. Korps; nördlich davon erstreckte sich bis östlich von
Laszki die Garde. Links von dieser war das neu herangeführte XXII. R-
Korps samt der 107. ID. eingesetzt, daneben standen von der Höhe A241
bis östlich von Radawa das deutsche X. Korps und das aus der 56. und
der 119. ID. gebildete komb. Korps GM. v. Behr. Hinter dem rechten Ar-
!) Das fünf Bataillone zählende IR. 63 war von der Armeegruppe Kövess heran-
geholt worden.
Die neue Schlachtordnung
455
meeflügel hatte die ll.bayr. ID. zu folgen, hinter der Mitte die 8.bayr.
RD., hinter dem linken Flügel eine Brigade des XXII. RKorps. Über die
11. HKD. behielt sich das Oberkmdo. Mackensen die Verfügung vor,
wenngleich sie zunächst hinter dem rechten Flügel der 4. Armee zu ver-
bleiben hatte. Die deutsche 22. ID. sollte, nachdem sie am Sanübergang
der 4. Armee mitgewirkt hatte, ehestens den Anschluß an die 11. Armee
gewinnen. Der am 10. ausgegebene Angriffsbefehl Mackensens bestimmte
das k. u. k. VI. Korps, die Garde und das XXII. RKorps als Hauptstoß-
gruppe, der sich die anderen Korps anzuschließen hatten.
Die 4. Armee hatte an ihrem rechten Flügel das XVII. Korps (11.ID.
und 26. SchD.) eingesetzt, dem für den Beginn des Angriffes auch die
deutsche 22. ID. angeschlossen war und das von der Lubaczówkamün-
dung bis in die Gegend gegenüber von Sieniawa reichte. Daneben hielt
das IX. Korps mit der dauernd durch die Brigade Szende verstärkten
10. ID., der 106. LstlD. und je einem Regiment der 21. SchD. und der
37. HID. die Sanlinie bis Staremiasto. Dann kam bis Ruda das k. u. k.
X. Korps mit der 24. ID. im ersten und der 2. ID. im zweiten Treffen,
daneben in der alten Front beiderseits von Je£owe das durch Schützen-,
Honvéd- und Landsturmabteilungen verstärkte XIV. Korps (3. und 8.ID.)
und weiterhin bis zur Weichsel oberhalb von Tarnobrzeg das VIII. Korps
mit der deutschen 47. RD., je einer halben 21. SchD. und 37. HID. sowie
der Gruppe FML. Stöger-Steiner. Zur Verfügung desArmeekmdos. blieben
hinter der Armeemitte die 45. SchD., die 3. KBrig. und die halbe 41. HID.,
die auf das rechte Weichselufer zurückgezogen wurde, weil sich die
Lage bei der I.Armee wieder beruhigt hatte. Die Heeresleitung legte
dem Armeebefehlshaber, Erzherzog Joseph Ferdinand, nahe, auch mög-
lichst starke Teile der beiden linken Korps zur Offensive heranzuziehen,
sei es, daß man den der 11. Armee folgenden Armeeflügel verstärkte,
sei es, daß man nach dem Überschreiten des San auf dem rechten Ufer
flußabwärts vorstieß, um endlich die Russenstellung im Mündungswinkel
zu Fall zu bringen. Der Erzherzog erließ an die Generale Roth und
Scheuchenstuel dieser Aufforderung entsprechende Weisungen. Im übrigen
waren fürs erste — wie vom Oberkmdo. Mackensen verlangt — sechs
Divisionen zur Sanbezwingung in Aussicht genommen, von denen die
Divisionen des XVII. Korps am 12., die des IX. am 13. und die des X.
am 14. den Fuß auf das östliche Ufer setzen sollten. Jedes der Korps,
das über die untere Lubaczówka vorstoßende komb. Korps Behr mitin-
begriffen, hatte nach dem Übergang flankierend in den Kampf des linken
Nachbarn einzugreifen.
456
Von Gorlice bis Lemberg
Abgesehen von einzelnen Teilvorstößen ließ der Russe die Verbün-
deten bei ihren Vorbereitungen gewähren. Er hatte selbst genug zu tun,
sich für die unzweifelhaft bevorstehende Abwehrschlacht im Sinne der
am 4. und 5. Juni gefaßten Entschlüsse (S. 452) zu rüsten.
Die Verdrängung der Russen vom südlichen Dniesterufer
(5. bis 15. Juni)
Hiezu Beilagen 22 und 23
Angriff Letschitzkis und Gegenangriff Pflanzer-Baitins
Noch in Befolgung früherer Befehle und auch um Schtscherbatschews
11. Armee zu entlasten, hatte Gen. Letschitzki inzwischen seinen Angriff
am Pruth fortsetzen lassen. Das Schwergewicht des Stoßes ging völlig
auf das XXX. Korps über, das mit mindestens zweieinhalb Divisionen,
denen weitere Kräfte zu folgen hatten, zwischen Kolomea und Delatyn
durchbrechen sollte. Während die k. u. k. 15. ID., FML. Benigni, stand-
zuhalten vermochte, wurde die 36. ID. am 4. Juni bei Tagesanbruch süd-
lich von Sadzawka abermals durchbrochen. Zwei Bataillone des untersteiri-
schen IR. 47 und drei Landsturmbataillone wurden an der Einbruchstelle
angesetzt und brachten die Russen zum Stehen. Weitere vier Bataillone
sollten den Gegenangriff bis an den Pruth vortreiben. Eine Erleichterung
der Lage erhoffte sich GdK. Pflanzer-Baltin auch dadurch zu schaffen,
daß er — zugleich dem neuerlich vorgebrachten Wunsche der Südarmee
entsprechend — für den 4. Juni nachmittags die Gruppen Rhemen und
Schönburg zum Vorstoß auf Krasna (nordöstlich von Delatyn) und Bo-
horodczany anwies. Der rechte Flügel der 5. ID. Rhemens hatte diesen
Vorstoß einige Stunden früher durch einen Angriff einzuleiten, der beider-
seits der Straße Delatyn—Lanczyn in die Flanke des das Korps Czibulka
bedrängenden Feindes zu führen war. Dieser Flankenangriff mißlang.
Dafür glückte es südlich von Sadzawka, die Russen trotz ihrer unauf-
hörlichen Gegenstöße bis an den Höhenrand zurückzudrücken.
Die Vorrückung des linken Armeeflügels schickte sich recht gut an.
Die Grazer Division gewann westlich von Nadwórna Raum. Die Gruppe
Schönburg erstürmte am 4. abends noch mehrere Höhenstellungen und
kam bei einbrechender Nacht über Jablonka hinaus. Aber schon tags
darauf versteifte sich der Widerstand des um seine Flanke besorgten
Feindes wieder. Bei Delatyn mußten heftige russische Gegenangriffe abge-
wehrt, östlich von Perehiñsko schon genommene Höhenstellungen abermals
den Russen überlassen werden.
Gleichzeitig kam es bei der 36. ID. wieder zu einem schweren Rück-
Angriff und Rückzug der Russen bei Kolomea
457
schlag, der auch nicht durch den Einsatz neuer, von ungefähr zusammen-
geraffter Reserven, darunter auch der eiligst herangeholten 8. KD., wett-
gemacht werden konnte. Die 36. ID. wich auf die Höhen unmittelbar
nördlich von Mlodiatyn. Zum Glück für das bei Kolomea fechtende
III. Korps erwies sich die Hiobspost nachträglich als falsch, daß sich auch
die ganze 15. ID. vom Pruth abgesetzt habe. FML. Benigni hatte bloß
seinen linken Flügel zurückgebogen.
GdK. Pflanzer sah der Zukunft mit großer Sorge entgegen. Der
Druck der gegen Südosten einschwenkenden Südarmee mochte noch
keineswegs so unmittelbar auf Letschitzki wirken, daß es dieser nicht
mehr hätte wagen können, den Durchbruch zwischen Delatyn und Kolo-
mea fortzuführen. Zumindest wäre der rechte Flügel der 7. Armee durch
ein solches Beginnen in eine überaus schwierige Lage geraten, dies um-
somehr, als man ja doch nicht voraussagen konnte, was Rumänien machen
würde1). Pflanzer setzte daher alles daran, die Gefahr wieder zu bannen,
und stampfte mit gewohnter Tatkraft hinter dem linken Flügel des
III. Korps eine neue, aus sieben Bataillonen und der 10. KD. bestehende
Gegenangriffsgruppe aus dem Boden, die den südlich vom Pruth stehen-
den Russen am 7. früh in die Flanke fallen und die benachbarten Divi-
sionen zum Sturme mitreißen sollte.
Da trat, wie so oft im Kriege, das Unerwartete ein. Schon die Nacht
auf den 6. verlief sowohl an der Einbruchsstelle, wie an den anderen
Fronten der 7. Armee verhältnismäßig ruhig. Im Laufe des folgenden
Vormittags bemerkte FML. Schönburg ein Abfallen des gegenüber be-
findlichen XI. Russenkorps. Er setzte um die Mittagsstunde zum Angriff
an. Zur gleichen Zeit konnte auch die Gruppe Czibulka, nachdem sie
Einzelvorstöße abgewiesen hatte, die Meldung erstatten, daß der Feind
unzweifelhaft den Rückzug angetreten habe. Ein russischer Funkspruch
verkündete die Verlegung des XXX. Korpskmdos. von Ottynia nach Tlu-
macz. GdK. Pflanzer säumte nicht, seine ganze Armee vom linken Flügel
an zur Verfolgung aufzurufen, wobei der Gruppe Schönburg die be-
sondere Aufgabe zufiel, „ohne Rücksicht auf Marsch Verluste4 4 über Otty-
nia in den Rücken des Feindes vorzudringen.
Die drei Gruppen des linken Flügels schritten noch am 6. nach-
mittags aus, Schönburgs Bataillone kamen noch über Solotwina in den
i) Im Hauptquartier Pflanzers hatte man sich um die Monatswende eingehend mit
der etwaigen Ausführung eines durch Rumäniens Eingreifen bedingten Rückzuges be-
faßt. Gleichzeitig begann das Militärkmdo. Hermannstadt an die Grenzsicherung und
Grenzbefestigung von Siebenbürgen zu schreiten.
458
Von Gorlice bis Lemberg
Raum südöstlich und östlich von Bohorodczany. Des anderen Tages griff
die ganze Front Pflanzers an. Schönburg drückte den Feind bei Grabo-
wiec über die Bystrzyca Nadwornianska zurück. Rhemens 6. ID. warf
die Russen bei Majdan Srd., indes die 5. die Höhen nördlich und östlich
von Krasna erstürmte. Czibulkas 36. ID. überschritt nach heftigen Kämp-
fen bei Lanczyn und Sadzawka den Pruth, die inneren Flügel der 15. ID.
und der Gruppe Krautwald griffen die Höhen nordwestlich von Kolo-
mea an. Der rechte Flügel Krautwalds nötigte die Russen unterhalb von
Kolomea zum Abbruch ihrer Stellungen. Das Korps Marschall gewann
bei Zablotów und Wolczkowce, Kordas linker Flügel (5.HKD., 6. KD.)
südöstlich von Sniatyn das Nordufer des Pruth. Die 42. HID. arbeitete
sich bei Draczynetz auf das linke Pruthufer vor. Russische Funksprüche
und andere Nachrichten gaben zu der richtigen Vermutung Anlaß, daß
Gen. Letschitzki seine Mitte auf Tysmienica und die Höhen nordöstlich
von Ottynia und Obertyn zurückzunehmen, diesen Rückzug aber in einer
Zwischenstellung Ottynia—Kulaczkowce—Sniatyn zu decken gedachte,
während sich sein XI. Korps bei Stanislau und Halicz des rechten Flügels
der Südarmee zu erwehren hatte.
In der Tat sah sich die 7. Armee am 8. Juni bald der ebengenannten
Zwischenstellung gegenüber. Die Gruppen Schönburg und Rhemen nah-
men Ottynia und die Höhen südlich von diesem Orte. Die Gruppe
Czibulka trieb die russischen Nachhuten über die nördlichen Begleithöhen
des Pruth zurück, sah sich aber dann bei Korszów wieder dem linken
Flügel des XXX. Russenkorps gegenüber. Krautwald kam unter Kämpfen
über Turka hinaus. Die Gruppe Marschall befand sich gegen Abend im
Angriffe auf die Höhen bei Zadubrowce; sie wurde nun vom Führer der
30.ID., FML.Kaiser, befehligt, da GdK.Marschall auf Ansuchen Linsin-
genc mit der deutschen 5. KD. zur Südarmee abzugehen hatte. Vor dem
linken Flügel des XI. Korps wichen die Russen allenthalben aus der
Pruthebene gegen das nördlich aufsteigende Hügelland zurück. FML.
Korda hatte die 5.HKD. an die Gruppe FML. Kaiser abzugeben.
Am 9. Juni gelang es den Truppen Pflanzers, an zahlreichen Punkten
in die feindliche Stellung Ottynia—Korszów—Zadubrowce einzudringen.
Das XXX. Russenkorps wich in den Raum Tysmienica—Obertyn, das
XXXIII. schien sich im Anschluß daran und auf den Höhen südlich von
Horodenka zu neuem Widerstand zu rüsten. Das II. und das III. Kavkorps
wurden in die Gegend nordöstlich von Stecowa zurückgeführt. Das
XXXII. Korps hielt den Abschnitt Kotzman und das linke Pruthufer
gegenüber von Czernowitz.
Das Abschwenken der Südarmee nach Südosten
459
Gegen diese neue Front standen am 9. Juni die Gruppe Schönburg
auf den Höhen nordöstlich von Ottynia, das Korps Rhemen anschließend
bis in die Gegend von Zukow im Kampfe. Die 36. ID. Czibulkas näherte
sich Obertyn von Süden her, die 15. ID. drang im Räume nordöstlich von
D±urköw vor. Das III. Korps, FML. Krautwald, griff die russischen
Stellungen südlich von Tyszkowce und von Horodenka an. Die Gruppe
FML. Kaiser drängte den Feind südöstlich dieser Stadt über die Bahn
zurück. Korda hatte nachmittags starke feindliche Kräfte südwestlich
von Kotzman geworfen. Sein rechter Flügel (Polen und Gruppe Obstlt.
Papp) stand beiderseits von Czernowitz am Pruth. Von den Reiterdivisio-
nen folgte die 8. der 15. ID., die 10. der Mitte des III. Korps, indes die
5. HKD. in der Staffel rechts hinter der Gruppe FML. Kaiser für die Ver-
bindung dieser Gruppe mit dem zurückhängenden XI. Korps sorgte.
GdK. Pflanzer-Baltin plante, die Masse seiner Armee konzentrisch
gegen die weit gespannte russische Brückenkopfstellung Chocimierz—
Horodenka anzusetzen. Da trafen am 9. Juni abends aus Teschen Nach-
richten über eine Wendung bei der Südarmee ein, die Pflanzer zu einer
nicht unwesentlichen Entschlußänderung nötigten.
Die Einnahme von Kalusz und, Stanislau
Der Oberbefehlshaber der Südarmee hatte sofort nach der Ein-
nahme von Stryj die Südostschwenkung der Armeemitte eingeleitet. Am
2. Juni hatte er den FML. Szurmay wissen lassen, daß für die Dniester-
bewachung eine halbe 7. ID. und die 128.HIBrig. ausreichen würden, daher
auch die 40. HID., die andere Hälfte der 7. ID. und die 1. KD. gegen
Südosten bereitzustellen seien. An diesen Weisungen ließ Linsingen, als
tags darauf die Russen bei Horucko noch immer nicht wichen, ja sogar
ihre Stellungen bei Rudniki gegen Osten wieder etwas erweiterten, nur in-
sofern rütteln, als er Szurmay die ganze 7. ID. beließ.
War sonach die Lage am linken Armeeflügel noch immer nicht voll-
auf befriedigend geworden, so war dafür am 4. frühmorgens eine gün-
stige Nachricht vom rechten Flügel gekommen: der Russe hatte endlich
auch südöstlich vom Stryj mit dem Abbau seiner Stellungen begonnen.
Voll Ungeduld trug Gdl. Linsingen vormittags den Korps Gerok und
Hofmann auf, noch an diesem Tage Kalusz und Halicz zu gewinnen,
indes sich — gleichfalls noch am 4. — Bothmer des Brückenkopfes von
Zurawno durch Handstreich bemächtigen sollte.
Diese Ziele erwiesen sich nun freilich der Zeit nach als nicht un-
460
Von Gorlice bis Lemberg
erheblich zu weit gesteckt. Die beiden rechten Korps hatten schon unter
den ungünstigen Marschverhältnissen mancherlei zu leiden. Glühende
Hitze wurde durch schwere Wolkenbrüche unterbrochen, die, zumal
im Vorrückungsraume des Korps Hofmann, die Waldwege für Tage
in Morast verwandelten. Zudem sahen sich beide Korps am 5. früh bei
Holyn und Zawadka neuem russischem Widerstand gegenüber, der, mochte
er sich auch nur auf flüchtig aufgeworfene Deckungen stützen, doch
erst gebrochen werden mußte. Bei Holyn unterzog sich dieser Aufgabe
die 48. RD., die durch öst.-ung. Bataillone verstärkt wurde. Der Feind
bei Zawadka wurde von der Brigade Bolzano, der südwärts davon
ein genistete durch die 55. ID., GM. Fleischmann, geworfen. Das Korps
Hofmann führte nach diesem Kampfe über 2000 Gefangene zurück.
In der Nacht auf den 7. erstürmte die 48. RD., rechts von der Lom-
nica durch drei öst.-ung. Feldjägerbataillone gedeckt, die Stadt Kalusz,
während das Korps Hofmann — zum Teil erst nach Mitternacht— süd-
lich und südöstlich von Wierzchnia zu kurzer Ruhe eintraf. Tags darauf
schob sich Gerok östlich von Kalusz gegen Stanislau vor, indes Hofmann
wieder einen heißen Kampf zu bestehen hatte. Um das Abfließen der
Truppen nach Halicz zu decken, stellte sich der Feind auf den für die
Abwehr sehr günstigen Höhen bei Slobódka und Wojnilów. Die zum er-
heblichen Teil aus tschechischer Mannschaft bestehende Brigade Bolzano
erstürmte unter der Führung tüchtiger Kommandanten in der vierten
Nachmittagsstunde die Verschanzungen bei Wojnilów. Zwei Stunden
später entriß die 130. IBrig. den Russen die Höhe A 352, worauf sie auch
Slobodka räumten. Beim Korps Hofmann wurden 12 Offiziere und
3200 Mann als Gefangene und 11 Maschinengewehre als Beute eingebracht.
Am 8. Juni konnte das Korps Gerok in Stanislau einziehen. Am
selben Tage sah sich bei Ciçzow und Komarów das Korps Hof mann dem
eigentlichen Brückenkopf von Halicz gegenüber.
Inzwischen waren auch dem durch die 40. HID. und die 1. KD. ver-
stärkten Korps Bothmer, das sich am 4. Juni zum Handstreich gegen
Zurawno gruppiert hatte, schöne Erfolge beschieden gewesen. Während
die l.ID. auf den Höhen südlich von der Swica vorging, drang die 38.HID.
in Gemeinschaft mit dem rechten Flügel der 3.GID. am 5. in den vom
XVIII. Russenkorps verteidigten Brückenkopf von Zurawno ein. Die Ver-
bündeten ließen dem Feinde nicht Zeit, die Dniesterbrücken abzubrechen,
sondern stürmten zugleich mit ihm auf das andere Ufer, dessen Rand-
höhen sie tags darauf gewannen. Am 7. schlugen die 38. HID. und die
Garde bei Nowoszyny den Feind neuerlich zurück, worauf sich jene
Schwere Tage bei der Gruppe Szurmay
461
gegen Bukaczowce, diese gegen die Höhen westlich von Hrehorów wand-
ten. Des anderen Tages wurde die 40. HID. links von der 3. GID. in die
Front gezogen; die 1. KD. hatte nachzufolgen und sich zu einem Streif-
zug gegen Rohatyn bereitzuhalten. Die 1. ID. stellte westlich vonHalicz
die Verbindung mit dem Korps Hof mann her.
Schwere Tage hatte die Gruppe Szurmay hinter sich, der nach
Wochen ununterbrochenen Kampfes die Dniesterbewachung im Räume
von Mikoíajów übertragen worden war. Sie hatte mit ihren kaum
zwanzig Bataillonen am 4. Juni zu ihrer schon 26 km langen Front noch
den 16 km messenden Abschnitt zwischen Rozdól und 2ydaczow über-
nehmen müssen, in den tags darauf an Stelle der zum Korps Bothmer
abrückenden 40. HID. vier Bataillone der 128. HIBrig. eingesetzt wurden.
Trotz dieser schon einer Postierung gleichenden Aufstellung und der be-
stimmten Überzeugung Szurmays, daß der Feind an eine Preisgabe des
südlichen Dniesterufers nicht denke, blieb der vom ununterbrochenen
Rückzug der Russen überzeugte Armeeführer bei seinem am 4. an die
Gruppe erteilten Befehl, dem Feinde über den Dniester nachzustoßen. Ein
örtlicher Erfolg unmittelbar südwestlich von Zydaczow bewog Szurmay,
den von Linsingen gewünschten Angriff am 6. abends beginnen zulassen.
Eine Stoßgruppe der 7. ID. ging nördlich von Derzów, eine zweite gegen
Horucko vor. Die Flügelgruppen, 128. HIBrig. und Obst. Rehwald, hatten
sich anzuschließen. Die durch den ebenerwähnten örtlichen Erfolg er-
weckte Hoffnung, der Feind räume doch das Südufer, erwies sich jedoch
abermals sofort als unrichtig. Schon das Heranarbeiten an die russi-
schen Stellungen kostete viel Mühe und auch Blut. Am 7. wurde dem
Korps Szurmay überdies noch die Bewachung der Dniesterstrecke 2y-
daczów—Holeszów übertragen. Von den bisher in diesem Abschnitt be-
lassenen vier Bataillonen der 40. HID. sollten zwei zurückbleiben — für
Szurmay kein ausreichender Kräftezuwachs gegenüber der nun schon
auf 54 km angewachsenen Frontausdehnung.
Kaum waren auch noch das FJB. 21 und eine Batterie als Verstär-
kung in den neuen Abschnitt beordert worden, als die Meldung kam,
die nur 1800 Gewehre zählenden Bataillone der 40. HID. seien westlich
von Holeszów in Flanke und Rücken gefaßt und gegen Ruda zurück-
geworfen worden. Das FJB. 21 machte tags darauf den Mißerfolg wett,
aber dieser war doch ein neues Warnungszeichen für die Verbündeten,
auf der Hut zu sein.
Auch sonst waren bei Zydaczow in den letzten Tagen mehrfach
auffallend starke Truppenansammlungen bemerkt worden; ebenso war
462
Von Gorlice bis Lemberg
der Antransport des VI. Russenkorps (S. 445) nicht verborgen geblieben.
Aber der Armeeführer, von hoher Zuversicht erfüllt, maß diesen ungün-
stigen Mitteilungen weit weniger Bedeutung bei als den Fliegermeldun-
gen über russische Rückmärsche auf der Straße Chodorów—Rohatyn,
Bewegungen, die offenbar mit der Überstellung des XXI. Russenkorps
hinter die Front der 11. Armee zusammenhingen (S.452).
Die großen Erfolge, die die Südarmee seit Ende Mai errungen hatte,
sprachen sich auch in den Beutezahlen aus. Die Armee hatte in diesem
Zeitraum über 40.000 Gefangene und zwei Dutzend erbeutete Geschütze
in die Etappe abgeführt.
Der Gegenangriff der Russen bei Mikolajów und Zurawno
Als am 8. Juni abends die Nachricht von der kampflosen Bezwin-
gung Stanislaus im Armeehauptquartier zu Stryj eintraf, entschloß sich
Linsingen, das Schwergewicht der weiteren Kriegshandlung auf das
nördliche Dniesterufer zu verlegen. Er kam damit auch den Absichten
des AOK. entgegen, das ihm tags zuvor mitgeteilt hatte, daß es er-
wünscht wäre, auf dem Nordufer des Dniester starke Kräfte zusammen-
zufassen und ,,den flußabwärts befindlichen Gegner aufzurollen". Dem-
entsprechend lauteten die Weisungen Linsingens für den 9. Juni: Gerok
hatte bei Mariampol, Hofmann bei Halicz das nördliche Dniesterufer
zu gewinnen, die deutsche 1. ID. westlich von Halicz bisBursztyn vorzu-
stoßen. Die Armee, in den letzten Tagen zum Vormarsch gegen Südosten
aufgeboten, hatte nunmehr wieder scharf gegen Norden auf zuschwenken.
Mit großen und sicherlich nicht ganz unberechtigten Hoffnungen be-
gleitete die Armeeführung diese neue Phase des Feldzuges.
Aber der Schlachtengott war nicht gesonnen, der Armee Linsingens
seine ungetrübte Gunst zu schenken. Noch am 8. bereitete sich bei den
Korps Szurmay und Bothmer eine Wendung vor, die namentlich bei
jenem zu einer nicht unbedenklichen Krise führen sollte. Der Angriff
Szurmays, über deckungsarmes und versumpftes Gelände gehend, war in-
zwischen fortgesetzt worden. Er stieß nun aber schon auf den Gegen-
schlag, den die Russen, die empfindlichste Stelle der ganzen galizischen
Front der Verbündeten sehr wohl erkennend, mit Hilfe der frischen
Truppen ihres VI. Korps bei 2ydaczow und Mikolajów ansetzten und
den sie, durch Bothmers Vordringen nordöstlich von 2urawno besonders
bedroht, bald über Bukaczowce ausdehnten. Zwar hatte sich die k. u. k.
71. IBrig. in der Nacht auf den 8. noch den Weg in die russischen Stel-
Krisenhafter Rückschlag bei Szurmay
463
hingen nördlich von Derzów gebahnt, aber der Feind warf sie wieder
hinaus. Das gleiche Schicksal ereilte am Vormittag die 14. IBrig. nach
erfolgreichem Einbrüche in Horucko. Der Russe stürmte den Zurück-
weichenden mit einer tief gegliederten Angriffsmasse nach, die erst
auf den Geländewellen nördlich von Medenice zum Stehen kam.
Am gleichen Tage bekam auch schon das Korps Bothmer den neu
erwachten Angriffsgeist der Russen zu spüren. Starke Kräfte fielen
nachmittags und abends die 3.GID.und die 40. HID. in der Linie Hre-
horów—Bortniki frontal und in der linken Flanke an. Die Verbündeten
wurden wieder auf Nowoszyny zurückgedrückt, wobei die 40. HID.
2000 Mann einbüßte.
Tags darauf setzten die Russen ihren Gegenstoß bei Mikolajow
und Zydaczow fort. Die ersten Hiobsposten kamen vom Korps Szurmay.
Die 14. IBrig. mußte am 9. Juni noch vor Morgengrauen nach blutigem
Handgemenge bis über Königsau weichen; sie verlor dabei 50 v. H. ihres
Standes. Bald nach Mittag wurde auch die westlich von Zydaczów ein-
gegrabene 128. HIBrig. von dreifacher Übermacht angegriffen, von links
her aufgerollt und verlor schließlich im Handgemenge den größten Teil
ihrer Streiter. Ein paar eiligst heranhastende Marschkompagnien konnten
nachts vor der wacker aushaltenden Artillerie eine neue Front bilden,
da die Russen nicht nachdrängten. Selbstverständlich mußte auch die
71. IBrig. gegen Wolica Raum geben.
Nun war es den Russen leicht, die südöstlich von Zydaczów stehen-
den Postierungen neuerlich gegen Ruda zurückzudrängen.
Gdl. Linsingen war bei Tagesanbruch auf den Höhen von Königsau
erschienen. Mit schwerer Sorge sah er die Russen nur mehr 12 km von
Stryj entfernt, dessen Verlust der Armee die Früchte eines monate-
langen, opferreichen Ringens rauben mußte. Da die Kräfte der Gruppe
Szurmay keinesfalls mehr hinreichten, eine solche Gefahr sicher hint-
anzuhalten, entschloß sich der Armeeführer, das Korps Gerok bei Sta-
nislau durch die von der 7. Armee überstellte deutsche 5. KD. (S. 458);,
zu ersetzen und zu einem Flankenstoß gegen den Szurmay bedrängen-
den Feind heranzuholen. Vom Korps Bothmer setzte der Armee-
führer in diesem Augenblick noch voraus, daß es seine Stellungen auf
dem nördlichen Flußufer als Ausfallstor zuverlässig halten werde. Aber
schon die nächsten Stunden belehrten ihn eines anderen. Nach schweren
Kämpfen wurden am 9. abends die 38. HID. und die links von ihr ein-
gesetzte 1. KD. bei Bukaczowce durchbrochen. Da durch das Nachgeben
der Postierungen südöstlich von Zydaczów gleichzeitig der wichtige
464
Von Gorlice bis Lemberg
Übergang von Zurawno schwer gefährdet war, schlug Bothmer der
Armeeführung vor, das Korps im Hinblick auf die Änderung der allge-
meinen Lage hinter den Dniester zurückzuziehen. Linsingen stimmte zu
und baute seine nächsten Kriegshandlungen entsagungsvoll auf neuer
Grundlage auf. Den Flankenstoß dniesteraufwärts sollte nun Gdl. Both-
mer mit der 3.GID., der 48. RD.1), der 1. ID., der 40. HID. und der
k. u. k. 1. KD. führen, indes Gerok mit der allerdings nur mehr 1100 Ge-
wehre zählenden 38. HID. und einer halben k. u. k. 19. ID. den Dniester
zwischen Ostrów und Zurawno zu sperren und GdK. Marschall mit der
deutschen 5. KD. und dem 7000 Mann starken Korps Hofmann bei
Stanislau und gegenüber Jezupol und Halicz die Flanke zu sichern hatten.
Eine halbe 19. ID. wurde als Armeereserve nach Wojnilów befohlen.
Schon auf die Morgenmeldung hin hatte die Heeresleitung in Teschen
der Südarmee die 4. KD., GM. Berndt, zur Verfügung gestellt. Sie sollte,
durch dreieinhalb Infanteriebataillone und vier Batterien verstärkt, an
Stelle der schon in den vorangegangenen Tagen größtenteils auf das
Ostufer der Tysmienica herübergezogenen Gruppe Obst. Rehwald über
Litynia eingreifen. Szurmays Truppen hatten sich dem doppelten Flanken-
angriff Bothmers und Berndts sobald als möglich anzuschließen. Alsbald
mußte sich überdies der bevorstehende Angriff der 2. Armee (S.453)
zugunsten Szurmays fühlbar machen.
Der 10. Juni brachte dem linken Flügel Linsingens insoferne eine
Entlastung, als sich der Feind nach den Anstrengungen der Vortage
ziemlich untätig verhielt. Links der Tysmienica drängte GM. Berndt
die Russen gegen Litynia zurück. Südöstlich von Zydaczow brach Both-
mer, der seine Truppen ohne Zwischenfall über den Dniester zurückge-
führt hatte, aus der Linie Zurawno—Nowe Siolo zum Angriffe vor.
Gerok bezog, bei Ostrów an Hofmann anschließend, im Rücken Both-
mers die Dniestersicherung.
Am 11. arbeitete sich Bothmer näher an 2ydaczow heran. Die 1. ID.
erstürmte einen von den Russen gegenüber von Holeszów angelegten
Brückenkopf, die 3.GID. und die 40. HID. drangen, jenseits des Stryj-
flusses von der 1. KD. begleitet, über Ruda nordwärts vor. Weiter links
gewann, von Linsingen aufgefordert, die auf kaum mehr als Bataillons-
stärke zusammengeschmolzene 128.HIBrig. nordöstlich von Tejsarów
einigen Raum.
Am 12. erkämpfte sich Bothmer 2ydaczow und drang bis an die nach
*) Eine Brigade dieser ursprünglich zum Korps Gerok gehörenden Division be-
fand sich schon seit 19. Mai im Verbände des Korps Bothmer.
465
Osten führende Bahn vor. Teile der 48.RD. und derGarde schwenkten »
Flanken- und Rückenschute gegen den Dniester ein. Die l.KD. focht
westlich von Zydaczow, die auf 2000 Streiter zusammengeschmolzene;
40. HID. trat wieder unter die Befehle Szurmays, dessen Korps zum An-
griff überging und Derzów sowie die Höhen südlich von Bilcze und von
Medenice gewann. Am äußersten linken Flügel, im Bereiche der Gruppe
GM. Berndt, wurde die 51. HID. der 2. Armee zum Vorstoß auf Mikola-
jów eingesetzt. Ihr Führer, FML. Kornhaber, dem auch GM. Berndt
unterstellt wurde, blieb an die Befehle des 2. Armeekmdos. gewiesen.
Die Streiter Berndts drangen in Litynia ein, ohne jedoch festen Fuß
fassen zu können.
Am 13. rannte sich der Stoß Bothmers an der Bahn östlich von
Zydaczow fest. Gegen den rechten Flügel Szurmays unternahm der Feind
neuerlich heftige Angriffe, die von der 128. HIBrig. mit Aufopferung
abgewiesen wurden. Der linke Flügel nahm Bilcze und die Höhen bei-
derseits von Letnia. Der Druck der Gruppe FML. Kornhaber bei Litynia
stieß auf stärkste Gegenwirkung, wobei es nicht ohne Schwankungen in
der Gefechtslage abging.
Während sich dies bei Stryj begab, war es auch am rechten Flügel
der Südarmee zu wechselvollen Kämpfen gekommen. Dort hatte — dank
einem abgehorchten russischen Funkspruch nicht überraschend -— der
Russe mit Reiterei und Infanterie am 11. Juni die Kavallerie Marschalls
angegriffen und auf die Vorstädte von Stanislau zurückgedrückt. Mar-
schall zögerte nicht, der Parade den Gegenhieb folgen zu lassen. Er warf
die Eindringlinge am 12. über die untere Worona und erreichte tags
darauf die Gegend südlich von Mariampol.
Das Korps Hofmann erzielte vor Halicz einigen Fortschritt.
Der Zwischenfall von Stanislau bereitete dem Führer der Südarmee
in der sonst recht gespannten Lage keine besondere Sorge. Denn die
rechts anschließende k. u. k. 7. Armee, mit deren westlichster Kolonne
Marschall bei seinem Vorgehen gegen den Dniester engste Fühlung hielt,
hatte durch ihr stetes Vordringen der Südarmee in diesen Tagen den
verläßlichsten Flanken- und Rückenschutz gewährt.
Vorstoß Pflanzers an den Dniester und neuerliche Krise bei der
Südarmee
Auf die Mitteilung hin, daß Linsingen gezwungen sei, das Schwer-
gewicht seiner Kriegshandlung mehr nach Westen zu verlegen und hiezu
n
30
4 66
Von Gorlice bis Lemberg
das Korps Gerok bei Stanislau aus der Front zu ziehen, hatte Pflanzer-
Baltin am 9. abends die Umlenkung seines linken Armeeflügels aus nord-
östlicher in streng nördliche Richtung eingeleitet (S. 459). Indes der rechte
Flügel, gegen Bessarabien durch das XI. Korps gedeckt, Buczacz als all-
gemeines Vorrückungsziel zugewiesen erhielt, hatte der linke Flügel über
Tlumacz den Dniester abwärts von Mariampol zu gewinnen. Das Armee-
kmdo. entschloß sich zu dieser Änderung nur ungern, da es im Hinblick
auf Rumänien das Schwergewicht der Kriegshandlung lieber gegen den
rechten Armeeflügel hin verlegt hätte, was in absehbarer Zeit nun auch
nicht mehr möglich war.
Das XI. Korps, FML. Korda, schwenkte bis zum 12. unter steten
Kämpfen in glühend heißer Sonne in die Linie Boj an—Kalinkowcy auf.
Während die 6. KD. und die wieder den Befehlen Kordas unterstellte
5. HKD., zu einem Kavalleriekorps GM. Freih. v. Apór vereinigt, gegen
Rukszyn vorzustoßen hatten, wurde die Hauptkraft des XI. Korps ange-
wiesen, mit starkem linkem Flügel vorzugehen und die gegenüberstehen-
den feindlichen Kräfte wennmöglich gegen Rumänien abzudrängen. Doch
schon am 13. kam der Angriff der ermüdeten, ausreichender Artillerie-
unterstützung entbehrenden Streiter Kordas gegenüber dem zum Teil
schon auf russischem Boden fechtenden XXXII. Korps des Feindes ins
Stocken. Schließlich gab der Russe einen weiteren Schritt nach, indem er
Nowosielica räumte und im Norden gegen Wladiczna und — vor der
6. KD. — auf Rukszyn zurückwich. Das Korps Korda noch weiter nach
Bessarabien hineinzutreiben, lag nicht mehr in der Absicht Pflanzers.
Er befahl ihm, sich mit dem Erreichten zufrieden zu geben.
Am rechten Flügel der Hauptkräfte Pflanzers setzte die Gruppe
FML. Kaiser, unter Kämpfen über Horodenka heranrückend, in der Nacht
auf den 11. vier Bataillone über den Dniester, denen tagsüber weitere
Kräfte folgten, indes GM. Graf Herberstein mit der 10. KD. Zaleszczyki
zu besetzen vermochte. Pflanzer trug der Gruppe Kaiser auf, die Höhen
nördlich von Uscieczko zu gewinnen, womit die Dniesterfront Letschitzkis
zum größten Teil der Aufrollung ausgesetzt worden wäre. Aber der
Russe erkannte die hier drohende Gefahr und setzte schon am 12. dem
weiteren Vordringen der Gruppe, in deren Front auch die 10. KD. ein-
rückte, heftigen Widerstand entgegen.
Inzwischen war links vom FML. Kaiser die Gruppe FML. Kraut-
wald unter erfolgreichen Kämpfen am 11. vor dem die Höhe A 377
umschließenden Brückenkopf von Czernelica angelangt, den sie in der
darauf folgenden Nacht anzugreifen begann. Die Gruppe FML. Czibulka
Fall des Brückenkopfes Niizniów
467
(15., 36. und 5. ID.) hatte am 11. die Höhen westlich von Nie±wiska und
nordöstlich von Chocimierz erstürmt und nachmittags die Straße Niez-
wiska—Jezierzany überschritten. Gdl. Rhemen zwang am gleichen Tage
mit den ihm unterstehenden Heereskörpern, der 6. ID., der Gruppe FML.
Schönburg und der 8. KD., den Feind zum Rückzug aus seinen Stellungen
westlich von Chocimierz und beiderseits von Tarnowica Polna und ver-
mochte noch die Höhen südwestlich und südöstlich von Tlumacz in Be-
sitz zu nehmen. Am 12. erreichten die Regimenter Czibulkas und Rhe-
inens, die Russen vor sich hertreibend, die Höhen nördlich von Olesza,
Tlumacz und Tysmienica, während am linken Flügel die 8. KD. die Ver-
bindung mit den Reitern Marschalls herstellte (S. 465).
Am 13. Juni vormittags gab der Armeeführer den Unterbefehls-
habern seine weiteren Absichten bekannt. Die Gruppe Gdl. Rhemen hatte
den Brückenkopf von Ni£niow zu nehmen und dann an der Dniester-
strecke zwischen diesem Punkte und Mariampol haltzumachen. Krautwald
und Kaiser hatten sich vorläufig mit den erkämpften Stellungen zu be-
gnügen, während dem FML. Czibulka die Aufgabe zugedacht war, mit
„allen freiwerdenden Kräften in der Direktion auf Koropiec und Potok
Zloty die feindliche Front zu durchbrechen".
Der Russe versuchte am 13. Juni, das weitere Vorgehen Rhemens,
dem für den Angriff auf Ni±niow auch Czibulka unterstand, durch einen
heftigen, aber erfolglosen Gegenstoß aus dem Brückenkopf aufzuhalten.
Am 14. erreichte der linke Flügel der Gruppe Schönburg unterhalb von
Mariampol den Dniester, indes ihre Hauptkraft gemeinsam mit der 6., der
5. und der 36. ID. die Verschanzungen von Ni£niow umklammerte. Am
nächsten Tage fiel der Brückenkopf in die Hände der Angreifer, das
XXX. Russenkorps wich mit allen Teilen auf das Nordufer des Flusses.
Weniger von Glück begünstigt waren in diesen Tagen die vor
Czernelica und bei Zaleszczyki fechtenden öst.-ung. Heeresverbände, die
nunmehr alle an die Befehle des FML. Krautwald gewiesen waren. Sie
blieben nicht nur festgebannt, sondern mußten sich, zumal bei Za-
leszczyki, auch schwerer russischer Angriffe erwehren, deren Abweisung
viel Kraft und Blut kostete. Einem erbeuteten russischen Befehl wurde
die Absicht des Feindes entnommen, unterhalb von Zaleszczyki durch-
zubrechen. Die Lage in diesem Raum mochte den Russen für ein solches
Unternehmen wirklich verlockend erscheinen, da zwischen Zaleszczyki und
dem linken Flügel Kordas eine 40 km breite, nur von schütter aufgestellten
Kavallerieposten beobachtete Lücke klaffte. GdK. Pflanzer beeilte sich
daher vor allem, das weit vorgeschobene XI. Korps in die Linie Bojan—
30*
468
Von Gorlice bis Lemberg
Horoszowa zurückzunehmen. Die Gruppe Obstlt. Papp und die Polen-
brigade hatten sich westlich und nördlich von Bojan, die Domobranzen
der 42. HID. bei Toporoute einzugraben, die beiden Reiter divisione«
(5. HKD., 6. KD.) nordwärts davon bis zum Dniester festzusetzen. Außer-
dem wurde die schon hinter die Gruppe Krautwald genommene 8. KD.,
FML. Lehmann, nach Zastawna befohlen, damit sie nördlich davon im
Anschluß an die bei Zaleszczyki stehende 10. KD. die Dniestersicherung
übernehme.
Während Pflanzer auf solche Weise in zäher Verfolgung des Feindes
an der ganzen Front den Dniester gewonnen hatte, war die Südarmee
neuerlich in eine kritische Lage geraten. Noch am 13. hatte Linsingen den
beiden Heeresleitungen gegenüber seine Anschauungen dahin zusammen-
gefaßt, daß die Armee „mit einer auf 19.850 deutsche und 24.681 öst.-
ung. Gewehre und Karabiner gesunkenen Gefechtskraft1) schwereren Auf-
gaben als bisher gegenüberstände: den Angriffen eines weit überlegenen
Feindes und den Ansprüchen eines stark vergrößerten Operations-
raumes2)". Die Rufe Linsingens verhallten nicht ungehört. Abgesehen
davon, daß das AOK. Teschen alles daran setzte, die öst.-ung. Heeres-
verbände der Südarmee möglichst bald aufzufüllen, kamen die beiden
Generalstabschefs überein, die 101. und die 105. ID. aus Südungarn
nach Stryj überführen zu lassen.
Inzwischen brandete gegen den linken Flügel der Südarmee am
14. und 15. noch ein schwerer russischer Angriff heran, der offenbar
mit den verzweifelten Versuchen des Feindes zusammenhing, Ostgalizien
doch noch zu behaupten. Das Korps Bothmer wurde am ersten der beiden
genannten Tage von der Bahn östlich von 2ydaczow bis in die Höhe von
Holeszow zurückgeworfen; russische Garde hatte eingegriffen. Deutsche
Gegenstöße konnten den Raumverlust nur zum Teil wettmachen. Die
Gruppe Szurmay vermochte bis gegen Mittag alle Anstürme der Russen
abzuschlagen, wurde aber dann bei Derzów und bei Bilcze eingedrückt,
während sich die anderen Frontteile noch behaupteten. Die Gruppe
FML. Kornhaber erlitt bei Hruszów einen nicht unempfindlichen Rück-
schlag; doch stellte ein ungesäumt einsetzender Gegenangriff die Lage
alsbald fast völlig wieder her.
1) Die beiden Honvéddivisionen (38. und 40.) zählten jede wenig über 1000, die
k. u. k. 7. ID. samt den bei ihr eingesetzten Verstärkungen 3600, die 55. ID. 4000 Ge-
wehre. Der Stand der deutschen Divisionen schwankte zwischen 5500 und 6000 Streitern.
Einzig die k. u. k. 19. ID. konnte mehr als 10.000 Feuergewehre ausweisen.
2) Reichsarchiv (Manuskript).
Abermaliger Rückschlag bei Szurmay
469
Am 15. hielt der Russe gegenüber Bothmer mit seinen Angriffen ein.
Umso heftiger setzte er den zu Bataillonshäuflein zusammengeschmolzenen
Divisionen Szurmays zu. Der Hauptstoß des Feindes erfolgte in besonders
empfindlicher Richtung beiderseits der Straße nach Stryj. Der Kampf
wurde vielfach von Mann gegen Mann geführt, ein oder der andere
Frontabschnitt Szurmays von den Russen im Rücken gefaßt. Das im
Brennpunkt fechtende IR. 37 zählte, als es sich aus dem Handgemenge
löste, nur mehr 150 Mann. Schwer erschüttert standen am Abend die
Kämpfer Szurmays in der Linie Tejsarów—Wolica—Letnia, indes die
Gruppe FML. Kornhaber wie am Vortage gegenüber von Litynia hielt.
Der Befehlshaber der Südarmee war durch die Tatsache schwer be-
troffen, daß der Russe abermals auf bedrohliche Nähe an Stryj heran-
gekommen war. Er befahl ungesäumt, daß die 38. HID. in der Dniester-
sicherung durch die noch als Armeereserve ausgeschiedene halbe 19. ID.
abzulösen sei und zu Szurmay abzurücken habe. Außerdem gab Bothmer
einige deutsche Bataillone ab, die am 16. gerade noch zurechtkamen, an
der Abwehr eines gegen Wolica gerichteten russischen Teilangriffes mit-
zuwirken. Sonst verhielt sich der Russe an diesem Tage ziemlich ruhig.
Hartes hatten die Truppen verbände der Südarmee hinter sich, vor allem
das Korps Szurmay, dessen Führer in einem Bericht an die Heeresleitung
hervorhob, daß selbst die Kämpfe am Uzsokpasse mit denen nördlich
von Stryj nicht zu vergleichen seien. Nun aber neigte die Krise ihrem
Ende zu, denn der Druck der Verbündeten östlich von Przemysl zwang
die Russen, auch die blutgetränkten Stätten südlich von Mikolajów
endgültig aufzugeben.
Die Durchbruchschlacht bei Mosciska und Lubaczów
(12. bis 15. Juni)
Hiezu Beilage 24
Die Fortführung der großen Offensive nach Ostgalizien wurde am
12. Juni durch den Übergang der inneren Flügel der 11. und der 4. Ar-
mee über die Lubaczówka und den San eingeleitet (S. 453). Die 119.ID.
des Korps Behr und die am rechten Flügel des k. u. k. XVII. Korps ein-
gesetzte deutsche 22. ID. stießen frühmorgens auf das vom Feind be-
setzte Ufer vor und bahnten sich trotz des heftigen Widerstandes des
III. kauk. Korps den Weg in die russischen Stellungen. Einige Unruhe
erzeugte es bei den höheren Befehlsstellen bis zum AOK. in Teschen
hinauf, daß die 26. SchD. gegenüber von Sieniawa nicht so rasch das hier
470
Von Gorlice bis Lemberg
sehr stark und wachsam besetzte Ostufer des Flusses gewann. Nach-
mittags glückte der Übergang jedoch auch hier und gegen Abend durch-
schritt die Front der 26. SchD. den Ort Sieniawa, während rechts von
ihr die deutsche 22. ID. anschloß, und noch weiter östlich die 119. bis an
die Waldränder nordwestlich von Radawa vorgedrungen war. Im Be-
reiche des XVII. Korps waren zwei Kriegsbrücken über den San gelegt.
Am 13. Juni erzitterte von 4hmorgens an die Luft von dem Donner,
der aus 700 Kanonen- und Haubitzrohren dröhnte. Zahlreiche schwere
und schwerste Mörser wuchteten hinein. Tausend-und abertausendfaches
Krachen vermengte sich mit dem vielstimmigen Geheul der in den Lüf-
ten schwirrenden Geschosse zu einem betäubenden Getöse. Von Mos-
ciska bis an die Lubaczówka wirbelten aus wogenden Feldern, aus Wiesen,
Waldrändern und Ortschaften schwere, dicke Säulen von Rauch auf, und
stiegen dichte Staub wände dem blauen Frühlingshimmel entgegen. We-
nige hundert Schritte entfernt von dieser Zone der Vernichtung hielten
sich in mannstiefen, vielverzweigten, teilweise in emsiger Arbeit weniger
Nächte so weit vorgetriebenen Gräben 120.000 Männer zum Sturm be-
reit. Da standen die Soldaten aus Ungarn, Mähren, Schlesien und Gali-
zien zwischen Männern aus allen Gauen des Deutschen Reiches von den
Hängen der Alpen bis zur Nord- und Ostsee an den in Eile gezimmerten
Sturmleitern und den breiten, in die vordere Grabenwand gehauenen
Ausfalltreppen und schauten mit der Uhr in der Hand gebannt das
großartige Schauspiel der Vernichtung, das ihnen den Weg in den Feind
bahnen sollte. Dort drüben aber schlugen 90 Minuten lang in jeder Se-
kunde Hunderte von Granaten tiefe Löcher in den sandigen Boden, trafen
Gräben und Unterstände, rissen Fetzen von Drahthindernis und Holz-
trümmer aus der Stellung in die rauch- und staubschwangere Luft. Und
als der Minutenzeiger die befohlene Stunde wies, da stürzten sich alle
die tausende Männer aus ihren deckenden Gräben und stürmten dem
Feinde entgegen.
Die Meldungen, die im Laufe des Vormittags über das Fortschreiten
des Angriffes bei dem jetzt drei Armeen befehligenden Oberkmdo.
Mackensen eintrafen, entsprachen vollkommen den Erwartungen.
Das XXXXI. RKorps hatte die breite, teilweise versumpfte Wisz-
nianiederung rasch hinter sich gebracht; heiß kämpfend drang es lang-
sam auf den Hängen des östlichen Ufers vor. Auch beim k. u. k. VI. Korps
schritt der Angriff rüstig vorwärts. FML. Arz hatte sich um 4h30 vorm.
mit seinem Stabe nach Nienowice begeben. Schon im ersten Anlaufe
drangen die IR. 3 und 56 der 12. ID. in die vordersten Russenstellungen
Neuerlicher Einbruch in die Russenstellungen
471
ein und stießen ostwärts vor. 1500 Gefangene wurden dabei eingebracht.
Härter ging es bei der 39. HID., wo ein stark befestigtes, von der Ar-
tillerie nicht niedergekämpftes Wäldchen am linken Flügel das Vorgehen
empfindlich hemmte und erst gegen Mittag genommen werden konnte.
Die Mitte und der rechte Flügel der Division hatten gleichfalls den
ganzen Vormittag um den Waldrand südöstlich von Kalników zu ringen.
In den Nachmittagsstunden konnten aber beide Divisionen ihre Angriffe
bereits gegen die zweiten und dritten russischen Linien richten, die zum
Teil erstürmt werden mußten, zum Teil schon nach kurzer, kräftiger
Beschießung durch Artillerie — die beiden Hauptwaffen arbeiteten ein-
ander glänzend in die Hände — geräumt worden waren.
Noch günstiger ließen sich die Erfolge beim preußischen Gardekorps
an. Nach der Wegnahme der vordersten Schützengräben war hier an
den inneren Flügeln der beiden Divisionen aufflackernder Widerstand
noch vormittags gebrochen, und dann kräftigst nachgestoßen worden.
Ebenso drang das XXII. RKorps nach erbitterten Ortskämpfen in die
dichte Waldzone östlich von Miekisz Nw. ein; das deutsche X.Korps
überschritt die Lubaczówka in nordöstlicher Richtung.
An der ganzen Front wechselten bis in den späten Nachmittag harte
Kämpfe mit entschiedener Verfolgung von Stellung zu Stellung. In der
Linie Czerniawa—Malnów—Lukowa—Kobylnica—Polanka hielten die
siegreichen Streiter Mackensens zu kurzer Nachtruhe.
Das komb. Korps Behr am linken Flügel hatte in den Wäldern nörd-
lich von Radawa enge Fühlung mit der Armee Erzherzog Joseph Ferdi-
nand gehalten. Es hatte dort seine schon zur Ablösung durch Teile des
k. u. k. XVII. Korps bestimmte 119. ID. heftiger Kämpfe halber noch an
der Seite der k. u. k. 11. ID. belassen müssen. In hartem Ringen gelang
es dem rechten Flügel der 4. Armee, seinen am Vortage eingeleiteten
Erfolg auf dem östlichen Sanufer zu erweitern. Frühmorgens bemäch-
tigte sich die 26. SchD. der ganzen alten Brückenkopf Stellung von Sie-
niawa, und um 10hvorm. fiel auch die beherrschende Höhe südlich von
Dobra (Jurowa Gora) in ihre Hand. Inzwischen war eine Brigade der
10. ID. hinter dem XVII. Korps über den San gezogen worden. Sie stieß,
verstärkt durch zwei Bataillone der 26. SchD., bis zum Abend sanabwärts
über Piskorowice hinaus, von wo sich nun die Stellung der Verbündeten
über die Höhen südlich von Dobra bis in die nach wie vor von heftigstem
Kampflärm widerhallenden Waldungen nördlich von Radawa hinzog.
Am linken Flügel setzten nun auch schon weitere Teile des IX. Korps
(106. LstlD.) über den Fluß.
472
Von Gorlice bis Lemberg
Nicht so sehr in die Augen springend schien das Ergebnis des ersten
Schlachttages bei der 2. Armee zu sein. Den Absichten des Armeeführers
entsprechend hatte vorerst nur der stark gehaltene linke Flügel, das
Beskidenkorps und das k. u. k. IV. Korps, zusammen sieben Divisionen,
den Angriff der 11. Armee mitzumachen. Dem XIX. Korps war im An-
schluß daran noch die Gewinnung einiger Punkte vor seiner Front auf-
getragen worden.
Das Beskidenkorps setzte sich am linken Flügel im ersten Ansturm
rasch in den Besitz einer feindlichen Vorstellung; gleich darauf wies es
einen nördlich der Bahn vorbrechenden Gegenangriff ab. Die besonders
stark befestigte Hauptstellung, an die sich die Divisionen in den folgen-
den Stunden heranarbeiteten, erwies sich aber noch nicht als sturmreif.
In der Gesamtheit konnten die Verbündeten mit den bis zum 13. er-
rungenen Erfolgen zufrieden sein. Daß der Feind, in der Mitte durch-
brochen, erst in einer neuen Stellung entschieden Widerstand zu leisten
suchen werde, war anzunehmen. Ob dies bereits in der aus Fliegermel-
dungen bekannten, nur 15 bis 20 km hinter der durchbrochenen Stellung
ausgebauten Linie Mokrzany Wk.—Krakowiec—Oleszyce geschehen werde
oder erst in der gleichfalls bekannten, zum unmittelbaren Schutz von
Lemberg auf das stärkste befestigten Stellung von Gródek und Ma-
gierów, stand dahin. Jedenfalls mußte der Stoß am 14. auf der ganzen
Linie mit größter Entschiedenheit fortgesetzt werden.
Tatsächlich begannen die Russen schon im Laufe der Nacht sich von
ihren Verfolgern loszulösen. Die am 14. zeitlich früh startenden Flieger
sahen allenthalben lange Kolonnen von Truppen und Troß teilweise in
großer Verwirrung auf dem Rückmärsche; die Russen drängten sich
besonders auf der über Jaworów ostwärts führenden Straße. Große
Trainparks stauten sich bei Magierów und Niemirów. Um den Bahnhof
von Mosciska wüteten mächtige Brände, sichere Anzeichen jedes russi-
schen Rückzuges. Aber der Feind fand doch schon in der nächsten Stel-
lung ausreichenden Rückhalt.
Zwischen Mosciska und dem Wk. Bloto griff die Masse der 2. Armee
am Morgen des 14. in kräftiger Verfolgung zu. Es zeigte sich, daß der
linke Flügel der 8. Russenarmee seine Linien gleich in einem Zuge weit
abgesetzt hatte. Erst zu Mittag und am Nachmittag stießen die Verfolger
bei Mokrzany Wk., westlich von Stojance und westlich von Bonów auf
neuen Widerstand.
Um 11h vorm. entwickelte sich das XVIII. Korps zum Angriff auf
Kupnowice Str.—Mokrzany Wk. und auf die Höhen nordwestlich von
Vorstoß der 2. Armee über die Wisznia
473
diesem Orte. Bald darauf überschritt auch das XIX. Korps Podliski und
die Sannikiniederung.
An der Front beider Korps entspannen sich am Nachmittag hart-
näckige Kämpfe, die bis tief in die Nacht hinein währten. Während sich
die Masse der 9. ID. zusammen mit der l.LstlBrig. von 4h nachm. an
zwischen Wiszenka und Koscielniki an den Wiszenkabach heranarbeiteten,
ohne die Russen von den Rücken nördlich und südlich von Mokrzany Wk.
zurückwerfen zu können, stürmte am rechten Flügel das Egerländer
IR. 73, unterstützt durch die Artillerie des noch in der alten Stellung
verbliebenen V.Korps, um 9h abends eine schon seit Mittag heiß um-
strittene Höhe östlich von Wankowice.
Nördlich vom XVIII. Korps kam die 29. ID., ihren Angriff nachts
fortsetzend, noch einige Kilometer über Podliski hinaus; östlich von
Sanniki rückte sie dem Feinde bis auf 800 Schritte an den Leib, indes die
13. SchD. bereits die Drahthindernisse der südwestlich von Sto janee liegen-
den Stellung erreichte. Sie wollte noch in der Nacht zum Sturm schreiten.
Tüchtigen Raumgewinn hatte das IV. Korps zu verzeichnen. Mit drei
Divisionen im ersten Treffen (31. ID., 43. SchD., 27. ID.) war es bald
nach Mittag über die Linie Lipniki—Laszki-Goscincowe hinweggeschrit-
ten und mit dem linken Flügel über die Wisznia bis Wola Arlamowska
gekommen. Nachdem es am Abend seine Linien noch bis an den Ostrand
dieses Ortes und nach Twierdza vorgetragen hatte, setzte es die 31. ID.
zum Angriff auf die Höhen nördlich von Stojance, die Hauptkraft
(27. ID. und 43. SchD.) zum Stoß beiderseits der Bahn gegen Osten an.
Am linken Armeeflügel überschritt das Beskidenkorps vormittags in
breiter Front die Wisznia und erreichte nach 2h nachm. Sokola und den
Raum südlich davon. In der allgemeinen Richtung auf Bonów weiter-
schreitend, fand es westlich und südlich von diesem Orte jedoch so ent-
schiedenen Widerstand, daß dessen Niederringung auf den kommenden
Tag aufgeschoben werden mußte.
Im Anschluß an das Beskidenkorps nahm das XXXXI. RKorps um
7h vorm. die Verfolgung auf. Erst gegen Mittag stieß es auf den Feind,
rang in den Abendstunden schwer um die Höhen von Sarny, konnte aber
nicht durchdringen.
Beim k. u. k. VI. Korps war für 5h früh der Angriff zur Gewinnung
des Raumes von Krakowiec befohlen worden. Die Feindaufklärung er-
gab bald, daß beim Teich von Krakowiec und südlich davon mit neuem
Widerstand gerechnet werden müsse. Als die beiden Divisionen nach
9hvorm. auf die vom Feinde nicht besetzten Höhen östlich von Gnojnice
474
Von Gorlice bis Lemberg
vordrangen, sahen sie die Brücken von Krakowiec in Flammen und die
letzten Wagen einer langen Troßkolonne den Ort verlassen. Aber von
der Straße Krakowiec—Sarny her empfing die 39. HID. bald heftiges
Feuer. Zwar gelang es ihr, nach Mittag einige Punkte an der Straße in
hartem Kampfe in Besitz zu nehmen, dann aber stockte der Angriff; der
Sumpfrand östlich vom Teich war stark besetzt.
Nördlich von Krakowiec sowie auf den Höhen südwestlich und west-
lich von Wk. Oczy stießen die k. u. k. 12. ID. und das Gardekorps in den
Mittagsstunden auf eingegrabenen Feind. Ein um 3h30nachm. gemein-
sam angesetzter Angriff führte zu vollem Erfolge. Während der linke
Flügel der 12. Division sich in schwerem Kampfe in den Besitz starker
Stellungen westlich von Swidnica setzte, entriß die Garde nach stunden-
langem, heißem und opferreichem Ringen den kaukasischen Grenadieren
und der 34. Russendivision die zäh verteidigten Höhen von Wk. Oczy.
Die 1. GID. drang kämpfend durch den Ort, beide Gardedivisionen über-
schritten, russische Gegenstöße kräftig abwehrend, die breite Bachniede-
rung und strebten den flachen Höhen auf deren Ostufer zu.
Gegen Abend schob auch die 12. ID. an ihrem linken Flügel noch
ein Bataillon nach Swidnica vor, indes sich die Masse bei Ruda Kocha-
nowska für die Nacht einrichtete. Gerüchte wollten wissen, daß der Russe
Krakowiec durch den Gegenangriff von mindestens einer russischen Divi-
sion zurückzugewinnen trachten werde. Man traf die notwendigen Vor-
kehrungen, aber der Angriff kam nicht. Abends nahm die 39. HID.
zusammen mit dem linken Flügel des XXXXI. RKorps noch einen starken
Stützpunkt westlich von Morance.
Nicht weniger entscheidend gestalteten sich die Ereignisse beider-
seits der Lubaczówka1). Hier drang das XXII. RKorps in dem dichten,
wegarmen und unübersichtlichen Waldgebiet nordwestlich von Wk. Oczy
unter harten, durch die Unmöglichkeit geregelter Artillerieunterstützung
erschwerten, aber trotzdem erfolgreichen Kämpfen über die Lukawiec-
niederung vor. Unter gleich schwierigen Verhältnissen, aber nicht minder
erfolgreich, gewann das deutsche X. Korps beiderseits von Bahn und
Straße nach Oleszyce Raum. Es hatte noch am Abend des 13. heftig um
die Ortschaften und Waldränder auf dem Nordufer der mittleren Lu-
baczówka gestritten und dort den erbitterten Widerstand « des XXIX. und
des V. kauk. Korps — der inneren Flügel der 3. und der 8. Russenarmee
— erst gegen Mittag des 14. zu brechen vermocht. Dann aber stieß die
*) Müller-Brandenburg, Die Schlacht bei Gródek—Lemberg (Der große
Krieg in Einzeldarstellungen, Heft 34, Oldenburg 1918), 31.
In der Verfolgung auf Lubaczów
475
20. ID. zwischen der nun zu nordöstlichem Lauf gewendeten Lubaczówka
und der nach Lubaczów führenden Bahn bis auf gleiche Höhe mit dem
XXII. RKorps vor, indes die 19. ID., südwestlich von Sucha Wola an die
20. anschließend, die Waldzone überwand und an der großen Straße
nach Oleszyce das Dorf Lipina in Besitz nahm. Nur der linke Flügel
hing in dem Walde nordwestlich dieser Straße etwas zurück, da das
Korps Behr noch bei Radawa festlag.
Um die Mittagsstunde stand das Oberkmdo. Mackensen nach den
Meldungen der 2. Armee und der eigenen Korps unter dem Eindrucke,
daß das Zurückweichen des Feindes zu einem tiefgreifenden Rückzug
ausarten müsse, wenn es gelang, ihm durch entschlossenes Zufassen auch
die ersten Ansätze zu neuer Abwehr zu zerstören. Es wurde daher den
Armeen nachdrückliche Verfolgung aufgetragen, die von der 2. Armee
gegen die Linie Chlopy—Bruchnal (südöstlich von Jaworów) vorzutragen
und von der 11. Armee bis an die breite, zusammenhängende Waldzone
zu führen war, die sich in einem großen Bogen von den nördlichsten
Gródeker Teichen gegen Wierzbiany und Niemirów, dann nördlich der
Zawadówka gegen Lubaczów erstreckt und sich westlich des Hügel-
landes von Oleszyce gegen die von Sieniawa nach Tarnogród führende
Straße in den Bereich der 4. Armee fortsetzt. Diese Armee sollte durch
Vorgehen über Cewków—Tarnogród die linke Flanke der 11. Armee
auch weiterhin decken. Die Korps der 11.hatten alles daranzusetzenden
Raum bei Lubaczów und westlich davon, die Zawadówka sowie die
von Wierzbiany nach Jazów Stary führende Straße und die Gegend
westlich von Jaworów'möglichst noch am Abend des 14. Juni zu er-
reichen. Von den Armeereserven sollte die ll.bayr. ID. dem XXXXI. R-
Korps auf Malnów, die 8.bayr. RD. dem k. u. k. VI. Korps auf Zaleska
Wola, die Brigade Obst. v. Reuter dem linken Armeeflügel auf Ryszkowa
Wola an der mittleren Lubaczówka folgen. In ähnlicher Weise hatte auch
das 2. Armeekmdo. im Sinne des vom GO. Mackensen erhaltenen Be-
fehles seinen Angriffskorps weitreichende Ziele gegeben. Ihnen zufolge
hatten das V. Korps auf Gródek, die drei nördlich anschließenden Korps
aber an dem Nordrand der Gródeker Teiche vorbei in der allgemeinen
Richtung auf Janów loszustreben.
Die Ergebnisse des Tages waren dann freilich, wie bereits gezeigt
wurde, trotz aller Tapferkeit und Ausdauer der Truppen wesentlich
hinter diesen weit gesteckten Zielen zurückgeblieben. Die Russen hatten
sich, wenn auch unter empfindlichen Verlusten, tüchtig gewehrt. Ihre
zweite Stellung hatte ihnen dabei nicht nur eine starke moralische Stütze,
476
Von Gorlice bis Lemberg
sondern auch tatsächlich Rückhalt geboten, da sie mit bewährtem Ge-
schick angelegt und in wochenlanger Arbeit gut ausgebaut war. Sie war
auch nur vom k. u. k. VI. Korps und der Garde durchbrochen, vom rech-
ten Flügel des XXII. RKorps genommen, sonst aber überall durch den
Verteidiger behauptet worden. An der Durchbruchstelle aber war es den
Russen gelungen, die Lücken in ihrer Front durch schleunigst heran-
geführte Verstärkungen wieder auszufüllen. So waren während der
Kämpfe vor der Garde und dem VI. Korps je eine neue Division fest-
gestellt worden. Eine weitere Division sollte nach eingelaufenen Nach-
richten neben anderen in Bildung begriffenen Reserven dahinterstehen.
Der Oberkommandant der russischen Südwestfront hatte aus dem
Verlauf der Maioffensive der Verbündeten und aus der Versammlung
starker Kräfte im Räume Sieniawa—Radymno erkannt, daß bei einem
Vorstoß der Verbündeten gegen Rawa Ruska die 3. und die 8. Armee
Gefahr liefen, getrennt und einzeln umfaßt zu werden. Diese Besorgnis
hatte schon in der Bereitstellung namhafter Reserven im Räume um
Lubaczów Ausdruck gefunden (S. 452). Als nun die seit dem 12. im Gange
befindlichen Kämpfe durch ihre doppelte, nach Norden und Osten
zielende Stoßrichtung diese Befürchtung bestätigten, verfügte Iwanow
am 14. nachmittags die Bildung einer besonderen Armeegruppe im Räume
um Lubaczów. Diese der 3. Armee angegliederte, dem Gen. Olochow un-
mittelbar unterstellte Gruppe sollte außer den schon nächst Lubaczów
befindlichen Korps — XXIX., II. kauk. und V. kauk. — noch das
XXIII. Korps und das IV. Kavalleriekorps umfassen.
Die Gruppe Olochow hatte die Marschlinien gegen Lublin—Wladi-
mir-Wolynski zu sichern, die Verbindung zur 8. Armee zu besorgen und
sich im übrigen bereit zu halten, dem Gegner in die Flanke zu fallen,
wenn er versuchen sollte, den rechten Flügel der 8. Armee zu umgehen1).
Allein zur Zeit, als dieser Befehl ausgegeben wurde, war der größte
Teil der für seine Ausführung bestimmten Verbände bereits in die
Kämpfe südlich Lubaczów hineingezogen worden. Auch die noch nach-
rückenden Teile sollten bald in der allgemeinen Front aufgehen.
Die Verbündeten hatten, die vom Oberkmdo. Mackensen am Vortage
erteilten Befehle durchführend, auch am 15. Juni überall noch harte
Kämpfe zu bestehen.
Von Mokrzany Wk. bis Bonow traten die Korps der 2. Armee zum
Angriff auf die Stellungen der gegenüberstehenden sechs Russendivi-
sionen an. Sie trafen überall auf einen zu erbitterter Abwehr entschlos-
!) Nesnamow, IV, 53; Zajontschkowsklj, 306.
Erfolgreicher Kampf des VI. Korps bei Nahaczów
477
senen Feind. Um die bei Mokrzany Wk. hart ringenden Divisionen des
XVIII. Korps zu entlasten, bestimmte das Armeekmdo. am Vormittage
auch das V. Korps zum Eingreifen über Ostrów und Wankowice in nörd-
licher Richtung. Aber es wurde Abend, ehe sich der Angriff auszuwirken
vermochte. Den ganzen Tag über rangen das XVIII. und das XIX. Korps
schwer um die zähe verteidigten Höhen, Orte und Wälder. Als sie sick
ihrer endlich bemächtigten, sank die Nacht herab. Auch beim IV. Korps
tobte beiderseits von der Bahn und um die Höhen nördlich von Stojance,
nur wenige Kilometer östlich der Nachtstellung, während des ganzen
Tages heftigster Kampf. Desgleichen kostete es dem Beskidenkorps Mühe
genug, bis es spät am Nachmittag im Einklang mit dem XXXXI. RKorpy
die Höhen von Bonów im Sturme nahm.
Überaus schwer ließ sich auch das Ringen der 11. Armee an. Trotz-
dem das XXXXI. RKorps nach schweren Nacht- und Morgenkämpfen
über Sarny hinausgestoßen war, gelang es doch nur seinem linken Flügel,
nördlich von dem genannten Orte an den Szklo heranzukommen, wo der
Angriff wieder zum Stehen kam. Ähnlich erging es der 39. HID., die
neben dem HIR. 6 auch die Hauptkraft des IR. 63 nördlich vom Krako-
wiecer Teich zum Angriff auf das am Ostende des Teiches liegende Przed-
borze angesetzt hatte, den Ort aber nicht zu nehmen vermochte.
Umso bedeutsamer waren die Erfolge, die sich die k. u. k. 12. ID.
gemeinsam mit dem Gardekorps als östlichste Spitze des Stoßkeiles er-
kämpfte. Vormittags mußte die 12.ID.mit der 20.und der 34.russischen ID.
südöstlich von Wk.Oczy noch heiß um jeden Fußbreit Bodens kämpfen.
In der glühenden Mittagssonne kam das IR. 57 zwar auf Sturm weite an
die starken Stellungen westlich von Nahaczów heran, konnte sie jedoch
dem Feinde nicht entreißen. Ja es schien sogar, als ob der Russe gerade
hier das Zentrum seines Widerstandes aufrichten wollte. Man hatte zwi-
schen 10hund 12h vorm. Infanteriekolonnen im Anmärsche von Jaworów
in den Raum von Nahaczów gesehen. In den Kämpfen des Nachmittags
wurden Teile von zwei frischen Divisionen festgestellt. Aber ungeachtet
der Gefährdung, der die rechte Flanke der 12. ID. in Anbetracht der
noch immer nicht geklärten Lage der 39. HID. bei Przedborze ausge-
setzt war, wurde der Angriff mit größter Entschiedenheit fortgeführt.
Endlich konnten die russischen Verschanzungen auf den Höhen westlich
von Nahaczów abends gestürmt und die feindlichen Regimenter noch
über diesen Ort zurückgeworfen werden. Teile der 39. HID. suchten An-
schluß an die 12. ID. und stellten die Verbindung zu den noch immer
auf Sturmentfernung vor Przedborze liegenden Truppen her.
478
Von Gorlice bis Lemberg
Das Gardekorps drang nach mannigfachen Kämpfen am Nachmittag
in die russischen Stellungen bei Lipowiec und südöstlich davon ein und
erreichte mit der 2. GID. spät nachts den Waldrand südlich von Hruszów,
während der rechte Flügel unter stetem Ringen auf den Höhen nördlich
von Nahaczów Anschluß an das k. u. k. VI. Korps fand.
Bedeutende Erfolge errangen auch wieder das XXII. RKorps und
das deutsche X. Korps. Jenes gelangte nach ununterbrochenen Kämpfen
in stark durchschnittenem, unübersichtlichem Gelände am Abend an die
Niederung zwischen Hruszów und Lubaczów. Es hatte seine geschwäch-
ten Divisionen schon empfindlich in die Breite ausgedehnt. Noch mehr
war dies beim deutschen X. Korps der Fall, dessen nordostwärts strebende
Front wegen des gleichzeitigen Vordringens der Hauptkräfte Macken-
sens gegen Osten immer mehr gestreckt werden mußte. Im Laufe des
15. Juni erreichte die 20. ID., mit dem rechten Flügel zum XXII. RKorps
ausgreifend, unter Kampf den Südrand von Lubaczów; gleichzeitig ver-
trieb die 19. ID. den Feind aus Oleszyce, wobei es sich nach links gegen
eine zum komb. Korps Behr entstehende Lücke tief staffeln mußte. Damit
war seine Ausdehnung auf gut 20 km angewachsen. Es wurde daher das
Vorziehen der 8. bayr. RD. in die Front westlich von Oleszyce ange-
ordnet. Diese Division sollte vom 16. an zusammen mit der unter heftigen
Kämpfen bis Molodycz gelangten 56. ID. als neues komb. Korps GLt.
Freih. v. Stein den linken Armeeflügel bilden.
Vorstoß östlich und nordöstlich von Sieniawa
Im Sinne seiner großen Aufgabe, sich dem Vormarsche der 11. Armee
unter Sicherung gegen Norden in der Richtung auf Rawa Ruska und
Narol-Miasto anzuschließen, hatte sich das 4. Armeekmdo. die eheste
Gewinnung des Raumes Dzików—Cewków—Tarnogród zum Ziele ge-
setzt. Als die Ereignisse des 13. Juni auf dem östlichen Sanufer gezeigt
hatten, daß das hart kämpfende IX. Korps nur langsam vorwärtskommen
konnte, wurde befohlen, daß dessenungeachtet das XVII. Korps im Ein-
klang mit dem linken Flügel der 11. Armee entschieden nach Nordost
Raum zu gewinnen habe. Das Armeekmdo. stellte dabei bewußt die
Besorgnisse zurück, die ihm schon seit Beginn der neuen Kriegshandlung
daraus erwuchsen, daß sich mit dem Fortschreiten vom San an den Tanew
die Front binnen wenigen Tagen von 34 auf 66 km ausdehnen mußte; ohne
Kräftezuwachs und in Anbetracht der in diesem trockenen Sommer keines-
wegs ungangbaren Tanewregion mußte nicht nur mit zähem Widerstande
Vordringen der k. u. k. 4. Armee auf Cieplice
479
der Russen, sondern gegebenenfalls auch mit einem großen Gegenangriff
des Feindes umso mehr gerechnet werden, als die günstige, den Stoß
der 11. Armee auf Lemberg empfindlich bedrohende Richtung zu einer
solchen geradezu einlud. Das Streben, den linken Flügel der 11. Armee
unmittelbar und unausgesetzt zu begleiten, konnte daher möglicherweise
bald eine Grenze finden, wenn es nicht gelang, trotz der mit dem Vor-
dringen an den Tanew zu gewärtigenden Kämpfe Reserven zu gewinnen.
Der 14. Juni brachte im Bereiche der 4. Armee nur geringe Ver-
änderungen. In dem Waldgebiete nördlich von Radawa drang die 11. ID.
gemeinsam mit ihrem rechten Nachbarn, der deutschen 119. ID., nur
mühsam vor. Auf der Jurowa Gora und nordwestlich davon konnte das
Gelände gegen heftige Russenstürme festgehalten werden. In wechsel-
vollen Kämpfen konnte das IX. Korps bei Piskorowice und südöstlich
davon seine Linien nur um ein Geringes vorwärtstragen. Doch gelang es
nun auch schon dem X. Korps, zwei Divisionen hinter dem IX. Korps
auf das östliche Sanufer vorzuziehen.
Beim XVII. Korps war morgens die zur Abgabe an die 11. Armee
bestimmte deutsche 22. ID. durch Teile der 26. SchD. abgelöst worden.
Da sich die Kampflage in dem zerklüfteten Waldgebiet jedoch äußerst
schwierig gestaltete, wurde die 22. ID. doch noch vorübergehend beim
XVII. Korps belassen. Sie sollte am 15. von der Jurowa Gora gemeinsam
mit der 26. SchD. auf Dobra und die Höhe südöstlich davon durch-
brechen, um von dort aus die feindlichen Stellungen nach Süden und
Norden aufzurollen. Während die 11. ID. im Anschluß an die 119. ID.
den Feind ostwärts zurückzudrücken hatte, erhielt das IX. Korps die
Aufgabe, ehestens den Raum östlich und nordöstlich von Cieplice zu ge-
gewinnen; das k. u. k. X. Korps hatte seinen Raumgewinn auf dem öst-
lichen Sanufer zu erweitern.
Die Durchführung dieser Befehle brachte am 15. unter schweren
Anstrengungen bedeutende Erfolge. Schritt für Schritt erkämpfte sich die
11. ID. die Bubnowa Gora und erreichte bis zum Abend die Radawka-
niederung. Die Masse des XVII. Korps (deutsche 22. ID. und k. k.
26. SchD.) griff nach kurzer, zusammengefaßter Artilleriewirkung am
Vormittag kräftig zu; sie kam bis zum Abend über Dobra hinaus.
Um dem erfolgreichen Vorgehen dieses Korps weiteren Schwung zu
verleihen, wurde ihm die über Sieniawa nachrückende 45. SchD. zu-
gewiesen. Dafür konnte die deutsche 119. ID. jetzt endlich aus der
Front gezogen werden. Sie wurde zunächst Reserve bei Radawa hinter
dem an Stelle des komb. Korps Behr neugebildeten Korps des GLt. Stein.
480
Von Gorlice bis Lemberg
Die ll.HKD. hatte aus der Gegend östlich von Jaroslau dem deutschen
X. Korps ¡zu folgen. Schwieriger wurde es dem IX. Korps, den heftigen
feindlichen Widerstand westlich von Cieplice zu brechen, obwohl ihm
hiezu eine 30.5 cm-JN^örserbatterie und das SchR. 7 mit dem 41. SchBrig-
Kmdo. zugewiesen wurden. Auch das X. Korps gewann mit seiner 2. ID.
auf dem östlichen Sanufer nur wenig Raum. Es hatte in der Nacht auf
den 16. seine 24. ID. bei Piskorowice über den San nachzuziehen.
Erwägungen und Entschlüsse auf beiden Seiten
Der 15. Juni war an der ganzen Front stürmisch bewegt und heiß
verlaufen. Als die gelichteten Reihen der tapferen Streiter Mackensens
vom Dniester bis zum San zu flüchtiger Ruhe kamen, mochten sie es
mit dem Bewußtsein tun, ein schweres Stück Arbeit vollbracht zuhaben.
Sie konnten aber noch nicht ahnen, wie nahe an ein bedeutsames Ziel
sie schon in den nächsten Tagen gelangen sollten.
Dem Oberkmdo. Mackensen war der nachhaltige Widerstand der
Russen an den beiden Tagen unerwartet gekommen. Die 11. Armee allein
hatte 34.000 Gefangene seit dem 13. Juni eingebracht. Auch die bluti-
gen Verluste der Russen mögen in diesen Tagen erheblich gewesen sein.
Man hatte ein breites Loch in ihre zweite Stellung geschlagen und den
Stoßkeil tief hindurchgetrieben. Allein das war nicht ohne Opfer abge-
gangen, und der Feind hatte frische Kräfte in bedeutender Zahl in den
Kampf geworfen. Wollte er hinter der zerbrochenen Stellung die offene
Feldschlacht annehmen ? Den Verbündeten konnte es recht sein. Vielleicht
gelang es, die aus Fliegerbildern bekannten hinteren Stellungen zu über-
rennen, bevor sie genügend stark besetzt waren. Nachdrücklicher An-
griff und rastlose Verfolgung waren somit das Gebot der Stunde. Zumal
die 2. Armee hatte alles daranzusetzen, um möglichst gleichzeitig mit
dem Feinde in die Wereszycastellung einzudringen.
General Brussilow dachte aber nicht daran, mit seinen arg her-
genommenen Korps eine Bewegungsschlacht zu wagen. Viele Divisionen
zählten nur mehr 2000 bis 3000 Bajonette, Regimenter waren in den
wenigen Tagen auf Bataillons- und selbst Kompagniestärke x) zusammen-
geschmolzen. Der Kommandant der Südwestfront hatte ihm befohlen,
„den Feind auf den Wegen von Wk. Oczy nach Rawa Ruska und von
Rudki nach Lemberg aufzuhalten". Nur in einer festen Stellung konnte
Brussilow noch hoffen, dieser Weisung entsprechen und Lemberg be-
x) Boncz-Brujewitsch, V, 262.
Nachdrängen der 2. Armee gegen die Wereszyca
481
haupten zu können. Er gab daher seinen Korps den Befehl, auf die seit
langem vorbereitete Stellung südwestlich von Rawa Ruska und Magie-
rów— Gródek—Wereszycalinie zurückzugehen.
Zur selben Zeit war auch die russische 3. Armee angewiesen worden,
das X., das III. kauk. und das XXIV. Korps auf die Linie Dzików—
Cewków—Tarnogród—Dq.browica zurückzunehmen. An ihrem linkem Flü-
gel hatte sich die Gruppe des Gen. Olochow zu sammeln (S. 476).
Die Schlacht bei Gródek und Magierów
Hiezu Beilage 24 sowie Skizze 29
Die Gewinnung von Niemirów und Lubaczów
(16. bis 19. Juni)
Am 16. Juni gelangte in den frühen Morgenstunden von allen Front-
teilen der Verbündeten die Meldung nach hinten, daß der Feind seine
Stellungen geräumt habe. Der an mehreren Stellen von den Truppen
des GdK. Böhm-Ermolli zwischen 2h und 3h früh durchgeführte Sturm
traf größtenteils auf leere Gräben. Nur die 13.SchD. stieß auf Wider-
stand. Nun galt der Befehl: rastlose Verfolgung.
Der Morgen war kühl, zeitweise fiel leichter Regen. Die verfolgen-
den Kolonnen kamen rüstig vorwärts. Nirgends zeigte sich Widerstand.
Gegen 3h nachm. war die Linie Rudki—S^dowa-Wisznia—Jaworów er-
reicht, zum Teil überschritten. Inzwischen meldeten Flieger, daß vor der
2. und der 11. Armee die ostwärts führenden Straßen mit langen Heeres-
säulen aller Waffen bedeckt seien, die hinter die schützende Wereszyca-
linie und auf Magierów—Rawa Ruska zurückfluteten. Fast hinter jedem
deckenden Wald oder Hügel wiesen zum Himmel aufsteigende Rauch-
säulen aus brennenden Ortschaften und Gehöften den Weg, den der
flüchtende Feind genommen hatte. Erst spät nachmittags stellten sich
seine Nachhuten der 2. Armee entgegen. So mußten das IV. Korps bei
Moloszkowice, vom XIX. Korps die 34. ID. westlich von Hartberg und
die 29. ID. bei Rodatycze stärkere Abteilungen überwältigen, ehe sie in
diesen Orten und östlich davon zur Ruhe übergehen konnten. Bei Wol-
zuchy und Dobrzany suchten einige russische Bataillone mit Artillerie
das XVIII. Korps aufzuhalten. Sie wurden abends zurückgeworfen, die
9. ID. kam in den Raum südwestlich von Gródek. Der Vormarsch war
nun doch anstrengend geworden. Die Absicht, die Wereszycaübergänge
n 31
482
Von Gorlice bis Lemberg
noch am ersten Tage in die Hand zu bekommen, ließ alle Kräfte bis
aufs äußerste anspannen. Bei der 9.ID. gelanges; das Beneschauer IR. 102
stieß in der Nacht auf Gródek vor und drang in den Westteil des von
den Russen noch zäh gehaltenen Städtchens ein.
Das V.Korps gelangte unbehelligt nach Zaskowice (33. ID.) und
Chlopy (14. ID.), seine Sicherungen an die Wereszyca vorschiebend.
An Jaworów vorbei strebte das Beskidenkorps dem Räume östlich vom
Orte Szklo zu.
Ohne wesentlichen Aufenthalt konnte auch die Masse der 11. Armee
vordringen. Unbehindert durchzog das XXXXI. RKorps Jaworów und
erreichte am Abend die Gegend westlich von Szklo. Das k. u. k. VI. Korps
stieß, über Wierzbiany bis BrzezinaWk. vordringend, nirgends auf den
Feind, während das Gardekorps Niemirów erst nach Kampf in Besitz
nehmen konnte. Sein nördlicher Nachbar, das XXII. RKorps, hatte in
dieses Ringen unterstützend eingegriffen und selbst eine feindliche Nach-
hut zurückwerfen müssen; nun lagerte es nördlich der Garde, mit
zur Hälfte nach Osten, zur Hälfte nach Norden gewendeter Front.
Schwieriger hatte es das deutsche X. Korps. Hier war es am 15. abends
nicht mehr gelungen, das von sibirischen Truppen in vorzüglichen Stel-
lungen zähe verteidigte Lubaczów in Besitz zu nehmen. Auch am 16.
sollte hiezu noch ein hartnäckiger Angriff notwendig werden. Da aber
die Masse der 11. Armee inzwischen merklich vorwärts geschritten war,
drohte die Verbindung zwischen dieser und den beiden Flügelkorps ge-
rade an der empfindlichsten Stelle, der Flanke von Mackensens Haupt-
stoßgruppe, abzureißen. Sogleich wurde die von der 4. Armee gekommene
11. HKD. (S. 480) dem deutschen X.Korps unterstellt und nach Rosznia
in Marsch gesetzt. Sie fand abends Anschluß an das XXII. RKorps an
dem Ufer des Smolinkabaches. Diesem näherte sich nun auch der rechte
Flügel des deutschen X. Korps, nachdem seine Hauptkraft Lubaczów
und die der Stadt östlich und westlich vorgelagerten Höhen genom-
men hatte. Das komb. Korps Stein gewann nördlich von Oleszyce mit
der 8. bayr. RD. in ununterbrochenen Gefechten nur wenig Raum. Hin-
gegen drang die deutsche 56. ID., scharf nordostwärts aufschwenkend,
aus dem Räume westlich von Oleszyce auf Cieszanów vor.
Bei der 4. Armee wurde die Verfolgung gleichfalls frühmorgens
aufgenommen. Bald wurde aber festgestellt, daß der Feind nördlich
und östlich von Cieplice in neuen, starken Befestigungen zur Abwehr
bereit stand. Schon die Annäherung an diese führte an der ganzen Front
zu vielfachen Zusammenstößen. Erst in der Nacht erstritt sich die k.u.k.
Fortschritte der 11. und der 4. Armee
483
11. ID., rechts mit der deutschen 56. ID. des komb. Korps Stein, links
mit der deutschen 22. ID. in steter Fühlung, den Austritt aus der Wald-
zone südlich von Dzików und Cewków. Da sich auch die Masse des
XVII. Korps (26. und 45. SchD.) bis in die Gegend östlich von Cieplice
herankämpfte und die Schwarmlinien des IX. Korps dem Feinde hart
an den Leib rückten, so war nahezu an dem ganzen nördlich vom San
stehenden Teile der Armeefront eine günstige Ausgangsstellung ge-
wonnen, von der aus der Angriff auf die Höhen beiderseits Dzików und
Cewków fortgeführt werden konnte.
Im Anschluß an das IX. Korps gelang es dem k. u. k. X. nunmehr
auch Teile der 24. ID. über den San zu bringen und mit ihnen den San-
Ziotawinkel völlig in Besitz zu nehmen, ohne freilich sonst größere Fort-
schritte zu erzielen.
Noch bevor über den feindlichen Widerstand Klarheit gewonnen
war, hatte das 4. Armeekmdo. am Vormittag seine Verfolgungsbefehle
erlassen. Den Weisungen des Oberkmdos. Mackensen entsprechend be-
sagten sie, daß sich, bei Aufklärung des Raumes Rawa Ruska—Narol—
Tomaszów durch die auf Cieszanów entsandte 3.KBrig., ein Teil der
Armee, das XVII. Korps und die Masse des IX.1), der Ostrichtung der
11. Armee anschließen, und nur die 106. LstID. des IX.Korps gemeinsam
mit dem X. nordwärts in der Richtung auf Tarnogrod vorstoßen sollten.
Das bedeutete ein beträchtliches Auseinanderziehen der Kräfte; solange
nicht Reserven in ausreichender Zahl hinter die geschwächte Front ge-
bracht werden konnten, trat damit jene Lage ein, und es drohten zugleich
jene Gefahren, mit denen das 4. Armeekmdo. schon seit Beginn des ge-
waltigen Frühjahrsfeldzuges immer wieder zu rechnen hatte. Es äußerte
denn auch dem Oberkmdo. Mackensen gegenüber seine Bedenken, den
Oststoß über Cewków hinaus durchzuführen, solange der Kampf an der
Straße nach Tarnogród nicht entschiedenere Fortschritte gemacht habe.
Aber Mackensen stimmte nicht bei. Das Vorgehen gegen Osten war so lange
fortzusetzen, bis ein russischer Angriff zum Halten zwang; das XVII.
und das IX. Korps hatten sich am 17. bei ihrem Vorrücken in die Linie
Cieszanów—Rozaniec gegen Tarnogród hin entsprechend tief zu staffeln.
Der Vorstoß an die Wereszyca und an den "Canerv
Sinkende Nacht und Erschöpfung der Truppen hatten die Masse der
2. Armee am 16. Juni wenige Kilometer von der Wereszyca und damit
!) Das IX. Korps bestand aus der 10. ID. und der 106. LstlD., ferner aus drei
Brigadegruppen verschiedener Stärken (GM. Szende, dann 74. HIBrig. und 41. SchBrig.).
31*
484
Von Gorlice bis Lemberg
vom Feinde entfernt zum Halten gezwungen. Der 17. Juni stellte sie vor
die Aufgabe, die Wereszycalinie zu bezwingen. Nach wenigen Stunden
der Ruhe war der Westrand der Teiche und das westliche Ufer der sie
verbindenden Flußteile vom XVIII. und vom V.Korps bald erreicht,
und der Schlachtenlärm hob von neuem an. Während sich die 27. IBrig.
der 14. ID. längs des Dniester im Mündungswinkel mühsam an den
hier noch auf dem Westufer der Wereszyca eingenisteten Feind heran-
arbeitete, und der linke Flügel der Division bei Komarno den Fluß-
rand gewann, suchte sich die 33. ID. zunächst noch vergeblich der Über-
gänge westlich von Lubien Wk. zu bemächtigen. Die 9. ID. drang in die
Teichenge südwestlich von Kiernica ein und schlug sich den ganzen Tag
über in den Gassen von Gródek gegen den erbittert haltenden Feind.
Erst gegen Abend gelang es ihr gemeinsam mit Abteilungen der l.Lst-
IBrig., auch den Ostteil der Stadt den Russen zu entreißen.
Nördlich von der Bahn nach Lemberg hatte der Russe seine Stellungen,
der großen Waldzone ausweichend, gegen Janów zurückgebogen. Von
den nach Osten einschwenkenden zehn Divisionen des linken Flügels der
k. u. k. 2. Armee stieß am 17. nur das XIX. Korps (13. SchD. und 34. ID.)
bei Wielkopole auf die Hauptwiderstandslinie des Feindes; es wurde noch
in den Abendstunden in heftige Kämpfe verwickelt. Zur selben Zeit
traten das IV. Korps beiderseits von Janów, das Beskidenkorps nord-
westlich dieser Stadt mit den Russen in enge Fühlung.
Am 18. setzte der Südflügel Böhm-Ermollis die Bezwingung der
Wereszyca fort. Die 27. IBrig. hatte sich noch während der Nacht im
Mündungswinkel des Flusses vorgearbeitet und kam am frühen Morgen
an diesen heran. Die 28. IBrig. stieß durch das niedergebrannte Komarno
bis zu der von den Russen unterbrochenen Brücke vor. Die 33. ID. ver-
mochte unter dem Schutz von über den Bach gesetzten Abteilungen süd-
westlich von Lubien Wk. eine Kriegsbrücke einzubauen. Am Abend konnte
das V. Korps melden, daß seine Truppen abwärts von Lubien Wk. an der
ganzen Front das Ostufer der Wereszyca gewonnen hätten.
Bei der Teichenge von Kiernica und in Gródek gab sich der Russe
auch am 18. noch nicht geschlagen. Das Ringen dauerte hier fort. Weiter
nördlich nahmen die Deutschböhmen der 29. ID. Kamienobród, indes
sich die Masse des linken Armeeflügels zum Sturm auf die neue Haupt-
stellung des Feindes rüstete.
Die Ostfront der 11. Armee hatte nach dem ansehnlichen Sprung,
der ihr am 16. geglückt war, eine ruhige Nacht verbracht. Sie fand auch
am 17. vorerst ein durch die Schwierigkeiten des zerrissenen, waldbedeck-
Erfolge des VI. Korps bei Wiszenka
485
ten Geländes mit seinen wenigen, schlechten Wegen und den von den
Russen zerstörten Brücken zwar mühsames, aber sonst durch feindlichen
Widerstand kaum ernstlich gehemmtes Vorwärtskommen. Gegen lh nachm.
jedoch begann sich auch da und dort der Russe bemerkbar zu machen.
Schon fielen Granaten in die Spitzen der vorwärts strebenden Marsch-
säulen. Bald konnte kein Zweifel mehr bestehen : man war auf eine Haupt-
widerstandslinie des Feindes gestoßen, der gegenüber ein handstreich-
mäßiges Vorgehen kaum mehr Erfolg verhieß.
Im einzelnen hatte sich das XXXXI. RKorps in seinem besonders
wegarmen Abschnitte langsam vorwärtsgearbeitet. Nachdem es südlich
von Wiszenka feindliche Vorstellungen genommen hatte, stand es am
Abend an der obersten Wereszyca auf 2 bis 3 km vor der russischen
Hauptstellung. Weiter nördlich hatten die Vortruppen des Korps Arz bald
nach Mittag schwächere Abteilungen westlich von Wiszenka zurückge-
worfen und gleich darauf in raschem Zugreifen den Westteil dieses lang-
gestreckten Ortes und die nördlich von ihm aufsteigende Höhe Czarny
Horb dem Feinde entrissen. Als sie aber diese Linie überschritten, sahen
sie vor sich auf den Höhen von Horodysko starke Stellungen, an denen
eifrigst geschanzt wurde. Die 39. HID. gewann noch den Ostrand von
Wiszenka, auch der linke Flügel der 12. ID. kam noch etwas vor. Damit
war aber der Verfolgung für diesen Tag ein Ziel gesetzt.
Um dieselbe Zeit wie das Korps Arz stieß auch die Garde bei Szczer-
zec1) und südlich davon auf den Feind. Dieser wurde rasch geworfen; auf
den Höhen östlich des Ortes erhoben sich jedoch wieder starke Stellungen.
Ähnlich erging es dem XXII. RKorps und dem X. Korps. Sie hielten
bei Einbruch der Nacht in der Linie nördlich Szczerzec—Smolin—Hory-
niec. Beim Vordringen in diesen Raum hatte das X. Korps durch den
Einsatz der ll.HKD. an ihrem rechtem Flügel zwar eine Verstärkung
erhalten, dafür aber seine Front durch Staffelung des linken Flügels
gegen das komb. Korps Stein hin noch weiter strecken müssen. Dieses
Korps war, mit der 8.bayr. RD. über Dachnów, mit der 56. ID. westlich
davon nach Nordosten vorgehend, südlich und südöstlich von Cieszanów
auf einen eingegrabenen Feind gestoßen, den es am selben Tage nicht
mehr zu werfen vermochte. Blieb das Korps Stein hier mit dem k. u. k.
XVII. Korps (11. ID.) wie bisher in enger Fühlung, so konnte auf der
anderen Seite die zum deutschen X. Korps zwischen Dachnów und Hory-
niec klaffende Lücke nur schwach verschleiert werden. Abends mußte
das X.Korps bei Smolin und nördlich vonHoryniec angehalten werden.
*•) Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Orte südwestlich von Lemberg.
486
Von Gorlice bis Lemberg
Die Flieger hatten während des ganzen Tages hinter der russischen
Front lange Heeressäulen im Ostmarsch gesehen. Die von Gródek nach
Lemberg und von Janów nach Zolkiew führenden Straßen sowie der
ganze Raum nächst den, beiden letztgenannten Städten waren von Truppen
und Trains erfüllt; bei Lemberg konnte lebhafter Zugsverkehr festge-
stellt werden. Abends wurden jedoch auch in vielen nahe der Feind-
stellung gelegenen Orten starker Truppenbelag, ja sogar in westlicher
Richtung marschierende Kolonnen beobachtet.
Wie fast immer, lieferte der russische Funkdienst den Verbündeten
manchen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Maßnahmen und Ab-
sichten des Feindes. Die Bevölkerung des wiedereroberten Landes konnte
zwischen den rauchenden Trümmern ihrer verwüsteten Wohnstätten nur
von den Bemühungen des fliehenden Feindes berichten, das geräumte
Gebiet nach Möglichkeit zu zerstören. Von der großen Stellung wußte sie
bloß zu erzählen, daß monatelang an ihr gearbeitet worden war. Auf-
schlußreicher ergänzten die Herkunft der Gefangenen und ihre Aussagen
die anderen Nachrichtenquellen. Das VI. Korps allein hatte Gefangene
von nicht weniger als sechs russischen Divisionen eingebracht. Sie gaben
an, daß alles in eiligem Rückzüge sei, und daß die Artillerie an Munition
Mangel habe. Aber die Verfolgungskämpfe am 17. deuteten doch wieder
auf einen ernsten Widerstandswillen hin. Demnach schien es am Abend
dieses Tages unsicher, welche Gegenwehr der Russe in der erreichten
Stellung leisten würde. Das Oberkmdo. Mackensen entschloß sich daherr
für den 18. Juni seinen Korps den Angriff nach Maßgabe ihrer erreichten
Bereitschaft freizugeben. Vielleicht brachte rasches Zufassen in diesem,
oder jenem Teile des Schlachtfeldes den entscheidenden Erfolg.
Die Korps konnten von der ihnen zugestandenen Freiheit keinen Ge-
brauch machen; ein neuer, einheitlicher, planmäßiger Angriff mit gründ-
licher Artillerievorbereitung erwies sich zur Bezwingung auch dieser letzten
großen Stellung vor Lemberg als nötig; doch sollte den Vorbereitungen
nur ein Tag, der 18. Juni, gewidmet sein. Während die Infanterie an.
diesem Tage überall das Vorgelände vom Feinde säuberte, sein Stellungs-
netz sowie günstige Vorrückungslinien und Sammelräume erkundete und
ihre Linien vorschob, soweit es ging, wurde hinten rastlos gearbeitet. Die
Feldartillerie war schon seit dem 17. in Stellung und begann sich einzu-
schießen. Jetzt galt es, auch der schweren Artillerie vorzuhelfen, die auf
den sandigen Wegen nicht so schnell folgen konnte. Für die 30.5 cm-
Mörser des VI. Korps fanden sich in dessen Bereich keine geeigneten
Wege. Man wies sie dem XXII. RKorps zu.
Tief gestaffeltes Vorgehen der 4. Armee
487
Größere Märsche hatte an diesem Tage unter mannigfachen Kämp-
fen das komb. Korps GLt. Stein zurückzulegen. Seine 56. ID. hatte am
17. nachm. südwestlich von Cieszanów noch hart zu ringen gehabt. Da
aber am Abend die k. u. k. 11. ID., ihren rechten Nachbarn übergreifend,
die Höhen nordöstlich und nördlich von Cieszanów erreicht hatte, konnte
sich das komb. Korps — an seinem linkem Flügel jetzt vorübergehend die
8. bayr. RD. — wieder scharf ostwärts wenden. Es bildete nun zusammen
mit dem deutschen X. Korps unter Führung des Gdl. Emmich eine Kampf-
gruppe, der die Aufgabe zufiel, den Angriff der 11. Armee gegen Rawa
Ruska zu decken, um dann selbst mit dem rechten Flügel in dieser Rich-
tung vorzugehen.
Die Abwehrkraft der Russen war keineswegs gebrochen. Sie hatten
frische Kräfte in den Kampf geworfen und griffen nachmittags den
linken Flügel des auf Horyniec und Brusno Str. vorgehenden Korps Stein
vor dem zweitgenannten Orte von Norden her kräftig an. Das k. u. k.
XVII. Korps griff über Chotylub in den Kampf der deutschen 56. ID.
ein; der russische Angriff wurde abgewehrt. In erbittertem Ringen, das
gegenüber der russischen 3.GID. vielfach zum Handgemenge führte,
gewann das komb. Korps am Abend den Raum nördlich von Horyniec.
Zwischen diesem Orte und Smolin stand das deutsche X. Korps, die
ll.HKD. am rechten Flügel, in Fühlung mit dem Feinde.
Die 4. Armee, als Flankendeckung des Stoßkeiles wie in den Tagen
nach Gorlice wieder tief gestaffelt, halb nach Osten, halb nach Norden
gewendet, hatte sich am 17. früh in einer sicherlich nicht einfachen Lage
befunden. Zu ihrem Glück waren die ihr gegenüberstehenden Russen-
kräfte — X., III. kauk., XXIV. und XXIX. Korps — aus den letzten
Kämpfen stärker erschüttert hervorgegangen, als es den Anschein gehabt
hatte; zudem blieben die Ereignisse westlich von Lemberg selbstver-
ständlich nicht ohne Rückwirkung auf sie. Am 17. in den frühesten Mor-
genstunden lagen den Verbündeten schon Funksprüche über den Abbau
der russischen Korpskommandos vor, ein sicheres Zeichen für den
bevorstehenden Rückzug. Aber erst ein noch in der Nacht östlich von
Ma j dan unternommener kräftiger Vor stoß der inneren Flügel der deutschen
22. ID. und der 45. SchD. brachte diesen tatsächlich in Fluß. Ein heftiger
Gegenangriff der Russen östlich von Cieplice mißlang völlig. Schon um
9h vorm. konnte das Armeekmdo. melden, daß der Feind seine Stellungen
vor dem XVII., dem IX. und dem X.Korps geräumt habe und von Cewków
gegen Tarnogród gewichen sei. Im Laufe des Tages begannen die Russen
auch beiderseits der Straße Sieniawa—Tarnogród zurückzugehen.
488
Von Gorlice bis Lemberg
Auf diese Weise sah der 17. Juni die Truppen des Erzherzogs Joseph
Ferdinand allenthalben in flotter Verfolgung. Wo sich Nachhuten stellten,
wurden sie geworfen. Am Abend stand die 11. ID. bei Cieszanów in Füh-
lung mit der 8. bayr. RD., strebte die deutsche 22. ID. nördlich von Cew-
ków nach Osten. An diese suchte, aus dem Räume südöstlich von Tarno-
gród gegen Südost abschwenkend, die 10.ID. des k.u.k. IX.Korps An-
schluß zu gewinnen, indes die Masse Králiceks (106. LstlD. und die drei
Brigadegruppen) Tarnogród erreichte. Das X. Korps aber streckte seine
Fühler bereits nach den Höhen südlich vom Tanew und nordöstlich von
Krzeszów aus, und das XIV. konnte sich näher an den San heranschieben.
So wertvoll diese Erfolge auch waren — als sich die Divisionen des
Erzherzogs am 18. Juli von ihrer kurzen Nachtruhe wieder erhoben,
stießen sie überall auf neuerlichen Widerstand. Das XVII. Korps, dem
inzwischen auch die 3. KBrig. unterstellt worden war, mußte nachmittags
die 45.SchD. nördlich von der 11. ID. in den Kampf werfen; aber auch
dann gelang es noch nicht, den zähen Verteidiger aus seinen Stellungen
nördlich von 2ukow zu werfen. Allerdings schien es jetzt vom Stand-
punkt der Führung geboten zu sein, das XVII. Korps ebenso wie das
komb. Korps Stein in den erreichten Räumen anzuhalten. In diesem Sinne
verfügte GO. Mackensen, daß das XVII. Korps bereitzustellen sei, um,
wenn es befohlen werde, in Übereinstimmung mit dem komb. Korps die
11. Armee durch ein Vorgehen auf Narol-Miasto zu unterstützen.
Beim IX. und beim X. Korps wurde nach Eroberung einiger von den
Russen noch gehaltener Stützpunkte der ganze Raum südlich vom Tanew
bis einschließlich von Ulanów besetzt, und sogleich an die technische
Einrichtung der gewonnenen Linien geschritten. Bei Ulanów sollte der
rechte Flügel des XIV. Korps an die auf dem nördlichen Sanufer stehen-
den Teile der Armee anschließen.
Der Durchbruch bei Magierow und die Bezwingung derWereszycalinie
Nach den vom Oberkmdo. Mackensen im Laufe des 18. Juni er-
lassenen Weisungen hatte die 11. Armee in weiterer Folge mit ihren
Hauptkräften die Russenfront westlich von Magierów in 20 km Front-
breite zu durchbrechen, den Feind in nordwestlicher Richtung über die
Straße Lemberg—Rawa Ruska zurückzuwerfen und dadurch die Schlacht-
ordnung der Russen nördlich von Lemberg entzweizuschlagen. Zugleich
sollte die 2. Armee ihren schon aufgenommenen Angriff über die Were-
szyca fortführen, Lemberg nehmen und den geschlagenen Feind, die
Einnahme des Horodyskoberges durch das VI. Korps
489
Dniesterfront von links aufrollend, gegen Osten abdrängen. Die 4. Armee
hatte wie bisher am San und am Tanew die Deckung gegen Norden zu
besorgen, gleichzeitig aber mit dem am rechten Flügel manövrierenden
XVII. Korps aus dem Räume Cewków—Chotylub gegen Narol-Miasto
vorzustoßen und so am Schlag nordwestlich von Lemberg mitzuwirken.
Sie hatte dabei auf den Einklang mit der engeren Flankensicherung der
Hauptstoßgruppe, dem komb. Korps Stein und dem Korps Emmich, be-
dacht zu sein, die ihre Front allmählich von Chotylub bis gegen Rawa
Ruska auf 35 km Länge spannen mußten. Die Armeereserven, die 119.
und die ll.bayr. ID., sollten nach Niemirów und Starzyska folgen.
Ein wolkenloser Himmel glänzte über dem schon sommerlichen
Schlachtfeld, als am 19. Juni früh die Truppen der Verbündeten daran
gingen, den Russen ihre letzte Stellung, die noch Lemberg deckte, zu
entreißen. Die Erfüllung dieser Aufgabe sollte noch genug Opfer kosten.
Der Feind war noch immer nicht gesonnen, sich die letzte ihm verbliebene
Beute des großen Einleitungsfeldzuges vom Sommer 1914 leichter Hand
entreißen zu lassen.
Das harte Ringen sollte zuerst bei der Mitte der 11. Armee, dem
k. u. k. VI. und dem Gardekorps, zum Erfolg führen. Gerade hier war
die Stellung von den Russen mit den stärksten Mitteln feldmäßiger Be-
festigungskunst ausgebaut, und besonders die die ganze Gegend weithin
überragende Höhe Horodysko mit dem gleichnamigen Orte zu einer
wahren Festung ausgestaltet worden.
Nach zweistündiger kräftiger Artillerievorbereitung begann um 7h
früh auf der ganzen Front der 11. Armee der Angriff der Infanterie.
Beim Korps Arz setzte befehlsgemäß zuerst die am linken Flügel vor-
gehende 12. ID. zum Sturme an. Die Stürmenden blieben aber 150
Schritte vor der russischen Brustwehr liegen: ein neuerliches Artillerie-
bombardement mußte zwischen 9h und 10h vorm. eingeleitet werden.
Inzwischen arbeitete sich auch die 39. HID. an die russischen Stellungen
heran. Um 11h brach das IR. 63 am rechten Flügel der Honvéd aus dem
Ostteil von Wiszenka zum Sturme vor. Das ganze Korps schloß sich dem
Vordringen an, das rechte Flügelregiment der nördlich anschließenden
Garde griff ein. Am frühen Nachmittag gab das XXVIII. Russenkorps
die opfervoll verteidigte Walstatt preis, 2500 Gefangene und zahlreiches
Gerät in den Händen der Sieger zurücklassend. Durch die geschlagene
Bresche hindurch folgte die 12. ID. dem Feinde bis Kunin, indes die
39. HID. im Einklang mit demXXXXI.RKorps etwas früher Halt machte.
Nachdem die durch die 119. ID. verstärkte Garde sich gleichfalls
490
Von Gorlice bis Lemberg
unter heftigen Kämpfen in die feindlichen Linien Bahn gebrochen hatte,
stürmte sie noch über das Korps Arz hinaus; ihre Vortruppen erreich-
ten bei Dobrosin die Straße Zolkiew—Rawa Ruska. Links von der Garde
kam das XXII. RKorps in den Raum südlich und südwestlich von Lipnik.
Von der Gruppe Emmich überschritt nur der rechte Flügel des X. Korps
im Anschlüsse an das XXII. RKorps die Gegend vonUlicko-Seredkiewicz in
nördlicher Richtung. Die Masse der Gruppe (Hauptkraft des X. Korps
und komb. Korps Stein) verharrte in ihren ausgedehnten Stellungen bis
östlich von Cieszanów.
Weiter westlich brachte der 19. Juni auch dem nordostwärts gerich-
teten rechten Flügel der 4. Armee harte Kämpfe. Das XVII. Korps ver-
biß sich vergeblich in die russischen Stellungen nördlich von Zukow.
Ebensowenig vermochte die zwischen Lubliniec Str. und Lukowa ange-
setzte, zuletzt durch den größeren Teil der 26. SchD. verstärkte 10. ID.
einen nachdrücklichen Erfolg zu erringen, indes die sich südlich von
Cieszanów sammelnde deutsche 22. ID. wieder unter den unmittelbaren
Befehl der 11. Armee trat.
Im Sanwinkel schob sich der rechte Flügel des XIV. Korps ent-
sprechend den Fortschritten des X.Korps bis zur Tanewmündung vor»
Das Armeekmdo. gedachte die erzielte Frontverkürzung nicht vorüber-
gehen zu lassen, ohne für eine neue Armeereserve vorzusorgen. Zu dieser
Rolle wurde das XIV. Korps ausersehen, das vom San bis Nowosielec
von der durch acht Landsturmbataillone verstärkten 40. HIBrig. (Obst.
Schnetzer), von dort nach links durch das VIII. Korps abgelöst und im
Räume Le£ajsk—Kamieñ versammelt werden sollte.
So hatten also die schweren Kämpfe dieses Tages zunächst nur
beim k. u. k. VI. und beim Gardekorps einen durchschlagenden Erfolg
gebracht. Denn ähnlich wie beim Jinken Flügel der Heeresgruppe Macken-
sen waren auch an ihrem rechten Flügel unter harten Kämpfen nur ge-
ringe Fortschritte erzielt worden. Zwar begann das südlich vom VI. Korps
kämpfende XXXXI. RKorps den Tag mit vielversprechenden Erfolgen,
traf aber dann auf nachdrücklichen Widerstand und vermochte bis
abends nur noch eine Höhe östlich von Majdan zu erreichen. Noch
weiter blieb das Beskidenkorps zurück, das nur einen Stützpunkt bei
Stawki gewinnen, gegen die Befestigungen der Höhe Kubyn jedoch nicht
durchdringen konnte.
Schwere Kämpfe hatte auch die Masse der 2. Armee in ihrem Ringen
gegen die russische Hauptstellung zu bestehen. Der Tag verlief vorerst
wenig befriedigend. An der Mündung des Flusses durfte die 27. IBrig.
Bezwingung der Wereszycalinie
491
kleine Fortschritte beim Heranarbeiten an die Hauptstellung des Feindes
melden. Bei Komarno und weiter flußabwärts spielten sich die Kämpfe
der 14. und der 33. ID. noch knapp am Wasserlaufe ab; es gelang an-
gesichts der unmittelbar am Höhenrande angelegten Verschanzungen
der Russen nicht, stärkere Kräfte auf das Ostufer zu bringen. Das
XVIII. Korps wurde endlich nach mehr als zweitägigem Kampfe der
Stadt Gródek vollends Herr; aber unmittelbar östlich davon legten sich
ihm neuerlich vier Regimenter verschiedener Divisionen in den Weg.
Frisches Blut rötete wieder die Walstatt, auf der im September 1914 die
Steirer und Kärntner der Division FML. Edi. v. Gelb ihr Leben ge-
lassen hatten.
Nördlich von der Lemberger Bahn mühten sich das XIX. und das
IV. Korps den ganzen Tag über ab, die feindlichen Linien zwischen
Kamienobród und Janów mürbe zu machen. Aber nur die 29. ID. ver-
mochte beim erstgenannten Orte in die vorderste Stellung der Russen
einzubrechen und hinter sich eine Kriegsbrücke über den Fluß zu werfen.
Vor der 27. ID. hatte der Feind den Janówer Teich zu einem starken
Annäherungshindernis angestaut. Wie im Sommer 1914 sandten von
der Höhe bei Stradcz russische Batterien ihren Geschoßhagel in die
waldbedeckte Niederung. In der sechsten Nachmittagsstunde setzten die
fünf Frontdivisionen der beiden Korps (29., 34. ID., 13.SchD., 31. ID.,
43. SchD.) zum Generalsturm auf die zähe verteidigten russischen Gräben
an. Schon hatte sich längst die Nacht herabgesenkt, als der Kampf um
die Wereszycalinie noch unentschieden hin und her wogte.
Nun wurden aber doch die Anstrengungen der Armee belohnt. Am
äußersten Südflügel brach die 14. ID. in die russischen Stellungen ein.
Östlich von Gródek erstürmte das XVIII. Korps die zweite Stellung des
Feindes. Um 3h früh bemächtigten sich auch die zwei Korps des Nord-
flügels der russischen Hauptstellung. Die 29. ID. entriß den Russen ihre
Verschanzungen östlich von Kamienobród, die 34. ID. und die Wiener
SchD. warfen sie nordöstlich davon. Die 31. ID. nahm Wielkopole, die
43. SchD. brachte um 4h früh die berühmte Höhe von Stradcz in
ihren Besitz. Beiderseits vom Janówer Teiche drang die 27. ID. vor.
Inzwischen war auch das Beskidenkorps, seinen Erfolg bei Stawki er-
weiternd, in die feindliche Stellung eingedrungen und zwang durch sein
Vorgehen den noch vor dem rechten Flügel des XXXXI. RKorps hal-
tenden Feind zum Abzug. Die Schlacht war gewonnen. Als der Tag
graute, strömten die dezimierten russischen Regimenter in der Richtung
Lemberg zurück.
492
Von Gorlice bis Lemberg
Die Kämpfe südlich vom Dniester
Während sich die Heeresgruppe Mackensen am 16. Juni anschickte,
dem Feinde die zweite große Schlacht auf dem Wege von PrzemysI
nach Lemberg zu liefern, waren die südlich des Dniester befindlichen
Heeresteile, die Gruppe FML. Kornhaber der 2. Armee, die Süd- und
die 7. Armee, zunächst darauf bedacht, das rechte Dniesterufer vom
Feinde zu säubern. GdK. Pflanzer-Baltin mußte überdies Maßnahmen
gegen einen seinem Ostflügel drohenden russischen Gegenangriff treffen.
Der hiezu schon am 15. anbefohlene Rückmarsch des XI. Korps
(S. 467) vollzog sich am 16. ganz ohne feindliche Einwirkung. ZurDniester-
sicherung zwischen Onuth und der Serethmündung stellte der damit
beauftragte FML. Lehmann die 10. und die halbe 8. KD. an den Fluß,
indes dahinter bei Zastawna und Kadobestie aus der zweiten Brigade der
8. KD., der halben 5. HKD. und sechs eiligst herangeführten Batail-
lonen des III. Korps eine Armeereserve gebildet wurde. Diese Vorsorgen
bewährten sich vortrefflich bei der Abwehr der in den drei folgenden
Tagen zwischen Dniester und Pruth mit Hartnäckigkeit durchgeführten
Anstürme des russischen III. Kavallerie- und des XXXII. Korps, die
Weisung hatten, „den Feind, der im Abschnitte Zaleszczyki—Czernowitz
operiert, zu zerschlagen"1).
Den noch am 16. nachmittags gegen den Abschnitt nördlich von
Toporoutz unternommenen russischen Vorstößen ließ der Feind am näch-
sten Morgen gegen die beiderseits dieses Ortes stehende 42. HID und
gegen die Rarancze verteidigende Polenbrigade Obst. Küttner scharfe
Angriffe folgen. An der Standhaftigkeit dieser Truppen — die Polen, die
durch die halbe 5. HKD. (19.HKBrig.) der Armeereserve verstärkt wur-
den, zeichneten sich besonders aus — zerschellten die bis zum Nachmittag
achtmal wiederholten Anstürme der Russen. Das gleiche Mißgeschick
erlitten die gegen das Kavalleriekorps GM. Apór (halbe 5. HKD. und
6. KD.) gerichteten Vorstöße; sie waren abgewiesen, ehe noch die dem
GM. Apór zu Hilfe eilenden Teile der 10. KD. zur Stelle waren. Als
aber am 18. die Russen abermals gegen Dobronoutz durchzubrechen ver-
suchten, was die abgesessenen Reiter Apórs wieder vereitelten, wurde
die 19. HKBrig. von Rarancze eilends nach Norden hinter den bedrohten
Abschnitt verschoben. Überdies wurde dem FML. Lehmann zu einheit-
licher Gefechtsführung an der Nordostecke der Armeefront der Befehl
über alle vier Reiterdivisionen übertragen. Diese Maßnahme war umso
1) Nesnamow, IV, 53.
Vorstoß der Gruppe Rhetpen auf Koropiec
493
mehr geboten, als verschiedenen Nachrichten zufolge eine Wiederholung
der russischen Angriffe nicht mehr gegen den Südflügel Kordas, sondern
aus dem Dobronoutz vorgelagerten Waldgebiet heraus und von Uscie
Biskupie her zu erwarten war.
Auf dem Westflügel der 7. Armee war es nach der am 15. Juni er-
folgten Wegnahme des russischen Brückenkopfes bei Ni±niow möglich
geworden, nur die Gruppe Schönburg mit der Dniestersicherung von
Mariampol bis Ostra zu betrauen und die 6., die 5. und Teile der 36. ID.
freizumachen. Diese Truppen sollten nun die Gruppe Czibulka verstärken,
die mit der 15.ID. schon in der Kosmierzynschlinge festen Fuß gefaßt
hatte, und sie zur Gewinnung der Linie Koropiec—Potok Zloty befähigen.
Von hier aus sollte dann der vom russischen XXXIII. Korps verteidigte
Brückenkopf bei Czernelica, vor dem die Gruppe Krautwald festlag,
durch Rückenbedrohung unhaltbar gemacht werden. Zur einheitlichen
Leitung des Unternehmens wurden die bisher selbständigen Gruppen
Czibulka und Schönburg dem XIII. Korpskmdo.,GdI. Rhemen, unterstellt.
Rhemen verstärkte nun am 17. vormittags das Korps Czibulka durch
vier Bataillone und die Artillerie der 6. ID. und wies es zur Gewinnung
von Kosmierzyn und zur Säuberung der westlich davon befindlichen
Flußschlinge an. Die 5. ID., FML. Habermann, hatte, unterstützt durch
den Ostflügel Schönburgs, über Koropiec der Höhe A 386 zuzustreben. In
sehr mühsamen, durch den vielgewundenen, meist tief eingeschnittenen
Fluß erschwerten Angriffen gegen denOstflügel des russischenXXX. Korps
gewannen die Kampfgruppen Rhemens bis zum 18. abends den Austritt
aus der Kosmierzynschleife und erreichten Koropiec. Trotz der dem Ost-
flügel der Armee drohenden Gefahr sollte Rhemen am 19. mit aller
Kraft den Angriff fortsetzen, von dem man sich das Erreichen der Linie
A 386—Potok Zloty und den Rückzug des russischen XXXIII. Korps aus
dem Brückenkopf bei Czernelica erhoffte. Dann sollten ungefähr zwölf
Bataillone vom Westflügel der Armee zum Ostflügel abgehen, wo sie
etwa am 22. im Bereiche der Gruppe Lehmann eintreffen konnten.
Letschitzki, der Führer der russischen 9. Armee, deren linker Flügel
ohnehin eine Angriff sauf gäbe erhalten hatte (S. 467), war aber keines-
wegs gesonnen, sich vom Südufer ganz verdrängen zu lassen. Noch wäh-
rend der Nacht auf den 19. holte er mit dem XXX. Korps, das durch
eine schon im Abrücken an die bessarabische Front bestimmte, dann aber
mit Kraftwagen von Buczacz wieder herangeholte Division verstärkt
worden war, zum Gegenschlag aus und entriß der Gruppe Czibulka in
den Morgenstunden Kosmierzyn. Die k.u.k. 5.ID., die gleichfalls wäh-
494
Von Gorlice bis Lemberg
rend der Nacht über Koropiec anzugreifen versuchte, mußte ihr Beginnen,
dem der Erfolg versagt blieb, mit schmerzlichen Blutopfern bezahlen.
Auch an der Ostfront tobten während der Nacht heftige Kämpfe.
Beim XI. Korps holten sich die Russen allerdings blutige Köpfe. Knapp
südlich vom Dniester jedoch vermochten Teile des III. Kavalleriekorps
die 6. KD. zu durchbrechen und bis in ihre Artillerielinie durchzustoßen.
Ein Gegenangriff drängte sie bis zum Morgen wieder aus der Stellung.
Die Begebenheiten dieser ereignisreichen Nacht hatten deutlich auf-
gezeigt, daß einerseits die Stoßkraft des Korps Rhemen infolge großer
Verluste x) und Mangels an Munition erschöpft, andererseits die rasche
Verschiebung von Verfügungstruppen hinter die Ostfront der Armee
unaufschiebbar geworden war.
Als am 19. Juni abends neuerliche Anstürme der Russen gegen die
Gruppe Czibulka nur mit großer Mühe abgewehrt werden konnten, er-
ging am 20. früh vom 7. Armeekmdo. an das Korps Rhemen der Befehl
zur Einstellung der Offensive. Die 6. ID. (zwölf Bataillone) sollte heraus-
gezogen und, wieder unter den Befehl Schönburgs tretend, bei Jezierzany
als Armeereserve versammelt werden. Schönburgs bisherige, nunmehr
acht Bataillone und fünf Batterien starke Gruppe hatte weiterhin GM.
Weiss-Mainprugg, Kommandant der 9. IBrig., zu führen. FML. Benigni
hatte vom FML. Lehmann den Befehl über die auf 14 Reiterregimenter
und 15 Bataillone angewachsene Korpsgruppe im Nordostwinkel der
Armeefront zu übernehmen.
Die Südarmee, der die beiden deutschen Divisionen aus Syrmien zu-
zurollen begannen, und die Gruppe Kornhaber der 2. Armee konnten
sich nach den verlustreichen Kämpfen der ersten Junihälfte am 16. und
17. einiger Ruhe erfreuen. Die Südarmee begann sich für einen bevor-
stehenden Dniesterübergang zu rüsten. FML. Kornhaber hatte die Masse
der 51. HID. aus dem engen und versumpften Flußwinkel der Bystrzyca
und Tysmienica herausgezogen, um mit ihr nach Ablösung der Gruppe
Obst. Rehwald am 18. östlich des letztgenannten Baches anzugreifen.
Szurmay, der sich diesem Unternehmen anschließen sollte, zog Rehwald
näher an sich und ließ die Reste der 40. HID. durch die 38. ablösen.
Am 18. Juni, an dem die Armee Böhm-Ermolli die Russen vom west-
lichen Wereszycaufer verdrängte, warf die Gruppe FML. Kornhaber den
!) Beim Korps Rhemen gingen am 16. und 17. Juni etwa 6000 Schwerverwundete
durch die Sanitätsanstalten. In der Zeit vom 5. bis zum 19. Juni hatte die 7. Armeq
12.000 Verwundete abgeschoben und 5000 Mann durch Tod eingebüßt; außerdem lagen
noch Hunderte von Verwundeten in den Feldspitälern der Armee.
Die Verfassung der Russen
495
Feind auf Horucko zurück. Szurmay zwang mit der 7. ID. samt der
Gruppe Rehwald, fünf Bataillonen der deutschen 48. RD., der 38. HID.
und der 1. KD. in der Front und mit der 40. HID. und 128. HIBrig. in
zweiter Linie die ihm gegenüberstehenden Russen gleichfalls, ihre Stel-
lungen aufzugeben. Am Abend hielt das russische VI. Korps nur mehr
einige Sumpfinseln vor der Brücke bei Kolodruby und Nachhutstellungen
längs des von Horucko nach 2ydaczow führenden Fahrweges besetzt.
Die 4. KD. ritt um das Wielkie Bloto westlich herum, um in Rudki dem
2. Armeekmdo. zur Verfügung zu stehen.
Am 19. erreichten die Truppen Kornhabers und Szurmays überall
den Dniester. Sämtliche Brücken waren zerstört. Während die 51. HID.
schon am nächsten Tage nördlich vom Flusse an ihre Armee anschließen
sollte, gedachte Linsingen, die Masse seiner Südarmee spätestens am 22.
beiderseits von 2urawno auf das Nordufer zu führen.
Die Einnahme von Lemberg
(20. bis 22. Juni)
Hiezu Beilagen 24, 25 und 29 sowie Skizzen 29 und 30
Die Maßnahmen der Hauptquartiere
Noch ehe der Stoßkeil Mackensens mit Allgewalt von Niemirów auf
Magierów durchgedrungen war, hatten sich am 17. Juni in einer Bera-
tung zu Cholm die führenden Persönlichkeiten der Stawka und des
Kommandos der russischen Südwestfront über den Ernst der Lage neuer-
lich Rechenschaft gegeben. Zu den strategischen Schwierigkeiten, die
durch die unveränderliche Regsamkeit der Deutschen in Kurland noch
vermehrt zu sein schienen, trat trübste Beurteilung der inneren Ver-
fassung des Heeres. An den Fronten fehlten über eine halbe Million
Gewehre und mehr als die Hälfte der organisationsgemäß vorgesehenen
Munitionsmenge. Der Ersatz der Waffen ließ von Tag zu Tag mehr zu
wünschen übrig. Üble Nachrichten über Pflichtvergessenheit und Kor-
ruption bei den Heimatbehörden, über verräterisches Verhalten hoher
Persönlichkeiten vergifteten die Stimmung bei Offizier und Mann und
auch zwischen ihnen. Der Geist der Truppe und ihre Kampfentschlossen-
heit ließen schon so viel zu wünschen übrig, daß Brussilow in einem
Armeebefehl in aller Form anordnete, die Mannschaft durch das Feuer
der eigenen Maschinengewehre zum Ausharren zu zwingen.
Es entsprach durchaus den psychologischen Geboten der Stunde,
496
Von Gorlice bis Lemberg
wenn die Konferenz zu Cholm unter solch trüben Eindrücken zu dem
Entschlüsse kam, den Gedanken des Eroberungskrieges, der im August
1914 auf die Fahnen des Zarenreiches geschrieben worden war, bis auf
weiteres zurückzustellen, und dem Muschik nur mehr die Verteidigung
der heimatlichen Scholle auf die Seele zu binden, jenes vaterländischen
Bodens, den unversehrt zu erhalten der Zar zu Kriegsbeginn, gleich seinem
Ahnen von 1812, vor der Mutter Gottes von Kasan beschworen hatte.
Bei der Ausführung dieser Absichten galt die Hauptsorge der Siche-
rung des Weichsellandes, wo die Front noch immer weit nach Westen
vorsprang und in beiden Flanken bedroht war, und der Deckung der
dorthin aus Ostpreußen und Ostgalizien führenden Verbindungen. Diesem
Ziele sollten stärkste fortifikatorische Ausgestaltung der Deckungsräume
und das Ausscheiden möglichst zahlreicher beweglicher Reserven dienen;
besondere Beachtung war hiebei den Gegenden von Grodno—Bjelostok
und Cholm—Kowel zu widmen. Mit diesem Entschlüsse war auch die
Wahrscheinlichkeit einer Preisgabe von Lemberg ins Auge gefaßt. In
diesem Falle sollten alle Streitkräfte, die auf die Front Lublin—Cholm—
Wladimir-Wolynski zurückgingen, unter die Befehle Alexejews treten,
indes Iwanow nur das Kommando über die gegen den Kiewer Militär-
bezirk weichenden Armeen zu behalten hatte1).
War solcherart die Preisgabe Ostgaliziens grundsätzlich beschlossen,
so ist es doch zu verstehen, wenn sich der Großfürst-Generalissimus
und seine Unterführer die Ausführung jedes einzelnen Schrittes zur
Verwirklichung der Cholmer Beschlüsse vom Schicksal abzwingen ließen.
Auch die Räumung der Etappe und die Vorbereitung neuer Abwehrlinien
nötigte zu einem möglichst zähen und langsamen Nachgeben.
Am 19. verfügte die Stawka die Rücknahme des noch im Mün-
dungswinkel des San stehenden rechten Flügels der 3. Armee hinter den
Fluß; im Einklang damit hatte die 4. Armee ihren Südflügel auf Zawichost
zurückzubiegen, wodurch auch die Ausscheidung von Reserven möglich
werden mochte. Während diese Befehle erteilt wurden, fochten die
Truppen Brussilows und Olochows sowie die an ihren inneren Flügeln
eingesetzten Reiterdivisionen mit verzweifeltem Mute um die Höhen
östlich von der Wereszyca und auf der Bodenwelle, die das Bug-Styrbecken
im Südwesten abschließt. Als aber in der folgenden Nacht kein Zweifel
mehr bestehen konnte, daß die aus dem XXVIII. und dem VIII. Korps
bestehende Gruppe des Gen. Kaschtalinski die Position Rawa Ruska—
i) Danilow, 512 f. ; Nesnamow, IV, 54 f. ; Boncz-Bru jewitsch, V,
183 f.; Zajontschkowskij, 306 f.
Rückzug Brussilows auf den Lemberger Gürtel
497
Zolkiew verloren hatte, und dadurch die Nordflanke der russischen
Wereszycastellung aufgerissen war, gab es für die 8. Russenarmee nur
mehr den ungesäumten Rückzug auf die Verschanzungen vor den Toren
von Lemberg. Am 20. früh ordnete der Großfürst-Generalissimus die Rück-
führung allen entbehrlichen Kriegsgerätes aus der galizischen Haupt-
stadt an. Gleichzeitig befahl er, auch alle Vorbereitungen zum Rückzug
der galizischen Armeen gegen Norden und Osten zu treffen. Der Groß-
fürst zog damit aus der gespannten Lage die selbstverständlichen Schluß-
folgerungen. Daran konnte es auch nichts ändern, wenn gleichzeitig
Iwanow das XXIV. Korps am oberen Tanew zu einem Gegenschlag auf-
rief, die schon über Hujce gewichene Gruppe Kaschtalinski wieder an
die Straße 2olkiew—Rawa Ruska zurückholte, die Divisionen Brussilows
noch einmal zu äußerstem Widerstand hinter den Erdwällen von Lem-
berg anfeuerte und auch am linken Flügel der Front Letschitzki zur
Verstärkung seiner Angriffe gegen Pflanzer aufforderte. Der Zweck
dieser Maßnahmen mochte Kampf um Zeitgewinn gewesen sein; am
schicksalbestimmten Endergebnis vermochten sie nichts mehr zu änderen.
Auf Seiten der Verbündeten hatte sich schon in den letzten Tagen
der Gedanke durchgesetzt, der Eroberung von Lemberg einen Stoß nach
Norden, zwischen Bug und Weichsel, folgen zu lassen. Hiezu lud, ähn-
lich wie im August 1914, die nach Westen noch weit vorragende russi-
sche Schlachtordnung ein. In diesem Sinne hatte GO. Mackensen schon
am 19. Juni der k. u. k. Heeresleitung gegenüber die Absicht kundgetan,
die Straße Lemberg—Rawa Ruska zunächst nicht zu überschreiten, son-
dern das Einschwenken der 11. Armee gegen Norden vorzubereiten, da
auch der Feind zum größeren Teil schon in dieser Richtung zu weichen
schien. Teschen gab sein Einverständnis mit dem Beifügen, daß die Lage
bei 2olkiew und am Nordflügel der 2. Armee dartun werde, ob Teile
der 11. Armee noch gegen Lemberg einzuschwenken haben würden. Die
im Laufe dieses Tages errungenen Erfolge bewogen Conrad am 20. vor-
mittags, in Pleß das ungesäumte Auf schwenken der Masse der 11. Ar-
mee vorzuschlagen. Falkenhayn drang ihm gegenüber jedoch mit der
Auffassung durch, daß man über dieses Manöver erst nach der Gewin-
nung von Lemberg schlüssig werden könne. Demgemäß lauteten die von
den beiden Generalstabschefs entworfenen Weisungen. Die drei dem
Oberbefehl des GO. Mackensen unterstellten Armeen, 2., 4. und 11»*
hatten die Offensive bis zur Einnahme der Hauptstadt fortzuführen. Die
Gruppe Szurmay hatte sich der 2. Armee anzuschließen, die Südarmee
über den Dniester „gegen den Raum östlich von Lemberg" vorzustoßen.
II 32
498
Von Gorlice bis Lemberg
Auch die 7. Armee sollte diesen Fluß überschreiten, dabei aber die
rechte Heeresflanke und den Besitz von Czernowitz verläßlich sichern.
Mit diesem Befehl war auf dem Schachbrett der ostgalizischen Wal-
statt der letzte Zug zur Wiedergewinnung der seit fast zehn Monaten
von den Russen gehaltenen Landeshauptstadt eingeleitet.
Die entscheidenden Kämpfe um Lemberg
Der Morgen des 20. Juni sah die Armee Brussilow überall im Rück-
zug. Ihr Südflügel bezog in engem Anschluß an den vor Szurmay
zurückgenommenen rechten Flügel der 11. Russenarmee auf den Höhen
östlich vom Szczerekbach Aufstellung. Die Mitte wich auf den West- und
Nordwestabschnitt des Lemberger Schanzenringes : an den Westrand von
Sokolniki, auf die Werke östlich von Zimna Woda, auf Rzçsna Polska
und auf die Bodenwelle von Brzuchowice, zwischen dem Peltew und der
Niederung von Dublany. Nördlich schlössen sich die feldmäßig ver-
schanzten Stellungen bei Zarudce und Zolkiew an, von wo die Linie
längs der nach Rawa Ruska führenden Eisenbahn verlief.
Die k. u. k. 2. Armee ließ gegenüber dem weichenden Feinde nicht
locker. Sie faßte ihn vielfach noch beim Abbruche der alten Stellungen
und blieb ihm an den Fersen. In scharfer Verfolgung gewann das
V. Korps, an dessen Südflügel die bei Koiodruby über den Dniester ge-
setzte 51. HID. eingegriffen hatte, am 20. abends den Szczerekabschnitt,
das XVIII. Korps mit der 1. LstlBrig. und der 9. ID. die Linie Pusto-
myty—Nawarya—Sokolniki. Vom XIX. Korps gelangte die 29. ID. bei
Zimna Woda, die 13. SchD. bei Rzçsna Polska ins Vorfeld des Lemberger
Gürtels, indes die 34. ID. bei Mszana ins zweite Treffen genommen
wurde. Das IV. Korps erreichte mit seinen drei Divisionen Rokitno und
den Raum südlich und südöstlich davon und schickte Erkundungsabtei-
lungen gegen die russischen Schanzen vor. Das Beskidenkorps drang,
gegen Osten gewendet, nördlich von Rokitno unter mannigfachen Nach-
hutkämpfen auf gleiche Höhe mit der Masse der Armee vor.
Gegenüber dem Südflügel der 11. Armee hatte sich das russische
VIII. Korps auf den Höhen südwestlich von Glinsko, vor diesem Ortç
und an den Waldrändern östlich von Kunin neuerlich festgesetzt. Bei
der Wichtigkeit, die der Besitz von 2olkiew für die Behauptung von
Lemberg hatte, versuchten die Russen die Abwehr durch zahlreiche, aus
der Front geführte Gegenstöße zu verstärken. Die Zurückweisung solcher
Angriffe nahm bei dem gegen Glinsko vorgehenden XXXXI. RKorps die
Die 2. Armee vor Lemberg
499
Artillerie so sehr in Anspruch, daß das Korps am 20. abends 800 im
vor den russischen Stellungen liegen blieb. Die nördlich anschließende
39. HID. des VI. Korps brachte nachmittags bei der Abwehr eines russi-
schen Vorstoßes 16 Offiziere und 840 Mann als Gefangene ein. Ebenso
mußte sich der Südflügel der von Kunin ostwärts vordringenden 12. ID.
mehrerer Angriffe erwehren, indes der Nordflügel der Division die
Eisenbahn erreichen konnte. Die Garde, die befehlsgemäß längs der
Eisenbahn blieb, sah sich gleichfalls in zahlreiche Teilgefechte mit Ab-
teilungen der schon abgesetzten, aber wieder vorfühlenden Gruppe
Kaschtalinski verwickelt. Die gegen Norden gewandten Korps Mackensens
setzten sich auf den Höhen südlich von Rawa Ruska und in der Linie
Potylicz—Brusno fest; Rawa Ruska wurde durch Vortruppen des XXII. R-
Korps besetzt. Die ll.HKD. rückte hinter das VI. Korps ab, wo sie sich
zu einem Verfolgungsritt über 2olkiew gegen Mosty Wielki bereithalten
sollte. Die deutsche 22. ID. wurde von der 4. Armee weg hinter den
linken Flügel der 11. genommen.
Neuerlicher Widerstand der Russen auf den Höhen östlich vom
Szczerekbach und bei Nawarya machte es am 21. dem k. u. k.XVIII.Korps
noch immer unmöglich, schon gegen die Südfront von Lemberg einzu-
schwenken. Es war gleich dem südlich anschließenden V. Korps ange-
wiesen, weiter gegen Osten anzugreifen. Gleichzeitig hatte der nun wieder
dem 2. Armeekmdo. unterstellte FML. Szurmay die 128. HIBrig und die
40. HID. zum Dniesterübergang aufwärts von Zydaczow bereitzustellen,
indes die 7. ID. und die Gruppe Obst. Rehwald über Kolodruby nach
Humieniec zur Verfügung des V. Korps abzusenden waren.
Dieses Korps brach am 21. südwestlich von Mikolajów und südlich
und nordöstlich vom Szczerek in die feindlichen Linien ein, ohne jedoch
einen durchschlagenden Erfolg zu erzielen. Ebenso vermochte das
XVIII. Korps wegen des starken, zum Teil flankierenden Geschützfeuers
aus dem Festungsgürtel bei Nawarya nur geringe Fortschritte zu
machen. Das XIX. Korps hatte sich, in der Südflanke durch eine halbe
34. ID. gedeckt, so nahe an die russischen Stellungen herangearbeitet,
wie es das eigene Artilleriefeuer erlaubte. Die 43.SchD. des IV. Korps
grub sich am 21. abends vor den Drahthindernissen der Werke von
Brzuchowice ein, indes es den beiden anderen Divisionen geglückt war,
dem Feind einige Schanzen in der von Brzuchowice gegen Nordosten ziehen-
den Niederung zu entreißen. Besondere Bedeutung für die Entwicklung
der Lage bei Lemberg hatte es, wenn das Beskidenkorps über Kulików
und das XXXXI. RKorps der 11. Armee überZolkiew hinaus Raum ge-
32*
500
Von Gorlice bis Lemberg
wannen; gelang dies, dann war Lemberg, im Norden wie im Süden
überflügelt, für Brussilow nicht mehr zu halten. Das Vorgehen der bei-
den ebengenannten Korps befriedigte aber die Ungeduld der Führung
nicht ganz. Das XVII. und das VIII. Russenkorps fochten bei Zarudce
und auf den Höhen von Glinsko mit größter Zähigkeit und ließen sich
jeden Schritt Bodens durch schwere Blutopfer abkaufen. Sie standen
auch noch am Abend westlich von Kulików und Zolkiew.
Als der Stoßkeil Mackensens im Sinne der Armeeführer^ nicht über
die Straße Zolkiew—Rawa Ruska hinausdrang, hatte am rechten Flügel
Brussilows die Gruppe Kaschtalinski wieder kehrtgemacht und bei Do-
brosin sowie östlich von Rawa Ruska schon verlassene Stellungen neuer-
lich besetzt. Die 12. ID. des Korps Arz bekam in den Wäldern südlich
von Dobrosin den verstärkten Widerstand des Feindes tagsüber genug
zu fühlen; sie erreichte dennoch in ganzer Frontbreite die große Straße.
Noch am Nachmittag hatte vor Lemberg die schwere Artillerie ¡mit
dem Einschießen gegen die Erdwerke begonnen. Am 22. um 4h früh
sollte das Wirkungsschießen einsetzen, dem der Infanterieangriff nach
Anordnung der Korpsführer zu folgen hatte.
Inzwischen hatte am äußersten rechten Flügel der galizischen Front
die Armee Pflanzer noch schwere Tage zu bestehen gehabt. Den bei
Kosmierzyn unternommenen Angriffen (S. 493) gesellte der Feind am
20. auch noch solche bei Zaleszczyki bei. Die Russen erlitten starke Ver-
luste und vermochten keinerlei Raumgewinn zu erzielen. Der Kampf
flaute an diesen Punkten am 21. merklich ab. Dafür hatte sich schon in
der vorangehenden Nacht die Ostfront der Armee heftiger Anstürme
der Russen zu erwehren, und in den Morgenstunden nötigte ein Einbruch
des III. Kavalleriekorps den FML. Benigni, seinen rechten Flügel etwas
zurückzunehmen. Nun sollte die bereits beschlossene Überweisung von
Truppen des Korps Rhemen an Benigni beschleunigt werden; aber ein
neuerlicher Ansturm des XXX. Russenkorps, der Czibulka nötigte, Kos-
mierzyn preiszugeben, verzögerte das Herauslösen der Bataillone.
In der Nacht auf den 22. mußten die stark gelichteten und von zwei
Wochen ununterbrochener Kämpfe erschöpften Streiter Rhemens in den
Dniesterschleifen im Fechten von Mann zu Mann abermals Proben ihrer
Standhaftigkeit ablegen. Dagegen blieb, von Teilvorstößen gegen die
Polen und die Domobranzen abgesehen, der für die gleichen Stunden er-
wartete Angriff gegen die Ostfront Pflanzers aus. Als am 22. früh die
ersten Bataillone der 6. ID. mit ihrem Führer FML. Schönburg bei Be-
nigni eintrafen — die 12. IBrig. blieb bei Jezierzany zurück — hatte sich
Preisgabe von Zólkiew durch die Russen
501
der Sturm gegenüber der 7. Armee schon allenthalben gelegt. Allerdings
war die von der Heeresleitung schon am 20. gestellte Anfrage nicht
unberechtigt, ob es der Armee in der nächsten Zeit noch möglich sein
werde, die Offensive nördlich vom Dniester fortzusetzen.
Durch die Ereignisse rechts und links nicht mehr unmittelbar be-
rührt, rüstete unterdessen die Südarmee für den Dniesterübergang, der
für die Nacht auf den 23., und zwar nicht mehr im Raum beiderseits
von 2urawno, sondern zwischen diesem und Halicz geplant war.
Indes um das Schicksal der Hauptstadt Galiziens gewürfelt wurde,
sollte das genugsam geprüfte k.u.k. IX. Korps wieder einige kritische
Stunden erleben. Während sich rechts von diesem das XVII. Korps
zwischen dem 20. und dem 22. vergeblich abmühte, dem Feind noch die
Höhen bei 2ukow zu entreißen, und auch der rechte Flügel der 10. ID.
bei Lubliniec nicht nennenswert wirksam zu werden vermochte, stürzten
sich in der Nacht auf den 21. bei Osuchy drei Regimenter des XXIV. Rus-
senkorps auf den linken Flügel der zuletzt genannten öst.-ung. Division,
die Brigade Szende, und drückten sie vom Tanew zurück. Im Armee-
kmdo. mochte die Erinnerung an Sieniawa lebendig werden. Es stellte
dem IX. Korps nicht nur die 21. SchD. zur Verfügung, deren Masse zum
Gegenangriff angesetzt wurde, sondern schob auch die 41. HID. in den
Raum südlich von Tarnogród. Außerdem erhielt das XIV. Korps An-
weisung, hinter seinem Ostflügel möglichst rasch eine Gruppe zu sam-
meln, die unverzüglich auf das rechte Sanufer hinübergenommen wer-
den könnte. Die Kämpfe bei Osuchy hielten den ganzen 21. über an,
endeten aber in der Nacht auf den 22. damit, daß der Russe das süd-
liche Tanewufer wieder vollends räumen mußte. Am 22. abends wurde
russischen Funksprüchen die Nachricht entnommen, daß die vier gegenüber;
dem linken Flügel der 4. und gegenüber der 1. Armee stehenden russi-
schen Korpsstäbe ihren Standort zurückverlegten, ein Vorzeichen für die
von der Stawka schon am 19. verfügte Räumung des Sanwinkels (S.487).
Bedeutsamer mag freilich für die gesamte Nordfront der Heeresgruppe
Mackensen die vierundzwanzig Stunden zuvor auf gleichem Wege ein-
gelangte Mitteilung gewesen sein, daß Iwanow im Biegriffe sei, mit
seinem Hauptquartier von Cholm nach Rowno zu übersiedeln.
In der Nacht auf den 22. Juni räumten die Russen die zum Schlüssel-
punkt der Schlacht gewordenen Höhen westlich von Zolkiew, um sich
in die ausgedehnten Waldungen östlich von dieser Stadt zurückzu-
ziehen. Am darauf folgenden Morgen setzte sich auch die Gruppe Kasch-
talinski wieder von der Straße und Eisenbahn Zolkiew—Rawa Ruska ab.
502
Von Gorlice bis Lemberg
Das XXXXI. RKorps und das k. u. k. VI. Korps nahmen ungesäumt die
Verfolgung auf. Dagegen mußte das Beskidenkorps dem Feinde seine
Stellungen westlich von Kulików bei Tagesgrauen im Sturme entreißen,
worauf endlich auch der ebengenannte Ort in die Hände der Angreifer
fiel. Diese überschritten die Lemberger Straße in der Richtung auf Zóltance.
Zur gleichen Zeit brandeten auch schon die Angriffe der Korps
Schmidt-Georgenegg und Trollmann an die Hauptstadt heran. Die
erste entscheidende Bresche schlugen die Wiener Schützenregimenter
1 und 24, indem sie um 5h früh, allerdings unter schweren Opfern, das
Werk Rzçsna Polska (A320) erstürmten1). Die Schützen drangen beider-
seits der Straße gegen Lemberg weiter vor. Um 9h vorm. eroberte in
ihrer linken Flanke die 43.SchD. des IV. Korps Brzuchowice (-<¡>348),
um 10h30 folgte das Werk Sknilów (-<>-322) südwestlich von Lemberg,
das die Deutschböhmen der 29. ID. dem Feinde entrissen; kurz darauf
erstieg das den Namen des Deutschen Kaisers führende Kaschauer IR. 34
die Brustwehren auf der Lysa Gora östlich von Brzuchowice. Der Halb-
kreis von Verteidigungswerken, der die Hauptstadt Galiziens gegen Nord-
westen, Westen und Südwesten umgab, war in zum Teil recht blutigen
Kämpfen bezwungen.
Unterdessen hatte der Verlust von Zolkiew und Kulików den feind-
lichen Armeeführer Brussilow schon vor einigen Stunden veranlaßt, an
die Lemberg verteidigenden Divisionen den Befehl zur Räumung der
Stadt zu erteilen2). Als knapp nach Mittag die ersten öst.-ung. Reiter-
patrouillen von Westen her in Lemberg einritten, verließen die letzten
Russen die Stadt gegen Osten.
Nun gab es für den Feind auch südlich von Lemberg kein Halten
mehr, wo noch am Morgen um die Höhen östlich von Szczerzec und bei
Sokolniki erbittert gerungen worden war. Um die Mittagsstunde verkün-
deten russische Funksprüche, daß Brussilow und Schtscherbatschew im
Begriffe stünden, auch hier die Schlacht abzubrechen. Böhm-Ermollibefahl
dem in Lemberg eindringenden XIX. Korps, ungesäumt starke Teile auf
die Straße nach Bóbrka zu entsenden und auf solche Weise dem Südflügel
1) Eine belletristische Schilderung dieser Kämpfe der Wiener Schützen brachte
Ludwig Ganghofer im „Hamburger Fremdenblatt" (abgedruckt bei B a e r, Der Völker-
krieg, IX, Stuttgart 1916, 42ff.).
2) Boncz-Bru jewitsch, II, 226 ; die Mitteilung, Zajontschkowskij,
308, Brussilow habe den Räumungsbefehl schon am 21. abends erteilt, mag wohl auf
einem Irrtum beruhen, da der Armeeführer seinen Entschluß ausdrücklich mit dem Rück-
zug seines rechten Flügels aus den wichtigen Schlüsselstellungen bei Zóìkiew und
Kulików begründete.
Einzug der 2. Armee in Lemberg
503
Brussilows noch möglichst Abbruch zu tun. Das IV. Korps sollte nord-
westlich von Lemberg die Nordflanke des XIX. sichern. Als der Abend
herabsank, bezogen die beiden südlichen Korps an der Straße Mikolajów
—Lemberg ihre Lager; die Kavalleriegruppe des GM. Berndt, 4. KD.
und l.LstHusBrig., hielt sich vor ihrer Mitte bereit, zu frühester Morgen-
stunde die Verfolgung aufzunehmen. Das XIX. und das IV. Korps schoben
ihre Sicherungstruppen in die Linie D±winogród—Gaje—Barszczowice und
auf die Höhen westlich von Jaryczów-Nowy vor. Das Beskidenkorps
kämpfte noch um die Höhen bei Zoltance. Der rechte Flügel der 11. Armee
war dem weichenden Feinde in die Waldungen östlich von 2olkiew, in
den Raum südlich von Turynka und bis Zameczek gefolgt. Der auf
MostyWielki entsandten ll.HKD. stellte sich nachmittags eine Feind-
gruppe bei Turynka entgegen. Mit festem Griff angepackt, wich diese
gegen Bojaniec und wurde nachts bei Derewnia neuerlich geworfen.
Der linke Flügel der deutschen 11. Armee hatte bei Brusno Str. seine
Stellungen vorzuschieben vermocht.
In der vierten Nachmittagsstunde war GdK. Böhm-Ermolli mit
seinem engeren Stabe in Lemberg eingezogen. Ehrlicher Jubel begrüßte
ihn. Nur ein verhältnismäßig geringer Teil der Bevölkerung hatte sich
der Russenherrschaft völlig verschrieben. Kaiser Franz Joseph ordnete
ausdrücklich an, daß keine „förmliche Verfolgung" der Verfehlungen
platzgreifen dürfe. Die überwiegende Mehrheit der Einwohner von Lem-
berg hatte, zumal seit der Panslawist Graf Bobrinski das Zepter führte,
Schweres über sich ergehen lassen müssen. Sie atmete auf, als da;s
letzte Mitglied der Ochrana die Stadt verließ.
Der moralische Eindruck, den die Wiedergewinnung von Lemberg
in aller Welt hervorrief, übertraf noch die militärische Bedeutung, die
dem Ereignis zukam. Dies war auch im Innern der Monarchie deutlich zu
merken. Wer immer zwischen Bregenz und Czernowitz, zwischen Boden-
bach und Cattaro zum Reiche stand, schöpfte aus der Siegesbotschaft
neue Zuversicht auf ein glückliches Ende, und auch diejenigen, die in
ihrer Treue wankend geworden waren, begannen sich bis auf weiteres
wieder mit einem Staate abzufinden, der ihnen zwar nicht die nationale
Unabhängigkeit, aber kulturelles und wirtschaftliches Gedeihen verbürgt
hatte. Tiefe Wirkung rief die Eroberung von Lemberg auf dem Balkan
hervor, bei Serbien, das die letzten Offensivpläne zurückstellte, wenn
solche überhaupt noch bestanden hatten, bei Rumänien und Griechen-
land, wo die Verfechter der Neutralität wieder die Oberhand gewannen,
und bei Bulgarien, das nunmehr den Faden der Verhandlungen über
504
Von Gorlice bis Lemberg
einen Beitritt zum Bunde der Mittelmächte entschlossen aufnahm. Auch
der in den Dardanellen bedrängten Türkei war Entlastung geworden,
da die Russen ihre um Odessa versammelten Kräfte nach Galicien ge-
worfen hatten, statt sie, wie geplant, im Einklang mit den die Darda-
nellen berennenden Verbündeten am Bosporus zu verwenden.
Zahlreiche Auszeichnungen waren den erfolgreichen Führern der
beiden Heere von ihren Kaisern schon in den letzten Wochen und nun
aufs neue verliehen worden. Gdl. Conrad wurde zum Generalobersten,
GO. Mackensen zum Generalfeldmarschall ernannt. Ein Ausruhen auf den
schwer errungenen Lorbeeren hatte freilich auch der 22. Juni noch keines-
wegs zu bringen vermocht. Die leisen Friedenshoffnungen, die in Pleß
und in Teschen in den letzten Wochen schüchtern aufgekeimt waren,
blieben noch unerfüllt. Wie der greise Kaiser und König Franz Joseph
in jenen Tagen in einem nachdenklichen Gespräch mit dem zur Bericht-
erstattung nach Wien berufenen Chef des Generalstabs voraussagte,
zeigte der Russe nicht Miene, das Spiel schon verloren zu geben und
die Allianz zu verlassen. Noch am 22. abends ergingen die Befehle für
die Fortsetzung des Feldzuges, der die Heere der Verbündeten nun über
die mittlere Weichsel und nach Wolhynien führen sollte.
EINLEITUNGSKÄMPFE AN DER
SÜDWESTFRONT
Die Feldzugspläne
Hi e zu Beilagen 13 und 26 sowie Skizze 25
Österreich-Ungarn
Am 23. Mai 1915 hatte der Botschafter Italiens auf dem Ballhaus-
platze die Kriegserklärung seiner Regierung an das Habsburgerreich
überreicht. In Worten tiefster Entrüstung verkündete der greise Kaiser
und König Franz Joseph dieses Ereignis seinen Völkern : „Der König von
Italien hat Mir den Krieg erklärt. Ein Treubruch, dessengleichen die Ge-
schichte nicht kennt, ist von dem Königreich Italien an seinen beiden Ver-
bündeten begangen worden. Nach einem Bündnis von mehr als 30jähriger
Dauer, während dessen es seinen Territorialbesitz mehren und sich zu
ungeahnter Blüte entfalten konnte, hat uns Italien in der Stunde depr
Gefahr verlassen und ist mit fliegenden Fahnen in das Lager unserer
Feinde übergegangen."
Der im Süden neu aufgestandene Feind, so hieß es weiter, sei aber
dem Reiche kein neuer Gegner: „Die großen Erinnerungen an Novara,
Mortara, Custoza und Lissa, die den Stolz Meiner Jugend bilden, und
der Geist Radetzkys, Erzherzog Albrechts und Tegetthoffs, der in Meiner
Land- und Seemacht fortlebt, bürgen Mir dafür, daß wir auch gegen
Süden hin die Grenze der Monarchie erfolgreich verteidigen werden ..
Diese im Völkerleben nicht alltägliche Kundgebung des Herrschers
spiegelte nicht bloß die Stimmung der offiziellen Kreise Österreich-
Ungarns wider, sondern die Gefühle des überwiegenden Teiles der Be-
völkerung des Fünfzigmillionenreiches. Die Deutschen Österreichs sahen
die Kernlande der Monarchie, sahen alpenländischen Boden unmittelbar
bedroht; der Bundesgenosse von gestern hatte seine begehrliche Hand nicht
bloß nachTriest und Trient, sondern auch nach dem seit uralten Zeiten
deutschen Bozen ausgestreckt. Die Magyaren ließ der Abfall Italiens,
der sich schon vorbereitet hatte, als der Russe noch auf dem Karpathen-
kamme gestanden war, alte nationale Beziehungen vergessen, auf die
sich eben noch Stephan Tisza bei einem eigenartigen diplomatischen
508
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
Versuche, Italien in zwölfter Stunde zur Umkehr zu bewegen, berufen
hatte1). Und die Südslawen schon gar wandten sich wie ein Mann gegen
den neuen Feind, der die Slowenen aus dem Isonzolande, die Kroaten
und Dalmatiner von der Küste verdrängen und ihre dahinter wohnenden
Brüder von der Adria absperren wollte. Die Entrüstung der Stammes-
genossen in der Heimat fiel mit der tiefen Erschütterung zusammen,
die das Londoner Abkommen vom 26. April bei der südslawischen Emi-
gration in London und Paris hervorgerufen hatte; einer der Emigranten-
führer konnte wenige Wochen nach dem Beginn des italienischen Krieges
klagen: „Unsere Regimenter kämpfen am Isonzo wie die Löwen." Das
Beispiel der südslawischen Brüder wirkte ganz von selbst auf die Nord-
slaweri, sogar auf die Tschechen zurück. Ein von der Auflösung des
Stammtruppenkörpers unberührt gebliebenes Marschbataillon des IR. 28
(S. 252) sollte sich, allerdings stark mit Deutschen durchsetzt und unter
der Führung deutschsprachiger Offiziere, in der zweiten Isonzoschlacht so
hervortun, daß seine Leistungen den ersten Anstoß zur Wiedererrichtung
des Prager Hausregiments gaben. So kam in jenen Pfingsttagen am Isonzo
und auf den Bergen Tirols und Kärntens noch ein letztes Mal Grill-
parzers Ruf an die Radetzkyarmee zu seinem Recht: „In deinem Lager
ist Österreich."
Die Entschlossenheit, mit der Österreich-Ungarn an die Abwehr des
neuen Feindes herantrat, war nicht wenig durch die günstige Wendung
genährt worden, die sich in den letzten drei Wochen im Nordosten, gegen
Rußland, eingestellt hatte. Dennoch konnte kein Zweifel obwalten, daß
die Gesamtlage des Reiches durch das feindselige Auftreten Italiens emp-
findlich verschärft worden war. Dies galt in politischer und wirtschaft-
licher, nicht weniger aber auch in militärischer Hinsicht. Die öst.-ung.
Heeresleitung nahm die Stärke der italienischen Feldarmee mit 44 In-
fanterie- und 4 Kavalleriedivisionen an, überschätzte sie daher nicht
unerheblich (S. 286). Wie immer aber es um die wirkliche Streiterzahl
der Italiener bestellt sein mochte, das Habsburgerreich konnte ihr an
Verteidigern nur einen Bruchteil entgegensenden. In den Stunden der
Kriegserklärung standen an der Grenze selbst 128 Bataillone von zu-
meist milizartiger Verfassung; 94 Bataillone waren als erste Verstärkungs-
staffel im Anrollen. Bedachte man noch, daß man einem Feinde gegen-
überstand, der schon seit Monaten in aller Emsigkeit gerüstet hatte, dem
also ein ungesäumtes Austreten zuzumuten war, so ergab sich daraus für
die Donaumonarchie und ihre seit neun Monaten im Kampfe stehende
*) T i s z a, Briefe, I, 193.
Schwierige Lage der österreichischen Grenzverteidigung
509
Wehrmacht eine Lage, die in der Weltgeschichte kaum ihresgleichen
findet. Der vielberufene „Spaziergang nach Wien" brauchte für das Heer
Viktor Emanuels wahrlich kein leeres Schlagwort zu sein.
In Teschen vermutete man von den italienischen Streitkräften 9 In-
fanterie - und 2 Reiterdivisionen samt 10 Alpinibataillonen als Hauptstoß-
gruppe an der küstenländischen Front, 2% Divisionen und 15 Alpinibatail-
lone an der Kärntner Grenze, 3 Divisionen im Cadore, 9Va Divisionen
gegenüber der Südtiroler Bastion und 2 Kavallerie di visionen noch zwi-
schen Tagliamento und Livenza. Wie später darzutun sein wird, kam
diese Auffassung über die Lage an der Grenze der Wirklichkeit ziemlich
nahe. Von den fehlenden 16 Divisionen wähnte der k. u. k. Generalstab
7 zu Expeditionszwecken in Ancona, Bari und Brindisi, 2 an der Schwei-
zer Grenze und 2 in Lybien; über den Aufenthalt der übrigen 5 Divi-
sionen vermochte man sich noch keine Rechenschaft zu geben.
Von diesen Vorstellungen ausgehend, eröffnete dasAOK. am 28. Mai
dem Kommando der Südwestfront auf dessen Anfrage, daß die Absicht be-
stehe, „Tirol mit den dort befindlichen Truppen aufs äußerste zu ver-
teidigen, dem über Kärnten, Küstenland, Krain einbrechenden Feind
unter möglichst geringem eigene m Gebietsverlust das Vordringen zu ver-
wehren und in späterer Folge zu trachten, ihm einen möglichst aus-
giebigen Schlag zu versetzen". Da um diese Zeit die Entscheidung in
Mittelgalizien noch nicht gefallen war, vermied es die Heeresleitung,
über weiteren Kräftezuschub bestimmte Zusagen zu machen. Es sollte,
so wurde dem Erzherzog Eugen in der ebenangeführten Depesche mitge-
teilt, „durch befohlenes verteidigungsweises Verfahren Zeit gewonnen,
der Feind geschwächt und Raumverlust möglichst vermieden werden".
Wie diese gewiß nicht leichte Aufgabe im einzelnen zu lösen war, blieb
dem Oberbefehlshaber der gegen Italien aufgebotenen Kräfte überlassen.
Italien
Als im Frühjahr 1915 die italienische Kriegspartei infolge des Fort-
schrittes in der Kriegsbereitschaft des Heeres zunehmende Geltung ge-
wann, sah sich auch Gen. Cadorna veranlaßt, seinen im September 1914
verfaßten Operationsentwurf, der den in Aussicht genommenen höheren
Führern schon bekannt war (S. 286), bei Beibehalt seiner Grundzüge eine
bestimmtere Fassung zu geben. Bei Berücksichtigung der seit 1. März in
Kraft stehenden neuen Mobilisierungsart erließ er nun am 1. April, an
dem die Masse des Heeres noch in den Friedensgarnisonen lag, und
zwischen Rom und Wien eifrig diplomatische Verhandlungen gepflogen
510
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
wurden, an die Armeekommandanten abändernde Weisungen, die fol-
gendes enthielten1):
Die 1. Armee, GLt. Brusati, hatte mit dem III. Korps (Mailand), einer
verstärkten Brigade der Besatzung von Verona und dem V. Korps (Ve-
rona) Tirol vom Stilfser Joch bis zum Cismontal, dieses inbegriffen, zu
umschließen und nicht nur während der Versammlungszeit, sondern auch
insolange die 4. Armee vom Cadore aus gegen Toblach operierte, in stra-
tegischer Defensive zu verharren. Da Cadorna einen österreichischen An-
griff aus Tirol durchaus für möglich hielt, waren Teilangriffe nur zu
führen, um den Schutz der Grenze besser zu gewährleisten und um,
falls es ging, auch gegnerisches Gebiet zu besetzen.
Die 4. Armee, GLt. Nava, hatte mit dem IX. Korps (Rom) und dem
I. (Turin) vom Cadore her zwischen dem Cismontal (dieses nicht einbe-
zogen) und dem Mt. Peralba anzugreifen, die Sperren Sexten, Landro und
Tre Sassi niederzukämpfen und den Raum von Toblach sowie jene Höhen,
die die Sellagruppe umgeben, in Besitz zu nehmen.
Die Karnische Gruppe, GLt. Lequio, mit 16 Alpini- und 3 Finanz-
wachbataillonen sowie 2 Brigaden des XII. Korps (Palermo) sollte im
Räume zwischen Mt. Peralba und Mt. Maggiore den Aufmarsch der 2.
und der 3. Armee decken und den Angriff auf die Sperren von Malbor-
geth, Raibl und Predil einleiten.
Die 2. Armee, GLt. Frugoni, hatte sich mit dem IV. Korps (Genua),
dem II. (Alessandria) und dem VI. (Bologna), ferner mit einer zusammen-
gesetzten Bersaglieridivision und zwei Alpinigruppen im Abschnitt zwi-
schen dem Mt. Maggiore und der Straße Cormons—Görz zu versammeln
und zur Vorbereitung des noch vom Höchstkommando anzuordnenden
Isonzoüberganges Karfreit und, wenn möglich, den Kolowratrücken und
die Korada zu nehmen.
Der 3. Armee, GLt. Herzog von Aosta, war mit dem X.Korps (Neapel),
dem XI. (Bari) und dem VII. (Ancona), dann mit der Heeresreiterei der
Kampfraum zwischen der Straße Cormons—Görz und dem Meere zu-
gewiesen; sie hatte sich — zum selben Zwecke und unter den gleichen
Voraussetzungen wie bei der 2. Armee — der Höhe von Medea und der
Isonzobrücken bei Pieris zu bemächtigen.
Einschränkend wurde vom italienischen Höchstkmdo. betont, daß
nach Beginn der Feindseligkeiten Angriffe auf österreichisches Gebiet
nur dann unternommen werden dürften, wenn verläßlich ausreichend
Truppen zur Stelle wären, wie überhaupt die Sorge vor einem über-
!) Cadorna, La guerra, I, 97 ff. ; Ital. Gstb. W., II, Dokumente, 26 ff.
Cadornas Angriffsweisungen
511
raschenden Angriff einer öst.-ung. Armee auf die noch nicht schlag-
bereiten Italiener aus dem Hauptquartier Cadornas noch immer nicht ge-
bannt war. Gegen einen solchen Angriff hätten die Karnische Gruppe
und die zwei Armeen des rechten Flügels die Linie Mt. Peralba—Mt.
Maggiore—Mt. Matajur—Cividale— Campoformido und weiter südlich bis
zum Meer zu halten gehabt.
Als strategische Reserven plante die italienische Heeresleitung das
VIII. Korps (Florenz), dann die aus Mobilmilizdivisionen neu aufgestell-
ten Korps XIII und XIV an die östlich der Etsch befindlichen Talaus-
gänge der tridentinischen Front zu stellen, sie aber später, wenn hier
entbehrlich, an die Hauptangriffsfront zu verschieben.
Als der italienische Aufmarsch im vollen Gange war, erließ Cadorna
am 16. Mai den ersten Befehl operativen Inhaltes, durch den die Kar-
nische Gruppe sowie die 2. und die 3. Armee angewiesen wurden, sich
bereit zu halten, um auf telegraphischen Befehl zum Angriff gegen die
Kärntner Sperren und gegen die Isonzoübergänge vorzubrechen. Bei
diesem ersten Sprung, bei dem die 2. Armee der 3. vorangehen sollte,
war die Besitznahme des Beckens von Karfreit, des Krn, Mrzli vrh, Ko-
lowratrückens, der Jeéa, Korada, dann des Mt. Quarin, Mt. Medea und
weiter der Linie Torrente Torre — Judrio — Unterlauf des Isonzo anzu-
streben. Obwohl es Cadornas Wunsch war, dieser Aktion den Charakter
eines energischen, überraschenden Einbruches zu geben, waren die ersten
Ziele auffallend nahe gewählt; sie lagen von Tolmein abwärts noch durch-
wegs auf dem westlichen Isonzoufer. Nur wenn kein starker Widerstand
gefunden wurde, plante er, im unmittelbaren Anschluß an den ersten
Sprung den Isonzo überschreiten zu lassen, wobei wieder die 2. Armee
im Angriff auf die Hochfläche von Bainsizza vorangehen sollte, um der
in der Staffel rechts nachfolgenden 3. Armee die Besitznahme des Görzer
Beckens und der Hochfläche von Comen zu erleichtern. Auch eine Lan-
dung mit vier älteren Kreuzern in der Bucht von Triest war zur Unter-
stützung des rechten Heeresflügels vorgesehen. Doch schreckten Gerüchte
über die österreichische Minensperre die Italiener dann von der Ausfüh-
rung ab. Die 4. Armee wurde am 16. Mai neuerlich zum Einbruch in das
Pustertal angewiesen.
Am 22. Mai wurde die allgemeine Mobilisierung angeordnet, der
eigentlich nur noch für die Pferdebeistellung und Aufbringung von Trans-
portmitteln praktische Bedeutung zukam. Am gleichen Tage erließ das
italienische Höchstkmdo. von Rom aus telegraphisch den Befehl, um
Mitternacht vom 23. auf den 24. Mai die Feindseligkeiten zu eröffnen.
512
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
Zu dieser Stunde war die volle Schlagfertigkeit des Heeres allerdings
noch lange nicht erreicht, denn fast die Hälfte der Divisionen und große
Teile der Armeetrains befanden sich noch auf der Fahrt oder überhaupt
noch in ihren Mobilisierungsorten. Auch nahm man im letzten Augenblick
noch Änderungen in der Zusammensetzung der Armeen vor, indem das
VI. Korps von der 2. zur 3. Armee übertrat, die 2. hiefür durch das XII.
(nur zwei Brigaden stark) entschädigt wurde und das X.Korps sowie die
3. und die 4. KD. als weitere Heeresreserven bestimmt wurden.
Hatten es die verbündeten Mittelmächte als teine Gunst des Schicksals
buchen dürfen, daß Italien erst drei Wochen nach Gorlioe in den Kampf
eintrat, so war die bis zum letzten Tag erstreckte Ausnützung der Frist,
die sich das apenninische Königreich in den Londoner Abmachungen für
sein bewaffnetes Auftreten ausbedungen hatte, von der Entente, zumal
von Rußland, nicht zu Unrecht als schwerer Nachteil empfunden worden.
Die Geduld der neuen Bundesgenossen Italiens sollte aber noch weitere
Wochen auf die Folter gespannt werden, ehe es zum Zusammenstoß der
Hauptkräfte kam. Zunächst entwickelte sich nur eine Reihe von Grenz-
kämpfen, die noch nirgends den Ansatz zu irgendeiner Entscheidung oder
auch nur maßgebender Einwirkung auf die Gesamtkriegslage zeigten.
Die Grenzkämpfe in. Tirol im Mai und Juni 1915
Hiezu Beilage 27
Die operativen Erwägungen und Maßnahmen bei
Freund und Feind
Das Südtiroler Grenzgebirge dringt beiderseits der Etsch wie ein
Keil gegen die oberitalienische Ebene vor und bildete ein günstiges Aus-
fallstor gegen die beiden nach Venetien führenden Aufmarschbahnen, da
die Reichsgrenze oft nur einen Tagmarsch von den Bergfüßen entfernt war.
Am schärfsten sprach sich diese Bedrohung von der Hochfläche von Folga-
ria (Vielgereut)—Lavarone (Lafraun) her aus, da dieser verhältnismäßig
günstige Sammelraum bloß rund 100 km von Venedig entfernt ist.
Cadorna hatte diesen Gefahren durch den Aufmarsch von mehr als
einem Drittel des Heeres gegen Tirol und durch das anfängliche Bereit-
halten von starken Heeresreserven im Räume Verona—Vicenza—Bassano
Rechnung getragen. Hiedurch ergab sich zugleich eine Umklammerung
Südtirols, mit der wieder die Tiroler Landesverteidigung rechnen
Gliederung der Tiroler Verteidigungsfront
513
mußte. Der gefährlichste Punkt war der Raum bei Toblach, weil hier
die Pustertalbahn auf nur 12 km Entfernung von der Grenze vorüberlief.
Durch freiwillige Preisgabe der von vornherein umfaßten Vorsprünge
des 450 km langen Grenzzuges und durch Rückverlegung der Abwehr in
die Linie der permanenten Befestigungen und des langgestreckten Kammes
der Fassaner Alpen wurde die Front um mehr als 100 km verkürzt. So
wie es Conrad stets vorgeschwebt hatte, war durch die in dieser verkürz-
ten Linie angelegten Feldbefestigungen aus ganz Südtirol eine große
Festung geschaffen worden, die an der Westgrenze auf reine Abwehr,
im Süden und Osten teilweise auch auf Angriffsmöglichkeiten eingerichtet
war, und in der dem festen Platze Trient lediglich die Rolle des Kern-
werkes zufiel.
Der Bodengestaltung und den daraus sich ergebenden Einbruchsmög-
lichkeiten entsprechend, wurde Südtirol in fünf Verteidigungsrayone ge-
teilt. An dieser Einteilung wird bei Besprechung der Kampfereignisse
festgehalten werden. Die Truppen des Rayons I hatten im Hochgebirge
den zwischen der Schweizer Grenze und dem Ortler liegenden Abschnitt,
besonders die Straße über das Stilfser Joch, zu sperren. Südlich anschlie-
ßend bis zur Presanella beschirmte die Besatzung des Rayons II den Grenz-
raum und den Tonalepaß. Im Rayon III — später „Südtirol" genannt —
wurden die zahlreichen zwischen dem Chiese- und dem Suganertal gegen
Trient zusammenströmenden Einbruchswege aufgefangen. Der Rayon IV
umfaßte den Kamm der Fassaner Alpen, der Rayon V das Dolomiten-
gebiet bis zur Kärntner Grenze.
Das Rückgrat der Landesverteidiger bildeten die von den Kaiser-
schützenregimentern, einer für den Gebirgskrieg besonders ausgerüsteten
und ausgebildeten Kerntruppe, beigestellten Besatzungsabteilungen der
Sperren. Der Verteidigungsfront waren die Gendarmerie- und Finanz-
wachposten bis an die Grenze vorgeschoben, deren jeder durch im Grenz-
raume ansässige Landstürmer auf 20 bis 30 Mann verstärkt worden war.
Die in den Brigaden eingeteilten Marsch- und Landsturmbataillone hatten
vornehmlich Söhne der Alpen in ihren Reihen; die Mannschaft der IR. 29
und 37 entstammte dagegen der ungarischen Tiefebene. Die Standschützen-
bataillone wurden erst nach der am 19. Mai zugleich mit der Alarmierung
erfolgten „Aufbietung" gebildet. In heiliger Begeisterung strömten die
Jünglinge unter 18 und die Ausgedienten über 45 Jahre zu den Fahnen*
um, getreu der Tradition ihrer ruhmreichen Vorfahren von 1809, die
heimatliche Scholle verteidigen zu helfen. Allerdings besaßen diese Stand-
schützen außer Schießfertigkeit anfänglich gar keine militärische Ausbil-
II 33
514
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
dung. Am 23. Mai verfügte das Landes ver teidigungskmdo. über 27y2 Ba-
taillone, 39 Standschützenbataillone, 8 Kaiserschützendetachements, IV2
Schwadronen und 22 mobile Batterien mit 75 Geschützen. Auf einen Front-
kilometer entfielen somit 110 Gewehre. Die nicht mobile Artillerie
zählte S40 Rohre. Als einziger für offensive Aufgaben geeigneter Heeres-
körper rollte in der Zeit vom 25. Mai an das hauptsächlich aus gebirgs-
gewohnten bayrischen Truppen zusammengestellte und für den Gebirgs-
krieg besonders ausgerüstete, divisionsstarke deutsche Alpenkorps, GLt.
Krafft von Dellmensingen, in Tirol ein (S.408).
Am 25.Mai übernahm der bisherige Führer der 1. Armee,GdK. Dankl,
das Landesverteidigungskommando.
Als ihm am 23. MaiinTeschen die Behauptung von Tirol anvertraut
worden war, war GdK. Dankl sofort entschlossen, die Verteidung offen-
siv zu führen1). Hiezu hatten die Marsch-, Landsturm- und Stand-
schützenbataillone die vorbereiteten Stellungen zu behaupten, während
das anrollende deutsche Alpenkorps im geeigneten Augenblick als mobile
Stoßkraft Verwendung finden sollte. Mit Rücksicht auf die beiden wahr-
scheinlichen Angriffsrichtungen des Feindes, das Pustertal als strate-
gisches und Trient als politisches Ziel, wurde das Alpenkorps in den,
Raum Bruneck—Brixen—Bozen—Auer geleitet, von wo aus es zur an-
griff sweisen Abwehr eines italienischen Einbruches an einem Tage ent-
weder bei Bruneck oder bei Trient vereinigt werden konnte.
Wie später noch geschildert werden wird, ließ das sehr zögernde
und systematische Vorrücken der Italiener anfänglich schwer erkennen,
welcher Teil des Feindes unter günstigen Aussichten angefallen werden
konnte, weil der konzentrische Vormarsch derart gleichmäßig erfolgte,
daß sich kein Teil vereinzelt bloßstellte. Hielt Dankl anfänglich einen
Vorstoß aus der Dolomitenfront gegen Süden hin für wünschenswert, so
kam er davon ab, als am 28. Mai der Vormarsch von vier feindlichen
Gruppen, und zwar je einer gegen Folgaria—Lavarone, im Val Sugana,
gegen das Fassa- und gegen das Pustertal, gefährlich zu werden schien.
Dankl mußte daher besorgen, schrittweise eingeschnürt zu werden und
jede Aktionsfreiheit zu verlieren; er hielt deshalb einen befreienden Offen-
sivstoß schon für dringend. Da der feindliche Heereskörper, der nach
Cortina d'Ampezzo gelangt war, seine Vorrückung eingestellt zu haben
schien, beschloß Dankl, ehe er sich gegen das Val Sugana und gegen den
!) Schreiben des GO. Dankl an das Kriegsarchiv, 13. August 1930. Vgl. auch
Steinitz, Erinnerungen an Franz Joseph I. (Berlin 1931), 336; Pastor, Viktor
Dankl (Freiburg 1916), 62ff.
Dankls Angriffspläne und ihre Behinderung 515
die Befestigungen von Folgaria—Lavarone bedrängenden Feind wandte,
mit dem Alpenkorps einen Vorstoß aus dem Fassatal nach Osten zu
unternehmen. Hiedurch sollte die hier einspringende Verteidigungsfront
Ks in die Linie Rollepaß—Pellegrinosattel—Marmolata—Ortschaft Cherz
vorverlegt werden, wobei auch die bisher vor der Front gelegene und die
Verbindung zwischen den Rayonen IV und V bildende Straße Arabba —
Pordoijoch wieder gewonnen worden wäre. Diese neue, wesentlich kür-
zere und taktisch vorteilhaftere Linie lag aber zum Teil auf italieni-
schem Boden.
Die DOHL., von vorstehender Absicht in Kenntnis gesetzt, erließ
nun an das Alpenkorps am 4. Juni einen Befehl, daß „italienisches Ge-
biet bis auf weitere Anordnung von deutschen Soldaten nicht betreten
werden soll" und „daß beim Zusammentreffen deutscher und italieni-
scher Truppen auf Tiroler Gebiet vorläufig darnach gestrebt werden
muß, die Italiener als Angreifer auftreten zu lassen". Der Grund für
diese damals kaum verständliche Maßnahme — lag doch die Behauptung
Tirols, des südlichen Vorlandes von Bayern, auch im Interesse Deutsch-
lands — war der, daß sich Deutschland mit Italien noch nicht im Kriegszu-
stand befand, und daß es sich auch nicht des Vorteils, durch die Schweiz mit
dem apenninischen Königreiche Handelsverbindungen zu unterhalten, ent-
äußern wollte. Das AOK. sah sich bemüßigt, den deutschen Befehl gut-
zuheißen und führte als weitere Begründung dieser Einschränkung an,
daß „im Falle der Eröffnung der Feindseligkeiten durch Deutschland
Rumänien vertragsmäßig verpflichtet wäre, gegen uns einzugreifen".
Diese Einschränkung versetzte das Landesverteidigungskmdo. in eine
sehr bitter empfundene Zwangslage und läßt es verständlich erscheinen,
<daß GdK. Dankl, der jetzt annahm, daß die deutschen Truppen wohl für
die Deutschland unmittelbar deckende Brennerlinie, nicht aber für die
Behauptung von Südtirol zu kämpfen hätten, als Ersatz für das nur sehr
bedingt verwendbare Alpenkorps das k. u. k. XIV. Korps (Innsbruck) er-
bat. Doch das AOK. war mit Rücksicht auf die Kampflage auf dem
russischen Kriegsschauplatze noch nicht in der Lage, dem Ansuchen, das
auch aus den Reihen der Truppen gestellt wurde, zu entsprechen, und so
mußte Dankl weiterhin in der reinen Abwehr verbleiben.
Auf italienischer Seite hatte von den beiden Südtirol umfassenden
Armeen die vom Gen. Brusati befehligte i. (6ya Infanteriedivisionen, 4
Bersaglieriregimenter, 16 Alpini- und 6 Finanzwachbataillone stark) eine
rein defensive Aufgabe. Die 5 Infanteriedivisionen, 6 Alpini-, 3 Ber-
saglieribataillone sowie 1 Finanzwachbataillon starke 4. Armee, der ohne-
33*
516 Einleitungskämpfe an der Südwestfront
hin schon die Offensive gegen Toblach vorgezeichnet war (S. 510), wurde
am 22. Mai vom italienischen Höchstkmdo. noch angewiesen, sofort nach
der Kriegserklärung wichtige, jenseits der Grenze liegende Punkte als
Ausgangsstellung für diesen Angriff in die Hand zu nehmen. Der Führer
des I. Korps sträubte sich aber gegen eine Überschreitung der Grenze
und von den durch den Führer des IX. Korps vorgeschlagenen Angriffs-
zielen genehmigte der Kommandant der 4. Armee, Gen. Nava, nur die
Wegnahme des S. Pellegrinopasses und des Überganges östlich von Va-
lazza1), die beide weit vor der österreichischen Verteidigungslinie lagen.
Der Armeekommandant fürchtete offenbar durch die Besitzergreifung
von Vorpositionen die für die spätere Offensive gebotene Überraschung
des Gegners unmöglich zu machen; auch wähnte er, die Besetzung mit
zu schwachen Kräften durchführen zu müssen. Hiedurch verscherzte er
sich aber die Gunst des Augenblicks, die noch schwach gefügte Dolo-
mitenfront gegen Toblach zu durchstoßen.
Obwohl die zwei linken Armeen der Italiener am ersten Kriegstage
den 50.000 Tiroler Landesverteidigern 2) 190.000 Gewehre (ohne Heeres-
reserven) entgegenzustellen hatten, kam es, da sich Freund und Feind
vorerst auf die Abwehr zu beschränken dachten, zunächst nur zu unter-
geordneten Kampfhandlungen. Aus diesen folgerte das italienische Höchst-
kmdo., daß der Gegner noch nicht imstande oder doch nicht gewillt sei,
ernsten Widerstand zu leisten. Da Ähnliches sich auch im Küstenlande
begab, forderte es am 27. Mai alle Armeekommandanten auf, aus der
Lage Nutzen zu ziehen, den Operationen einen entschiedenen Charakter
zu geben und sich rasch jener Stellungen zu bemächtigen, die vom Gegner
nicht ernsthaft verteidigt würden. Cadornas Weisungen schlössen mit der
Anfeuerung: „Eifer, Offensivgeist und Gewinnung der moralischen Über-
legenheit über den Feind3)." Da der rechte italienische Heeresflügel
aber sehr bald vor der österreichischen Isonzofront zum Stehen kam,
war dieser Befehl — wie das italienische Generalstabswerk ausführt —
nur für die 1. und die 4. Armee anwendbar. Bei der erstgenannten, die
sich ohnehin schon in mehreren Abschnitten in der Vorbewegung befand,
wurden die Truppen nun angespornt, rasch die Punkte zu gewinnen, die
für die dauernde Festhaltung bestimmt waren.
1) It al. Gstb. W., II, Text, 63.
2) In diese Zahl sind das deutsche Alpenkorps und einige erst nach Kriegsaus-
bruch eintreffende Marschbataillone nicht eingerechnet.
3) Ital. Gstb. W., II, Text, 124 5 Tosti, La guerra Italo-Austriaca, 1915—1918
(Mailand 1927), 62.
Die Eroberung des Mt. Scorluzzo
517
Die Begebenheiten an der Tiroler Westfront
und im Rayon „Südtirol"
Die Ende Mai noch sehr ungünstigen Schneeverhältnisse waren offen-
bar die Ursache, daß die für das Stilfser Joch und für den Tonalepaß
bestimmten fünf Alpinibataillone samt drei Gebirgsbatterien zunächst den
Befehl erhielten, sich mit der Besetzung einer Linie zu begnügen, die 3
bis 4 km westlich von den mit ewigem Schnee und Eis bedeckten Grenz-
bergen des Ortlermassivs verlief. Vortruppen sollten den Mt. Scorluzzo
besetzen, der die nur im Juli und August schneefreie Straße über das
Stilfser Joch beherrscht, und einige zu Scharten führende Fußsteige sperren.
Im Tonalegebiet war die Besetzung des gletscherfreien Teiles des nörd-
lich und südlich vom Passe verlaufenden Grenzrückens befohlen worden.
Ein Infanterieregiment in Tirano diente als Rückhalt.
Auf österreichischer Seite hatte die im Rayon I stehende 53. HaBrig.
außer dem Suldenbachtal auch noch das Münstertal zu bewachen, weil
es noch nicht klar war, ob Italien die Neutralität der Schweiz berück-
sichtigen werde. Das alte Fort Nauders sperrte den weitab liegenden,
im Inntal führenden Einbruchsweg. Auch mußte darauf geachtet werden,
daß die gegen die Italiener geschleuderten Geschosse nicht das neutrale
Schweizer Gebiet erreichen. Aus diesen Gründen und wegen der noch
hohen Schneelage erfolgte anfänglich eine gruppenweise Besetzung in der
die Reichsgrenze gegen Italien unbewacht lassenden Linie Taufers—
Schaf berg—Sperre Gomagoi—Innersulden—Firkelescharte.
So kam es im Mai im Ortlergebiet zu keinen Kämpfen. Am 4. Juni
jedoch bemächtigte sich eine österreichische Gendarmerieabteilung durch
einen kühnen Vorstoß des schon auf italienischem Gebiete liegenden
Mt. Scorluzzo und versicherte sich hiedurch des Stilfser Joches. Da weiters
Schweizer Truppen ihre Grenze bewachten, eine italienische Umgehung
über Taufers daher nicht zu fürchten war, wurde die Verteidigungsfront
allmählich und ohne feindliche Gegenwirkung in die vordere, allerdings
viel höher gelegene Linie Stilfser Joch—Mt. Scorluzzo—Naglerspitze vor-
verlegt, in der sie bis zum Kriegsende verblieb1).
Im Abschnitt II sperrte die 54. HaBrig. die Täler Val del Monte
und Val di Sole in Anlehnung an das alte Werk Pejo und die teilweise
modernisierte Fortgruppe Tonale. Abgesehen von einem mißglückten
!) Lempfuch, Der König der deutschen Alpen und seine Helden (Stuttgart
1925), 13 f.
518
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
Versuche der Italiener, am 9. Juni den Paradisopaß (südlich vom Tonale)
zu nehmen, verlief die Zeit bis zum Ende dieses Monates kampflos.
Die Nachricht vom Eintreffen deutscher Truppen in Tirol ließ das-
italienische l.Armeekmdo. vor einem Vorstoß ins obere Adda- und
Ogliotal bangen. Deshalb wurden am 5. Juni das Kommando der 5. ID.
und ein zweites Infanterieregiment nach Edolo verlegt1).
Den wichtigen Rayon „Südtirol" mit seinen zahlreichen bei Trient
zusammenlaufenden Einbruchswegen verteidigte die 91. ID., deren Be-
fehlshaber anfänglich der Festungskommandant von Trient, FML. Edi.
v. Guseck, war. Nach dem Eintreffen Dankls in Innsbruck übernahm
FML. Koennen-Horák (S. 289) die Befehlsgebung im Rayon III.
Zwischen der Adamellogruppe und dem Gardasee verteidigten die
50. HaBrig. und die Besatzung der Festung Riva den Einbruchsweg durch
die Judicarien. Während die schmalen, das Gletschermassiv des Adamello
überquerenden Gebirgspfade, die alle im Val di Genova mündeten, nur
beobachtet wurden, sperrte eine mehr oder weniger zusammenhängende
Verteidigungslinie auf den Nordhängen des Val di Daone, die sich an die
moderne Sperre Lardaro anlehnte und gegen Osten hin das Val di Conce!
bogenförmig umschloß, die von Storo gegen Nordosten führenden Ein-
bruchswege. Die Festung Riva, deren Anlagen ihr rühriger Kommandant
GM. Schiesser, in der hier klimatisch günstigen Winterszeit noch erweitern
und verstärken hatte lassen, sollte feindliche Landungen vom Gardasee
her und einen etwaigen Vormarsch im Sarcatal verhindern.
Die im Räume zwischen dem Mt. Listino und dem Gardasee äußerst
vorsichtig vorgehende italienische 6. ID., die noch durch ein Bersaglieri-
regiment und drei Alpinibataillone verstärkt war, begnügte sich mit der
Besetzung der von der Landesverteidigung freiwillig aufgegebenen Grenz-
höhen südwestlich vom Val Daone, von Condino und der Südhänge des
Val Ampola und des Valle di Ledro. Das weite Abbleiben der Italiener
bot der 50. HaBrig. und der Besatzung von Riva die sehr willkommene
Möglichkeit zu ungestörtem Ausbau der Verteidigungslinien.
Der Schutz des Etschtales war der ISl.IBrig. anvertraut, die hiezu
beiderseits des Südrandes von Rovereto eine Verteidigungsstellung be-
zogen hatte. In ebenso behutsamer Weise wie die italienische 6. ID. gingen
im Räume zwischen dem Gardasee und dem Vallarsa eine Brigade der Be-
satzung von Verona und Teile der 9. ID. vor. Das Maß der zaghaften.
Vorbewegung wird dadurch beleuchtet, daß es 170 österreichischen Gen-
!) Ital. Gstb. W., II, Text, 144.
Die ersten Zusammenstöße vor Lavarone
519
darmen und Landstürmern am 27. Mai, also am vierten Kriegstage, bei
der nur 10 km von der Grenze entfernten Stadt Ala gelang, zwei feind-
liche Bataillone und eine Batterie den ganzen Tag aufzuhalten. Erst am
5. Juni waren die Italiener auf Geschützertrag vor der österreichischen
Etschtalsperre angelangt, wo sie sich festsetzten.
Wesentlich lebhafter gestalteten sich die Ereignisse auf der Hoch-
fläche von Folgaria und Lavarone, deren Sperrwerke von den italieni-
schen nur auf Kanonenschußdistanz entfernt lagen. Die österreichischen
Forts waren aber, weil ursprünglich nur für die vorübergehende Siche-
rung dieses offensiven Zwecken dienenden Sammelraumes bestimmt,
nach Panzerung und Armierung den feindlichen sehr unterlegen. Für die
mobile Verteidigung der Hochfläche waren anfänglich die 51.HaBrig.,nach
ihrer Verschiebung in die Dolomiten vom 28. Mai an die von Innsbruck
herangeführte 180. IBrig. bestimmt.
Von italienischer Seite gingen gegen diese befestigte Hochfläche vom
V.Korps die Masse der 9. und die halbe 34. ID. nebst vier Alpinibatail-
lonen vor. Die Bestimmung weiterer Ziele war erst nach Niederkämp-
fung der Forts durch die italienische Artillerie in Aussicht genommen1).
Schon am 24. Mai eröffnete die italienische Werksartillerie das Feuer,
das sich vom nächsten Tage an zu großer Heftigkeit steigerte. Besonders
wurden die vier Forts östlich von Lavarone, dann aber auch die Feste
Serrada mit 15 cm- und 28 cm-Bomben belegt. Schwere, die Verteidigungs-
fähigkeit der Werke beeinträchtigende Schäden waren die Folge, und nur
mit Mühe konnten nachtsüber teilweise Ausbesserungen vorgenommen
werden. Kritisch wurde die Lage, als am 28. der Kommandant des Wer-
kes Lusern in einer Anwandlung von Schwäche die weiße Fahne hissen
ließ. Doch schlagartiges Einsetzen des Feuers vom Nachbarstützpunkt
und energisches Eingreifen der im freien Felde stehenden Kommandanten
beseitigten rasch die Gefahr einer ungerechtfertigten Übergabe des Werkes.
Nach sechstägigem Bombardement schritten die Italiener zum An-
griff. Ihr erster Vorstoß galt am 30. Mai dem Abschnitt Verle—C. di
Vezzena; dieser Angriff brach aber vor den heldenmütig ausharrenden
Tiroler Landstürmern und Standschützen zusammen, die von der Werks-
artillerie wirksam unterstützt wurden. Doch auch anfangs Juni zeigte
sich der Feind sehr rührig und war bestrebt, sich im Vorfelde unserer
Werke festzusetzen, um den von ihm besorgten Vorstoß öst.-ung. Kräfte
noch vor der Zone der italienischen Befestigungen aufzufangen2).
1) It al. Gstb. W., II, Text, 147.
2) Tosti, 117.
520
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
Das Eintreffen schwerer Artillerie, darunter auch einer 30.5 cm-
Mörserbatterie, befähigte die 180. IBrig. im Juni, die italienische Werks-
gruppe auf Campomolon und Mt. Toraro wirksam zu bekämpfen. Die
Dämpfung des feindlichen Feuers wurde sur Umgestaltung der vor den
Werken von Lavarone liegenden Feldwachen in eine durchlaufende Ver-
teidigungslinie ausgenützt, so daß just in jenem einsigen Räume, in dem
die Italiener ernsthaft angriffen, unsere Stellung sogar vorverlegt wurde.
Das verhältnismäßig breite Suganatal wurde in gegen Westen weit
zurückgezogener Lage zwischen der feldmäßigen Befestigung auf Sommo
und den alten Sperrwerken Tenna und Colle delle bene, weiters auf der
zum Kreuzspitz sich hinziehenden Höhenlinie gesperrt. Da die italie-
nische 15. ID. nur äußerst behutsam vorrückte und sich nach der ersten
Juniwoche erst Agnedo näherte, stand die den Suganatalabschnitt
schützende 52. HaBrig. mit Sicherungstruppen bis Ende Juni noch weit
vor ihrer Verteidigungsstellung.
Die Festung Trient wurde weiter ausgestaltet und durch verschie-
dene Verbindungslinien mit den nähergelegenen Grenzabschnitten des
Rayons III verbunden. Hiedurch wäre es bei Verlust eines Teiles der
vorderen Linien möglich gewesen, dem Feinde eine neue Verteidigungs-
front entgegenzustellen.
Die Verteidigung der Dolomitenfront
Die Südostflanke von Tirol wurde auf dem Kamm der Fassaner
Alpen, auf den Gebirgsstöcken der eigentlichen Dolomiten und auf dem
Westteil des Karnischen Kammes verteidigt. Die vor dieser Verteidigungs-
front liegenden Beckenlandschaften von Fiera di Primiero (das Primor
genannt) und von Cortina d'Ampezzo wurden freiwillig aufgegeben. Den
Rayon IV, das waren die Fassaner Alpen vom Kreuzspitz bis einschließ-
lich des Pordoijoches, beschirmte anfänglich die 55. GbBrig. Wenige
Tage nach Kriegsbeginn wurde im nördlichen Abschnitt die bisher in
Bozen gestandene 179. IBrig. eingesetzt. Über beide Brigaden übernahm
das 90. IDKmdo. den Befehl. Im Rayon V, der den Dolomitenabschnitt
vom Pordoijoch bis zum Hochspitz umfaßte, stand anfänglich die 56. Gb-
Brig. Sie stützte sich auf die Werke Tre Sassi, Plätzwiese, Landro und
Sexten, ließ aber die beiden alten, östlich vom Pordoijoch gelegenen
Sperren Ruaz und Corte vor der Front. Am 8. Juni wurde der Rayon V
dem in Bruneck neu aufgestellten Kommando der Division „Pustertal"
untergeordnet und im Westteile dieses Grenzabschnittes die zum Teil aus
Maßnahmen fcur Verteidigung der Dolomitenfront
521
der 51.HaBrig. entstandene 51.GbBrig. gebildet. Da das Alpenkorps
für einen Gegenstoß nicht in Betracht kam, hatte GdK. Dankl, um den
Führer des Alpenkorps, GLt. Krafft, in der Verteidigungsfront zu ver-
wenden, diesem schon am 6. Juni das Kommando über die beiden Rayone
IV und V übertragen, worauf Krafft die Mehrzahl der deutschen Truppen
zunächst gruppenweise zwischen Cavalese und Bruneck als Reserve
aufstellte1).
Im Sinne der vom Landesverteidigungskmdo. erteilten Weisung und
in Berücksichtigung der von der DOHL. verfügten Einschränkung befahl
GLt. Krafft am 11. Juni: „Die Verteidigung der Grenzstellungen, möglichst
aus eigener Kraft, ist in der Hauptsache Aufgabe der österreichischen
Abschnittsbesatzungen. Das Alpenkorps ist Reserve des Landesverteidi-
gungskmdos. Wenn ihm mit dem Hauptteile die Verteidigung Südosttirols
übertragen wurde, so lag dem die Absicht zugrunde, den dort erwarteten
starken Angriffen, sobald sich die Hauptangriffsrichtung ausgesprochen
und der Feind sich an unsere Stellungen festgebissen hat, möglichst mit
kräftigem Gegenangriffe entgegenzutreten . .
Der vom Verteidiger erwartete starke Angriff blieb aber aus. Wohl
hatte Cadorna dem Führer der italienischen 4. Armee den strikten Auf-
trag erteilt, Toblach zu nehmen; Gen. Nava hatte aber die ersten Kriegs-
tage fast tatenlos verstreichen lassen. Auf Cadornas aneifernden Befehl
vom 27. Mai (S. 516) ließ er am 28. den TreCrocipaß östlich von Cor-
tina d'Ampezzo und am 29. diesen Ort selbst besetzen. Erst am 1. Juni
befahl er dem IX. Korps, sich mit der 18. ID. — bei Festhaltung des
Pellegrinosattels — des vom Gegner gar nicht besetzten Mt. Migogn
(westlich von Caprile) und mit der 17. ID. der Sperre Tre Sassi zu be-
mächtigen. Das I. Korps hatte mit der 2. ID. den Falzaregopaß und
nördlich von Cortina die österreichischen Verschanzungen bei Son Pauses,
mit der 10. ID. die Sperren Plätzwiese, Landro und Sexten anzugreifen 2).
Beim italienischen IX. Korps nahmen die Vorbereitungen viel Zeit
in Anspruch. Erst am 18. Juni ging die 18. ID. im Räume zwischen dem
S. Pellegrinotale und dem Fedajapaß gegen die 179. IBrig. zum Angriff
vor. Der hartnäckige Kampf, in den auch einzelne deutsche Kompagnien
eingriffen, endete noch am selben Tage mit einem vollständigen Miß-
erfolg der Italiener. Die 17. ID. begnügte sich mit Erkundungsvorstößen.
Frühzeitiger als die 18. ID. schritt die 2. Division des I. Korps an
!) Bayerisches Kriegsarchiv, Die Bayern im Großen Kriege 1914—1918
(Münchein 1923), 212.
2) Ital. Gstb. W., II, Text, 13if.
522
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
die Durchführung ihrer Aufgabe. Am 9. Juni gingen etwa vier Bataillone
gegen Son Pauses und die beiderseits anschließenden Stellungen vor; öst-
lich von Son Pauses wurden sie von einer durch Standschützen verstärk-
ten Kompagnie des X. Marschbataillons des IR. 14 zurückgetrieben. Ein
italienisches Bataillon, das in das Fanestal einzudringen versuchte, wurde
von einer Kompagnie der Vierzehner und einer deutschen Kompagnie in
wechselvollem Fechten zum Rückzug gezwungen. Die Italiener vermoch-
ten sich jedoch auf dem Col Rosa festzusetzen und bedrohten hiedurch
die Verbindung in das Travenanzestal. Vier Tage später wurde der An-
griff im ganzen Frontteil zwischen Tre Sassi und Son Pauses wiederholt.
Vorübergehende Erfolge der Italiener wurden von den tapferen Ver-
teidigern wettgemacht, die sich auf den Westhängen der Tofana I auch
mit Steinlawinen wehrten. Auch die am 14. gegen S. di Stria und am 15.
am Falzaregopaß unternommenen Vorstöße brachten den Italienern keinen
dauernden Raumgewinn.
Weiter östlich verharrte die italienische 10. ID. in kaum verständ-
licher Untätigkeit. Sie begnügte sich mit der Einbeziehung einiger Höhen-
punkte des Drei Zinnenmassivs in ihre Stellungen, verabsäumte aber die
Besetzung des vom Verteidiger anfänglich freigegebenen Kreuzbergsattels.
Ungleich rühriger waren die Verteidiger. Am 7. Juni überrumpelten
Kaiser- und Standschützen die Alpini auf dem Mt. Piano, besetzten den
Nordhang und verbesserten hiedurch ganz wesentlich die Verteidigungs-
verhältnisse am Südausgange des nach Toblach führenden Höhlenstein-
tales. Am 23. Juni wurde die Abwehrfront im Sextentale, die bis dahin in
der Linie der Sperrwerke lag, gegen den Kreuzbergsattel hin durch Be-
setzung des Burgstall, Seikofi und Eisenreich vorverlegt. Auch auf dem
Karnischen Kamm bedeutete die am 2. Juni erfolgte Besitznahme der Cima
dei Frugnoni und der Pfannspitze eine Besserung der ohnehin so außer-
ordentlich schütter besetzten Verteidigungsfront.
Die Frühjahrskämpfe in Tirol zeitigten für beide Gegner keine Ände-
rung der Lage und der Kräfteverteilung. Die rührigen Landesverteidiger
hatten jedoch durch ihre zahlreichen kleineren, aber kühnen Unterneh-
mungen, die des Raummangels halber hier nur zum geringsten Teile
Erwähnung finden können, die stolze Überzeugung gewonnen, daß sie
dem mehrfach überlegenen Feinde mit Erfolg die Stirne zu bieten ver-
mochten. Sie waren entschlossen, jeden Schritt heimatlichen Bodens nach-
haltig zu verteidigen.
Die Italiener hatten trotz ihrer dreifachen Überlegenheit nur jene
Gebiete in Besitz nehmen können, die das Landesverteidigungskmdo. plan-
Der Verteidigungsplan des GdK. Rohr
523
mäßig freiwillig aufgegeben hatte, dies selbst dort, wo die 4. Armee eng
massiert zum Angriff auf Toblach bereitgestellt war. Das Unterbleiben
dieses Vorstoßes hat den strategischen Offensivplan Cadornas um eine
grundlegende Voraussetzung ärmer gemacht und war sicherlich von nach-
teiliger Rückwirkung auf die Kämpfe der italienischen Streitkräfte im
benachbarten Kärntner Abschnitt.
Die Ereignisse an der Kärntner Front vom 23. Mai
bis Anfang Juli 1915
Die ersten Grenzkämpfe und der Aufmarsch des
k.u. k. VII. Korps bis Ende Mai
Hiezu Beilage 26 sowie Skizzen 31 und 32
Als GdK. Rohr am 22. Mai seinen nunmehr verringerten Wirkungs-
kreis als Armeegruppenkommandant des Hauptrayons Kärnten übernahm,
fiel ihm die Aufgabe der unbedingten Behauptung des Karnischen Kammes
und der Kärntner Sperren zu. Hiezu plante er, das Vordringen der Italiener
schon in den Grenzstellungen aufzuhalten; im Falle der Unmöglichkeit
sollte wenigstens die feindliche Vorrückung gegen das Innere des Landes
verzögert werden. An Streitkräften waren dem General die in Kärnten
aufgestellte 92. ID., FML. v. Langer, und die bei Lienz als Reserve und
Verbindungsgruppe mit Tirol stehende 57. HaBrig., GM. Lanzinger,
weiters das von Galizien nach Villach anrollende VII. Korps, GdK. Erz-
herzog Joseph (20. HID. und 17. ID.), und die bei der 4. Armee neufor-
mierte, auf der Tauernbahn heranbeförderte 59. GbBrig., GM. Fernengel,
unterstellt (S.410).
Am 23. Mai noch in Wien weilend, teilte Rohr seinen Grenzrayon in
zwei Abschnitte und wies den westlichen, von der Tiroler Grenze bis zum
Kanaltal reichenden, dem Erzherzog Joseph zu, der mit der 183. IBrig. der
92. ID., der 57. HaBrig., der 59. GbBrig. und der 17. ID. zunächst auf dem
Karnischen Kamm, in zweiter Linie auf den Gailtaler Alpen hartnäckigen
Widerstand leisten sollte. Den Grenzraum südlich des Kanaltales bis zum
Krn und die Kärntner Sperren hatte FML. Langer mit der 184. IBrig.
seiner Division und der 20. HID. zu verteidigen. Insbesondere wurde ihm
die Behauptung des Raumes um Tarvis ans Herz gelegt, dann die Ver-
hinderung eines italienischen Einbruches in das obere Savetal sowie eines
solchen aus dem Gailtal oder über den Wurzenpaß gegen Villach, wozu
524
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
die nach Arnoldstein anrollende 20. HID. bei Tarvis und Feistrita a. d. Gail
entsprechend gruppiert werden sollte. Der Gruppe Erzherzog Joseph
wurde überdies noch die Unterstützung der Nachbargruppe in Tirol oder
bei Tarvis aufgetragen. Für den immerhin möglichen Fall eines Durch-
brechens des Feindes bis gegen Oberdrauburg hätte die Streitmacht des
Erzherzogs nach Osten zurückschwenken und im Anschluß an die von
der Gruppe Langer unter allen Umständen zu behauptenden Kärntner
Sperren zum Schutze der Tauernbahn neue Stellungen in der Linie Ober-
vellach (im Gailtal)—Weißensee—Sachsenburg—Iseltal beziehen sollen.
Als GdK. Rohr am 23. Mai nachmittags von der italienischen Kriegs-
erklärung Kenntnis erhielt, mußte ihm ernstlich ob der Durchführbarkeit
seines wenige Stunden vorher erlassenen Befehles bangen, denn die ihm
anvertraute, fast 100 km lange Grenze war zur Stunde nur von den
beiden Brigaden der 92. ID. und zwei Bataillonen sowie einer Batterie der
57. ID. besetzt. Im Westabschnitt hielt auf dem Karnischen Kamm von
der Tiroler Grenze bis zum Schinouz die 183.IBrig., GM. Gössmann,
Wacht. Hoher Schnee und das Streben, den Italienern jeden Anlaß zu
Klagen über feindselige Maßnahmen zu nehmen, hatten der Anlage von
Befestigungen an der auf der Kammlinie verlaufenden Grenze bisnun
entgegengestanden. Nur etwa 1 km nördlich vom engen Plöckenpaß sperrte
eine feldmäßige Befestigung den einzigen fahrbaren Übergang. Östlich
vom Findenigkofel, von wo an der niedriger werdende Kamm von der
Reichsgrenze zurücktrat, hatten die Truppen an den das Gebirge über-
setzenden Saumwegen einige flüchtige Schützengräben angelegt. Weiter
nördlich jedoch waren alle Gail- und Draubrücken sowie die Paßhöhen
der Gailtaler Alpen durch schon fertiggestellte Stützpunkte geschützt.
Günstigere Verhältnisse hatte die den Abschnitt Schinouz—Krn ver-
teidigende 184. IBrig., GM. Jaschke, da sie sich auf die die Tal- und
Paßstraßen schützenden permanenten Sperren von Malborgeth, Raibl und
Flitsch stützen durfte. Wohl waren auch diese Forts größtenteils des-
armiert worden, aber eben durch die Aufstellung der Werkgeschütze in
nahegelegene Feldstellungen war ein besserer Schutz des Zwischenge-
ländes erzielt worden. Dürftig war die technische Ausgestaltung des zur
Verteidigung ausersehenen und von Natur aus starken Abfallrückens, der
von Flitsch zum Krn hinanstieg. An Reserven standen für den ganzen
Hauptrayon Kärnten anfänglich nur die schwache 57. HaBrig, in Lienz
und neun des festen Gefüges noch sehr entbehrende Bataillone freiwilliger
Kärntner Schützen bei Villach. Von den anrollenden Verstärkungen war
die 59.GbBrig. am 24. in Oberdrauburg, die Spitze der 20.HID. am selben
Angriffsaufgaben für die Karnische Gruppe der Italiener
525
Tag in Arnoldstein zu erwarten, während die Anfänge der 17. ID. erst
am 27. bei Oberdrauburg und Hermagor eintreffen konnten.
Gen. Lequio, der Befehlshaber der an der Kärntner Grenze aufmar-
schierten italienischen ,,Karnischen Gruppe" (ZonaCarnia) hatte seine 31
Bataillone, 1 Schwadron und 13 Batterien starke Streitmacht zur Durch-
führung ihrer ersten, die Niederkämpfung der Kärntner Sperren umfas-
senden Aufgabe gleichfalls in zwei Untergruppen geteilt1). Der westlichen
— „But-Degano" genannt — fiel die Besitznahme des Karnischen Kammes
zu, auf dem sie den von der östlichen ,,Fella"-Untergruppe einzuleitenden
belagerungsmäßigen Angriff gegen die österreichischen Sperrbefestigungen
decken sollte2). Die Fellagruppe hatte überdies gegnerische Truppenver-
schiebungen von Tarvis über Predil—Flitsch in das Isonzotal zu verhin-
dern, in welche Aufgabe sie sich mit dem gegen den Krn vorgehenden
IV. Korps der 2. Armee teilte. Nach erfolgter Niederkämpfung der öster-
reichischen Sperren war der Karnischen Gruppe der Einbruch in die
Becken von Tarvis und Villach zugedacht. Von hier aus hätte sie dann —
im Tale der Wurzner Save vorrückend — die Offensive der 2. und der
3. Armee gegen Laibach unterstützen oder durch Vormarsch im Gail- und
Drautal gegen Westen der 4. Armee bei der Besitzergreifung von Toblach
helfen sollen3).
Diesen Weisungen entsprechend traten die Bataillone Lequios am
24. vorsichtig die Vorbewegung an, wobei die westlichste, beiderseits des
.Plöckenpasses vorrückende Kampfgruppe alsbald auf die an der Grenze
stehenden schwachen österreichischen Truppen der 183. IBrig. stieß. Dank
ihrer Übermacht und ihrer Gebirgsvertrautheit vermochten die Alpini
sich nach hartem Kampf zahlreicher beherrschender Grenzhöhen zwischen
dem Lahner Joch und dem Findenigkofel zu bemächtigen (Skizze 31).
Am Lahner Joch warf ein schneidiger Gegenstoß die Italiener allerdings
rasch wieder ins Tal und beim Wolayer See mußte sich der Feind mit dem
Seekopf und der Paßscharte begnügen, denen gegenüber der Verteidiger
am Nordufer des kleinen Gebirgssees und am Südhang des Rauchkofels
eine neue feste Stellung bezog. Kritischer gestaltete sich die Lage im
Plöckengebiet, da der Feind hier im ersten Anlauf die nur sehr schwach
besetzten Höhen des Kleinen 4) und des Großen Pal, dann das Promoser
*) Tosti, 124. — Im Juni traten noch 12 schwere Batterien zur Karnischen
Gruppe (Ital. Gstb. W., II, Text, 288).
2) Ital. Gstb. W., II, Dokumente, 104.
3) Ital. Gstb. W., II, Text, 60.
4) Das Ital. Gstb. W., II, Text, 61, führt an, daß die Italiener am 24. vom Kl. Pal
vertrieben wurden und diese Höhe erst am 26. Mai wieder besetzten.
526
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
Tori gewann, während zwischen den beiden Pal, auf dem Freikofel, eine
Kompagnie des steirischen LstMaBaons. 10 festgeklammert blieb.
Südlich des Kanaltales bemächtigten sich die Italiener des vor der
österreichischen Verteidigungsstellung befindlichen, freiwillig aufgege-
benen Geländes und eröffneten aus noch auf italienischem Boden stehen-
den Batterien auf die Sperrwerke Malborgeth und Predil ein wirkungs-
loses Feuer. Noch zögernder rückten die Italiener durch das Ucea- und
das oberste Isonzotal gegen Flitsch vor, gegen das sie erst am 29. den
ersten Kanonenschuß lösten.
Nach dem Eintreffen der 59. GbBrig. am 24. Mai wurde ihrem Kom-
mandanten, GM. Fernengel, der westliche Abschnitt des Armeegruppen-
bereiches bis einschließlich des Promos überwiesen, während GM. Göss-
mann den östlichen Abschnitt bis zum Kanaltal beibehielt. GM. Fernengel
war sofort entschlossen, der Gefahr, daß der Feind, in das Angerbachtal
vorstoßend, die Plöckenstraße gewänne, durch Rückeroberung der Grenz-
höhen zwischen Plöckenpaß und Promoser Törl zu steuern. Vorerst aber
mußten seine Truppen mit Gebirgsausrüstung versehen werden.
Als GdK. Rohr am 25. nachmittags in St. Veit a. d. Glan ankam, wo-
hin das Armeegruppenkmdo. verlegt wurde, konnte er mit Freude fest-
stellen, daß der Feind die befürchtete Vorrückung gegen das Gailtal
nicht angetreten hatte, sondern die gewonnenen Grenzhöhen befestigte
und sich bloß um weitere Grenzpositionen bemühte. So besetzte er noch
die Höhen Promos, Hoher Trieb und Findenigkofel, während ihm die
Eroberung des Plöckenpasses und zunächst auch der südlich des Kanal-
tales gelegenen Zweispitzenscharte mißlang. Dieses zaghafte Verhalten
der Italiener wird durch die Auffassung des Gen. Lequio erklärlich, der
selbst eine kurze Vorrückung der Fellagruppe vor Niederkämpfung der
österreichischen Sperren für „wenig günstig" erachtete, während er es
für den But-Deganoabschnitt schon als ein „wichtiges Ergebnis" bezeich-
nete, „die Grenzlinie gegen den heftigen und andauernden gegnerischen
Druck zu behaupten"1). Immerhin verlebte das Armeegruppenkmdo. Rohr
noch bange Stunden und Tage, denn der Feind konnte dank seiner Über-
macht fast ungehindert ins Gailtal vorstoßen. Wohl rollte jetzt auch das
VII. Korps in Kärnten ein, von dem am 24. die 20. HID. bei Arnoldstein
und am 27. die 17. ID. bei Kötschach einzutreffen begannen. Doch auch
diese Truppen mußten erst mit Gebirgsausrüstung, vor allem mit Berg-
schuhen und Tragtiertrains, versehen werden. Als Erschwernis trat noch
hinzu, daß diesen meist der ungarischen Tiefebene entstammenden Regi-
1) Ital. Gstb. W., II, Text, 125.
Bereitstellung des k. u. k. VII. Korps
527
mentern, namentlich der Honvéd, der Krieg im Hochgebirge noch
völlig fremd war.
Die Untätigkeit der italienischen Karnischen Gruppe hielt noch an,
als Erzherzog Joseph am 27. nachmittags in Oberdrauburg eintraf, wo
er zunächst sein Hauptquartier aufschlug. Er stimmte mit GM. Fern-
engel darin überein, daß zur Behauptung des wichtigen Plöckenpasses ehe-
stens der Kl. und der Gr. Pal rückerobert werden müßten und nahm auch
in Aussicht, hiezu Teile der 17. ID. zu verwenden. Diese vom FML. Gelb
befehligte Division sollte hiezu — unter Zurücklassung eines Regiments bei
Oberdrauburg — mit der Masse ins Gailtal verlegt werden. Um sie für
den Gebirgskrieg elastischer zu gestalten, wurde aus dem IR. 39, dem
Bataillon 11/37 und entsprechender Artillerie die 57. GbBrig. unter Obst.
Freih. v. Henneberg formiert, die am 2. Juni auf dem Grenzkamm im Ab-
schnitt Promos—Hochwipfel zwischen der 59. GbBrig. und der 183. IBrig.
eingesetzt wurde. GM. Lanzinger, der vorübergehend mit dem Kom-
mando des äußersten Westabschnittes beiderseits des Mt. Peralba betraut
war, übernahm nach Auflösung seiner Halbbrigade1) den Befehl über
die 34. IBrig. Von der 20. HID. war vorübergehend ein Regiment ins
Gailtal bis Vorderberg vorgeschoben worden, um bis zum Eintreffen der
17. ID. den Verteidigern des Karnischen Kammes im Bedarfsfalle bei-
springen zu können. Doch diese Nötigung sollte sich nicht ergeben, denn
die Italiener blieben weiter untätig und versäumten die letzte Frist zum
Vorstoß in das Tal.
Am 29. Mai begann der Gegenschlag der 59. GbBrig. mit einem An-
griff gegen den vom Feinde besetzten Teil des Freikofels, wobei nach
wechselvollen Kämpfen die westliche Gipfelhöhe behauptet wurde. Den
gleichen Verlauf nahm am nächsten Tag ein Unternehmen gegen den
Gr. Pal, durch das gleichfalls nur die Westhälfte dieses Grenzberges
erobert werden konnte. Immerhin hatte das Armeegruppenkmdo. nun
schon die feste Zuversicht gewonnen, daß es mit seinen jetzt täglich
stärker werdenden Streitkräften und gestützt auf die Heimatsliebe und
die Opferwilligkeit der Kärntner Bevölkerung einen Einbruchsversuch
des Feindes werde zurückschlagen können.
Bei der Brigade Fernengel waren die nächsten Tage mit Kämpfen
um die Behauptung der wenigen Eroberungen ausgefüllt, wobei die von
den Höhenspitzen geleitete italienische Artillerie empfindlich fühlbar
wurde. An ein Vertreiben der italienischen Höhenbesatzungen war aber
x) Das X. MaBaon. IR. 14 und die Batterie wurden der im Pustertal stehenden
56. GbBrig. überwiesen, das Standschützenbataillon verblieb zunächst in Lienz.
528
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
nicht zu denken, bevor die 17. ID. ihre Verwendbarkeit im Gebirge er-
langt hate.
Im Abschitt FML. Langer (Skizze 32) war die 20. HID., GM. Edi. v.
Nagy, bis 29. Mai vollständig eingetroffen und stand mit der 39. HIBrig.
bei Arnoldstein und Vorderberg, mit der Sl.HIBrig. bei Tarvis. Von
letzterer wurden zur Verstärkung der 184. IBrig. je ein Bataillon nach
Malborgeth, Raibl und Flitsch vorgeschoben. Während sich die letzten
Maitage zwischen Malborgeth und Flitsch — abgesehen von der fast
kampflosen Besetzung des Zweispitzes und des Mittagskofels durch die
Italiener — wenig ereignisreich gestalteten, war der Feind gegenüber
dem Südflügel der Armeegruppe rühriger und fühlte mit etwa drei
Alpinibataillonen gegen den Rücken Vrsic—Vrata—Krn vor, der von
Teilen eines der 184. IBrig. zugewiesenen bosnischen Bataillons der 57. ID.
besetzt war. GM. Perneczky, Kommandant der 81.HIBrig., wurde des-
halb am 29. Mai mit der Befehlsgebung im Flitscher Abschnitt betraut und
traf eben mit dem ersten gebirgsmäßig ausgerüsteten Honvédbataillon hier-
ein, als am 31. im Morgengrauen Alpini sich im überraschenden Angriff
der Höhen Vrsic und Vrata bemächtigten. Eiligst wurde nun das HIR. 4
über den Mojstrovkapaß dem GM. Perneczky nachgesendet, während
GdK, Rohr die Masse der 20. HID. (zwei Infanterieregimenter und Ar-
tillerie) noch im Räume Tarvis—Arnoldstein—Vorderberg zu seiner Ver-
fügung zurückbehielt. Er war gewillt, die im Feindbesitz befindlichen
Grenzhöhen östlich des Plöckenpasses und die eben verlorene Rückenlinie
nördlich des Krn zurückzugewinnen und den italienischen Angriff gegen
die permanenten Sperrbefestigungen möglichst zu erschweren. Hiezu trug
er sich sogar mit dem Gedanken eines Angriffes auf die Höhen Zwei-
spitz, Mittagskofel und Köpfach, um die Aufstellung von für die Be-
kämpfung Malborgeths bestimmter italienischer schwerer Artillerie im
Dognatale zu vereiteln.
Die nun einsetzenden Kämpfe zur Säuberung des Karnischen Kammes
und die Gefechte im Krngebiet bildeten den Inhalt des ereignisreichen
Juni an der Kärntner Front.
Die Kämpfe auf dem Karnischen Kamm von Anfang
Juni bis Anfang Juli
Hiezu Skizze 31
Nur zu langsam für die Ungeduld der Führer vollzog sich die Aus-
rüstung der 17. ID. für den Gebirgskrieg. Die nächste gebirgsverwen-
dungsfähig gewordene Truppe, das IR. 43, wurde samt entsprechender
Das Ringen um den Freikofel
529
Artillerie am 5. Juni unter Befehl des 34. IBrigKmdos., GM. Lanzinger,
statt der 183.IBrig. zwischen Hochwipfel und Schinouz in die Front ge-
stellt. Hier hatte sich der Feind bisnun mit dem Vortreiben von Siche-
rungsabteilungen bis an den die Reichsgrenze bildenden Pontebbanabach
begnügt und unterließ auch weiterhin eine Vorrückung oder gar einen
Angriff gegen unsere Höhenstellungen. Die abgelöste 183. IBrig. gelangte
als Armeegruppenreserve nach Hermagor.
Unterdessen hatte Gen. Lequio die Truppen seines westlichen Ab-
schnittes zur Wegnahme des Freikofel, des letzten im Plöckenabschnitt
noch im österreichischen Besitz verbliebenen Grenzberges, angespornt.
Nach Zuführen von Verstärkungen, was den wachsamen Verteidigern
jedoch nicht entgangen war, griffen am 6. Juni früh überlegene italienische
Kräfte den Freikofel an. Mit Mühe klammerten sich die hier kämpfenden
Teile der 59. GbBrig. an die ihnen schon halb entrissene Höhe. Dem
tatkräftigen Eingreifen des Brigadiers, GM. Fernengel, und der Tapfer-
keit der wenigen hier fechtenden Kompagnien war es zu danken, daß
der italienische Ansturm am Abend zurückgeschlagen werden konnte.
Um die Befehlsgebung im gefährdeten Grenzraum in eine Hand zu legen,
übertrug das VII. Korpskmdo. den ganzen Abschnitt von der Tiroler
Grenze bis zum Hochwipfel dem Führer der 17. ID., FML. Gelb, dem
nun die 59. und die 57. GbBrig. sowie das IR. 46 unterstanden. Nach
vollendeter Ausrüstung der noch im Gailtal als Korpsreserve stehenden
33. IBrig. plante Erzherzog Joseph sogar einen Vorstoß vom Promos
gegen den Mt. Paularo, um hiedurch die auf den Grenzhöhen östlich des
Plöckenpasses befindlichen Italiener zum Rückzug zu zwingen.
Am 7. Juni erneuerten die Italiener ihren Ansturm, der jetzt auch
auf den Plöckenpaß und dessen westlichen Eckpfeiler übergriff. Sie wurden
vollends abgeschlagen, wobei die 17. ID. allerdings alle ihre Verfügungs-
truppen aufbrauchte, so daß ihr Teile der Korpsreserve zugewiesen
werden mußten. Für den nächsten Tag faßte GM. Fernengel alle an
anderen Stellen entbehrlichen Kräfte zusammen, um dem Feinde die
ganze Gipfelfläche des Freikofel und den westlich anschließenden Hang
zu entreißen. Nach schwerem Kampf, der mehrfach über die Höhe hin
und her wogte, gelang es bei Einbruch der Dunkelheit, den Freikofel —
diesmal dauernd — in den Besitz der 59. GbBrig. zu bringen1).
1) Die von vorstehender Darstellung abweichende Ausführung des Ital. Gstb. W.,
II, Text, 128, wonach der Freikofel nach den vom 6. bis 10. Juni währenden wechsel-
vollen Kämpfen schließlich im italienischen Besitz geblieben sei, ist nach den im Kriegs-
archiv erliegenden Feldakten nicht zutreffend.
II
34
530
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
Der von der 17. ID. erwartete italienische Gegenhieb blieb aus.
Dafür griff der Feind in den nächstfolgenden Tagen am Wolayer See und
im Gebiet des Mt. Peralba heftig an. Bei jenem gelang es ihm, in der
Paßscharte einige örtliche Vorteile zu erringen. Am Mt. Peralba jedoch
vermochten unsere Truppen nicht nur die Alpini zurückzuschlagen, son-
dern im Nachstoß am 11. sogar den schon auf italienischem Gebiet be-
findlichen und einen vorzüglichen Überblick gewährenden Gipfel zu be-
setzen. Östlich des Plöckenpasses wurden die tapferen, aber sehr ermüdeten
Verteidiger des Freikofels durch Bataillone der Korpsreserve abgelöst.
Einem Antrage des GM. Fernengel auf schrittweise Säuberung des
Grenzrückens entsprechend, wurde nun die Wegnahme des Kl. und des Gr.
Pal, des Promoser Törls und allenfalls der östlich anschließenden Grenz-
höhen bis zum Findenigkofel ins Auge gefaßt. Am 14. wurde das wohl
vorbereitete und artilleristisch gut unterstützte Unternehmen auf den von
zwei Finanzbataillonen besetzten Kl. Pal mit vollem Erfolg durchgeführt.
Zur selben Zeit eroberte eine initiativ vorbrechende Nachbargruppe den
Gr. Pal *). Nach Abwehr zahlreicher Gegenangriffe sollten am 16. die noch
auf dem Hang zwischen Kl. Pal und Freikofel angeklammerten Alpini
vertrieben werden. Doch dieser, über wild zerklüftete Felshänge ge-
führte Angriff brachte den mit dem Gebirgskrieg doch noch sehr unver-
trauten Söhnen der ungarischen Ebene keinen Erfolg. Allerdings ernteten
auch die Italiener in den folgenden acht Tagen bei ihren zahlreichen
Gegenangriffen, wobei abwechselnd der Kl. Pal, der Gr. Pal oder der
Freikofel Ziel ihrer opferreichen Bestrebungen waren, keinen Gewinn;
erst am 24. begannen sie sich mit der neuen Lage abzufinden. Nun
nahmen auch unsere Verluste ab, die bisher aus Mangel an ausgebauten
Stellungen an manchen Tagen sogar größer waren, als bei den erfolg-
reichen Angriffen gegen den Gr. und den Kl. Pal.
Beim VII. Korps wurde mittlerweile mit Wirksamkeit vom 19. Juni
früh der westliche Abschnitt von der Tiroler Grenze bis zum Wolayer
See, diesen inbegriffen, mit den schon dort befindlichen vier Bataillonen
und zwei Batterien dem Obst. v. Pacor, Führer der 33.IBrig., unterstellt,
die mit der 59. GbBrig. nunmehr die 17. ID. zu bilden hatte, während die
57. GbBrig. und die 34. IBrig. dem VII. Korps direkt unterstanden.
Trotz der Eroberung des Gr. und des Kl. Pal hatte sich die Lage
der südlich des Angerbaches eingenisteten Truppen kaum nennenswert
*) Bei diesen Unternehmungen zeichneten sich neuerlich Abteilungen des auch
schon in den vorhergegangenen Grenzkämpfen oft bewährten steirischen LstMaBaons. 10
besonders aus.
Schwierige Lage der Verteidiger des Karnischen Kammes
531
gebessert, denn die Stellungen auf dieser schmalen Rückenlinie wurden
von dem auf dem Promos stehenden Feinde eingesehen und flankiert.
Deshalb erschien die Wegnahme letztgenannter Höhe dringend. Doch
gerade jetzt, am 24., befahl das Südwestfrontkmdo. die Bereitstellung
des IR. 46 und dreier Batterien zur Abgabe an die Isonzofrontx). Diese
Schwächung konnte durch Zuweisung von zwei Landsturmbataillonen
der inzwischen aufgelösten 183.IBrig. und einer 30.5 cm-Mörserbatterie
nur teilweise wettgemacht werden. Am empfindlichsten empfand das
VII.Korpskmdo. aber den Mangel an Gebirgstruppen2), ohne die schwie-
rige Angriffe in diesem Gelände wenig aussichtsreich waren.
Am S.Juli wurde von Teilen der 57. GbBrig. und einigen Kompag-
nien der 17. ID., in Anwesenheit des GdK. Rohr und des Erzherzogs
Joseph3), der Angriff gegen Promos und den östlichen Höhenabschnitt
bis zum Hohen Trieb durchgeführt. Trotz gründlicher Feuervorbereitung
— auch mit 30.5 cm-Mörsern — mißlang das Unternehmen wegen der
geringen Stärke der angesetzten Infanterie und weil das zeitliche Zu-
sammenwirken der verschiedenen Angriffsgruppen mit der Artillerie in
diesem schwierigen Gelände nicht erzielt worden war.
Dies war die letzte größere Kampfhandlung des VII. Korps auf dem
Karnischen Kamm; mit ihr waren die bedeutungsvollsten Ereignisse in
diesem Grenzraum für den ganzen Krieg überhaupt abgeschlossen. Wie
noch auszuführen sein wird, wurde das Korpskmdo. am 6. Juli an die
Isonzofront verlegt; ihm hatte wenige Tage später auch die 17. ID.
zu folgen.
Die angestrebte Rückgewinnung aller beherrschenden und Aussicht
gewährenden Grenzhöhen war dem VII. Korps wohl nicht geglückt. Noch
standen die Italiener auf allen Gipfelhöhen zwischen Wolayer See und
Plöckenpaß, auf dem Promos, Hohen Trieb, Findenigkofel, und erzwangen
am 6. Juli durch schweres Geschützfeuer auch die Räumung der Gipfel-
stellung auf dem Gr. Pal. Der Dorn im Fleische der österreichischen
Grenzverteidiger blieb aber die Höhe Promos. Sie gewährte dem Feinde
!) Der Abtransport dieses Détachements sowie des HIR. 17 und zweier Batterien
der 20. HID. erfolgte am 27. Juni und bildete den Beginn der Auswechslung der 20. HID.
gegen die 44. SchD., die bei der Schilderung der ersten Isonzoschlacht noch erwähnt
werden wird. In diesen Tagen wurden auch die zwei Bataillone und die eine Batterie
der 57. ID. zur 5. Armee zurückgesendet.
2) Als solche konnten nur das LstMaBaon. 10 und das IX. MaBaon. des Gb-
SchR. 1 bezeichn,et werden.
3) FM. Erzherzog Joseph, Der Weltkrieg, wie ich ihn sah (in ungarischer
Sprache, Budapest 1928) II, 95 ff.
34*
532
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
nach West und Ost Einblick in die österreichischen Stellungen und deren
Nachschublinien und ermöglichte es, erstere in Flanke und Rücken zu
beschießen. Die Verluste waren daher hier auch dauernd so groß, daß
die Deckung der Abgänge durch die Marschformationen knapp noch
möglich wurde. Erst mit Fortschreiten des Ausbaues der Stellungen und
Verbesserung des Nachschubes senkten sich die Verlusteahlen. Immerhin
war es den Truppen, die hier gekämpft und gelitten hatten, sowie ihren
tatfreudigen Führern gelungen, durch ihr initiatives Vorgehen gegen die
Grenzhöhen den Feind noch auf schmalem Grenzraum derart zu binden,
daß sein Vordringen in das Gailtal und weiterhin gegen die Drautalbahn,
wenn er sich nicht bedeutend verstärkte, aussichtslos erschien.
Der feindliche Führer, Gen. Lequio, hatte sich allerdings scheinbar
auch selbst kein so großes Ziel gesteckt. Da die links benachbartie
4. Armee den ihr aufgetragenen Vorstoß nach Toblach unterlassen hatte,
von wo sie, im Gail- und Drautal absteigend, der Karnischen Gruppe
die Grenzpässe hätte aufriegeln sollen, begnügte er sich mit der Behaup-
tung des in den ersten Stunden nach der Kriegserklärung besetzten
Grenzraumes.
Die Kämpfe zwischen Krn und Flitsch von Ende Mai
bis Ende Juni 1915
Hiezu Skizze 32
In dem südlich des Kanaltales gelegenen Abschnitte der Armee-
gruppe Rohr waren es vornehmlich die Artilleriekämpfe bei Malborgeth
und die wechselvollen Gefechte um das Krnmassiv, die Führung und
Truppe der Gruppe FML. Langer in Anspruch nahmen, während der
Raum zwischen Seissera- und oberem Isonzotal samt den Raibier und
Flitscher Sperrwerken vom Feinde wenig behelligt wurde.
Gegen das FortHensel bei Malborgeth und gegen die Werksgruppe
auf dem Predilpaß wirkten zunächst leichte Batterien, die — zum Teil
vielleicht schon vor der Kriegserklärung — im Dogna- und Raccolana-
tale aufgefahren waren und für deren Feuerleitung der Zweispitz und
der Mittagskofel vorzügliche Beobachtungspunkte boten. Vom 12. Juni
an beteiligten sich auch schwere Geschütze, darunter 28 cm-Haubitzen,
an der Beschießung1). Planmäßig bewarfen sie nun die Werke mit Bom-
ben und erzielten in den deutlich sichtbaren Zielen zahlreiche Treffer.
Da aber die Geschütze zumeist außerhalb der Sperren aufgestellt waren,
blieb der italienische Schießerfolg bedeutungslos. Die vom GdK. Rohr
i) Ital. Gstb. W., II, Text, 130.
Erbitterte Kämpfe im Krngebiet
533
schon in den ersten Tagen geplant gewesene Vertreibung der lästigen
Beobachter durch Wegnahme der südlich des Kanaltales gelegenen Höhen
mußte jedoch fallen gelassen werden, weil der am letzten Mai erfolgte
italienische Einbruch auf der vom Krn nach Nordwesten streichenden
Rückenlinie eine gefährliche Bedrohung der durch das obere Isonzo-
(Soca-)tal und über den Mojstrovkapaß nach Kronau führenden Straße
darstellte, so daß alle verfügbaren Kräfte diesem Räume zugewendet
werden mußten.
Zum Glück nützten die Italiener am 1. Juni ihren am Vortage auf den
Höhen Vrata und Vrsic errungenen Erfolg nicht zur Fortsetzung ihres An-
griffes in der Richtung gegen das Socatal aus. Dergestalt vermochten die
heranhastenden Honvédkompagnien die Einbruchsstelle abzuriegeln. Auch
das nach Tolmein anrollende XV. Korps sandte ein Bataillon der 50. ID.
auf den Krn, was mit der Bereitstellung zu der am 2. Juni beginnenden
Angriffsaktion dieser Division im Zusammenhange stand. Die Gruppe
GM. Perneczky (18 Kompagnien und 1 Gebirgsbatterie) sollte sich diesem
Vorstoße anschließen und hiebei auch die genannten Höhen zurück-
gewinnen. Trotz opferreicher Bemühungen war jedoch dem Angriffe der
gebirgsunvertrauten Honvéd bis zum 4. Juni kein Erfolg beschieden.
Nun wurde der Kommandant der 20. HID., GM. Nagy, selbst mit der
Leitung des Gegenangriffes betraut. Er versuchte durch den Vorstoß
eines weiteren Regiments der Armeegruppenreserve, des HIR. 3, von der
Höhe Javorcek nach Südosten den Feind zum Aufgeben der Kammlinie zu
zwingen; doch auch dieser am 8. und 9. Juni gegen den mittlerweile
stärker gewordenen Feind unternommene Angriff blieb nach Anfangs-
erfolgen stecken.
Während sich in den nächsten Tagen die Gruppe Nagy anschickte,
an den felszerklüfteten Hängen nahe der feindlichen Linie eine befestigte
Stellung zu beziehen, vermochten sich am 16. Juni zwei Alpinikompagnien
durch Überrumpelung der Krnspitze zu bemächtigen1). Gleichzeitig
ging auch der von zwei Honvédkompagnien verteidigte Verbindungs-
rücken Krn—Vrata verloren; doch die Italiener unterließen es, ihren Er-
folg auszubauen.
Nun wies das Armeegruppenkmdo. dem GM. Nagy das mittlerweile
vom russischen Kriegsschauplatz eingetroffene und in Kärnten heimische
GbSchR. 1 zu. Aber auch nach dessen Einsatz, der freilich bataillons-
weise an verschiedenen Stellen erfolgte, ergab sich in den bis zum 22. Juni
i) Tosti, 65; 2 ingale s, La guerra sulT Isonzo nel 1915 (Rassegna del
esercito italiano, Jhrg. 1924), 227 ; Ital. Gstb. W., II, Text, 121.
534
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
folgenden Kämpfen keine Änderung der Lage. Man mußte sich mit ihr
abfinden. Da das 5. Armeekmdo. keinen sonderlichen Wert auf den Besitz
der dem Feinde ohnehin keinen Entwicklungsraum bietenden Krnspitze,
umso größeres Gewicht aber auf die Behauptung des südlich davon zum
Mrzli vrh streichenden Rückens legte, ordnete das Südwestfrontkmdo.
das Festsetzen in einer neuen, etwas weiter östlich des Rückens Krn—
Vrsic verlaufenden Linie an und regelte die Abschnittsgrenze derart,
daß die der Krnspitze gegenüber befindlichen eigenen Stellungen in den
Bereich der S.Armee fielen.
Die ersten Kämpfe im Küstenland
Hiezu Beilage 28
Einbruch der Italiener und Aufmarsch
der k.u.k. 5. Armee
Die Deckungstruppen, die schon vor der italienischen Kriegserklä-
rung im Küstenlande gestanden waren — 57., 93. und 94. ID. — hatten
vom GdK. Rohr am 16. Mai die Weisung erhalten, einem italienischen
Einbrüche in den Befestigungen der Isonzolinie Widerstand zu leisten;
auch lenkte der General besonderes Augenmerk auf die ihm gefährdet
erscheinende Wochein. Eine zweite Sorge bereiteten ihm mögliche ita-
lienische Landungen, die im Räume von Triest abgewehrt, im übrigen
Küstenabschnitt tunlichst gestört werden sollten. Gegen gelandete Truppen
hatte er eine Abwehr an dem von Triest gegen den Mt. Maggiore bei
Lovrana verlaufenden Steilabfall des Cicenbodens in Aussicht genommen.
Vor übermächtigem Angriff zu Land oder nach etwaiger Landung starker
Feindkräfte sollte schrittweise in die an den Straßen befestigte Linie
Podbrdo—Zoll—Dornegg zurückgegangen werden.
Als die italienische Kriegserklärung am 23. Mai in Wien übergeben
wurde, trafen eben die Spitzen der von Syrmien anrollenden Truppen
(S. 411) am Isonzo ein. Die beiden Korpskommandanten, Gdl. Fox
(XV. Korps) und FZM. Wurm (XVI. Korps) hatten am 22. Mai gelegent-
lich ihrer persönlichen Orientierung in Peterwardein vom Südwestfront-
kommando den Auftrag erhalten, „die Italiener möglichst weit vorne
aufzuhalten, deren Vormarsch zu verzögern und möglichst verlustreich
zu gestalten". Hiezu sollte das nach Tolmein gewiesene XV. Korps (50.
und 1. ID.) samt den dort stehenden Deckungstruppen ein Vordringen
Verteidigungsaufgaben für das XV. und das XVI. Korps
535
des Feindes nach Bischoflack und Idria, das auf der südlichen Bahnlinie
anrollende XVI. Korps (58. und 18. ID.) einen italienischen Vormarsch
im Räume zwischen Britof (8 km nordöstlich von Görz) und der Adria
verhindern. Die als letzte Staffel nachfolgende 48. ID. hatte sich im
Räume Dornberg—St. Daniel als Armeereserve zu versammeln und gegen
Landungen bei Triest bereitzustehen.
Im Morgengrauen des 24. Mai überschritten die Italiener mit den
Anfängen der 2. und der 3. Armee fast in der ganzen Frontausdehnung
der k. u. k. 5. Armee die Reichsgrenze. Nach leichtem Geplänkel mit Gen-
darmerie- und Finanzwachposten erreichten sie am 24. Mossa, St. Florian,
Verhovlje und den Kolowratrücken zwischen der Korada- und der Jeza-
höhe und besetzten Karfreit. Da italienische Artillerie Canale beschoß,
wurde der Bahnverkehr im Isonzotale eingestellt. Die Auswaggonierung
der 50. ID. bei St. Lucia und der 58. ID. bei Görz nahm aber noch unge-
stört ihren Fortgang. Weiter südlich sprengte das am unteren Isonzo
stehende LstlBaon. 152 die Brücken bei Pieris und verwehrte hiedurch
der anreitenden italienischen 1. KD. den Übergang auf das Ostufer des
infolge von Regengüssen angeschwollenen Flusses.
Am selben Tage unternahm die öst.-ung. Flotte unter Befehl des
Admirals Haus einen kühnen Vorstoß gegen die italienische Ostküste und
zerstörte durch Geschützfeuer eine Anzahl von Eisenbahnkunstbauten,
Kasernen und Hafenanlagen zwischen Venedig und Barletta1).
Für den folgenden Tag befahl Cadorna der 2. Armee, die Vorrückung
mit dem linken Flügel gegen Tolmein und mit dem rechten durch den
Coglie bis an den Isonzo fortzusetzen; dann sollten Nachrichtenabteilungen
auf das Ostufer des Flusses vorgetrieben werden. Die weisungsgemäß
etwas zurückgebliebene 3. Armee hatte ihre Vorrückung mit dem rechten
Flügel der 2. in Übereinstimmung zu bringen und sich der Übergänge bei
Pieris zu bemächtigen, um hierauf gleichfalls Aufklärungsabteilungen
gegen das Karstplateau vorzusenden 2).
Tatsächlich erreichten am 25. italienische Vorhuten zwischen Pieris
und Gradisca, dann nördlich von Görz zwischen dem Mt. Sabotino und
Selo den Fluß und fühlten bei Woltschach gegen unsere Brückenkopf-
befestigung vor.
Die starken Kräfte, die die Italiener auf dem Kolowratrücken zeigten,
ließen das XVI. Korpskmdo., das schon am 23. Mai knapp vor Mitternacht
1) Kriegsarchiv (Marinearchiv), Österreich-Ungarns Seekrieg 1914—1918,
193 ff.
2) Cadorna, La guerra, I, 135 ; Ital. Gstb. W., II, Text, 55.
536
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
in Dornberg eingetroffen war, um die nur von zwei Bataillonen besetzte
Hochfläche von Bainsizza bangen. Es berief daher die im Tolmeiner
Brückenkopf befindliche 6. GbBrig. der 57. ID. ins Cepovantal zurück.
Das 58.IDKmdo., GM. Erwin Zeidler, ließ in Anbetracht der Wichtigkeit
des Görzer Brückenkopfes dessen schwache Besatzung sofort durch die
bisher eingetroffenen fünf Bataillone seiner Division verstärken. Dies ent-
sprach ganz den Absichten des XVI. Korpskmdos., das für die Verteidi-
gung von Görz die 58. ID. in Aussicht nahm, indes es die 93. ID. nach
Bainsizza verlegen und die Gruppe bei Monfalcone (2. und 60. GbBrig.)
durch die dann von Öepovan heranzuziehende 6. GbBrig. verstärken wollte.
Bei Tolmein entsandte der Führer der 50. ID., FML. v. Kaiser, die
zuerst eintreffende 3. GbBrig. auf den Rücken, der vom Mrzli vrh nach
Norden und Südosten streicht, und warf die 15. GbBrig. bis zum Eintreffen
der 1. ID. in den Tolmeiner Brückenkopf. Als aber Meldungen über das
Vorrücken feindlicher Abteilungen von Luico nach Osten einlangten,
hielt FML. Kaiser das Vorschieben der 3. GbBrig. für verfrüht und wies
sie an, zum Schutz der Ausladung die Höhenlinie Tolmein—Vohu (9 km
nordöstlich davon) zu besetzen. Diese Brigade schwenkte erst am 27. in
die vordere Linie vor.
Am 26. Mai besetzten die Italiener im Lagunengebiet den Badeort
Grado, nachdem sie tags vorher in Porto Buso die öst.-ung. Küstenwache
überwältigt hatten. In der Friauler Ebene rückten sie aber nur sehr
zögernd vor, denn ausgesprengte falsche Nachrichten über Straßen-
minen und andere versteckte Hindernisse mahnten sie zu übertriebener
Vorsicht. Im Coglio schoben sie sich nahe an den Mt. Sabotino, den nörd-
lichen Eckpfeiler des Görzer Brückenkopfes, heran, gegen den sie unzu-
sammenhängende und daher fruchtlose Vorstöße führten. Bei Kamno,
halbenwegs zwischen Karfreit und Tolmein, breiteten sich stärkere Infan-
terie-, Alpini- und Bersaglierikräfte auf dem nördlichen Isonzoufer aus.
Die Leichtigkeit des bisherigen Vormarsches veranlaßte das italieni-
sche Höchstkmdo. am 27. Mai, den Armeen zu befehlen, sie möchten sich
ohne weiteres all jener Stellungen bemächtigen, die vom Gegner nicht
ernsthaft verteidigt würden (S. 516).
Offenbar war es dieser Befehl, der am 27. und 28. fünf überfallsartige
Angriffe auf den Mt. Sabotino auslöste; der Italiener wollte vermutlich
durch Handstreich Görz gewinnen. Doch junge Truppen der 93. ID. ver-
standen es, die Absichten der Italiener zu vereiteln.
Am 27. Mai traf Gdl. Boroevic mit dem engsten Stab des bisherigen
3. Armeekmdos. in Laibach ein, um den Befehl über die neue 5. Armee
Gruppierung der Armee Boroevic zur Abwehr
537
im Abschnitt zwischen der LinieTriglav—Krn—Mt. Maggiore (westlich von
Saga) und den Küstenstrecken Grado—Parendo und Mt. Maggiore (bei
Lovrana) bis sur kroatisch-dalmatinischen Grenze zu übernehmen. Der
Raum südlich der Linie Parenzo—Lovrana gehörte zum Kriegshafen Pola,
der dem Südwestfrontkmdo. direkt unterstand. Boroevic übernahm hie-
mit die Aufgabe, die dem XV. und dem XVI. Korps schon erteilt worden
war. Trotz der noch völligen Unklarheit über die Lage war der tat-
kräftige Armeeführer von allem Anbeginn an gewillt, die allerdings vor-
derhand äußerst notdürftig ausgebaute Verteidigungsstellung am Isonzo
bis zum Äußersten zu halten. Er forderte in seinen ersten Weisungen
größte Rührigkeit in der Verteidigung und bestmögliche Ausgestaltung
der Stellungen und betonte, daß ein Zurücknehmen von Teilen der Ge-
fechtsfront nur auf seinen Befehl erfolgen dürfe.
Mittlerweile waren bis 27. abends vom XV. Korps 18 Bataillone und
3 Batterien, vom XVI. Korps 14 Bataillone und 6 Batterien im Kampf-
raum eingelangt; die 48. ID. war noch ganz im Antransport.
Gdl. Boroevic hatte im Gegensatz zu GdK. Rohr, der der Hochfläche
von Bainsizza erhöhte Bedeutung beimaß, die Auffassung, daß das Plateau
von Comen für die Behauptung von Görz von besonderer Wichtigkeit sei.
Da er nach den ihm zugekommenen Nachrichten den Feind als völlig
kampfgerüstet annehmen mußte, rechnete er mit baldigst einsetzenden
Angriffen, wobei er auch Landungsversuche für möglich hielt.
Unter Berücksichtigung der Geländegestaltung regelte er die Be-
fehlsverhältnisse und schuf am 28. Mai vier Abschnitte. Der erste unter
Gdl. Fox, XV. Korps (1. und 50. ID.), umfaßte den Raum von der nörd-
lichen Armeegrenze bis zur Linie Auzza—Tribusa. Südlich schloß der
Abschnitt II bis zur Wippach an, der durch den FZM. Wurm mit dem
XVI. Korps (18., 58. und 93. ID.) zu verteidigen war. Der Abschnitt III
unter FML. Heinrich Goiginger, 57. und 94. ID., reichte von der Wippach
bis Parenzo. Der vom Mt. Maggiore bis zur kroatisch-dalmatinischen
Grenze sich hinziehende Küstenrayon Fiume unter GM. v. Marie bildete
den Abschnitt IV.
Da die italienische Kriegsflotte tatenlos in ihren Häfen verharrte,
erachtete das k. u. k. Flottenkmdo. nunmehr feindliche Landungen selbst
in dem zunächst nur durch zwei Unterseeboote und durch Scheinminen
geschützten Hafen von Triest für unwahrscheinlich, bei Fiume, dessen
Zufahrt durch Minen gesperrt war, für ausgeschlossen. Gdl. Boroevic
grenzte daher am 31. Mai den ihm wichtig erscheinenden Abschnitt III
unter FML. Goiginger mit der 57. ID. und der 60. GbBrig. schon bei Duino
538
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
ab, unterstellte den Küstenabschnitt bis Parendo mit der Masse der 94. ID.
und den Küstenschutzabteilungen des Gendarmerieobersten Vogelhuber
als Abschnitt IV dem FML. Kuczera, während der Abschnitt Fiume die
Bezeichnung V erhielt.
Unterdessen verstärkten sich die Italiener andauernd durch später
eintreffende Heeresteile und setzten sich vor der Front der k. u. k. 5. Armee
fest. Im Zusammenhang mit einem gegen das Krnmassiv eingeleiteten
Angriffe, der sich auch auf den Raum nördlich der Krnspitze ausdehnte,
führte der Feind südöstlich vom Gipfel am 28. mit ein bis zwei Alpini-
bataillonen eine scharfe Erkundung durch und schob stärkere Kräfte an
den Mrzli vrh heran. Nach Mißlingen seines Handstreiches auf Görz
(S. 536) bombardierte er den Bahnhof der Stadt und erzwang die Rück-
verlegung der Ausladung nach Prvacina. Dennoch hegte FZM. Wurm
keine Besorgnisse ob der Behauptung dieses Brückenkopfes. Allerdings
wurde seine würgende Enge schon jetzt sehr unangenehm empfunden.
Doch wäre eine Erweiterung — Boroevie hätte eine Vorverlegung in die
taktisch günstige Linie Piava—Quisca—St. Florian gerne gesehen — nur
mehr durch einen Angriff mit allen Kräften möglich gewesen, dessen
Erfolg in Anbetracht der bedeutenden italienischen Überlegenheit keines-
wegs gewährleistet war. Erzherzog Eugen untersagte daher am 2. Juni
die Ausführung dieses Planes. Hatte doch das XVI. Korpskmdo. schon
Bedenken wegen des geringen Kampfwertes der in der Front stehenden
kriegsunerfahrenen Landsturmbataillone! Es hatte deshalb am 29. Mai
seine bisherige Reserve, die 18. ID., in den Abschnitt Auzza—Gargaro
verschoben und die 93. ID. zwecks Schulung und Festigung nach Schön-
paß und Cernizza zurückgenommen.
Sah das Südwestfrontkmdo. seine große Aufgabe wohl nur in der
reinen Abwehr, so nahm es doch die sich zunächst bietende Gelegenheit
wahr, einen Teilerfolg zu erringen. Die zwischen dem Krn und dem
Isonzo vorgehenden Italiener, die sich schon am 31. Mai und l.Juni in
wechselvollen, aber vergeblichen Kämpfen bemüht hatten, eine Vorkuppe
des Mrzli vrh zu erstürmen1), sollten zurückgeworfen werden. Da der
Hochwasser führende Isonzo die Brücke des Feindes am 31. weggerissen
hatte, winkte dem Angriff, wenn er rasch durchgeführt wurde, ein be-
deutender Erfolg.
Unterdessen hatte Gen. Cadorna in Verfolgung seines ursprünglichen
Planes, sich der Hochfläche von Bainsizza zu bemächtigen, die am mitt-
leren und unteren Isonzo stehenden Truppen am 30. Mai zum Angriff
i) It al. Gstb. W., II, Text, 71 ; Z i n g a 1 e s, 226 f.
Kämpfe im Krngebiet und um den Mrzli vrh
539
befohlen. Hiedurch sollten die hier befindlichen öst.-ung. Kräfte festge-
halten und der italienische Angriff auf Tolmein erleichtert werden. Gleich-
zeitig ordnete er Vorbereitungen zum Übergang über den Isonzo mit der
Absicht an, nach der Besitzergreifung der Hochfläche von Bainsizza Görz
zu nehmen und auf dem Karstplateau östlich von Sagrado festen Fuß
zu fassen1).
Der Begegnungskampf im Räume zwischen Krn und
Tolmein
(2. bis 4. Juni)
Mit der Leitung des Angriffes auf die östlich von Kamno auf dem
linken Isonzoufer befindlichen Italiener betraute das XV. Korpskmdo.
den FML. Kaiser, dem außer seiner 50. ID. noch Teile der 1. ID. zur
Verfügung gestellt wurden. Wegen unumgänglich nötiger Bereitstellung
der Truppen, deren rechter Flügel bis auf den Krn verschoben wurde,
und wegen sonstiger Vorbereitungen, wie Aufmarsch der eben erst ein-
getroffenen Artillerie, Munitionszuschub u. dgl., konnte für den Angriffs-
beginn erst der 2. Juni festgesetzt werden.
Die 3.GbBrig. hatte aus der Linie Krnspitze—Mrzli vrh rechts um-
fassend anzugreifen, wobei sie von Teilen der den Raum südlich davon
bis Tolmein festhaltenden 8. GbBrig. unterstützt werden sollte. Die im
Tolmeiner Brückenkopf stehende 15. GbBrig. sollte den gegenüberstehen-
den Feind durch demonstratives Vorgehen gegen die Jeza festhalten, die
7. GbBrig. die Stellung Selo—Auzza behaupten. GdK. Rohr hatte die Mit-
wirkung der um die Höhen Vrata und Vrsic fechtenden 8 l.HIBrig. zugesagt.
Da auch dem auf dem linken Isonzoufer stehenden Nordflügel der
italienischen 2. Armee (8.ID.,Teile der Bersaglieridivision und der Alpini-
gruppen A und B) Angriff saufgaben zugefallen waren, kam es am 2. Juni
auf dem steilen, teils felszerklüfteten, teils bewaldeten Südhang des Krn-
massivs zum Begegnungskampf.
Der 3. GbBrig. kam der Feind am 2. Juni zu früher Morgenstunde
mit dem Angriff zuvor. Bald wurde namentlich um eine Scharte südöst-
lich der Krnspitze und um den Mrzli vrh heftig gerungen. Der Verteidiger
warf die Italiener zwar zurück, doch mußte auch er sich, durch schweres
vom Kolowratrücken herüberschlagendes Flankenfeuer nicht unerhebliche
Verluste erleidend, mit der Behauptung der Ausgangsstellung begnügen.
Von dem Kampfergebnis unbefriedigt, befahl das Südwestfrontkmdo.
1) Cadorna, La guerra, I, 135.
540
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
den „sicheren Enderfolg dieser Aktion" durch einvernehmliches Vor-
gehen des XV. Korps und der 92. ID. anzustreben. Gdl. Boroevic legte dem
Gdl. Fox hiezu den Einsatz aller bereits verfügbaren Kampftruppen nahe.
Dieser befahl daher statt eines verstärkten Kräfteeinsatzes auf seinem
rechten Flügel für den 3. Juni außer der ihre bisherige Aufgabe beibe-
haltenden 50. auch noch die 1. ID. zum Angriff. Hiezu sollte die zweit-
genannte, Brückenkopf- und Uferstellung festhaltend, mit fünf Bataillonen
von Selo gegen die Jeéa vordringen, um eine feindliche Flankenwirkung
gegen die 50. ID. zu verhindern. Die 81.HIBrig. der Armeegruppe Rohr
war beauftragt, nach Gelingen ihres auf die Höhe Vrsic gerichteten An-
griffes in den Kampf der 50. ID. unterstützend einzugreifen.
Dem Angriffe war am 3. Juni bei der 3.GbBrig. wohl ein An-
fangserfolg beschieden; gar bald traf sie aber auf überlegenen Feind,
der vom Dorfe Krn gegen die Mitte der Brigade vordrängte und sich
auch auf der hart umstrittenen Vorkuppe des Mrzli vrh einnistete, so
daß ihr weiterer Raumgewinn versagt blieb. Dafür kam der Nordflügel
der 8. GbBrig. vorwärts und auch die allerdings verspätet vorrückende
Angriffsgruppe der 1. ID., FML. Bogat, konnte anfänglich gegen diejeza
ansteigen, bis stark besetzte feindliche Stellungen und schweres, von
Srednje her wirkendes Artilleriefeuer ihrem Fortschreiten ein frühes Ziel
setzten. Hierauf wurden nach erneutem, aber wieder nicht gelungenem
Angriff s ver such die sehr erschöpften Truppen am Abend in den Brücken-
kopf zurückgenommen. Die Honvédgruppe GM. Perneczky hatte sich
nördlich vom Krn gar nicht fühlbar gemacht.
Für den 4. Juni plante Gdl. Fox eine Wiederholung des Angriffes,
wobei das XVI. Korps seine Unterstützung durch einen Vorstoß über den
Isonzo auf Srednje zugesagt hatte. Doch Gdl. Boroevic, der nur das Zu-
rückwerfen der nördlich vom Isonzo befindlichen Italiener, nicht aber
einen frontalen Ansturm gegen den schon stark besetzten Kolowratrücken
im Auge hatte, befahl dem XV. Korpskmdo., sich auf die erstbezeichnete
Aufgabe zu beschränken. So setzte denn FML. Kaiser mit der 3. und der
8. GbBrig. sowie mit drei Bataillonen der Korpsreserve allein den Angriff
fort; aber auch die Italiener versuchten neuerlich, sich der Höhenlinie
Krn—Mrzli vrh zu bemächtigen1).
In den heftigen Kämpfen gegen den verstärkten Feind vermochte
der rechte Flügel der Angriffsgruppe Kaiser nur ganz geringen Raum-
gewinn gegen die Rückfallskuppe -<>- 1602 südlich der Krnspitze zu er-
zielen. Die 3. GbBrig., die sich gegen den doppelt überlegenen Feind zu-
i) Ital. Gstb. W., II, Text, 79.
Beiderseitige Einstellung der Angriffe
541
nächst auf die Abwehr beschränken mußte, nahm mit Befriedigung wahr,
daß die Italiener, die Aussichtslosigkeit ihrer Anstürme erkennend, nachts
auch die westliche Vorkuppe des Mrzli vrh räumten.
Angesichts der stets zunehmenden Kräfte des Feindes sah sich das
S.Armeekmdo. am 4. Juni abends veranlaßt, die Einstellung des Angriffes
zu befehlen, dies umsomehr, als auch die Rückeroberung der Vrata durch
die 81.HIBrig. nicht geglückt war.
Da fast zur selben Stunde auch die italienische Heeresleitung das
nicht verheißungsvolle Unternehmen einstellen ließ und seine Wiederauf-
nahme erst vom Eintreffen ausreichender Artillerie abhängig machte1),
fielen beide Gegner in die Verteidigung zurück. Dem k. u. k. XV. Korps
hatte das Unternehmen an den drei Tagen etwa 1000 Mann gekostet.
Noch viel höher waren die Einbußen des Feindes; sie betrugen bei der
Brigade Modena der 8. ID. am 2. Juni allein 37 Offiziere und 1200 Mann;
das 12. Bersaglieriregiment verlor 400 Mann2). So hatten die Italiener
schon bei ihrer ersten, an der Isonzofront unternommenen Angriffs-
handlung die ernste Kampfentschlossenheit des der Zahl nach unter-
legenen Verteidigers zu fühlen bekommen.
Die ersten Gefechte zwischen Piava und dem Meere
(5. bis 22. Juni)
Während der Nordflügel der italienischen 2. Armee, der sich nördlich
vonTolmein an der Gegenwirkung des k.u.k. XV. Korps müde gerungen
hatte, eine feste Stellung zu beziehen begann, traten südlich davon bis
zum Meere die Korps der italienischen Hauptkraft am S.Juni die Vor-
rückung zu Entscheidung suchendem Kampfe an. Bei der 3. Armee war
durch den Herzog von Aosta dem VII. und dem XI. Korps die Fest-
setzung auf dem Plateau von Doberdò 3) aufgetragen worden, wozu jenes
zunächst bei Pieris, dieses nach Gewinnung der Höhe A IIS östlich von
Farra, bei Sagrado und Sdraussina den Isonzo zu überschreiten hatten.
Das VI. Korps sollte, bei Pevma den Fluß übersetzend, Görz angreifen,
während dem II. Korps vom Führer der 2. Armee, Gen. Frugoni, bei
gleichzeitigem Scheinangriff gegen den Mt. Sabotino, die Eroberung des
Kuk A 611 vorgezeichnet wurde, wozu es vorerst bei Piava am Ostufer
festen Fuß fassen sollte.
i) Zingales, 227. 2) Tosti,64.
3) In den Karten findet sich die wenig gebräuchliche Schreibweise „Doberdob".
542
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
Einen starken Gegner vor sich wähnend, setzten vom italienischen
VII. Korps und von der 2. KD. schon in der Nacht zum 4. Juni mehrere»
Bataillone und Maschinengewehrabteilimgen über die Sdobba. Achtund-
vierzig Stunden später überschritt, gleichfalls in der Nacht, die Masse
des Korps bei Pieris den bei rasch sinkendem Wasserstande ohnehin
schon kaum mehr ein Hindernis bietenden Isonzo. Das österreichische
LstlBaon. 152, das zwölf Tage lang dem dreißigfach überlegenen Feind
eine starke Flußbesetzung vorgetäuscht hatte, zog sich nunmehr auf das
Karstplateau zurück, womit der italienischen 3. Armee die von ihr er-
wartete „Schlacht am Isonzo" erspart blieb. Vorsichtig schob sich jetzt
das VII. Korps an den Südwestrand der Karsthochfläche heran, wo die
k. u. k. 57. ID. durch Stauung des Isonzokanals eine künstliche Über-
schwemmung hervorgerufen hatte. Nach Besetzung von Monfalcone am
9. Juni und heftiger, aber erfolgloser Beschießung der Karsthöhen
stellten die Italiener ihren Vormarsch ein.
Noch weniger Erfolg war dem XI. Korps des Feindes beschieden,
das sich am 6. der Höhe A 115 und der Stadt Gradisca bemächtigt hatte.
Seine am 9. bei Sagrado angreifenden Radfahrer wurden mit blutigen
Köpfen heimgeschickt, die nördlich davon geschlagene Kriegsbrücke zer-
schossen und die schon übergegangenen Truppen größtenteils aufge-
riebein. Durch diese Mißerfolge entmutigt, unterließ das Korps weitere
Übergangsversuche.
Hitziger ging es vor Görz her, wo sich das italienische VI. Korps,
das für dieses Unternehmen der 2. Armee zugewiesen worden war1),
durch das wellige, rebenbebaute Hügelland des Coglio an den Brücken-
kopf heranschob und nach heftiger, aber wirkungsloser Beschießung am
8. nachmittags zum ersten zusammenhängenden Angriff schritt. Obwohl
Truppen von mindestens Divisionsstärke gegen die noch keineswegs stark
ausgebaute Verteidigungsstellung anstürmten, wurden sie doch von der
5. GbBrig. der 58. ID. mühelos zurückgeworfen. Nicht besser erging es
vereinzelten, am 9. und 10. unternommenen Vorstößen mehrerer Batail-
lone2), worauf das italienische Höchstkmdo. den Kampf einzustellen befahl.
Die gleichen Enttäuschungen bereiteten Cadorna die Gefechtsmel-
dungen, die von seinem II. Korps einliefen. Dieses hatte am 3. Juni
abends bei Piava eine Pontonbrücke eingebaut, doch die wachsame Ar-
tillerie der diesen Abschnitt verteidigenden 1. GbBrig. der 18. ID. zer-
1) Ital. Gstb. W., II, Text, 94.
2) Das ital. IR. 35 verlor am 10. Juni allein 32 Offiziere und 607 Mann (Ital.
Gstb. W., II, Text, 100).
Die ersten Mißerfolge der Italiener vor Görs: und bei Piava
543
schoß sie schon am nächsten Morgen. Dem II. Korps wurde hierauf ein-
geschärft, den Angriff erst nach einer ausgiebigen Artillerievorbereitung
zu wagen. Nachdem reichlich Batterien in Stellung gebracht worden
waren und sich etwa 200 Mann am 9. abends am Ostufer eingenistet
hatten, überschritten unter dem Feuerschutze von etwa 50 Geschützen in
der folgenden Nacht zwei Bataillone den Fluß und stürmten gegen die
Höhe-<>-383 (1km östlich von Piava). In erbittertem Kampfe wurden sie
aber von einigen Kompagnien der 1. GbBrig., die sogar über ihre Stel-
lungen vorbrachen, wieder über den Fluß geworfen1).
Gdl. Boroevic gewärtigte nunmehr täglich den Beginn eines ent-
scheidenden Angriffes gegen die Karsthochfläche. Da er auf ihre Be-
hauptung größten Wert legte, wies er am 7. der 57. ID. noch die schon
kampffähigen Bataillone der 93. ID. (58. GbBrig.) zu, obwohl er im
Augenblick eher den italienischen Hauptstoß überTolmein erwartete; sie
trafen am 10. als Reserve bei Oppachiasella und Kostanjevica ein. Er
konnte dies umso eher tun, als am 4. auch die Kampftruppen der als
Armeereserve bestimmten 48. ID. bei Dornberg und St. Daniel einge-
langt waren. Am 10. Juni, nach Eintreffen der letzten Truppentransporte,
verfügte er über 761/2Bataillone, 14 Schwadronen und 75 Batterien2),
denen allerdings die zwei gegenüberstehenden italienischen Armeen zum
gleichen Zeitpunkt ohne Einrechnung der Heeresreserven etwa 214 Ba-
taillone, 40 Schwadronen und 188 Batterien entgegenstellten.
Trotz dieser bedeutenden Überlegenheit hießen aber die Mißerfolge,
die die italienische Hauptkraft am Isonzo bisnun erlitten hatte, Cadorna
am 10. den Befehl erlassen, die Kämpfe erst dann wieder aufzunehmen,
„bis entsprechende Kräfte und technische Mittel eingetroffen seien, vor
allem aber bei Anwendung jener Angriffsweise, die die Erfahrung auf
den anderen Kriegsschauplätzen gelehrt hatte"3).
Die bisherigen Fehlschläge waren aber auch die Ursache, daß die
italienische Heeresleitung ihrem Operationsplane am 11. eine neue Fas-
sung gab. Die bisher gleichmäßig verteilten Kräfte sollten zur Erreichung
zweier Ziele, und zwar Wegnahme des Höhenrandes Monfalcone—Sa-
grado und Bezwingung des Isonzos im Mittellauf zwischen Piava tind
der Wippachmündung, schärfer zusammengefaßt werden. Jene Aufgabe
1) Nach der Darstellung im ital. Gstb. W., II, Text, 102, sollen sich zwei Bataillone
doch auf dem Ostufer behauptet haben.
2) Zwei Bataillone und eine Gebirgsbatterie der 57. ID. standen noch in Kärnten
und sind hier nicht eingerechnet.
3) T o s t i, 69 ; C a d o r n a, La guerra, 1,136 f. r ^
544
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
wurde der 3. Armee, diese der 2. übertragen, die das ihr schon über-
wiesene VI. Korps zu behalten hatte. Außerdem hatten von den im Becken
von Karfreit befindlichen Kräften nur jene dort zu verbleiben, die zu
der von den Alpini schon erfolgreich eingeleiteten Wegnahme der Krn-
spitze nötig zu sein schienen. Alles übrige hatte die 2. Armee an ihren
Südflügel zu verschieben. Zur gleichen Zeit befahl der methodische und
höchst vorsichtige Heerführer die Anlage einer hinteren Stellung, die
von Karfreit über den Kolowratrücken, Coglio, Mt. Quarin, Mt. di Medea
und am rechten Torre- und Isonzoufer bis zum Meere zu verlaufen hatte1).
Durch die Weisungen Cadornas wurden die Kampfhandlungen der
italienischen Korps in die gewollten Bahnen gelenkt. Am nachhaltigsten
bemühte sich das II. Korps, der ihm vorgezeichneten Aufgabe, Gewin-
nung des Ostufers bei Piava, nachzukommen. Am 12. übersetzte eine
Brigade der 3. ID. neuerdings den Fluß und stürmte gegen die Höhe
-<>-383 an, doch vergebens. Nur spärliche Reste vermochten sich am halben
Steilhang anzuklammern. Den in den beiden folgenden Nächten unter-
nommenen Versuchen war kein besseres Los beschert. Endlich am 16. Juni,
nach Einsatz der zweiten Brigade der 3. und einer der 32. ID., gelang es
Teilen des II. Korps, sich vor der Stellung der 1. GbBrig. festzusetzen 2).
Die Nähe des Feindes brachte dem Verteidiger aber sogar noch den
Vorteil, daß die italienische Artillerie eine wirksame Beschießung der
vordersten österreichischen Linie unterlassen mußte, um ihre eigene In-
fanterie nicht zu gefährden. Wohl versuchten an den folgenden Tagen die
Italiener noch mehrmals, aus ihrer schmalen linksufrigen Stellung vorzu-
brechen, doch alle Vorstöße scheiterten an der prächtigen Haltung der vom
GM. Novak v. Arienti3) befehligten 1. GbBrig., die in den letzten Kampf-
tagen durch zwei Bataillone der 48. ID. und eines der 13. GbBrig. ver-
stärkt worden war. Zwar hatten diese Truppen den Abwehrerfolg bis
zum 22. mit einem Verlust von 2300 Toten, Verwundeten und Vermißten
teuer genug erkauft, aber auch der Feind hatte schon bis zum 17.
93 Offiziere und 2000 Mann eingebüßt.
Beim XV. Korps herrschte nach Abflauen des Begegnungskampfes
vom Anfang Juni an im allgemeinen Ruhe. Die Lage des Korps wurde
nur durch den im rechten Nachbarabschnitt am 16. Juni eingetretenen
Verlust der Krnspitze insofern beeinflußt, als die neue, knapp östlich
davon verlaufende Verteidigungslinie der 50. ID. zugeschlagen wurde.
i) Cadorna, La guerra, I, 137. 2) 2 i n g a 1 e s, 228.
3) GM. Guido Novak v. Arienti erhielt für seine hervorragende Kommandoführung
in diesen Kämpfen das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens.
Die Südwestfront in reiner Abwehr
545
Während die Besatzung des Görzer Brückenkopfes nur fallweise
von heftiger Beschießung heimgesucht wurde, Angriffe aber fast gänzlich
ausblieben, hatte sich die 57. ID. bis zum 22. Juni, diesen inbegriffen,,
einer recht lebhaften Tätigkeit der italienischen 3. Armee zu erwehren.
Der Feind unternahm hartnäckige, aber erfolglose Übergangsversuche
bei Sdraussina und Sagrado sowie nach Beseitigung der künstlichen Über-
schwemmung gleich fruchtlose Vorstöße gegen den Höhenrand zwischen
Redipuglia und Monfalcone. Lästig wurde hier die italienische Artillerie,
als sie vom 20. an auch nachts feuerte und dadurch die Ausbesserung der
bei Tag verursachten Stellungsschäden erschwerte.
All diese Maßnahmen der Italiener dienten der Vorbereitung des
ersten Angriffes auf die Isonzofrontx) ; er sollte, da ihr „erster Offensiv-
stoß" mißlungen war, und da sie auf eine Überrraschung nicht mehr
rechnen durften, nunmehr planmäßig und erst nach Eintreffen von etwa
zwanzig schweren Geschützen am 23. Juni beginnen.
Das AOK. hatte den Erzherzog Eugen schon am 8. Juni wissen lassen,
daß „die Kräfte der Südwestfront für eine Offensive gegen das italie-
nische Heer unzureichend" seien, und „daß es daher unbedingt bei dem
anbefohlenen verteidigungsweisen Verfahren zu bleiben" habe. Der Erz-
herzog werde, hieß es in der Weisung, „eine große Aufgabe gelöst haben,
wenn es gelingt, den zahlenmäßig mehrfach überlegenen Feind abzu-
wehren. Den Krafteinsatz und Zeitpunkt für eine auf die wirklichen Ver-
hältnisse aufgebaute Offensive wird das AOK. selbst wahrzunehmen
wissen". Entsprechend dieser Anleitung bezeichnete das Kommando der
Südwestfront am 14. Juni „Zeitgewinn bis zum Herankommen der Haupt-
kräfte bei möglichst geringem Terrain- und Menschenverlust" als maß-
gebend. Hiebei sei „Behauptung des Geländes keineswegs Selbstzweck,
sondern sie soll dazu dienen, den Feind zu Angriffen zu veranlassen, die
ihm weit größere Verluste verursachen als uns". Mit dem Herankommen
der in diesen Weisungen versprochenen „Hauptkräfte" sollte es allerdings
noch auf Jahresfrist sein Bewenden haben.
Dem 5. Armeekmdo. waren die italienischen Zurüstungen nicht ver-
borgen geblieben. Es war am 20. Juni über die Lage an der Feindfront
völlig zutreffend unterrichtet; nur in bezug auf die am Tagliamento an- >
genommenen italienischen Heeresreserven bestanden Zweifel. In stünd-
licher Erwartung des Angriffes hatte Gdl. Boroevic seine eigenen, sehr
spärlichen Reserven näher an die Kampflinie herangeschoben. Da er die
!) Die Einleitungskämpfe hatten der ital. 2. und der 3. Armee einen Verlust von
11.000 Mann, darunter 450 Offizieren, eingetragen (Z i n g a 1 e s, 231).
H 35
546
Einleitungskämpfe an der Südwestfront
12. GbBrig. der 48. ID. schon am 17. dem XVI. Korps überwiesen hatte,
und die Reste der 93. ID. samt dem Divisionskmdo. zwischen Sagrado
und der Wippachmündung in die Front des Abschnittes III eingesetzt
worden waren, blieb ihm zu seiner Verfügung nur mehr das 48. ID-
Kmdo. mit der 11. GbBrig. im Räume Aisovizza—Vertojba—Vogersko
und die vom AOK. zugewiesene 44. SchD., die — allerdings nur fünf
Bataillone und sechs Batterien stark — von Galizien angekommen, seit
dem 19. Juni im Räume Schönpaß—Cernizza stand. Schließlich wurden
zu rascherem Ersatz von Verlusten die Marschbataillone weiter nach vorne
genommen; bei der 57. ID. wurden sie, in neun Bataillone zusammen-
gezogen, von Haus aus als Kampftruppen verwendet.
Gdl. Boroevic sah den Ereignissen mit Zuversicht entgegen. Zwar
ließ die technische Ausgestaltung des Schlachtfeldes noch sehr, sehr viel
zu wünschen übrig. Da es an Bohrmaschinen mangelte, mußte man sich
meist mit dem Aufschlichten von „Steinriegeln" begnügen, von Deckungen
zweifelhaftesten Wertes, die wirklicher Schußsicherheit entbehrten, die
Wirkung des feindlichen Feuers aber infolge der schon durch den Ge-
wehrschuß eintretenden Gesteinszersplitterung vervielfachten. Gräben
oder gegen Artillerieschuß sichernde Brustwehren gab es ebensowenig wie
bombensichere Unterstände (Kavernen). Nur das durchlaufende Hinder-
nis, das den Stellungen vorgelegt war, entsprach einigermaßen den
Forderungen eines regelrecht geführten Verteidigungskampfes1).
Aber diesen empfindlichen Mängeln und der Überlegenheit des
Feindes an Zahl und Rüstung stand die unleugbare Tatsache gegenüber,
daß sich beim Verteidiger hier wie in Kärnten und in Tirol Führer und
Truppe an Kampftüchtigkeit und an soldatischer Moral dem noch
kriegsunerfahrenen Angreifer unbedingt überlegen fühlten. So harrten
denn Offizier und Mann hinter Steinblöcken und in Karstlöchern in
stummer und stolzer Entschlossenheit des ersten großen Sturmes, der
vom 23. Juni an — wie später noch zehnmal mit wachsender Gewalt —
über diese Felswüsten und Berge und Wälder hinwegfegen sollte.
i) Wenn verschiedene italienische Schriftsteller (Cadorna, La guerra, I, 129;
Zing al e s, 232; Tosti, 59 f., 70) die besondere technische Ausgestaltung der
öst.-ung. Stellung hervorheben, so entspricht dies keineswegs den Tatsachen, Siehe
auch P i t r e i c h, Der österreichisch-ungarische Bundesgenosse im Sperrfeuer (Klagen-
furt 1930), 219 f.
DER FELDZUG
VON BREST- LITOWSK
Die Offensive an die Gnila Lipa
Die militärpolitische Lage nach der Einnahme
von Lemberg
Hiezu Beilage 25
Nach der Einnahme von Lemberg konnten die Verbündeten daran-
gehen, das Schwergewicht des Ostkrieges auf russischen Boden zu ver-
legen. Das Fundament für diesen neuen Feldzug sollte die Flankenstellung
bilden, die sich die Heere der Mittelmächte in Ost- und Mittelgalizien
gegenüber den noch in Polen haltenden Russen erkämpft hatten; alsbald
konnte dann auch der zweite der historischen Zangenarme, der von Ost-
preußen her, in Wirksamkeit treten.
Die galizische Front verlief in dem Augenblick, da es hieß, die schon
gefaßten Entschlüsse in die Tat umzusetzen, von der bessarabischen
Grenze den Dniester aufwärts bis in die Gegend von Mikolajów, von
hier östlich um Lemberg herum, dann, stark gegen Norden gekehrt, am
Südwestrande des Bug-Styrbeckens und entlang des Südrandes der Tanew-
zone, und schließlich quer durch den Sanwinkel, wo eben der Feind
seine Stellungen abzubrechen begann. Im Weichsellande war die Lage
seit dem 22. Mai so gut wie unverändert geblieben. Die k. u. k. 1. Armee
hielt im Bergland südlich und westlich von Opatów; Woyrsch stand in
flach gegen Nordosten geschwungenem Bogen zwischen dem südlichen
Kamiennaufer und NoweMiasto. Die deutsche 9. Armee, seit 16. April
durch den GFM. Leopold Prinz von Bayern, den Schwiegersohn des
Kaisers Franz Joseph, befehligt, war an der Rawka und an der Bzura
in den seit der Jahreswende von den deutschen Truppen eingenommenen
Linien eingegraben. Nördlich von der unteren Weichsel zog sich die
dünn gespannte Front Hindenburgs von Plock über Augustowo ins Vor-
feld von Kowno, dann im allgemeinen längs der Dubissa, um, im Breiten-
grad von Libau rechtwinklig abgebrochen, gegen den ebengenannten
Hafenort zu verlaufen. In diesem letzten Abschnitt, in Kurland, fehlte
noch der ununterbrochene Schützengraben, weite Strecken luden zu aus-
holenden Manövern und zu einem phasenreichen Kleinkrieg ein.
Aus dem militärischen Blickfeld der Ostfront betrachtet, standen dem
550
Der Feldzug von Brest-Litowsk
von den verbündeten Heeresleitungen nunmehr geplanten Stoß zwischen
Bug und Weichsel (S. 497) keine unüberwindlichen Hemmnisse im Wege.
Die Stoßkraft der Armeen konnte trote der Anforderungen und Be-
schwernisse des eben abgelaufenen Feldzuges als durchaus ausreichend
gelten, die stark durcheinandergewürfelten, empfindlich gelichteten und
vor allem an würgender Munitionsnot leidenden Streitkräfte der bisheri-
gen russischen Südwestfront weiter zurückzudrängen. Zumal die Teile
des russischen Heeres, gegen die sich nun der Stoßkeil Mackensens zu
richten hatte, schienen am allerschwersten getroffen zu sein.
Eine entscheidende Voraussetzung für die Führung des neuen Feld-
zuges war aber die, daß die Verbündeten vom russischen Kriegstheater
keine ins Gewicht fallenden Kräfte an andere Fronten abgeben mußten.
Nun war jedoch die Lage an diesen Fronten keineswegs einfach und
klar. Wohl konnte der am 9. Mai bei Arras und La Bassée angesetzte
Angriff der Westmächte als abgeschlagen gelten; aber wenn schon aus
keinem anderen Grunde, so fühlten sich die Alliierten wegen der Russen
auch weiterhin verpflichtet, die ganze deutsche Westfront durch Teil-
vorstöße in Atem zu halten. Gdl. Falkenhayn nahm daher in Aussicht,,
vier Divisionen Mackensens (XXXXI. RKorps, 8.bayr. RD. und 56. ID.)r
die ehestens auf die Bahn gesetzt werden sollten, nach Frankreich zu
überführen.
Nicht geringer war aber das Wagnis, das die öst.-ung. Heeresleitung
auf dem Balkan auf sich genommen hatte. Denn bei einer Gesamtstärke
der dort stehenden Heeresmacht von 177.000 Gewehren, 500 Maschinen-
gewehren und 1100 Geschützen verfügte der kommandierende General
in Sarajevo über gar keine, GdK. Tersztyánszky bloß über zehn öst.-
ung. und neun deutsche Feldbataillone; alles andere war Landsturm.
Ihnen standen elf fast kriegsstarke serbische und vier montenegrinische
Divisionen gegenüber. Dieses Mißverhältnis sollte nun durch eine groß
angelegte Demonstration verschleiert werden, die am 26. Juni auf dem
nördlichen Donauufer einsetzte und am 29. ihren Höhepunkt erreichte.
Sie bestand aus lebhafterer Artillerietätigkeit, regem Bahnverkehr, Auf-
stellen von Zeltlagern, Truppen- und Trainbewegungen, wobei nament-
lich Truppenteile der deutschen 103. ID. den in Südungarn lebenden
serbischen Parteigängern recht auffallend gezeigt wurden. Nach den
beobachteten serbischen Gegenmaßnahmen war anzunehmen, daß diese
Demonstrationen nicht ganz wirkungslos blieben.
Recht ernst sah GO. Conrad die von Rumänien her drohende Ge-
fahr an. Immer wieder beschwor er den Außenminister Baron Burián».
Militärische Sicherungsmaßnahmen gegen Rumänien
551
nichts unversucht zu lassen, um das Nachbarkönigreich, dessen Verhand-
lungen mit Petersburg kein Geheimnis geblieben waren, auf die Seite der
Mittelmächte zu bringen. Conrad war sogar geneigt, einem sofortigen
Sonderfrieden mit Rußland zuzustimmen, um die Möglichkeit eines Vor-
gehens Rumäniens gegen die Donaumonarchie auszuschalten. Da aber
ein Ausspringen Rußlands doch fraglich war, bezeichnete er es als uner-
läßlich, „Rumänien vorerst mindestens zur wohlwollenden Neutralität zu
bringen", wobei er an nationale Zugeständnisse für die ungarländischen Ru-
mänen und an finanzielle Zuwendungen Deutschlands an Rumänien dachte.
Auch in militärischer Hinsicht bemühte sich das AOK., gegen einen
rumänischen Einbruch vorzusorgen, weil Siebenbürgen nach dem im Ok-
tober 1914 erfolgten Abzüge Pflanzer-Baltins (Bd. I, S. 397, 483) ohne
Feldtruppen geblieben war. Da aber jetzt, nach dem Eingreifen Italiens,
jede entbehrliche Truppe an die Südwestfront geworfen werden mußte,
griff man auf die sechsundneunzig an der rumänischen Grenze stehenden,
durch Landstürmer verstärkten Gendarmerieposten und einige landein-
wärts befindliche Gendarmeriereserven, zusammen 9600 Mann, aus denen
der anfangs Juni nach Siebenbürgen berufene GM. Goldbach, ehemals
Generalstabschef des Hermannstädter Korps, die „Siebenbürger Gendar-
merietruppendivision" bildete. Diese Division, aus der im Herbst 1915
nach Ausscheiden der meisten Berufsgendarmen die 70. HID. gebildet
wurde, versah den Grenzschutz und schuf feldmäßige Befestigungen in
den dreizehn Grenzpässen, während das Militärkmdo. Hermannstadt
längs der Kleinen Kokel und der Maros eine Siebenbürgen quer durch-
ziehende Stellung bauen ließ, unter deren Schutz im Bedarfsfall ein Auf-
marsch gegen Rumänien erfolgen konnte. In ähnlicher Weise traf auch
das Militärkmdo. Temesvár Vorsorgen, die die Herstellung der Verbin-
dung der Maros-Kokelstellung mit den im Banat schon aus dem Feld-
zuge gegen Serbien bestehenden Verteidigungslinien und die Sperrung
des Donautales bei Orsova betrafen1).
Schließlich nahm das AOK. noch die Verstärkung der Besatzung
Siebenbürgens durch zwei im Hinterlande neu aufgestellte Brigaden in
Aussicht, von denen die 202. HIBrig. tatsächlich für kurze Zeit nach
Maros-Vásárhely und Szász-Régen, die k. k. 205. LstlBrig. aber gerade-
wegs an die serbische Grenze gelangten.
Auf dem Ballhausplatz beurteilte man die rumänische Frage aller-
dings viel ruhiger als in Teschen und war der Meinung, daß nach den
Siegen in Galizien von Bukarest keine Überraschung zu besorgen sei.
1) Kiszling, Der Feldzug gegen Rumänien 1916 (Mil. wiss. Mitt., Wien 1929), 3 f.
552
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Was schließlich die eben erst errichtete Ab wehr fr ont gegen Italien
anlangt, so hatte Conrad in den Tagen der Kriegserklärung immer wieder
betont, daß es nach Ablauf von vier oder fünf Wochen unvermeidlich
sein werde, dem neuen Feinde durch einen aus Innerösterreich geführten
Gegenstoß zu begegnen. Dabei ging er allerdings von der an sich gewiß
vollberechtigten Meinung aus, das frische italienische Heer werde bis
dahin längst die schwache Isonzoverteidigung überrannt haben und mit
seinen Heersäulen in den küstenländischen Karst und in die Engen der
karnisch-julischen Alpen eingedrungen sein. Inzwischen war alles ganz
anders gekommen. Es war dank dem unerwartet zögernden und vorsich-
tigen Vorgehen der Italiener gelungen, mit notdürftig zusammenge-
rafften Scharen vom Stilfser Joch bis zur Adria eine dünne Abwehrkette
zu spannen und mit beherzter Entschlossenheit die ersten, zum Glücke
unbeholfen und unzusammenhängend geführten Vorstöße Cadornas abzu-
schlagen. Diese Tatsachen durften aber die k. u. k. Heeresleitung nicht
darüber täuschen, daß sich im Cadore, vor Tolmein, vor Görz und am
Fuße der Karsthochfläche dichte Massen italienischer Streiter zusammen-
ballten, deren Vorbrechen stündlich zu erwarten war.
Trotzdem scheint in den Beratungen, die in den Tagen des Kampfes
um Lemberg zwischen den beiden Generalstabschefs abgehalten wurden,
von dem im Mai vielerörterten Gegenschlag gegen die Italiener kaum
mehr mit einem Worte die Rede gewesen zu sein. Die beiden General-
stabschefs waren darin einig, ohne Beachtung der Gefahren, mit denen
im Westen und besonders im Südwesten zu rechnen war, den nächsten
Erfolg dort zu suchen, wo er am ehesten zu winken schien, eben gegen
Rußland. In diesem Sinne war der Befehl gehalten, der am 22. Juni von
Teschen aus an die galizischen Armeen erlassen wurde : „GFM. v.
Mackensen führt mit der 4. und der 11. Armee die Verfolgung gegen
den in nördlicher Richtung weichenden Feind fort. Für die Deckung der
Ostflanke wird ihm das Beskidenkorps [der 2. Armee] unterstellt. 2. Armee
tritt aus dem Verband der Armeegruppe Mackensen und verfolgt den
Feind in der Richtung Busk (einschl.)—Eirle jó w (einschl.). Südarmee,
forciert den Dniester abwärts 2urawno, um Halicz von Norden abzu-
schließen und über die untere Gnila Lipa vorzudringen."
Der 7. Armee blieb die Erfüllung der bisherigen Aufgabe überlassen :
Vorstoß über den Dniester, Sicherung der rechten Heeresflanke und des
Besitzes von Czernowitz (S. 498).
In schwieriger Lage befand sich um diese Zeit die Zarenarmee. Zu
dem strategisch sehr unangenehm empfundenen weiten Zurückdrängen
Ungünstige militärische Lage Rußlands
553
ihres Südflügels, das einen baldigen Verlust Ostgaliziens und eine da-
durch bedingte Preisgabe des Weichselvorlandes besorgen ließ, gesellte
sich die trostlose Verfassung des gesamten Südwestheeres. Mochten auch
zur Füllung der durch die außergewöhnlich hohen Verluste entstandenen
Lücken — es fehlten beiden Fronten nahezu 500.000 Mann — ausreichende
Menschenmassen zur Verfügung stehen, so waren diese Soldaten doch
nur höchst mangelhaft geschult und bildeten, weil auch bloß dürftig aus-
gerüstet, einen Ersatz fragwürdigen Wertes. Auf die unbehebbare Not
an Waffen und Schießbedarf ist schon des öfteren hingewiesen worden.
In seiner Bedrängnis fand Rußland auch wenig Hilfe bei seinen
Bundesgenossen. Die Westmächte ließen sich nach dem Fehlschlag ihrer
Entlastungsoffensive zunächst die Aufrüstung ihrer eigenen Heere an-
gelegen sein; Rußland konnte daher erst für den Herbst auf einen Ab-
lenkungsangriff im Westen hoffen. Von Paris mußte Rußland aber auch
die Mahnung vernehmen, daß das französische Heer nur sehr ungern
einen zweiten Winter in den Schützengräben verbringen würde1).
Auch Italien hatte durch sein umständliches und zaghaftes Vorgehen
dem Zarenheere bisher keine Entlastung gebracht und dessen Hoffnungen
auf eine solche auf das bitterste enttäuscht. Als Lemberg fiel, stand das
italienische Heer erst am Vorabend seines ersten Ansturmes gegen die
Isonzofront.
Noch weniger Freude erlebte Rußland neuerlich an seinem ser-
bischen Schützling. Statt Österreich-Ungarn anzugreifen, hatten die Serben
tatsächlich mit der Besitznahme Nordalbaniens begonnen. Unter dem Vor-
geben, sich gegen Rückenbedrohung durch aufständische Arnauten zu
sichern, waren sie mit Truppen III. Aufgebotes am 8. Juni in Elbasan,
am 11. in Tirana eingezogen. Am 28. besetzten die Montenegriner Skutari.
Alles geschah unbekümmert um den russischen Protest. Als nun die Russen
zur Erleichterung ihrer schwierigen militärischen Lage Serbien für den
23. Juni neuerlich zu einem Vorstoß nach Syrmien aufforderten, wurden
sie zunächst auf das Ende dieses Monats vertröstet. Da aber die Serben
— offenbar im Hinblick auf den Dardanellenangriff der Westmächte —
von London her vor jeder Übereilung gewarnt wurden, weil sie so sehr
leicht überlegene gegnerische Kräfte auf sich ziehen konnten, nützten sie
diese Meinungsverschiedenheit zwischen den verbündeten Großmächten
zum Verharren in der bisherigen Untätigkeit aus2).
Ebenso ergebnislos blieben Rußlands Bemühungen um Rumänien.
!) Das Zaristische Rußland im Weltkriege, 214ff.; Danilow, 510.
2) Serb. Gstb. W., VIII, 121,125 ff., 139.
554
Der Feldfcug von Brest-Litowsk
Der Ministerpräsident Bratianu schraubte in hinhaltend geführten Ver-
handlungen die Forderungen für das militärische Eingreifen immer höher,
bis er am 20. Juli unter Hinweis auf Rußlands ungünstige Kriegslage er-
klärte, den Zeitpunkt seines Hervortretens nicht bestimmen zu können1).
Dergestalt auf sich allein gestellt, mußte Rußland versuchen, aus
eigener Kraft seine militärische Lage zu festigen. Leicht war dies sicher-
lich nicht, denn dem traurigen Zustand seines Heeres gesellten sich inner-
politische Schwierigkeiten bei, die in großen Unruhen in Moskau ihren
Ausdruck fanden. Damals keimten die schon in den blutigen Karpathen-
kämpfen geweckten revolutionären Strömungen in der von schwersten
Verlusten heimgesuchten russischen Armee bereits merkbar auf. Auch in
der Besetzung hoher Staatsämter mußte Wandel geschaffen werden; so
wurde Kriegsminister Suchomlinow, dem man die Vernachlässigung der
Heeresrüstungen zur Last legte, durch Gen. Poliwanow ersetzt.
Hatte der Großfürst-Generalissimus schon am 20. Juni in Anbetracht
des kaum mehr vermeidbaren Verlustes von Lemberg die Räumung der
galizischen Hauptstadt und des noch besetzten galizischen Gebietes an-
befohlen, so war hiebei für die nach Norden abziehenden Teile der Süd-
westfront die Linie Lublin—Cholm-—Wladimir-Wolynski als neue Front in
Aussicht genommen worden, während der Südflügel bis an den Zbrucz
weichen sollte. Als nun am 22. Lemberg tatsächlich fiel, wies Iwanow
die 4. und die 3. Armee und die als Verbindungsglied zum Südflügel aus
dem II. und V. kauk., dem XXIII. und XXIX. Korps und dem IV. Ka-
valleriekorps geschaffene Gruppe Olochow zum Rückzug in die vorge-
nannte Linie Lublin—Wladimir-Wolynski an, um die nach Brest-Litowsk
führenden Straßen zu decken. Die 8. und die 11. Armee hatten sich all-
mählich an die Reichsgrenze zurückzuziehen und den Gegner dort in mit
aller Tatkraft zu erbauenden Stellungen aufzuhalten. Die 9. Armee sollte
ihre Front mit der 11. in Einklang bringen.
Um über das höchst schwierige Problem der weiteren strategischen
Maßnahmen klar zu werden, fand am 24. Juni zu Baranowiczi ein Kriegs-
rat statt, dem auch der Zar beiwohnte. Hiebei wurde einvernehmlich fest-
gesetzt, daß Rußlands nächste strategische Aufgabe Zeitgewinn bis zum
Herbst sei. Das in zwei bis zweieinhalb Monaten eintretende Herbstwetter
werde die Wege ungangbar machen und dadurch einen Operationsstill-
stand erzwingen, der dann zur gründlichen Erneuerung des Heeres Ge-
legenheit böte. Die im Augenblick weit nach Westen bis über die Weichsel
vorragende Heeresmitte war aber von Norden und von Süden Flanken-
1) Das Zaristische Rußland im Weltkriege, 219.
Der Kriegsrat ¡zu Baranowiczi
555
angriffen ausgesetzt, mußte daher allmählich zurückgezogen werden. Als
vorteilhafte Grenzlinie der Rückbewegung wurde eine Front ermittelt,
die von Riga über Kowno, Grodno, Brest-Litowsk, dann entlang des
oberen Bug zu einem linken Nebenfluß des Dniester und schließlich, dem
letzteren folgend, bis zur rumänischen Grenze verlaufen sollte. Da die
beiden äußersten Heeresflügel diese neue Front schon fast erreicht hatten,
ergab sich ein ungleiches Maß der auszuführenden Rückbewegung. Die
beiden Flügel mußten alsbald wieder festen Fuß fassen, indes die vor-
hängende Heeresmitte durch einen weitreichenden Rückzug der dro-
henden Umklammerung entzogen werden sollte. Der Zeitpunkt für den
Beginn der Bewegung wurde allerdings noch nicht festgesetzt.
Auch die neue Heeresgliederung wurde in Baranowiczi endgültig be-
schlossen. Dem sich immer mehr Geltung verschaffenden Führer der
Nordwestfront, Gen. Alexejew, wurden auf seine Anregung hin auch die
4. und die 3. Armee sowie die Gruppe Olochow (später 13. Armee unter
Gen. Gorbatowski) unterstellt; er verfügte somit vom 25. Juni an über
acht Armeen, das waren zwei Drittel des 108 Infanterie-, 35 Kavallerie-
divisionen und 16 Schützenbrigaden starken Zarenheeres. Iwanow wurde
auf die 8., 11. und 9. Armee beschränkt, zusammen nur 37 Infanterie-und
9 Kavalleriedivisionen. Als Trennungslinie zwischen den beiden Heeres-
fronten nahm man nach vollzogenem Rückzüge das auch von den Russen
als Manövriergelände für ungeeignet angesehene Sumpfgebiet des Polesie
in Aussicht, in dem nur Kavallerie zwischen den inneren Flügeln der
Nordwest- und der Südwestfront Verbindung halten sollte1).
Die Schlacht bei Bukaczowce und Bóbrka
Vorrückung der 2. und der Südarmee vom 23. bis 25. Juni
Hiezu Beilage 29
Der vom AOK. am 22. Juni ausgegebene Befehl (S. 552) hatte die k.u. k,
2. Armee zur Verfolgung des weichenden Feindes in der Richtung Busk—
Firlejów angewiesen. GdK. Böhm-Ermolli gab hierauf seinen fünf Korps
für den 23. nach links vorwärts gestaffelte Vorrückungsziele an, die
durch das Straßenstück Nowosiólki (südwestlich von Busk)—Wy±niany
—Podjarków für das IV. und das XIX. Korps, Kocurów—Bóbrka für das
*■) D a n i 1 o w, 512 f., 521 ff. — K o r o 1 k o w, Das mißlungene Cannae (in rus-
sischer Sprache, Moskau 1926), 14.
556
Der Feldzug von Brest-Litowsk
XVIII., den Bachabschnitt Chlebowice Wk.—Wybranówka für das V.Korps
und durch Brzozdowce für die Gruppe Szurmay gekennzeichnet waren.
Von der russischen 8. und 11. Armee wußte man durch mitgelesene
Funksprüche, daß sie am 22. wohl ihre Korpskommandos in die Linie
Dobrotwór—Gliniany—Bóbrka—Narajów rückverlegt hatten; doch mußte
noch mit hartnäckig sich wehrenden Nachhuten gerechnet werden.
Am 23. früh schritt das k.u.k. IV.Korps mit der 27., der 32. und der
43. Division zum Angriff gegen das in der Linie Barszczowice—Miklaszów
festgestellte russische VII. Korps, indes die noch nördlich des die neue
Armeegrenze bildenden Jaryczowskikanals befindliche 31. ID. nach
Süden hinter die 27. als Korpsreserve gezogen wurde. Kurz nach 10h
vorm. erstürmten die 43.SchD.und die 32. ID. das zäh verteidigte Mi-
kìaszów, worauf das Korps die Vorrückung gegen Osten fortsetzte.
Hiebei mußte die 27. ID. im Angriff etwas gebremst werden, weil das
links benachbarte Beskidenkorps sich nordwärts gegen Zoltance zog und
die linke Flanke der 27. ID. offenließ.
Beim XIX. Korps drang die 29. ID., verstärkt durch die halbe
13. SchD. — die 26. SchBrig. dieser Division war zunächst Besatzung von
Lemberg geblieben — gegen Czy£ykow vor. Die 34. ID. entriß dem
Feinde D±winogrod, wandte sich dann mit Teilen nach Süden, um dem
vor dem XVIII. Korps (9. ID. und l.LstlBrig.) in der Bahnschlinge bei
und südlich von Stare Siolo noch haltenden Russen den Rückweg nach
Bóbrka zu verlegen. Im gleichen Sinne wirkte von Süden her die aus
der 4. KD. und der 1. LstHusBrig. gebildete Gruppe GM. Berndt.
Das V. Korps rückte, von den Nachhuten des russischen VI. Korps
nur wenig behindert, mit der 33. und der 14. ID. sowie mit der 51. HID.
in direkt östlicher Richtung vor; doch erreichte nur die letztgenannte,
die in der Frühe Mikolajów kampflos durchschritten hatte, das ihr zuge-
wiesene Marschziel Wybranówka. Die beiden anderen Divisionen, in
ihrem Marsch durch die ausgebreiteten Waldungen gehemmt, gelangten
bis Suchodól. Die 7. ID. hatte anfänglich hinter der 51. HID. zu folgen.
Die Gruppe Szurmay (40. HID. und 128.HIBrig.) gewann das nördliche
Dniesterufer.
Bis zum 23. abends hatte die 2. Armee wohl ihre zuerst tief einge-
buchtete Mitte in eine geradlinige Front gebracht, die Vorrückungsziele
waren aber nur am äußersten Südflügel erreicht worden.
Unterdessen hatte die deutsche 11. Armee begonnen, sich für den
Nordstoß bereitzustellen; ihre nach Osten offene Flanke hatte das Bes-
kidenkorps zu sichern, das hiezu der 11. Armee unterstellt wurde.
Schwergewichtsverlegung bei der 2. Armee
557
Um die Offensive ungestört vorwärtstragen zu können, alle Kräfte
für den Hauptstoß Richtung Nordwest zur Verfügung zu haben und die
rechte Armeeflanke stets gesichert zu wissen, erachtete es GFM. Macken-
sen für unerläßlich, das nach Osten deckende Beskidenkorps dem Fort-
schreiten der Offensive entsprechend nach Norden vorschieben zu können.
Mackensen erwirkte beim AOK. für die k. u. k. 2. Armee den Auf-
trag, ihren Vorrückungsraum bis Kamionka-Strumilowa auszudehnen.
Böhm-Ermolli bestimmte zur Ablösung des Beskidenkorps die aus der
31. ID. und der halben 13.SchD. zusammengesetzte Gruppe FML. Edi.
v. Kreysa. Als Ersatz für die ausscheidenden anderthalb Divisionen er-
hielt das IV. Korps die Gruppe GM. Berndt zugewiesen, die bis zum 26r
am Nordflügel einzusetzen war.
Wegen der Verbreiterung des Vorrückungsraumes der 2. Armee, der
beim Gelingen des Stoßes der Gruppe Mackensen noch an Ausdehnung
zunehmen mußte, gewann der Nordflügel Böhm-Ermollis erhöhte Be-
deutung. Deshalb zog der Armeeführer die 7. ID. und die Gruppe
Szurmay als Armeereserve nach Lemberg heran. Den durch das Vor-
gehen der Südarmee sich ohnedies verengenden Frontabschnitt Szurmays
hatte das V. Korps zu übernehmen.
Die deutsche Südarmee hatte nach ihrem Eintreffen am Dniester
schon am 20. den Befehl zum Vorstoß über diesen Fluß erhalten. Mit
Rücksicht auf das allmähliche Eintreffen des aus Syrmien anrollenden
deutschen X. RKorps, GLt. Kosch, (101. und 105. ID.) konnte erst die
Nacht auf den 23. Juni, als wenigstens zwei Drittel dieses Korps zur
Stelle waren, für den Angriffsbeginn bestimmt werden.
Um nach dem Flußübergang nicht lediglich den rechten Flügel der
2. Armee zu verlängern und auch nicht in den Zydaczow im Norden
bogenförmig umschließenden Hügelkranz hineinzustoßen, auf dem sich
schon die neuen russischen Stellungen abzeichneten, schob Gdl. Linsingen
die Masse seiner Armee nach rechts zwischen Zurawno und Halicz zu-
sammen, denn von hier aus konnte der vor der 2. Armee haltende Feind
in der Südflanke gefaßt werden. Hiezu hatten Gdl. Gerok (k. u. k. 19. ID.)
bei Martinów Str., das X. RKorps im Anschluß links davon bis aus-
schließlich vonZurawno, und Gdl. Bothmer mit der deutschen l.ID. und
der 3.GID. bei letztgenanntem Ort den Dniester zu überschreiten. Zum
Schutz der Ostflanke sollte GdK. Marschall mit der Masse seiner Truppen
Halicz von Süden her, mit der Brigade Obst. Bolzano im Norden ab-
schließen. Am Westflügel hatten den Flankenschutz der linke Flügel des
Korps Bothmer, die 48. RD., die 38. HID. und die l.KD., zu besorgen,
558
Der Feldzug von Brest-Litowsk
die bereit sein mußten, einen allenfalls über 2ydaczow nach Süden ge-
richteten russischen Vorstoß zu parieren. Sie hatten aber sofort auf das
Nordufer zu folgen, wenn der Russe Zydaczow aufgab. Die 7. Armee
sollte durch einen Angriff bei Mariampol das Vorgehen Linsingens
unterstützen.
Die Truppen der Südarmee, die am 23. im dichten Morgennebel
östlich von Zurawno übergegangen waren, trafen auf einen zur Abwehr
bereiten Feind, der die verbündeten Truppen durch heftige Gegenstöße
in den Fluß zurückzuwerfen suchte. Sechs Tage schwerer, blutiger Kämpfe,
die als „Schlacht bei Bukaczowce und Bóbrka" zusammengefaßt werden
können, standen den Schulter an Schulter ringenden Armeen Linsingens
und Böhm-Ermollis bevor.
Trotz scharfer russischer Gegenwirkung vermochte sich die Brigade
Obst. Bolzano nördlich von ihrem Übergangspunkt Perlowce zu behaup-
ten. Der 19. ID. aber spielte der Russe übel mit; er drängte sie zum
Teil in den Dniester zurück, wobei sie empfindliche Verluste, namentlich
an Gefangenen, erlitt1). Auch das X.RKorps und die zwei rechts stehen-
den Divisionen Bothmers trafen auf zähen Widerstand und mußten sich
mit der Behauptung von schmalen Ufer Stellungen begnügen. Dafür hatte
der linke Flügel Bothmers, vor dem die Russen in der Nacht das süd-
liche Dniesterufer geräumt hatten, den Abzug des Feindes frühzeitig
erkannt, folgte rasch über den Fluß nach und erreichte bis zum Abend
die Seenengen nördlich und südlich von Chodorów, mit der Absicht,
tags darauf nach Knihynicze und Fraga vorzurücken.
Gdl. Bothmer machte sich nun das überraschend schnelle Fortschrei-
ten seines linken Flügels zunutze und schob auch die 3. GID. über 2yda-
czów auf das nördliche Dniesterufer, um so den Flankendruck gegen die
auf dem Nordufer abwärts von Zurawno sich zäh verteidigenden Russen
zu verstärken. Dennoch bescherte der 24. der Südarmee weder am
Dniester noch vor dem Lug einen Raumgewinn, und auch am 25. leistete
die russische 11. Armee hier wie dort zähesten Widerstand. Mit einem
erstaunlich großen Geschoßaufwand unterstützte die russische Artillerie
die Vorstöße ihrer Infanterie gegen die Brückenkopfstellungen der Ver-
bündeten. So hatte die Brigade Bolzano, die mittlerweile dem Korps
Gerok zugeteilt worden war, am 25. etwa sechzehn Gegenangriffe ab-
zuschlagen. Immerhin war es an diesem Tage geglückt, fast die ganze
Infanterie und Teile der Artillerie der Korps Gerok, Kosch und Bothmer
*) Die Gesamtverluste der 19. ID. am 23. Juni betrugen 72 Offiziere, 2600 Mann
und 10 Maschinengewehre.
Vordringen der Südarmee über den Dniester
559
auf das Nordufer zu bringen. Die 19. ID. setzte sich endgültig in den
Besitz von Martinów Str., das X. RKorps erstürmte Bukaczowce und die
1. ID. Bothmers vermochte um 2 km über Zurawno hinauszukommen.
Hiedurch war der Südarmee, die in den drei letzten Tagen 3550 Ge-
fangene eingebracht hatte, die Möglichkeit gegeben, am 26. den Angriff
vom Lug und vom Dniester her mit ganzer Kraft fortzusetzen.
Als beim 2. Armeekmdo. am 23. Juni abends das rasche Vordringen
des Nordflügels Bothmers und die Absicht, mit diesen Heeresteilen am
nächsten Tage Knihynicze und Fraga zu gewinnen, bekannt geworden
war, spornte Böhm-Ermolli das XIX., das XVIII. und das V. Korps an,
schon am 24. Kurowice und den Swirzbach zu erreichen. Da sich aber
die Russen vor der 2. Armee in einer Linie festgesetzt hatten, die sich
von Dziewiçtniki aus auf dem schmalen, waldigen Rücken zwischen Lug
und Bialy p., dann über D±winogrod—Bilka Szlachecka—Jaryczów-Stary
bis Zóltañce hinzog, kam es östlich von Lemberg neuerlich zu heftigen
Kämpfen. Das V.Korps griff am 24. mit der 51. HID. gegen Dziewiçt-
niki, mit der halben 14. ID. gegen Sokolówka und mit der Masse, halbe
14. und 33. ID., gegen Bóbrka an. Nördlich davon sollte das XVIII. Korps
den Feind aus der Bahnschlinge bei Podmanasterz vertreiben. Dem
XIX. Korps war der Raum zwischen der nach Bóbrka und der nach
Przemyslany führenden Straße als Angriffsraum vorgezeichnet, indes
das IV. Korps beiderseits der Brodyer Bahn vorstoßen, und die Gruppe
Kreysa zunächst das Beskidenkorps ablösen sollten.
Die angreifenden Truppen trafen allenthalben auf zäheste Gegen-
wehr; der Feind war offensichtlich nicht gesonnen, das Feld so leicht zu
räumen. So blieb es denn auch den Divisionen Böhm-Ermollis am 24.
versagt, Raum zu gewinnen. An diesem Tage verlegte das 2. Armeekmdo.
sein Hauptquartier nach Lemberg.
Tags darauf gelang es aber dem kräftig zugreifenden V.Korps,
FML. Goglia, das russische VI. Korps vor Bóbrka zu durchbrechen und
bis an den Westrand des Ortes zurückzuwerfen. Hierauf wurde auch
südlich davon das ganze Westufer des Bialy p. gesäubert und der An-
schluß an den Nordflügel Bothmers (38. HID.), der noch vor den Teich-
engen festlag, verläßlich hergestellt.
Das XVIII. Korps warf den Nordflügel des russischen VI. Korps
aus zwei hintereinander liegenden Stellungen östlich von der Bahn und
erstürmte noch Wodniki, allerdings ohne die Widerstandskraft des Fein-
des hier völlig brechen zu können. Dafür gelang es dem gegen die Naht
zwischen der 11. und der 8. Armee der Russen anstürmenden XIX. Korps,
560
Der Feldzug von Brest-Litowsk
den Feind zum fluchtartigen Rückzug nördlich und südlich von Dzwino-
gród zu zwingen.
Beim IV. Korps, das die schon eingetroffene Gruppe Berndt an ihren
Nordflügel vor Jaryczów-Stary in die Front gestellt hatte, wurde die
27. ID. in der Nacht auf den 25. durch einen wuchtigen Gegenstoß um
1 km zurückgedrückt. Der nun bei Tag folgende Angriff des Korps
Schmidt-Georgenegg konnte gegen die sich hartnäckig wehrenden Russen
des VII. und des XVII. Korps keine Erfolge erzielen.
Die Gruppe Kreysa hatte befehlsgemäß die 26. SchBrig. aus Lem-
berg herangezogen und sich am 24. bei 2oltance und südlich davon be-
reitgestellt. Ein in der Nacht zum 25. beim benachbarten Beskidenkorps
erfolgter russischer Einbruch veranlaßte FML. Kreysa, mit einer Brigade
der 32. ID. helfend einzugreifen, indes die Masse seiner Gruppe sich
zur Vorrückung über Kukizów nach Osten anschickte.
Von der Armeereserve gelangte am 25. die 7. ID. nach 2yda-
tycze, die Gruppe Szurmay nachWinniki; dies bekundete den Willen des
Armeeführers, beim Angriff, der am 26. zur Gewinnung der Linie Derno w
(5 Ion südlich von Kamionka-Strumilowa)— 2elechów Wk.—Nowosiólki—
Kurowice—Swirzbach fortgesetzt werden sollte, das Schwergewicht auf
dem Nordflügel wirken zu lassen. Dies entsprach auch der durch GFM.
Mackensen gestellten Forderung, der Nordflügel der 2. Armee möge in
Übereinstimmung mit dem Beskidenkorps gegen Kamionka-Strumilowa
angreifen. Als GdK. v. der Marwitz aber mitteilte, daß er erst am 27.
in der Richtung auf Batiatycze vorstoßen werde, wurde das Angriffsziel
für die Gruppe Kreysa und den Nordflügel des IV. Korps um etwa
8 km kürzer gesteckt.
Die Ereignisse bei der Heeresgruppe Mackensen
(23. bis 28. Juni)
Bereitstellung zum Nordstoß
Hie zu Beilagen 25 und 30
Als Mackensen am 22. Juni abends den Befehl der k.u.k. Heeres-
leitung zur Verfolgung des in nördlicher Richtung weichenden Feindes
erhielt, dehnte sich die k. u. k. 4¡. Armee, Vili., XIV., X., IX. und
XVII. Korps, von der Weichsel bei Tarnobrzeg, den unteren San bei
Ulanow überquerend, entlang des versumpften Tanew und der Brusienka
bis Brusno. Das XIV. Korps (8. und 3. ID.) wurde eben als Armeereserve
Sicherung der Offensive Mackensens gegen Osten
561
aus der Front gezogen und südlich von Rudnik versammelt, um einen
etwaigen russischen Vorstoß östlich des San abwehren zu können.
Die rechts anschließende deutsche 11. Armee mit dem X., dem
XXII. R-, dem Garde-, dem k. u. k. VI. und dem XXXXI. RKorps war bis
vor Rawa Ruska, Turynka und Dzibulki herangekommen. Das letzt-
genannte und das aus der 8. bayr. RD. und der 56. ID. bestehende komb.
Korps sollten aus der Front gezogen und abtransportiert werden (S. 550).
War die Vorrückungsrichtung der 11. Armee bis jetzt nach Osten
gewendet gewesen, und hatte die 4. Armee seit dem Überschreiten des
San ihre Hauptaufgabe darin erblickt, jener die Flanke zu decken, so
mußten sich nunmehr beide Armeen zur Offensive gegen Norden be-
reitstellen. Den Befehl hiezu erließ GFM. Mackensen am 23. mit der
Eröffnung, daß der Angriff in der neuen Richtung am 26. beginnen werde.
Da die Richtung der Verkehrslinien und der Lauf des Bug, der die
Begrenzung für den rechten Flügel Mackensens bildete, nach Nordwesten
wiesen, mußte der Ostflügel der deutschen 11. Armee zunächst etwas
vorgeschwenkt werden. Hiebei konnte sich beim Vordringen der 11. Ar-
mee eine Umfassung jener Teile der russischen 3. Armee ergeben, die
vor dem zurückhängenden rechten Flügel der k. u. k. 4. Armee standen.
Schwierig war für die Heeresgruppe Mackensen die Frage des
Flankenschutzes gegen Osten hin zu lösen. Denn sollte zur völligen Nieder-
werfung des russischen Heeres der Nordstoß stets in vollem Schwung
erhalten werden, so mußten doch auch Kräfte zur Deckung der täglich
länger und empfindlicher werdenden Ostflanke ausgeschieden werden.
Es war klar, daß das hiefür zugewiesene Beskidenkorps der 2. Armee
(S. 552) nicht ausreichen konnte. GM. Seeckt, der Stabschef Mackensens,
erwartete den nächsten nachhaltigen Widerstand der Russen erst etwa
in der Linie Iwangorod—Wlodawa, wo sich schon vom westlichen
auf das östliche Weichselufer geworfene Feindkräfte geltend machen
konnten. Er besorgte aber auch die Einwirkung von anderwärts ver-
fügbar gemachten russischen Divisionen, die auf den Bahnen über Brest-
Litowsk und Kowel gegen die dann schon etwa 150 km lange rechte
Flanke der 11. Armee herangeführt werden konnten. Da GM. Seeckt die
vom AOK. als Gegenmaßnahme verfügte Streckung der 2. Armee bis
Kamionka-Strumilowa (S. 557) nicht für ausreichend erachtete, bean-
tragte er am 24. in Teschen, diese am Vormarsch in nördlicher Rich-
tung in der allgemeinen Direktion Wladimir-Wolynski in Staffeln vom
linken Flügel teilnehmen zu lassen. Er erhoffte sich bei Fortsetzung
der Vorrückung der 2. Armee in vorgenannter Richtung eine Umgehung
II 36
562
Der Feldzug von Brest-Litowsk
einer bei Wiodawa an den Bug angelehnten russischen Stellung und
später die Deckung gegen Brest-Litowsk. Zur endgültigen Säuberung
Ostgaliziens erachtete er die 7. und die Südarmee für ausreichend.
Doch schon die nächsten Stunden und Tage erwiesen die Stärke
der Ostgalizien zähe verteidigenden 8., 11. und 9. Russenarmee. Das
AOK. konnte daher auf die angeregte Verwendung der 2. Armee nicht
eingehen, obwohl es sich in einer am 29. Juli an GM. Seeckt abgesandten
Antwortdepesche zur gleichen Ansicht bekannte, daß „der Schutz der
Ostflanke der 11. Armee auf die Dauer nur offensiv möglich" sei. Des-
halb betrieb es die Ablösung und die Verschiebung der 1. Armee vom
westlichen Weichselufer an den Bug; sie wurde später, in der zweiten
Hälfte des Monats Juli, im Sinne der Anregung Seeckts auch tatsächlich
zum Vormarsch auf Wladimir-Wolynski angewiesen.
Mackensens Armeebefehl vom 23. Juni ordnete die Bereitstellung
der 11. Armee für die am 26. Juni früh in breiter Front aufzunehmende
Verfolgung auf der Grundlinie Brusno—Werchrata—Siedliska—Raum
nördlich von Rawa Ruska—Turynka an. Da diese Linie aber teilweise
noch in feindlichem Besitz war, mußte es bis zum 26. zu Kämpfen kommen.
Den engeren Schutz der rechten Armeeflanke hatten die 11. bayr. ID.
und das durch die ll.HKD. verstärkte Beskidenkorps in der Linie
Zólt ance—Turynka, dem bisherigen Abschnitt des XXXXI. RKorps und
der 39. HID., zu versehen; hiebei waren das XXXXI. RKorps durch das
Beskidenkorps, die Honvéd durch die Bayern abzulösen. Wegen eines
in der Nacht auf den 25. unternommenen Gegenangriffes des russischen
VIII. Korps gelang nur die Ablösung einer Hälfte des XXXXI. RKorps.
Störend wirkte auch ein bei Turynka am 24. beim Morgengrauen von
Teilen des russischen XXVIII. Korps auf die Vorposten der 39. HID.
ausgeführter Überfall, der gegen Zolkiew Raum gewann. Rasches Ein-
greifen der 11. HKD., die sich eben zum Abreiten an den rechten Armee-
flügel anschickte, begrenzte den Einbruch. Verstärkungen der 39. HID.
und der zu ihrer Ablösung anrückenden 11. bayr. ID. stellten sodann bis
zum frühen Nachmittag die Lage wieder her. Nun konnte die Ablösung
der 39. HID. glatt vor sich gehen, und die Bereitstellung des Korps Arz
— links die 12. ID. und rechts rückwärts in der Staffel die Honvéd —
wie jene des Gardekorps bis zum Abend des 25. kampflos erfolgen.
Das XXII. R- und das durch die 22. ID. verstärkte X. Korps des
Gdl. Emmich stießen dagegen beim Vorrücken in die Bereitstellungslinie
knapp nördlich von Rawa Ruska und vor Werchrata auf hartnäckigen
Widerstand der Gruppe Olochow. Sie gelangten auf nächste Entfernung
Räumung des San-Weichselwinkels durch die Russen
563
an den Feind heran, drangen aber bis zum 25. abends noch nicht durch.
Die 107. und die 119. ID. waren Armeereserve. Die 56. ID. und die
8. bayr. RD. standen hinter dem linken Armeeflügel zum Abrollen bereit.
Das 4. Armeekmdo. wies seine Korps am 23. an, die erreichten
Räume bis zur neuen Offensive festzuhalten.
Indessen hatten das XV. und das IX. Russenkorps in der Nacht
zum 23. mit der Räumung des San-Weichselwinkels begonnen (S. 496).
Das k.u.k. VIII. Korps, dem auch die durch neun Landsturmbataillone
verstärkte 40. HIBrig. unterstellt wurde, stieß unverzüglich nach. Es er-
reichte an diesem Tage die Linie Sokolniki—Turbia und am 24. mit Vor-
truppen den San von der Mündung bis Ulanów, wo es sich sodann am
Uferdamm zur Verteidigung einrichtete.
Da die nach Nordwesten gerichtete Offensive der 11. Armee er-
warten ließ, daß sie der 4. die versumpfte Tanewniederung aufriegeln
werde, erließ GFM. Mackensen am 24. an die 4. Armee den Befehl, bei
kampflosem Rückzug der russischen 3. Armee im Räume zwischen der
Linie Brusno—Narol—Obrocz—Gorajec und der Weichsel zu folgen.
Sollte der Feind vor der 4. Armee jedoch seine Stellungen zu behaupten
versuchen, hätte das k.u.k. XVII.Korps sich dem Angriffe der 11. Armee
anzuschließen. Das 4.Armeekmdo. verstärkte hierauf am 25. das Korps
Kritek durch die hinter dem IX. Korps stehende 41. HID. und die halbe
26. SchD. und wies das XVII. sowie den rechten Flügel des IX. Korps
zu umfassendem Angriff auf die die Straße Cieszanów—Narol—Belzec
beherrschende Landschwelle nördlich von 2ukow an. Alle übrigen Korps
hatten den Feind zu binden und sich zum Vorbrechen bereitzuhalten.
Das XIV. Korps hatte als Reserve nach Le±ajsk zu rücken.
Die Mackensen gegenüberstehenden russischen Streitkräfte, 3. Armee,
Gruppe Olochow und die drei rechten Flügelkorps der 8. Armee, mußten
im Sinne der am 24. gefaßten Entschlüsse (S. 554) den Gegner so lange
aufhalten, bis die 4. und die 2. Armee vom westlichen auf das östliche
Weichselufer herübergezogen waren. Bis dahin — der Zeitpunkt stand
noch nicht fest — hatten die 3. Armee und die Gruppe Olochow im Sinne
der von Alexejew am 25. erlassenen Weisung „die nach Lublin, Cholm
und Wladimir-Wolynski führenden Straßen zu decken und langsam, nur
dem Drucke des Feindes folgend, auf die Stellung Opole—Krasnostaw—
Wladimir-Wolynski—Swinjuchy zurückzugehen" x).
i) Zajontschkowskij, Die Periode des Bewegungskrieges 1914 und 1915
auf dem russisch-europäischen Kriegsschauplatze (in russischer Sprache, Moskau
1929), 322.
36*
564
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Der Vorstoß auf Tomaszów
(26. bis 28. Juni)
Bei der 11. Armee hatten am 26. Juni nur der linke Flügel und
die Mitte den an diesem Tage beginnenden Angriff einzuleiten, indes,
der rechte Flügel wegen der Verbindung zur 2. Armee noch zurück-
gehalten wurde.
Das am linken Flügel vorgehende Korps Emmich war noch am 25.
auf den heftigen Widerstand der Gruppe Olochow gestoßen; es konnte
erst nach zähen Kämpfen am 26. abends die ihm aufgetragenen Vor-
rückungsziele, Miasteczko und A 390, gewinnen. Dagegen vermochten
das XXII. RKorps, die Garde, das k. u. k. VI. Korps und die 11. bayr. ID.,,
vor denen das XII. und das XXVIII. Korps Brussilows kampflos zurück-
wichen, bis Teniatyska auf dem Nordufer der Solokija sowie bis zum
Nordrand der südlich von Uhnów sich ausbreitenden Waldzone und bis
Poddouhe vorzudringen, zum Teil weiter, als es die Armeeleitung ur-
sprünglich geplant hatte.
Der rechte Flügel der 4. Armee hätte nach der ursprünglich be-
stehenden Absicht durch einen Zangenangriff auf die bei Zukow stehen-
den Russen das Vorgehen Emmichs begleiten sollen. Witterungs- und
Geländeschwierigkeiten führten jedoch dazu, daß die im Anschluß an die
11. Armee kämpfende Gruppe FML. Schay (S. 426) Teile der deutschen
22. ID. ablöste, die sich dadurch stärker gegen rechts zusammenballen
konnte. Die Gruppe Schay schloß sich tags darauf, am 27., dem Angriff
dieser Division an; doch fanden beide die Stellungen des Feindes leer.
Dieser hatte sich inzwischen während der Nacht in die vorbereitete Linie
Ruda Ró£aniecka—Plazów—Höhen südlich von Narol—Chlewiska zurück-
gezogen, die nun gegen Abend von den inneren Flügeln der beiden verbün-
deten Armeen angegriffen wurde. Während der rechte Flügel der 10. ID..
und die 45. SchD. vor den stark besetzten russischen Gräben liegen
blieben, nahm die 11. ID. das brennende Ptazów im Sturm, und die 41. HID.
erstritt um Mitternacht den Besitz der Bildstockhöhe südlich von Narol.
Weiter östlich hatte unterdessen das Korps Emmich den Widerstand der
Russen bei Chlewiska gebrochen und war am Abend mit der 22. ID. zur
Umfassung gegen Narol eingeschwenkt.
In der Mitte der Armee Mackensen gelangten das XXII. R-, das
Garde- und das k. u. k. VI. Korps nahezu kampflos bis in die ihnen als
Tagesziel vorgezeichnete Linie 2urawce—Uhnow—Chlewczany. Von der
Flankenschutzgruppe dehnte sich der linke Flügel der 11. bayr. ID. zum
Vordringen der deutschen 11. Armee über Tomasso w
565
Anschluß an das Korps Arz, der rechte Flügel und das Beskidenkorps
kamen kämpfend an Mosty Wielkie und Kamionka-Strumilowa heran;
das Beskidenkorps hatte Fühlung mit der südlich von der Bahn vor-
rückenden 2. Armee.
Diese Kämpfe der 11. Armee vom 25. bis 27. Juni, von den Russen als
„Schlacht bei Tomaszów" bezeichnet, hatten das Gefüge des Feindes,
namentlich der Gruppe Olochow, mehr gelockert, als damals von den
Verbündeten erkannt wurde. Die Russen setzten noch in der Nacht auf
den 28. vor dem rechten Flügel der 4. und vor der 11. Armee den Rück-
zug bei Zurücklassung schwacher Nachhuten fort. Am Tanew und am
San jedoch hielt die russische 3. Armee in scheinbar unverminderter
Stärke ihre Stellungen besetzt.
Von den der Gruppe Olochow und dem russischen XXIV. Korps
nachdrängenden Truppen der Verbündeten erreichte die 10. ID. des
IX.Korps am 28. das sumpfige Waldgebiet am Südufer des Sopotbaches.
Die 21. SchD. wurde zwischen der 10. ID. und der 106.LstID. in die
Front gestellt. Das XVII. Korps vermochte unter leichten Kämpfen die
waldfreie Bodenwelle nordwestlich von Narol zu gewinnen.
Bei der deutschen 11. Armee wurden die Tagesziele schon am 28.
zu Mittag kampflos erreicht, weshalb die Vorrückung über Tomaszów
hinaus noch bis in die Linie Grabowica—Grodyslawice—Ulhówek—-Beiz
fortgesetzt wurde. Infolge dieses nach Nordwesten gerichteten raschen
Vormarsches wurde aber die Frage der Flankensicherung immer bren-
nender. Schon mußte links vom Beskidenkorps auch die 119. ID., die mit
der ll.bayr. ID. zum „Korps Kneußl" zusammengeschlossen wurde, in
die Front gezogen werden, um die Russen bei Kuliczków zu werfen. Fast
schien es unvermeidbar, am 29. auch die letzte Reserve Mackensens, die
107. ID., in den Dienst des Ostschutzes zu stellen, sollte das Aufspringen
einer Lücke zwischen Arz und Kneußl vermieden werden. Da trafen aus
Teschen neue Weisungen zur Fortsetzung der Offensive und Stärkung
der Angriffskraft Mackensens ein (S. 574).
Vorgehen der 1.Armee gegen Zawichost und Gliniany
(23. bis 28. Juni)
Im Sinne der von der Stawka am 19. erteilten Weisungen (S. 496)
bog im Einklang mit dem rechten Flügel der 3. Armee auch Ewert in
der Nacht auf den 23. seinen linken Flügel gegen Zawichost zurück.
Demgemäß konnten am 23. früh die k. u. k. I.Armee sowie die 7. KD.,
die Division Bredow und die 3. LD. der Armee Woyrsch aus den Gräben,
566
Der Feldzug von Brest-Litowsk
die sie seit der Schlacht bei Opatów innehatten, vorbrechen und dem
Feinde folgen. Die 46. SchD. des I. Korps besetzte in der dritten Nach-
mittagsstunde den vom Feind kampflos preisgegebenen Brückenkopf von
Sandomierz. Die Sicherung nördlich davon übernahm am Abend die
durch Landsturminfanterie verstärkte 16. KBrig. (2. KD.), indes das
II. Korps die Linie Pielaszów—Cmielów—Ostrowiec gewann. Der rechte
Flügel der Armee Woyrsch überschritt die Kamienna.
Aber schon tags darauf, am 24., stießen die Verfolgungstruppen
allenthalben auf die von Zawichost über Gliniany nach Baltów verlau-
fende neue Stellung, die Ewert für seinen linken Flügel hatte vorbereiten
lassen. Gemäß dem vom FZM. Puhallo erlassenen Befehle arbeiteten sich
die zwei Korps der 1. Armee am 25. an die russischen Linien heran,
wobei das I. Korps auf die Verbindung mit dem linken Flügel der
4. Armee bedacht zu sein hatte. Links des II. Korps schloß die 7. KD.
an, während Bredow und die 3.LD. nach verschiedentlichen Kämpfen
bis an die gut verschanzte Russenfront Baltów—Sienno—Il£a gelangt waren.
Vor der Front der 1. Armee befand sich das durch zwei Reichswehr-
brigaden und zwei Reiterdivisionen (13. KD. und UralKosD.) verstärkte
XXV. Russenkorps, dessen nördlicher Flügel über die Kamienna hinaus-
reichte. Rechts von ihm schloß das Grenadierkorps an. Vom XXXI. Korps
waren am 23. bei den Verbündeten noch Gefangene eingebracht worden;
seither hatte jedoch ein Funkspruch die Verlegung des Korpskmdos. in
den Raum östlich von Kazimierz verraten, wohin ihm offenbar auch ein
großer Teil der Truppen folgte.
Der 1. Armee fiel nun die Aufgabe zu, die feindlichen Linien in der
Richtung Gliniany—Tarlów zu durchstoßen, wobei der Südflügel der
Armee Woyrsch mitzuwirken hatte. Die Russen zeigten jedoch zunächst
den entschiedenen Willen, ihre neuen Linien zu behaupten. Der am 26.
geführte Angriff Puhallos kam beim I. Korps, das in den Verfolgungs-
kämpfen der letzten Tage nicht unerhebliche Einbußen erlitten hatte,,
schon vor den russischen Vorstellungen zum Stehen. Beim II. Korps ver-
mochte die 4. ID., GM. Ritt. v. Jemrich, nächst Gliniany wohl in die Gräben
des Feindes einzubrechen und darüber hinauszustoßen; doch mußten die
Angreifer den gewonnenen Boden in der Nacht wieder preisgeben.
Am 27. und 28. blieb es bloß bei vorbereitenden Maßnahmen zu
dem nun auch von der Heeresleitung ausdrücklich gewünschten Angriff
auf Tarlów. Schließlich wurde in einer Führerbesprechung der 30. für
den Angriff in Aussicht genommen. Aber die vorangehenden vierund-
zwanzig Stunden sollten eine wesentliche Änderung der Lage bringen.
Das Gewinnen des Bialy- und Biîkabachabschnittes
567
Die Entscheidung
in der Schlacht bei Bukaczowce—Bóbrka
(26. bis 28. Juni)
Hiezu Beilage 29
Am 26. Juni schritt die k. u. k. 2. Armee neuerlich ¡zum Angriff. War
sie auch nach der Einnahme von Lemberg und infolge der vom 21. bis
25. Juni eingebrachten großen Beute — 11.000 Gefangene und 22 Ma-
schinengewehre — von stolzem Siegesgefühl erfüllt, so war die Fort-
setzung der Offensive doch nicht ohne Überwindung erheblicher Schwie-
rigkeiten ins Werk zu setzen. Der lange, von nahezu ununterbrochenen
Kämpfen begleitete Vormarsch hatte die Infanterie vielfach stark er-
müdet. Auch ihre Kampfstände waren außerordentlich herabgemindert.
So zählten zum Beispiel die 27.ID. bloß 4000, die 40.HID. 2600 und die
128. HIBrig. gar nur mehr 800 Feuergewehre. Der mehrfach vorge-
brachten Bitte, eine zwei- bis dreitägige Kampfpause zur Einreihung der
anrollenden Ersätze einzuschalten, gab man aber im Hinblick auf die
Gesamtlage nicht statt. Auch Mangel an Geschützmunition machte sich
fühlbar, weil der Nachschub mit der raschen Vorrückung nicht hatte
Schritt halten können. Dazu zeigte sich der Feind außerordentlich rührig
und führte namentlich nachts kräftige Gegenangriffe, insbesondere gegen
den Nordflügel Böhm-Ermollis, vermutlich deshalb, um den Abschub
wertvollen, auf dem Bahnhof Krasne aufgestapelten Kriegsgerätes be-
wirken zu können. Aber auch manche Meldung über das Anrollen russi-
scher Verstärkungen lief ein, die wegen des unsichtigen Wetters durch
Flieger nicht überprüft werden konnte.
Die Gruppe FML. Kreysa kam, das russische VII. Korps zurück-
drängend, am 26. bis zum Abend nahe an ihre enger gesteckten Angriffs-
ziele heran (S. 560). Beim IV. Korps, dem die bisher in Armeereserve
gehaltene 7. ID. zugewiesen worden war, entriß die durch die 14. IBrig.
verstärkte Gruppe GM. Berndt nach harten, opferreichen Kämpfen dem
Feinde Jaryczów Stary und wurde dann in nordöstliche Richtung ge-
wiesen, um den Anschluß an die Gruppe Kreysa nicht zu verlieren. Die
27. ID., dann die 32. ID. und die 43.SchD., die unter dem Befehl des
GM. v. Jordan-Rozwadowski vereinigt wurden, hatten sich nachts scharfer
russischer Angriffe zu erwehren gehabt und gelangten kämpfend bis an
ifien Biîkabach. ;
Beim XIX. Korps waren die Truppen auch nachts über nicht zur
Ruhe gekommen, denn die 29. ID. hatte in der Dunkelheit — allerdings
568
Der Feldzug von Brest-Litowsk
vergeblich — die Gewinnung des östlichen Bilkaufers versucht, und der
Südflügel der 34. ID. war aus dem am 25. eroberten Kocurów wieder
verdrängt worden. Die beiden ermüdeten Divisionen begnügten sich
daher am 26. mit der Festhaltung der erreichten Linien.
Einen vollen Erfolg erfocht der Südflügel Böhm-Ermollis. Wohl
hatte der nächtliche, aus Kocurów unternommene Vorstoß der Russen
ein Landsturmregiment des XVIII. Korps versprengt, der rechte Flügel
Trollmanns und das V. Korps aber brachen in überaus blutigen, bis
zum Morgen des 27. Juni andauernden Kämpfen an zahlreichen Stellen
in die Stellungen des russischen VI. Korps ein, wobei namentlich in den
am Bialy potok gelegenen Ortschaften, vor allem in Bóbrka, mit Erbitte-
rung gefochten wurde. Am 27. früh stand das Korps Goglia siegreich
auf dem Ostufer des Bialy potok.
Die Schlacht bei Bukaczowce und Bóbrka erreichte am 26. Juni auch
bei der Südarmee ihren Höhepunkt. Indes Gerok noch starke, auf den
Übergang bei Martinów Stary gerichtete Entlastungsstöße des russischen
XI. Korps der 9. Armee abzuweisen hatte, zwang dasX. RKorps in mühe-
voller, bis in die Nacht währender Angriffsarbeit das russische XXII. Korps
hinter den Swirzabschnitt Bukaczowce—Czerniów—2urow zurück. Links
davon überschritt Bothmer mit der deutschen l.ID. und der 3.GID. in
der Richtung auf Knihynicze die Bahnlinie und öffnete sich mit der
48. RD. die Teichenge bei Chodorów. Nun gelang es auch der 38. HID.
und der 1. KD., die schon locker gewordenen Teile des russischen
XVIII. Korps aus Dziewiçtniki zu vertreiben.
Am 27. planten Linsingen und Böhm-Ermolli, durch die zangenartig
wirkenden Angriffe ihrer Armeen den Feind zum weiteren Rückzug zu
zwingen. Um die Hebelwirkung von Süden her zu verstärken, befahl
Linsingen am 26. abends die Verschiebung der 48. RD. vom Korps Both-
mer nach Martinów Stary zum XXIV. RKorps. Böhm-Ermolli hingegen
setzte seine ganze Armeereserve am Nordflügel ein, wobei das Gruppen-
kmdo. Szurmay und die 40. HID. dem IV. Korps, die 128. HIBrig. dem
XVIII. zugewiesen wurden.
Als sich jedoch die verbündeten Truppen am 27. früh zum Angriff
anschickten, trafen sie in den bisherigen russischen Gräben nur mehr
auf Nachhuten. Der Feind hatte sich zurückgezogen. Unverzüglich wurde
an die Verfolgung geschritten, die unter zahlreichen Gefechten stellen-
weise bis nach Eintritt der Dunkelheit fortgesetzt wurde. Bis zum Abend
erreichte die Gruppe Kreysa, deren linker Flügel im Einklang mit dem
Beskidenkorps längs der Bahn vordrang, den Ort Jakimów, das beider-
Das Vordringen der Verbündeten bis an die Gniîa Lipa
569
seits des Jaryczowskikanals und des Peltew vorrückende IV. Korps ge-
langte bis Zadwórce, das XIX. bis Wy±niany und Kurowice. Beim
XVIII. Korps schritt die 9. ID. noch um 7h abends zum Angriff auf die
Waldhöhen nordöstlich von áwirz und brachte sie in ihren Besitz. Vom
V. Korps gewannen alle drei Divisionen das Westufer des Swirzbaches
zwischen dem gleichnamigen Ort und Strzeliska Nowe. Fast 2700 Russen
hatten an diesem Tage vor Truppen der 2. Armee die Waffen gestreckt.
Bei der Südarmee, wo der Russe gleichfalls Raum gegeben hatte,
konnte das Korps Bothmer, ohne auf viel Widerstand zu treffen, bis an
den von den Russen angestauten Swirzbach aufschwenken. Den Ver-
sucheñ des X. RKorps, bei Zurow und Bukaczowce auf das Ostufer vor-
zubrechen, stemmte sich jedoch das russische XXII. Korps entgegen,
und auch Bolzanos Absicht, Halicz von Norden abzuschnüren, scheiterte
an der Gegenwirkung des XI. Korps Letschitzkis, das aber den rechts-
ufrigen Teil des Brückenkopfes räumte. Kampflos rückte das Korps
Hofmann in Halicz ein. Indessen hatte die Flugaufklärung zahlreiche
Ortsbrände an der Gnila Lipa festgestellt, was umsomehr als ein Zeichen
nur kurzen Widerstandes an diesem Fluß gewertet wurde, als dort keine
Stellungsbesetzung wahrgenommen werden konnte. Dafür wußten die
Flieger der Südarmee über lebhaftes Schanzen an der Zlota Lipa zu
melden; Grund genug dafür, mit einem mehr oder weniger unbehin-
derten Vormarsch bis dorthin zu rechnen.
Am 28. Juni setzten die 2. und die Südarmee die Verfolgung fort,
wobei jene die Linie Kamionka-Strumilowa—Kutkorz—Gliniany—Prze-
myslany—Firlejów erreichen sollte. Um neue Reserven zur Hand zu haben,
befahl Böhm-Ermolli dem V. und dem IV. Korps, nach Zulässigkeit die
51. HID., dann die 40. HID. und die Gruppe Berndt auszuscheiden.
Von der das russische VIII. Korps verfolgenden Gruppe Kreysa, die
durch die halbe 7. ID. (71.IBrig.) des IV. Korps verstärkt worden war,
gelangte die rasch vorstrebende und wenig Widerstand findende 31. ID.
am Abend bis vor die abgebrochenen Brücken bei Kamionka-Strumilowa
und Tadanie. Ihr gegenüber hatte auf dem östlichen Bugufer das rus-
sische VIII. Korps eine in aller Hast hergestellte Stellung bezogen. Die
13.SchD. hatte nach Südosten vorzustoßen, um dem Nordflügel des
IV. Korps Luft zu machen, dem eine nordöstlich von Dziedzilow befind-
liche und von den Russen hartnäckig verteidigte Höhe die Vorrückung
versperrte; die Wiener Schützendivision vermochte denn auch im Zuge
ihres Angriffes bis zum Abend eine Höhe südwestlich von Zelechow Wielki
zu erstürmen. Doch dieser Flankendruck auf das russische XVII. Korps
570
Der Feldzug von Brest-Litowsk
genügte nicht, um es zur Aufgabe seiner von ZelechowWielki nach Westen
hin ausgebauchten, über Zadwórze bis zumPeltew sich hinziehenden Stellun-
gen zu veranlassen. Die opferreichen, mehrfach unternommenen Anstürme
der Gruppe Berndt blieben ergebnislos, und auch der 27. ID. sowie der
auf dem rechten Flügel des IV. Korps fechtenden Gruppe Szurmay
(32. ID., 43.SchD. und 79. HIBrig.*) war nur an wenigen Stellen ge-
ringer Raumgewinn beschert. Desgleichen stieß das XIX. Korps nach Ein-
nahme einer Vorstellung südwestlich von Gliniany auf eine festgefügte
Verteidigungsfront der inneren Flügel der 8. und der 11. Russenarmee.
Das XVIII. Korps überschritt mit der 9. ID. und der l.LstlBrig. die
Straße Kurowice—Przemyslany und traf vor Lahodów auf die sehr stark
ausgebauten Stellungen des Nordflügels Schtscherbatschews, indes die
128. HIBrig. als Korpsreserve hinter der Mitte nachfolgte.
Das V.Korps, das wegen starker Ermüdung seiner Truppen erst um
10hvorm., mit der 33. ID. sogar erst zu Mittag ausgeschritten war, trat
nachmittags mit der ebengenannten Division vor Przemyslany gegen das
in Stellung befindliche VI. Russenkorps ins Gefecht; die 14. ID. stellte
schon bei Ostalowice die Vorrückung ein. Die 51. HID. arbeitete sich
gegen das Westufer der Gnila Lipa vor und entriß dem Feinde Firlejów,
wo der Anschluß an die Südarmee hergestellt wurde.
Von der Südarmee erreichten in der Verfolgung des geschlagenen
Feindes schon im Laufe des Vormittags das Korps Bothmer beiderseits
von Rohatyn, das X. RKorps bei Koniuszki, das XXIV. RKorps, dem die
48. RD. zugeführt worden war, bei Bursztyn das Westufer der Gnila
Lipa, indes die Masse der 55. ID. Hofmanns bei Halicz den Dniester
überschritt und den Bahndamm nördlich davon besetzte. Da man die
russischen Stellungen, die sich auf dem stark überhöhenden Ostufer ab-
zeichneten, nur von Nachhuten besetzt wähnte, schritten die Korps all-
seits zum Angriff über den Fluß. Wohl schlug überraschend kräftiges
Abwehrfeuer der Russen den verbündeten Truppen der Südarmee ent-
gegen; doch vermochten starke Teile der Korps Bothmer und Kosch bis
zum Abend auf dem Ostufer festen Fuß zu fassen.
Die Dniesterkämpfe vom 23. bis zum 28. Juni
Hiezu Skizze 29
Während der Kämpfe um Lemberg hielt die k. u. k. 7. Armee mit
der Masse am vielgewundenen Lauf des Dniester zwischen Uscie Zielone
i) Die andere halbe 40. HID. war Korpsreserve.
Die Gruppierung der k. u. k. 7. Armee
571
und Okna die russische 9. Armee in Schach; ein Teil beschirmte mit nach
Osten gewandter Front die Landschwelle zwischen Dniester und Pruth.
Pflanzer-Baltins 60.000 Feuergewehre zählende Heeresmacht war — bei
vollständiger Zerreißung der kriegsgliederungsmäßigen Verbände — in
fünf Korpsgruppen gegliedert1). Dieses Verwerfen der Verbände war
eine Folge der außerordentlich entschlußfreudigen und tatkräftigen
Kampfführung des Armeekommandanten und auch durch das Streben
verursacht, mit den ihm zugewiesenen Kräften nach Möglichkeit aus-
zulangen.
Als sich die Südarmee in der Schlacht bei Bukaczowce und Bóbrka
zum Angriff über den Dniester rüstete, sollte sie Pflanzer-Baltin durch
einen Vorstoß über Mariampol unterstützen. Da aber in dem 20 km langen
Abschnitt zwischen Ni£niow und der Armeegrenze nur sieben Bataillone
standen, und die gespannte Lage in den Dniesterschlingen bei Koropiec
Kräfteabgaben ausschloß, mußte sich das 7. Armeekmdo. auf eine De-
i) Gliederung der 7. Armee am 22. Juni:
XIII. Korps, Gdl. Rhemen
Gruppe GM. Weiss, Kmdt. der 9. IBrig., 3 Baone., 2^2 Schwd., 7 Bt. von der 5. und
der 30. ID.
Gruppe FML. Habermann, Kmdt. der 5. ID., 11 Baone., 1 Schwd., 19 Bt. von der
5., der 30. und der 36. ID.
Korps FML. Czibulka (dem XIII. Korpskmdo. unterstellt)
Gruppe GM. Stracker, Kmdt. der 15. ID., 16 Baone., 2 Schwd., 19 Bt. von der 5.,
der 6., der 15., der 30. und der 36. ID. sowie von der Brig. Obstlt. Papp
Gruppe FML. Schreitter, Kmdt. der 36. ID., 9^2 Baone., 2 Schwd., 16 Bt. von der
15. und der 36. ID.
III. Korps, FML. Krautwald
Gruppe FML. Schmidt-Fussina, Kmdt. der 22. SchD., 10 Baone., 2 Schwd., 6 Bt.
von der 15., der 22. und der 28. ID.
Gruppe GM. Hinke, Kmdt. der 28. ID., 6 Baone., 3 Schwd., 5 Bt. der 28. ID.
Gruppe FML. Kaiser, Kmdt. der 30. ID., 10 Baone., 2 Schwd., 9^2 Bt. von der 22.,
der 28. und der 30. ID. sowie von der LstlBrig. Obstlt. Békési
Gruppe FML. Benigni
mit der Masse der 6. ID., FML. Schönburg, dann mit Teilen der 28., der 30., der
36. ID. und der 42. HID. sowie mit der 5. HKD., der 6., der 8. und der 10. KD.,
zusammen 20 Baone., 63 Schwd., 11 Bt.
XI. Korps, FML. Kor da
mit der Masse der 42. HID., FML. Salis-Seewis, der 2. Brig, der Polenlegion und
der Brig. Obstlt. Papp, zusammen 28 Baone., 10 Schwd., 9^2 Bt.
572
Der Feldzug von Brest-Litowsk
monstration und das Verbreiten falscher Nachrichten über Truppenan-
sammlungen auf seinem Westflügel beschränken. Wie begründet seine
Besorgnisse waren, beweist, daß in der Nacht zum 22. die Gruppe GM.
Stracker bei Kosmierzyn durchbrochen wurde. Ein beiTag unternommener
umfassender Gegenangriff, bei dem 600 Russen gefangen wurden, stellte
die Lage jedoch wieder her.
Aber auch Kundschaftermeldungen über das Abrollen starker Kräfte
von Odessa gegen die bessarabische Grenze liefen in Kolomea ein und
waren umsomehr zu berücksichtigen, als am 22. abends die Stellung der
Brigade Papp — wenn auch ergebnislos — bestürmt wurde.
Am 24. fand der demonstrative Flußübergang der Gruppe GM. Weiss
bei Mariampol statt. Er glückte nicht und wurde abends wegen des Heran-
rückens starker Feindkräfte ganz eingestellt.
Tags darauf holte Letschitzki, um die in der Schlacht beiBukaczowce—
Bóbrka schwer bedrängten Armeen (11. und 8.) zu entlasten, zu einem
Schlag gegen die Gruppe Benigni aus. Hiebei ließ das russische III. Ka-
valleriekorps zur Überlistung des Gegners die vorderen Glieder der An-
griffsgruppe unbewaffnet und mit erhobenen Händen vorgehen. Erst im
letzten Augenblick nahmen die Russen die in denMonturtaschen verwahrten
Handgranaten heraus und überrumpelten ein auf einer bewaldeten Grenz-
höhe östlich von Dobronoutz stehendes Honvédhusarenregiment. Die
unter der Leitung des FML. Benigni sofort einsetzenden Gegenangriffe
zweier Kavalleriebrigaden und eines Regiments der 42. HID. wiesen bis
zum Abend den Feind wieder in seine Schranken.
Unterdessen war das Eintreffen russischer Verstärkungen gegenüber
dem III. Korps, am 27. aber die Rückverlegung der Stäbe des XI. und
des XXX. Russenkorps nach Buczacz bekannt geworden, was zur An-
nahme berechtigte, daß die zurückweichende Armee Schtscherbatschew
an der Gnila Lipa nur vorübergehend halten werde. Um nun sowohl
wider einen Russenanfall gegen die Gruppe Krautwald gerüstet zu sein,
als auch aus der günstigen allgemeinen Lage Vorteil ziehen zu können,
zog Pflanzer-Baltin alle bei den andern Gruppen entbehrlichen Kräfte,
zunächst fünf Bataillone und zehn Batterien, als Armeereserve bei Horo-
denka zusammen. Er plante, sich dem Vorgehen der Südarmee, sobald
sie die Gnila Lipa überschritt, durch einen wuchtigen Vorstoß von Horo-
denka nach Norden anzuschließen, und hoffte, dadurch dem Feinde auch
ein Halten hinter der Zlota Lipa unmöglich zu machen. Doch es sollte
noch mehr als zwei Wochen dauern, bis er den Versuch wagen konnte,
seinen Plan in die Tat umzusetzen.
Das Problem des Flankenschutzes gegen Osten
573
Der Vorstoß an die Ziota Lipa und über
Krasnik und Zamosc
(28. Juni bis 13. Juli)
Hiezu Beilagen 29 und 30
Die Absichten der Heerführer zu Ende Juni
Die Entwicklung, die die Kriegslage im Osten in der letzten Juni-
woche genommen hatte, der Vorstoß Mackensens über Tomassow und der
Rückzug der Russen hinter die Gnila Lipa, hatte die Generalstabschefs
der Verbündeten, wie sich unter anderem in der am 27. Juni in Teschen
abgehaltenen Besprechung erwies, in der Verfolgung des um den 20.
aufgestellten Feldzugsplanes (S. 497) noch bestärkt: die 4. und die
11. Armee sollten unter dem Oberbefehle des GFM. Mackensen den
Nordstoß zwischen Bug und Weichsel fortführen.
Bei den Beratungen über das Einzelne der Ausführung zeigten sich
wieder die Schwierigkeiten, die sich aus der Gestaltung des Kriegstheaters,
ergaben und die schon das Jahr zuvor, beim öst.-ung. Einleitungsfeldzug,
mannigfach zur Geltung gekommen waren. Neben der Pflicht zur steten
Nährung des Hauptangriffes durch frische Truppen war es wieder
ganz besonders das Problem des Flankenschutzes, das die beiden Gene-
ralstabschefs sowohl am 28. Juni beschäftigte, als auch später immer
wieder beschäftigen sollte. Falkenhayn schlug von Anbeginn eine stehende
Flankensicherung durch die 7. und die Südarmee vor, wobei die zweit-
genannte möglichst weit nach Norden zu dehnen war, damit womöglich
auch die 2. Armee für den Hauptstoß herangezogen werden konnte.
Conrad stimmte dem nicht zu. Mochten die Erfahrungen der August-
schlachten von 1914 auch nicht gerade dafür sprechen, so schwebte dem
k. u. k. Generalstabschef doch eine bewegliche Flankensicherung durch
eine der 11. Armee in der Staffel rechts nachfolgende Kampfgruppe
mit einer ähnlichen Aufgabe vor, wie sie bei Kriegsbeginn der Armee
Brudermann oder gegebenenfalls den Korps Böhm-Ermollis zugedacht war.
Eine endgültige Entscheidung brauchte vorläufig noch nicht ge-
troffen werden. Zunächst war es dringend geboten, dem Nordstoß
größere Schulterfreiheit zu schaffen, indem man den Flankenschutz
mehr gegen Osten vorschob. Dadurch, daß man den Armeen Linsingen
und Böhm-Ermolli gleichzeitig eine nordöstliche Vorrückungsrichtung
zuwies, trug man unter einem dem Vordringen Mackensens gegen Norden
574
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Rechnung. Überdies sollte die Ansammlung von Reserven hinter dem
linken Flügel der 2. Armee eine weitere Verlängerung des Flanken-
schutzes gegen Norden hin vorbereiten. Schließlich war zu erhoffen, daß
es der 1. Armee im Verein mit dem rechten Flügel der Armeeabteilung
Woyrsch in den nächsten Tagen gelingen werde, den Feind beiderseits
der unteren Kamienna an die Weichsel zurückzudrücken. Kam es dazu,
dann war die Masse der 1. Armee westlich der Weichsel überflüssig und
konnte nach Ostgalizien geworfen werden, wo sie sowohl zur Nährung
des Hauptangriffes wie auch zur Verlängerung des Flankenschutzes zur
Hand war.
Auf Grund dieser Erwägungen wurden am 28. abends die ein vernehm-
lich abgefaßten „Direktiven für Fortführung der Operationen" ausgegeben:
„GFM. V.Mackensen mit 11. und 4.Armee greift rechts der Weichsel
zwischen Weichsel und Bug nach Nord an. — 2. Armee folgt dem nordost-
wärts weichenden Feind vorerst bis Kamionka-Strumilowa (einschl.)—Busk
und an die Zlota Lipa bis Dunajów (einschl.). Starke Reserven am 'Nord-
flügel zur Sicherung der Bugstrecke bis zur Ratamündung. An diesen Flügel
werden demnächst weitere Kräfte herangeführt, um eine Armee zu bilden,
welche, über Sokal und Radziechów vorgehend, bereit ist, je nach Bedarf
nach links oder nach rechts einzugreifen. — Südarmee dringt über die Gnila
Lipa vorerst an die Zlota Lipa abwärts Dunajów vor. — 7. Armee sichert
— wie bisher — die rechte Flanke der Armeen und den verläßlichen Be-
sitz von Czernowitz. — 1. Armee durchstößt in Richtung Tarlów die russi-
sche Aufstellung südlich der Kamienna. Sie ist sodann für den Abtrans-
port über Lemberg bestimmt, was ehestens erwünscht ist, während die
Armeeabteilung Woyrsch die Front von der Pilica bis zur Weichsel zu
übernehmen hat, jedes Abziehen russischer Kräfte aus dieser Front zum
Angriff ausnützen und dem etwa zurückgehenden Feind an die Weichsel
folgen wird."
Um die Heeresgruppe Mackensen möglichst stoßkräftig zu erhalten,
erwirkte GO. Conrad in Pleß die Belassung des zum Abrollen bestimmt
gewesenen XXXXI. RKorps bei der 11. Armee.
Ungefähr zur selben Zeit, zu der in Teschen und Pleß die Maß-
nahmen zur Fortführung der Offensive beschlossen wurden, hatten auch
die hohen russischen Befehlsstellen Entschlüsse von großer Tragweite zu
fassen gehabt.
An der Südwestfront hatte Gen. Iwanow nach dem unglücklichen
Ausgange der Schlacht bei Bukaczowce—Bóbrka vom 27. früh an die
Mitte und den linken Flügel der 8. Armee, die ganze 11. und das rechte
Die russischen Führerentschlüsse
575
Flügelkorps der 9. Armee hinter den Bug südlich der Ratamündung und
hinter die GnilaLipa zurückführen müssen (S. 569). Die erlangbare russi-
sche Kriegsliteratur läßt nicht erkennen, ob schon hier oder erst hinter
der Zlota Lipa nachhaltiger Widerstand geplant war. Jedenfalls empfand
Iwanow eine starke Bedrohung seines rechten Flügels und veranlaßte
deshalb die 8. Armee, das XXI. Korps als Reserve des Südwestfront-
kmdos. nach Dubno zu verschieben. Außerdem sah sich der zwischen
Dniester und Pruth befindliche linke Flügel Letschitzkis wegen bei Czer-
nowitz festgestellter Verstärkungen des Gegners zur Einstellung seiner
Angriffe genötigt.
In dem nunmehr durch die 3. Armee und die Gruppe Olochow ver-
größerten Befehlsbereiche der Nordwestfront hatten die zwischen der
Ostsee und der Pilica stehenden Armeen ihre Stellungen zunächst noch
zu behaupten. Gen. Alexejew ließ aber schon am Narew Stellungen bauen,
um, wenn nötig, die 12. und die 1. Armee in diese kürzere und kräfte-
sparende Front zurückführen zu können. Denn er sah voraus, daß seiner
Südflanke, der 3. Armee und der Gruppe Olochow, neue Gefahren drohen
dürften, zu deren Abwendung er Reserven benötigen werde. Deshalb be-
fahl er bereits jetzt den beiden vorgenannten Armeen, das Garde- und
das II. sib. Korps aus der Front zu ziehen und zu seiner Verfügung nach
Ostrów (südlich von Lomza) zu verschieben. Die vor Warschau stehende
2. Armee sollte den Rückzug in die Blonie-Grójecstellung vorbereiten,
um nach dessen Durchführung gleichfalls zwei Korps abgeben zu können.
Als Besatzung von Nowogeorgiewsk wurde das XXVII. Korps bestimmt.
Die 4. Armee, deren linker Flügel in die Linie Il£a—Zawichost zurück-
geschwenkt war, hatte das XXXI. Korps als Reserve in den Raum Opole—
Kazimierz zu nehmen (S. 566).
In diesen Tagen, am 26. Juni, verfaßte Gen. Alexejew aber auch eine
Studie, die sich mit den Gefahren einer Fortsetzung deutscher Angriffe
in Kurland befaßte. Zur Abwehr hielt Alexejew eine Armee von sechs
bis sieben Korps nötig, wobei die Gruppe Olochow den Grundstock dieser
neuen Heeresmacht zu bilden gehabt hätte1).
Schließlich wies Alexejew, der die Hauptlast der Führung an sich
gerissen hatte, noch die Militäreisenbahnbehörden zur Bereithaltung aus-
reichender Züge für die Verschiebung der Heeresreserven an.
So lasteten düstere Sorgen auf dem Hauptquartier Alexejews zu Sied-
lec. Die bangen Fragen waren: wo wird der nächste Ansturm der Ver-
bündeten erfolgen ? Werden Zeit und Kräfte ausreichen, um ihn zu parieren ?
i) Zajontschkowskij, Der Bewegungskrieg 1914 und 1915, 317 ff., 404 ff.
576
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Die Preisgabe der San-Tanewlinie durch die Russen
(29. und 30. Juni) t
Durch das scharfe Nachdrängen der deutschen 11. und des rechten
Flügels der k. u. k. 4. Armee wurde die Aufstellung der Russen am Tanew
überflügelt. Für ihre 3. Armee gab es daher in der Flußstellung mit der
Sumpf zone im Rücken kein Halten mehr. In der Nacht zum 29. trat
sie den sorgfältig vorbereiteten Rückzug auf die das Tanewgebiet im
Norden und Nordosten umsäumenden Höhen an.
Als die Truppen Joseph Ferdinands am 29. früh des Abzuges der
Russen gewahr wurden, setzten sie im Sinne der bereits ergangenen, sehr
eingehenden Weisungen des Armeekmdos. zur Verfolgung an und durch-
schritten auf denselben Wegen, auf denen zehn Monate vorher die Armee
Dankl den Anmarsch zur Schlacht bei Krasnik vollführt hatte, in einem
nur durch kurze Rasten unterbrochenen Tag- und Nachtmarsche das.
breite waldige Sumpfgelände. Am 30. früh vermochte die 4. Armee den
Höhenrand zu ersteigen, ohne in diesem zur Verteidigung hervorragend
geeigneten, die Ausgänge der Tanewregion beherrschenden Abschnitt auf
ernsten Widerstand zu stoßen. Die Auffassung des 4. Armeekmdos., daß
die Hauptkraft der russischen 3. Armee im Rückzüge nach Lublin sei,
schien sich zu bewahrheiten. Schwache feindliche Nachhuten waren bald
vertrieben. Am 30. abends erreichten die vorderen Divisionen des VIII.y
des X., des IX. und des XVII. Korps die Linie Swieciechów—Stany—Pi-
latka—Goraj—Gorajec. Das XIV. Korps war hinter dem rechten Armee-
flügel nach Bilgoraj gefolgt. Aufklärungsabteilungen der 4. Armee stellten
nun fest, daß die vor mehreren Tagen von Fliegern auf dem Nordufer
der Wyznica und des Por erkannten russischen Verschanzungen sowie
südlich davon befindliche Vorstellungen besetzt waren. Weiters ergab die
Luftaufklärung östlich von Józefów und Solee große Truppenlager, in
denen die Heeresleitung zutreffend das vom westlichen Weichselufer
herübergezogene XXXI. Korps vermutete (S. 566).
Bei der 11. Armee verfolgten am 29. die vier linken Korps die
Russen in raumgreifendem Marsche zumeist kampflos bis in die Linie
Obrocz—Lipsko—Labunie—Tyszowce—Telatyn. Das Korps Kneußl hatte
sich den Weg zur Vorrückung noch in der Nacht auf den 29. durch Zu-
rückwerfen der bei Kuliczków und Sielec zähe haltenden Russen ge-
öffnet; es stand am Abend dieses Tages kämpfend vor den Solokija-
übergängen bei Beiz und Waniów. Das Beskidenkorps war mit der Masse
auf den stark ausgebauten Brückenkopf bei Dobrotwór gestoßen, den zu
Verlegen des Schwergewichts auf die 4. Armee
577
räumen die Russen nicht gesonnen waren. Gegenüber den inneren Flügeln
der Korps v. der Marwitz und Kneußl gab der rechte Flügel Brussilows
das westliche Bugufer frei. Vor der Nordfront der 11. Armee zeichneten
sich russische Stellungen auf dem Nordufer des unteren Por ab, die!
den Mündungswinkel der Wolica gegen Grabowiec überquerten und sich
weiterhin über die Huczwa als Brückenkopf von Hrubieszów bis an den
Bug bei Krylow hinzogen.
Mit dem Vordringen der Heeresgruppe Mackensen gegen Norden
wurde der Flankenschutz nach Osten von Tag zu Tag zu einer schwie-
rigeren Frage. Hatten bisnun die Korps v. der Marwitz und Kneußl
diesem Zwecke gedient, so mußte das zweitgenannte schon durch die
107. ID. der Armeereserve verstärkt werden. Der Zeitpunkt mochte nicht
mehr ferne sein, da die Masse der 11. Armee den Ostschutz der Heeres-
gruppe zu besorgen hatte, indes für den Nordstoß nur mehr die Truppen
ihres linken Flügels zur Hand waren. Der am 30. abends der 11. Armee
erteilte Befehl des Generalfeldmarschalls kennzeichnete klar die Lage:
„Die 11. Armee setzt am 1. Juli mit dem XXII. RKorps und dem Korps
Emmich noch weiter den Stoß in nördlicher Richtung fort, während der
rechte Flügel zunächst verhält, bis die 2. Armee in der Lage ist, Teile
des Beskidenkorps freizumachen, was voraussichtlich in der Nacht vom
3. zum 4. Juli geschehen wird. Die 4. Armee stößt weitergegenNorden vor."
Somit standen von den sechs in der Front befindlichen Korps nur
mehr zwei für die Fortsetzung der Offensive zur Verfügung; die An-
griffskraft der Armee drohte zu erlahmen. Lediglich das als Armeere-
serve bis Dobrosin und Rzyczki gelangte XXXXI. RKorps hatte Mackensen
noch zur Hand, um dem Angriffsflügel neue Schwungkraft zu verleihen.
Naturgemäß ging dadurch die Last des Nordstoßes auf die 4. Armee
über. So wie zu Beginn der nach Norden gerichteten Offensive die 11. Ar-
mee der 4. den Weg nach Norden aufgeriegelt hatte, so lag es jetzt an
dieser, sowohl das Vorwärtskommen der 11. Armee zu erleichtern als
auch die russische Aufstellung westlich der Weichsel aus den Angeln
zu heben. Hiezu erließ GFM. Mackensen am 30. Juni an die 4. Armee
folgenden Befehl: „Aufgabe der Armee ist es, durch schnelles Vorgehen
mit dem linken Flügel an der Weichsel, mit dem rechten auf Lublin die
feindlichen Stellungen auf dem linken Weichselufer weiter unhaltbar zu
machen und den vor der Front befindlichen Gegner möglichst nach
Norden zu werfen. Der linke Flügel der 11. Armee schließt sich diesem
Vorgehen an, während der rechte gegen den Bug so lange zurückge-
staffelt bleibt, bis der Einsatz neuer Kräfte die rechte Armeeflanke deckt."
II 37
578
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Der starke Druck der deutschen 11. Armee auf die Gruppe Olochow
ließ Gen. Alexejew das Eintreffen deutscher Verstärkungen annehmen.
Dies bewog ihn jetzt, umfassende Maßnahmen zur Festigung seines zwi-
schen Weichsel und Bug befindlichen Südflügels zu treffen. Ewerts 4. Ar-
mee erhielt am 29. den Befehl, „die Übergänge bei Annopol zu zerstören
und den linken Flügel in den Brückenkopf bei Józefów zu verlegen". Die
3. Russenarmee, die an diesem Tage im Rückzug die Tanewregion durch-
schritt, hatte „ihre Mitte und den linken Flügel auf die Stellungen Ur-
zçdow—Krasnik—Szczebrzeszyn zu stützen". Da andrerseits der rechte
Flügel der Gruppe Olochow sich bei Grabowiec festsetzen sollte, mußte
bei Durchführung dieser Befehle eine Lücke zwischen beiden Heeres-
teilen entstehen, die bis zum Eintreffen von Reserven durch eine ver-
stärkte Reiterdivision gesperrt werden sollte. Die sich drängenden Ereig-
nisse ließen es freilich nicht dazukommen. Zwischen dem linken Flügel
Olochows, der bis Krylow zurückgegangen war, und dem rechten Flügel
Brussilows bei Sokal war auch eine sogar SO km breite Lücke aufge-
sprungen, die aus Mangel an sofort verfügbarer Infanterie gleichfalls
nur durch Reiterei beobachtet werden konnte. Hier bestand die Möglich-
keit eines gegnerischen Durchbruches in der Richtung auf Wladimir-
Wolynski. Um diese Gefahr zu bannen, sollten sich das XXXI. Korps,
das südöstlich von Iwangorod auf die Bahn gesetzt wurde, und die von
der 12. Armee abzugebende Garde an der Bugstrecke Hrubieszów—Sokal
entwickeln. Zur Verfügung des Großfürst-Generalissimus wurden von
der Reserve der Stawka das II. sib. Korps nach Rejowiec (15 km süd-
westlich von Cholm), die 13. KD. hinter die 4. Armee beordert1).
Da der russische Nachrichtendienst mittlerweile von den 22 in Ga-
lizien angenommenen deutschen Divisionen im Räume Beiz—Tomaszów
allein ihrer elf bis zwölf festgestellt hatte, sah sich die russische Führung
am 30. veranlaßt, bei Brest-Litowsk eine große Reserve zu bilden, die
aus dem VI. sib. Korps der 2., dann aus je einer Infanteriedivision der
5. und der 10. Armee bestehen sollte2).
Dergestalt gerüstet, hoffte die russische Heeresleitung in der die
wichtige Bahn Iwangorod—Lublin—Cholm deckenden Linie Józefów—
Hrubieszów, dann am Bug, an der Gnila Lipa und am Dniester dem An-
sturm der Verbündeten im Sinne der vor der Räumung von Lemberg
gefaßten grundlegenden Beschlüsse (S. 496) widerstehen zu können.
!) Zajontschkowskij, Der Bewegungskrieg 1914 und 1915, 323.
2) Nesnamow, IV, 69.
Kämpfe der 2. Armee am 29. Juni
579
Die Schlacht an der Gnila Lipa
Hiezu Beilagen 29 und 30
Während sich die Heeresgruppe Mackensen, ähnlich wie der linke
öst.-ung. Heeresflügel im August 1914, zum weiteren Vorstoße zwischen
dem Bug und der Weichsel anschickte, sollten die Armeen Böhm-Ermolli
und Linsingen, rechts durch den vorgeschobenen Flankenschutz der T.Ar-
mee gesichert, dem Hauptangriffe größere Schulterfreiheit gegen Osten
hin gewinnen.
Am 29. stand die k. u. k. 2. Armee schon allseits in den am 28. abends
erreichten Räumen in heftige Kämpfe verwickelt, als knapp vor Mittag
das Armeekmdo. seinen fünf Korpsgruppen die nach Nordosten weisen-
den, bis an die Linie Dunajów—Kamionka-Strumilowa reichenden An-
griff sstreifen bekanntgab. Die 51. und die 40. HID. sowie die 7. ID. und
die 4. KD. samt der 1. LstHusBrig. sollten aus der Front genommen
werden; von ihnen hatten die 40. HID., die 7. ID. und die 4. KD., zur
neuen Gruppe Szurmay zusammengezogen, im Sinne des Heeresbefehls
vom 28. (S. 574) möglichst bald den Frontabschnitt bis zur Rata zu über-
nehmen, in welchem sich noch die Masse des Beskidenkorps der 11. Ar-
mee befand.
GFM. Mackensen legte im Hinblick auf die wachsende Ausdehnung
seiner Armeefront und das Schwinden ihrer Kampfstände auf diese Ab-
lösung besonderes Gewicht; die südliche Hälfte des Abschnittes sollte
bis zum 29., die bis zur Ratamündung reichende nördliche Hälfte bis zum
30. abends freigemacht sein. Böhm-Ermolli, der im Augenblick bei scharfer
Anspannung der Front durch das dort entbrannte Ringen nur über zwei
Brigaden als Reserve verfügte, bezweifelte jedoch, diese Umgruppierung
vor dem 3. Juli ausführen zu können, an welchem Tage er die Linie Busk—
ZlotaLipa gewonnen zu habenhoffte. Die Ereignisse sollten ihm Recht geben.
Im Laufe des 29. Juni gelanges dem V. Korps noch, mit der 51. HID.
und der 14. ID. bei Firlejów, Brzuchowice und Wolków den Fuß auf das
östliche Ufer der Gnila Lipa zu setzen, wo die Angreifer jedoch auf
den entschlossenen Widerstand der inneren Flügel des XVIII. und des
VI. Russenkorps stießen. Die 33. ID. führte bei Przemyslany ein stehen-
des Feuergefecht.
Beim XVIII. Korps verbissen sich die 9. ID. und Teile der 1. Lst-
IBrig. zunächst ergebnislos in die Stellungen auf der Ciemnahöhe A386
südwestlich von tahodów, die von einer Reservedivision des VI. Russen-
37*
580
Der Feldzug von Brest-Litowsk
korps zäh gehalten wurde. Die 128.HIBrig. und der Rest der l.Lst-
IBrig. lagen hinter den Flügeln als Reserve.
Das XIX. Korps litt schwer unter dem Flankenfeuer der wieder
über genug Schießbedarf verfügenden Batterien auf der Ciemna. Die
34. ID. hatte, wenn diese Höhe vom Nachbarkorps genommen war, beider-
seits der nach Zloczów führenden Straße vorzubrechen, der 29. aber
sollte der Weg in die feindlichen Verschanzungen durch schweres Mörser-
feuer gebahnt werden. Tagsüber waren zahlreiche Gegenstöße des Fein-
des abzuwehren.
Beim IV. Korps gedachte die 43.SchD. im Einklang mit der 29. ID.
vorzugehen, indes der 32. ID. zwei aus eigenem Antrieb unternommene
Stürme gegen das VII. Russenkorps mißlangen. Weiter nördlich er-
wehrte sich die 27. ID. mehrfacher russischer Vorstöße, während die
Gruppe Berndt, durch Abteilungen der in weit gestreckter Front fech-
tenden 13. SchD. der Gruppe FML. Kreysa unterstützt, nach wie vor
ihre Linien mit außerordentlich schütterer Besetzung sichern mußte. Die
31. ID. wechselte bei Tadanie und Kamionka-Strumilowa mit dem jen-
seits vom Bug stehenden Feinde nur vereinzelte Schüsse, die halbe 7. ID.,
die sich in diesem Kampfraum befand, blieb im zweiten Treffen.
Am 30. Juni setzte die Armee ihren Angriff fort. Beim V. Korps be-
stand die Absicht, mit der 51. HID. und der 14. ID. die russischen Linien
zu durchbrechen und dann den vor der 33. ID. stehenden Feind von Süden
her aufzurollen. Die 14. ID. konnte mit allen Regimentern über die Gnila
Lipa setzen, und FML. Goglia wies um 10h vorm. sein Korps schon zur
weiteren Vorrückung an den Abschnitt Duna jó w—Wisniowczyk an. Da
kam der Angriff über den sumpfigen Talgrund allenthalben ins Stocken,
und es begann auch an Artilleriemunition zu mangeln. Als zudem abends
das Auftreten neuer Verstärkungen beim Feinde fühlbar wurde, stellte
das Korps den Angriff ein; nur Teilen der 51. HID. gelang es, noch in
der Nacht das Ostufer der Gnila Lipa zu gewinnen.
Weiter nördlich bildete wieder die Höhe Ciemna den Brennpunkt
der Ereignisse beim XVIII. und XIX. Korps. Da die Höhe den Angriffs-
raum des XIX. Korps gleich einem Glacis beherrschte, schlug FML.
Trollmann vor, die beiden Korps gemeinsam gegen sie anzusetzen. Das
Armeekmdo. f olgte dieser Anregung und übertrug dem GdK. Ziegler die
Leitung des mit den inneren Flügeln der Korps durchzuführenden An-
griffes. Um 6hl5 abends erstürmten die deutschösterreichischen Land-
sturmregimenter 1 und 2 und das tschechische IR. 102 die vorderen Linien
der tiefmaschigen Russenstellung, ohne jedoch völlig durchzudringen.
Zähes Ringen der Südarmee
581
Links davon erreichte die 34. ID. in der folgenden Nacht die knapp
nördlich von der Ciemna liegende Bildstockhöhe, mußte sie aber von
einem ungestüm einsetzenden Gegenstoß der Russen wieder preisgeben.
Beim IV. Korps und bei der Gruppe FML. Kreysa konnten lediglich
die durch die 79. HIBrig. verstärkte Gruppe GM. Berndtund die 13. SchD.
bei Dziedzilów ansehnliche Erfolge erzielen, stießen aber wieder auf neue
Russenstellungen. Der Führer des IV. Korps, FML. Schmidt-Georgenegg,
glaubte aus diesen örtlichen Fortschritten doch auf eine Lockerung der
feindlichen Front schließen zu dürfen. Das Armeekmdo. gewährte ihm
zu einem für den 3. Juli geplanten allgemeinen Angriff, der mit fünf
Infanteriedivisionen (43. SchD., 32. und 27. ID., 40. HID., 13. SchD.) und
der Gruppe Berndt durchgeführt werden sollte, die Unterstellung der
Gruppe Kreysa. Dieser Sturmblock sollte bis Busk und Krasne vorstoßen.
Verhältnismäßig zäh hatte sich an diesen zwei Schlachttagen auch
das Ringen bei der Südarmee gestaltet. Als diese am 28. Juni die untere
Gnila Lipa erreicht hatte, und abends schon einige Abteilungen jenseitis
des Baches sich einnisten konnten, wähnte Gdl. Linsingen nur mehr das
russische XXII. Korps vor sich zu haben, während er die feindlichen
Hauptkräfte in fortdauerndem Rückzüge nach Osten und Nordosten an-
nahm. Die durch mitgehörte Funksprüche bekanntgewordene Verlegung
des XI. und des XXX. Korpskmdos. der Russen nach Buczacz (S. 572)
bestärkte ihn in dieser Annahme. Er befahl daher seinen Korps, den
Angriff am 29. fortzuführen und plante, das X. RKorps und die 1. KD.
an den rechten Flügel nach Halicz zu schieben, offenbar, um von Süden
her einen verstärkten Druck ausüben zu können.
Der Widerstand, dem die am 29. Juni die Gnila Lipa überschreiten-
den deutschen und öst.-ung. Bataillone am Ostufer begegneten, war je-
doch stärker, als erwartet wurde, weshalb auch die Verschiebung des
X. RKorps unterblieb. Dieses und das Korps Bothmer vermochten sich
am 29. bis nahe an die zäh verteidigten Gräben des Feindes heranzu-
arbeiten. Vom Korps Gerok erzwang sich die k. u. k. 19. ID. bei Bursztyn
den Übertritt auf das Ostufer, während sich die Brigade Bolzano und
die 55. ID. des Korps Hofmann am Bahndamm nördlich von Halicz zum
Angriff über die Gnila Lipa, die deutsche 5. KD. bei Mariampol zum
Dniester Übergang bereitstellten.
Nach einer Nacht, die vielfach mit der Abwehr russischer Gegenstöße
ausgefüllt war, nahm der heiße Kampf am 30. seinen Fortgang. Die
55. ID. überschritt die Gnila Lipa knapp nördlich der Mündung und
nahm trotz der heftigen Gegenwehr des russischen XI. Korps bis zum
582
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Abend die Linie des ehemaligen Brückenkopfes von Halicz in Besitz,
indes Bolzano sich an Bolszowce heranarbeitete. Die 5. KD. unterließ
wegen starken Russenfeuers den Übergangsversuch. Die zwei Divisionen
Geroks waren mit der Infanterie zur Gänze auf das Ostufer gelangt und
planten am nächsten Morgen, die feindlichen Stellungen zu stürmen, was
das Korps Kosch schon am 30. nachmittags mit Erfolg besorgt hatte. Des-
gleichen befanden sich der rechte Flügel und die Mitte des Korps Bothmer
in fortschreitendem Angriff knapp östlich und nördlich von Rohatyn.
Am 1. Juli konnte bei der 2. Armee nur die bei Lahodów fechtende
Angriffsgruppe des GdK. Ziegler einen Erfolg erzielen. Nachdem sie
den ganzen Tag über ohne nennenswerten Raumgewinn gekämpft hatte,
warfen in der darauf folgenden Nacht die 128. HIBrig. und das südböhmi-
sche IR. 11 den Feind von den Höhen östlich des ebengenannten Ortes.
Der Südflügel der 51. HID. hatte sich unterdessen in die Abwehr-
kämpfe verstrickt gesehen, die der linke Flügel und die Mitte Linsin-
gens vormittags zwischen Bursztyn und Firlejów wider einen heftigen
Gegenangriff der Mitte und des Südflügels der 11. Russenarmee auszu-
fechten hatte. Der russische Ansturm hatte nur im nördlichsten Abschnitt
Erfolg, indem er den linken Flügel der 38. HID. Bothmers wie vor allem
die 51. HID. hinter die Gniía Lipa zurückdrängte. Übertriebene Nach-
richten über das Schicksal der zweitgenannten Division veranlaßten den
um seinen Nordflügel besorgten Führer der Südarmee zu einem Alarm-
ruf an die k. u. k. Heeresleitung. Diese legte der 2. Armee nahe, wenn
nötig, bis zum Einlangen der 1. Armee hinter dem rechten Flügel Macken-
sens in den erreichten Stellungen zu verharren. Im Hinblick auf die Er-
mattung der Truppe, die in den letzten vier Tagen wieder 10.000 Mann
an Verlusten zu beklagen hatte, und auf den neuerlich sehr fühlbar ge-
wordenen Munitionsmangel zögerte GdK. Böhm-Ermolli nicht, auf die
Anregung der Heeresleitung einzugehen. Er befahl am 1. Juli abends den
Korps, in der von ihnen für zweckmäßig gehaltenen Linie zu verbleiben,
worauf die inneren Flügel des XVIII. und des XIX. Korps aus taktischen
Gründen sogar den auf der Höhe Ciemna erkämpften Raumgewinn wieder
preisgaben. Eine Brigade des XIX. Korps, die 40. HID. und die 4. KD.
mit der 1. LstHusBrig. schied das Armeekmdo. als seine Reserve aus.
Inzwischen hatte sich das Schicksal der Schlacht an der unteren
Gnila Lipa gewandt. Das von der Flugaufklärung gebotene Bild hatte
die Verbündeten schon zur Auffassung berechtigt, daß der Angriff der
11. Russenarmee vor allem den im Narajowkatale angesammelten Troß-
massen das Abfließen erleichtern sollte. Bald darauf gaben die ent-
Zwischenstellung der Russen an der Narajowka
583
scheidenden Erfolge, die die Korps Bothmer und Kosch sowie die k. u. k.
19. ID. Geroks in bis in die Dunkelheit währenden Angriffen durch
Vertreibung des Feindes aus der Linie A 356 (nordöstlich vonBursztyn)—
Puków—A 426 (4 km nordwestlich von Puków) errangen, den Ausschlag
für die weiteren Entschlüsse des Führers der russischen Südwestfront.
Die Abwehrfront an der Gnila Lipa war eingeschlagen; Iwanow hielt
es daher für geboten, die hier fechtenden Korps in die hinter der Zlota
Lipa gleichfalls vorbereiteten Stellungen zurückzuführen. In der Nacht
auf den 2. Juli traten das XI. Korps der 9. Russenarmee sowie das XXII.
und das XVIII. Korps der Armee Schtscherbatschew den Rückzug an.
Die Verfolgung an die Zlota Li-pa
(2. bis 5. Juli)
Als die Südarmee am 2. Juli früh den vor allem durch den nächt-
lichen Erfolg Geroks erzwungenen Rückzug der Russen gewahrte,
heftete sie sich dem weichenden Feinde ungesäumt an die Fersen. GdL
Linsingen zog auch die bisher als Flußsicherung abwärts von Jezupol
ausgeschiedene deutsche 5. KD. über den Dniester an seinen rechten
Flügel. Dort sollte außerdem das aus der Front genommene X. RKorps,
GLt. Kosch, eingesetzt werden, womit gleichzeitig zu hoffen war, daß
sich auch der linke Flügel Pflanzers dem Vormarsch anschließen könne.
Unterdessen stellte sich der Russe schon am ersten Verfolgungstage
neuerlich in der Linie Horo£anka—Hnilcze—Lipnica Görna und weiter
aufwärts hinter der Narajowka, wo er sich über den ganzen 3. hielt.
Im Bereiche der 2. Armee hatte am 2. früh der Feind nur gegenüber
der 51. HID. seine Stellungen verlassen. Dennoch glaubte der Führer
des V. Korps, FML. Goglia, den Augenblick für gekommen, nunmehr
sein ganzes Korps möglichst bald auf die Höhen östlich der Gnila Lipa
vorführen zu können, um von dort aus den vor der Armeemitte noch
ausharrenden Feind aufzurollen. Das Armeekmdo. stimmte diesem Ent-
schluß zu, indem es in der elften Vormittagsstunde gleichzeitig auch die
anderen Korps anwies, wieder zum Angriff überzugehen, „sobald es die
Verhältnisse nur halbwegs gestatten". Als Vormarschziel wurde die Linie
Dunajów—Gologóry—Busk—Kamionka-S tramilo wa angegeben. Der Feind
zeigte jedoch weder an diesem Tage noch am 3. Miene, dem Beispiel
seiner südlichen Nachbarn zu folgen. Auch das V. Korps kam in den
Kämpfen um die Höhe Koleso nur langsam vorwärts, obgleich es aus dem
Drucke, den die Südarmee ausübte, Gewinn zu ziehen vermochte; es
584
Der Feldzug von Brest-Litowsk
konnte aber nicht hindern, daß sich die Russen im Laufe des 3. auf die
am Nordflügel Linsingens vorgehende 75. Brigade der 38. HID. stürzten
und sie auf die Höhen südwestlich von Narajów zurücktrieben.
Keine geringe Sorge bereitete dem 2. Armeekmdo. in diesen Tagen
immer wieder die Ablösung der zwischen Kamionka-Strumilowa und der
Rata stehenden Teile des Beskidenkorps. Die ersten Verfügungen zur
Übernahme durch das verstärkte Korps Szurmay (7. ID., 40. HID., 4.KD.)
wurden am 2. zu Mittag erlassen. Am Abend dieses Tages kam als Ant-
wort auf verschiedene Vorstellungen des Armeekmdos. aus Teschen die
bestimmte Anweisung, daß das Hauptgewicht auf die Fortführung des
Angriffes zwischen Bug und Weichsel gelegt werden müsse, wofür Kräfte
der jetzt mit 150.000 Feuergewehren auf 170 km ausgedehnten 11. Armee
freizumachen seien. „Um dies zu ermöglichen, ohne das Halten der Ost-
front bei 2. Armee zu gefährden, werden drei Infanteriedivisionen der
1. Armee herangeführt, deren Tetedivision (46. SchD.) ab 4. Juli vor-
mittags Lemberg erreicht." Angesichts dieser Verstärkungen sehe die
Heeresleitung „keine Gefahr darin, daß die 2. Armee durch Strecken
ihrer Front vorübergehend die Kräfte des Beskidenkorps" freimache.
In einem am 3. Juli nachmittags eintreffenden Befehle wurde die
ausschlaggebende Bedeutung des Nordstoßes aufs neue hervorgehoben;
für eine gleichzeitige weiterreichende Offensive in Ostgalizien stünden
daher vorläufig keine entsprechenden Kräfte zur Verfügung. Die Süd-
armee habe sich mit dem Erreichen der Zlota Lipa zu begnügen, dafür
aber ihren Nordflügel zur Entlastung der 2. Armee bis an die Linie
Wolków—Ciemierzynce zu strecken. Im Anschluß daran habe sich die
Armee Böhm-Ermolli bis Kamionka-Strumilowa auszudehnen, indes das
Korps Szurmay nach dem Einrücken in den Kampfraum des Beskiden-
korps unter das Kommando der 1. Armee treten werde. Die zwischen
der Rata und Sokal stehenden Teile des Beskidenkorps seien durch die
46. SchD. abzulösen. Hinter der Bugstrecke Kamionka-Strumilowa—Sokal
habe sich auch der weitere Aufmarsch der 1. Armee im Sinne des Heeres-
befehles vom 28. Juni (S. 574) zu vollziehen. Bei den drei Armeen des
rechten Heeresflügels waren die nächsten Tage zum Ordnen der Ver-
bände, Heranziehen der Ergänzungen und der Munition auszunützen,
um für eine Offensive in Ostgalizien gerüstet zu sein, sobald die Heeres-
leitung den Zeitpunkt hiefür für gekommen erachtete. Die 7. Armee
erhielt auf eine Anregung ihres tatfreudigen Armeeführers hin den Son-
derbefehl, sich für einen östlich der Strypa gegen Norden gerichteten
Stoß bereitzustellen. Hiebei sollte in die russische Dniesterfront eine
Neue Weisungen der k. u. k. Heeresleitung
585
Bresche geschlagen werden, durch die die Heeresreiterei Pflanzer-Baltins
zu einer weitreichenden Unternehmung vorbrechen konnte. Zur Ver-
stärkung dieses Reitergeschwaders wurde der 7. Armee schon jetzt die
k. u. k. 3. KD. zugeführt, die bisnun nördlich der unteren Weichsel in
der deutschen Armee Gallwitz gestanden hatte.
Als dann am 3. Juli abends die Nachricht einlangte, daß die 11. Ar-
mee ihren bereits begonnenen Angriff (S. 577) bis zum Einlangen der 1.
einstellen werde, versuchte GdK. Böhm-Ermolli noch einmal, für die Ab-
lösung des Beskidenkorps durch Szurmay eine Fristerstreckung zu er-
reichen. Eine solche war einerseits erwünscht wegen der bis an die 50 km
betragenden Marschleistungen, die den Truppen Szurmays beim Ein-
rücken in die Stellungen des Beskidenkorps zugemutet werden mußten,
andrerseits wegen der sonstigen Umgruppierungen, die im Armeebereich
notwendig wurden, und deren Ausführung gerade in der ungeklärten Lage
des Augenblicks mannigfache Bedenken erwecken mußte. So hatte sich
das XIX. Korps bis an den Peltew zu strecken, um das geschwächte IV.
einigermaßen zu entlasten. Schließlich blieb es aber doch dabei, daß
Szurmay schon im Laufe des 5. die ganze Front Kamionka-Strumilowa—-
Sielec—Krystynopol übernehmen mußte.
Inzwischen hatte sich jedoch auch die Lage der 2. Armee nicht un-
wesentlich geändert. Der Anstoß war wieder von der unter günstigeren
Verhältnissen fechtenden Südarmee gekommen. Hier war das XXIV.
RKorps in der Nacht auf den 4. bis auf die Höhen westlich der Zlota
Lipa vorgedrungen. In denselben Stunden erstürmte nach schwierigem
Artillerieaufmarsch das Korps Hofmann den Ort Hnilcze. In Verfolgung
des geworfenen Feindes erreichten gegen Mittag die 55. ID. bei Zawalów,
die Brigade Bolzano unweit von Rudniki die Zlota Lipa. Noch weiter
nördlich drang das Korps Bothmer, verstärkt durch die 1. KD., gegen
diesen Fluß vor, indes FML. Goglia bemüht war, an seinem rechten
Flügel zur Sicherung des Zusammenhanges der beiden Armeen Reserven
anzusammeln. Am Südflügel Linsingens bekam es die 5. KD. bei Tousto-
baby noch mit russischen Nachhuten zu tun, die erst zwei Tage später
das westliche Ufer der Zlota Lipa preisgeben sollten. Dagegen hatte eine
vom GdK. Pflanzer vorgetriebene, drei Bataillone und drei Batterien
zählende Flügelgruppe unter Obst. Hauser (IR. 13) die Russen schon am
4. östlich von Uscie Zielone hinter den Bach zurückgedrückt.
Die am 3. Juli von der Südarmee erfochtenenErfolge nötigten Iwanow,
auch die noch gegen Westen ausgebuchteten inneren Flügel der 11. und
der 8. Armee auf die kürzere, von Umfassungen nicht so bedrohte Linie
586
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Kami onka-Strumilowa—Duna jó w zurückzunehmen. Stellenweise wurde
dieser Rückzug schon am4.um2h früh von den Truppen Böhm-Ermollis
wahrgenommen. Sie setzten unverzüglich zur Verfolgung an, die nach
den Weisungen des Armeelandos. noch am gleichen Tage bis an die eben
bei den Entschlüssen Iwanows genannte Linie vorzutragen war. In der
Tat erreichte das V. Korps, während die 51. HID. westlich von Dunajów
noch etwas zurückhing, mit der 14. und der 33. ID. zwischen Ciemierzynce
und Wisniowczyk die Bachlinie, und das XVIII. Korps setzte sich nörd-
lich vom V. bis Trçdowacz, das XIX. dann weiter bis Bortków fest.
Schwieriger gestaltete sich das Vorgehen des IV. Korps und der Gruppe
FML. Kreysa, deren Kommando der von der 7. Armee samt einem
Korpsstab überstellte FML. Czibulka am 5. zu übernehmen hatte. Berei-
tete ihnen der Russe schon im Waldgebiet, das sie zu durchschreiten
hatten, manchen Aufenthalt, so sahen sie sich nach dem Einlangen am
Bug noch wohlausgebauten Brückenköpfen bei Busk, bei Derewlanyund
bei Spas gegenüber.
Während Linsingen zur Annahme hinneigte, die Russen dächten
nicht an eine ernste Behauptung der Zlota Lipastellungen, bestand im
Hauptquartier Böhm-Ermollis die entgegengesetzte Ansicht. Die Heeres-
leitung trug in einem am 4. abends erlassenen Befehl der Auffassung
Linsingens insofern Rechnung, als sie anordnete, daß den Russen für
den Fall ihres weiteren Rückzuges nur bis an die Strypa und die Linie
Zborów—Zloczów—Busk zu folgen sei. Damit hatte sich fürs erste gegen-
über den durch Conrad vertretenen Manövrierplänen der von Falken-
hayn verfochtene Gedanke einer stehenden Flankendeckung durchgesetzt.
Wie sehr dabei der k. u. k. Heeresleitung die zuverlässige Fortführung
des Hauptangriffes am Herzen lag, bewies sie durch die im Einverneh-
men mit Pleß getroffene, auch für einen etwaigen Vorstoß an die Strypa
geltende Verfügung, daß die 2. Armee ungesäumt die 13.SchD. zur
Verstärkung der 1. Armee und die Südarmee ein Korps zu zwei Divi-
sionen zur Abgabe an die 11. Armee zur Verfügung zu stellen hätten.
Gdl. Linsingen bestimmte das um Rohatyn versammelte, bisher dem
südlichen Armeeflügel als Verstärkung zugedachte X. RKorps (S. 581)
zur Abgabe an die 11. Armee. Böhm-Ermolli ordnete durch einen in der
Nacht auf den 5. erlassenen Befehl eine Linksverschiebung aller Korps an.
Es hatten nun zu bilden: die 14. und die 33. ID. das V, Korps, die 9. ID*
und die 1. LstlBrig. das XVIII., die 34. und die 29. ID. das XIX., die
27. und die 32. ID. sowie die LstHusBrig. das IV., die 43. SchD. und die
31. ID. das Korps Czibulka. Die 51. HID., die durch den linken Flügel
Neugliederung der 2. Armee
587
Bothmers abgelöst wurde, kam als Armeereserve nach Lahodów. In ihr
ging einige Tage später die zu einem Häuflein zusammengeschmolzene
128. HIBrig. auf.
Die Ablösung der 13.SchD. durch die 43. stieß am 5. auf einige
Schwierigkeiten, da die niederösterreichischen und mährischen Schützen
zwischen Derewlany und Spas noch mit der Säuberung des linken Bug-
ufers befaßt waren. Ganz gelang dies auch in den nächsten Tagen weder
hier noch bei Busk. Böhm-Ermolli widmete der 13.SchD. bei ihrem Ab-
gehen zur 1. Armee warme Worte der Anerkennung für die hervor-
ragenden Leistungen, die sie seit dem Karpathenwinter im Rahmen der
2. Armee vollbracht hatte.
Die letzten Kämpfe der 1.Armee auf dem
linken Weichselufer
(29. Juni bis 2. Juli)
Am 28. Juni spät abends war beim FZM. Puhallo der Heeresbefehl
eingetroffen, der die 1. Armee zum Durchstoß über Tarlow anwies,
gleichzeitig aber das baldige Abrollen der Armee gegen Lemberg in Aus-
sicht stellte (S. 566). Schon in der darauf folgenden Nacht meldeten die
Truppen an der ganzen Front, daß der Feind seine Gräben geräumt
habe. In ungesäumt aufgenommener Verfolgung besetzten Teile des
I. Korps am 29. um 3h30 früh Zawichost. Auch vor der Division Bredow
war der Feind zurückgewichen.
Gegen Mittag jedoch stieß die 1. Armee auf den Höhen östlich und
nördlich von Tarlów allenthalben auf die Brückenkopf Stellung, die der
Russe dem Übergang von Józefów vorgelegt hatte. Zu gleicher Zeit
war beim Armeeführer ein neuer Befehl der Heeresleitung eingelangt,
der die Notwendigkeit des raschesten Abgehens der Armee nach Ost-
galizien nachdrücklichst betonte ; die Verf olgung des Feindes südlich der
Kamienna sei einem Mindestmaß von Truppen zu übertragen, die Masse
der Armee möglichst bald auf die Bahnen zu setzen.
Diesen Weisungen gemäß sollten nur die 2. KD. des I. Korps und
die 4. ID. des II. den Russen über Tarlów, das am 29. abends besetzt
wurde, an den Fersen bleiben. Die Loslösung der anderen Heereskörper
glückte jedoch nicht sofort; es blieben auch noch eine Brigade der 46. SchD.,
die 1. Brigade der Polenlegion und Teile der 25. ID. am Feinde. Dieser
räumte seine Stellungen südwestlich von Józefów erst in der Nacht auf
den 2., als sein XXV. Korps vollends über die Weichsel abgeflossen war.
Der Brückenkopf von Józefów fiel in die Hände des II. Korps. Als am
588
Der Feldzug von Brest-Litowsk
2. Juli bei Tagesanbruch die noch in der Front verbliebenen Deutsch-
meister den Weichselstrom vor sich sahen1), konnte FML. Johann Kirch-
bach melden, daß der Raum südlich der Kamienna vom Feinde ver-
lassen war.
Damit war die Aufgabe, die die 1. Armee noch westlich der Weichsel
zu lösen hatte, erfüllt. FZM. Puhallo ging mit seinem Stabe am 3. Juli
ab. Von den Truppen bestiegen jene der 25. ID. bei Ostrowiec und
Kielce, die der 46. SchD. bei Tarnobrzeg die bereitgestellten Züge. Die
4. ID. sollte der 46. SchD. folgen. Die Polenbrigade rückte über Anno-
pol zur 4. Armee. Die durch ein Etappenmarschregiment verstärkte!
2. KD. und die Pioniergruppe Obst. Mischek (vier Pionierkompagnien)
der bisherigen 1. Armee traten unter die Befehle des GO. Woyrsch, der
seinen rechten Flügel an die Kamiennamündung und bis Sienno vorge-
schoben hatte. Die 7. KD. hatte zur Armeegruppe Kövess zurückzukehren.
Die ,,Z w ei te Schlacht bei Kl r a s n i k
(1. bis 10. Juli)
Hiezu Beilage 31
Die Einleitungskämpfe am 1. und, 2. Juli
Im Sinne des Heeresbefehles vom 28. Juni (S. 574) übertrug GFM.
Mackensen den Stoß zwischen der Weichsel und dem Bug zunächst der
4. Armee und der aus dem deutschen X. Korps und dem XXII. RKorps
bestehenden Gruppe Emmich der 11. Armee; die inneren Flügel der
beiden Armeen hatten die Richtung Lublin einzuschlagen. Die Mitte und
der rechte Flügel der 11. Armee (Garde sowie die Korps Arz, Kneußl
und Marwitz) hatten zum Schutze gegen Nordost und Ost zunächst in
ihrer Staffelung nach rechts hinten zu verbleiben. Übereinstimmende
Nachrichten besagten, daß sich der Russe nördlich der Wyinica, des
Porbaches und der Wolica in von langer Hand vorbereiteten Verschan-
zungen aufs neue stellen werde.
Das 4. Armeekmdo. wähnte allerdings, zwischen Wieprz und Weichsel
nur auf fünf, höchstens acht Infanterie- und zwei Reiterdivisionen zu
stoßen, die nach den Aussagen Gefangener stark zermürbt zu sein
schienen. Es hoffte, auf keinen allzu nachhaltigen Widerstand zu treffen,
und wies am 30. Juni nachmittags seine Korps an, den Feind über die
Linie Tarnawka—Krasnik—Józefów zurückzuwerfen und die Höhen nörd-
1) Hoen, Waldstätten-Zipperer und Seifert, Die Deutschmeister, 413.
Angriffsbefehle des 4. Armeekmdos,
589
lieh davon zu gewinnen. Die Vorrückungsstreifen des ersten Treffens
(XVII., IX., X. und VIII. Korps) wurden bis in die Höhe von Lublin ge-
zogen. Die Armeereserve (XIV. Korps und 26. SchD.) hatte hinter der
Armeemitte östlich der Bystrzyca zu folgen und zunächst in den Raum
Goraj—Janów zu gelangen. Den angreifenden Truppen wurde rasches
Vordringen und beherztes Zugreifen aufgetragen.
Am 1. Juli, einem schwülen, heißen Sommertag, strebten die Korps
erster Linie in breiter Front nach Norden : das VIII. Korps mit dem
rechten Flügel auf Dzierzkowice, das X. mit der Mitte auf Krasnik, das
IX. über die Höhen östlich der Bystrzyca, das XVII. auf Tarnawka. Bis
zum Abend warfen das VIII. und das X. Korps die feindlichen Vor-
truppen südlich der Wy£nicaniederung unter leichten Kämpfen zurück.
Alle Versuche, diesen Bachgrund zu übersetzen, scheiterten jedoch an
dem heftigen Feuer, das den Angreifern von den Nordabhängen ent-
gegenschlug. Drei Kompagnien des X. Korps, die bereits in Krasnik ein-
gedrungen waren, mußten abends vor überlegenem Feinde an den Süd-
rand der Stadt zurückgenommen werden.
Das IX. Korps hatte sich tagsüber an die feindlichen Stellungen auf
den Höhen östlich der Bystrzyca herangearbeitet. Das XVII. Korps
kämpfte in zwei räumlich voneinander getrennten Gruppen, mit der
45. SchD. am Oberlaufe des Por, mit der 11. ID. am Unterlaufe dieses
Baches, bei Mokre Lipie und östlich davon, wo diese auf Befehl des Korps-
kmdos. in die Kämpfe des um die Porübergänge schwer ringenden deut-
schen X.Korps helfend eingriff. Der Masse der Division gelang es denn
auch, nach Zurückwerfen der feindlichen Vortruppen den Übergang über
den Porbach bei dem genannten Orte zu erzwingen und nach erbittertem
Ringen gleich dem deutschen Nachbarkorps am Nordufer Fuß zu fassen.
Ein Teil der 11. ID. hatte sich südwestlich von Turobin festgesetzt
und bildete im Vereine mit vorgeschobenen Abteilungen der 41. HID.,
die ihren Nächtigungsraum Tokary—Gródki kampflos erreicht hatte, die
Verbindung zur 45. SchD., die in dem schwierigen Angriffsgelände bis
zum Abend die russischen Vorstellungen südlich des Porbaches nicht
nehmen konnte.
Die Armeereserve erreichte die ihr vorgezeichneten Nächtigungs-
räume.
Wie die 4. Armee und das deutsche X. Korps an der Wy£nica und
am Por, waren das XXII. RKorps und die sich ihm anschließende Garde
am Wieprz und an der Labunka auf den hartnäckigen Widerstand des
russischen X. und des III. kauk. Korps gestoßen. Während die linke
590
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Flügelgruppe des XXII. RKorps bis zum Abend in unentschiedenem
Ringen um die Wieprzübergänge bei Nielisz focht, konnten die 44. RD.
und die Garde unter schweren Kämpfen die Labunka überschreiten und
sich auf dem Nordufer festsetzen.
Bei den anderen Teilen der 11. Armee kam es am I.Juli zu keinerlei
besonderen Ereignissen. Die 22. ID. wurde hinter die Garde, die 119.
hinter das jetzt vom GLt. v. Winckler befehligte XXXXI. RKorps gezogen.
Unter dem Eindrucke, daß der Feind, der vor dem rechten Flügel
der 11. Armee hinter den Bug gewichen war (S. 578), auch vor der Armee-
mitte in nordöstlicher Richtung abziehe, ordnete GFM. Mackensen für
den 2. Juli die Vorrückung für die ganze Heeresfront an. Die 11. Armee
hatte, rechts durch das Beskidenkorps gedeckt, die Linie Warç±—Tere-
bin—Grabowiec—Tarnogóra—Zolkiewka zu gewinnen; die 4. Armee sollte
ihre „Vorwärtsbewegung so einrichten, daß sie mit dem rechten Flügel
mindestens die Höhe des linken Flügels der 11. Armee erreicht".
Trotz des hartnäckigen Widerstandes, auf den die verbündeten
Truppen am 1. Juli überall gestoßen waren, bestand beim 4. Armeekmdo.
die Meinung, daß die Masse der russischen 3. Armee im Rückmärsche
auf Lublin begriffen sei und der Widerstand nur von starken Nach-
huten in allerdings guten Stellungen geleistet werde. Es ordnete daher
für den 2. Juli die Fortsetzung des Angriffes auf der ganzen Armeefront
an. Hielten die Russen wider Erwarten diesem Anstürme stand, dann
sollte die feindliche Gegenwehr raschestens durch Einsatz des XIV. Korps
im Räume des IX. gebrochen werden. In diesem Falle war beabsichtigt,
den Angriff beider Korps mit versammelter Kraft unter Unterstützung
durch die Artillerie aller fünf Divisionen sowie unter einheitlicher Füh-
rung des FML. Roth am 3. Juli um 6hvorm. auf den Höhen östlich der
Bystrzyca gegen das russische Frontstück Stawce—Stróza zu führen.
Nötigenfalls stand zur Nährung des Angriffes noch die im Räume To-
kary—Gródki verbleibende 26. SchD. zur Verfügung. Mit diesem Befehle
des Armeekmdos. wurde eine Kriegshandlung von weittragender Be-
deutung eingeleitet.
Am 2. Juli entbrannte der Kampf an der ganzen Front mit großer
Heftigkeit. Die Russen setzten in ihren vorzüglich angelegten Stellungen
dem Vordringen der Angreifer überall zähesten Widerstand entgegen.
Bei der 4. Armee war es schon vormittags klar, daß es zu einem durch-
schlagenden Erfolg des Einsatzes des XIV. Korps bedurfte.
Nach eingehender Rücksprache mit dem Kommandanten des IX. Korps
bildete FML. Roth aus beiden Korps zwei Angriffsgruppen, eine rechte
Erbitterte Kämpfe am 2. Juli
591
aus der 10. und der 3. ID. unter FML. Horsetzky und eine linke aus der
8. ID. und der Masse der 21. SchD. unter FML. Fabini, und ordnete ihren
Angriff für den 3. Juli mit den inneren Flügeln in der allgemeinen Rich-
tung auf die Höhen nordöstlich von Krasnik an. Westlich davon hatte
die 106. LstlD. den Hauptangriff durch einen Vorstoß auf die Höhen bei
Majdan Skotnik zu begleiten; der linken Flügeldivision des XVII. Korps
fiel die Aufgabe zu, die den Angriffsraum der Gruppe Horsefczky flan-
kierenden Höhen südwestlich von Stawce zu nehmen.
Während sich am 2. die Truppen des IX. und des XIV. Korps für
den am folgenden Morgen auszuführenden Angriff bereitstellten, arbei-
teten sich die übrigen Divisionen der 4. Armee überall nahe an die feind-
lichen Stellungen heran, stellenweise brachen sie auch stürmend in sie ein.
Auf dem äußersten linken Flügel lag die Division Stöger-Steiner, die
von nun an als 62. ID. bezeichnet wurde, auf hundert Schritte vor den feind-
lichen Drahthindernissen und Astverhauen, die 47. RD. kämpfte erbittert
um zwei kleine Orte westlich von Dzierzkowice, die 37. HID. hatte Wi±-
nianka in Besitz genommen. Während beim X. Korps die 24. ID. nicht
über ihre Stellungen südlich von Krasnik hinausgekommen war, hatte die
2. ID. die Höhen knapp südöstlich von Stróza erstürmt und gegen alle
Gegenangriffe behauptet. Die Truppen des IX. Korps hatten sich tags-
über noch näher an die von Teilen des russischen IX. Korps zähe ver-
teidigten Stellungen herangeschoben. Abends drangen die 10. ID. und
Teile der 21. SchD. sogar auf 6 km Breite in die feindlichen Linien ein.
So wie am Vortage focht das XVII. Korps auch am 2. Juli in zwei
14 km voneinander getrennten Gruppen. Hiebei eroberte die 11. ID. in
wechselvollem Ringen einen festen russischen Stützpunkt bei NowaWies
und brach östlich des lichterloh brennenden Ortes in die russische Stellung
ein; 1600 Gefangene fielen in ihre Hand. Die Westgruppe des Korps, die
durch die 41. HID. verstärkte 45. SchD., warf den noch südlich vom Por
verbliebenen Feind auf das Nordufer zurück.
Trotz dieser noch am 2. Juli errungenen örtlichen Erfolge, die schon
den Abzug der Russen hätten erwarten lassen können, hielt FML. Roth
für den 3. an der Durchführung des planmäßigen Durchbruches fest. Die
anderen Korps der 4. Armee erhielten den Auftrag, überall dort, wo
Aussicht auf Erfolg bestand, gleichfalls zum Angriff überzugehen. Die
26. SchD. hatte als Verfügungstruppe des Erzherzogs zeitlich früh bei
Otrocz bereitzustehen.
Bei der 11. Armee hatten sich am 2. Juli die Ereignisse auf dem
Ostflügel und in der Mitte planmäßig abgespielt; unter leichten Kämpfen
592
Der Feldzug von Brest-Litowsk
gewannen die Truppen die ihnen vorgeschriebenen Tagesziele. Je weiter
dem Westen zu, desto mehr versteifte sich aber der russische Widerstand.
Das Gardekorps, das mit seinem rechten Flügel an die Wolica herankam,
blieb mit dem linken hinter dem gesetzten Ziele, der Gegend von Izbica,
zurück. Das XXII. RKorps, das Anschluß an die Garde hielt, erzwang
sich wohl mit dem linken Flügel den Übergang über den Wieprz, ohne dann
aber sonderlich Raum nach Norden zu gewinnen. Das X. Korps war auf
eine sich über die Höhen östlich von Turobin hinziehende zweite russische
Stellung gestoßen.
Als GFM. Mackensen am 2. Juli abends die Weisungen für den 3.
erließ, wähnte er gleich dem 4. Armeekmdo. den Feind im Rückzug
gegen Norden. Er befahl daher beiden Armeen, die Verfolgung fortzu-
setzen, wobei die Aufgabe der 4. Armee unverändert blieb. Hingegen
wurden dem rechten Flügel und der Mitte der 11. Armee Ziele gesteckt,
die über die Wolica hinaus weit hinter den feindlichen Stellungen auf
dem Nordhange dieser versumpften Flußniederung lagen. Die beiden
linken Korps hatten den Angriff bis in die bereits für den 2. anbefohlene
Linie Tarnogóra—Zolkiewka vorzutragen.
Der Angriff der k. u. k. 4. Armee bis zu seinem Höhepunkt
(3. bis 6. Juli)
Quer über die Landschwelle, die sich östlich von Krasnik als Wasser-
scheide zwischen den Quellgebieten der Wyznica, desPorundderBystrzyca
hinlagert und die nun zum Brennpunkt erbittertster Kämpfe werden sollte,
zog sich die in mehreren Linien hintereinander angeordnete russische
Hauptstellung. Geschickt eingestreute Infanteriestützpunkte und ein nahe-
zu durchlaufendes Drahthindernis verstärkten diese Abwehrfront, die
auf den nördlichen Uferhöhen der Wyznica und des Por ihre Fortsetzung
fand. Die inneren Flügel des XV. und des IX. Russenkorps teilten sich in
die Aufgabe der Verteidigung dieses Frontstückes, fast des einzigen, das
im Zuge der zwischen Weichsel und Bug angelegten Stellungen eines
starken natürlichen Hindernisses entbehrte.
Als der Morgen des 3. Juli anbrach, waren die Angriffsvorberei-
tungen der Gruppe Roth noch in vollem Gange. Der Angriff der 45.SchD.
auf die flankenbedrohenden Höhen südlich vonStawce (S. 591) hatte erst
begonnen. Unklarheit über die Lage der feindlichen Befestigungslinien
im Bereiche der Gruppe Horsetzky sowie unsichtiges Wetter beeinträch-
tigten und verzögerten das Einschießen der Artillerie. So mußten das
Durchbruchsangriff der Gruppe FML. Roth
593
Wirkungsschießen der Batterien und der Infanterieangriff auf die ersten
Nachmittagsstunden verschoben werden.
Als gegen llh vorm. die 45. SchD. die Höhen südlich von Stawce er-
stürmt hatte, schien die Angriffsbahn für den rechten Flügel des FML.
Roth (Gruppe Horsetzky) nach Norden frei zu sein. Nach gründlicher
Feuervorbereitung, die bis gegen 4h nachm. währte, brach die Infanterie
des XIV. und des IX. Korps vor und kämpfte sich unter schweren Ver-
lusten — die Flügel litten auch stark unter russischem Flankenfeuer —
schrittweise vorwärts. Trotz verzweifelter Gegenwehr des Feindes dran-
gen Truppen aller fünf Angriffs di visionen in die erste russische Linie
ein und durchstießen bis zum Sinken des Tages das ganze russische
Grabennetz in 14 km Breite. Bei der unverzüglich einsetzenden Verfol-
gung gewannen die vorwärts stürmenden Regimenter bis 10h nachts den
Nordrand der nördlich von Studzianki sich ausbreitenden Waldzone.
Rund 1000 Gefangene, 3 Geschütze und ebenso viele Maschinengewehre
waren die Beute der beiden Korps an diesem heißen Kampftage.
Die Nachbarkorps der Armee hatten die Gruppe Roth in ihrem
schweren Ringen nur wenig zu entlasten vermocht. An der Front des
VIII. Korps, das nachmittags zum Angriff überging und nur wenige Schritte
Raum nach vorwärts gewann, war es bis zum Abend zu einem stehenden
Feuergefecht gekommen. Der linke Flügel des X. Korps (24. ID.) nahm
Krasnik in Besitz, der rechte Flügel (2. ID.) war tagsüber vollauf damit
beschäftigt, die am 2. Juli gewonnenen Stellungen (S. 591) wider starke
russische Gegenangriffe zu behaupten.
Von Nachteil war es, daß der Westflügel des XVII. Korps (FML.
Smekal mit der 45. SchD. und der 41. HID.) nicht imstande war, sich der
vom Ostflügel des russischen IX. Korps hartnäckig verteidigten Über-
gänge über den oberen Por zu bemächtigen, weiters, daß die Höhen nörd-
lich von Stawce mit ihrer Flankenwirkung gegen den Angriffsraum des
FML. Roth in russischem Besitz verblieben waren. Dies bewog das Armee-
kmdo., die 26. SchD. dem XVII. Korps zu unterstellen, damit sich dieses
„unter genügender Sicherung an der Porfront möglichst stark über Stawce
dem Vorstoße der Gruppe Roth anschließen"... könnte. Die Masse der
11. ID. war auch am 3. Juli im Bereich des deutschen X.Korps ver-
blieben, das ain diesem Tage alle Vorbereitungen zum Angriff auf die
Höhen östlich von Turobin traf.
Unterdessen hatte Erzherzog Joseph Ferdinand noch während der
Nacht die Gruppe Roth zu tatkräftiger Verfolgung des weichenden Fein-
des bis auf die Höhen nordöstlich von Krasnik angewiesen, welchen
II 38
594
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Raum die Truppen meist auch noch vor Morgengrauen erreichten. Am
4. Juli sollten die Gruppe FML. Roth den Vorstoß fortsetzen und auch
die übrigen Korps der Armee nach Norden Raum gewinnen.
Für die Mitte der deutschen 11. Armee war der 3. Juli gleichfalls
ein schwerer Kampftag geworden; denn die Gruppe Olochow, jetzt 13. Ar-
mee unter Gen. Gorbatowski, hatte heftige Gegenangriffe gegen das
XXII. R-, das Garde- und das k. u. k. VI. Korps geführt, Angriffe, die
bereits nachts einsetzten und mit beispielloser Erbitterung und mit über-
raschend großem Munitionsaufwand tagsüber fortgesetzt wurden. Diese
Anstürme — beim Korps Arz waren es allein ihrer sechs — mußten vor-
erst abgewiesen werden, ehe an ein weiteres Vortragen des Angriffes
— wie es für den 3. Juli befohlen war — gedacht werden konnte. Das
Korps Kneußl war bei Metelin auf stark ausgebaute Stellungen gestoßen
und bereitete sich gleichfalls erst für den Angriff vor. All dies sollte
jedoch vorerst ein unerfüllter Wunsch bleiben.
Nachrichten über die Versammlung starker Feindeskräfte bei Hru-
bieszów und bei Wladimir- Wolynski ließen im Stabe Mackensens die Sorge
um die empfindliche Ostflanke der Heeresgruppe erneut aufleben. Dies
und der hartnäckige, von heftigen Gegenangriffen unterstützte Wider-
stand, den die Russen auf der ganzen Front dem Vordringen der 4. und
der 11. Armee entgegensetzten, führten beim Heeresgruppenkmdo. einen
Umschwung in der Beurteilung der Lage herbei. In einem am 3. Juli um
6h30 nachm. ausgegebenen Befehle wurden beide Armeen angewiesen, mit
dem Angriffe so lange zu warten, bis die Versammlung der in Verschie-
bung begriffenen 1. Armee am Bug vollzogen wäre (S. 588).
Diese wichtige Weisung erreichte wohl die Truppen der 11. Armee
rechtzeitig, traf aber beim 4. Armeekmdo. in Godziszów erst am 4. Juli
um 3h3° vorm. ein, zu welcher Zeit sich die unermüdlichen Streiter Roths
schon wieder zur Verfolgung anschickten. Der vom Erzherzog für den
4. ausgegebene Angriffsbefehl wurde denn auch nicht widerrufen, wo-
gegen die deutsche 11. Armee vorübergehend in die Verteidigung zurück-
fiel. Um nun der vorwärts strebenden 4. Armee wenigstens die rechte
Flanke zu decken, hatte die Gruppe Emmich noch die Linie Plonka—
Turobin zu erkämpfen und zu behaupten.
Der 4. Juli brachte den seit frühem Morgen angreifenden Regimentern
der 4. Armee vollen Erfolg. Die Divisionen der Gruppe Roth bahnten als
Stoßkeil den Weg nach Norden, warfen die Russen von Linie zu Linie
und trieben sie bis zum Abend über die Höhen beiderseits von Kielcze-
wice und über Wilkolaz zurück.
Verfolgungsbefehl Mackensens an die 4. Armee
595
Im Anschluß östlich daran gewann das XVII. Korps mit der 45. SchD.,
die vormittags nach erbittertem Kampfe die so lange umstrittenen Höhen
nördlich von Stawce gestürmt hatte, die Höhen bei Str. Wies, mit der
41. HID. jene beiderseits von Tarnawka. Die Masse der 11. ID., durch
schwere Artillerie vom südlichen Porufer her kräftig unterstützt, eroberte
die russischen Stellungen nördlich von Nowa Wies in engstem Zusammen-
wirken mit dem deutschen X. Korps, das bis zum Abend knapp anTurobin
und Plonka herankam.
Links von der Gruppe Roth hatte das k. u. k. X. Korps mit der 2. ID.
den Raum westlich von Wilkolaz erreicht, mit der 24. ID. die Russen
nordwestlich von Krasnik vertrieben und den Waldrand südlich von
Urzçdow gewonnen. Nur das VIII. Korps konnte trotz der Feuerunter-
stützung vom westlichen Weichselufer her fast keinen Geländegewinner-
kämpfen. Es stand tagsüber in mühsamem Ringen gegen die stellenweise
durch ein zehnreihiges Drahthindernis geschützten, in sorgfältigster Ar-
beit ausgehobenen feindlichen Stellungen, die vom XV. und von heran-
hastenden Teilen des XXV. Russenkorps mit großer Tapferkeit verteidigt
wurden. Die Verbindung zum X. Korps bildete die 37. HID., der es noch
vor Einbruch der Dämmerung gelang, in die feindlichen Stellungen nörd-
lich von Wy£nianka einzubrechen und dort festen Fuß zu fassen.
Die Größe des Erfolges, den die Truppen der 4. Armee gegen einen
tapferen Feind am 3. und 4. Juli erstritten hatten, spiegelt sich in den
Abmessungen des zwischen Tarnawka und Wyznica 40 km breiten und
zwischen Studzianki und Wilkolaz 15 km tiefen Einbruchsraumes sowie
in der Beute (29 Offiziere und 8000 Mann als Gefangene, 6 Maschinen-
gewehre und 6 Geschütze). Die Divisionen, die diesen Erfolg errangen,
hatten sich seit dem 29. Juni in ununterbrochenen Kämpfen oder am
Marsche unter den schwierigsten Verhältnissen — außerordentliche Hitze,
Wassermangel, mangelnde Nachtruhe, ermüdendes Gelände — befunden.
Bald auch sollte es offenbar werden, daß die schweren Kämpfe große
Lücken in die Reihen der Angreifer gerissen hatten.
Unter dem Eindrucke dieses Kampferfolges verfügte das Heeres-
gruppenkmdo. für den 5. Juli, daß die 4. Armee die Verfolgung fortzu-
setzen habe, „um die errungenen Vorteile nach Kräften auszunützen",
und daß der linke Flügel der 11. Armee (Garde-, XXII. R-und X. Korps)
durch Gewinnung der Höhen beiderseits von Izbica und vonWolkaZol-
kiewka der 4. Armee „die Ausnützung des Erfolges zu ermöglichen" habe.
Da das 4. Armeekmdo. aus mitgelesenen Funksprüchen von der
Rückverlegung des russischen XV. Korpskmdos. in die Nähe von Lublin
38*
596
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Kenntnis erhalten hatte und auch die der Armeemitte gegenüberstehenden
Russen der Zahl nach für unterlegen hielt, versprach es sich von einem
energischen Nachstoßen einen großen Erfolg. Hiezu sollten die Gruppe
Roth im Angriffsstreifen westlich des Kosarzewkabaches und beiderseits
der nach Lublin führenden Straße bis in die Linie Osmolice—Borzechow,,
das X. und das VIII. Korps bis Opole und Kamien vordringen. Leistete
der Russe aber auch am 5. Juli hinter der Wy£nica noch einmal Wider-
stand, dann war er durch gemeinsamen Angriff der beiden letztgenannten
Korps zu werfen. Die Verbindung zum linken Flügel der 11. Armee hatte
das XVII. Korps herzustellen, indem es mit dem rechten Flügel auf
Antoniówka, mit dem linken auf Tuszów vorging.
Am 4. Juli spät nachts kündeten abermals russische Funksprüche
dem 4. Armeekmdo., daß der Gegenstoß je einer feindlichen Infanterie-
und Reiter di vision gegen Urzçdow bevorstehe. Das Korps Martiny er-
hielt diese bedeutsame Meldung um Mitternacht. Sie drang wegen Mangel
an Fernsprechverbindungen jedoch nicht mehr rechtzeitig bis zu den
Truppen vorderster Linie durch.
Die Mitte der 4. Armee hatte sich am 4. Juli abends bis auf einen
Tagmarsch der Bahnlinie Lublin—Cholm genähert und berührte da-
durch einen Lebensnerv der russischen Nordwestfront. In den bisherigem
Kämpfen bei Krasnik hatte sich aber auch die Kampfkraft des XV., des
IX. und des X. Russenkorps in empfindlichem Maße verbraucht. „Wenn
Ihnen die Lage der 3. und der 13. Armee nicht bekannt ist," berichtete
Alexejew am 4. Juli dem Höchstkommandierenden, „so muß ich Ihnen mit-
teilen, daß sie den Ständen nach sehr schwach und bis zum äußersten er-
müdet sind und daß sie ernsten Widerstand nicht mehr leisten können. Das
X. Korps zählt nicht mehr als 4000 Gewehre und fast keine Offiziere1)."
In dieser bedrängten Lage erbat Gen. Alexejew vom Höchstkom-
mandierenden umfassende Weisungen für die ganze Nordwestfront und
erließ uinter dem Zwange der Verhältnisse selbständig bereits am 4. Juli
Verfügungen an seine Heeresfront mit dem einzigen Ziele, die 3. und
die 13. Armee durch Reserven zu stützen. Um die hiefür erforderliche
Zeit zu gewinnen, hatte die 3. Armee in den seit langem vorbereiteten
Stellungen von Niedrzwica Mala—Bychawa und weiter hinter der 261-
kiewka, die 13. Armee hinter der Wolica „für einige Tage dem Drucke
des Feindes den hartnäckigsten Widerstand entgegenzusetzen 2)". Von der
russischen 4. Armee und der auf das Südufer der Pilica herüberreichenden
1) Zajontschkowskij, Der Bewegungskrieg 1914 und 1915, 325.
2) Nesnamow, IV, 70.
Der russische Gegenstoß auf Urzçdôw
597
2. Armee waren nach dem Abzüge des XXV. Korps auf das linke Weichsel-
ufer nur mehr das XVI. und das Grenadierkorps verblieben, insgesamt
4V2 Infanterie- und iy2 Kavallerie di visionen und einige Reichswehrab-
teilungen. Die 4. Armee hatte ihren linken Flügel auf Borzechów—Opole
zurückzunehmen und tunlichst starke Kräfte auf dem rechten Weichsel-
ufer zu versammeln. Alle sofort verfügbaren Reserven, XXV., II. sib. und
VI. sib. Korps, entsandte Alexe je w eiligst in den Raum von Lublin—Cholm.
Am 5. Juli setzte der dem k. u. k. 4. Armeekmdo. schon bekannt-
gewordene russische Gegenstoß auf Urzçdow ein. Der überraschende
Angriff eines aus der 3. GrenD. des XXV. Korps und der UralKosD. zu-
sammengesetzten Korps warf die auf dem nördlichen Urzçdowkaufer
befindlichen Sicherungstruppen des k. u. k. X. Korps über den Bach zurück
und gewann gegen die 24. ID. sogar bis südlich von Popkowice Raum.
Hier vermochte sich diese wohl festzuklammern, und die 2. ID. setzte
sich durch einen Gegenangriff wieder in den Besitz der Höhen west-
lich von Wilkolaz. Als am Vormittag der Anmarsch weiterer russischer
Kräfte wahr genommen wurde, unterstellte Erzherzog Joseph Ferdinand
die 21.SchD., die er nach dem Durchbruche bei Majdan Skotnik zurück-
gehalten hatte und die eben nach Wilkolaz vormarschierte, dem X. Korps
mit dem Auftrage, „den Feind gegenüber der 2. ID. zu werfen". Ihr um
4h3° nachm. in nordwestlicher Richtung unternommener Angriff drang
bis Ryczydól vor, erleichterte das Vorgehein der 2. ID. und deckte die
linke Flanke der 106. LstlD., die bis Sobieszczany am weitesten vorge-
langt war. Dem linken Flügel des X.Korps brachte die 37. HID. durch
ihr Vordringen bis Urzçdow Entlastung.
Bis zum Abend des 5. Juli war die Lage des X.Korps wiederher-
gestellt, der Angriff des kombinierten Russenkorps gescheitert. Der Ver-
lust von Popkowice schien durch den gegen Ryczydól erzielten Raum-
gewinn reichlich aufgewogen.
Unbeirrt durch den schon seit frühem Morgen vom X. Korps her-
überschallenden Schlachtenlärm hatte der rechte Flügel der 4. Armee,
IX. Korps (106. und 8. ID.), XIV. Korps (10. ID. in erster, 3. ID. in zweiter
Linie) und XVII. Korps (45. SchD. und 41. HID.), auftragsgemäß am
S.Juli morgens die Verfolgung nach Norden beiderseits der Bystrzyca,
linker Flügel entlang der Straße nach Lublin, aufgenommen und war
mittags auf die russischen Stellungen südlich von Sobieszczany und
von Bychawa sowie nördlich von Gielczew gestoßen. Die Stärke der
Verteidigungsanlagen und der an Infanterie und Artillerie anwachsende
Feind zwangen zur Erkundung und zum planmäßigen Aufmarsch. Hiemit
598
Der Feldzug von Brest-Litowsk
verstrich der Nachmittag ohne besondere Kämpfe; nur die 10. ID. stürmte
eine feindliche Vorstellung. Bis zum Abend hatten sich die Truppen
dieser Korps fast überall nahe an die russischen Stellungen heran-
geschoben. Die 11. ID., die den Bereich des deutschen X.Korps wieder
verlassen hatte, stieß südöstlich von Gielczew zum XVII. Korps.
Bei der 11. Armee verstrich der 5. Juli ohne wesentliche Gefechts-
berührung. Die linken Flügelkorps erreichten ihre Tagesziele.
Während nach Einbruch der Nacht östlich von der Bystrzyca
der Kampf lärm verstummte, nahm westlich davon beim X. und beim
VIII. Korps das Gefecht seinen Fortgang. Die 21. SchD. arbeitete sich
gegen die Höhen nordöstlich von Popkowice vor, bis um lh nachts eine
starke Feindstellung ihrem weiteren Vordringen Halt gebot. Doch auch
die Russen setzten ihre, wenn auch erfolglosen Bemühungen gegen das
X. Korps fort. Beim VIII. Korps war es der deutschen 47. RD. ver-
gönnt, nach gründlicher Feuervorbereitung noch abends in die erste
feindliche Linie einzudringen und bis zum Morgen die sich verzweifelt
wehrenden Russen des durch Teile des XXV. verstärkten XV. Korps
aus ihrer Stellung zu vertreiben. Truppen der 62. ID. erstürmten einen
starken Stützpunkt des Brückenkopfes bei Józefów.
Für den 6. Juli verfügte das 4. Armeekmdo. die Fortsetzung der
Verfolgung; es sollte weiter Raum gegen Norden gewonnen und nament-
lich am linken Flügel zunächst der Feind vor dem X. und dem VIII. Korps
geworfen werden. Die Gruppe Roth hatte bei dieser Vorrückung ihren
Westflügel mit dem X. Korps in Übereinstimmung zu bringen und auf
den linken Flügel des XVII. Korps Bedacht zu nehmen. Von der Armee-
reserve wurden die halbe 26. SchD. — eine Brigade dieser Division kämpfte
in den Reihen der 41. HID. — hinter die Armeemitte, die 3.KBrig.,
die bisher vergeblich auf eine Gelegenheit zum Vorbrechen gewartet
hatte, nach Tarnawka gezogen. Mit Rücksicht auf die abgebliebenen
Nachbarkorps entschloß sich FML. Roth, die Divisionen seiner Gruppe
anzuhalten und die Vorrückung erst zu beginnen, bis das X. und das
XVII. Korps in gleiche Höhe gelangt wären. Nun richtete das VIII. Korps
seinen Hauptangriff gegen die auf dem Nordufer des Podlipiebaches
befindlichen russischen Stellungen, das X. Korps gegen die Höhen nörd-
lich von Popkowice ; das XVII. Korps beabsichtigte die feindliche Haupt-
stellung zu gewinnen, die sich östlich der Kosarzewka bis Gielczew hinzog.
GFM. Mackensen beließ die 4. Armee im Vordringen nach Norden und
wies nur den linken Flügel der 11.Armee (deutsches X.Korps und
XXII. RKorps) an, im Einklänge mit der 4. Armee vorzugehen.
Eintreffen russischer Verstärkungen
599
Der Angriffsfront des VIII. Korps - 47. RD. und 37. HID. - ge-
lang es bis zum Abend, das Südufer des Podlipiebaches zu erreichen.
Ein für den Nachmittag von der Honvéd gegen Wierzbica geplanter
Vorstoß unterblieb, weil starker Feind im Anrücken gemeldet wurde,
und heftige Gegenangriffe zu erwarten waren.
Beim k. u. k. X. Korps kämpften sich die 21. SchD. und die 2. ID.
im Laufe des Nachmittags mühsam schrittweise von Osten her gegen die
Stellungen nördlich von Popkowice vor, ohne in diese einbrechen zu
können. Die 24. ID. kam überhaupt über ihre Linien nicht hinaus!.,
FML. Martiny stellte um 8h abends den Angriff seines Korps wegen
Erschöpfung der Truppen ein.
Das XVII. Korps war am 6. mit seiner Hauptkraft (45. SchD. und
Masse der 41. HID.) bis an die Stellung des russischen IX. Korps heran-
gekommen. Teile der Honvéddivision und die 11. ID. erstürmten die
Höhen nördlich und östlich von Gielczew; sie hatten Anschluß an die
deutsche 11. Armee, deren linker Flügel die Linie Antoniowka—Höhe
nördlich von Potaznia A 294 und nordwestlich von Tarnagóra am 6. Juli
erreicht hatte, ohne auf sonderlichen Widerstand zu stoßen.
Während dieser Ereignisse an den Flügeln der 4. Armee spielten
sich auch in der Mitte der Front schwere Kämpfe ab; die lOó.LstID.
hatte vormittags einen starken russischen Angriff abzuwehren, die 10. ID.
einen solchen am späten Nachmittag.
So hatte der 6. Juli für die 4. Armee bei etwas Geländegewinn
und Abweisung aller russischen Angriffe durchaus erfolgreich geendet.
Während aber fast alle Truppen der Armee in vorderster Linie standen
— das Armeekmdo. konnte nur über die halbe 26. SchD. und die 3.KBrig.;
verfügen — hatten sich die Russen vor dem linken Flügel und der Armee-
mitte nach übereinstimmenden Meldungen der Truppen und der Flug-
beobachtung zusehends an Infanterie und Artillerie verstärkt. Östlich der
Bystrzyca waren Schützen vom VI. sib. Korps, gegenüber der 106. LstlD.,
dem VIII. und dem X. Korps Truppen beider Divisionen des XXV. Korps
festgestellt worden. Aufgefangenen Funksprüchen zufolge passierte die
Garde im Bahntransport eben den Bereich der 3. Armee, und das II. sib,
Korps war an der Lubliner Bahn bei Rejowiec eingetroffen. Trotz dieser
ganz bedeutenden Verstärkungen der Russen durch offenbar intakte
Truppen auf vollem Stande sah das k. u. k. 4. Armeekmdo., das von den
in den bisherigen Kämpfen erlittenen hohen Verlusten seiner Verbände
nur teilweise Kenntnis hatte, zuversichtlich der nächsten Zukunft ent-
gegen. Es entschloß sich nur schweren Herzens, einen Operationsstill-
600
Der Feldzug von Brest-Litowsk
stand von zwei Tagen einzuschalten, um eine wegen des raschen Vor-
marsches entstandene vorübergehende Stockung im Nachschübe von
Artilleriemunition zu beheben. Die Zeit des erzwungenen Stillstandes
sollte zu einer Umgruppierung für den am 9. Juli entlang der Lubliner
Straße anzusetzenden Stoß benützt werden. Nur das VIII. und X. Korps
hatten ungesäumt weiter anzugreifen. In diesem Sinne erließ das Armee-
kmdo. am 6. Juli abends seine Weisungen.
Der neuen Offensive entgegen
In diesen Tagen hatten die verbündeten Heeresleitungen entschei-
dende Beschlüsse über die Fortführung der Operationen auf dem nord-
westlichen Kriegsschauplatz zu fassen.
„Zunächst muß alles daran gesetzt werden, um den Schlag der
4. und 11. Armee zwischen Weichsel und Bug mit voller Kraft zu führen,
nach rechts verläßlich zu decken, von links kräftig zu unterstützen,"
lautete richtunggebend der am 3. Juli von der Heeresleitung Teschen
erlassene Heeresbefehl. Vor allem galt es demnach, der Heeresgruppe
Mackensen Kräfte zuzuführen, um sie zur ungesäumten Aufnahme und
unaufhaltsamen Fortführung der Offensive zu befähigen. Zunächst war
nur die Verstärkung durch das X. RKorps der Südarmee in Aussicht
genommen. Am 4. Juli trat jedoch Falkenhayn an Conrad mit dem Vor-
schlage heran, am rechten Flügel der deutschen 11. Armee aus dem
Beskidenkorps, dem XXXXI. RKorps, der 107. und der 11. bayr. ID. eine
neue Armee, die „Bugarmee", unter Kommando des Gdl. Linsingen zu
bilden. Sie sollte dem Oberbefehle Mackensens unterstellt werden und
ungesäumt durch die deutsche 5. KD., nach verläßlicher Festsetzung der
Südarmee an der Zlota Lipa auch noch durch die deutsche 1. ID. ver-
stärkt werden. Zum neuen Befehlshaber der Südarmee wurde Gdl. Bothmer
ernannt, der sein Korps an GdK. Marschall abgab. Auch Gdl. Gerok
hatte mit dem Stabe des XXIV. RKorps zur Bugarmee überzutreten, um
die Führung über die 107. und die 11. bayr. ID. zu übernehmen. Am 6. Juli
wurden die Weisungen für die Aufstellung der Bugarmee vom k. u. k.
AOK. erlassen.
Die 1. Armee, die an der Naht der Bug- und der 2. Armee im Auf-
marsch begriffein war (S. 588) und eine Reserve des Ostschutzes bedeutete,
sollte alle Vorbereitungen für einen Vorstoß über den Bug treffen. Die
ersten Transporte ihrer 46. SchD. trafen erst am Morgen des 4. Juli
nördlich von Lemberg ein. Der Lauf der folgenden erfuhr auf den eben
erst notdürftig in Betrieb gesetzten Bahnen mehrfache Verzögerungen.
Neue Angriffsweisungen Conrads
601
Eine kräftige Unterstützung der Heeresgruppe Mackensen von links
erwartete man sich von der Armee des GO. Woyrsch, dessen Befehls-
bereich nach Abgang der 1. Armee den ganzen Raum zwischen Pilica und
Weichsel umfaßte. Er erhielt in Vervollständigung des bereits am 30. Juni
ergangenen Befehles am 3. Juli den Auftrag, mit starken Kräften Rich-
tung Zwolen vorzudringen und bei „Abziehen weiterer russischer Kräfte
aufs rechte Weichselufer über die Weichsel hinweg einzugreifen". Bis
zum 6. Juli hatte Gdl. Kövess mit der neuerlich unterstellten 7. KD. seine
Front über die Bahnlinie Kielce—Radom bis Wierzbica ausgedehnt, die
Gruppe Bredow sich am rechten Flügel zum Angriffe bereitgestellt.
Für das 4. Armeekmdo. lag keine Veranlassung vor, von seiner für
die nächsten Tage gefaßten Absicht abzugehen. Der für den 7. und 8. Juli
in Aussicht genommene Stillstand fügte sich in den Rahmen des Heeres-
befehles. GFM. Mackensen schenkte seine ganze Aufmerksamkeit der
Neugruppierung der Streitkräfte am rechten Heeresgruppenflügel, die Mitte
Juli beendet zu sein hatte (Umgruppierung der 11. Armee, Neuf ormierung
der Bugarmee, Aufmarsch der 1. Armee). Die linken Flügelkorps der
11. Armee aber hielt er dem Verhalten der 4. Armee gemäß in den am
6. Juli erreichten Linien an. Die Bereitstellung zur allgemeinen Offen-
sive sollte sich in der Folge umso leichter vollziehen, als die Kampf-
tätigkeit zwischen Wieprz und Bug allmählich erstarb.
Der russische Gegenangriff in der Richtung auf Krasnik und seine Abwehr
Inzwischen hatte das russische 3. Armeekmdo. schon am 7. Juli zu
einem gewaltigen Schlage ausgeholt. Im Sinne der allgemeinen Weisungen
des Oberkommandierenden der Nordwestfront ¡hatte es sich entschlossen,
mit den eben eingetroffenen frischen Truppen des XXV. und des VI.
sib. Korps die Fronten des Durchbruchskeiles beiderseits der Bystrzyca
anzufallen, um den österreichischen Vormarsch durch Gegenangriff zum
Stehen zu bringen. Dies führte zu dreitägigen schweren Kämpfen an der
ganzen Front der k. u. k. 4. Armee.
Noch in der Nacht auf den 7. Juli erfolgten die ersten Vorstöße
gegen die Linie Wilkolaz—Krasnik. Sie galten dem am weitesten nach
Norden vorspringenden Frontteil der 4. Armee, der vereinzelt vorragen-
den 106. LstlD., ferner dem linken Flügel des X. Korps, der 24. ID.
Nach tapferster Gegenwehr und stundenlangem Handgemenge in Nacht
und Wald kamen die Truppen der 106. LstlD. ins Wanken und mußten
über Wilkolaz zurückgenommen werden. Aber schon auf den Höhen
602
Der Feldzug von Brest-Litowsk
südlich davon gelang es den stark gelichteten Reihen, dem scharf verfol-
genden Feinde erfolgreichen Widerstand zu leisten. Auch der linke Flügel
der 24. ID. gab dem überlegenen Angriff der Grenadiere des russischen
XXV. Korps *) nach, die sich im hohen Getreide bis auf nächste Ent-
fernung herangeschoben hatten, und glitt von den Höhen nördlich der
Urzçdowka auf die Südhänge zurück.
Durch das Zurückweichen der 106.LstID. und der 24. ID. wurden auch
die zwischen ihnen fechtenden Truppen, die 21. SchD. und die 2. ID.,
stark in Mitleidenschaft gezogen ; ihre Stellungen mit den nunmehr offenen,
ungeschützten Flanken waren unhaltbar geworden. Das X. Korpskmdo.
nahm daher beide Divisionen im Einklänge mit der 106. LstlD. und der
24. ID. hinter die Urzçdowka zurück. Das Loslösen vom nahen Feinde
bei Tageslicht hatte besonders bei der 21. SchD. schwere Verluste zur
Folge. Am späten Vormittag begann sich die Front auf den Hängen südlich
der Urzçdowka zu festigen; die gerissene Verbindung zwischen der 8. ID.,
die ihren linken Flügel etwas abgebogen hatte, und der 106. LstlD.
wurde wiederhergestellt. Die Gefahr schien fürs erste gebannt zu sein.
Während dieser Kämpfe hatte an den übrigen Frontabschnitten der
Armee Ruhe geherrscht. Doch mußte mit weiteren Angriffen des Feindes,
besonders gegen das X. Korps und gegen die Gruppe Roth, gerechnet
werden, da gegen diese Frontteile starker Feind in ununterbrochenem
Anmärsche gemeldet wurde. FML. Roth bot alles auf, der Lage Herr
zu bleiben. Um die 106. LstlD. zu möglichstem Widerstande zu befähi-
gen, wurde ihr die von Majdan Skotnik anrückende halbe 26. SchD.
unterstellt. Das dem XIV. Korps neu zugeteilte, eben eingetroffene IR. 21
der 10. ID. hatte den linken Flügel der 8. ID. zum Anschluß an die
106. LstlD. zu verlängern, Teile der 3. ID. (IR. 14) hatten sich dahinter
als Reserve aufzustellen, der Rest der 3. ID. die hart mitgenommene
10. ID. zu stützen. Die bisher bei der 41. HID. eingesetzte zweite Hälfte
der 26. SchD., die eben wieder heranrückte, plante FML. Roth zu seiner
Verfügung nach Zakrzówek zu stellen. In einem mittags erlassenen
Appell des 4. Armeekmdos. wurden das X. Korps und die 106. LstlD.
noch besonders angewiesen, „sich auf den Höhen südlich der Urzçdowka
einzugraben und unbedingt zu halten". Das VIII. und das XIV. Korps
hatten alle freien Truppen dem X. zur Verfügung zu stellen, da dieses
ganz ohne Reserve focht.
Ehe noch die vorstehend erwähnten Abwehrmaßnahmen getroffen
waren, richtete die Masse des russischen XXV. Korps in den ersten
!) Das russische XXV. Korps bestand aus der 3. GrenD. und der 46. ID.
Erfolgreicher Gegenstoß der Russen
603
Nachmittagsstunden einen wuchtigen Angriff gegen die ganze Front des
k. u. k. X. Korps. Gleichzeitig setzten Schützen vom VI. sib. Korps zum
Stoß gegen die 10. ID. an. Gegen 5h nachm. gelang es den Russen, den
linken Flügel der 24. ID. vollends einzudrücken, die beherrschenden
Höhen südlich von Popkowice zu gewinnen und so eine Lücke zwischen
dem X. und dem VIII. Korps zu schlagen. Das X. Korpskmdo., das noch
immer jeglicher Reserve entbehrte, ordnete nun den Rückzug der 24. ID.
hinter die Wy±nica sowie der 2. ID. und der 21. SchD. über die Höhen
nördlich von Krasnik zum Anschluß an die lOó.LstID. an. DasArmee-
kmdo., das die Lage des X. Korps besonders bedrohlich ansah, wies die
vom XVII. Korps heranhastende halbe 26. SchD., die 3. KBrig. und
die von der 1. Armee überstellte Brigade der Polnischen Legion dem
X. Korpskmdo. zu. Indes diese Truppen dem Kampfplatze zustrebten,
bezog das X. Korps, durch den Feind nicht gestört, seine neuen Stellungen.
Durch das Zurückgleiten der 24. ID. hinter die Wy£nica bekamen
die Russen freie Hand gegen die 37. HID. Ein machtvoller Vorstoß
durchbrach deren Front und zwang sie, ihren rechten Flügel, der ohne
Anlehnung war, hinter die Wy±nica zurückzunehmen. In dieser kriti-
schen Lage ließ das VIII. Korpskmdo. die deutsche 47. RD. einen Front-
teil der 37. HID. übernehmen und setzte bei Wyznianka die eben zum
X. Korps marschierende polnische Brigade ein, um die Lücke zwischen
der 37. HID. und der 24. ID. zu schließen. Damit schien auch hier dem
weiteren Vordringen der Russen Halt geboten zu sein. Die 62. ID. war
von Kämpfen verschont geblieben. Der Führer des VIII. Korps, FZM.
Scheuchenstuel, richtete an die Armeeabteilung Woyrsch die Bitte, etwa
verfügbare Reserven in den Kampf östlich der Weichsel eingreifen zu
lassen. Woyrsch stellte bereitwilligst die halbe 2. KD. samt dem Etappen-
marschregiment (S. 588) und einem deutschen Landwehrbataillon zur
Verfügung. Mit deren Eintreffen war aber frühestens am 9. Juli zu rechnen.
Günstiger waren die Kämpfe bei der 10. ID. verlaufen. Hier gelang
es, wenn auch unter allergrößter Anstrengung und unter sehr schweren
Opfern, den nach ausgiebiger Artillerievorbereitung eingebrochenen Feind
zum Stehen zu bringen. Am äußersten rechten Armeeflügel, beim
XVII. Korps, war der 7. Juli ereignislos verstrichen. Das Korps sollte
die halbe 41. HID. als Armeereserve bereitstellen.
Der 7. Juli hatte Truppen und Führung auf eine harte Probe gestellt.
Jetzt erst, im Abwehrkampfe, zeigte sich die Übermüdung der Truppen,
traten ihre erschreckend geringen Kampf stände offen zutage. Der Kom-
mandant des X. Korps, FML. Martiny, berichtete über die sehr starke
604
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Erschöpfung seiner Streiter, die bis zu 50 v. H. Verluste erlitten hatten;
das VIII. Korpskmdo. glaubte Offiziere an die Wy±nicaniederung senden
zu müssen, „um dort die Truppen unbedingt zum Halten und Festsetzen
am südlichen Ufer zu veranlassen". Der Kommandant der 10. ID. er-
achtete seine Bataillone zur Abwehr weiterer schwerer Angriffe nicht
mehr für fähig. Die Zuversicht, die das Armeekmdo. noch am 6. Juli
gehegt hatte, verflog, der Glaube an die Kampfkraft war erschüttert.
Das Armeekmdo. hatte infolge Erschöpfung der Truppen und der hohen
Verluste wegen „nicht die volle Überzeugung, daß die ganze Armee-
front nunmehr dauernd Widerstand leisten werde". Es entsprach nur
der Auffassung der Lage, wenn es sich an die Heeresleitung und an das
Heeresgruppenkmdo. Mackensen mit der Bitte wandte, „erwägen zu
wollen, ob und in welcher Weise die 4. Armee entlastet werden könnte,
sei es direkt durch eine Verstärkung, sei es indirekt durch eine Offensive
an anderer Stelle". Das k. u. k. AOK. beurteilte die Lage der 4. Armee als
nicht bedrohlich und schlug daher vorerst das Angebot der DOHL. aus,
die deutsche 103. ID. aus Syrmien zur Unterstützung der 4. Armee heran-
zuführen. Doch ließ es, betroffen von der gedrückten Auffassung des
Armeekmdos., die in schroffem Gegensatze zur Zuversicht der letzten
Tage stand, dem Chef der Operationsabteilung, Obst. Paie, durch GM.
Metzger klarlegen, daß „das in vielen Tagen schwer Erkämpfte unter
gar keiner Bedingung wieder preisgegeben werden dürfe". So blieb dem
4. Armeekmdo. in Erwartung weiterer harter Kämpfe — starke Ansamm-
lung wurde aus Lublin gemeldet, noch am Nachmittag eine starke Kolonne
aller Waffen im Anmärsche gegen das XVII. Korps gesichtet — nichts
übrig, als den Korps neuerlich gründlichen Stellungsbau und zähesten
Widerstand ans Herz zu legen.
Bei der Armee Woyrsch hatte die Gruppe Bredow an diesem ereignis-
reichen Tage durch einen Vorstoß, dem sich auch die 3.LD. anschloß,
den russischen Brückenkopf an der Kamiennamündung weiter eingeengt
und die Linie Zemborzyn—Sienno—Grabowiec gewonnen, ohne damit
allerdings der 4. Armee eine irgendwie fühlbare Entlastung zu bringen.
Die Nacht auf den 8. Juli verstrich, von vereinzelten ergebnislosen
Angriffen abgesehen, ohne Zwischenfall. Tagsüber richteten die Russen
unter Einsatz des ganzen VI. sib. Korps ihre Anstrengungen gegen die
Gruppe Roth, vornehmlich gegen den westlich der Bystrzyca stehenden
linken Flügel der 8. ID. und auf die 106. LstlD. Der Angriff gegen die
zweitgenannte Division kam bereits vormittags zum Stehen. Doch brachen
die sibirischen Schützen, gefolgt von Uralkosaken, in den Ort Bystrzyca
Kritische Lage bei der 4. Armee
605
und in die Stellung des tschechischen IR. 21 ein, das, ohne sonderlichen
Widerstand zu leisten, den Russen den Weg freigab1). Die Kaiserjäger
und die 14er, beiderseits der Einbruchsstelle in Flanke und Rücken
überraschend gefaßt, begannen zu weichen und lösten dadurch den
Rückzug der Truppen der 8. ID. östlich der Bystrzyca aus. Bald nach
Mittag war die ganze 8. ID. im Zurückgehen beiderseits der Bystrzyca
nach Süden. Als der Kommandant der 8. ID., FML. Fabini, dessen
gewahr wurde, ließ er haltmachen und befahl die Wiedereroberung
der alten Stellung. Der Angriff begajin bald nach 3h nachm., nachdem
die halbe 41. HID. auf dem Kampffelde eingetroffen war. Der Gegen-
angriff, beiderseits der Bystrzyca angesetzt, war im besten Vorwärts-
schreiten, als die erschöpften Truppen der 3. und der 10. ID., deren
Front zum Zerreißen gespannt war, einem mit überlegener Wucht ge-
führten feindlichen Ansturm erlagen und bis halben Wegs zwischen
Kielczewice und Rudnik zurückwichen. FML. Roth ließ nun den Gegen-
angriff nur bis auf gleiche Höhe mit der 10. ID. vortragen. Während
sich die Truppen der 8. und und 10. ID. mit den bei beiden eingesetzten
Teilen der 3. ID. 2) soweit eben möglich in den neuen Linien zu nach-
haltiger Abwehr einrichteten, stießen die Russen gegen die entblößte,
Flanke und den Rücken der 4-5. SchD. vor und zwangen auch diese Divi-
sion zum Zurückgehen.
Hatte der 8. Juli für die österreichischen Waffen auch nur mit dem
Verlust eines kaum 3 km breiten Gelände Streifens geendet, so sah das
Armeekmdo. den nächsten Ereignissen doch mit Besorgnis entgegen.
Der letzte Kampftag hatte hohen Blutzoll gefordert; gerade die besten
Truppen hatten am meisten gelitten. Die Tiroler Kaiserjägerregimenter
wiesen Kampfstände von etwa 300 bis 400 Mann auf, die 10. ID. war
„aufgerieben". Auf diese Art hatten die sibirischen Regimenter die
gleiche Kampfkraft wie ein österreichisches Korps, da sie fast noch auf
vollem Stande waren. Reserven standen dem Armeekmdo. nicht zur
Verfügung und konnten der Lage nach auch nicht aus der Front heraus-
*■) Über das Verhalten des IR. 21 im Gefechte am 8. Juli wurde eine strenge
Untersuchung eingeleitet. Die Berichte der Augenzeugen „besagen übereinstimmend,
daß die Mannschaft des IR. 21 die russische Infanterie auf nahe Entfernung heran-
kommen ließ und bei ihrem und der Kosaken Einbruch in die eigene Linie, statt sich zu
wehren, zum Teil die Gewehre wegwarf und davonlief, zum Teil dem Gegner mit er-
hobenen Händen oder durch Tücherschwenken Zeichen der Übergabe machte und den
Russen entgegenging".
2) In diesen Kämpfen erwarb sich der Kommandant der 5. IBrig., GM. Richard
Müller, das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens.
606
Der Feldzug von Brest-Litowsk
gelöst werden. Die von der Armee ab teilung Woyrsch zur Verfügung
gestellten Kräfte, die das 4. Armeekmdo. hinter dem rechten Flügel des
VIII. Korps zusammenzog, waren zu schwach, um entscheidend zu wirken.
GFM. Mackensen schob wohl die Armeereserve der 11. Armee, die
119. ID., hinter das deutsche X.Korps, lehnte aber jede unmittelbare
Unterstützung der 4. Armee ab, da weitere Kräfte aus der Front zu
ziehen ohne Schädigung der eingeleiteten Operation nicht angängig sei,
überdies eine vorzeitige Teiloffensive keinen nennenswerten Erfolg ver-
spreche. Das Heeresgruppenkmdo. hoffte aber, „daß es der 4. Armee
gelingen werde, im wesentlichen die jetzt erreichte Linie bis zum Be-
ginne der allgemeinen Offensive zu halten".
Im Sinne dieser Weisungen Mackensens ordnete das 4. Armeekmdo.
für den 9. Juli das unbedingte Behaupten der erkämpften Räume an»
Dieser Tag fand die Truppen der 4. Armee in den Stellungen des
Vorabends. Nachtsüber hatte der Kampf an der ganzen Armeefront
weitergeschwelt, war bald hier, bald dort lebhafter aufgeflackert, ohne
aber eine entscheidendere Wendung zu nehmen. Während des 9. Juli
erneuerten die Russen ihre Angriffe gegen die ganze Armeefront. Das
XVII. Korps wehrte vormittags, die Masse der Armee (XIV., IX. und
VIII. Korps) nachmittags und abends mehrere heftige Vorstöße des
Feindes ab, wobei es verschiedentlich zum Kampfe von Mann gegen
Mann kam. Mit besonderer Hartnäckigkeit hatten die Russen die Stel-
lungen der 106. LstlD. auf den Höhen knapp südlich von Wilkolaz an-
gegriffen, die inselartig weithin über die flachwellige Umgebung her-
vorragten. Schweres und leichtes Artilleriefeuer war den ganzen Tag
auf den Linien gelegen; erst bei Einfall der Dämmerung erfolgte der
Ansturm mit großer Wucht. Nur im Gegenangriff, nach erbittertem
Handgemenge, blieb das in den Reihen des Landsturmes fechtende nord-
böhmische SchR. 9 der 26. SchD. Herr der Stellung.
So hatte die 4. Armee an diesem heißen Kampftage allen Anstürmen
getrotzt. Dennoch war der Erzherzog, der im Laufe des 9. alle Korps-
kmdos. aufgesucht hatte, um sich über die Lage und über den Zustand
der Regimenter zu unterrichten, noch von ernsten Sorgen bedrückt. Denn
auf Grund der mündlichen Berichte der Korpskommandanten, daß die
Truppen durch die ununterbrochenen Kämpfe der letzten Tage sowie
durch Hitze und Wassermangel schwer erschöpft seien, stand der Armee-
führer „unter dem Eindrucke, daß noch bis zum 10. Juli nachmittags ein
kritischer Zustand" bestehen werde. Dem könne nur durch Bildung von
Reserven begegnet werden, deren Auslösen aus der Front und Bereit-
Die 4. Armee wird verstärkt
607
stellen die Zeit bis zum 10. Juli beanspruchen würde. In dieser Hinsicht
war man in Teschen dem 4. Armeekmdo. bereits entgegengekommen.
Denn auf das Drängen Falkenhayns nach Verstärkung der 4. Armee hatte
die k. u. k. Heeresleitung, von ihrem ursprünglichen Widerstand abkom-
mend, nunmehr der Überführung der deutschen 103. ID. aus Syrmien
auf den russischen Kriegsschauplatz doch zugestimmt. „Um aber die
Verstärkung der 4. Armee rasch wirksam zu machen", unterstellte das
AOK. die im Verbände der 1. Armee befindliche k. u. k. 4. ID., die bei
Tarnobrzeg zum Abgehen an den Bug bereitstand, am 9. Juli der 4. Armee,
während hiefür die deutsche 103. ID. der Armee Puhallo zugeführt werden
sollte. Das 4. Armeekmdo. rechnete, daß die 4. ID. am 10. Juli um Zaklików
eintreffen werde, vereinigte die zwei Brigaden der 2. KD. um Majdan
Skotnik und zog die von der Armeeabteilung Woyrsch überwiesenen
fünf Bataillonex) und zwei reitende Batterien der 2. KD. um Stróza
zusammen. Überdies verfügte es die Bildung von Reserven aus dem
eigenen Stande. Das XVII. Korps hatte die halbe 41. HID. hinter den
rechten Flügel der Gruppe Roth, das VIII. Korps eine „starke Kraft"
hinter die Abschnittsgrenze zwischen dem X. und dem VIII. Korps zu
schieben. Das AOK. in Teschen, das anscheinend eine pessimistische Auf-
fassung der Lage nicht aufkommen lassen wollte, eröffnete im eindring-
lichen Ferngespräch dem Chef der Operationsabteilung der 4. Armee :
„Wir brauchen noch eine ganze lange Woche Zeit, bis östlich der Armee
alles soweit bereit ist, damit mit ganzer Kraft losgegangen werden kann;
bis dahin muß durchgehalten werden. Solange nicht alles vom höchsten
Führer abwärts Tag und Nacht unerbittlich am Werke ist, kann es nie
gehen. Landgraf, werde hart!"
Das Oberkmdo. Mackensen hatte die Bitte der 4. Armee, am 10. Juli
die hinter dem deutschen X.Korps stehende deutsche 119. ID. in den
Raum nördlich von Biskupie zu entsenden, abgeschlagen, da es eine Ver-
schiebung dieser Division, die bei der bevorstehenden Offensive als
Reserve hinter dem entscheidungsuchenden linken Flügel der 11. Armee
ausersehen war, weiter nach Westen in den Bereich der 4. Armee für.
unzulässig erachtete.
Die Nacht zum 10. Juli brachte nur dem VIII. und dem IX. Korps
heiße Kämpfe. In dichten Linien brachen Truppen des XV. und des
XXV. Russenkorps, verstärkt durch zwei Regimenter des westlich der
Weichsel stehenden Grenadierkorps, gegen die Verschanzungen der 47. RD.
1) Sie wurden nicht in den Kampf eingesetzt und Mitte Juli der Armeeabteilung
Woyrsch wieder überstellt.
608
Der Feldzug von Brest-Litowsk
und den rechten Flügel der 62. ID. vor, drangen stellenweise in deren
Linien ein, wurden aber dann in hartem Nahkampf abgewehrt. Ebenso
mißlangen die Versuche des Feindes, die vielumkämpften Höhen südlich
vonWilkolaz der 106. LstlD. zu entreißen; der hohe Bluteoll der Russen
war hier vergeblich entrichtet worden. In den anderen Kampfabschnitten
hatte nachtsüber Ruhe geherrscht. Sie wurden auch im Laufe des 10. Juli
— von einem ergebnislosen russischen Vorstoß entlang der Bystrzyca
abgesehen — unbelästigt gelassen. Die Bereitstellung der Reserven war
planmäßig erfolgt. Nur mit dem Eintreffen der 4. ID. bei Zaklików
konnte nicht am 10., sondern erst am 12. Juli gerechnet werden.
Gegenüber der Front des XIV., des IX. und des X. Korps begannen
sich die Russen gründlich einzugraben. Vor dem rechten Flügel des
VIII. Korps wichen sie sogar hinter die Urzçdowka zurück. Flieger
konnten am 10. Juli vormittags Truppenverschiebungen nicht mehr wahr-
nehmen. Den russischen Angriffen am 9. Juli hatte es an Geschlossenheit
und Einheitlichkeit gefehlt, so erbittert die einzelnen Vorstöße auch
geführt wurden. Dies alles schien darauf hinzudeuten, daß sich die An-
griff skr aft der Russen in den opferreichen Kämpfen der letzten Tage
stark erschöpft hatte.
Die „Zweite Schlacht bei Krasnik" war geschlagen — unter herben
Verlusten hüben und drüben. In viertägigen heißen Kämpfen hatten die
Truppen der 4. Armee die stellenweise festungsartig ausgebauten Linien
des XV. und des IX. Russenkorps beiderseits der Bystrzyca durchbrochen,
56 russische Offiziere und 15.500 Mann zu Gefangenen gemacht, 6 Ge-
schütze sowie 21 Maschinengewehre erbeutet und waren bei einem
Geländegewinn von 20 km Tiefe auf einen Tagmarsch an den für die
Russen so wichtigen Schienenstrang Iwangorod—Lublin—Cholm heran-
gekommen. In schwerster Besorgnis um diese Lebensader seines Heeres
hatte daraufhin Alexejew zwischen dem 7. und 9. Juli die Reserven in
die Schlacht geworfen, die ihm gerade zur Hand gewesen waren: das
XXV. und das VI. sib. Korps, beide auf vollem Kriegsstand und dazu
bestimmt, sich im Räume von Cholm der Armee Mackensen in den Weg
zu stellen. Nun zog die 4. Armee, bloß auf die eigene Kraft angewiesen,
da weder die 4. ID. noch die von Woyrsch gesandten Verstärkungen zu
rechter Zeit einlangen konnten, jene Masse frischer russischer Streiter
auf sich. Ihre Abwehr kostete die Einbuße eines etwa 5 km breiten Streifens
schwer eroberten Bodens und — was noch mehr wog — wieder viel kost-
bares Blut. Die Heeresleitung stand denn auch, als die ersten Nachrichten
über das Zurückgleiten des XIV. und des IX. Korps eintrafen, unter dem
Entschluß zur Zurücknahme der russischen Heeresmitte
609
Eindruck eines nicht unbedenklichen Rückschlages; aber sie sagte sich
schließlich mit Recht, daß die 4. Armee gegenüber dem bevorstehenden
Hauptstoße Mackensens eine Winkelriedrolle übernommen haben mochte.
Auch die DOHL. urteilte am 9. Juli, es werde sich „vielleicht später als
nützlich erweisen", daß der Feind so starke Kräfte gegen die 4. Armee
angesetzt habe.
Ließen schon diese Hoffnungen die Dinge in einem wesentlich gün-
stigeren Lichte erscheinen, so hatte die Schlacht bei Krasnik aber noch
ein Ergebnis, dessen Größe damals im Lager der Verbündeten niemand
zu ahnen vermochte. Sie hatte in ihrem Auftakt erheblichen Anteil
daran, daß die oberste Führung der Russen zu Entschlüssen von großer
Tragweite genötigt wurde.
Die großen Führerentschlüsse in der ersten Julihälfte
Die Niederlage des XV., des IX. und des X. Korps der russischeil
3. Armee in den Kämpfen nördlich von Krasnik und an der Zolkiewka,
durch die die Widerstandskraft dieser Armee erschüttert wurde, war der
Anlaß für entscheidende Maßnahmen, die der Oberbefehlshaber der russi-
schen Nordwestfront, Gen. Alexejew, am 4. Juli getroffen hatte. Sie be-
zweckten einerseits eine Verstärkung der 3. und der 13. Armee, um sie
zum Widerstand gegen einen auf sie gerichteten Hauptangriff der Ver-
bündeten zu befähigen, dann aber auch die Bereitstellung von Verfü-
gungstruppen, die im Räume Bjelostok—Osowiec rasch zur Abwehr eines
über den Narew geführten deutschen Vorstoßes, der der Gesamtlage
nach nicht unwahrscheinlich erschien, vereinigt werden konnten1).
Da in den bisherigen äußerst verlustreichen Kämpfen 2) alle Heeres-
reserven aufgebraucht worden waren, sollten solche durch Zurücknahme
und Frontverkürzung der 12., der 1., der 2. und der 4. Armee gewonnen
werden. Im einzelnen bestimmte Alexejew, daß der rechte Flügel der
12. Armee und die 1. Armee zu einem von den beiden Armeeführernein-
vernehmlich festzusetzenden Zeitpunkt in die Linie Krasnosielc—Ciecha-
now—Plonsk zurückzugehen hätten, bei Ausscheidung je einer Division
als Reserve südlich von Osowiec und bei Rozan. Die durch Festungs-
artillerie zu verstärkende 2. Armee sollte in der Nacht zum 7. Juli in die
!) Nesnamow, IV, 70ff.
2) Die unter öst.-ung. Oberbefehl an der Ostfront kämpfenden verbündeten
Armeen hatten im Mai und Juni von den Russen 1400 Offiziere und 460.000 Mann
als Gefangene, dann 344 Geschütze und 940 Maschinengewehre als Beute eingebracht.
II
39
610
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Bìonie-Grójecstellung zurückgenommen werden. Der 4. Armee wurde
die Zurücknahme ihres linken Flügels bis an die untere Il±anka und den
Chodelbach und die Versammlung tunlichst starker Kräfte auf dem
östlichen Weichselufer aufgetragen. Für den Fall der Notwendigkeit
wurde der Armee sogar der schrittweise durchzuführende Rückzug ihrer
ganzen Front bis in die Linie Wysmierzyce—Jedlnia—Janowiec zugestan-
den. Die den Nordflügel der Heeresmacht Alexejews bildenden zwei
Armeen, die 10. und die 5., hatten sich auch weiterhin in ihren Stellungen
zu behaupten, wobei jene sich an der Straße Augustow—Grodno gegen
feindliche Vorstöße vorsehen, diese eine Schützenbrigade nach Bjelostok
zur Verfügung des Höchstkommandierenden entsenden sollte. Die 3. und
die 13. Armee wurden angewiesen, „dem Drucke des Gegners durch
einige Tage den hartnäckigsten Widerstand entgegenzusetzen". Auch
sonst ließ man nichts unversucht, die Kampfkraft der Armeen der Nord-
westfront zu erhöhen. Alle rekonvaleszenten Offiziere und Mannschaften,
alle vorhandenen Offiziersersätze, rund 100.000 Mann bewaffneter Er-
gänzungen aus dem Stande der Ersatzbataillone und der letzte Vorrat
an 40.000 Gewehren wurden der Nordwestfront zugeführt.
Gen. Alexejew mochte wohl erkannt haben, daß die eben angeführten
Maßnahmen allein nicht ausreichen konnten, um die kritische Lage der
im Weichselgebiete von den Heeren der Verbündeten umfaßten russi-
schen Armeen zu bessern; in solcher Bedrängnis bat er den Großfürst-
Generalissimus zu einer Beratung nach Siedlec, die schon am 5. Juli statt-
fand. In dieser wurde die allgemeine Lage dahin beurteilt, daß sich der
Gegner im Weichselvorlande, am Narew, am Njemen und in Kurland in
der Abwehr verhalte, und daß seine dortigen Angriffe nur als Schein-
unternehmen zu betrachten seien. Höchst bedrohlich sei aber seine zwischen
Weichsel und Bug geführte Offensive, die die Lage der Russen „auf dem
vorderen Kriegsschauplatze" ernstlich gefährde. Um nun Alexejew zu
befähigen, „die lebenden Kräfte der ihm unterstellten Armeen zu er-
halten, die für den bevorstehenden, noch lange andauernden Krieg nötig
sind", ermächtigte ihn der Höchstkommandierende, die Armeen vom
Mittellauf der Weichsel noch weiter nach Osten zurückzuführen. Ohne
damit den Gen. Alexejew in der Wahl der neuen Stellungen beeinflussen
zu wollen, wies er auf die Linie Lomza—Malkin— Lukow—Parczew—
Wlodawa—Ratno hin; als äußerste Grenze des auch ihm als unvermeidbar
erscheinenden Rückzuges bezeichnete er den Bobr, den oberen Narew,
Brest-Litowsk und Ratno1).
*) Nesnamow, IV, 71; Danilow, 524f.
Operationspläne der Verbündeten
611
Was die in dem Räumungsgebiete liegenden Festungen anbelangt,
wurde Iwangorod nur als Teil einer schon früher errichteten Feldstel-
lung bezeichnet, die „die Freiheit des Manövrierens auf beiden Ufern
der mittleren Weichsel wahren sollte". Sie durfte daher jetzt im Verlauf
des Rückzuges geräumt werden. Der Festung Nowogeorgiewsk wurde in
der Beratung in diesem Zusammenhang nicht gedacht; sie hatte sich daher
auf eine Einschließung und isolierte Verteidigung vorzubereiten.
Der Beginn der Rückverlegung des 650 km langen russischen Stel-
lungsbogens zwischen der Bobrmündung und Sokal in eine der beiden
nur mehr 400 km, beziehungsweise 370 km langen Sehnenstellungen ver-
zögerte sich aber erheblich. Denn der wegen der allgemeinen Not
dringend gebotene Abschub der im Räume um Warschau befindlichen
Vorräte und industriellen Einrichtungen erforderte etwa drei Wochen
Zeit1). Doch noch ehe diese Frist verstrichen war, schritten die Armeen
der Verbündeten nicht nur am Dniester und zwischen der Weichsel und
dem Bug, sondern auch gegen den unteren Narew zum Angriff.
Bereits am 28. Juni hatte GO. Conrad auch schon die Aufmerksam-
keit Falkenhayns auf die Frage der Mitwirkung der Heeresgruppe Hin-
denburg gelenkt. Er regte an, die Offensive der Heeresgruppe Mackensen
durch einen aus dem Räume der Armee Gallwitz in der Richtung auf
Siedlec zu führenden Stoß zu einer doppelseitigen Umfassung der zwischen
Bug, Weichsel und Narew befindlichen russischen Heeresmassen auszu-
bauen. Hiebei empfahl er, ähnlich wie das Abziehen der k. u. k. 1. Armee
nach Osten erfolgte, auch aus der vor Warschau stehenden deutschen
9. Armee Kräfte auszusparen. Diese und vielleicht auch von der deut-
schen 10. und 8. Armee entnommene Kräfte sollten die Armee Gallwitz
besonders stoßkräftig machen.
Falkenhayn ging auf die Vorschläge Conrads, die die Grundzüge
des Operationsplanes für den Sommerfeldzug 1914 gebildet hatten, rasch
ein. Doch die leitenden Personen des „Oberost" waren anderer Meinung.
Hatte GM. Ludendorff schon am 7. Juni darauf hingewiesen, daß nörd-
lich des Njemen die den gleichen Namen tragende deutsche Armee, wenn
sie verstärkt würde, durch Vorrückung über Kowno und Wilna gegen
den Rücken der russischen Hauptkräfte zur Vernichtung des Feindes
wesentlich beitragen könnte2), so vertrat GFM. Hindenburg in einer am
*) Korolkow, Das mißlungene Cannae, 29f.
2) Ludendorff, Kriegs er inner ungen, 114; Kühl, I, 231; Hindenburg,
Aus meinem Leben (Leipzig 1920), 127.
39*
612
Der Feldzug von Brest-Litowsk
2. Juli in Posen unter dem Vorsitze des Kaisers stattfindenden Besprechung
den gleichen Gedanken.
Doch die Ausführungen des Generalfeldmarschalls überzeugten
Falkenhayn nicht1), Erschien es ihm schon fraglich, ob mit der geringen
Verstärkung von zwei Divisionen, die der Njemenarmee zugeführt werden
konnten, die rasche Bezwingung der Festung Kowno möglich sein werde,
so bezweifelte er noch mehr, daß mit diesen schwachen Kräften in den
weiten Räumen nördlich des Njemen eine Wirkung zu erreichen sein
werde. Ein Herüberwerfen von weiteren Verstärkungen aus dem Westen
kam bei der gespannten Lage aber nicht in Frage, und ein Zuführen
von Truppen aus Galizien hätte zu viel Zeit erfordert. Nach Ansicht
Falkenhayns hatten die Russen die Gefahren der ihnen drohenden großen
operativen Umfassung ohnehin längst erkannt und besaßen in ihrer
zahlenmäßigen Überlegenheit, in ihrem leistungsfähigen Eisenbahnnetz
und in der Rücksichtslosigkeit, mit der sie Boden preisgaben, die Mittel,
einer solchen Umklammerung entgegenzuwirken.
Kaiser Wilhelm entschied hierauf gegen den Generalfeldmarschall.
Die Armee Gallwitz erhielt den Auftrag, von der Südgrenze Ostpreußens
her am 12. Juli zu beiden Seiten von Przasnysz die russischen Stellungen
am unteren Narew zu durchbrechen und zur Entlastung der Heeresgruppe
Mackensen gegen den Bug vorzugehen2). Hiedurch war den Wünschen
Conrads im vollen Maße Rechnung getragen.
Tags zuvor hatte FM. Erzherzog Friedrich für die der k. u. k. Heeres-
leitung unterstehenden Armeen die durch Conrad und Falkenhayn ver-
einbarten „Direktiven für die Fortführung der Operationen" erlassen,
die die Abschnürung des Weichselbogens einleiten sollten.
Hiezu hatte GFM. Mackensen mit der 4., der 11. und der Bugarmee
zwischen Weichsel und Bug anzugreifen. Die 1. Armee, die nunmehr
doch auch Mackensen unterstellt und durch das XXXXI. RKorps ver-
stärkt wurde, hatte mit mindestens vier Infanterie- und drei Kavallerie-
divisionen über den Bug gegen Wladimir-Wolynski vorzustoßen und mit
dem Rest den Bug bis D^b (5 km östlich von Mosty Wielkie) zu decken.
Die Ablösung der noch am Bug zwischen Kamionka-Strumilowa und
D^b stehenden Gruppe Szurmay hatte die 2. Armee bis zum 14. Juli zu
besorgen. Die den Ostschutz versehenden Armeen Böhm-Ermolli und
Bothmer hatten sich bereitzuhalten, zum Angriff überzugehen, um ein
Abziehen von Feindkräften vor ihrer Front zu vereiteln. Der 7. Armee
1) F a 1 k e n h a y n, 96 ff.
2) Kühl, I, 232 f; vergleiche auch Gallwitz, 268 ff.
Der Angriffsplan Pflanzer-Baltins
613
wurde der Angriff zwischen Strypa und Sereth auf Buczacz und Czort-
ków vor gezeichnet. GO. Woyrsch sollte ein Abziehen russischer Heeres-
körper auf das rechte Weichselufer verhindern und selbst mit starkem
rechtem Flügel im Einklang mit der 4. Armee vorgehen, wobei er darauf
bedacht zu sein hatte, auch über die Weichsel hinweg angreifen zu
können. Der Angriffsbeginn wurde Mackensen, Woyrsch und Pflanzer-
Baltin überlassen.
Die Verdrängung der Russen aus dem Weichselbogen
Die Dniesterkämpfe vom 14. bis zum 19. Juli
Hiezu Skizze 33
Die zwei ersten Kampftage
Die der 7. Armee aufgetragene Aufgabe eines Vorstoßes bis Buczacz
und Czortków gedachte GdK. Pflanzer-Baltin durch einen zangenartigen,
aus zwei Fronten angesetzten Angriff zu erfüllen. Den Hauptstoß bei
dieser in der Nacht auf den 14. Juli zu beginnenden Kriegshandlung
hatte das III. Korps, FML. Krautwald, zwischen Strypa und Sereth in
der Richtung auf Tluste zu führen, wozu ihm auch die Masse der
Armeereserven (9., 12. IBrig. und Brigade Obst. Kuhn, insgesamt 14 Ba-
taillone) unterstellt wurde. Das Schwergewicht war hiebei auf den
Übergang im Dniesterabschnitt Iwanie—Uscieczko zu legen. Rechts vom
III. Korps sollte die Korpsgruppe FML. Benigni mit der 3., der 6., der
8. und der 10. KD. in den Rücken der russischen 9. Armee vordringen.
Um das Vorbrechen dieser gewaltigen Masse von 9600 Reitern zu er-
möglichen, hatten die 6. ID., FML. Schönburg, und die Fußabteilungen
der Kavallerie di visionen in der Dniesterschlinge bei Doroschoutz den
Fluß zu überschreiten und die russische Aufstellung zu durchstoßen.
Durch die geschlagene Bresche sollte dann das Reitergeschwader auf
dem östlichen Serethufer bei Sicherung gegen Chotin und gegen Kamieniec-
Podolski nach Norden ausschwärmen. Die 6. ID. hatte in einem auf dem
nördlichen Dniesterufer vorgebauten Brückenkopf der Reiterei als Rück-
halt zu dienen.
Den Nebenangriff auf Buczacz hatte die durch Teile der 15. ID.
auf 16 Bataillone und 15 Batterien verstärkte 36. ID. des XIII. Korps,
FML. Schreitter, aus westlicher Richtung über die untere Zlota Lipa zu
614
Der Feldzug von Brest-Litowsk
führen, indes sich die 5. und die 15. ID., zusammen nur noch 14 Batail-
lone und 10 Batterien stark, auf die Behauptung des anschließenden
Dniesterabschnittes zu beschränken hatten. FML. Korda sollte mit dem
durch die aus Siebenbürgen eingetroffene 202. HIBrig., Obst. Sávoly,
verstärkten XI. Korps zwischen dem Dniester und dem Pruth Flanke
und Rücken der 7. Armee decken. Die 5. HKD. stand westlich von
Dobronoutz als Armeereserve.
Die zur Mitwirkung aufgeforderte Südarmee erreichte erst am 16.
die erforderliche Kampfbereitschaft. Dennoch verstand sich der Führer
des an die 7. Armee anschließenden Korps Hofmann dazu, Teile der
durch Infanterie verstärkten l.KD. den Flußübergang der 36. ID. be-
gleiten zu lassen, während die Brigade Bolzano und die 55. ID. zunächst
nur durch Feuer wirken sollten. Ähnliches versprach auch die jetzt dem
Kommando der Südarmee direkt unterstellte 48. RD. zu tun.
Bei der Hauptstoßgruppe, beim III. Korps, begann die Offensive
mit dem in der Nacht zum 14. bewirkten Flußübergang der 12. IBrig.,
Obst. Rudolf Müller, die den Feind von Iwanie bis in den nördlich davon
befindlichen Wald zurückwarf. Rechts anschließend griff die 30. ID.,
FML. Kaiser, vom 13. Juli llh nachts angefangen mit starkem linkem
Flügel an, durchbrach drei russische Stellungen und stellte am 14. die
Verbindung mit der Brigade Müller her. Gegen den russischen Brücken-
kopf von Czernelica griff die 28. ID., GM. Edi. v. Hinke, schon am 13.
abends mit starkem rechtem Flügel an, gewann nahe am Dniester auch
etwas Boden, wurde dann aber durch russisches Flankenfeuer, das vom
Nordufer herüberschlug, niedergehalten.
Das Korps Benigni überschritt am 13. Juli nachmittags mit den zu-
sammen 13 Infanterie- und Kavallerieschützenbataillone starken Kampf-
gruppen FML. Schönburg und Obst. Gheri (IR. 97) den Fluß und gewann
nach Überwindung der russischen Uferstellung bis zum Morgengrauen
die Linie zwischen der Serethmündung und Sinków. Zur Fortsetzung
des Angriffes wurden die 8. und die 6. KD. zu Fuß auf dem rechten
Flügel eingesetzt und samt der Gruppe Gheri dem Führer der 8. KD.,
FML. Lehmann, unterstellt. Der Angriffsbeginn verzögerte sich aber
wegen der nötigen Artillerievorbereitung und wegen des Nachführens
der zugewiesenen Verstärkungen, dann auch wegen heftiger feindlicher
Gegenangriffe bis in die Abendstunden. Der Kommandant des etwa
vier Infanterie- und dreieinhalb Kavalleriedivisionen starken russischen
XXXIII. Korps hatte sofort die ihm drohende Gefahr erkannt und von
Tiuste her seine Verfügungstruppen der Gruppe Benigni und der 12. IBrig.
Erfolge des Korps Benigni
615
entgegengeworfen. Bei den sich nun entspinnenden erbitterten Nacht-
kämpfen gelang es den Truppen Benignis bis zum Mittag des 15., die
stark verdrahtete russische Sehnenstellung bei Sinków zu durchbrechen
und sich nach Osten hin auszubreiten1).
Weniger glücklich focht das III. Korps. Starke russische Gegenangriffe
durchstießen die Verbindung zwischen den Gruppen Kaiser und Müller.
Diese wurde gleich darauf bei Iwanie bedrängt, wobei das oft bewährte
Kärntner IR. 7 in heldenmütigem Kampfe vierfach überlegenen Feind
zurückwies2). Auch auf dem Südufer war bei der Stärke des sich heftig
wehrenden Feindes kein Erfolg mehr zu erhoffen. Da der nunmehr auf-
tauchende Plan, von Zaleszczyki direkt nach Norden vorzustoßen, gleich-
falls keine Gewähr auf sicheres Gelingen bot, befahl GdK. Pflanzer-
Baltin dem III. Korps die Einstellung des Angriffes und die Abgabe der
noch verfügbaren Reserve, zwei Bataillone des IR. 16, an die Gruppe
Benigni. Diese wurde angewiesen, bei Einsatz aller Kräfte den Angriff
am 16. Juli fortzusetzen, wobei das Schwergewicht auf das westliche
Serethufer zu legen war, um dadurch das III. Korps zu entlasten.
Unterdessen hatte die 6. ID., FML. Schönburg, noch am 15. östlich
von Duninów gegen Wygoda Raum gewonnen und im Sereth-Dniester-
winkel festen Fuß gefaßt. Hinter ihr wurden die 3. KD. und das IR. 16
als Korpsreserve bereitgestellt; die Masse der 10. KD. behielt FML.
Benigni noch auf dem Südufer des Dniester zurück.
Die westliche Angriffsgruppe der 7. Armee, die 36. ID., ließ FML.
Schreitter am 14. Juli um 4h früh den Angriff über den Unterlauf der
Zlota Lipa beginnen. Doch nur die linke Flügelbrigade vermochte den
zähen Widerstand des rechten Flügels des russischen XXX. Korps zu
brechen und etwa tausend Schritte weit auf das Ostufer vorzudringen.
Schwache Teile der 1. KD. schlössen sich ihr an.
Der vom FML. Schreitter beschlossene Nachtangriff wurde durch
plötzlich einsetzendes Hochwasser beeinträchtigt. Am 15. gelang es da-
her nur mühevoll, den linken Flügel bis an die starken, von russischen
1) An diesem Schlachttage zeichnete sich eine Abteilung des Dragoner regiments
Nr. 3 durch Erstürmung von Duninów (westlich von Siñków) besonders aus. Der
Nachfolgetruppenkörper im österreichischen Bundesheere, die Wiener Dragonerschwa-
dron Nr. 2, feiert diese Begebenheit als Ehrentag. Sacken, Geschichte des k. u. k.
Dragonerregiments Friedrich August König von Sachsen Nr. 3, II (Wien 1927), 321 ff.
2) Das IR. 7 büßte in diesen zweitägigen Kämpfen 32 Offiziere und 1553 Mann
ein. Oberleutnant Friedrich Tomann des Regiments errang hiebei als Kompagniekom-
mandant das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens.
616
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Schützen und Kosaken verteidigten Stellungen heranzubringen, indes die
Mitte den östlichen Uferrand erreichte.
In der Meinung, der Angriff Schreitters werde erfolgreich sein,
wies das Kommando der deutschen Südarmee das Korps Hofmann zur
nachdrücklichen Unterstützung an. Gleichzeitig sollte sich die 55. ID.
nach Norden strecken; denn Gdl.Bothmer wollte alle entbehrlichen Trup-
pen hinter seinem linken Flügel bei Narajów versammeln, „um je nach
der Entwicklung der Gesamtlage und möglichst im Zusammenwirken mit
der 2. Armee am 17.oder 18. den Feind an der ZlotaLipa zu durchbrechen".
Zu dieser Stunde erfüllten ähnliche Gedanken und Hoffnungen auch
das 7. Armeekmdo. Der Armeegeneralstabschef, Obstlt.Ritt. v.Zeynek, gab
in einem Ferngespräch mit dem AOK. seiner Meinung dahin Ausdruck,
daß der Angriff Benignis wohl bald den Gipfelpunkt überschritten haben
werde, für die Gruppe Schreitter und die Südarmee dann aber umso
größere Erfolgsmöglichkeiten gegeben seien. Doch nur der erste Teil
der Voraussage Zeyneks sollte sich erfüllen.
Die Ereignisse auf dem Ostflügel der 7. Armee und an der Zlota Lipa
Am 16. Juli vormittags setzte die Gruppe FML. Schönburg des Korps
Benigni den Angriff längs des östlichen Serethufers nach Norden fort,
der auch dem bedrängten III. Korps Entlastung bringen sollte. Gegen
Mittag traf die Gruppe Schönburg aber ein durch etwa zehn russische
Bataillone von Wygoda her geführter heftiger Gegenstoß, der ihre
Front durchbrach und bis südlich von Duninów Raum gewann. Durch
Einsatz der 3. KD. und des heranhastenden IR. 16 wurde der Feind nach
erbittertem, bis in den Abend währendem Ringen an den Südrand von
Duninów und den östlich davon sich erstreckenden Wald zurückgeworfen.
Der auf dem Kampffelde anwesende Armeekommandant verfügte
jetzt das eilige Heranführen von zwei Bataillonen des XIII. Korps, was
umso nötiger erschien, weil auch das XI. Korps heftig angegriffen
wurde. Dieses hatte schon an den beiden vorangegangenen Tagen Ent-
lastungsvorstöße des III. Kavallerie- und des fast nur aus Landsturm
gebildeten XXXII. Russenkorps abzuweisen gehabt. Am 16. berannten
die Russen an der bessarabischen Front schon vom frühen Morgen an
östlich von Dobronoutz, bei Rarancze und auf dem DoLzok das Korps
Korda, das aber alle Anstürme abzuweisen vermochte. Den gleichen Miß-
erfolg erlitten in den beiden f olgenden Nächten die an denselben Punkten
wiederholten russischen Vorstöße.
Einstellung des Angriffes an der Zîota Lipa
617
Auch die Gruppe Benigni hatte am 17. neuerliche Angriffe des
russischen XXXIII. Korps abzuwehren, wobei es die Russen jetzt nament-
lich auf die Flügel der brückenkopfartigen Aufstellung abgesehen hatten,
um die auf dem nördlichen Dniesterufer fechtenden öst.-ung. Truppen
in die Klemme zu bringen. Flankierendes Artilleriefeuer vom Südufer
her trug wesentlich zur Vereitlung der russischen Absicht bei.
Hatte die Offensive Benignis am 16. vormittags ihren Höhepunkt
erreicht gehabt, so war diese Gruppe jetzt vollends in die Abwehr
zurückgeworfen, obwohl sie durch Zuschübe auf 19 Infanterie-, 5 Kaval-
lerieschützenbataillone und 69 Reiterschwadronen verstärkt worden war.
Am 18. abends und am 19. früh hatte sie noch heftige Angriffe abzuwehren.
Zwei bei Dobronoutz und auf dem DoLzok in der Nacht auf den
19. von Teilen des XI. Korps erfolgreich ausgeführte Überfälle be-
nahmen den zwischen dem Dniester und dem Pruth stehenden russischen
Reichswehr- und Reiterabteilungen jede Lust zu weiteren Unternehmen,
worauf der Kampf lärm auf dem Ostflügel Pflanzer-Baltins verstummte.
In der Mitte der Armee Pflanzer-Baltin beschränkten sich die
Kampfereignisse am 16. und 17. auf russische Nachtangriffe gegen die
von der Gruppe Obst. Müller hartnäckig verteidigten Stellungen bei
Iwanie. Obwohl hier durch Gefangene acht russische Regimenter fest-
gestellt worden waren, fehlte dem zusammengewürfelten Zentrum des
russischen XXXIII. Korps nach dem hohen Blutzoll, den es am 15. hatte
entrichten müssen, der nötige Schwung zur Eroberung des Brückenkopfes.
An der Zlota Lipa mühten sich die 36. ID. und die am 15. spät
abends auf das Ostufer übergegangene l.KD. am 16. vergebens ab,
gegen die gut ausgebauten und stark besetzten inneren Flügel des XXX.
und des XI. Russenkorps vorzudringen. Der Nordflügel Schreitters war
überdies durch die Abwehr eines nächtlichen Angriffes stark ermüdet
worden. Als das 7. Armeekmdo. um 6h nachm. noch die Abgabe von
zwei Bataillonen der 36. ID. an die Gruppe Benigni befahl, war der
Angriff über die Zîota Lipa vollends zum Versanden verurteilt. Am 17.
mußte FML. Schreitter sogar seine Mitte auf das bessere Verteidigungs-
möglichkeiten bietende Westufer zurücknehmen.
Bei der Südarmee hatte FML. Hofmann sein Korps zum Angriff
bereitgestellt, der in der Nacht vom 17. auf den 18. beginnen sollte.
Ein Nachtangriff der Russen gegen die 1. KD. störte die Bereitstellung,
obwohl er abgewiesen wurde. Als dann die Brigade Bolzano gegen die
östlich von Toustobaby auf dem rechten Ufer der Zlota Lipa befindlichen
starken Feindstellungen vorging, geriet sie in sehr wirksames russisches
618
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Artilleriefeuer und blieb, wenig angriffsfähig, liegen. Von der 55. ID.
gelangten wohl Teile auf das Ostufer, mußten aber am 19. wieder auf
das Westufer zurückgenommen werden, da die Brigade Bolzano keinen
Raumgewinn erzielte. Am 20. befahl FML. Hofmann seinen Truppen,
sich fortab auf die Verteidigung zu beschränken, nur die Brigade Bol-
zano sollte mit Sappen ihre Bemühungen fortsetzen.
Zur Verwirklichung der Angriffspläne, die Gdl. Bothmer für seinen
Nordflügel hegte, bot sich überhaupt keine Gelegenheit.
Die Dniesterschlacht zeitigte für die k. u. k. 7. Armee nur die Ge-
winnung eines größeren Brückenkopfes nördlich von Doroschoutz und
von zwei kleineren bei Iwanie und Krasiejów, deren Behauptung natür-
lich mehr Kräfte beanspruchte als die früheren Stellungen mit dem
Flußhindernis vor der Front. Angesichts des aufgetragenen weitreichen-
den Zieles, Verdrängung der Armee Letschitzki,. gewiß ein dürftiges
Ergebnis, das teuer erkauft worden war. Die Einbuße des Korps Benigni
allein betrug vom 13. bis 21. Juli 8800 Mann.
Der zähe Widerstand der unerschütterten, dreizehn Infanterie- und
achteinhalb Kavalleriedivisionen starken russischen 9. Armee, die wieder
reichlich mit Schießbedarf versehen war, hatte es den zehneinhalb In-
fanterie- und fünf Reiterdivisionen Pflanzer-Baltins unmöglich gemacht,
ihre Aufgabe zu erfüllen.
Das Vordringen der Verbündeten bis Cholm, Lublin
und bis vorIwangorod
(15. Juli bis 1. August)
Hiezu Beilage 33
Angriffsplan und Bereitstellung der Armeen
Zur Fortführung der Offensive hatte GFM. Mackensen, dessen Heeres-
macht nun insgesamt 4IV2 Infanterie- und 5 Kavalleriedivisionen stark
war, am 11. Juli die Weisung erhalten, mit der 4., der 11. und der ,Bug»-
armee zwischen Weichsel und Bug anzugreifen (S. 612). Die ihm gleich-
falls unterstellte 1. Armee sollte den Schutz gegen Osten hin versehen.
Im Einklang mit dieser Offensive hatte auch die nur fünf Infanterie-
und zwei Reiterdivisionen starke Armee Woyrsch mit starkem rechtem
Flügel links der Weichsel vorzustoßen.
Den drei für den Angriff gegen Norden bestimmten Armeen (3 31/2
Die Angriffsaufgaben der Armeen Mackensens
619
Infanterie- und 2 Kavallerie di visionen) setzte Mackensen als erstes Ziel
„die Gewinnung der Linie Nowo Aleksandrya—Lublin—Cholm".
Hiezu hatte die 4. Armee (ISV2 Infanteriedivisionen, 1 Kavallerie-
division1) östlich der Weichsel mit dem rechten Flügel Richtung auf
Lublin anzugreifen und sich rasch in den Besitz „des Höhengeländes'
westlich von Lublin zu setzen, das von entscheidender Bedeutung sein
wird". Rechts von der 4. Armee sollte die deutsche 11. Armee (12 In-
fanteriedivisionen, 1 Kavalleriedivision) den Angriff beiderseits des
Wieprz vortragen und hiebei den entscheidet!den Stoß westlich dieses
Flusses führen, um die starken, hinter der Wolica und der Wojslawka
gelegenen russischen Stellungen unhaltbar zu machen. Die östlich an-
schließende und bis zum Bug reichende Bugarmee (6 Infanteriedivi-
sionen) hatte mit dem linken Flügel auf Cholm vorzugehen.
Der Angriff hatte bei der 4. und der 11. Armee am 16. Juli zu
beginnen, bei der Bugarmee um einen Tag früher, damit sie am 16. auf
gleiche Höhe mit der 11. Armee gelangen konnte. Im Vorwärtskommen
legte das Heeresgruppenkmdo. keinem Teile der Angriffsfront eine
Beschränkung auf. Doch wurde, um die Übereinstimmung im Vorgehen
von der Bug- und der 11. Armee zu sichern, am ersten Angriffstage
das Erreichen von Hrubieszów, Uchanie, der Höhen nördlich der Woj-
slawka und nordwestlich von Krasnostaw, dann der Linie Siedliska Wk.
—Stryjna gefordert. Die 4. Armee gab ihren Korps in gleicher Höhe
liegende Tagesziele; sie wies sie auf die Höhen beiderseits von Piotr-
ków, südlich von Borzechów und südlich des Chodelbaches.
Die mit dem Flankenschutz des Stoßkeils Mackensens beauftragte
I. Armee (8 Infanterie- und 3 Kavallerie di visionen) sollte ihre Aufgabe
am rechten Flügel durch stehende Sicherung am Bug, mit dem linken
durch Begleiten des Angriffes über den Bug hinweg in der Richtung auf
Wladimir-Wolynski erfüllen.
Von den Russen standen im Vorrückungsraume Mackensens in sorg-
fältig ausgebauten, meist hinter natürlichen Hindernissen liegenden Stel-
lungen die 13. und die 3. Armee sowie drei Korps der 4. Armee samt
den Heeresreserven für die Südgruppe der Nordwestfront (Garde-und
II. sib. Korps), insgesamt 33 Infanterie- und 61/2 Kavallerie di visionen 2).
Die Armee Woyrsch hatte in dem weitgedehnten Räume zwischen Weichsel
!) Hiezu trat noch eine in Piotrków neu aufgestellte, vom Obst. Grzesicki be-
fehligte Brigade der Polnischen Legion in der Stärke von einem Infanterieregiment
und einer Schwadron.
2) Nesnamow, IV, 73.
620
Der Feldzug von Brest-Litowsk
und Pilica nur zwei Korps der russischen 4. und die Flügelabteilung der
2. Armee, insgesamt etwa fünf Infanterie- und anderthalb Reiterdivi-
sionen, gegenüber. In Anbetracht dieser Kräfteverteilung durften die
verbündeten Heeresleitungen wohl hoffen, daß der von Woyrsch bei
Sienno geplante Angriff leicht gelingen und sodann rasch gegen Iwan-
gorod Raum gewinnen werde. Östlich der Weichsel mußten sie aber mit
zähestem Widerstande rechnen, denn es war zu erwarten, daß der Russe
seine Lebensader, die Bahn Cholm—Lublin—Iwangorod, von der Süd-
gruppe der Nordwestfront nicht preisgeben lassen werde, solange seine
Truppen noch im Weichsel vorlande standen. Die in den letzten Tagen be-
obachteten eifrigen Schanzarbeiten zwischen Weichsel und Bug und
das Zuströmen von Verstärkungen, darunter der Garde und des II. sib.
Korps, die, wie man annehmen durfte, volle Stände hatten1), festigten
diese Auffassung bei den höheren Befehlsstellen der Verbündeten.
Bei der Heeresgruppe Mackensen gleichwie bei der Armee Woyrsch,
die ebenfalls am 16. zum Angriff anzutreten hatte, standen die wenigen
Tage bis zur genannten Frist im Zeichen der Vorbereitung für diese
große Kampfhandlung.
Bei der k. u. k. 4. Armee galt es zunächst, die in der „Zweiten
Schlacht bei Krasnik" stark durcheinandergeratenen Verbände des X.,
des IX. und des XIV. Korps zu ordnen, was durch die nach dem 10. Juli
eingetretene Kampfpause und den freiwilligen Rückzug der Russen vom
teuer erkauften südlichen Urzçdowkaufer (S. 608) erleichtert wurde. Das
Armeekmdo. plante, den Hauptschlag im Sinne des ihm zugekommenen
Auftrages entlang der Lubliner Straße zu führen, und verstärkte hiezu
das IX. Korps durch die von der 1. Armee abgezweigte 4. ID. (S. 607),
die zwischen der 106. LstlD. und der 41. HID. in die Front gestellt wurde.
Den vom Feinde geräumten Höhenrand südlich der Urzçdowka hatte
das X. Korps mit den anschließenden Teilen des IX. und des VIII. Korps
noch während der Nacht auf den 15. in Besitz zu nehmen, um am An-
griff smorgen den russischen Stellungen möglichst nahe und auf gleicher
Höhe mit den vordersten Linien der Nachbarabteilungen zu stehen.
Die Neugruppierung der 11. Armee hatte zwei Forderungen Rech-
nung zu tragen: der entscheidungsuchende Angriffsflügel westlich vom
Wieprz mußte verstärkt, und Raum für den linken Flügel der Bugarmee,
das Beskidenkorps, geschaffen werden. Hiezu hatte der Ostflügel der
*■) Die Garde (1. und 2. GID. sowie Gardeschützenbrigade) hatte einen Stand
von 40.000, das II. sib. Korps (4. und 5. sib. SchD.) einen Stand von 32.000 Feuer-
gewehren (Knox, I, 300).
Bereitstellung der Angriffsarmeen
621
11. Armee um Korpsbreite nach Westen zu rücken, wobei die deutsche
22. ID. und der größte Teil des VI. Korps ihre Stellungen dem Beskiden-
korps überließen, um selbst die Garde auf dem östlichen Wieprzufer ab-
zulösen und für eine Verwendung am Hauptangriffsflügel freizumachen.
Für die Bugarmee war es wichtig, daß das Beskidenkorps ehestens
bei ihr eintraf. Begreiflich daher, daß das Heeresgruppenkmdo. auf
rascheste Ablösung des Korps in seinen Stellungen am Bug durch Truppen
der 1. und der 2. Armee gedrängt hatte.
Das 1. Armeekmdo., das am 5. Juli in Lemberg eingetroffen war
und den Befehl über das im Sicherungsdienst am Bug stehende Korps
Szurmay (S. 585) übernommen hatte, war ernstlich bestrebt, dem Be-
fehle der Heeresgruppe so rasch nachzukommen, wie es die Verhältnisse
eben erlaubten. Doch der Aufmarsch der 1. Armee verzögerte sich wegen
der noch geringen Leistungsfähigkeit der Bahnen, die auch durch Nach-
schubtransporte aller Art schwer belastet waren.
Da bis zum 8. Juli die Truppen der 46. SchD. ausgeladen und die
13. SchD. der 2. Armee in Mosty Wielkie eingetroffen waren, konnte ,das
Beskidenkorps im Laufe des 9. und des 10. Juli abgelöst und für seine
neue Verwendung freigemacht werden. In der Nacht zum 13. Juli rückte
es, das Korps Arz und die deutsche 22. ID. ablösend, in den Abschnitt
Werbkowice—Grabowiec ein. Da diese Truppen wieder die Garde ab-
lösten, kam deren Masse westlich des Wieprz am Hauptangriffs-
flügel der 11. Armee zum Einsätze. Sie übernahm einen Teil der Stel-
lungen des XXII. RKorps und ermöglichte es diesem, sich für den
Angriff enge zusammenzuziehen. Am 15. Juli abends standen im Be-
reiche der 11. Armee die Korps vorderster Linie in ihren Angriffsstreifen
zum Vorbrechen bereit. Da auch die Armeere,serven in den befohlenen
Räumen eingetroffen waren, die 119. ID. und die aus dem Westen heran-
geführte preußische GKD. hinter dem linken Armeeflügel, das X.RKorps
hinter der Armeemitte beiderseits vom Wieprz, war die Neugliederung
der 11. Armee durchgeführt.
Einfacher gestaltete sich der Aufmarsch der Bugarmee (Beskiden-
korps, das aus der 11. bayr. und der 107. ID. neugebildete XXIV. RKorps,
Gdl. Gerok, deutsche 1. ID.) knapp östlich der 11. Armee in der Strecke
Grabowiec—Krylów. Mit dem Einrücken des Beskidenkorps in die Front-
linie und mit dem Eintreffen der deutschen 1. ID. im Armeebereiche
war der Aufmarsch der Bugarmee am 14. beendet, da die Divisionen
Geroks schon in dieser Linie standen, und das XXXXI. RKorps und die
ll.HKD. zur 1. Armee übertraten.
622
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Auch bei der 1. Armee war alles in Bewegung, um die zur Erfüllung
der ihr aufgetragenen Doppelaufgabe erforderliche Gruppierung anzu-
nehmen. Von den für den Stoß auf Wladimir-Wolynski bestimmten
Armeekörpern stand das XXXXI. RKorps bereits südlich von Krylów
am Bug. Das Korps Szurmay, das bei der 2. Armee herausgelöst worden
war (S. 585), erreichte am 15. Juli den Raum Moszków—Zabcze. Von den
drei Reiterdivisionen, die als Kavalleriekorps GLt. Heydebreck ver-
einigt wurden, waren an diesem Tage die 4. KD. und die deutsche 5. KD.
um Beiz, die ll.HKD. bei Oszczew eingetroffen. Zum Schutze dieses
Aufmarsches und des späteren Nordstoßes gegen eine Bedrohung von
Osten her hatte sich das I. Korps mit der 46. SchD. gegen den Bug vor-
geschoben; diese kam am 14. bis nahe an Sokal heran. Ihr sollte sich
später die von Syrmien herangeholte deutsche 103. ID. zugesellen, die
vom 15. an in Lemberg ausgeladen wurde. Südlich vom I. hatte auch
das II. Korps dem Ostschutz zu dienen. Hiezu schlössen die 25. ID. süd-
lich von Sokal bis Krystynopol, und weiter südlich die 13. SchD. an.
Die Russen störten den Aufmarsch des Ostflügels der Heeresgruppe
Mackensen nicht. Auch das russische XXVIII. und das XII. Infanterie-
sowie das IV. Kavalleriekorps, denen ein kühner Vorstoß gegen die an-
fänglich sehr locker gefügte Armee Puhallo vielleicht billige Lorbeeren
eingetragen hätte, verhielten sich — von Erkundungsvorstößen abgesehen
— im allgemeinen ruhig.
Wenn auch die letzten Transporte der k. u.k. 1. Armee noch bis zum
29. Juli rollten, konnte die Verschiebung und der Aufmarsch ihrer Kampf-
verbände doch am 15. Juli in großen Zügen als beendigt betrachtet werden,
eine unter den obwaltenden Verhältnissen beachtenswerte Leistung der
kaum wieder in Betrieb gesetzten, von den Russen gründlichst zer-
störten Bahnen.
Als die Sonne des 15. Juli zur Rüste ging, war die Neugliederung
der Heeresgruppe Mackensen vollzogen, die letzten Vorbereitungen zum
Generalangriff zwischen Weichsel und Bug waren getroffen.
Die Schlacht bei Krasnostaw
(16. bis 18. Juli)
Um die Bahnlinie Iwangorod—Lublin—Cholm rasch zu erreichen,
verlegte Mackensen das Schwergewicht des Vorstoßes der 11. Armee
(Masse der Garde, XXII. RKorps und 20. ID.) in den Raum westlich vom
Wieprz über Krasnostaw, weil hier die Entfernung zur Bahn am kür-
zesten war, dann aber auch deshalb, um die zwei starken, hinter der
Der Angriffserfolg Mackensens bei Krasnostaw
623
Wolica und hinter der Wojslawka angelegten russischen Stellungen von
Westen her unhaltbar zu machen. Die 19. ID. des deutschen X. Korps, die
den Anschluß zur 4. Armee bewirkte, hatte vorerst zuzuwarten und sich
nach Maßgabe des Fortschreitens des Angriffes der Vorbewegung des
Stoßkeiles anzuschließen.
Der Generalfeldmarschall wählte hiemit jenen Weg, den elf Monate
vorher, um die Monatswende August 1914, das k. u. k. X. Korps erfolg-
reich beschritten hatte (Bd. I, S. 231 ff.).
Als zweite, schwächere Angriffsgruppe der 11. Armee hatte das
k. u. k. VI. Korps im Anschluß an die Bugarmee über die Oberläufe der
Wolica und der Wojslawka vorzustoßen, um hiedurch die dort festhalten-
den Russen in die Zange zu nehmen. Der deutschen 22. ID. und einer
gemischten Abteilung der 2. GID., drei Bataillonen, vier Schwadronen
und vier Batterien unter GM. Freih. v. Preuschen, kam zunächst als
Zwischenglied auch nur eine festhaltende Aufgabe zu; sie hatten sich
aber bereitzuhalten, für den Fall eines Erfolges vorzubrechen.
Bei unsichtigem, die Feuervorbereitung beeinträchtigendem Wetter
begann am 16. die gewaltige Schlacht. Schon der erste Tag brachte dem
westlich vom Wieprz vorgehenden Angriffsblock der 11. Armee vollen
Erfolg. Die russischen Stellungen wurden in der ganzen Ausdehnung
erstürmt, und 6000 Gefangene eingebracht. Dennoch gelang es an keiner
Stelle, die russische Front — wie geplant — zu durchbrechen, obwohl
auch bereits die Armeereserve, die 119. ID., und Teile der GKD. ein-
gesetzt worden waren. Am Abend standen die Truppen vor neuen russi-
schen Verschanzungen, die sich vom Unterlaufe der 2olkiewka über die
Höhen westlich davon bis zum Oberlaufe des Gielczewbaches hinzogen.
Die Geschlossenheit der russischen Linien machte es unmöglich, die
Gardereiterei zur Verfolgung ausholen zu lassen.
Auch der 17. Juli brachte dem Stoßkeil nicht den erwünschten Gewinn.
Wohl warfen die deutschen Truppen die Russen an der ganzen Angriffs-
front aus ihren Stellungen, ein regelrechter Durchbruch aber glückte
wieder nicht. Der zweite Schlachttag schuf jedoch die Vorbedingungen
für den Erfolg am 18. Juli. Die Garde erstürmte abends Krasnostaw und
Góry; sie hatte hiedurch einen Brückenkopf auf dem östlichen Wieprz-
ufer geschaffen und stand drohend im Rücken der russischen Wolica-und
in der Flanke der Wojslawkastellung. Der weit nach Norden reichende
linke Flügel des Stoßkeiles wieder zwang die Russen, ihre Stellungen vor
der deutschen 19. ID. und vor der 11. ID. der 4. Armee etwas nach
Norden zurückzunehmen.
624
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Östlich vom Wieprz gelang es dem VI. Korps am 16. Juli, mit Teilen
den versumpften Talgrund der Wolica zu übersetzen und an die feind-
liche Hauptstellung heranzukommen. Die Gruppe Preuschen und die
22. ID. hielten im allgemeinen ihre Stellungen; die 22. ID. hatte sich
überdies zur Sicherung des linken Flügels des VI. Korps in den Besitz
von Skierbieszów gesetzt und behauptete gemeinsam mit Truppen des
Korps Arz diesen Ort gegen starke feindliche Gegenangriffe. Am 17.
jedoch blieb dem VI. Korps trotz allen Opfermutes der Truppen ein
ausschlaggebender Erfolg versagt.
Am 18. Juli verlegte das 11. Armeekmdo. das Schwergewicht des
Angriffes in den Kampfraum östlich vom Wieprz. Hiezu hatte die 105. ID.
der Armeereserve aus dem von der Garde bei Góry geschaffenen Brücken-
kopf vorzustoßen und nördlich der Wojslawka in östlicher Richtung vor-
zudringen, um zunächst der 22. ID. das Überschreiten der Wolica zu
ermöglichen. Beide Divisionen sollten in der Folge unter Führung des
Befehlshabers des X. RKorps bis in die Linie Siennica—Królewska—
Stara Wies vorstoßen. Die zweite Division der Armeereserve, die 101. ID.,
wurde, um sofort verfügbar zu sein, hinter die 22. ID. verschoben. Außer-
dem sollte das VI. Korps neuerlich versuchen, die gegenüber befindliche
Russenfront zu durchbrechen. Westlich vom Wieprz hatten die Garde,
das XXII. R- und das X. Korps den Angriff in ihren Gefechtsstreifen
.fortzusetzen.
Dem Führer der russischen Nordwestfront war die Gefahr keines-
wegs entgangen, die ihm von Süden her drohte. Erreichte der Gegner die
Bahn Cholm—Lublin—Iwangorod, so wäre die planmäßige Räumung des
Weichselvorlandes kaum mehr ausführbar gewesen. Daher stellte Alexe je w
zur Verhütung eines Durchbruches seine Heeresreserven, das Garde- und
das II. sib. Korps, dem Kommandanten der 3. Armee zur Verfügung.
Dem doppelseitigen Angriff des rechten Flügels de;r deutschen 11. Arr
mee war am 18. Juli nur ein Teilerfolg beschieden. Wohl vermochte das
Korps Arz durch Zusammenfassen der Masse auf schmalem Räume die
russische Front bei Gajowniki um 9h vorm. zu durchbrechen und bis zum
Abend die Höhenstellungen nördlich davon zu erobern, wobei 3500 Ge-
fangene eingebracht wurden1). Die deutsche 22. ID. mußte sich aber mit
dem Erreichen des nördlichen Uferrandes westlich von Skierbieszów
begnügen. Der in erfolgverheißender Richtung vorstürmenden 105. ID.
warf sich die russische Garde entgegen und grenzte den Raumgewinn
x) Die Verluste des VI. Korps waren am 18. Juli nicht unerheblich. Sie betrugen
1200 Tote, 4700 Verwundete und etwa 1000 Vermißte.
Die Doppelaufgabe der Armee Puhallo
625
der deutschen Division schon auf dem südöstlich von Góry gelegenen
Hügelkranz ein. Dagegen gewannen die westlich vom Wieprz angreifen-
den deutschen Korps, obwohl sich hier auch das II. sib. Korps entgegen-
stemmte, neuerlich beträchtlich an Boden und standen am Abend bei
Czçstoborowice und Olszanka. iSeit dem 16. hatten sie bei Gefangennahme
von 15.000 Mann einen 32 km breiten und 12 km tiefen Einbruch in die
Front der russischen 3. Armee verursacht, ohne diese allerdings völlig zu
sprengen. Dennoch sollten die Opfer nicht vergeblich gebracht worden sein.
Der Angriff der Bugarmee, den der linke Flügel des Korps Winckler,
die 81. RD., schon vom 15. an zu begleiten hatte, war nach den ersten
Erfolgen, nach der Wegnahme des stark befestigten Dorfes Werbkowice
durch das Korps Gerok sowie nach Erstürmung der Friedhofshöhe bei
Zaborce und von Teilen des Ortes Berescie durch das Beskidenkorps, vor
der feindlichen Hauptstellung ins Stocken geraten. Auch der Einsatz der
1. ID. im Bereiche des Korps Gerok konnte daran nichts ändern. Bis zum
18. Juli abends gelang es der Bugarmee nirgends, die feindlichen Linien
zu durchbrechen. Auch vermochte sie ihre Front nicht in die Höhe der
Stoßgruppe der 11. Armee vorzubringen, was vielleicht zum Teil darin
seinen Grund hatte, daß sie nicht vom Beginn des Angriffes an durch
die 1. Armee hatte unterstützt werden können.
Die Eroberung von Sokal durch die k. u. k. 1. Armee
(15. bis 18. Juli)
Die mit der Sicherung des Vorstoßes Mackensens gegen Störungen
von Osten her beauftragte 1. Armee (S. 612) sollte ihre Aufgabe in zwei-
facher Weise lösen. Mit dem rechten Flügel hatte sie im Anschluß an die
2. Armee den Bug von D^b bis 2d±ary zu sichern und sich in den Besitz
der rechtsufrigen Höhen bei Sokal und Zdzary zu setzen, „um sich auf
diese Weise durch Gewinnung von Brückenköpfen auf diesem Teile ihrer
Front Operationsfreiheit zu verschaffen". Der linke Armeeflügel hatte
„baldmöglichst aus der Linie Zdzary—Kosmow in Richtung Wladimir-
Wolynski vorzustoßen, um eine Einwirkung des Feindes aus dieser Gegend
gegen den rechten Flügel und die Flanke der Bugarmee mit Sicherheit
abzuwehren". Die Verbindung zwischen beiden Gruppen sollte das Ka-
valleriekorps Heydebreck aufrechthalten.
FZM. Puhallo betraute mit der Sicherung am Bug das II. und das
I. Korps. Der Führer des I. Korps, GdK. Karl Kirchbach, wurde im be-
li 40
626
Der Feldzug von Brest-Litowsk
sonderen beauftragt, mit der 46. SchD. und allen bei der Bugsicherung
südlich von Sokal entbehrlichen Teilen der 25. ID. „am 15. Juli anzu-
greifen und die Höhen östlich von Sokal und wenn möglich auch jene
östlich von Skomorochy zu nehmen". Es war beabsichtigt, hiefür auch
die erst im Anrollen befindliche 103. ID. zu verwenden. Der Stoß nach
Norden war von der Gruppe Szurmay, vom XXXXI. RKorps und vom
Kavalleriekorps auszuführen. Er konnte erst nach dem Eintreffen der
bei der 2. Armee eben herausgelösten Gruppe Szurmay und der Ablösung
der 82. RD. durch jene im Abschnitt 2dzary—Litowiz beginnen, was vor
dem 17. nicht zu erwarten stand. So kam es, daß der zur Unterstützung
der Offensive Mackensens wichtige Nordstoß gegen Wladimir-Wolynski
gegenüber dem nachOsten gerichteten Angriff auf Sokal zeitlich nachhinkte.
Vom Feinde befand sich dem rechten Flügel Puhallos das den Nord-
flügel Brussilows bildende, vier Infanteriedivisionen starke XII. Korps
gegenüber; von 2dzary abwärts standen das IV. Kavalleriekorps (etwa
vier Divisionen) und das XXXI. Korps (drei Infanteriedivisionen), beide
der 13. Armee angehörend. Zähe Verteidigung des Flusses war offenbar
die diesen Heereskörpern vorgezeichnete Aufgabe.
Im Nebeldunst eines am Vor abend niedergegangenen starken Gewitters
schritten die 25. ID. und die 46. SchD. am 14. früh auf aufgeweichten
Wegen gegen die Bugstrecke Krystynopol—Horodiowice zum Angriff.
Der angeschwollene Fluß war nirgends furtbar, und auf den jenseitigen
Uferhöhen zeichneten sich starke Stellungen des Feindes ab. Die beiden
Divisionen mußten sich daher an diesem Tage mit der Wegnahme
einiger kleiner linksufriger Brückenköpfe der Russen begnügen. In der
Bugschlinge südöstlich von Horodiowice saß der Russe aber noch auf
dem Westufer fest. Zudem drängte Mackensen, obwohl weder die Gruppe
Szurmay noch die 103. ID. herangekommen waren, auf raschen Angriff
bei Sokal, damit der Feind gebunden werde, dann auch auf das Schlagen
einer Bresche in die Bugfront flußabwärts, durch die das Reitergeschwader
nach Norden und Nordosten ausschwärmen sollte.
In der Nacht zum 16. konnten je ein Bataillon der SchR. 31 und
32 nördlich von Sokal nun doch den Fluß durchwaten und sich nach
Wechsel vollen Kämpfen auf dem Ostufer festsetzen1). Vor Sokal aber
lagen die inneren Flügel der 46. und der 25. ID. auf dem Westufer fest,
und GdK. Kirchbach gewann nach Augenschein die Überzeugung, daß
1) Bei dieser Gelegenheit zeichnete sich Hptm. Karl Neußer des SchR. 31 als
Kompagniekommandant derart aus, daß ihm das Ritterkreuz des Militär-Maria There-
sien-Ordens zuerkannt wurde.
Die Eroberung von Sokal
627
ein bei Sokal über den hochgehenden Fluß gegen den steilen Osthang
des Bugufers geführter Angriff wenig Erfolg verspräche. Daher wurden
die Kräfte nach links verschoben, um zum Teil aus dem bereits ge-
schaffenen kleinen Brückenkopf heraus, zum Teil über den Bug hinweg
Sokal von Norden her zu nehmen. Für die Säuberung der Bugschlinge
bei Horodlowice stellte Puhallo dem I. Korps die Fußabteilungen des
Kavalleriekorps zur Verfügung. Szurmay sollte am 17. die zwischen
Horodlowice und Litowi£ noch auf dem Südufer befindlichen Russen-
nester säubern, das XXXXI. RKorps gegen Krylów vorstoßen.
Beim II. und beim I. Korps verging der 17. Juli mit Vorbereitungen
für den am 18. auszuführenden Angriff über den Fluß. Die schon auf
dem Ostufer eingenisteten schwachen Teile erwehrten sich durch schneidig
geführte Gegenstöße ihrer übermächtigen Bedränger und erweiterten
sogar ihre schmale Uferstellung, wobei sie über 1000 Gefangene ein-
brachten. Auf dem linken Armeeflügel vollzog sich die Ablösung der
82. RD. durch die schon eingetroffenen Teile der Gruppe Szurmay,
wobei südlich von 2dzary haltende russische Gruppen über den Fluß
geworfen wurden.
Am 18. Juli griffen die inneren Flügel des I. und des II. Korps,
geführt durch GdK. Kirchbach, Sokal an. Zuerst erstürmte die 46. SchD.
mit dem SchR. 15 eine Höhe südlich von Skomorochy, schwenkte dann
nach Süden ein und eroberte im Vereine mit dem unter Befehl des
Obst. Hassenteufel des IR. 4 stehenden Nordflügel der 25. ID., der mittler-
weile knapp südlich von Sokal durch den mit versenkten Drahtverhauen
erfüllten Bug vorgedrungen war, die Stadt. Bald war die zweite Russen-
stellung überrannt, und um 3h nachm. drangen, nachdem hier GdK. Kirch-
bach die letzte Reserve in die Schlacht geworfen hatte, Deutschmeister-
kompagnien auch in die dritte Stellung ein, die auf der das Kampf-
gelände beherrschenden Höhe A 254 (Gora Sokal) angelegt war1). Der
hiedurch geschaffene Brückenkopf wurde im Norden durch die Besitz-
nahme von Skomorochy erweitert. Der Südflügel der 25. ID. vermochte
nun auch den Bug zu überschreiten und sich östlich und nordöstlich von
Krystynopol auf dem Ostufer festzusetzen.
Das Korps Szurmay säuberte mit Teilen der 7. ID. und unterstützt
durch Abteilungen des Kavalleriekorps die Bugschlinge bei Horodlowice;
!) Das Nachfolgeregiment des k. u. k. IR. Nr. 4 im Bundesheere, das Wiener IR.
Nr. 4, feiert die Erstürmung von Sokal, bei der sich die Deutschmeister durch hervor-
ragende Tapferkeit ausgezeichnet hatten, als Regimentsgedenktag. Siehe hierüber:
Ho en, Waldstätten-Zipperer und Seifert, Die Deutschmeister, 429 ff.
40*
628
Der Feldzug von Brest-Litowsk
die Masse des Korps schob sich westlich von diesem Ort ganz an,
den Fluß heran und traf alle Vorbereitungen für den Übergang. Das
XXXXI. RKorps wurde in seinem auf beiden Ufern gegen Krylów aus-
zuführenden Angriff auf dem rechten Flügel durch ein an sich erfolg-
reiches Gefecht bei Litowiz aufgehalten.
Während sich demnach die ganze Front der 1. Armee im erfolg-
verheißenden Fortschreiten befand, war vom GFM. Mackensen bereits
um 2h nachm. der Befehl eingelangt, wegen des vor der Bugarmee sich
verstärkenden russischen Widerstandes die Offensive einzustellen und das
XXXXI. RKorps, die ll.HKD. und die 103. ID. an Linsingen abzugeben.
Die 1. Armee sollte sich weiterhin mit der Bugsicherung von Slipcze bis
zur 2. Armee bescheiden, die bereits gewonnenen Brückenköpfe aber
behaupten und bei 2dzary noch einen solchen schaffen, um dem Ka-
valleriekorps die Möglichkeit zum Vorbrechen gegen den Lugaabschnitt
Wladimir-Wolynski—Ustilug zu bieten.
Fortführung des Angriffes der k.u.k. 4. Armee beiderseits der Bystrzyca
(16. bis 18. Juli)
Links von der den Stoßkeil der Heeresgruppe bildenden deutschen
11. Armee hatte die k. u. k. 4. Armee anzugreifen. Um auftragsgemäß
rasch die Höhen westlich von Lublin zu gewinnen, zog Erzherzog Joseph
Ferdinand, dessen Streitmacht am 15. Juli 100.000 Feuergewehre, 8100
Säbel, 365 Maschinengewehre und 593 Geschütze betrug, alle verfügbaren
Kräfte gegen den Raum zwischen der Lubliner Straße und der Bystrzyca
zusammen. Den Hauptangriff in diesem Abschnitte hatte das verstärkte
IX. Korps, FML. Králicek, zu führen (S. 620). Die Nachbarkorps (XIV.
und X.) hatten sich mit starken inneren Flügeln diesem Angriffe anzu-
schließen, da nach Ansicht des Armeekmdos. „das engste Zusammen-
arbeiten in diesem Räume von ausschlaggebender Bedeutung" war. Von
der Armeereserve wurden die 26. SchD. und die 10. ID. dahinter, die
jetzt wieder vereinigte 2. KD. bei Stara Wies bereitgestellt. Die Flügel-
korps der Armee erhielten ihrer Lage nach besondere Aufgaben. Das
VIII. Korps war „berufen, durch einen energischen, möglichst starken
Vorstoß seiner Hauptkraft über Wierzbica die russische Stellung nördlich
der Urzçdowka vom Westen her aufzurollen". Das XVII. Korps, Flügel-
und Anschlußkorps zugleich, kam wieder in die Lage, in zwei getrennten
Gruppen kämpfen zu müssen; denn es hatte die nicht leicht zu verein-
Der Durchbruchsversuch der 4. Armee
629
barenden Aufgaben, sich sowohl dem Angriffe des deutschen X. Korps
anzuschließen, als auch das k. u. k. XIV. zu unterstützen.
Am 16. Juli früh setzten bei trübem Wetter die Batterien der 4. Armee
ihr bereits nachts begonnenes Zerstörungsfeuer gegen die feindlichen
Anlagen fort. Um llhvorm. ging die Infanterie, die sich bereits während
des Wirkungsschießens an die russischen Linien herangeschoben hatte,
zum entscheidenden Angriff vor. Unter schweren Verlusten, nur Schritt
vor Schritt, um jede Vorfeldstellung erbittert kämpfend, kamen die
Truppen vorwärts; am Abend lagen sie knapp vor der feindlichen Haupt-
stellung, deren Verlauf einwandfrei erkannt wurde. Darin bestand der Ge-
winn des ersten Schlachttages, denn der Angriff konnte nun zielbewußt
fortgeführt werden. Den ganzen 17. und 18. Juli über währte das Ringen
um diese Stellung. Überall stieß die Angriffsinfanterie auf den hart-
näckigsten Widerstand. Dazwischen galt es, immer wiederholte heftige
Gegenstöße an der ganzen Armeefront abzuwehren. Die geschickt in
die russischen Linien eingestreuten Stützpunkte und zahlreichen Flan-
kierungsanlagen, die nur schwer von der Artillerie gefaßt und daher
nicht sturmreif gemacht werden konnten, ließen die Infanterie trotz aller
Tapferkeit nicht vorkommen. Da und dort, so bei der 4. ID., gelang es
wohl, in die russische Hauptstellung einzudringen; doch blieben diese
Erfolge örtlich begrenzt oder gingen unter den wütenden Gegenstößen
des Feindes wieder verloren. Nur die Flügelkorps vermochten in Aus-
nützung der bei den Nachbararmeen erfochtenen Erfolge etwas Raum
zu gewinnen. Das VIII. Korps nahm Moniaki; die daran geknüpften
Erwartungen aber, durch einen Vorstoß in östlicher Richtung die russische
Front nördlich der Urzçdowka aufzurollen, erfüllten sich nicht. Auch vor
dem rechten Flügel der 11. ID. des XVII. Korps waren die Russen am
18. Juli früh auf die Höhen südlich von Krzczonów zurückgewichen. Ein
durchschlagender Erfolg aber blieb der Armee versagt; der Versuch,
entlang der Lubliner Straße die russische Front zu durchbrechen, war
nicht geglückt.
Der Durchbruch der Armeeabteilung Woyrsch bei Sienno
(16. bis 18. Juli)
Für den der Armee Woyrsch von der k. u. k. Heeresleitung am 12. Juli
aufgetragenen Angriff, der mit starkem rechtem Flügel und in zeitlicher
Übereinstimmung mit der Offensive der Heeresgruppe Mackensen durch-
630
Der Feldzug von Brest-Litowsk
zuführen war, schob GO. Woyrsch seine drei deutschen Divisionen als
Stoßkeil vor Sienno zusammen und stellte eine aus den Divisionskaval-
lerien gebildete Reiterbrigade bei Wierzbnik und Lubienia bereit. Die
Armeegruppe Kövess mußte sich infolgedessen neuerlich nach Osten
strecken und stand am 13. mit ihren 35.900 Feuergewehren auf einer
Front von 85 km. Nur zwei Reiterbrigaden konnten als Gruppenreserve
ausgespart werden. Der Bitte des GO. Woyrsch, die der 4. Armee aus-
hilfsweise überlassenen Verstärkungen zurückzusenden (S. 607), entsprach
das 4. Armeekmdo. nur zum Teil.
Die Zeit bis zum Beginn des für den 17. Juli geplanten Angriffes,
den der Führer des LKorps, GdK. König, zu leiten hatte, war den Vor-
bereitungen gewidmet, die zur zweckmäßigen Gruppierung der Angriff s-
truppen und zur Täuschung des Feindes notwendig waren.
Am 16. wurde anhaltendes Artilleriefeuer auf der ganzen Front der
Armee abgegeben, das aber erst in den Morgenstunden des 17. mit voller
Wucht auf die eigentliche Einbruchsstelle bei Sienno zusammengefaßt
wurde. Dadurch begünstigt, drang die Sturmtruppe, die verstärkte 3. LD.
unter GM. v. Arnim, in die feindliche Stellung ein. Bis zum Abend hatte
sie die Krçpianka im Abschnitt Krçpa—Ostrand von Rzeczniów erreicht.
Der 10 km breite und 6 km tiefe gelungene Durchbruch war ein schöner
Erfolg der schlesischen Landwehr1). Den Begleitkolonnen, die auf Ver-
größerung des Einbruchsraumes hinarbeiteten, leisteten die Russen aller-
dings, namentlich bei Rzeczniów, noch hartnäckigen Widerstand. Zur
Ausnützung des gewonnenen Vorteiles beabsichtigte GO. Woyrsch, den
Stoß energisch fortzuführen, und dadurch dem Feind ein Festsetzen an
der Il±anka zu vereiteln. Gdl. Kövess hatte zunächst dem linken Flügel
des LKorps vorwärts zu helfen. Da sich der Rückzug der Russen nörd-
lich der Pilica vor der 9. deutschen Armee voraussichtlich auch bald
vor der Front der k. u. k. Truppen auswirken mußte, sollten sich seine
Divisionen auch zur Aufnahme der Verfolgung bereithalten. Die 16. ID.
hatte daher am nächsten Tage mit starkem Südflügel westlich von Ilza
vorzugehen, die Reiter der 7. und der 9. KD. wurden als Reserve bestimmt.
Der 18. sah fast alle dem GO. Woyrsch unterstellten verbündeten
Kräfte im Vorrücken. Die brennende Weichselbrücke bei Solee, Rauchsäulen
und Detonationen hinter der russischen Front waren die untrüglichen
Anzeichen ihres Rückzuges. Die scharf an die Il£anka nachdrängenden
Deutschen schlugen dem Feinde auch die hier geplante Widerstandslinie
!) Clemenz, Generalfeldmarschall von Woyrsch und seine Schlesier (Berlin
1919), 149 ff., 241 ff.
Entschluß der Russen zur Räumung von Warschau und Iwangorod 631
in Trümmer, indem dasLKorps noch in der Nacht auf den 19. Ciepielów und
Kazanów erstürmte und brückenkopfartig am Nordufer festen Fuß faßte.
Auch vor dem Südflügel der Armeegruppe Kövess hatten die Russen
nachgeben müssen und Stellungen bei Skaryszew bezogen. Vor Radom
hielten sie noch in der Linie Kowala—Przytyk ihre alten Gräben samt
den Vorstellungen, nahmen aber den rechten Flügel an der Pilica im
Verhältnis, wie die seit dem 17. zurückweichende russische 2. Armee auf
dem Nordufer abzog, auf Wysmierczyce zurück. Daher vermochten von
der Armeegruppe Kövess nur die beiden Flügel zu folgen, während die
Mitte, die Masse der langgedehnten 16. ID., noch stehen bleiben mußte.
Das bisherige Ergebnis des Durchbruches bei Sienno bestand, abge-
sehen von rund 2000 Gefangenen, darin, daß Woyrsch zur Entlastung
der k.u.k. 4. Armee, die sich noch bei Józefów an die Weichsel anlehnte, am
Westufer bereits einen Vorsprung von 20 km nach Norden gewonnen hatte.
Die Schlacht am Chodelbach und die Neugliederung
der Heeresgruppe Mackensen
(19. bis 28. Juli)
Durch den breiten Einbruch der deutschen 11. Armee westlich des
Wieprz und durch die kräftigen Zugriffe der 4. und der Bu^armee drohte
die Russenfront zwischen Weichsel und Bug einzustürzen. Um dies zu
verhindern, setzten sich die Russen in der Nacht auf den 19. Juli vom
Gegner ab und gingen bei Ausscheidung von Nachhuten auf die schon
seit längerem südlich der Bahn Cholm—Lublin in der Linie Hrubieszów
—Nordufer des Siennicabaches—Fajslawice—Chmiel—Niedrzwica Mala—
Höhen nördlich des Chodelbaches vorbereiteten Stellungen zurück. Da
nach dem Durchbruche der Armeeabteilung Woyrsch bei Sienno auch
der rechte Flügel der russischen 4. Armee ins Gleiten gekommen und
nördlich des Narew, wie noch ausgeführt werden wird, die 1. und
die 12. Armee seit dem 13. durch den Angriff der Armee Gallwitz an
diesen Fluß zurückgedrängt worden waren, erhielt Alexejew am 19. in
einer Beratung zu Siedlec vom Großfürst-Generalissimus die Ermächti-
gung, „in Übereinstimmung mit den allgemeinen Verhältnissen die Armeen
selbständig von der Weichsel nach Osten zurückzuführen1)". Dies be-
deutete den endgültigen Entschluß zu der schon seit langem in Aussicht
genommenen Preisgabe von Warschau und Iwangorod.
Als die Truppen der drei Angriffsarmeen Mackensens am 19. früh
*) Nesnamow, IV, 78.
632
Der Feldzug von Brest-Litowsk
gewahr wurden, daß der Feind abgezogen sei, traten sie sogleich auf der
ganzen Front zur Verfolgung an und setzten sich bis zum Abend vor der
neuen Russenstellung fest. Für den Angriff auf diese erflossen vom
Heeresgruppenkmdo. keine neuen Weisungen. Die Armeen hatten dem-
nach im Sinne der allgemeinen Direktiven für die Offensive zu handeln.
Da Mackensen aber von den zwischen Weichsel und Bug zusammen-
geballten Russen keine Bedrohung seiner Ostflanke mehr besorgte, wies
er das bei der 1. Armee befindliche XXXXI. RKorps und die ll.HKD.
der Bugarmee zu; desgleichen hatte die erst anrückende 103. ID. dorthin
zu folgen. Die dadurch geschwächte 1. Armee hatte dafür den ihr auf-
getragenen Vorstoß auf Wladimir-Wolynski nicht weiter zu verfolgen.
Das 4. Armeekmdo. setzte in dem Streben, möglichst rasch und in
breiter Front gegen Lublin vorzudringen, für den 20. Juli den Angriff
aller Korps bis an die Linie Prawiedniki—Bel±yce—Wronów—Opole fest.
Mit besonderer Wucht sollte das verstärkte IX. Korps (106. LstlD.,
21. SchD., 4. ID., 41. HID.) entlang der Lubliner Straße vorgehen. Das
durch die 10. ID. verstärkte XVII. Korps hatte gleichzeitig über Chmiel
vorzustoßen, um ehestens die Straße Lublin—Cholm zu erreichen. Dem-
entsprechend wies das Armeekmdo. auch seine Reserven an: die 2. KD.
hinter das XVII. Korps, die 26. SchD., die 37. HID. und die aus der
1. Brigade und der neuformierten Brigade Obst. Grzesicki unter dem
Kommando des FML. Durski gebildete Polnische Legion in den Raum
westlich der Lubliner Straße. Das zwischen dem IX. und dem XVII. Korps
stehende XIV. hatte gleichfalls „Raum gegen Lublin zu gewinnen,
mindestens aber die Nachbarkorps zu unterstützen". Das VIII. Korps
wurde angewiesen, im engsten Einklänge mit dem X. Korps vorzu-
gehen und den Höhenrand Opole—Kamien nur durch „minimale Kräfte"
festzuhalten. Außerdem ließ es zur Verbindung mit der Armeeabteilung
Woyrsch ein gemischtes Detachement knapp am Weichselufer, Richtung
Kazimierz, streifen.
Am 20. Juli vormittags schoben sich die Linien der angreifenden
Korps während des Wirkungsschießens der Artillerie näher an die russi-
sche Stellung heran. Am späten Nachmittag gingen der linke Flügel des
IX. Korps (106.LstID. und 21. SchD.) und das ganze X.Korps gegen
das russische Frontstück Niedrzwica Mala—Borzechów—Skrzyniec vor,
drangen unter stellenweise erbitterten Nahkämpfen auf der ganzen Sturm-
front in die feindlichen Linien ein und nahmen 6000 Russen gefangen.
Die Truppen östlich der Lubliner Straße standen abends unmittelbar vor
dem Sturme. Vereinzelte Versuche, in die feindliche Front einzubrechen,
Erbitterte Kämpfe bei der 4. Armee
633
waren bisher gescheitert. Die Russen beantworteten den Einbruch mit
verzweifelten Gegenangriffen auf die ganze Armeefront des Erzherzogs.
Sie wurden überall, beim IX. und beim X. Korps erst nach langen, bis
in die Nacht währenden wechselvollen Kämpfen, abgewiesen. Für den
21. Juli verfügte der Erzherzog die allseitige Fortführung des Angriffes
bei Einsatz der noch vorhandenen Reserven im gewonnenen Einbruchs-
raume westlich der Lubliner Straße, um den bisher errungenen Erfolg
zu erweitern und die ganze russische Front zum Wanken zu bringen. Die
37. HID. wurde dem X. Korps, die Polnische Legion dem IX. zugewiesen.
Außerdem wurde die 26. SchD. brigadeweise knapp hinter diese beiden
Korps gestellt, um gegen Überraschungen während der Nacht durch
den sich verstärkenden Feind gefeit zu sein. Das XVII. Korps sollte im
besonderen seinen bisher nicht geglückten Versuch wiederholen, über
Chmiel durchzubrechen. Desgleichen blieb für das XIV. Korps der Auf-
trag des Vortages aufrecht.
Als am 21. Juli der Tag zu grauen begann, nahmen die Kämpfe
an der ganzen Front ihren Fortgang. In zähester Abwehr und in kraft-
voll geführten Gegenstößen versuchten die Russen, die an der Lubliner
Straße und bei Borzechów Verstärkungen an Infanterie und Artillerie
einsetzten, der 4. Armee das Vordringen zu verwehren. Ein mit über-
legener Wucht seit frühestem Morgen geführter Angriff zwang die
schütteren Linien der 24. ID. in die alten Stellungen zurück. Mittags ging
die 37. HID., die erst nach Mitternacht beim X.Korps eingetroffen war,
zum Gegenangriff vor. Es gelang ihr im Verein mit der wieder vorge-
führten 24. ID., nach vierstündigem Kampfe die russischen Linien zu
nehmen. Im engen Anschluß an das X. Korps erstürmte die deutsche
47. RD. die Gräben nordwestlich vom Dorfe Chodel. Östlich des X. Korps
hatte sich die Lage, von einigen örtlichen Erfolgen abgesehen, an diesem
Tage nicht geändert.
Auch an der Front der 11. Armee wurde am 20. und am 21. Juli
heiß gekämpft. Wenn es auch da und dort gelang, die russischen Linien
einzudrücken und alle Gegenangriffe abzuweisen, konnte ein entschei-
dender Schritt vorwärts doch nicht getan werden. Hartnäckig versperr-
ten die Russen den Weg zur Bahn und Straße Lublin—Cholm. Um den
übermüdeten Truppen, die seit den Tagen von Krasnostaw nicht zur
Ruhe gekommen waren, Gelegenheit zur Erholung und zur Neuordnung
der durcheinandergekommenen Verbände zu geben, hielt GFM. Macken-
sen die 11. Armee am 22. Juli in den erreichten Stellungen an. Den im
erfolgreichen Vordringen befindlichen Flügelarmeen aber, der 4. und
634
Der Feldzug von Brest-Litowsk
der Bugarmee, ließ er im Sinne der am 12. Juli erlassenen allgemeinen
Weisungen freie Hand (S. 619). Letztgenannte Armee hatte seit 19. Juli
gleichfalls ihre Linien unter schweren Kämpfen schrittweise vorgetragen
und war bis zum 21. Juli mit dem rechten Flügel über Hrubieszów
hinausgekommen.
Unter den gegebenen Umständen entschloß sich das 4. Armeekmdo.,
den Angriff am 22. Juli nur mit den drei westlich der Lubliner Straße
fechtenden Korps fortzuführen, den rechten Flügel aber (XIV. und
XVII. Korps) in Anlehnung an den linken Flügel der 11. Armee vorerst
zu bremsen. Den am 22. früh morgens angreifenden Korps, dem VIII.,
X. und IX., gelang es bis zum Abend, die Russen allseits aus ihren Linien
zu werfen. Die 4. ID. war i# Niedrzwica Mala eingedrungen und in
schwerem Häuserkampfe bis an den Nordrand des Ortes vorgedrungen.
Die 21. SchD. hatte einen Meierhof nordwestlich dieses Ortes erstürmt,
die 106. LstlD. und die 26. SchD. nahmen in frontalem Ringen die russi-
schen Stellungen weiter westlich davon. Das X. Korps war unter schritt-
weisen Kämpfen bis an die Nordränder der Waldgebiete südwestlich
von Bel£yce, das VIII. Korps bis in die Höhe von Wronów vorgedrun-
gen. Das XIV. und das XVII. Korps vermochten an den inneren Flügeln
ihre Linien etwas vorzuschieben.
Hatte in der Schlacht bei Krasnostaw die deutsche 11. Armee den
Erfolg erfochten, so war diesmal der 4. Armee der Siegeslorbeer zuge-
fallen. Auf 23 km Breite westlich der Lubliner Straße waren die russi-
schen Stellungen erstürmt, 48 Offiziere, 12.400 Mann gefangen und
23 Maschinengewehre erbeutet worden. Diese neuerliche Erschütterung
der russischen 4. Armee war für General Alexejew der Anlaß, noch am
22. der 4., der 3. und der 13. Armee Richtlinien für den allmählichen
Rückzug in die in der Linie Iwangorod—Kock—Wytyczno—Opalin—-Lu-
boml—Kowel angelegten Verschanzungen zu geben1), von welcher Er-
mächtigung der Führer der 4. Armee, Gen. Ewert, schon in der Nacht
auf den 23. durch Zurücknahme des geschlagenen Teiles seiner Armee
in den Abschnitt Kowala—Bel±yce—Prawiedniki Gebrauch machte. Nur
an den Flügeln der Armee, vor dem XVII. und vor dem äußersten linken
Flügel des VIII. Korps, hielt der Feind noch seine alten Stellungen.
Die k. u. k. Korps der Mitte (rechter Flügel des VIII., ferner das
X., das IX. und das XIV. Korps) hatten am 23. früh die Verfolgung
unverzüglich aufgenommen und stießen schon im Laufe der ersten Vor-
!) Nesnamow, IV, 78.
Ruhepause bei der 4. Armee nach dem Sieg
635
mittagsstunden wieder auf den Feind. Die seit Wochen sorgfältigst vor-
bereitete russische Verteidigungsstellung ließ einen sofortigen Angriff
durch die nach den achttägigen, fast ununterbrochenen Kämpfen stark
ermüdeten Truppen nicht ratsam erscheinen. Da sich überdies am 23. Juli
gegen den linken Flügel der 11. Armee, die auch nachtsüber schwere
Angriffe abgewiesen hatte, allen Anzeichen nach ein wuchtiger Ansturm
vorbereitete, entschloß sich das 4. Armeekmdo., im ungewissen über
die weiteren Absichten des Heeresgruppenkmdos. und über das Ver-
halten der Nachbararmeen zur Rechten und zur Linken, eine Opera-
tionspause einzuschalten, um nicht vereinzelt vorzustoßen, die so erfor-
derliche Klärung der Lage abzuwarten und „dann erst starke Kräfte
dort zu vereinen, wo der weitere Durchbruch erfolgen sollte". Aus
dieser Auffassung der Lage heraus ordnete Erzherzog Joseph Ferdinand
an, daß die „zunächst erreichten Linien zu behaupten und technisch aus-
zugestalten" seien. Gleichzeitig zog das 4. Armeekmdo. die 4. und die
24. ID., die 26. und die 21. SchD. sowie die 2. KD. aus der Kampflinie
zurück. Die k. u. k. 10. ID. wurde auf Weisung Mackensens hinter den
bedrohten linken Flügel des deutschen X. Korps verschoben.
Die Ereignisse seit den Tagen von Krasnostaw ließen im Heeres-
gruppenkmdo. Mackensen die Erkenntnis reifen, daß im rein frontalen
Nachdrängen der drei Armeen zwischen Weichsel und Bug ein ausschlag-
gebender Erfolg nicht zu erreichen sein werde. Den Schlägen am Chodel-
bache hatten sich die Russen im letzten Augenblicke ebenso entzogen,
wie sie einer endgültigen Niederlage auf dem Schlachtfeld von Krasno-
staw ausgewichen waren. Nur mühsam, schrittweise rang sich die Bug-
armee unter andauernden Kämpfen und schweren Opfern vorwärts. Un-
gebrochen noch schien die Widerstandskraft der Russen, die gerade in
den letzten Tagen erbitterte Gegenangriffe bei Einsatz neuer Reserven
gegen die ganze Heeresfront der Gruppe, vornehmlich gegen die 11.
unci die Bugarmee, gerichtet hatten. In scheinbar unverminderter Stärke
hielten sie ihre Stellungen besetzt, offensichtlich jederzeit bereit, zum
Angriffe überzugehen, um nötigenfalls den Abzug der Nachbararmeen
im Weichselvorlande, der in Durchführung war, zu erleichtern.
Solch zähem Feinde gegenüber schien nur ein mit zusammengehal-
tener Kraft geführter Schlag Erfolg zu verheißen. Aus strategischen
Gründen wäre die Vor Stoßrichtung am Ostflügel nahe am Bug zu wählen
gewesen; doch sprachen die hiezu nötigen zeitraubenden Truppenver-
schiebungen und das ungünstige Kampfgelände dagegen. Daher entschloß
sich Mackensen, wie er am 24. eröffnete, den Stoß wieder aus der Mitte
636
Der Feldzug von Brest-Litowsk
der Heeresfront zu führen und erhoffte sich davon, auch die Klammern
der vom Feinde beiderseits von Iwangorod verteidigten Linien zu lockern.
Im Rahmen der neuen Offensive, die am 29. Juli beginnen sollte,
war der Hauptangriff der 11. Armee aus schmaler Front westlich vom
Wieprz in der Richtung auf Biskupice zugedacht. Gdl. Emmich sollte
ihn mit sieben Infanteriedivisionen (XXII. R-, X. R- und X. Korps sowie
119. ID.) und mit der Gardereiterei führen. Der auf dem rechten Wieprz -
ufer stehende Ostflügel, die Garde und das Korps Arz, hatte erst anzu-
greifen, bis sich die Wirkung des Stoßkeiles wirksam machte.
Der 4. Armee fiel eine Doppelaufgabe zu. Fürs erste hatte sie mit
starkem rechtem Flügel den Hauptangriff gegen Lublin zu führen. Dann
aber sollte sie auch die Armeeabteilung Woyrsch, die bereits die Weichsel
erreicht hatte und sich abwärts von Iwangorod zum Stromübergang an-
schickte, durch Vorschwenken ihres linken Flügels unterstützen, um jene
Feindkräfte zu binden, die sonst allenfalls gegen Woyrsch eingesetzt
werden würden. Den beiden Angriffsrichtungen entsprechend gruppierte
das Armeekmdo. die verfügbaren Kräfte auf beiden Flügeln. Die Haupt-
angriffsgruppe auf dem rechten Flügel, das durch die 4. und die 10. ID.
verstärkte XVII. Korps, sollte im ersten Anlaufe die Höhen nordöstlich
vonChmiel gewinnen, um einerseits die russische Front vor dem XIV. Korps
aufzurollen, andrerseits der deutschen Nachbardivision, der 19., den
Übergang über die von Chmiel nach Nordost führende Tiefenlinie zu
öffnen. Auf dem linken Armeeflügel hatten das VIII. und das X. Korps
mit den inneren Flügeln bis auf die Höhen beiderseits von Lubki vorzu-
stoßen, um die russische Front Bel±yce—Prawiedniki von Westen aus
aufzurollen oder doch soviel als möglich Kräfte zu binden. Die Armee-
mitte (IX. und XIV. Korps) hatte in der Abwehr zu verharren.
Die Bugarmee, auf deren rechtem Flügel vom 22. an das XXXXI. R-
Korps und die ll.HKD. in das Gefecht eingriffen, sollte nach dem Auf-
trage des Heeresgruppenkmdos. ,,durch Vorgehen auf Cholm mitwirken,
soweit ihr nicht die Deckung der rechten Flanke zufällt".
Während der bei der 4. und bei der 11. Armee vom 24. bis zum
28. dauernden Kampfpause wurden nun die erforderlichen Ablösungen
und Verschiebungen vorgenommen. Bei der 4. Armee wurde am rechten
Flügel des XVII. Korps die 10. ID. in die Front gestellt, um den Angriff
der links von ihr stehenden 11. ID. zu unterstützen. Die 4. ID. war Re-
serve des XVII. Korps. Beim XIV. Korps wurde die 8. ID. durch die
26. SchD. abgelöst. Erstere, jetzt nur noch aus dem 2. und dem 3. KJR. sowie
aus der der Division zugehörigen Artillerie bestehend, schied aus dem
Bereitstellung der Heeresgruppe Mackensen zum neuen Angriff
637
Armeeverband und wurde an die italienische Front abbefördert, wohin
das 4. KJR. bereits am 12. Juni, das 1. am 15. Juli abgesendet worden
waren. Beim IX. Korps trat die Polnische Legion in die erste Linie, um
das Auslösen von Armeereserven zu ermöglichen. An solchen standen
schließlich die 24. ID. hinter dem rechten Flügel des X., die 21. SchD.
hinter dem Ostflügel des IX. Korps. Die 2. KD. hatte auf Befehl des
AOK. zur Armee Woyrsch abzugehen und am 30. bei Józefów einzutreffen.
Bei der 11. Armee baute sich der Stoßkeil weisungsgemäß auf. Das
X. RKorps wurde zwischen dem XXII. R- und dem X. Korps eingescho-
ben, die 119. ID. als Reserve dahinter. Östlich vom Wieprz schied die
22. ID. aus der Front und kam mit der 103. ID., die bisher als Reserve
für die Bug- und die 1. Armee zurückgehalten worden war, hinter der
Garde zu stehen.
Schwierig gestaltete sich die Neugruppierung bei der Bugarmee,
weil an ihrer Front bis zum 27. Juli schwer gekämpft wurde. Bis zu
diesem Tage gelang es Linsingen, seine Linien unter steten Angriffen
und Abwehr von russischen Gegenstößen bis an Gusynne, über Ubrodo-
wice und an Teratyn heranzuschieben. Für den 29. Juli plante die Bug-
armee die Fortführung des Angriffes über Uchanie nach Nord durch
den rechten Flügel des Beskidenkorps, gegen Teratyn durch das Korps
Gerok. Dementsprechend gruppierte sich auch die Masse der Bugarmee
im Räume Ubrodowice—Uchanie.
Bis zum 28. Juli abends waren alle Angriffsvorbereitungen an der
Heeresfront beendet; der neuerliche Ansturm gegen die russischen Stel-
lungen zwischen Weichsel und Bug konnte am nächsten Morgen beginnen.
Vordringen der Armee Woyrsch bis vor Iwangor od und
der Weich s elüb er gang bei Ryczywól
(19. bis 31. Juli)
Während der zähe Widerstand, den die Russen östlich der Weichsel
leisteten, die Heeresgruppe Mackensen zu wiederholten Aufenthalten
zwang, ging die Vorrückung der Armee Woyrsch glatt vonstatten, da die
von der Heerführung schon an die Weichsel zurückgerufenen Russen keinen
ernsten Widerstand mehr leisteten. Daher vermochte GO. Woyrsch das
LKorps aus den bei Kazanów und Ciepielów gewonnenen Il±ankaüber-
gängen am 19. bis zur Straße Zwolen—Radom vorrücken zu lassen;
seine Landwehrreiterei, der die ll.KBrig. der 7. KD. nachfolgte, sollte
gegen Jedlnia vorstoßen. Bis zum Abend erreichten die drei deutschen
638
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Divisionen, die dem Feinde 5000 Gefangene abnahmen, in der Tat die
Linie Przylçk—Zwolen—Podgora. Das Vorbrechen der Reiterei auf Jedl-
nia aber wußten die Russen zu vereiteln. Der rechte Flügel der 16. ID.
mit der halben 7. KD. warf im engen Anschluß an die Deutschen den
Feind über Skaryszew zurück. Südwestlich von Radom, über Bahn und
Reichsstraße hinweg, hielten die Russen zwar noch ihre Linien, ihr Stel-
lungsbogen wurde aber durch den linken Flügel der 16. ID. doch zurück-
gedrängt. Auch die 35. ID. schob sich im Einklang mit der jenseits der
Pilica vorrückenden deutschen 9. KD. wieder ein Stück nach Osten vor.
Mittlerweile ergab der Nachrichtendienst, daß die Russen vor dem
unausgesetzten Druck auch zur Preisgabe von Radom und zum Rückzug
in die Linie Janowiec—Policzna—Jedlinsk—Bialobrzegi entschlossen waren.
Dem linken Flügel der k. u. k. 4. Armee, dem VIII. Korps, das Ka-
mieñ erreicht hatte, war der rechte Flügel Bredows bei Przylçk noch
immer gut um einen starken Tagmarsch voraus. Conrad wies nun den
GO. Woyrsch an, in seinem Armeebereich den Angriff mit starkem
rechtem Flügel in der allgemeinen Richtung auf Iwangor od fortzusetzen
und zu flankierendem Eingreifen über die Weichsel bereit zu sein. Zum
Angriff auf die letzte vor der Festung angelegte russische Feldstellung,
die sich zwischen der Straße Zwolen—Nowo Aleksandrya und Policzna
hinzog, mußte das LKorps am 20. Juli nach Nordosten aufschwenken,
während Bredow die Weichselsicherung besorgte. Zum Schutz der linken
Flanke wurde Kövess aufgefordert, mit starkem Ostflügel auf Czarna
vorzugehen. Die harte Kampfarbeit der Landwehr bahnte erst in der
Nacht einen Erfolg an; hingegen fanden die k. u. k. Divisionen geringeren
Widerstand, denn die Russen hielten die Linie Bialobrzegi—Jedlinsk und
östlich davon nicht mehr fest, sondern waren in die Stellung Kozienice—
Policzna zurückgegangen.
Die 16. ID., die schon am Vormittag in Radom eingezogen war, ließ
ihren rechten Flügel ebenfalls gegen Osten schwenken und kam bis Czarna
und Makosy; die nunmehr verkürzte Front gestattete das Ausscheiden
von Reserven. Zur Verbindung und als Flankenschutz für das LKorps
war am rechten Flügel die 7. KD. wieder vereinigt worden. Hinter dem
linken Flügel an der Radomka stand die k. u. k. 9. KD. mit dem Auf-
trag, am nächsten Tage die russischen Brückenköpfe bei Ryczywol,
Magnuszew und Warka zu erkunden und zu beobachten. Die 35. ID. war
zwischen Radomka und Pilica über die Straße Jedlinsk—Bialobrzegi hinaus
gelangt, ihre Nordgruppe mußte allerdings stets auf flankierende Ein-
wirkung des Feindes jenseits der Pilica Rücksicht nehmen. Deshalb hatte
Der Durchbruch bei Zwolen
639
Gdl. Kövess schon am Vortage das Vorrücken einer stärkeren Kolonne
der deutschen 9. KD. längs des nördlichen Ufers als sehr erwünscht
bezeichnet. Doch der rechte Flügel der deutschen 9. Armee war auch am
20. kaum über die Mogilanka gekommen, da der Feind noch die Stellung
Grójec—Prybyszew besetzt hielt.
Bis zum 21. früh hatte das Korps König die russische Front östlich
von Zwolen in einer'Breite von 2 km durchbrochen; bei einem vorüber-
gehenden Stocken des Angriffes infolge heftigen feindlichen Druckes bei
Policzna half Gdl. Kövess, indem er die durch drei Bataillone verstärkte
7. KD. nach Osten abdrehte und den Widerstand in der Linie Laski—
Bogucin brach.
Als nachmittags der Erfolg den Verbündeten zufiel, befahl GO.
Woyrsch rücksichtslose Verfolgung, um den Russen ein nochmaliges
Festsetzen vor Iwangorod zu verwehren. Eine starke Gruppe mit der
LKBrig. wurde gegen die Brücken bei Nowo Aleksandrya angesetzt, das
LKorps kam nördlich der nach Zwolen führenden Straße bis in die Linie
Chechly—Policzna, die aus der 16. ID. und der 7. KD. gebildete Gruppe
Schariczer anschließend über Bogucin—Stanislawica bis zur Radomka.
Der Feind, dessen Hauptkraft1) in die Linie Kozienice—Gniewoszów
zurückgeworfen und augenscheinlich entschlossen war, das linke Weichsel-
ufer aufzugeben, hatte auch vor dem Nordflügel der Armeegruppe Kövess
schon des Morgens die den Rückzug verschleiernde Reiterei auf Ryczywól
und auf Warka zurückgenommen.
Die 9. KD. hatte schon vormittags den Raum von Glowaczew er-
reicht und zweigte hier die 9. KBrig. zur Beobachtung des Pilica-
Weichselwinkels ab. Die durch ein Detachement der 35. ID. verstärkte
Hauptkraft der 9. KD. wurde durch den Gdl. Kövess, als er nachmittags
die Kunde vom Erfolg des Korps König bei Zwolen erhielt, auf Ryczywól
zur Besitznahme des Brückenkopfes und womöglich auch der Brücken
selbst vorgetrieben. In den Befestigungen und im Ort selbst wurde
abends kein Feind mehr gefunden. Die 35. ID. stand, mit Rücksicht auf
die Lage nördlich der Pilica, wo die Russen erst vormittags die Straße
Grójec—Bialobrzegi freigegeben hatten, nach links rückwärts gestaffelt
im Raum um Glowaczew.
Während die verbündeten Truppen zwischen Weichsel und Pilica
unaufhaltsam gegen Iwangorod vordrangen, fand zwischen Teschenund
*■) Durch die zahlreichen Gefangenen des Tages wurden außer den Regimentern
des XVI. und des GrenKorps bisher nicht angetroffene Reichswehrtruppen, offenbar
der Besatzung von Iwangorod zugehörig, festgestellt.
640
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Pleß ein lebhafter Meinungsaustausch über die weitere Verwendung der
Armee Woyrsch statt.
Am 21. Juli früh schlug Falkenhayn dem GO. Conrad vor, die Armee
Woyrsch für die im Gang befindliche Kriegshandlung mit der Armee
Prinz Leopold zu einer Heeresgruppe unter deutscher Oberleitung zu
vereinigen. Conrad lehnte ab und begründete seinen Antrag auf Belassung
der bisherigen Befehlsverhältnisse damit, daß die Russen voraussichtlich
das linke Weichselufer bis auf die Brückenköpfe räumen und die dadurch
freigewordenen Teile ihrer 4. Armee in den Raum Lublin—Cholm ver-
schieben würden, wie sie eben Teile der 2. Armee gegen den Narew
warfen. Für Woyrsch werde sich demnach je nach dem Erfolg des
Angriffes östlich der Weichsel die Notwendigkeit ergeben, über den Fluß
hinweg mit der k. u. k. 4. Armee zusammenzuwirken und gleichzeitig mit
Teilen Iwangorod anzugreifen. Ähnliches gelte bei der 9. Armee für das
Zusammenwirken mit Gallwitz und für das Einschließen von Warschau
und Nowogeorgiewsk.
Falkenhayn entgegnete unverzüglich, sein Plan ziele gerade darauf
hin, die Russen am weiteren Kraftzuschub gegen Lublin—Cholm zu hin-
dern, indem man durch den über die Weichsel hinweg gegen Siedlec—
Luków geführten Stoß der beiden vereinigten Armeen den mit der
Hauptfront nach Süden kämpfenden Feind im Rücken bedrohe und da-
durch Mackensen schnelle Entlastung bringe. Die 9. Armee oder Woyrsch
allein seien dazu zu schwach. Conrad beharrte jedoch bei seiner Absicht,,
die Armee Woyrsch sogleich über Nowo Aleksandrya zum Zusammen-
wirken mit der 4. Armee heranzuziehen, weil der seiner Richtung nach
gewiß wünschenswerte Vorstoß über die Weichsel zwischen Warschau
und Iwangorod der Zeit nach viel zu spät fühlbar werden könne. Falken-
hayn stimmte darauf am 22. insoweit zu, daß eine besondere Gelegen-
heit für Woyrsch, durch schnelles Zugreifen oberhalb von Iwangorod
über die Weichsel zu kommen, natürlich ausgenützt werden müsse,
besorgte aber, daß dieser mit seinen schwachen Kräften nicht weit
kommen werde; falls der geplante Vorstoß nicht glücken sollte, werde
man doch auf einen Versuch unterhalb der Festung zurückkommen müssen.
Die russische Führung war seit den am 5. und am 19. Juli gefaßten
Beschlüssen (S. 610 und 631) zur Preisgabe des linken Weichselufers ent-
schlossen. Die Entzifferung ihrer Funksprüche gab den vor Iwangorod
angelangten Verbündeten wieder sehr erwünschten Einblick in die hiezu
beabsichtigten Maßnahmen. So erfuhr man am 22., daß das XVI. Korps
am Vortage die Eisenbahn bis zu den Festungswerken zu zerstören und
Die Einschließung von Iwangorod
641
um 10h abends abzumarschieren habe. Nach der Verteilung der Kom-
mandostellen war auf dem rechten Weichselufer von der Pilicamündung
bis Iwangorod mit dem durch anderthalb Kosakendivisionen und durch
Reichswehrformationen verstärkten XVI. Korps, von dort nach Südosten
bis Podgorz mit dem GrenKorps und zwei Kavalleriedivisionen zu rechnen.
Aus dieser Kräfteverteilung und aus mitgelesenen Befehlen war zu er-
kennen, daß die Russen ein Flußübergang bei Nowo Aleksandrya nicht
überraschen würde.
Aber gerade dort sollte GO. Woyrsch in Ausnützung seines gegen-
über dem linken Flügel der 4. Armee errungenen Vorsprunges zur Unter-
stützung des Erzherzogs über die Weichsel hinweg vorstoßen. Hiezu ließ
Woyrsch am 22. Juli durch Gdl. Kövess zunächst nördlich der Bahn
Radom—Iwangorod die Festung einschließen und die Weichsel abwärts
bis zur Pilica beobachten. Alle zu erübrigenden Truppen waren für den
späteren Abmarsch auf Nowo Aleksandrya zusammenzuziehen. Die Gruppe
Schariczer und der linke Flügel Königs mußten noch einigen Widerstand
bewältigen — man kam bereits in den Wirkungsbereich der Festungs-
geschütze — bevor die 16. ID. und die 9. KD. am Abend von Staszówbis
zur Pilica das linke Weichselufer gewonnen hatten.
Jetzt erhielt Kövess den Auftrag, bis zum 25. die deutschen Trup-
pen bis vor Gniewoszów abzulösen. Hiezu behielt die 9. KD. ihre bis-
herige Aufgabe bei, der 16. ID. fiel die Einschließung der Festung zu;
die 35. ID. war im Raum um Glowaczew beiderseits der Radomka, die
7. KD. nördlich von Zwolen zu vereinigen.
GO. Woyrsch zog die k. u. k. Pioniergruppe Obst. Mischek (S. 588)
heran und ließ alle Vorbereitungen für die Weichselübersetzung treffen.
Während die Division Bredow bei Kazimierz einen Übergang vortäuschen
sollte, hatte das Korps König um Mitternacht vom 24. auf den 25. bei
Nowo Aleksandrya den Strom zu bezwingen.
Mittlerweile war am 23. und am 24. Juli über die geplante Ver-
wendung der Armee Woyrsch neuerlich ein lebhafter, schriftlich und
mündlich geführter Meinungsstreit zwischen Falkenhayn und Conrad
abgeführt worden. Jener hielt auf eine Anregung des Stabschefs der
Armee Woyrsch, Obstlt. Heye, den Übergang bei Nowo Aleksandrya für
zwecklos, weil man hiedurch nicht mehr die Flanke des vor der 4. Armee
schon zurückweichenden Feindes treffen werde. Falkenhayn befürwor-
tete deshalb seinen ursprünglichen Antrag, gegen Siedlec—Luków vor-
zustoßen. Demgegenüber machte Conrad geltend, daß von einem weit-
reichenden Rückzug der Russen auf dem östlichen Weichselufer keine
II 41
642
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Rede sei, und daß die 11. Armee eben sogar heftig angegriffen werde
(S. 633). Nachdem man sich aber vergewissert hatte, daß durch diese
russischen Vorstöße der 11. Armee in nächster Zeit keine Gefahr drohe,
einigten sich die beiden Generalstabschefs am 24. in Teschen auf eine
mittlere Lösung. Um 8h abends erging an GO. Woyrsch folgender Be-
fehl: „Weichselübergang oberhalb Iwangorod einstellen. LKorps und
Division Bredow haben in Gegend Radomkamündung den Übergang über
die Weichsel zu erzwingen. Mitwirkung des rechten Flügels deutscher
9. Armee wird seitens DOHL. angestrebt werden. Gruppe Kövess mit
XII. Korps, 7. und 9. KD. hat Weichsel abwärts Chodelmündung bis
Kozienice zu sichern, Iwangorod am Westufer abzuschließen und nach
Eintreffen der schweren Artillerie anzugreifen." Die schlesischen Land-
wehrmänner, die in den Pontons bereits des Befehles zum Abstoßen
harrten, wurden hierauf wieder an das Land beordert1).
Die neue Aufgabe der Armee Woyrsch unterschied demnach zwei
Ziele. Gleich am 25. Juli schritt der Generaloberst zur Durchführung
des wichtigeren Teiles, zur Weichselbezwingung. Vorerst hatte Kövess
die noch gegenüber von Nowo Aleksandrya versammelten deutschen Kräfte
abzulösen. Hiezu übernahm die durch Landsturminfanterie verstärkte
7. KD. von der Division Bredow die Weichselbeobachtung von Lucina bis
gegen Gniewoszów. Um den Truppenwechsel vor dem Feinde zu ver-
bergen, blieben zwei deutsche Kompagnien zurück, überdies erhielten
die österreichischen Uferwachen deutsche Helme. Angrenzend wurde der
16. ID. die Einschließung von Iwangorod bis zur Bahn und der 35. die
von dieser bis zur Weichsel übertragen. Die k. u. k. 9. KD. behielt ihre
bisherige Aufgabe, wurde jedoch unmittelbar an GO. Woyrsch gewiesen.
Bis zum 28. war die Verschiebung des Korps König, der Division
Bredow, der deutschen Reiterbrigade und der Pioniergruppe Mischek2)
über Zwolen vom Ost- auf den Westflügel in die Gegend der Radomka-
mündung vollzogen.
Die Stromüberschreitung des LKorps — die Division Bredow blieb
in Reserve — wurde für die Nacht vom 28. auf den 29. festgesetzt.
!) Falkenhayn, 161; Clement, 153 f.
2) Zur Verfügung standen sechs k. u. k. und vier deutsche Pionierkompagnien,
einundzwanzig k. u. k. Kriegsbrückenequipagen, zweieinhalb deutsche Brückentrains. Die
k. u. k. Pionierkompagnie 3/9 legte in 26 Stunden 90 km zurück. — Vgl. Wörlen,
Die Pioniere bei Flußübergängen im Weltkriege (Technik und Wehrmacht, Berlin 1922,
52 ff.) und GM. Mischek, Übergang der Armee v. Woyrsch über die Weichsel bei
Ryczywól am 29. Juli 1915 (ungedruckte Studie im Kriegsarchiv).
Der Weichselübergang des Landwehrkorps
643
Sie hatte in einer Frontbreite von 24 km mit der Hauptkraft bei Ryczywol
an sieben Überschiffungsstellen und mit einer Nebengruppe bei Mag-
nuszew an drei Stellen zu erfolgen. Zur Ablenkung und Bindung des
Feindes ließ Kövess zu gleicher Zeit durch die 7. KD. zwischen Kazi-
mierz und Nowo Aleksandrya einen Übergang vortäuschen sowie auf
der ganzen Einschließungslinie die Vorstellungen Iwangorods unter hef-
tiges Artilleriefeuer nehmen.
Die technischen Übergangsvorsorgen und die Bereitstellung der
Kampftruppen vollzogen sich unbemerkt vom Feinde. Die Aufklärung
hatte während der ganzen Zeit nur ergeben, daß am jenseitigen Ufer
eifrig geschanzt wurde. Hingegen hatten die Russen am 27. nördlich
der Pilica die deutsche 9. KD. zurückgeworfen und außerdem zunächst
der Pilicamündung das linke Weichselufer betreten, was Gegenmaß-
nahmen der im Ufersicherungsdienst stehenden k. u. k. 9.KBrig.erforderte.
Durch den am 29. um lh3° früh beginnenden plötzlichen Vorstoß
über die Weichsel wurde der Feind völlig überrascht. Die ersten Staffeln
fanden nur an zwei Übergangsstellen einen entschiedenen Widerstand,
an den übrigen acht Stellen überrannten sie die Ufer wachen und setzten
sich sofort fest. Als dann von 5h morgens an das heftige russische
Artilleriefeuer zeitweilig das weitere Überschiffen unmöglich machte,
war die Masse des Korps bereits übergesetzt. Damit war auch der
Brückenbau gesichert, der ungeachtet der feindlichen Artilleriewirkung
noch vormittags östlich von Ryczywol vollendet wurde.
Gleich auf die Kunde vom Glücken des Überganges war die k. u. k.
Heeresleitung auf Verstärkung der Armeeabteilung Woyrsch bedacht
und ließ ihr von der 4. Armee die 2. KD. zusenden (S.637). Schon
mittags betonte jedoch GO. Woyrsch, daß er zur Ausnützung des eben
errungenen Vorteils eine Vermehrung seiner Infanteriedivisionen be-
nötige; nur wenn er sich vor Iwangorod auf eine bloße Beobachtung und
Einschließung beschränken dürfe, könne er dort eine Infanteriedivision
durch Kavallerie ersetzen, allerdings müsse dann die bereits eingefahrene
Belagerungsartillerie weiter zurückgeführt werden. Conrad verwies auf
die unterstellte 2. KD. und antwortete, daß zurzeit der Einsatz der Gruppe
Kövess und starker schwerer Artillerie gegen die Festung notwendig sei,
um die russische Vorstellung zur Verkürzung der Einschließungslinie
und Bindung des Feindes anzugreifen.
Das Korps König hatte nun einige Tage hindurch einen sehr schweren
Stand; denn die Russen, die sofort die ihnen drohende Gefahr erkannt
hatten, ließen sich nicht nur jeden Schritt nach vorwärts mit Blut ab-
41*
644
Der Feldzug von Brest-Litowsk
ringen, sondern schritten selbst zum Gegenangriff. Hiezu befahl Gen»
Alexejew der 4. und der 2. Armee, den über den Strom gekommenen.
Gegner in gemeinsamer Anstrengung zurückzuwerfen, wofür von Lublin
und aus dem Abschnitt vonlwangorod starke Kräfte heranzuziehen seien1).
Am 29. abends lief die deutsche Front knapp am rechten Weichsel-
ufer entlang. Das geplante Hinüberwerfen der k. u. k. 1. KBrig. und der
LKBrig. unter Führung des GdK. Hauer, um die Bahnlinie Warschau—
Iwangorod zu zerstören, mußte unterbleiben, da die Infanterie noch zu
wenig Raum gewonnen hatte. Am 30. setzten die Deutschen ihre Be-
mühungen fort, den eroberten Boden zu einem Brückenkopf auszuge-
stalten; eine zweite Brücke wurde südlich der ersten vollendet. Die
Russen führten außer dem XVI. auch das GrenKorps, das sie in seiner
bisherigen Aufstellung durch Kavallerie ersetzt hatten, in den Kampf
und richteten namentlich von Paprotnia aus gegen die Landwehr heftige
Gegenangriffe. Um den Feind für den nächsten Tag am Verschieben
weiterer Kräfte zu verhindern, veranlaß te GO. Woyrsch wieder eine
Demonstration gegen Iwangorod.
Besonders bedrängt war die deutsche 22. LBrig. am linken Flügel,,
die mit der Hauptkraft des Korps keine Verbindung hatte. Zur Ent-
lastung griff die in den Raum bei Magnuszew verlegte k. u. k. 9. KD. ein
und überschiffte am 31. die abgesessenen Reiter zweier Regimenter
auf eine Insel östlich von Magnuszew, da die Deutschen keine Reserven
mehr hatten.
Bei der Hauptübergangsgruppe waren mittlerweile auch die Division
Bredow und die LKBrig. auf das Ostufer gezogen worden. Obwohl das
unter der Führung des Gen. Klembowski stehende russische XVI. Korps,
das durch Teile des XXXVI. Korps der 2. Armee und durch die von
Lublin herangeführte 14. sib. SchD. verstärkt worden war, verzweifelten.
Widerstand leistete, vermochten die deutschen Truppen des GO. Woyrsch
nunmehr den Brückenkopf derart zu erweitern, daß die Brücken gesichert
waren. Als das Vordringen der k. u. k. 4. Armee bis Konskowola die
Sicherung des linken Weichselufers überflüssig machte, wurde die 7. KD.
am 31. an die Radomka verschoben. Da auch die deutsche 9. KD. unter
den Befehl des GO. Woyrsch trat, konnte dieser bis 3. August ein
Reitergeschwader von vier Kavallerie di visionen vereinigen, das er —
sobald am Ostufer durch die Infanterie genügend Bewegungsfreiheit
geschaffen war — zur Unterbrechung der feindlichen Verbindungen zwi-
schen Iwangorod und Warschau ausschwärmen lassen wollte.
!) Nesnamow, IV, 83.
Durchstoß bis zur Bahn Lublin—Cholm
645
Die Einnahme von Lublin und Cholm
(29. Juli bis 1. August)
Der am 29. Juli westlich vom Wieprz in der Richtung auf Biskupice
angesetzte Angriff der 11. Armee verlief plangemäß und reifte bis zum
Abend des ersten Schlachttages zu einem großen Erfolg aus. Der Stoß-
keil Emmichs warf das II. sib. Korps unter schweren Verlusten aus seinen
Stellungen und drang mit dem reqhten Flügel bis zur Bahnlinie bei
Trawniki vor. Das lang erstrebte Ziel — das Unterbinden der Bahnlinie
Lublin—Cholm — war Wirklichkeit geworden. Der linke Flügel der
Gruppe Emmich kam bis auf die Höhen südlich von Biskupice heran. Die
östlich vom Wieprz stehende Garde war im Hinblick auf den Erfolg der
Gruppe Emmich in den späten Nachmittagsstunden vom linken Flügel
aus gleichfalls vorgebrochen, ohne jedoch den zähen Widerstand der
russischen Garden brechen zu können. Immerhin vermochten Teile der
.Stoßgruppe Emmich auch auf dem Ostufer des Wieprz festen Fuß zu
fassen und dadurch die für den 30. geplante Fortführung des Angriffes
vorzubereiten, durch den der vor der preußischen Garde und vor dem
Korps Arz stehende Feind in die Zange genommen und vernichtend ge-
schlagen werden sollte.
Die Nachbararmeen, die 4. und die Bugarmee, hatten am 29. Juli
mit der 11. nicht gleichen Schritt gehalten. Nach anfänglichen Erfolgen
standen sie am Abend in noch unentschiedenem Ringen, das bei der
4. Armee unbekümmert um den Einfall der Nacht seinen Fortgang nahm.
Bei dieser Armee war es den inneren Flügeln des VIII. und des X. Korps
gelungen, alle Vorfeldstellungen zu nehmen und in die erste feindliche
Linie einzubrechen; nachts sollte überfallsartig die zweite gestürmt
werden. Dazu aber kam es nicht mehr.
Unter ähnlichen Umständen reifte die Entscheidung am rechten
Flügel der 4. Armee heran. Die Angriffsgruppe des XVII. Korps (nebst
Teilen der 4. die 11. und die 10. ID.) hatte tagsüber die Tiefenlinie
nordöstlich von Chmiel überschritten und die Russen aus ihren Vorstel-
lungen geworfen. Zähe aber boten sie am Höhenkamme hinter ihren
siebenfachen Drahthindernissen allen Anstürmen Trotz. Erst der dritte
Sturm — knapp vor Tagesgrauen — brachte die mit hervorragender
Tapferkeit angreifenden Truppen der 11. und der 10. ID. in den Besitz
der feindlichen Hauptstellungen. Die Mittelkorps, IX. und XIV., hatten
indes durch Demonstrationen den gegenüberstehenden Feind zu binden
versucht. Noch während der unentschiedenen Kämpfe an den Flügeln
646
Der Feldzug von Brest-Litowsk
hatte sich das 4. Armeekmdo. entschlossen, den Nachdruck des Angriffes
am 30. Juli auf den linken Armeeflügel zu verlegen. Es faßte hiezu daä
VIII. (62. ID. und 47. RD.), das X. Korps (37. HID. und 2. ID.) und eine
Division der Armeereserve (24. ID.) zu einer Stoßgruppe unter Führung
des FZM. Scheuchenstuel mit dem Auftrage zusammen, die russische
Front zu durchbrechen und nach Osten hin aufzurollen. Die übrigen
Korps der Armee behielten für den 30. Juli ihre bisherigen Aufgaben.
Auch die Bugarmee war am 29. Juli auf hartnäckigen Widerstand
gestoßen und konnte trotz allen Opfermutes der Truppen nur schritt-
weise Raum nach Norden gewinnen. Für den 30. Juli plante Gdl. Lin-
singen die Fortsetzung des Angriffes in den bisherigen Stoßrichtungen.
Ehe aber die Angriffspläne der drei Armeen Mackensens zur Durch-
führung gelangen konnten, hatte sich die Lage an der Heeresgruppen-
front völlig geändert. Unter dem Eindruck der Niederlage, die die
russische 3. Armee auf den Kampffeldern bei Biskupice und bei Chmiel
erlitten hatte, wich die russische Führung einer endgültigen Entscheidung
aus, brach noch in der Nacht zum 30. Juli den Kampf ab und ordnete
den Rückzug der drei zwischen der Weichsel und dem Bug fechtenden
Armeen in die Linie Nowo Aleksandrya—Markuszów— Höhen nördlich
von Lublin — Swidnik — Pawlów — Rejowiec—Leszczany—Korczewniki—
Gusynne an. Der über den Bug hinausragende Ostflügel der 13. Armee
hatte je nach der Lage entweder am Bug zu verbleiben oder in die Linie
Gusynne—Markostaw zurückzuschwenken x).
Am 30. Juli früh waren die russischen Stellungen nahezu an der
ganzen Front der Heeresgruppe Mackensen geräumt, nur am äußersten
rechten Flügel, gegenüber dem XXXXI. RKorps, hielt der Russe noch
stand. Weithin leuchtende Brände nördlich der großen Straße Lublin—
Cholm kündeten auch in ihrem eigenen Lande den Weg, den die Russen
genommen hatten. Auf der Straße von Lublin nach Lubartów, auf denen
von Trawniki und von Cholm nach Wiodawa marschierten große Troß-
säulen nach Norden, auf allen fahrbaren Wegen dazwischen bewegten
sich Troß- und Truppenteile in gleicher Richtung. Ohne Verzug nahmen
die Armeen Mackensens die Verfolgung in breiter Front auf. Doch bald
stießen die verbündeten Truppen wieder auf verschanzten Feind.
Die 4. Armee erreichte bis zum 30. Juli abends, ohne nennenswertem
Wider st an de zu begegnen, mit dem linken Flügel und mit der Mitte die.
gesetzten Tagesziele. Das VIII. Korps gewann den Bystraabschnitt ab-
i) Z a j o n t s c h k o w s k i j, Der Bewegungskrieg 1914 und 1915, 335 fjNesna-
m o w, IV, 83.
Die Besetzung von Lublin
647
wärts von Naleczów und schob Sicherungstruppen auf die Höhen nörd-
lich der Bachlinie vor. Das X. Korps war bis an das Höhengelände süd-i
lieh von Garbów vorgedrungen. Das IX. Korps stand beiderseits der
Straße Lublin—Nowo Aleksandrya mit Vortruppen auf den Höhen südlich
des Ciemiegabaches; das XIV. Korps, vor dem zu Mittag schon Reiter-
abteilungen des IX. und des XVII. Korps in Lublin eingeritten waren,
nahm die Höhen nördlich dieser Stadt in Besitz. Nur das: XVII. Korps
konnte sein Tagesziel teczna nicht erreichen. Es kam wohl in breiter
Front über die Lubüner Bahn vor, warf die russischen Vortruppen, stieß
aber dann, wenige Kilometer nördlicher, auf die feindliche Hauptstel-
lung. Von der Armeereserve, die infolge des Rückzuges der Russen nicht
mehr eingesetzt worden war, nächtigten die 24. ID. bei Bel±yce, die
21. SchD. und die 4. ID. südöstlich von Lublin.
Wie bei der 4. Armee waren auch bei der 11. Armee die Korps seit
frühestem Morgen im Verfolgungsmarsche nach Norden. Als sie nach-
mittags auf den Höhen beiderseits und südlich von Milejów, bei Sied-
liszcze, nördlich von Rejowiec und südwestlich von Cholm auf einge-
grabene Russen — anscheinend Nachhuten — stießen, gingen sie zum
Angriff über. Überall aber trafen sie auf hartnäckigen Widerstand und
kamen bis zum Abend über die feindlichen Widerstandslinien nicht hinaus.
Auch bei der Bugarmee war es frühzeitig an der ganzen Front zu
Kämpfen gekommen. Das im Anschluß an das Korps Arz vorrückende
Beskidenkorps drang mit der Mitte bis nach Leszczany vor. Das Korps
Gerok mit der unterstellten 1. ID. gelangte fechtend bis auf die Höhen
südlich von Strzelce. Das Korps Winckler war nach Nordosten aufge-
schwenkt und bemühte sich, den Feind über den Bug zu, drängen. Das
Heeresgruppenkmdo. gewann aus den Kämpfen des 30. Juli den Ein-
druck, daß die Russen gegenüber der 11. Armee und nördlich von Lublin
zu ernsthaftem Widerstande entschlossen seien. Um es nicht zum Ver-
steifen der russischen Gegenwehr kommen zu lassen und die feindliche
Front vor der 11. Armee durch Überflügeln von Haus aus unhaltbar zu
machen, ordnete GFM. Mackensen für den 31. Juli an, daß der Angriff
von den Flügeln der Heeresgruppe aus fortzusetzen sei. Hiezu hatte die
4. Armee unter Sicherung gegen Iwangor od bis in die Linie Micho w—
Leczna zu gelangen, die Bugarmee auf Cholm vorzustoßen. Die 11. Armee
wurde jedoch beauftragt, mit dem Angriff erst am 1. August zu be^
ginnen, bis dahin aber alle erforderlichen Vorbereitungen zu treffen.
Noch im unklaren darüber, ob man es mit russischen Nachhuten oder
mit der feindlichen Hauptkraft zu tun habe, gab das 4. Armeekmdo.,
648
Der Feldzug von Brest-Litowsk
um im Sinne der Weisungen Mackensens keine Zeit zu verlieren, den
Korps den Auftrag, mit aller Entschiedenheit in den Gefechtsstreifert
nach Norden vorzustoßen, um die Russen „überall über den Wieprz zu
werfen". Nur im Falle ernstlichen Widerstandes war der Angriff „syste-
matisch" von den Armeeflügeln aus zu führen. Hiezu sollte die Gruppe
FZM. Scheuchenstuel (Vili., X. Korps und 24. ID.), unterstützt durch
das IX. und das XIV. Korps, die Höhen bei Garbów gewinnen, um von
dort aus die russischen Stellungen ostwärts aufzurollen. Die Truppen
östlich der Bystrzyca, Teile der 3. ID., die 45. SchD., die 11. und die
10. ID. mit der 4. ID., sollten unter einheitlicher Führung durch Gdl.
Kritek bis auf die Höhen südlich der Bystrzycamündung vordringen.
Vom frühen Vormittag des 31. Juli an waren alle Korps der 4. Armee
in der Vorbewegung. Bald aber erkannte man, daß es eines planmäßigen
Angriffes bedürfe, um die Russen aus ihren Stellungen zu werfen. Meh-
rere Stunden verstrichen mit Vorbereitungen; nachmittags setzte die
Infanterie zum Angriff an. Bis zum Abend drang von der Gruppe
Scheuchenstuel die 62. ID. an den Höhenrand südöstlich von Nowo Ale-
ksandrya vor; die 47. RD. gewann die Höhen nördlich der Lubliner Straße
westlich von Markuszów. Das X.Korps nahm mit der 37. HID. und mit
der 2. ID. die Höhen südlich von Garbów und warf die Russen auf den
Westrand des Ortes zurück, wo sie weiter zähen Widerstand leisteten.
Das IX. und das X. Korps kamen hart an die feindliche' Stellung süd-
lich des Ciemiegabaches heran. Mehrfache Versuche, die feindliche Front
zu durchstoßen, scheiterten. Auch der Angriff der Gruppe Kritek'
brachte bis zum Abend kein rechtes Ergebnis. Die 4. ID., die auf engem
Räume tief gestaffelt zwischen der 45. SchD. und der 11. ID. den Haupt-
angriff führte, kam über die feindlichen Vorstellungen nicht hinaus.
Erfolgreicher war die rechte Flügeldivision des XVII. Korps, die 10. ID.,
die gemeinsam mit der deutschen 19. ID. die gegenüberstehenden Russen
bis auf 5 km vor Leczna zurückdrückte. Für den 1. August befahl das
4. Armeekmdo. die Fortsetzung des Angriffes durch die Gruppen Scheu-
chenstuel und Kritek in den bisherigen Richtungen und mit den gleichen
Zielen. Gleichzeitig aber sollten das IX. und das XIV. Korps mit starken
inneren Flügeln vorbrechen.
Bei der 11. Armee fanden am letzten Juli tage nur Einleitungskämpfe
für den am 1. August auszuführenden Angriff statt, um die russischen
Vortruppen auf die Hauptstellung zurückzudrücken. Gleichzeitig bildete
die 11. Armee zwei gewaltige Stoßkeile aus je drei Korps, die den An-
griff entlang der von Trawniki nach Wlodawa führenden Straße und
Rückzug der Russen vor der 11. und der Bugarmee
649
weiter östlich davon über Rejowiec soweit als möglich nach Norden
führen sollten. Die Vorfeldkämpfe brachten aber nur stellenweise etwas
Raumgewinn, wie beim deutschen X.Korps, beim XXII. RKorps und
beim k. u. k. VI. Korps; die Garde konnte die Höhen nördlich von Re-
jowiec gegen das russische GKorps nicht erstreiten.
Die Bugarmee durchbrach mit dem Korps Gerok die russischen
Stellungen beiderseits von Strzeloe und gewann damit den Anfang der
Cholmer Straße. Das Beskidenkorps war im wesentlichen in seinen Stel-
lungen verblieben und hatte nur den linken Flügel zur Verbindung mit
dem Korps Arz vorgeschoben. Das XXXXI. RKorps war im erfolg-
reichen Vordringen gegen das Bugknie bei Ustilug. Im Anschluß daran
stand südlich von Gusynne die ll.HKD.
Die Russen räumten in der Nacht auf den 1. August ihre Stellungen
vor der 11. und der Bugarmee, um abschnittsweise auf die seit längerem
vorbereiteten Stellungen südlich der Linie Wlodawa—Ostrów zurückzu-
gehen. Vom Morgengrauen an folgten die beiden deutschen Armeen dem
weichenden Feinde. GFM. Mackensen ließ die Gardereiterei auf der
nach Wlodawa führenden Straße gegen die Sumpfenge bei Wytyczno
anreiten, wies für den 1. August die 11. Armee, deren Gruppen wieder
aufgelöst wurden, mit dem linken Flügel nach Leczna und die Bugarmee
über Cholm nach Tarnów. Über diese Linie war ,,zunächst nicht hinaus-
zugehen; Nachhuten werfen, gegen feindliche Hauptstellungen zur Ein-
leitung des allgemeinen Angriffes der Armee vorfühlen". Zur Aufrecht-
erhaltung der Verbindung zwischen den beiden deutschen Armeen wurde
die 103. ID., bisher Reserve hinter dem rechten Flügel der 11. Armee,
zwischen das VI. und das Beskidenkorps eingeschoben.
Die 4. Armee hatte die Verfolgung gegen die Linie Leczna—Michów
und unter Deckung gegen Iwangorod bis zum unteren Wieprz fortzusetzen.
In Ausführung dieser Befehle der Heeresgruppe kam es am 1. August
an der Heeresgruppenfront zu Kämpfen von wechselnder Heftigkeit.
Der 4. Armee gelang es am 1. August nicht, ihre Linie über jene des Vor-
tages entscheidend vorwärtszutragen; nur der linke Armeeflügel war
einigermaßen erfolgreich. Die 62. ID. stürmte die flachen Hügel zwi-
schen Nowo Aleksandrya und Konskowola, die 47. RD. jene 2 km nord-
westlich von Markuszów. Das X. Korps hatte seine Front in schritt-
weisem Angriff bis an die Lubliner Straße herangeschoben und stand mit
dem rechten Flügel in noch unentschiedenem Kampfe um die Höhen
südöstlich von Garbów. Die übrigen Korps, das IX., das XIV. und das
XVII., hatten sich tagsüber knapp an die feindlichen Stellungen heran-
650
Der Feldzug von Brest-Litowsk
gearbeitet, ohne aber in die feindlichen Linien einbrechen zu können. Da
die Reserven, die 24. ID. am linken Flügel und die 21. SchD. bei Lublin,
noch unverbraucht waren, war für das Armeekmdo. die Möglichkeit
gegeben, auf den Gang des Kampfes entsprechend Einfluß zu nehmen.
Die nach Norden strebenden Korps der 11. Armee stießen schon
vormittags auf starke Nachhuten in festen Stellungen, die in der Linie
Puhaczów— Swiecica die Straße sperrten. Von einigen Teilerfolgen ab-
gesehen, konnte bis ¿um Abend der Widerstand des Feindes, der unge-
wöhnlich starke Artillerie zu zeigen begann, nirgends überwunden werden.
Gdl. Linsingen ließ die Masse seiner Armee, Beskidenkorps und
Korps Gerok, in der Richtung auf Cholm verfolgen. Das erstgenannte,
dessen 4. ID. am 1. August um 10hvorm. von der alten Bischofsstadt
Cholm Besitz ergriffen hatte, war auf den Höhen nördlich der Stadt'
auf den Feind gestoßen und stand abends noch im Kampfe. Das Korps
Gerok, das knapp östlich von Cholm vorwärtsstrebte, überschritt mit
den Vortruppen die Bahnlinie Cholm—Ko wel und nächtigte mit der
Hauptkraft südlich der Bahn. Die Sicherung der Flanke der Heeres-
gruppe am Bug bewirkten die 1. ID., die unter Kämpfen hart an Du-
bienka herangekommen war, und weiter bugaufwärts das XXXXI. R-
Korps bis östlich Gusynne. Zur Deckung eines Brückenschlages südlich
von Gusynne war die 11. HKD. über den Bug gegangen und stand auf
den Höhen südöstlich davon.
Hindenburgs Stoß über den Narew
(13. Juli bis 4. August)
Hiezu Beilage 36
An der Mitte Juli einsetzenden konzentrischen Offensive gegen die
im Weichsellande in weit vorgebogener Lage haltenden Russen hatte sich
entsprechend den Weisungen der DOHL. vom 2. Juli (S. 612) auch die
deutsche Ostfront Hindenburgs durch einen Vorstoß über den Narew in
der Richtung auf Siedlec zu beteiligen. Demnach setzte der Oberbefehls-
haber Ost die zwischen Weichsel und Szkwa stehende, auf zwölf Divi-
sionen verstärkte Armee Gallwitz am 13. Juli beiderseits von Przasnysz
zum Angriffe an. Ihre beiden Flügel und der zwei Divisionen starke
rechte Flügel der 8. Armee zwischen Szkwa und Pissa hatten sich dem
Hauptangriff anzuschließen. In glänzendem Anlauf wurde die starke
erste Stellung der Russen beiderseits von Przasnysz durchbrochen. Schon
am zweiten Tage war die Stadt in deutschem Besitz, zwei Tage später
Der Durchbruch bei Przasnysz
651
wankte die stark befestigte zweite Stellung, und am 17. war der russische
Widerstand westlich des Narew gebrochen. Die Stoßtruppen der Armee
Gallwitz drangen gegen den Fluß vor, indes ihr rechtes Flügelkorps
bereits die russischen Sicherungen auf die Außenstellungen von Nowo-
georgiewsk zurückdrängte. Ein zweites Gorlice schien gelungen.
Die Russen, zwar schon zur Preisgabe des Weichselbogens entschlossen,
wurden durch den plötzlichen Vorstoß gleichwohl überrascht. Sollte die
im Zuge befindliche Zurücknahme der 4., der 3. und der 13. Armee
planmäßig und in Ordnung fortgesetzt werden können, so war es not-
wendig, den gefährlichen deutschen Stoß von Nordwesten möglichst lange
aufzuhalten. Dazu bot die Flußschranke des Narew mit seinen perma-
nenten Sperren bei Lomza, Ostrolçka, Rozan, Pultusk und der in neu-
zeitlicher Weise verstärkten Festung Nowogeorgiewsk einen geeigneten
Abschnitt, der hiezu auch von Alexejew bereits seit 7. Juli in Aussicht
genommen war1). Namhafte Verstärkungen, zum Teil aus Galizien, zum
Teil von der 2. Armee herangeführt, sollten die 1. Armee hiebei stützen.
Als daher die inzwischen gleichfalls um vier Divisionen verstärkte
Armee Gallwitz, nachdem sie sich am 19. und 20. Juli bis knapp an die
Narewbefestigungen herangearbeitet hatte, zum Stoß über den Fluß an-
trat, traf sie ein großangelegter Gegenangriff frischer Kräfte zwischen
Ro£an und Pultusk heraus. Zwar erwehrten sich die deutschen Truppen
des Angriffes, konnten aber erst am 23. wieder zum Angriff schreiten.
Während der am 20. Juli vor Nowogeorgiewsk eingetroffene Bezwin-
ger Antwerpens, Gdl. v. Beseler, am rechten Flügel der Armee mit seiner
aus Landwehr und Landsturm gebildeten Angriffsgruppe den Ring um
die Festung enger zog, brachte die Hauptangriffsgruppe des GdA. Gall-
witz am 24. Pultusk und Ro£an zu Falle.
Am 26. Juli standen zehn Divisionen östlich des Narew zum Angriff
und Vormarsch an und über den Bug bereit. Hier hatten die Russen aber
schon bedeutende Kräfte für den zur Vollendung des Rückzuges noch
immer nötigen Kampf um Zeitgewinn zusammengezogen. Mindestens acht
Armeekorps und drei Reiterdivisionen wurden am 26. Juli gegenüber
Gallwitz festgestellt, als sich die Russen nun in einem neuerlichen,
gewaltigen, von Serock bis östlich von Rozan auf 60 km Ausdehnung
geführten Gegenangriff auf die eben in den letzten Angriffsvorbereitungen
befindlichen deutschen Divisionen stürzten. In hartem Kämpfe wurde er
abgewiesen; aber die Widerstandskraft der russischen 1. Armee war noch
immer beträchtlich. Die folgenden Tage brachten neue russische Angriffe;
i) Zajontschkowskij, Der Bewegungskrieg 1914 und 1915, 325.
652
Der Feldzug von Brest-Litowsk
das Unternehmen der Armee Gallwitz wurde, ohne nennenswert Raum
zu gewinnen, zu einem immer zäheren Ringen. Als aber am 3. August
Ostrolçka bezwungen wurde, vermochten sich die deutsche 12. Armee
und der Südflügel der 8. auf dem östlichen Narewufer von Nowogród
bis südlich von Pultusk auszubreiten.
Mit dem kraftvollen Vorstoß an den Narew hatte der Oberbefehls-
haber Ost seinen Gedanken der weiter ausgreifenden, entscheidenden
Aktion über Kowno—Wilna in den Rücken der wankenden Russenfront
nicht aufgegeben. Um für ein solches Vorgehen wenigstens in einem
späteren Zeitpunkt freie Bahn zu schaffen1), besonders um ihr in Kur-
land die linke Flanke zu sichern, wohl auch, um die DOHL. durch einen
Erfolg im entscheidenden Moment mitzureißen, waren bei der 10. Armee
Vorbereitungen zum Angriff auf Kowno eingeleitet worden.
Gleichzeitig mit dem Vorstoße der 12. Armee war auch die Njemen-
armee am 13. Juli zum Angriff geschritten. Trotz ihrer verhältnismäßig
geringen Kräfte vermochte sie schon im ersten Ansturm die untere
Windau zu überschreiten. Am 18. Juli hatte sie mit dem linken Flügel
eine Linie erreicht, die von Hofzumberge über Tukkum und Kandau
nach Windau führte und knapp an die Rigaer Bucht heranreichte. Zwischen
dem 15. und 20. Juli dehnte sie ihre Angriffe auch auf Szawle und auf
den Raum östlich von Rossienie aus, schlug die Russen am 23. bei Szawle
und drang, von hier und über die Dubissa vorstoßend, am 25. Juli in
Poswol undPoniewiez ein. Die russische 5. Armee zog sich auf Bausk zurück.
Als nun gleichzeitig mit diesen Erfolgen im Norden es am Narew
immer deutlicher wurde, daß der Stoß sich hier in ein „frontales Ab-
ringen zu verlaufen"2) begann, überdies die Räumung des Weichsel-
bogens durch die Russen sich der Vollendung näherte, kam Hindenburg
auf seinen Antrag zum Vorstoß am unteren Njemen und auf Kowno
zurück. „Schon war es spät geworden," schreibt hierüber Ludendorff
in seinen Kriegserinnerungen, „die Wegnahme von Kowno erforderte
Zeit, und der russische Rückzug in Galizien war bereits weit gediehen.
Es erschien aber noch möglich, Großes, jedenfalls Größeres zu erreichen,
als bei der im Gange befindlichen Operation. Diese konnte nicht anders
enden als mit einem rein frontalen westöstlichen Zurückdrängen des
Feindes 3)."
Gdl. Falkenhayn vermochte den verlockenden Plänen des Ober-
1) Hindenburg, 129.
2) Ebenda, 128.
3) Ludendorff, Kriegs erinnerungen, 117.
Iwangorod vor dem Fall
653
befehlshabers Ost aber nicht zu folgen. Sein Blick war im Westen auf
die drohende Feindoffensive in der Champagne, vor allem aber nach
dem Balkan gerichtet, wo ein freier Weg zu der in bedrohlicher Lage
schwebenden Türkei erkämpft werden mußte. Ihm lag deshalb daran,
die Operationen im Osten ehestens zu beenden und er „beharrte unter
bewußtem Verzicht auf große operative Wirkungen auf seinem ursprüng-
lichen Plan des schrittweisen Vorgehens mit beschränkten Zielen"1).
Die Eroberung von Iwangorod
(1. bis 4. August)
Hiezu Beilage 33 samt Nebenskizze
Während sich die deutschen Truppen der Armee Woyrsch in hart-
näckigen, opferreichen Kämpfen auf dem östlichen Weichselufer be-
haupteten, war man bei der Armeegruppe Kövess mit freudigem Eifer
an die Lösung der am 24. Juli (S. 642) erhaltenen selbständigen Aufgabe,
die Bezwingung der Festung Iwangorod, geschritten. Da der erste Angriff
gegen die Westfront zu richten war, wurden sämtliche Steilfeuerbatterien
der 35. ID. zugewiesen. Ihr Führer, GM. v. Podhoránszky, bildete unter
Beiziehung der Armeegruppenreserve eine Stoßgruppe von 81/2 Bataillonen
und durchbrach am 1. August nach vierstündiger Artillerievorbereitung
die mit stockwerksförmigen, teilweise betonierten Stützpunkten stark
ausgebaute Vorstellung bei Slowiki Nowe, wobei sich das siebenbürgische
IR. SO besonders hervortat. Planmäßig schwenkte sodann ein Teil der
Angreifer nach Südosten und zwang die im Rücken gepackten Russen
zur Waffenstreckung; hierauf wurde in erbittertem Ringen die feindliche
Linie im Walde nördlich der Bahn aufgerollt. Der Nordflügel der 16. ID.
und später auch deren Mitte schlössen sich dem Angriff der Schwester-
division an und entrissen den zähen Verteidigern ebenfalls einige Stütz-
punkte. Der Einbruch von 6 km Breite nötigte die Russen, bis zum 2.
auch vor der 16. ID. Raum zu geben und gegen die zweite feldmäßige
Stellung zurückzuweichen. Die verkürzte Einschließungslinie verlief nun-
mehr von Staszów über Mozolice Wz., Slowiki Nowe längs der Straße
nach Gniewoszów und bis zur Weichsel. Der Erfolg der k. u. k. Waffen
drückte sich auch in der Gefangennahme von über 2300 Mann, 32 er-
oberten Geschützen und zahlreichem erbeutetem Kriegsgerät aus.
Über die Besatzung erhielt man deutlichen Aufschluß; sie bestand aus
zwei Regimentern der 47. ID., zwei Reichswehrbrigaden und Festungs-
1) Volkmann, Der große Krieg 1914 bis 1918 (Berlin 1922), 71.
654
Der Feldzug von Brest-Litowsk
artillerie. Schon die Gefangenenaussagen, ferner das Ausbleiben eines
Gegenangriffes und die Fliegererkundung am 3. August ließen ziemlich
sicher vermuten, daß die Räumung der Festung bevorstand. Kövess wies
daher seine Truppen an, beim Erkennen eines feindlichen Rückzuges
sogleich zuzugreifen. Daneben wurde die Fortsetzung des gewaltsamen
Angriffes, diesmal von Süden her durch die 16. ID., weiter vorbereitet.
Dazu sollte es aber nicht mehr kommen, denn die Gesamtlage nötigte
die russische Führung zu dem schon lange vorgesehenen Aufgeben des
„vorderen Kriegsschauplatzes" (S.610). Der Gruppe des Gen. Klembowski
war es nicht gelungen, die Streitkräfte des GO. Woyrsch vom rechten
Weichselufer zu vertreiben1), und über die 3. und die 13. Armee errang
Mackensen soeben neue Erfolge. Mit dem noch zu erörternden Entschluß
Alexe je ws vom 3. August, seine Armeen zurückzunehmen, wodurch die
2. das linke Weichselufer samt Warschau vom 4. auf den 5. preisgab,
mußte auch Iwangorod aus dem Frontverlauf ausscheiden2) (S. 611),
ohne es auf die Verteidigung der allerdings veralteten Forts auf dem
linken Ufer ankommen zu lassen, da die 4. Armee ihre Rückbewegung
nach der 2. zu richten hatte.
In der Nacht auf den 4. vernahmen die Belagerer von Iwangorod
zahlreiche Sprengungen im Festungsbereich; Brände flammten auf. Am
Morgen waren die russischen Stellungen verlassen, und die Verteidiger
auf die rechte Stromseite abgezogen. Beide siebenbürgische Divisionen
stießen nach Besetzung der Forts bis ans Ufer vor; das jenseitige hielt
der Feind, der die Brücken zerstört hatte und alle Übergangsversuche
im Bereiche der Festung scharf abwies.
Nördlich von Iwangorod hatten die auf dem östlichen Weichselufer
befindlichen deutschen Truppen, denen weiteres Vordringen vorgezeichnet
war, gegen den auf etwa 68 Bataillone geschätzten Feind noch immer
einen schweren Stand. Sie mußten, da Falkenhayns Anregung vom
1. August, sie durch das k. u. k. VIII. Korps der 4. Armee zu verstärken,
von Conrad unter Hinweis auf den noch sehr tätigen Widerstand des
Feindes am unteren Wieprz abgelehnt worden war, am 3. lediglich zur
Behauptung des gewonnenen Brückenkopfes angewiesen werden. Nach
dem Falle von Iwangorod aber zog GO. Woyrsch, einer Ermächtigung
durch die k. u. k. Heeresleitung zuvorkommend, die 35. ID. eiligst nach
Kozienice heran, indes die 16. ID. die Weichselsicherung zu besorgen hatte.
1) Nesnamow, IV, 83.
2) Z a j o n t s c h k o w s k i j, Der Bewegungskrieg 1914 und 1915, 335ff. ; D a-
n i 1 o w, 528 f.
Fortsetzung der Offensive Mackensens
655
GO. Woyrsch und seine Streitkräfte konnten seit dem 24. Juli auf
höchst bemerkenswerte Erfolge zurückblicken. Der kühn ersonnene und
gründlich vorbereitete Weichselübergang hatte eine empfindliche Stelle
der Russenfront getroffen, die augenblicklich etwas auseinanderstreben-
den inneren Flügel der 2. und der 4. Armee. Er darf sowohl hinsichtlich
der technischen Durchführung, an der die öst.-ung. Pioniergruppe Obst.
Mischek rühmlichen Anteil hatte, wie hinsichtlich der Kampfleistung der
Landwehr, also von Truppen dritter Linie, als hervorragende Waffentat
gewertet werden. Der scharfe Zugriff der öst.-ung. Truppen wieder hatte
dem Feinde den linksufrigen Teil der Festung Iwangorod entrissen.
Unter den Leistungen, die zur späteren Verleihung des Kommandeur-
kreuzes des Militär-Maria Theresien-Ordens an ihren Führer, Gdl.Kövess,
beitrugen, war diese nicht die geringste.
Da weiters am 4. August auch die deutsche 9. Armee in der Haupt-
stadt Polens Einzug hielt, waren den Russen die beiden Ausfallspforten
verrammelt worden, aus denen sie zehn Monate vorher die Streiter-
scharen der „Dampfwalze" hatten vorbrechen lassen. Unter dem von drei
Seiten ausgeübten Druck der Verbündeten sollte der weitere Rückzug
der russischen Heeresmitte nicht lange mehr auf sich warten lassen.
Die Ereignisse zwischen Weichsel und Bug
vom 2. bis zum 4. August
Die Nachrichten, die am 1. August eingelaufen waren, ließen den
GFM. Mackensen den Eindruck gewinnen, daß die vor ihm im Rückzug
befindlichen russischen Armeen erst wieder in der Linie Rudka—Kotacze—
Ostrow—-Iwangorod nachhaltigen Widerstand leisten mochten. Er befahl
daher für den 2. August der 4., der 11. und der Bugarmee, die Vor-
fückung fortzusetzen.
Das 4. Armeekmdo. strebte für den 2. August an, den bereits durch
das k.u.k. X.Korps angebahnten Durchbruch der feindlichen Front bei
Garbów zu vollenden. Die Durchführung wurde dem X. Korps, Teilen
des IX. und der 24. ID. unter Leitung des FML. Martiny übertragen. Den
Hauptangriff hatte die 24. ID. aus schmalem Räume knapp südöstlich von
Garbów durch die Linien der 2. ID, hindurch bei Unterstützung durch
die angrenzenden Teile der 37. HID. und der 106. LstlD. zu führen. Um
den erhofften Erfolg ausnützen zu können, sollte das VIII. Korps eine
starke Reserve hinter seinem rechten Flügel bereitstellen. Die nicht an-
greifenden Teile der Armeefront hatten lediglich ihre Stellungen zu
656
Der Feldzug von Brest-Litowsk
behaupten. Die 21. SchD. wurde zur Sicherung des Besitzes von Lublin
bei diesem Orte zurückbehalten.
Die 24. ID. drang bis zum Abend in die russischen Stellungen ein,
ohne sie allerdings vollends zu durchstoßen. Die 47. RD., die bereits am
Morgen im Vereine mit der 37. HID. einen starken Gegenangriff abge-
wiesen und ihre Linien etwas vorgeschoben hatte, mußte abends neuer-
lichen Angriffen standhalten. Die Division, die jetzt von der Heeres-
leitung als Verstärkung der Armee Woyrsch bestimmt wurde, sollte
durch die 2. ID. abgelöst werden, sobald es die Gefechtsverhältnisse zu-
ließen. An der übrigen Armeefront herrschte tagsüber meist Ruhe.
Bei der 11. Armee, deren Korps am 2. August in ihren Bewegungs-
streifen vordringen sollten, wurde nur am linken Flügel und in der
Mitte gekämpft; denn die Garde und das VI. Korps hatten ein vernehm-
lich ihren Angriff auf den 3. August verschoben. Die Kämpfe der Mitte
blieben bis zum Abend unentschieden; hingegen vermochten die inneren
Flügel des deutschen X. und des X. RKorps (20. und 105. ID.) den Feind
aus seinen Stellungen zu werfen; sie kamen im Norden über Puchaczów
hinaus, im Westen knapp an Leczna heran, allerdings ohne die feindliche
Front völlig zu zerreißen. In zusammenhängenden Stellungen lagen
abends die Russen der 11. Armee neuerlich gegenüber.
Am 2. August hatte auch der linke Flügel der Bugarmee, der den
Feind in das Sumpfgelände südlich von Wlodawa werfen sollte, schwere
Kämpfe zu bestehen. Das Beskidenkorps erstritt die Höhe Gora Lysa
nördlich von Cholm, das Korps Gerok kämpfte unentschieden in der
Linie Serebryszcze—Brzyzno, die 1. ID. schwenkte über Ostrow und
Turka nach Osten auf und verlängerte die kampflos haltende Bugfront
(XXXXI. RKorps und 11. HKD.).
Für den 3. August planten alle drei Armeen die Fortführung des
Angriffes. Bei der 4. Armee sollte dies von beiden Flügeln aus erfolgen,
bei Garbów vom X. und östlich der Bystrzyca durch das um die halbe
21. SchD. verstärkte XVII. Korps. Die 11. Armee wollte durch Einsatz
der 119. ID., die bisher hinter dem XXII. RKorps in zweiter Linie gefolgt
war, den Erfolg des X. Korps ausbauen. Die GKD., die entlang der
Straße nach Wlodawa nicht hatte durchdringen können, sollte sich nun-
mehr den Weg über Leczna nach Norden bahnen. Die übrigen Korps der
Armee hatten so wie jene der Bugarmee in ihren bisherigen Angriffs-
richtungen weiter vorzudringen.
Unter dem Eindrucke der erfolgreichen Vorstöße bei Garbów und
bei Leczna nahmen aber die Russen in der Nacht auf den 3. August ihre
Rückzug der Russen vor der 4. und der 11. Armee
657
Front vor der 4. Armee auf die Hügel nördlich des Ciemiegabaches bis
in die Höhe von Leczna, vor der 11. Armee, die noch kurz vor Mitter-
nacht heftige Gegenangriffe abzuschlagen hatte, an den Swinkabach
zurück. Nur an den Flügeln der Heeresgruppe, vor dem VIII. Korps und
vor der Bugarmee, hielten die Russen in ihren alten Stellungen stand.
Als die verbündeten Truppen am 3. früh den Rückzug des Feindes ge-
wahr wurden, folgten sie ihm rasch bis an seine neuen Stellungen. Am
linken Flügel der 4. Armee, beim VIII. und beim X. Korps, welch letz-
teres sich für einen am 4. früh auszuführenden Angriff rüstete, brachte
der 3. August keine Änderung der Lage. Die Armeemitte, IX. und
XIV. Korps, war auf die Höhen nördlich des Ciemiegabaches vorge-
drungen; vom XVII. Korps hatten die 10. und die 11. ID. den Wieprz
zwischen Leczna und der Bystrzycamündung erreicht; die 45. SchD. war
über die Bystrzyca gegangen und stellte die Verbindung mit dem
XIV. Korps her. Als Armeereserve wurden die wieder vereinigte 21. SchD.
und die 4. ID. bei Lublin bereitgestellt. Das Armeekmdo. stand am
3. August abends unter dem Eindruck, daß der Feind in seiner jetzigen
Stellung zu hartnäckigem Widerstand entschlossen sei, und verfügte die
Fortführung des Angriffes am 4. August mit versammelter Kraft, wozu
unter FML. Roth das XIV. und das IX. Korps, die 45. SchD. und die
4. ID. längs der nach Lubartów führenden Straße angesetzt wurden. Am
linken Flügel sollte das X. Korps den bereits für den 4. vorbereiteten
Angriff durchführen.
Auch die Truppen der 11. Armee waren am 3. August ohne Zaudern
zur Vorrückung angetreten. Das durch die 119. ID. verstärkte X. Armee-
korps und das X. RKorps warfen die Russen nach schwerem Kampfe
aus ihren Stellungen nördlich von Leczna und Puchaczów zurück und
nahmen die dortigen Höhen in Besitz. Die anderen Korps waren nach
kurzer Verfolgung auf den Feind in starken Stellungen gestoßen; ein
Angriff schien nur nach entsprechender Vorbereitung erfolgverheißend.
Das XXII. RKorps, die Garde und das VI. Korps entschlossen sich denn
auch, den Angriff erst am 4. August fortzuführen. Das 11. Armeekmdo.
befahl für diesen Tag die Verfolgung oder den Angriff bis in die Linie
Dr ató w Garbato wka—Tarnów.
Die Bugarmee, die am 3. trotz heftiger Kämpfe auf ihrem Westflügel
keine Fortschritte erzielt hatte, wollte am 4. gleichfalls weiter angreifen.
Die verbündeten Truppen trafen jedoch an diesem Tage wieder
nur auf Nachhuten, die den in der Linie Iwangorod—Lubartów—Tarnów
sich festsetzenden russischen Hauptkräften folgten.
II 42
658
Der Feldzug von Brest-Litowsk
GFM. Mackensen erkannte, daß die Russen nun auch den Rückzug
der bisher an der Weichsel stehenden Korps einzuleiten begannen. Um
dem Feinde möglichst Abbruch zu tun, plante er durch Vorstoß gegen
die Bahn Warschau—Brest-Litowsk den abziehenden Feind in seiner Süd-
flanke anzufallen. Vorerst galt es aber, „die zu erwartenden Deckungs-
stellungen in der Linie Wlodawa—Iwangorod möglichst schnell zu
überwinden". Hiezu befahl Mackensen am 4. vormittags der 4. Armee, so
rasch wie möglich in der allgemeinen Richtung über Kock vorzudringen;
die 11. Armee sollte über Parczew vorgehen. Die Sicherung des Angriffes
gegen eine Bedrohung von Osten her wurde der Bug- und der 1. Armee
übertragen. Die Erstgenannte hatte etwaige Vorstöße aus der Richtung
Wlodawa abzuwehren und hiezu die feindlichen Vortruppen auf die
südöstlich von Wlodawa vermutete Hauptstellung zurückzuwerfen, die
I. Armee dagegen sollte an die Luga vordringen und sich in den Besitz
von Wladimir-Wolynski setzen.
Die neuen Aufgaben bedingten innerhalb der Heeresgruppe eine
Kräfteverschiebung nach Westen. Die 4. Armee mußte den Abschnitt des
XVII, Korps an die 11. Armee abgeben, diese wieder die Abschnitte der
Garde und des VI. Korps an die Bugarmee. Um Kräfte der Bugarmee
für die Richtung Wlodawa freizubekommen, wurde die 1. Armee beauf-
tragt, vom XXXXI. RKorps die Sicherung am Bug bis Dubienka zu
übernehmen, wozu ihr auch die ll.HKD. wieder unterstellt wurde.
Zunächst aber ließ GFM. Mackensen die für den 4. August von den
Armeen eingeleiteten Bewegungen auslaufen. Nur der linke Flügel der
II. Armee erhielt eine über die bereits gesteckten Tagesziele hinaus-
reichende Verfolgungsaufgabe. Er sollte noch am 4. August den Wieprz
abwärts bis in die Höhe von Lubartów vordringen, um „dem Feind ein
Zurückgehen über den Wieprz bis Lubartów unmöglich zu machen".
Bis zum 4. August abends erreichten die Korps der 4. Armee unter
leichten Nachhutkämpfen ihre Tagesziele. Vom VIII. Korps war die
62. ID. nahe an die feindlichen Stellungen südöstlich von Iwangorod
herangekommen, die 2. ID., die die 47. RD. abgelöst hatte, stand auf
den Höhen nördlich von Kurów. Die 47. RD. wurde unterdessen bei Ka-
zimierz zum Uferwechsel bereitgestellt. Das X.Korps (37. HID. und
24. ID.) breitete sich auf den Höhen beiderseits von Amelin aus,
das IX. Korps (106. LstlD., Polnische Legion und 41. HID.), ferner das
XIV. Korps (26. SchD. und 3. ID.) waren über den Nordrand des Wald-
gebietes südwestlich von Lubartów vorgedrungen. Das XVII. Korps mit
der 45. SchD. westlich vom Wieprz, mit der 11. und der 10. ID. auf dem
Angriffspläne Böhm-Ermollis
659
östlichen Ufer, war kampflos an die feindlichen Stellungen südöstlich
von Lubartów herangekommen. Das Armeekmdo. hatte die 21. SchD.
dem XIV. Korps dichtauf folgen lassen, die 4. ID. aber noch nächst Lu-
blin zurückgehalten.
Die 11. Armee war am 4. August in der Linie Rozkopaczów—Garba-
tówka—Tarnów auf die Russen gestoßen. Sie drang bis zum Abend stel-
lenweise in die feindliche Front ein.
Die Bugarmee hatte die Umgruppierung noch im Laufe des 4. August
zum Teile vollzogen. Die 1. ID. und das Korps Gerok streckten sich
derart nach Westen, daß das Beskidenkorps ausgespart und zur Ab-
lösung des VI. Korps und der Garde freigemacht werden konnte. Das
XXXXI. RKorps war unter Belassung von Verschleierungen am Bug im'
Anmärsche nach Norden.
Die Bugkämpfe vom 19. Juli bis zum 4. August
Hiezu Beilage 33
In Ostgalizien hatten sich nach dem Erreichen der Zlota Lipa
keine bemerkenswerten Ereignisse ergeben. Die eingetretene Kampfpause,
mochte sie auch durch Ablösungen und Verschiebungen vielfach gestört
worden sein, kam den durch die langandauernden Kämpfe sehr ermü-
deten und in ihren Kampf ständen sehr geschwächten Truppen außer-
ordentlich zunutze. Sie ermöglichte auch Maßnahmen gegen die beim
IV. Korps wieder aufgetretene Cholera. Die 12. Marschbataillone (bei
der österreichischen Landwehr die 11.) konnten in Ruhe eingereiht
werden. Hiedurch wurde der Feuergewehrstand bei der 2. Armee von
55.000 auf etwa 70.000, bei den k.u.k. Truppen der Südarmee von
34.000 auf 43.000, bei der 7. Armee von 80.000 auf 91.000 gehoben.
Zur Zeit, als die 1. Armee nach Wladimir-Wolynski hätte vor-
dringen sollen (S. 625), um den Nordstoß Mackensens gegen Osten zu
sichern, hatte der Führer der 2. Armee, GdK. Böhm-Ermolli, dem ledig-
lich verteidigungsweises Verhalten am Bug aufgetragen worden war, am
17. Juli aus eigenem den Entschluß gefaßt, sich dem Vorgehen der 1. Ar-
mee anzuschließen. Bereits am 12. hatte er beim Freimachen der Gruppe
Szurmay auch das vom GdK. Ziegler befehligte XVIII. Korps (9. ID.
und 1. LstlBrig.) am Oberlauf der Zlota Lipa aus der Front gelöst und
hinter seinen Nordflügel verschoben. Nun befahl er dem GdK. Ziegler,
dem auch noch das IV. und das Korps Czibulka sowie die am 15. als
Armeereserve herausgezogene 32. ID. unterstellt wurden, über Kamionka-
Strumilowa gegen Radziechów anzugreifen. Hiezu sollte zunächst das
42*
660
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Westufer des Bug vor Dobrotwór vom Feinde gesäubert und dann in
der Bugschlinge östlich von Kamionka-Strumilowa ein Brückenkopf ein-
gebaut werden. Den Zeitpunkt für das Vorbrechen aus diesem bis an
den Abschnitt des Bialystok- und Ostrowkabaches wollte Böhm-Ermolli
selbst wahrnehmen.
Gen. Brussilow kam den Plänen Böhm-Ermollis entgegen, denn er
hatte das VIII. Korps, das bei Kamionka-Strumilowa gestanden war,
durch Streckung der Nachbarkorps aus der Front gelöst und eilig nach
Norden verschoben, um die ihm bei Sokal drohende Gefahr eines Durch-
bruches seiner Armee zu bannen.
Am 19. früh schritten die beiden Divisionen Czibulkas und die
13. SchD. des II. Korps aus. Die Russen hatten in diesem von ausgedehn-
ten Waldungen durchsetzten Gelände nur Vorstellungen, die sie den An-
greifern überließen, ohne viel Widerstand zu leisten. Dennoch kamen
diese in dem schwierigen Gelände bei dem schlechten Wetter, das auch
die Flugaufklärung beeinträchtigte, nur langsam vorwärts. Immerhin
boten die schwache russische Gegenwehr und die Nachricht von der
Rückverlegung höherer feindlicher Befehlsstellen vor der Heeresgruppe
Mackensen für das 2. Armeekmdo. Anlaß genug, seine Korps schon zur
Vorrückung bis Stanislawczyk am oberen Styr, dann bis an den Ostrowka-
Bialystokabschnitt anzuweisen.
Bei der 1. Armee stellten die 25. ID. und die 46. SchD. nach Ab-
schluß der erfolgreichen und ehrenvollen Kämpfe bei Sokal am 19. Juli
befehlsgemäß die Offensive ein und begannen ihre neuen Stellungen
auszubauen. Vor der 25. ID. stand der Feind sogar recht weit ab, doch
konnte bereits über Tartaków der Anmarsch von neuen Truppen wahr-
genommen werden.
Beim Korps Szurmay hatte die 7. ID. noch während der Nacht den
Bug bei 2dzary überschritten und die völlig überraschten Reiter des
russischen IV. Kavalleriekorps zurückgedrängt. Das Reiterkorps Heyde-
breck wurde an den geschaffenen Brückenkopf herangezogen und unter-
ließ sein Vorbrechen aus diesem nur deshalb, weil die schadhaft ge-
wordene Brücke das Mitnehmen der Artillerie noch nicht ermöglichte.
Die 40. HID., auf beiden Ufern stehend, hatte sich zur Ablösung des
der Bugarmee zugewiesenen und von Linsingen dringend gewünschten
XXXXI. RKorps (S. 658) nach Westen zu strecken. Auch die erst an-
rückende 103. ID. mußte als Reserve des Heeresgruppenkmdos. Macken-
sen abgegeben werden, wie dieser überhaupt „die Aufgabe der 1. Armee
nicht im Vorgehen nach Osten, sondern zunächst nur in der Deckung der
Erfolgreicher Russenangriff bei Sokal
661
Flanke der nach Norden operierenden Armeen" erblickte. FZM. Puhallo,
dessen nur mehr fünf Infanteriedivisionen und drei Kavalleriedivisionen
starke Armee auf 50 km Frontbreite stand, sah mit Besorgnis den nächsten
Tagen entgegen. Die Schwierigkeit seiner Lage ergab sich im wesentlichen
daraus, daß die 1. Armee am Brechpunkt der nach Osten gerichteten
Defensiv- und der nach Norden strebenden Offensivfront der verbündeten
Heere stand. Er rechnete mit Gegenangriffen des Feindes, der ihm jetzt
schon um zwei Infanterie- und ein bis zwei Reiterdivisionen überlegen
war, zu denen noch das russische VIII. Korps hinzutreten sollte.
Wechselvolles Ringen um den Brückenkopf bei Sokal
(20. bis 31. Juli)
Nur zu bald sollten sich die Besorgnisse Puhallos erfüllen. Bereits
in der Nacht zum 20. mußten der Nordflügel der 46. SchD. und die
40. HID. russische Gegenangriffe abwehren, wobei auf dem Gefechts-
feld der Honvéd Abteilungen Heydebrecks eingriffen. Im Laufe des
Tages nahm die Spannung an der ganzen Armeefront zu. Vor ununter-
brochen angreifenden Sturmkolonnen, die es offensichtlich auf das Ab-
schnüren des Sokaler Brückenkopfes von Süden her abgesehen hatten,
mußten der rechte Flügel der 25. ID., mit Ausnahme der Besatzung einer
kleinen Brückenschanze östlich von Krystynopol, und ihre Mitte auf
das Westufer zurückgenommen werden. Ein hierauf südlich von Sokal
bei der Gruppe Obst. Hassenteufel erfolgter russischer Einbruch, bei
dem das F JB. 25 nahezu ganz in Gefangenschaft geriet *), veranlaßte
den Oberst, seine Gruppe in eine näher zum Fluß befindliche Auf-
stellung zurückzunehmen und hiebei auch die Höhe Gora Sokal A 254
zu räumen. Im Interesse einheitlicher Gefechtsleitung wurde nun die
Gruppe Hassenteufel dem I. Korpskmdo. unterstellt.
Unterdessen hatten Angriffe des durch Gardereiter und durch In-
fanterie verstärkten russischen IV. Kavalleriekorps auch bei Zdzary
eine Verengerung des Brückenkopfes erzwungen. GLt. Heydebreck nahm
in Erkenntnis der Unmöglichkeit, gegen Wladimir-Wolynski vorzubre-
chen, seine schon auf das Nordufer vorgezogenen Reiter wieder auf das
Südufer zurück. Des weiteren erlaubten diese starken russischen Angriffe
bloß die Ablösung der rechts stehenden 82. RD. des Korps Winckler.
i) Dieses Bataillon stammte aus Brünn und hatte ¿um überwiegenden Teil tsche-
chische Mannschaft. Vgl. auch Hoen, Waldstätten-Zipperer und Seifert,
Die Deutschmeister, 448 ff.
662
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Die kritische Lage veranlaßte das 1. Armeekmdo., am 20. nachm.
um Unterstützung zu bitten. Sie wurde ihm durch vorübergehende
Unterstellung der 103. ID. zuteil, die nach Opulsko zu rücken hatte;,
doch sollte diese Division ehestens durch eine solche der 2. Armee er-
setzt werden. GdK. Böhm-Ermolli bestimmte hiezu die 9. ID. der Gruppe
Ziegler, wodurch diese wieder gezwungen wurde, auf die für den 21.
geplante Bugbezwingung bei Kamionka-Strumiiowa zu verzichten ; wohl
aber hatte sie die völlige Säuberung des westlichen Bugufers zu vollenden.
Der Verlust der Gora Sokal äußerte sich sehr bald in flankierender
Beschießung der Stellungen der 46. SchD. durch russische Artillerie.
Deshalb bat die Division um Kräfte für die Rückeroberung dieses
Schlüsselpunktes des Kampfraumes. Doch die staffelweise herankom-
mende deutsche 103. ID. durfte hiefür nicht verwendet werden, wie
denn Mackensen überhaupt auf den Besitz der Bugbrückenköpfe jetzt
keinen sonderlichen Wert mehr legte; ihm genügte Fesselung starker
Feindkräfte und verläßliche Sicherung der Flußlinie durch die 1. Armee.
Diese jedoch sah die Behauptung des mit großen Opfern bei Sokal ge-
schaffenen Brückenkopfes als Ehrenpflicht an. Puhallo forderte daher
von der 46. SchD., bis zum Eintreffen der 9. ID. noch in der jetzigen
Lage auszuharren. Dann sollte die 103. ID. eiligst zur Bugarmee rücken.
Ebenso drängte Mackensen auf völlige Ablösung des Korps Winckler,
wozu die k. u. k. 4. und die deutsche 5. KD. zu verwenden waren. Die
ll.HKD. des Kavalleriekorps Heydebreck mußte gleichfalls an Linsin-
gen abgegeben werden.
Am 21. und 22. hatten die auf dem rechten Bugufer stehenden
Truppen der 1. Armee, namentlich bei Sokal, zahlreiche Angriffe ab-
zuwehren. Grund genug für FZM. Puhallo, am 23. die Rückeroberung
der Gora Sokal anzubefehlen, wozu die 9. ID. rechts von der 46. SchD.
eingesetzt wurde. Am 25. Juli um 4h nachm. begann bei heftigem Ge-
witter der Angriff, dem eine einstündige Feuervorbereitung vorange-
gangen war. Zähe Gegenwehr des Feindes zwang die durch die Gruppe
Obst. Hassenteufel verstärkte 9. ID., ihre Anstrengungen die ganze Nacht
und den nächsten Vormittag hindurch fortzusetzen, bis am '26. um lh
nachm. die flachgewölbte Kuppe endlich im Besitze der Angreifer zu
sein schien. Doch nachmittags erkannte man, daß der höchste Punkt
der Höhe A 254 noch in Feindeshand war; es bedurfte eines neuer-
lichen Nachtangriffes, um ihn zu erobern. Auch weiter im Süden wurde
die alte Linie erreicht.
Brussilow ließ aber die erschöpften Angreifer nicht zur Ruhe kom-
Gewinn und Verlust der Gora Sokal
663
men. Schon am 27. jagte er das XII. und das VIII. Korps zum Gegenan-
griff vor, zunächst vergeblich; doch am 28. Juli gelang es der Über-
macht der Russen, die vielumstrittene Gora Sokal den ermatteten und
durcheinandergewürfelten Abteilungen des I. Korps abermals zu ent-
reißen. Den Gedanken an eine neuerliche Rückeroberung mußte das
1. Armeekmdo. wegen der sehr geringen Kampf stände fallen lassen.
Zum Glück stieß der Feind nicht nach. Die auf 2100 Mann zusammenge-
schmolzene 9. ID.1) — samt der Gruppe Hassenteufel waren es 3800 —■
hätte ihn kaum mehr abzuwehren vermocht.
So war die Lage der etwa 35.000 Gewehre und 3600 Säbel zählen-
den 1. Armee um die Monatswende recht kritisch geworden, denn ihren
fünf Infanterie- und zwei Kavallerie di visionen standen nicht weniger als
neun russische Infanterie- und mindestens vier Reiterdivisionen gegen-
über, von denen allein vier Infanteriedivisionen den Brückenkopf von
Sokal umklammert hielten. Eine Entspannung erwartete sich das 1. Ar-
meekmdo. nur von der Ausführung des vom GdK. Böhm-Ermolli ge-
planten Vorstoßes gegen Radziechów, wobei die 1. Armee durch Vor-
schwenken ihres rechten Flügels bei Zubków ihre Front zu verkürzein
und Kräfte zu ersparen hoffte.
Die Säuberung des westlichen Bugufers durch die Armee Böhm-Ermolli
(20. bis 26. Juli)
Als bei der Fortsetzung der gegen die Bugstrecke Sielec—Kamionka-
Strumilowa gerichteten Vorrückung (S. 660) die inneren Flügel der 1.
und der 2. Armee (13. SchD., 31. ID. und 43.SchD.) am 20. Juli sich dem
Flusse näherten, stießen sie im waldfreien Gelände vor Dobrotwór,
Strychanka und Zawonie auf wohl vorbereitete und stark besetzte rus-
sische Stellungen. Sie sollten erst nach dem Herankommen der Artillerie
am nächsten Tage angegriffen werden. Nur dem linken Flügel der 13*
SchD. war es noch am selben Tage gelungen, östlich von Sielec das
rechte Bugufer zu gewinnen und die Übergangsstelle gegen russische
Gegenstöße zu behaupten. Die 9. und rechts davon die 32. ID. der
Gruppe GdK. Ziegler begannen mit den technischen Vorbereitungen für
den bei Kamionka-Strumilowa zu bewirkenden Übergang.
Als die 9. ID. aber abgegeben werden mußte (S. 662), sollte sich die
2. Armee mit der Säuberung des Westufers begnügen. Doch gerade in
der Nacht auf den 21. räumte der Russe nördlich von Kamionka-Stru-
*) Die Verluste der 9. ID. vom 25. bis 31. Juli betrugen 99 Offiziere und 4443 Mann.
664
Der Feldzug von Brest-Litowsk
milowa freiwillig seine Stellungen auf dem linken Ufer, was für GdK.
Böhm-Ermolli Anlaß war, dem GdK. Ziegler anzubefehlen, nun doch bei
Kamionka-Strumilowa einen Brückenkopf einzubauen. Als Ersatz für die
9. ID. wies er ihm die aus Truppen des XIX. und des V. Korps zun
sammengesetzte, etwa brigadestarke Gruppe GM. v. Lauingen zu, die
als Armeereserve nach Zoltance herangezogen worden war. Sie war nun
durch das IR. 72 des V. Korps zu ersetzen.
Unterdessen erstürmte die 31. ID. am 21. Dobrotwór; doch ein
Gegenstoß des Nordflügels des russischen XXVIII. Korps entriß ihr
wieder den Ort, ehe die vom k. u.k. II. Korps zugesagte Unterstützung
wirksam werden konnte. Die Zurüstungen der 31. ID. zu einem neuer-
lichen Vorstoß auf Dobrotwór wurden am 22. und am 23. vom Feinde
gestört. Auch die 13.SchD. hatte östlich von Sielec, das IV. Korps bei
Tadanie und Derewlany russische Vorstöße abzuweisen. In der Nacht
auf den 24. wurde Dobrotwór von der 31. ID. endgültig genommen, und
am 25. dem Feind auch Strychanka entrissen.
Während sich die 31. ID. samt der 1. LstHusBrig. noch bemühte,
den bei Zawonie eingenisteten Feind zu vertreiben, begann am 26. Juli bei
Kamionka-Strumilowa der Übergangsversuch der 32. und der 43.Division.
Trotz sorgfältiger Feuervorbereitung konnte der hartnäckige Widerstand
des Feindes nicht gebrochen werden, und GdK. Ziegler war ;schon gewillt,
das Unternehmen als „aussichtslos" einzustellen, als es gegen 3h nachm.
einer Kompagnie des IR. 23 doch gelang, das rechte Ufer zu gewinnen.
Nun wurde anbefohlen, die Aktion auslaufen zu lassen. Bis 6h nachm.
befanden sich vier Kompagnien, um 9h abends die ganze 32. ID. auf dem
Ostufer, wohin noch während der Nacht auch die Gruppe Lauingen;
folgte. Um Mitternacht wurde der Erfolg des Tages durch die Vertrei-
bung der zähen Besatzung von Zawonie gekrönt.
War ursprünglich das Vorschieben der östlich von Kamionka-Stru-
milowa gewonnenen neuen Linien bis Jazienica geplant gewesen, so
mußten sich die unter FML. Willerding auf dem Ostufer befindlichen
Truppen infolge starker russischer Gegenstöße mit einem Brückenkopf
von etwa 3 km Tiefe begnügen. Grund genug für das AOK., dem Plane
Böhm-Ermollis, den Angriff bis Radziechów fortzusetzen, nicht zuzu-
stimmen, weil es der 2. Armee vor dem Einlangen der 13. Marsch-
bataillone keinen Kraftzuschuß in Aussicht stellen konnte. Immerhin
war bis zur Monatswende das ganze Westufer des Bug mit Ausnahme
von zwei kleinen Russennestern nordwestlich von Busk vom Feinde
gesäubert und bei Kamionka-Strumilowa ein Ausfallstor geschaffeim
Drohender Riß zwischen den beiden russischen Heeresfronten
665
worden. Der Leiter dieser erfolgreichen Kampfhandlung, GdK. Ziegler,
erlag am 1. August der Cholera. Nach Auflösung des Gruppenverbandes
übernahm FML. Willerding zeitweilig das Kommando über das nunmehr
aus der 32. ID. und der Gruppe Lauingen bestehende XVIII. Korps.
Rückzug der russischen 13. Armee hinter die Luga
(1. bis 4. August)
Nötigte der Schute der rechten Flanke der nach Norden vordrin-
genden Heeresgruppe Mackensen die verbündeten Heeresleitungen zu
dauernden Sicherungsmaßnahmen gegen Osten hin, so war es für die
Stawka noch viel schwieriger, einen Riß zwischen der in Ostgalizien
hinter schützenden Flußläufen feststehenden Südwestfront und der nach
Norden zurückweichenden Südgruppe des russischen Nordwestheeres zu
verhüten. Nachdem der am letzten Juli bei Strzelce erfolgte Durchbruch
Linsingens (S. 649) die russische 13. Armee zum Ausweichen nach Norden
und zur Preisgabe des westlichen Bugufers gezwungen hatte, sah sich
ihr Führer, Gen. Gorbatowski, im Sinne der Weisungen Alexejews vom
30. Juli (S. 646 x) und um Kräfte zu ersparen, veranlaßt, zunächst den
vorspringenden Bugabschnitt zwischen 2d±ary und Ustilug aufzugeben.
Am 1. August früh morgens gewahrten die aufmerksamen Reiter
des zwischen Krylów und der Huczwamündung am Bug stehenden
Kavalleriekorps Heydebreck den Abzug des Feindes, und gegen 9h vorm.
machte die 40. HID. die gleiche Feststellung. Ungesäumt nahmen die
beiden Reiterdivisionen die Verfolgung mit gemischten Abteilungen auf,
denen alsbald die Hauptkräfte folgten. Bis zum Abend war die Stud-
zianka erreicht, auf deren Ostufer der Feind sich eine neue Widerstands-
linie einzurichten schien. Auch das Korps Szurmay vermochte bei Fest-
halten von 2d±ary und im Anschluß an die deutsche 5. KD. nach Osten
auf zuschwenken.
Am 2. bemühte sich das Kavalleriekorps nicht ohne Erfolg, auf dem
östlichen Studziankaufer festen Fuß zu fassen. Um es bei dem bevorste-
henden Vorstoß auf Wladimir-Wolynski durch Infanterie des Korps
Szurmay verstärken zu können, hatte die 9. ID., die aus dem Brücken-
kopf bei Sokal am 1. abends herausgezogen worden war, in der Nacht
zum 3. den Südflügel der 7. ID. abzulösen.
Mittlerweile hatte im Zusammenhange mit den Ereignissen zwischen
Weichsel und Bug die russische 13. Armee, die fast nur mehr dem Auf-
!) Nesnamow, IV, 83.
666
Der Feldzug von Brest-Litowsk
rechterhalten der Verbindung diente, in der Nacht zum 4. August den
Rückzug angetreten, um im Sinne des Befehles des Nordwestfront-
kmdos. vom 3. (S. 657) in der Linie Opalin—Neretwabach—Oberlauf der
Turya bis zum gleichnamigen Ort—Lugaabschnitt zwischen Zytanie und
Poryck zur Deckung der auf dem östlichen Bugufer gegen Brest-Litowsk
und Kobrin führenden Straßen eine neue Widerstandslinie zu beziehen1). Bei
Poryck stellte Brussilow durch Verschiebung des XXVIII. und Streckung
des XII. Korps bis zum 7. den Anschluß her.
Am 4. August früh waren es wieder die Reiter Heydebrecks, die zu-
erst den Abzug des Feindes feststellten und sofort gegen Wladimir-Wo-
lynski und Ustilug vorrückten. FZM. Puhallo befahl hierauf um 7h früh
dem Korps Szurmay, den feststehenden Nordflügel der russischen S.Armee
bei Iwaniczy gegen Süden hin abzuschließen, um die 40. HID. zum Vor-
stoß nach Osten oder zur Unterstützung Heydebrecks verfügbar zu
haben. Unterdessen zog die deutsche 5. KD. kampflos in Wladimir-Wo-
lynski ein und fühlte mit einer Brigade noch 10 km weit nach Norden
vor. GM. Berndt setzte sich mit der 4. KD. und einem ihm seit mehreren
Tagen zugeteilten Infanterieregiment der deutschen 103. ID. in Ustilug
fest. Der vom FZM. Puhallo geplante Oststoß hatte aber zu unterbleiben,
weil Mackensen der 1. Armee „unter Festhaltung der östlich des Bug ge-
wonnenen Brückenköpfe mit dem linken Flügel die Besetzung der Luga-
linie" und die Ablösung der Bugarmee in der Bugsicherung bis Dubienka
vorschrieb, für welch letztere Aufgabe der I.Armee die ll.HKD. über-
wiesen wurde.
Den Weisungen gemäß richtete das Kavalleriekorps Heydebreck an
dem 42 km langen Flußabschnitt die Sicherung ein und baute Ustilug
und Wladimir-Wolynski, die beide Infanteriebesatzung erhielten, zu
Brückenköpfen aus. Südlich anschließend besetzte die 40. HID. in schüt-
terer Aufstellung das linke Lugaufer bis Markostaw. Die 7. und die
9. ID. sperrten die Landschwelle zwischen der Luga und dem Bug. Als
Armeereserve wurde die vom FZM. Puhallo am 4. beim AOK. erbetene
13.SchD., die am Nordflügel der 2. Armee durch die l.LstlBrig. abge-
löst worden war, nach Opulsko gestellt. Die 2. Armee wurde durch die
l.KD. der Südarmee entschädigt. Die russische 13. Armee hielt sich
gegenüber von Wladimir-Wolyñski auf einen Tagmarsch entfernt und
stützte sich mit dem linken Flügel noch auf den Lugaabschnitt Zytanie—
Markostaw, mit dem rechten auf den Bug, wohin sich alsbald auch ihr
Schwergewicht verschob.
x) D a n i 1 o w, 528.
Geplante Begrenzung der Offensive
667
Von der mittleren Weichsel bis Brest-Litowsk
Die Führerentschlüsse bei Freund und Feind zu
Anfang August
Hiezu Beilagen 34 und 36
Als die russischen Nachhuten am 4. August bei Warschau und bei
Iwangorod das westliche Weichselufer verlassen hatten, war der von
Ostrolçka bis südlich von Wlodawa reichende eiserne Ring der Verbün-
deten, der die in Ostpolen stehende russische Heeresmitte umklammerte,
schon etwas verflacht. Immerhin schien die Möglichkeit noch gegeben,
durch einen von den Enden des Halbkreises ausgehenden Druck be-
trächtliche Teile der zwischen Weichsel und Bug zusammengedrängten
feindlichen Armeen abzuschnüren, wobei die Pripiatjsümpfe, wie der
russische Generalstab schon im Frieden gefürchtet hatte, vielleicht „zum
Grabe der russischen Heeresmacht" werden konnten1). Doch die hiezu
erforderlichen weitausholenden und daher auch zeitraubenden Umfas-
sungsbewegungen ließen sich nicht recht mit den schon erörterten Plänen
Falkenhayns für die Weiterführung des Krieges (S. 653), die nur auf be-
schränkte Ziele gerichtet waren, vereinbaren.
Schon am 3. August, am Vorabend der Einnahme von Warschau und
von Iwangorod, hatte Falkenhayn an GO. Conrad ein Schreiben ge-
richtet, in dem er eröffnete, daß die im Gange befindlichen Operationen,
wenn sie nach Wunsch verliefen, „deutscherseits als beendet angesehen
werden, sobald es gelungen sein wird, den Gegner hinter den Bug und
in die ungefähre Linie Brest-Litowsk—Groclno zurückzuwerfen. Späte-
stens, wenn dieses Ziel erreicht ist, werden so starke deutsche Kräfte
für Zwecke auf anderen Kriegsschauplätzen verwendet werden müssen^
daß im Osten eine Art von Beharrungszustand wenigstens auf dem
größeren Teil der Front einsetzen muß". Falkenhayn verlieh weiters der
Vermutung Ausdruck, daß es bei den öst.-ung. Streitkräften ebenso sein
dürfte, und schlug als Grenze zwischen den beiden Operationsgebieten:
eine Linie vor, die entlang des unteren Wieprz, der Tysmienica, über
Ostrów, Uhrusk am Bug und dann entlang des Pripiatj zu verlaufen hätte.
Conrad stimmte der vorgeschlagenen Zielsetzung und der Abgren-
zung der beiden Befehlsbereiche zu. Zwölf Tage vorher, als die Armeen
noch auf zwei Tagmärsche vor Cholm, Lublin, Iwangorod und Warschau
!) Volkmann, 71.
668
Der Feldzug von Brest-Litowsk
gestanden hatten, war er sogar noch weiter gegangen und hatte an den
Außenminister Baron Burián, an die Militärkanzlei des Kaisers und an
die DOHL. eine Denkschrift gesandt, in der er dringend empfahl, die
bisher erkämpften Erfolge diplomatisch zur Erreichung eines Sonder-
friedens mit Rußland auszunützen, dem hiezu goldene Brücken gebaut
werden müßten. Des weiteren hatte der Chef des Generalstabes damals
wieder — wie schon so oft — nahegelegt, kein Mittel unversucht zu lassen,
um Rumänien zum Anschluß an die Mittelmächte zu bewegen. Falls sich
dieses jedoch hiezu nicht verstehen wolle, wäre ihm unter Hinweis auf
die günstige militärische Lage in Polen zu bedeuten, daß es zu der von
ihm ersehnten Erwerbung Bessarabiens zu spät kommen werde, weil die
Verbündeten selbst ohne Rumänien an die Besitzergreifung dieser Pro-
vinz schreiten würden. Demonstrative Truppenverschiebungen sollten die
Einleitung dieser keinesfalls ernst gemeinten Kriegshandlung vortäuschen.
In einem gleichzeitig mit der Denkschrift an Gdl. Bolfras übersandten
Privatbrief entwickelte Conrad nochmals seine außenpolitischen Pläne,
aus denen hervorleuchtete, daß nach der Ausschaltung Rußlands „mit
Italien erfolgreich abzurechnen" wäre. Den Krieg gegen Serbien empfahl
er „auf später zu verschieben oder eine Politik einzuschlagen, welche
zum friedlichen Anschluß Serbiens an die Monarchie führt".
Am 26. Juli hatte Conrad Gelegenheit, seine Denkschrift, die bei
Falkenhayn volle Zustimmung gefunden hatte und die auch an den Reichs-
kanzler weitergesandt worden war, mit dem öst.-ung. Außenminister zu
besprechen. Baron Burián sah damals das Haupthindernis, um zu einem
Übereinkommen mit Rußland zu gelangen, in der ukrainischen Frage.
Auch eröffnete er, daß ihm kein geeigneter Weg nach Petersburg zur
Verfügung stünde; Deutschland habe schon zweimal über Kopenhagen
Friedensfühler ausgestreckt, aber eher das Gegenteil des Erwünschten
erreicht.
So ergab sich die Nötigung, die Offensive gegen Rußland zunächst
bis zu der von Falkenhayn bezeichneten Linie fortzusetzen. Bloß „das
dauernde Belassen der russischen Front am Bug, bei Kamionka-Strumi-
lowa—Busk, nur 40 km von Lemberg entfernt", erachtete Conrad, wie er
am 5. August nach Pleß mitteilte, „auf die Dauer nicht zulässig, und [er]
werde im Zusammenhang mit der jetzigen Operation oder an diese an-
schließend ein Vorschieben der dortigen öst.-ung. Front anstreben".
Der von Falkenhayn angeregten Auswechslung der Armeegruppe
Kövess gegen die deutschen Divisionen der Südarmee stimmte Conrad
gleichfalls zu. Allerdings ergab sich, daß nach Abschluß der geplanten
Kriegspläne für den Herbst
669
Kriegshandlung — bei 10 km Frontbreite für eine Division — der dem
öst.-ung. Heere zufallende Abschnitt Czernowitz—Pripiatj mehr Trup-
pen erfordert hätte, als zurzeit im Nordosten vorhanden waren. Für
den Conrad so sehr am Herzen liegenden Angriff auf Italien wäre so-
mit nichts erübrigt worden.
Was den Krieg gegen Serbien zur Öffnung des Landweges nach der
Türkei anbelangte, durfte Conrad die Initiative ruhig seinem reichs-
deutschen Kollegen überlassen. Dieser hatte bereits am 27. Juli die An-
kunft des bulgarischen Obst. Gantscheff als Unterhändler für eine mit
Bulgarien abzuschließende Militärkonvention angekündigt. Sie hatte dem
Angriff auf Serbien und einem im Verein mit der Türkei auf Rumänien
auszuübenden Druck zu dienen. Falkenhayn schlug die Teilnahme der
beiden Kaisermächte mit je sechs schlagkräftigen Divisionen vor, wel-
chem Antrag Conrad mit dem Vorbehalt beipflichtete, daß es der Krieg
gegen Italien erlauben werde. Denn „wenn der Damm im Südwesten
dennoch reißen und eine italienische Offensive vitale Interessen der Mon-
archie bedrohen sollte, könnte eine Lage eintreten, welche mir [Con-
rad] die Verwendung von sechs öst.-ung. Divisionen an der serbischen
Front unmöglich machen würde".
Gleichfalls am 3. August übersandte Falkenhayn den Entwurf der
mit Obst. Gantscheff vereinbarten Konvention, derzufolge Österreich-
Ungarn und Deutschland innerhalb von dreißig Tagen nach erfolgter
Unterzeichnung diese zwölf Divisionen an der Save-Donaufront auf-
marschieren lassen sollten. War der Tag des Vertragsabschlusses zwar
noch keineswegs feststehend, so stand die Erreichung der von beiden
Generalstabschefs vereinbarten Grenzlinie der Offensive gegen Ruß-
land doch unter einem gewissen Drucke der Zeit. Die Bug-Njemenlinie
mußte so zeitgerecht gewonnen sein, daß die gegen Serbien bestimmten
Kräfte zur vereinbarten Frist in Syrmien und im Banat aufmarschieren
konnten.
Demnach hatten die beiden für den Herbst anberaumten Kriegs-
handlungen, der Vorstoß öst.-ung. Kräfte über Kowel nach Südosten,
der die Russen in Ostgalizien weiter zurückzudrängen hatte, und die
Offensive gegjen Serbien, in den ersten Augusttagen ihre Wurzel.
Zunächst galt es aber für die beiden Führer in Teschen und Pleß,
die Fortsetzung der Vorrückung bis an den Bug-Njemenabschnitt in die
Wege zu leiten.
Als am 4. August die linksufrigen Festungsteile von Iwangorod von
der Armeegruppe Kövess erobert worden waren, beantragte GO. Conrad
670
Der Feldzug von Brest-Litowsk
am selben Tage bei Falkenhayn eine Richtungsänderung für die Heeres-
gruppe Mackensen nach Nordosten, und zwar: 4. Armee über Parczew,
deutsche 11. auf Wlodawa und Bugarmee auf das rechte Bugufer. Falken-
hayn stimmte jedoch mit dem Bemerken nicht zu, „daß Mackensen
jetzt, während er mit allen Mitteln bestrebt ist, eine einträgliche Ver-
folgung einzuleiten, durch neue Direktiven behindert" werde; es hatte
daher bei dem von Mackensen angeordneten Vorstoß der 4. und der
11. Armee nach Norden zu verbleiben. Auch äußerte Falkenhayn wegen
des Überganges der Bugarmee auf das östliche Ufer Bedenken. Keinen
Einwand erhob er jedoch dagegen, daß Woyrsch alle bei Iwangorod
entbehrlichen Teile der Gruppe Kövess zu den schon über die Weichsel
gesetzten Teilen der Armeegruppe heranziehe (S. 654), um den Stoß in der
allgemeinen Richtung Siedlec—Luków fortzusetzen. Tags darauf wurde
auf neuerlichen Antrag Falkenhayns die Armee Woyrsch aus dem Be-
fehlsbereiche des k. u. k. AOK. ausgeschieden und mit der schwachen,
nur drei Infanteriedivisionen und eine Kavallerie division zählenden
deutschen 9. Armee zu einer der DOHL. direkt unterstehenden Heeres-
gruppe unter Prinz Leopold von Bayern vereinigt, der die obengenannte
Aufgabe zufiel.
Da GO. Conrad mit der beantragten Richtungsänderung der Vor-
rückung Mackensens in Pleß keine Zustimmung gefunden hatte, so be-
mühte er sich, nachdem auch der Stabschef Mackensens das Gefühl hatte,
daß der rechte Flügel der Heeresgruppe etwas zu schwach sei, durch
Maßnahmen im eigenen Wirkungsbereiche das Schwergewicht mehr
nach Osten zu verlegen; dies umsomehr, als die Angriffe der 1. Armee
bei Sokal und Kamionka-Strumilowa eine Versammlung starker Feind-
kräfte vor diesem Räume verursacht hatten (S. 661). Daher erhielt die
4. Armee am 5. August den Befehl, nach Gelingen des, wie noch zu er-
örtern sein wird, am 6. auszuführenden Angriffes das k. u. k. X. Korps
(2. und 24. ID.) in Fußmärschen zur 1. Armee zu verschieben. Dies
schien ohne Bedenken zulässig, weil sich infolge des konzentrischen An-
griffes der Heeresgruppe Prinz Leopold und der 4. Armee gegen Siedlec
ohnehin die Kräfte zusammenschoben.
GFM. Hindenburg, der im Sinne der bisherigen Weisungen jene
Heeresteile, die bereits über den Narew gelangt waren, in südöstlicher
Richtung weiter vorrücken zu lassen hatte, mußte sich auch die rasche
Einschließung und Bezwingung der Festung Nowogeorgiewsk angelegen
sein lassen. Überdies verlor er aber auch seinen alten Plan einer weitaus-
holenden Umfassung über Kowno und Wilna nicht aus dem Auge. Als
Die Russen geben die mittlere Weichsel auf
671
Vorbereitung hiezu wurde der Angriff auf Kowno eingeleitet, wozu am
8. August die schweren Batterien gegen die Westfront dieser Festung das
Feuer eröffneten1).
Obwohl die Russen seit Mitte Juli auch von Nordwesten her über
den Narew angegriffen wurden, hatten sie es mit anerkennenswertem
Geschick und durch zähen Widerstand verstanden, vor dem doppelseiti-
gen Flankendrucke der Heeresgruppe Mackensen und der Armee Gall-
witz nur so viel Raum zu geben, daß die links der Weichsel befindlichen
Heeresteile ohne Gefährdung an den Stromabschnitt Iwangorod—War-
schau zurückgeführt werden konnten. Auf Grund der nunmehr ein-
getretenen Lage sah sich Alexejew am 3. August veranlaßt, im Sinne der
am 5. Juli zu Siedlec gefaßten Beschlüsse (S. 610) den weiteren Rückzug
der im Räume zwischen dem Narew, der Weichsel und dem oberen Bug
zusammengedrängten Armeen in die beiläufige Linie Osowiec—Lom£a—
Ostrów (südlich von Lom£a)—Brock—Wçgrow—Jedlanka—Kock—Ostrów
(nordöstlich von Lublin)—Opalin—Turyjsk anzubefehlen. „Das Manöver
sollte allmählich und ruhig", gegen Norden hin ständig durch die 12.
und die 1. Armee gesichert, zunächst in die an der Linie Nowogród—
Wyszków—unterer Bug vorbereiteten Stellungen durchgeführt werden.
Der 2. Armee war schon am 2. gestattet worden, mit der Masse noch in
der darauf folgenden Nacht auf das rechte Weichselufer zurückzugehen
und die Linie der alten Werke von Warschau nur mit Nachhuten zu
behaupten. In der Nacht auf den 5. August hatten die 2. und die 4. Armee
das Westufer vollständig zu räumen; sie sollten dann in drei kleinen
Nachtmärschen in die neue Front einrücken. Die 1. Armee hatte durch
Zurückbiegen ihres linken Flügels den Anschluß herzustellen2).
Große Mühe bereitete es der Stawka, einen Riß zwischen den bei-
•den Heeresfronten zu vermeiden. Denn Alexejew plante nichts weniger,
als die 13. Armee bis in die Linie Wlodawa—Ratno zurückzubiegen und
den südlich davon befindlichen Raum Luboml—Kowel nur durch Rei-
terei zu sichern, was die Gefahr in sich barg, daß auch die Verbindung
zur 3. Armee verlorenging. Um das Aufspringen von Lücken zur Rech-
ten und zur Linken der 13. Armee zu verhindern, drang der Großfürst-
Generalissimus darauf, daß diese Armee im allgemeinen am Bug be-
lassen werde, worauf sich Alexejew — wie bereits ausgeführt wurde
(S. 665 u. 666) — mit einer viel geringeren Rückbewegung beschied. Aber
1) Schwarte, Der deutsche Landkrieg, II, 216.
2) Zajontschkowskij, Der Bewegungskrieg 1914 und 1915, 335 f ; N e s n a-
m o w, IV, 83.
672
Der Feldzug von Brest-Litowsk
auch Gen. Iwanow, der Führer der Südwestfront, machte sich mit den
für den Fall eines durch den Feind erzwungenen Rückzuges der 8. Armee
zu ergreifenden Maßnahmen vertraut. Offenbar über die von Alexejew
der 13. Armee zugedachte Rückzugsrichtung schon orientiert, hatte er
Brussilow bereits am 1. August beauftragt, auf dem Nordflügel bei Poryck
undMilatyn ein durch eine Inf anteriebrigade verstärktes Reitergeschwader
zu versammeln, was ihm dann das Verlängern seines Nordflügels er-
leichtern würde (S. 666).
Nicht geringer war der Meinungsstreit zwischen Alexejew und der
Stawka wegen des in Kurland stehenden Nordflügels der Nordwest-
front, in welche Erörterungen auch der um Riga besorgte Präsident der
Duma eingriff. Der Generalquartiermeister der Stawka, Gen. Danilow,
beantragte die Herstellung einer möglichst geradlinigen, von Riga über
Kowno und Bjelostok nach Brest-Litowsk verlaufenden Front. Dem-
gegenüber maß Alexejew einer wenigstens teilweisen Behauptung des
„vorderen Kriegsschauplatzes" auf dem rechten Ufer des unteren Bug
erhöhte Bedeutung bei, was den Vorteil gehabt hätte, die Umfassung
Ostpreußens nicht vollständig aufgeben zu müssen1). Diese Meinungsver-
schiedenheiten waren nicht zum geringsten der Anlaß dafür, daß man
in Baranowiczi schon an eine Teilung der übergroßen Nordwestfront
dachte; als Führer für den abzutrennenden Nordflügel wurde Gen.
Rußki genannt2). Doch blieb es schließlich dabei, daß Alexejew den Rück-
zug seines acht Armeen starken Nordwestheeres noch allein leiten sollte.
Die Schlacht bei Lubartów
(5. bis 8. August)
Hiezu Beilage 34
Von Iwangorod über die flachen Bodenwellen südlich von Michów
nach Lubartów zogen sich die wohlvorbereiteten Stellungen, in denen das
GrenKorps, das XXV. und das XV. Korps den Truppen des Erzherzogs
Joseph Ferdinand den Weg zum Wieprz versperrten. Im Anschluß daran
hatten sich Schützen des VI. sib. Korps rechts vom Wieprz flußaufwärts
bis Ruska Wola und auf den Höhen östlich davon eingenistet.
Mackensen hatte am 4. August der 4. Armee befohlen, „das Vor-
gehen gegen den Wieprz in der bisherigen Richtung fortzusetzen und
Lubartów schnell in Besitz zu nehmen". Das 4. Armeekmdo. verfügte
nun die Fortführung des Angriffes für den 6. August. Es beabsichtigte,
1) Zajontschkowskij, Der Bewegungskrieg 1914 und 1915, 343.
2) Nesnamow, IV, 84.
Plan zum Durchbruch bei Lubartów
673
die Front des russischen XV. Korps südwestlich von Lubartów zu durch-
stoßen, um nach geglücktem Durchbruche die feindlichen Linien nach
Osten und nach Westen aufzurollen. Den entscheidenden Angriff hatten
das XIV. und das IX. Korps von den inneren Flügeln aus unter Leitung
des FML. Roth sui führen, dem noch die 21., die 45. und die 11. Divi-
sion sowie die Artillerie der 4. ID. und die schweren Batterien des
XVII. Korps unterstellt wurden. Weiter westlich hatte das X. Korps
mit starkem linkem Flügel Richtung Wielkolas, das VIII. Korps, dem der
geänderten Verhältnisse wegen die 47. RD. wieder angegliedert wurde,
Richtung Baranów anzugreifen. Die 4. und die 10. ID., die wie, die 11.
nach Ablösung durch Truppen des deutschen X. Korps im Laufe des
5. August auf dem westlichen Wieprzufer einzutreffen hatten, sollten
nördlich von Lublin hinter der Stoßgruppe bereitgestellt werden.
FML. Roth richtete den Angriff seiner Gruppe gegen das 7 km
breite Frontstück von der Höhe A183 südwestlich von Lubartów bis
Siedliska. Den eigentlichen Durchbruch wollte FML. Roth in nur 4 km
Breite auf der Höhe A 183 und westlich davon erzwingen und setzte;
hiefür die 26. und die 21. SchD. unter Leitung des FML. Lischka an, wozu
die 21. SchD. zwischen der 3. ID. und der 26. SchD. in die Front ge-
schoben wurde. Dem Vorgehen der Gruppe Lischka hatte sich rechts die
3. ID., links die durch die halbe 106. LstlD. verstärkte 41. HID. anzu-
schließen, um während des entscheidenden Angriffes die angrenzenden
feindlichen Frontstücke niederzuhalten. Nach dem Durchbruche der
Russenstellung sollte die 11. ID., die hinter der Gruppe Lischka zu fol-
gen hatte, die Höhen nordwestlich von Lubartów gewinnen, um es der
21. SchD. und der 3. ID. zu ermöglichen, gegen Lubartów aufzuschwen-
ken, während die 26. SchD. gegen Westen Front machen sollte. Der
45. SchD. war der Schutz der Flanke am Wieprz von der Bahnlinie bis
in die Höhe von Ruska Wola zum Anschluß an das deutsche X. Korps
aufgetragen.
Am 6. August bei Morgengrauen begann die Artillerie der Gruppe
Roth ihr Zerstörungswerk gegen die feindlichen Anlagen zwischen Lu-
bartów und Siedliska. Der am frühen Nachmittage von den Truppen der
Gruppe Lischka unternommene Sturm scheiterte aber an der zähen Ab-
wehr des noch ungebrochenen, sich immer wieder verstärkenden Fein-
des. FML. Roth ließ hierauf, um dem ins Stocken geratenen Angriff
wieder Schwung zu verleihen, eine Brigade der 11. ID. zur Gruppe
Lischka stoßen und befahl weiters der 45. SchD., zwischen Bahn und Fluß
gegen Lubartów zum Angriff überzugehen, sobald am rechten Flügel
II 43
674
Der Feldzug von Brest-Litowsk
durch das Vorgehen der Deutschen südlich vom Wieprz Kräfte frei wür-
den. Nach einer neuerlichen Artillerievorbereitung gegen die Stellungen
auf Höhe A 183 stieß die 21. SchD. kurz nach Einbruch der Abenddäm-
merung nochmals vor und drang nach heftigem Kampfe in die feindlichen
Gräben ein. Um das Errungene festzuhalten und den Erfolg auszubauen,
ließ FML. Roth auch die zweite Brigade der 11. ID. der 21. SchD. auf
die Höhe A 183 folgen.
An den anderen Kampfabschnitten war ein Einbruch in die feind-
lichen Linien nicht geglückt. Beim X. Korps war die für den Angriff
auf Wielkolas bestimmte und durch Teile der 24. ID. verstärkte 37. HID.
wohl näher an die russischen Stellungen herangerückt; zu einem An-
laufe kam es aber nicht. Beim VIII. Korps hatte den Hauptangriff die
47. RD. von Zagrody auf Baranów zu führen, den die inneren Flügel
der 62. und der 2. ID. unterstützen sollten. Infolge Verzögerungen bei
der von No wo Aleksandrya heranrückenden 47. RD. wurde der Angriff
auf den 7. August verschoben.
Wie bei der 4. Armee hatten die Kämpfe am 5. und 6. August auch
zwischen Wieprz und Bug trotz einzelner örtlicher Erfolge keine Ent-
scheidung gebracht. Der linke Flügel der 11. Armee hatte am 6. August
abends die Russen von den Höhen östlich von Ruska Wola geworfen, um
die seit 5. August erbittert gekämpft worden war, ohne aber dadurch
dem schwer kämpfenden rechten Flügel der 4. Armee fühlbare Erleich-
terung zu bringen. Denn am Waldrande, nur wenige Schritte nördlich
davon, hatten sich die sibirischen Schützen in stark ausgebauten Stel-
lungen neuerlich zu hartnäckigem Widerstande eingenistet.
Die Kämpfe des 5. und des 6. August ließen GFM. Mackensen den
Eindruck gewinnen, daß der Feind unter zähem Widerstand starker
Nachhuten auf die von Fliegern festgestellte Stellung Kotacze—Ostrów
zurückgehe. Um diese neue Linie so rasch als möglich zu durchstoßen,
hatte die Bugarmee Wlodawa und die nach Parczew führende Straße
zu gewinnen. Die 11. Armee sollte in drei Gruppen angreifen: Gdl. Plet-
tenberg mit der Garde und der 22. ID. an Parczew östlich vorbei, GdK.
Eugen v. Falkenhayn mit dem von ihm befehligten XXII. RKorps und
dem Korps Arz auf die Mitte dieses Ortes, und Gdl. Emmich mit dem
X. Armeekorps, dem X. RKorps und der Gardereiterei in den Raum
westlich von Parczew. Während die Gruppen Plettenberg und Falken-
hayn vor Fortführung des Angriffes ihre Neugruppierung beenden soll-
ten, hatte die Gruppe Emmich „im unaufhaltsamen Fortschreiten nach
Norden zu bleiben, um den feindlichen Kräften, die den Wieprz in öst-
Einnahme von Lubartów
675
licher Richtung überschreiten, soweit als möglich Abbruch zu tun". Die
4. Armee erhielt den Auftrag, „den Angriff zunächst noch auf Lubar-
tów vorwärts zu tragen und dann Kräfte hinter der Gruppe Emmich
auf das östliche Wieprzufer zu ziehen, um sich weiter nördlich den
Wieprzabschnitt selbst zu öffnen". Am Abend sprach GFM. Mackensen
nochmals die Erwartung aus, „daß es der 4. Armee am 7. August ge-
lingen werde, das südliche Wieprzufer zu säubern, da nachhaltiger
Widerstand vor dem starken Wieprzabschnitt nicht zu erwarten sei".
Neuerdings verwies er auf die Notwendigkeit, mit dem rechten Flügel
der 4. Armee über den Wieprz zu gehen, um dadurch für Mitte und
linken Flügel der 11. Armee das Vorkommen zu ermöglichen.
Im Sinne dieser Weisungen ordnete das 4. Armeekmdo. für den
7. August die Fortsetzung des Angriffes an der ganzen Schlachtfront
an. Die 10. ID., die im Laufe des 6. August bei Niemce eingetroffen war,
wurde dem FML. Roth zur Ausgestaltung seines Erfolges unterstellt.
Die 4. ID., die zusammen mit der 41. HID. nunmehr das XVII. Korps
bilden sollte, wurde nach D^brówka in Marsch gesetzt.
In der Nacht auf den 7. August versuchten die Russen in starken
Gegenstößen die verlorengegangenen Stellungen südwestlich von Lubar-
tów wiederzugewinnen. Doch die 21.SchD. hielt im Vereine mit Teilen
der 11. ID. gegen alle Angriffe stand. Während dieser Kämpfe ge-
lang es Teilen der 3. ID. und der 45. SchD., die seit dem späten
Nachmittag des Vortages im Angriffe waren, in die russischen Gräben
beiderseits der Eisenbahnstation von Lubartów einzubrechen und dort
festen Fuß zu fassen. So konnte zeitlich früh der Angriff der Gruppe
Lischka, dem sich rechts die 3. ID. und die 45. SchD., links die 41. HID.
anschlössen, wieder in breiter Front gegen die Russen aufgenommen
werden, die sich etwa tausend Schritte nördlich der Einbruchsstellen
in einer zweiten Stellung festgesetzt hatten. Gegen 10h vorm. drangen
die 26. SchD. und der rechte Flügel der 41. HID. in die russischen Linien
ein. Der rechte Flügel der Gruppe Roth drängte die Russen aus ihrer
zweiten Stellung. Im Nachstoßen überschritten die Angriffsdivisionen
bereits um llh vorm. die Straße Lubartów—Siedliska. Die Stadt Lu-
bartów selbst fiel kurze Zeit darauf. Östlich davon stand die 45. SchD.
in heftigem Kampfe mit dem Feinde, der das Bahnstück hart nördlich von
Lubartów mit der Front nach Süden besetzt hatte. Allen Anzeichen nach
wich das russische XV. Korps geschlagen in großer Unordnung nach
Norden zurück. Auch ließen mitgelesene Funksprüche die Rückverlegung
höherer russischer Befehlsstellen erkennen. Ein großer Erfolg schien zu
43*
676
Der Feldzug von Brest-Litowsk
winken. Das 4. Armeekmdo. ordnete daher noch am Vormittag die Ver-
folgung des weichenden Feindes mit Détachements bis an den Wieprz,
mit der Masse der Korps bis in die Linie Firlej—Baranów an. Von der
Gruppe Roth sollte auf Befehl Mackensens die Hauptkraft auf das öst-
liche Wieprzufer gegen Ruska Wola vorstoßen.
Bei der Verfolgung des geschlagenen Feindes ließ FML. Roth gegen
Norden doch drei Divisionen (45. SchD., 3. und 11. ID.) vorrücken und
bestimmte zum Übergang auf das Ostufer bloß die 10. Division. Die 21.
und die 26. SchD. hielt er noch bei Lubartów zurück. Das XVII. Korps-
kmdo., das den Frontabschnitt zwischen dem XIV. und dem IX. Korps
übernahm, wies die 41. HID. in den Raum westlich von Firlej und die
4. ID. hinter den linken Flügel der Honvéd. Bis zum Abend des 7. August
erreichten die Divisionen vorderer Linie der Gruppe Roth und des
XVII. Korps, manchenorts unter Kämpfen mit zähen Nachhuten, die
gesetzten Tagesziele. Die 10. ID. war auf dem östlichen Wieprzufer
knapp östlich von Ruska Wola aufmarschiert und stand daher wieder
in jenem Räume, in dem sie bereits am 4. August gefochten hatte, ohne
in die Kämpfe am Westufer eingegriffen zu haben.
Das Vorbrechen der Gruppe Roth und des XVII. Korps hatte auch
dem rechten Flügel des IX. Korps Entlastung geschaffen. Dieser war
im engen Anschluß an die 41. HID. an den Minimabach vorgedrungen,
den aber die Russen auf das zäheste verteidigten. Erst spät abends und
nur an einer Stelle gelang der Polnischen Legion der Übergang über
den Bach. Beim X. Korps hatte die 24. ID. nachmittags nach erbittertem
Handgemenge den russischen Grenadieren den Ort Michalówka ent-
rissen; die 37. HID., die in den frühen Morgenstunden einen starken
russischen Gegenangriff abgewehrt hatte, stand unverändert in ihren
Stellungen des Vormittags. Erfolgreicher waren die Kämpfe am linken
Armeeflügel verlaufen. Dort hatte die 47. RD. den Ort Zagrody er-
stürmt und gegen einen starken Angriff gehalten. Bis zum Einbruch der
Nacht gelang es allen drei Divisionen des VIII. Korps, westlich, nördlich
und östlich von Zagrody sich auszubreiten; das Tagesziel Baranów aber
konnte nicht mehr erreicht werden.
Durch das Vortreiben eines 15 km breiten Keiles auf 20 km Tiefe
in die russische Front nordwestlich Lubartów, wobei dem Feinde 6000
Gefangene abgenommen worden waren, schien sich die Möglichkeit zu
eröffnen, durch energisches Fortsetzen des Angriffes den Feind emp-
findlich zu schädigen. Aus diesen Erwägungen erließ das 4. 'Armeekmdo.
am 7. nachts die entsprechenden Weisungen und befahl im besonderen,,
Rückzug der Russen auf das nördliche Wieprzufer
677
daß die 4. ID. entscheidend gegen den Rücken der Russen eingreife.
Fraglich blieb nur, ob es zu dieser erfolgversprechenden Kampfhand-
lung nicht schon zu spät war; denn schon verrieten russische Funksprüche
die Rückverlegung höherer Befehlsstellen, so des Kommandos des XXV.
und des VI. sib. Korps.
Tatsächlich gingen die Russen noch in der Nacht unter Zurücklassen
von Nachhuten auf die Hänge nördlich vom Wieprz zurück. Das VIII.,
das IX. und das XVII. Korps folgten und kamen kampflos oder unter
leichteren Gefechten an den Fluß heran. Die Gruppe FML. Roth traf
Vorbereitungen, um auftragsgemäß mit der Hauptkraft in den Kampf
des deutschen X.Korps einzugreifen. Dazu aber sollte es am 8. August
nicht mehr kommen, denn auch östlich vom Wieprz waren die Russen
in der Nacht in eine Linie nördlich Tarlo—Ostrow zurückgegangen. Die
10. ID. rückte im Wieprztale vor und stand am Abend angriffsbereit
auf den Höhen nordöstlich von Lubartów im Anschluß an die deutsche
19. Division. Hinter der 10. ID. folgte die 45. SchD. auf das Ostufer. Die
3. ID. hielt in ihrer Aufstellung am Wieprz. Die 26. und die 21. SchD.
verblieben bei Lubartów. Das X. Korps (2. und 24. ID.) wurde aus der
Front gezogen und sammelte sich bei Kurów und Garbów, um im Sinne
eines am 5. erlassenen Befehles der Heeresleitung zur 1. Armee abzu-
rücken (S. 670).
Der Kampf um die O str ó wstellung
(8. bis 11. August)
Bei der 11. und bei der Bugarmee wurde der 8. August vor allem
zur Ausführung der im Zuge befindlichen Neugruppierung der Kräfte
ausgenützt; gleichzeitig gelang es aber auch auf der ganzen Front, nach
Verdrängen feindlicher Vortruppen bis nahe an die von den Russen zu
nachhaltigem Widerstand ausersehene Hauptstellung heranzukommen.
So hatte am Morgen die an die 4. Armee anschließende Gruppe
Emmich die feindlichen Nachhutstellungen vor ihrer Front geräumt ge-
funden. Die sogleich angesetzte Verfolgung führte ihre Divisionen gegen
die auf den Höhen nördlich von Tarlo und südlich von Ostrow ange-
legten feindlichen Vorstellungen, die zum Teil bis zum Abend in Besitz ge-
nommen werden konnten. Die GKD. wurde abends aus der Front gezogen.
Die in der Mitte der Armee sich bildende Gruppe Falkenhayn hatte
bis zum SJ früh erst die rechte Flügeldivision der Gruppe Emmich
(119. ID.) durch die 44. RD. abgelöst und war mit dieser dem weichenden
678
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Feinde auf Krasne gefolgt. Das k. u. k. VI. Korps, das nach den unent-
schiedenen Kämpfen bei Tarnów (4. und 5. August) die Verschiebung
nach Westen angetreten hatte, erreichte am 8. nach einem anstrengenden
Marsche erst nachmittags den Raum westlich von Krasne. Es begann
trotzdem noch am Abend mit der Ablösung der 20. und der 101. ID.,
die bis südlich von Ostrów gelangt waren, und fügte sich damit bis zum
9. früh mit der 12. ID. links, mit der 39. HID. rechts in die Front ein,
womit die Gruppe Falkenhayn gebildet war.
Rechts von ihr hatte sich im Laufe des 8. August die Gruppe Pletten-
berg bis in die Linie Krasne—Zalucze vorgeschoben. An ihrem linken
Flügel war an Stelle der 1. GID. die 103. ID. eingesetzt worden. Als
Armeereserve wurden die 1. GID. und die 43. RD. im Räume von teczna,
die 119. ID. bei Zawieprzyce bereitgestellt.
Im Anschluß an die Gruppe Plettenberg gewann die Bugarmee
mit dem Beskidenkorps den Abschnitt Zalucze—Wojciechów, mit dem
XXIV. RKorps (Gerok) die Waldränder beiderseits der Chaussee nörd-
lich von Sawin und mit dem linken Flügel des XXXXI. RKorps (82. RD.)
das Nordufer der Ucherka. Die 81. RD. stand südlich davon am Bug
bis nach Dubienka. Die 1. ID. kam als Armeereserve in die Gegend von
Cholm. Damit hatte die Bugarmee ihre Westverschiebung und ihre
Gruppierung beendet und stand für den 9. zum Angriff bereit.
Für die Heeresgruppe Mackensen galt es jetzt, den zur geordneten
Fortsetzung des russischen Rückzuges von der Weichsel so wichtigen
südlichen Flankenschutz raschestens zu durchbrechen und aufzurollen.
Noch schien es dem Oberkmdo. möglich, Teile der beträchtlichen am
Wieprz stehenden und nördlich davon zurückweichenden Feindkräfte
dann abzuschneiden, wenn es gelang, in scharfem Vorstoß über Parczew
die Straße Wisznice—Slawatycze rasch in Besitz zu bekommen. Da im
Augenblick außer der in Bewegung befindlichen 4. Armee nur die Bug-
armee angriffsbereit war, sollte am 9. diese den Angriff auf die feind-
liche Hauptstellung beginnen, jene aber die angebahnte Überschreitung
des Wieprz fortsetzen. Die 11. Armee hatte durch Eroberung der feind-
lichen Vorstellungen den Angriff vorzubereiten, um ihn am 10. mit
aller Kraft einheitlich durchführen zu können.
Demnach trat die 4. Armee am 9. zeitig früh zum Angriff an. Das
Armeekmdo. hatte den Vorstoß von den beiden Flügeln aus angeordnet
und dem VIII. Korps unter gleichzeitiger Durchführung einer Schwenkung
nach Nordost das Erreichen des Raumes Grabow—Baranów mit starkem
linkem Flügel, dem XIV. Korps den Angriff östlich des Wieprz im
Vordringen von Teilen der 4. Armee über den Wieprz
679
Einklang mit der Gruppe Emmich aufgetragen. Das XVII. und das
IX. Korps sollten sich auf die Behauptung der Wieprzlinie beschränken.
Am linken Armeeflügel stieß das VIII. Korps auf den geringen
Widerstand der den Rückzug deckenden russischen Reiterei und schwenkte
bis zum Abend in die vorgezeichnete Linie ein. Infolge der schwachen
russischen Gegenwirkung konnten auch das IX. Korps mit allen Teilen
und das XVII. Korps mit seinem linken Flügel das Nordufer des Flusses
gewinnen. Hingegen sah sich das XIV. Korps, das in den Morgenstunden
nur die 10. ID. in dem schmalen Raum zwischen dem Fluß und der
Gegend nördlich von Tarlo vorrücken lassen konnte, bald vor einem
Teil der russischen Hauptstellung, auf die die 11. Armee erst den ein-
heitlichen Angriff vorbereitete. Überdies wurden die Beobachtung und
damit auch die Artilleriewirkung durch starken Nebel beeinträchtigt.
Unter den gleichen Widrigkeiten litt vormittags der bei der Bug-
armee angesetzte Angriff. Am Nachmittag entbrannte auf der ganzen
Front ein schwerer Kampf. Man hatte es wieder mit einer starken, zu
nachhaltiger Verteidigung geeigneten Stellung zu tun. Dennoch brachte
der Tag beachtenswerte Erfolge. Die inneren Flügel des XXXXI. und
des XXIV. RKorps (82. RD. und 107. ID.) bezwangen die feindliche Stel-
lung bei Lukówek, westlich davon die ll.bayr. ID. jene bei Petrylów.
Links anschließend gewann das Beskidenkorps mit seinem rechten Flügel
(35. RD.) in der Richtung auf Hansk, dem linken (4. ID. und 25. RD.)
gegen Wytyczno und westlich davon bis an die hier hinter das» Sumpf-
gebiet zurückspringende Stellung Raum. Überall mußte der errungene
Erfolg gegen heftige Gegenangriffe verteidigt werden.
Am 10. August verstärkten die Russen ihre Anstrengungen, die ver-
lorenen Gräben wiederzugewinnen. Besonders beiderseits der nach Wlo-
dawa führenden großen Straße griffen sie wiederholt kräftigst an. Sie
wurden abgewehrt. Die Deutschen schoben sowohl hier wie auch bei der
25. RD. ihre Linien um einige Kilometer nordwärts vor; die deutsche
4. ID. aber vermochte die feindliche Stellung bei Wytyczno weder am
10. noch am 11. zu bezwingen.
Während so die 3. Russenarmee mit Erfolg bemüht war, den rechten
Flügel Mackensens südlich von Wlodawa aufzuhalten, vollzogen die
Massen zwischen Wieprz, Weichsel und Bug ihren Rückzug von Abschnitt
zu Abschnitt mit zunehmender Beschleunigung. So wie die über die
Weichsel vorgebrochene Heeresgruppe Prinz Leopold kam damit auch
der linke Flügel Mackensens, die 4. Armee, in rasche Bewegung. Schon
der 9. August hatte gezeigt, daß die Wieprzlinie vom Feinde nicht zu
680
Der Feldzug von Brest-Litowsk
längerem Halt ausersehen war. In den ersten Morgenstunden des 10.
hatte er vor der 4. Armee und der Gruppe Emmich den weiteren Rückzug
angetreten. Sogleich wurde die Verfolgung aufgenommen. Da inzwischen
aus Teschen der Befehl eingetroffen war, die 62. ID. und die 47. RD.
aus der Front zu ziehen, wurde das VIII. Korps in der Höhe von Adamów
angehalten und das IX. Korps angewiesen, sich bis zum linken Flügel
der ohnehin mit jedem Schritt nach vorwärts enger werdenden Front
zu strecken. Erst spät am Nachmittag stießen die Kolonnen des IX. Korps
südlich der Bystrzyca mala auf feindliche Nachhuten, warfen sie über
den Bach zurück und nahmen den Südrand der Niederung in Besitz.
Auch das XVII. Korps erreichte mit vorgeschobenen Gruppen die By-
strzyca, indes die Masse seiner drei Divisionen noch etwas südwestlich
davon zur Ruhe überging. Weiter östlich gelangte das beiderseits der
Straße Lubartów—Parczew vorwärtsstrebende XIV. Korps mit der 45.
und der 21. SchD. kurz nach Mittag an die Tysmienica. Ihr Talgrund
war durch abgelassene Teiche überschwemmt, die Brücken waren zer-
stört und das jenseitige Ufer vom Feinde stark besetzt. Im Laufe des
Tages zog FML. Roth die 10. ID. und die 26. SchD. hinter dem rechten,
die 3. ID. hinter dem linken Flügel nach. Im Anschluß daran folgte auch
die Gruppe Emmich dem weichenden Feinde. Sie erreichte abends mit
dem X. RKorps beiderseits der nach Parczew führenden Bahn die Tys-
mienica und versuchte, sie an einzelnen Stellen mit kleineren Abteilungen
zu überschreiten. Das deutsche X. Korps und die Gardereiterei wurden
hinter der Front bereitgestellt, um entweder nach dem Überschreiten der
Tysmienica die Ostrówstellung von Westen her aufzurollen, oder, wenn
dies nicht mehr nötig war, zur Bugarmee verschoben zu werden.
Inzwischen trat bei der 11. Armee eine weitere Verzögerung des
Angriffes ein. Wohl hatte sich das k. u. k. VI.Korps schon am 9. August
mit der 12. ID. der Vorstellungen 4 km südlich von Ostrów bemächtigt;
sie befand sich aber jetzt starken Befestigungen am Süd- und Westrand
dieses Ortes gegenüber. Um die wegen künstlicher Versumpfung des
Tales schwer bezwingbare Stellung nicht im Stirnangriff angehen zu
müssen, wurde die 39. HID. weiter im Süden auf das östliche Tysmienica-
ufer gezogen, wo sie gemeinsam mit der rechts von ihr vorstoßenden
44. RD. feindliche Vortruppen zurückwarf und 6 km südöstlich von
Ostrów schon gegen die russische Hauptstellung vortastete. Zwischen der
44. RD. und dem Beskidenkorps hatte sich am 9. die Gruppe Pletten-
berg nordwestlich von Wola Wereszczynska gleichfalls an die feindliche
Stellung herangearbeitet. Somit war zwar an der ganzen Front der
Zäher Widerstand der Russen bei Ostrów
681
11. Armee die befohlene Ausgangsstellung für den Angriff gewonnen
worden; es stellte sich aber heraus, daß die großen Schwierigkeiten des
Nachschubes eine ausreichende Bereitstellung von Artilleriemunition ver-
hindert hatten. Der Angriff mußte daher hier auf den 11. August ver-
schoben werden. Das schon geschilderte Vordringen der 4. Armee und
der Gruppe Emmich schien den Abwehrwillen der Russen bei Ostrów
und östlich davon vorläufig nicht zu beeinträchtigen. Auch entwickelten
sie noch eine rege Artillerietätigkeit. Nur am rechten Flügel der Armee,
wo sich offenbar der Druck der Bugarmee zum Teil fühlbar machte,
räumte der Russe einige Vorstellungen vor der Gruppe Plettenberg.
Der am 11. August von der Mitte und dem rechten Flügel der
11. Armee durchzuführende Angriff sollte nun die schwer ringende Bug-
armee entlasten und die Entscheidung herbeiführen. Wenn der Feind
freiwillig oder gezwungen zurückging, sollte ihm unaufhaltsam nach-
gedrängt und möglichst die Straße Hola—Parczew erreicht werden. Die
Bugarmee wurde angewiesen, den Vorstoß nach Norden tatkräftig fort-
zusetzen ; die 4. Armee hatte dem Feinde in der Richtung auf Miçdzyrzecze
zu folgen. Der Gruppe Plettenberg wurde an Stelle der an die Bugarmee
abzugebenden 22. ID. (S. 674) die 1. GID. zugewiesen. Überdies sollte
dieser Gruppe die 119. ID. über Jagodna, der Gruppe Falkenhayn die
43. RD. über Krasne als Armeereserve folgen.
Mittlerweile setzte sich der Russe, dessen über die Tysmienica
zurückgegangene Truppen in einer seit langem vorbereiteten starken
Stellung Anschluß an die der 11. Armee bei Ostrów Widerstand leistenden
Kräfte gefunden hatten, auch am 11. noch heftigst zur Wehr. Nur der
linke Flügel der 4. Armee konnte die Verfolgung noch weiter fortsetzen.
Da dem 4. Armeekmdo. ein frontaler Angriff seines rechten Flügels
über die versumpfte und überschwemmte Niederung wenig Erfolg ver-
sprach, zog es die inzwischen durch die 3. ID. abgelöste 45. SchD. in den
Mündungswinkel der Tysmienica, um sie nach Fertigstellung einer Kriegs-
brücke nach Westen in den Bereich des XVII. Korps zu schieben. Freilich
waren auch vor dessen rechtem Flügel die Verhältnisse an der By-
strzycaniederung kaum besser als die an der Tysmienica. Nur sein linker
Flügel, die 41. HID., die erst spät in der Nacht auf den 11. den Raum
von Ossowiñska Wola erreicht hatte, konnte sich im Laufe des Tages
nach Vertreiben russischer Nachhuten im Anschluß an das IX. Korps
zwischen ihrem Nächtigungsort und Ulan an die Bystrzyca heranschieben.
Gegenüber dem IX. Korps hatte der Feind nachts das südliche, am
Vormittag auch das nördliche Ufer der Bystrzyca mala geräumt. Die
682
Der Feldzug von Brest-Litowsk
lOó.LstID. stieß an der Polenlegion vorbei nach Nordosten vor und erreichte
schon mittags die Bystrzyca zwischen Ulan und westlich Sobole. Etwas
später kam auch eine vorgeschobene Gruppe der 37. HID. an den Bach,
indes deren Hauptkraft ebenso wie die Artillerie beider Divisionen erst
am Abend nachkommen konnten, da die Brücken zerstört waren. Als
Armeereserve folgte die 45. SchD. dem XVII. Korps, eine weitere Divi-
sion sollte vom XIV. Korps ausgeschieden werden.
Gleich dem rechten Flügel der 4. Armee hielt auch die Gruppe
Emmich, die jetzt nur mehr das X. RKorps in der Front hatte, noch auf
dem westlichen Ufer der Tysmienica. Der Übergang stärkerer Kräfte
über die breite, versumpfte Talniederung gelang angesichts des vom
Ostufer aus eine rege Abwehrtätigkeit entfaltenden Feindes auch am!
11. weder beim Ort Tysmienica noch beiBojki. Die 101. und die 105. ID.
verschoben daher die Wiederholung ihrer Übergangsversuche bis zum
Einbruch der Dunkelheit.
Für die Masse der 11. Armee und für die Bugarmee sollte der
11. August ein schwerer Kampftag werden. Die 12. ID., die südlich vom
X. RKorps in einem Bogen den West- und Südrand von Ostrów umfaßte,
konnte tagsüber nur mühsam und mit kleinen Gruppen die versumpfte
Niederung überschreiten. Sie sollte sich in der Nacht mit dem linken
Flügel den neuerlichen Übergangsversuchen der 105. ID. anschließen.
Die 39.HID. und die deutsche 44. RD. kämpften den ganzen Tag blutig
um die Stellungen südöstlich von Ostrów, ohne sie dem Feinde entreißen
zu können. Abends schob das VI. Korps Teile der 12. ID. auf das öst-
liche Tysmienicaufer; sie sollten Ostrów von Osten her angreifen, sobald
die 39. HID. die feindliche Abwehr überwunden haben würde. Weiter
östlich mußte die Gruppe Plettenberg schwer um die zäh verteidigten
Stellungen von Orzechó w ringen; erst nachmittags gelang es der 2.GID.,
südlich des Ortes durchzubrechen.
Nicht weniger schwierig gestaltete sich der Kampf bei der Bug-
armee. Um dem Angriff in der entscheidenden Richtung auf Wlodawa
neuen Impuls zu geben, war in der Nacht zum 11. die 1. ID. östlich der
Straße zwischen dem XXXXI. und dem XXIV. RKorps in die Front ge-
stellt worden. Sie sollte am 11. den entscheidenden Vorstoß führen;
aber die Russen setzten sich auch an diesem Tage nachdrücklich zur
Wehr. In dem erbitterten, bis in die Nacht währenden Ringen ver-
mochten sowohl die 82. RD. und die 1. ID. zwischen Bahn und Straße
Cholm—Wlodawa, als auch das westlich der Straße fechtende Korps
Gerok nur geringe Fortschritte zu erzielen.
Vordringen der Armee Woyrsch gegen tuków
683
Die deutsche Ostfront vom 5. bis zum 11. August
Vormar s eh der Heeresgruppe Prinz Leopold bis vor Luków und Siedlec
II i e z u Beilage 34
Die Aufgabe der Armee Woyrsch, auf dem rechten Weichselufer auf
Luków—Siedlec vorzustoßen, wozu vorerst die Kräfte entsprechend
gruppiert werden mußten, blieb auch unter deutscher Oberleitung be-
stehen. Zunächst löste die 7. KD. vom 4. auf den 5. August den rechten
Flügel des LKorps ab, während dieses den gewonnenen Raum bis 6.
gegen Sobolew erweiterte. Bei der 16. ID. wurde die Stromsicherung auf
ein Heeresinfanterie- und zwei Landsturmregimenter beschränkt, und
die 32. IBrig. für das Nachrücken zum Korps König bereitgestellt. Die
k.u.k. 9.KD. sammelte sich bei den Handpferden (S. 644). Zum einheit-
lichen Einsatz der zusammengezogenen Kavalleriemassen kam es jedoch
nicht; die 2. und die deutsche 9. KD. gingen am 7. als Kavalleriekorps
Frommel über die Pilica an den rechten Flügel der deutschen 9. Armee ab.
Dem von Woyrsch unter Beiziehung der Masse des k.u.k. XII.Korps
für den 9. vorbereiteten Angriffe entzog sich der Feind, indem er schon
am 8. morgens seine Stellungen räumte1). Ungesäumt nahm der General-
oberst mit der Gruppe Kövess südlich und dem verstärkten Korps König
nördlich der Straße Sobolew—Zelechow die Verfolgung auf. Die 7. KD.,
die wieder dem Gdl. Kövess unterstellt war, sicherte die rechte Flanke
und hatte Verbindung mit der k. u. k. 4. Armee zu suchen, während die
deutsche LKBrig. die Vorrückung am nördlichen Flügel in der Richtung
Garwolin begleitete. Die ebenfalls zum nördlichen Flankenschutz und
zur Verbindung mit der deutschen 9. Armee bestimmte k.u.k. 9. KD.
erreichte am Abend erst Laskarzew, da infolge Hochwassers auf der
Weichsel nur eine Brücke benützbar erhalten werden konnte. Der rechte
Flügel, die 7. KD., war, von den Russen fast unbehelligt, bei Zabianka
und Dudki über die große Straße Riki—Garwolin gelangt, ebenso stand
das LKorps, mit feindlichen Nachhuten fechtend, jenseits der Straße in
einem bis Garwolin reichenden Bogen. Nur die Hauptkraft des XII. Korps
hing noch etwas ab. Die 35. ID. hatte an den Nachtmarsch vom 7., auf
den S.August, der sie in den ursprünglichen Angriff sraum bringen sollte,
die Vorrückung bis zur Bahn bei Zyczyn anschließen müssen, so daß ihre
!) Nesnamow, IV, 84; Zajontschkowskij, Der Bewegungskrieg 1914
und 1915, 336; Danilow, 529.
684
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Marschleistung teilweise 50 km betrug. Die 32.IBrig. traf, durch Ko-
lonnenstauungen an der einzigen Brücke aufgehalten, erst in den Morgen-
stunden des 9. in ihren Vorrückungszielen Macie j owice undPaprotnia ein.
Nach vollzogener Sprengung hatte der Feind am 8. auch die Zita-
delle von Iwangorod am rechten Ufer geräumt, so daß der Rest der
16. ID. nun an das Übersetzen des Stromes, die Besetzung der östlichen
Gürtellinie und die Aufnahme der Verbindung mit den Kräften am
rechten Ufer schreiten konnte.
Auch die deutsche 9. Armee war über die Weichsel gegangen, und
Prinz Leopold erhielt von der DOHL. die Weisung, den Vormarsch rück-
sichtslos vorzutragen1), sobald man erkannte, daß nur verhältnismäßig
schwache, ihm freilich noch immer überlegene Kräfte gegenüberstan-
den. Dementsprechend schritt Woyrsch am 9. tüchtig aus, Kövess folgte
rechts gestaffelt und stellte mit dem linken Flügel der 4. Armee, der den
Unterlauf des Wieprz überschritten und jenseits der Bahn Iwangorod—
Luków nach Nordosten geschwenkt hatte (S. 680), die Verbindung her. Am
10. August hatte Kövess,dessen 16. ID. zunächst aufschließen mußte, mit der
7. KD. und der 35. ID. an die nördlich und südlich von Stanin erkundete
feindliche Stellung heranzugehen, ebenso das Korps König an die über
Jedlanka bis Oleksin laufende Fortsetzung der russischen Linie. Noch
am Abend erstürmte der linke Flügel der 35. ID. im Anschluß an die
Division Bredow eine Vorstellung bei Jedlanka; die schlesische Landwehr
vermochte den Widerstand des Südflügels der 2. Russenarmee erst am
nächsten Tag zu brechen.
Das Heeresgruppenkmdo. Prinz Leopold beabsichtigte, am 11. mit
starkem rechtem Flügel über Luków anzugreifen und den Feind zurück-
zuwerfen. Des Sturmes auf die vorbezeichnete Stellung sahen sich die
beiden Divisionen des XII. Korps zwar überhoben, da die Russen nachts
gegen Luków zurückgewichen waren; doch stemmten sich diese gegen
jeden Versuch, den wichtigen Bahnknotenpunkt noch am gleichen Tage
zu besetzen. Nördlich des Ortes hatten die Verbündeten die Straße nach
Siedlec erreicht. Auch diesen Verkehrsknoten deckte noch der Feind.
Die 9. KD. am linken Flügel der Armee Woyrsch mußte sich ebenso wie
am Vortag die Nachtquartiere erkämpfen; ihre Batterien hatten den
Südflügel der deutschen 9. Armee, der sich über den Kostrzynabschnitt
ebenfalls gegen Siedlec heranschob, unterstützen können. Der Nord-
flügel, das Reiterkorps Frommel, stritt bei Wçgrow.
1) Falkenhayn, 105.
Aufschwenken des Südflügels Hindenburgs gegen Osten
685
Der Vorstoß Hindenburgs bis über Ostrów und Lorriza
(5. bis 11. August)
Hiezu Beilage 36
Mochte Hindenburgs Streben auch noch immer auf eine ausgrei-
fende Umfassungsbewegung über Kowno gerichtet gewesen sein, so mußte
er, den Weisungen der DOHL. entsprechend, doch die Vorrückung auf
dem rechten Flügel seiner Heeresgruppe fortsetzen. Da ein Angriff an
Warschau knapp östlich vorbei bei dem schon weit fortgeschrittenen
russischen Rückzüge keinen Erfolg gezeitigt hätte, ballte der General-
feldmarschall östlich von Ostroîçka an den inneren Flügeln der 12. und
der 8. Armee einen wuchtigen Stoßkeil zusammen, in dem auch eine
der beiden vom Westen herangeführten Divisionen Verwendung fand.
Am 4. August setzte der gegen den Abschnitt Wyszków—-Ostrów—
tom±a gerichtete Angriff ein, wobei das Schwergewicht zunächst beider-
seits der Bahn Ostrolçka—Sniadowo lag1). In hartnäckigen Kämpfen
wurden die inneren Flügel der 1. und der 12. Russenarmee zurück-
geworfen, am 8. Wyszków und Ostrów und am 10. das befestigte Lomia
genommen. Am 11. wurde der Vorstoß mit eng zusammengehaltener
Kraft um einen Tagmarsch über Malkin hinaus nach Osten fortgeführt.
Südlich des Bug stellten Reiterabteilungen der deutschen 12. Armee mit
der k. u. k. 2. KD. des Kavalleriekorps Frommel nördlich von Wçgrow
die Verbindung her. Hiemit war der rechte Flügel der Heeresgruppe
Hindenburg in eine direkt nach Osten gerichtete Front gelangt, aus
der eine den Feind schädigende Umfassung nicht mehr unternommen
werden konnte, obwohl südlich des Bug vor den Reitern Frommeis sich
noch starke Teile der russischen I.Armee befanden. GFM. Hindenburg
befahl daher nach gepflogenem Einvernehmen mit der DOHL. der Armee
Gallwitz: Vormarsch in östlicher Richtung mit rechtem Flügel über
Ciechanowiec auf Bielsk. Hiemit war der Gedanke an eine Einkesselung
russischer Heeresteile zwischen Warschau und Brest-Litowsk „auch an
leitender Stelle zurückgestellt; die Periode des Druckes gegen Süden
war vorüber"2).
Die Festung Nowogeorgiewsk war seit dem 8. August von den Deut-
schen vollständig eingeschlossen. Hier wie vor der Westfront von Kowno
wurde der Angriff auf die Festungswerke eingeleitet.
1) Schwarte, Der deutsche Landkrieg, II, 204 ff.
2) Gallwitz, 327.
686
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Erwägungen und Maßnahmen der verbündeten Heeres-
leitungen und des Oberkmdos. Mackensen
Hiezu Beilagen 34 und 36
Dem vom GFM. Mackensen mit dem Schwergewicht auf Parczew
angesetzten Vorstoß war noch die Annahme zugrunde gelegen, daß der
Feind an der Weichsel und am Wieprz nachhaltigen Widerstand leisten
werde. Unter dieser Voraussetzung konnte auch der Stoß in der ge-
wählten Richtung möglicherweise einen großen Erfolg erzielen. Dem
GO. Conrad war diese ausgesprochene Nordrichtung schon seit Ende Juli
wenig wirksam erschienen, und er hatte sich mehrmals, aber vergeblich
bemüht, von Falkenhayn das Einverständnis zu einer Verlegung des
Schwergewichtes mehr nach Osten hin zu erreichen (S. 670). Mit Be-
dauern hatte er gesehen, wie die Verschiebung der Heeresgruppe Macken-
sen nach Westen kostbare Zeit beansprucht hatte, und daß ihrem Ost-
flügel nun die erforderliche Stoßkraft fehlte. Als sich daher jetzt zeigte,
daß die Russen — nicht zuletzt als Auswirkung des von der 4. Armee bei
Lubartów erfochtenen Sieges — ihre Armeen viel schneller als erwartet
nach Nordosten zurücknahmen, schien die Hoffnung auf einen ent-
scheidenden Erfolg immer geringer zu werden. Nur wenn wenigstens
jetzt noch der entschiedene Druck der ganzen Stoßgruppe Mackensens
mehr in nordöstlicher Richtung und mit starkem rechtem Flügel angesetzt
wurde, durfte man noch hoffen, Teile der feindlichen Kräfte am Ent-
kommen zu hindern und sie zu schlagen, bevor sie über die Linie Bielo-
stok—Brest-Litowsk—Wlodawa zurückwichen. Conrad drängte daher
neuerlich darauf, Mackensen eine entsprechende Weisung zu geben und
stellte diesem am 10. die 47. RD. der 4. Armee zur Verfügung.
Allein in Pleß hielt man an der Auffassung fest, daß die,durch das
Vordringen der inneren Flügel der 4. und der 11. Armee sich von selbst
ergebende Nordostrichtung ausreichend sei, jede neue Anweisung aber
zu Zeitverlust führen würde, und die Bugarmee am besten so schnell
wie möglich längs des Bug in geradewegs nördlicher Richtung vorstoßen
solle. Wohl schien es bei einer am 10. in Pleß abgehaltenen Besprechung
der beiden Generalstabschefs, als ob nun endlich den Anregungen Con-
rads wenigstens teilweise Rechnung getragen werden sollte. Es wurde
vereinbart, daß Mackensen die 4. Armee mit dem linken Flügel über
Radzyn auf Biala, die 11. Armee mit dem linken Flügel über Parczew
auf Lomazy zu weisen habe.
In dieser Richtungsänderung sprach sich jedoch bei der mittlerweile
Meinungsverschiedenheiten ¿wischen Pleß und Teschen
687
eingetretenen Lage — Zurückweichen der Mitte und Festhalten des
Ostflügels der russischen Front — der von Conrads ursprünglichen Ab-
sichten grundverschiedene Gedanke aus, mit der 4. Armee die vor der
11. und der Bugarmee Widerstand leistenden Feindkräfte von Westen
her aufzurollen; ein Gedanke, dem Mackensen am 11. auch dadurch
Rechnung trug, daß er das deutsche X. Armeekorps hinter dem X. R-
Korps zu einem eventuellen Vorstoß in den Rücken der Ostrowstellung
bereitstellte (S. 682). Es blieb aber dann doch nicht bei der vereinbarten
scharfen Nordostwendung, vielmehr hatten die 11. und die 4. Armee
in der Folge mit ihrer Mitte und nicht mit den linken Flügeln den an-
gegebenen Zielen zuzustreben. Schließlich wurde, als sich am 11. August
die Heeresgruppe Prinz Leopold Luków näherte, die von hier nach Brest-
Litowsk führende Bahn als Grenze der inneren Flügel der Armee Woyrsch
und der 4. Armee bestimmt.
Es war das letztemal, daß das k. u. k. AOK. auf die Entwicklung
der Dinge gegen Brest-Litowsk Einfluß zu nehmen gesucht hatte. Nun
wandte es seine Aufmerksamkeit nachdrücklicher neuen Plänen in Ost-
galizien zu und war darauf bedacht, hiezu baldigst Kräfte freizubekommen.
Schon am 10. war Erzherzog Joseph Ferdinand angewiesen worden, die
62. ID. dem k. u.k. X.Korps (S. 677) zur 1. Armee folgen zu lassen, die
47. RD. aber Mackensen zur Verstärkung seines rechten Flügels abzu-
treten, der sie zunächst der Gruppe Emmich folgen ließ.
Dem Oberkmdo. Mackensen kam diese Versammlung von Kräften
an seinem Ostflügel sehr gelegen. Denn die am 10. August mitgelesenen
Funksprüche verrieten eine Verlegung von drei Korpskmdos. der russi-
schen 13. Armee gegen den Bug und ließen die schon geäußerten Be-
sorgnisse eines feindlichen Vorstoßes von Osten her als nur zu berechtigt
erscheinen. GFM. Mackensen sah sich daher auch veranlaßt, in der
Nacht auf den 11. August die 1. Armee anzuweisen, unter Deckung gegen
Osten aus dem Räume von Wladimir-Wolynski dann offensiv zu werden,
wenn die russische 13. Armee an der Bahn Kowel—Cholm und nördlich
davon die rechte Flanke der Bugarmee anfallen sollte. Gegen einen
russischen Vorstoß von Kowel nach Südwesten hatte die 1. Armee am
Luga-Bugabschnitt standzuhalten, indes die Armee Linsingen über den
Bug nach Osten angreifen sollte. Auch lenkte GFM. Mackensen das
Augenmerk auf die Gefährlichkeit eines russischen Vorstoßes über Sokal
gegen Beiz. FZM. Puhallo meldete allerdings, daß er bis zum Eintreffen
des X.Korps nur das Behaupten der Flußschranke verbürgen könne, weil
die im Augenblick am Nordflügel stehenden Kräfte, 13.SchD., 40. HID.
688
Der Feldzug von Brest-Litowsk
und Teile des Kavalleriekorps Heydebreck, für eine Offensive nicht aus-
reichend seien. Hierauf wurde vom AOK., auch um den Schute von Sokal
zu gewährleisten, am 12. die Verschiebung der 10. ID. und der26.SchD.
sowie des IX.Korpskmdos. von der 4. zur I.Armee in die Wege geleitet.
Die Armee Linsingen mußte bei der bevorstehenden Vorrückung
bald ganz in dem Dienst der immer länger werdenden Bugsicherung auf-
gehen. Ihr wurde daher die deutsche 22. ID. der 11. Armee zugewiesen.
Das deutsche X. Korps sollte folgen, sobald es die Lage bei Ostrów zu-
ließe. (S. 687). Damit war auch der von Conrad gewünschten Verstärkung
des rechten Flügels der Stoßgruppe Mackensens Rechnung getragen.
Maßnahmen der russischen Führung
Die russische Führung war in diesen Tagen ebensosehr durch die
Ereignisse in Kurland, wo die Deutschen am 1. August bis Mitau vor-
gedrungen waren, wie durch den doppelten Druck beeinflußt, dem die
beiden Flügel des noch auf dem „vorderen Kriegsschauplätze" kämpfen-
den Teiles der Nordwestfront, der 12. Armee östlich des Narew sowie
der 3. zwischen Wieprz und Bug, ausgesetzt waren. Da an eine Ver-
stärkung dieser beiden Armeen nicht zu denken war, entschloß sich
Alexejew am 10. August, die 12., die 1., die 2., die 4. und die 3. Armee
auf die kürzere und dem Gefechtsstande der Truppen mehr entspre-
chende Linie Osowiec—Wizna—Ciechanowiec, dann entlang des Bug bis
Drogiczyn—Miçdzyrzecze—Wlodawa zurückzunehmen; doch sollte die
3. Armee ihre gegenwärtigen Stellungen oder solche in der Linie Par-
czew—Kolacze—Sobibor nicht ohne zwingende Nötigung aufgeben1).
Mit diesem Entschluß war nun auch die in der Julikonferenz von Siedlec
(S. 610) in Aussicht genommene Verteidigungslinie endgültig preisgegeben.
Auch die der 13. Armee zufallende Aufgabe erheischte jetzt eine
Entscheidung. Noch immer glaubte die Stawka, von dieser Armee die
Behauptung des Bug und die Aufrechthaltung einer engen Verbindung
zwischen der Nordwest- und der Südwestfront erwarten zu können. Des-
halb wollte sie diese Armee nur im äußersten Falle auf die Linie Opalin—
Turyjsk oder gar auf Wlodawa—Ratno zurückweichen lassen. Der
Führer der Nordwestfront hingegen, der der Armee am 10. August zwar
noch die Aufgabe, sich am Bug zu behaupten, zugewiesen hatte, hielt
es seiner Überzeugung nach für ausgeschlossen, die Armee dauernd am
Bug zu belassen. Abgesehen davon, daß sie hiezu in der immer größer
werdenden Ausdehnung zu schwach war, mußte sie alsbald mit den
1) Nesnamow, IV, 93.
■
-
Verteidigungsaufgaben für die russische 13. Armee
689
anderen Armeen die Verbindung verlieren und für die so wichtige Auf-
gabe, die östlich des Bug auf Brest-Litowsk führenden Verkehrslinien zu
decken, verlorengehen. Überdies konnten die zur Besetzung von Brest-
Litowsk notwendigen Kräfte gleichfalls nur der 13. Armee entnommen
werden. Sie hatte daher die beiden obengenannten hinteren Stellungen
gründlich auszubauen, um nötigenfalls dorthin zurückgehen zu können.
Am 12. August stimmte die Stawka den Anregungen Alexejews hin-
sichtlich der 13. Armee zu. Diese wurde der Aufgabe der unbedingten
Bugverteidigung entbunden, hatte aber die zu den Linien Brest-Litowsk—
Kobrin und Pinsk—Luniniec führenden Bahnen und Wege zu decken und
zur Südwestfront Verbindung zu halten.
Hiemit fiel auch die Idee einer Offensive großen Stils gegen die
Ostflanke der Heeresgruppe Mackensen. Ebenso widerrieten — weil
wenig aussichtsreich — sowohl Alexejew wie Iwanow einem von einem
Unterführer vorgeschlagenen Vorstoß gegen die zwischen Poryck und
Ustilug als schwach erkannte öst.-ung. Front. Er hätte vornehmlich von
Reiterei durchgeführt werden sollen, die nach geglücktem Durchbruch
gegen die hinteren Verbindungen zu wirken gehabt hätte1).
Die schweren Kämpfe am 11. August waren keineswegs vergeblich
gewesen. Bei der Bugarmee versetzte ein gegen Mitternacht unternom-
mener Angriff der 1. ID. der feindlichen Widerstandskraft den letzten
Stoß, der die angegriffene Stellung endlich zu Fall brachte. Noch vor
Einbruch der Morgendämmerung begann der Feind an der ganzen Front
der Bugarmee und der 11. Armee seine Verschanzungen zu räumen. Der
12. August sah die verbündeten Truppen wieder auf der ganzen Linie in
voller Verfolgung. Erst nachmittags stieß die Bugarmee auf Nachhuten^
die sich in der Linie Kossyn—Hansk—Bruss—Woioska Wola gestellt
hatten. In kräftigem Zugriff wurden sie fast überall noch abends und in
der Nacht geworfen. Auch die 11. Armee konnte nun die Früchte ihrer
Anstrengungen ernten. Die Gruppe Plettenberg, der schon am Vorabend
zur Ausnützung ihres Erfolges bei Orzechów die 119. ID. unterstellt
worden war, und die Gruppe Falkenhayn drangen in den ersten Morgen-
stunden vorerst in die Linie Gorki—Ostrow vor; auch das X. RKorps
A) Nesnamow, IV, 95 f., 87 f.
II 44
Der Vormarsch gegen Brest-Litowsk
(12. bis 17. August)
Hiezu Beilage 34
i
690
Der Feldzug von Brest-Litowsk
konnte noch in der Nacht mit größeren Teilen das östliche Tysmienica-
ufer in Besitz nehmen.
Das Oberkmdo. Mackensen wies nunmehr, nachdem vorübergehend
eine viel schärfere Nordostrichtung Geltung gehabt hatte, am 12. August
die 11. Armee mit dem rechten Flügel auf Slawatycze, mit dem linken
Flügel auf Parczew—Lomazy.
Da sich jetzt der Vorrückungsraum auch bei der 11. Armee ver-
engte, wurde die Gruppe Falkenhayn im Raum östlich von Ostrów und
bei Orzechów angehalten. Ihre Truppen sollten sodann im zweiten Tref-
fen folgen, und zwar das VI. Korps dem X. RKorps, das durch Heran-
ziehen seiner 43. RD. wieder vereinigte XXII. RKorps der Gruppe
Plettenberg. Ebenso wie die Gruppe Falkenhayn hatte sich auch der Ver-
band der Gruppe Emmich aufzulösen. Nur mehr das X. RKorps sollte
im Anschluß an die Gruppe Plettenberg den linken Armeeflügel bilden.
Das X. Korps wurde über Leczna auf Cholm zur Bugarmee in Marsch
gesetzt, wohin tags zuvor auch die GKD. entsandt worden war. In-
zwischen stießen die vorderen Divisionen Plettenbergs und des X. RKorps
in der Verfolgung kräftig nach und kämpften abends in der Linie west-
lich von Woloska Wola—Südrand Parczew mit Nachhuten, deren Wider-
stand bald gebrochen wurde. Parczew fiel noch nachts in die Hände des
X. RKorps. Das Korps Arz nächtigte bei Ostrów. Westlich davon sollte
am 13. auch die 47. RD. dem linken Armeeflügel folgen.
Vor dem linken Abschnitte der 4. Armee räumte der Feind im Laufe
des 12. August gleichfalls seine Stellungen nördlich der Bystrzyca. Nur
gegenüber dem XIV. Korps blieb er am Nordufer der Tysmienica
zwischen dem Flußknie und der Bahn festgeklammert. Um auf diese Stel-
lung von Osten her einzuwirken, schob die 10. ID. eine Brigade um den
südlich von Siemien sich ausbreitenden See rechts herum. Sie kam aber,
im Einklang mit der 105. ID. des X. RKorps vorgehend, bis zum Abend
nur bis an die zwischen Parczew und Siemien sich hinziehende Niede-
rung heran. Vom XVII. Korps fand vormittags lediglich der linke
Flügel, die 41. HID., das östliche Bystrzycaufer vom Feinde frei. Als
sich die Honvéd nachmittags anschickte, weiter auf Radzyn vorzustoßen,
wich der Feind auch vor der 4. und der 11. Division. Jetzt drangen auch
diese über die Bystrzyca vor, schwenkten in der Verfolgung nach Osten
auf und erreichten fechtend den Bialkabach von der Mündung bis süd-
westlich von Radzyn. Die 41. HID. hatte sich inzwischen bis an eine
Radzyn im Westen schützende Russenstellung herangearbeitet, mußte
aber bei einbrechender Dunkelheit den Angriff einstellen.
Verfolgungskämpfe der 4. Armee am und 13. August
691
Auf dem linken Armeeflügel hatte das zum Abgehen zur 1. Armee
bestimmte IX.Korpskmdo. die Führung seiner Truppen, 106.LstID.mit der
Polenlegion und 37. HID., an das VIII. Korpskmdo. übergeben. Die bei-
den Divisionen gewannen am frühen Morgen bald das nördliche Ufer
der oberen Bystrzyca und drangen sodann im Einklang mit dem rechten
Flügel der Armee Woyrsch an Luków südlich vorbei gegen Nordosten
vor. Am späten Nachmittag stand die 106. LstlD. bei Paskudy, die
37. HID. schon nördlich der von Luków nach Parczew führenden Bahn
im Kampfe. Die 45. SchD. folgte den inneren Flügeln der beiden Korps.
Die 26. SchD. und die 10. ID. traten über Lublin den Marsch zur 1. Armee
an, wozu die zweitgenannte erst am 13. aus der Front gezogen wurde.
Am 13. August wurde die Verfolgung mit allem Nachdruck fort-
gesetzt. Da und dort durch schwächere Abteilungen vorübergehend auf-
gehalten, aber überall den Widerstand rasch brechend, zogen die sieg-
reichen Divisionen durch das von den Russen geräumte Land. Die
4. Armee hatte dem Feinde noch in der Nacht einige Stützpunkte nord-
westlich und südlich von Radzyn entrissen. Zwischen 4h und 5h früh
gab der Feind an der ganzen Front die tags zuvor noch zäh verteidigten
Stellungen preis. In fast nach Osten gerichteter Front trat die 4. Armee
die Verfolgung an. Mit dem linken Flügel entlang der nach Brest-Litowsk
führenden Bahn vorgehend, traf die 37. HID. nachmittags auf stärkeren
Widerstand nördlich von Grabowiec. Südlich davon warf die 106. LstlD.
feindliche Nachhuten zurück, indes ihre Mitte und ihr rechter Flügel
bis Szóstka und Ostrówki vordrangen, ohne auf Widerstand zu stoßen;
erst nördlich und östlich von Szóstka wurden feindliche Abteilungen
wahrgenommen. Die Polenlegion gelangte als Reserve des VIII. Korps
in den Raum südlich von Grabowiec. Das XVII. Korps kam mit der
41. HID. links, mit der 4. ID. rechts in die Gegend 10 km nordöstlich
von Wohyn; Vortruppen der zweitgenannten Division nahmen an der
großen Straße Fühlung mit dem Feinde, der sich bei und südlich von
Komarowka wieder festgesetzt hatte. Die 11. ID. erreichte südlich der
Straße Rudno, wo sie mit dem X. RKorps Verbindung hielt. Flieger-
meldungen deuteten auf eine neue Russenstellung in der Linie Polu-
bicze—Kamarówka—Westrand von Miçdzyrzecze hin. Der Anmarsch von
Verstärkungen, der beobachtet werden konnte, und eine regere Artillerie-
tätigkeit ließen mit einem ernsten Widerstand rechnen. Die an diesem
Tage nach Radzyn gelangende 45. SchD. war vom Armeekmdo. dazu
ausersehen, in einem solchen Falle das VIII. Korps zu verstärken.
Indessen wurde es der 4. Armee durch die eingetretene Verengung
44*
692
Der Feldzug von Brest-Litowsk
ihres Bewegungsraumes, die sich bei einem Vormarsch in den nächsten
Tagen noch mehr aussprechen mußte, ermöglicht, ein weiteres Korps,
das XIV., aus der Front zu nehmen. Die 3. ID. und die 21. SchD., von
der nur mehr ein Regiment an der Verfolgung teilgenommen hatte,,
wurden nördlich von Parczew gesammelt.
Auch die 11. und die Bugarmee hatten bedeutenden Raumgewina
zu verzeichnen. Ohne wesentliche Kämpfe gelangte das beiderseits der
Straße Parczew—Slawatycze vorgehende X. RKorps bis nach Paszenka,
indes bei der Gruppe Plettenberg die 103. ID. und die 2. GID. noch
nördlich und östlich von Podedworze mit Nachhuten zu kämpfen hatten;,
die 1. GID. erreichte Pogorelec.
Weiter östlich gewann die Bugarmee, nachdem sie mittags in der
Gegend von Luta und Sobibor, abends südlich von Wlodawa auf-
flackernden Widerstand gebrochen hatte, mit dem Beskidenkorps den
Raum um Ladzk, mit dem XXIV. RKorps die Buglinie von Rozanka bis
Wiodawa, wo das XXXXI. RKorps mit der 82. RD. anschloß. Die starke
neugebildete Heeresgruppenreserve, 119. ID., XXII. RKorps, k. u. k.
VI. Korps und 47. RD., wurde in den Raum östlich und südwestlich von
Parczew nachgezogen.
Da dem GFM. Mackensen am 11. August als linke Grenze des Vor-
rückungsstreifens seiner Heeresgruppe die Bahnlinie Luków—Brest;-
Litowsk vorgezeichnet worden war (S. 687), veranlaßt ihn dies, der
4. Armee am 13. früh nur mehr den Raum von Biala als Verfolgungsziel
zuzuweisen. Sie hätte sich sodann, sobald sich die inneren Flügel der
11. Armee und der Heeresgruppe Prinz Leopold nördlich von Piszczac
getroffen haben würden, für anderweitige Verwendung bereitstellen sollen.
Indessen hatte die DOHL. erkannt, daß nach dem schon so weit ge-
diehenen Rückzug des Feindes die Hoffnung, ihn am Entkommen zu
hindern, endgültig aufgegeben werden mußte, und daß nur noch die eine
Möglichkeit bestand, „ihn durch starkes Vortreiben der Heeresgruppe
Mackensen zu beiden Seiten von Brest-Litowsk nach Norden abzudrängen
und durch Vorgehen der 12. Armee über Bielsk in Flanke und Rücken
der abgedrängten Teile" empfindlich zu treffen1). Es sollte also ein
„Cannae" kleineren Stils noch vor der großen Sumpfwaldzone der Bielo-
wieszkaja Puszcza versucht werden. Hiezu erließ Gdl. Falkenhayn am
13. August neue Weisungen, ohne daß das k. u. k. AOK. hierauf Einfluß
nahm. Ihnen zufolge sollte Mackensen unter Sicherung gegen Brest-
Litowsk mit dem linken Flügel der 11. Armee über Lomazy—Biala auf
*■) Falkenhayn, 106.
Weisungen Falkenhayns für die Verfolgung
693
Janöw vorgehen. Die Heeresgruppe Prinz Leopold hatte mit dem rechten
Flügel über Rogo£nika auf Niemirów, mit dem linken Flügel auf Kle-
szczeli vorzustoßen, um mittels einer Rechtsschwenkung den über den
Bug zurückgehenden feindlichen Teilen in den Rücken zu kommen. Des-
gleichen wurden Unternehmungen gegen die von Brest-Litowsk nach
Osten führenden Straßen als wünschenswert bezeichnet1).
Das Oberkmdo. Mackensen wies hierauf die Bugarmee an, bis in die
Linie Zbunin—Miedzyles vorzugehen und die Sicherung des Bugabschnittes
gegen Osten zu übernehmen. Ihr wurden auch die angeregten Unternehmen
gegen die Straßen östlich von Brest-Litowsk übertragen. Bei der 11. Armee
hatte die Gruppe Plettenberg unter Sicherung am Bug von Zbunin ab-
wärts in den Raum Koden—Dobryñka zu rücken, das X. RKorps sollte
zuerst bis Perkowice und Biala nordwärts vorstoßen, dann aber in die
Linie Gorbów—Janów nach Osten einschwenken. In die zwischen Do-
bryñka und Gorbów entstehende Lücke sollte sich das über Wisznice
nachfolgende VI. Korps einschieben.
Die 4. Armee wurde angewiesen, innerhalb des zwischen der Heeres-
gruppe Prinz Leopold und der 11. Armee freigelassenen schmalen Strei-
fens über die Linie Biala—Rogo£nika bis an den Bug vorzustoßen, jedoch
-entsprechend der Verengung des Abschnittes die nicht mehr benötigten
Kräfte auszuscheiden.
Allein die Russen setzten alles daran, ihren Rückzug in geordneten
Bahnen zu erhalten. War ihrer 2., 4. und 3. Armee die Räumung des
Weichselbodens gelungen, so hatte sich jetzt die südliche Hälfte der Nord-
westfront — so wie es dem Generalquartiermeister Gen. Danilow vorge-
schwebt hatte — von Osowiec bis östlich von Luków fast zu einer Geraden
gestreckt. Nunmehr galt es, den noch immer die Flanke bedrohenden
Vormarsch der Verbündeten zwischen Bug und Krzna, besonders aber
jenen zwischen Bug und der Linie Parczew—Lomazy, so lange wie nur
möglich zu verzögern.
Als sich daher die Armeen Mackensens am 14. anschickten, befehls-
gemäß über die Straße Slawatycze—Polubicze vorzustoßen, trafen sie
bald auf so starke, in ausgebauten Stellungen zur Abwehr bereite Kräfte,
daß sie deren Widerstand ohne Hilfe der vielfach noch abgebliebenen
schweren Artillerie nicht zu brechen vermochten. So konnte bei der Bug-
armee zwar das Beskidenkorps südlich von Ladzk und das XXIV. RKorps
nordwestlich von Ro±anka in schweren Kämpfen einige Erfolge erzielen,
über diesen Raum hinaus jedoch nicht mehr weiter ausgreifen. Auch der
*) Schwarte, Der deutsche Landkrieg, II, 169.
694
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Versuch, bei Wlodawa auf dem östlichen Bugufer einen Brückenkopf zu
schaffen, brachte nur kleinere Abteilungen auf dieses Ufer.
Ähnlich erging es der Gruppe des Gdl. Plettenberg, dessen GKorps
vormittags in zähem Ringen der russischen Garde einen starken Stütz-
punkt nördlich von Grabówka entriß, dann jedoch trotz Einsatzes der
119. ID. zwischen den beiden Gardedivisionen nur schrittweise gegen
Nordosten Raum gewinnen und den feindlichen Widerstand doch nicht
endgültig brechen konnte. Ebenso gelang es dem X. RKorps, das mor-
gens schwächere Kräfte vor der am Vortage erreichten Linie geworfen
hatte, bis zum Abend nicht, den Feind aus der Linie Gorodyszcze—Polu-
bicze zu werfen.
Der 4. Armee stellte sich der Feind zu entschiedener Abwehr, nach-
dem er nur die am Vorabend noch nördlich von Grabowiec verbliebenen
Truppen hinter die Krzna zurückgenommen hatte. Er hatte wieder eine
sehr starke schwere Artillerie in Stellung gebracht und fügte den zum.
Angriff schreitenden Truppen, deren schwere Batterien infolge der zahl-
reichen zerstörten Brücken größtenteils noch nicht zur Stelle waren, emp-
findliche Verluste bei. Das Armeekmdo. erkannte schon vormittags,,
daß die Kräfte der beiden in der Fi*ont befindlichen Korps nicht aus-
reichen würden, den feindlichen Widerstand rasch zu brechen, und unter-
stellte daher dem Gdl. Kritek noch das XIV. Korps. Dessen Divisionen,
die 3. ID. und die 21. SchD., wurden sogleich über Rudno an den rechten
Armeeflügel gezogen, um gemeinsam mit der 11. ID. den entscheidenden
Angriff zwischen Polubicze und Kamarówka durchzuführen. In den späten
Nachmittagsstunden stand das XIV. Korps in diesem Räume zum Angriff
bereit. Inzwischen hatte auch links von der 11.ID. die Masse desXVII.Korps,
ihre Schwarmlinien bis auf einige hundert Meter an die feindliche Stel-
lung heranschieben können. Aber der noch am Abend angesetzte Angriff
drang nicht durch; Teile der 4. ID. und die rechts und links anschlie-
ßenden Flügel der 11. ID. und der 41. HID. erreichten zwar ungeachtet
der überlegenen feindlichen Artilleriewirkung noch die Drahthindernisse
der russischen Stellung, mußten aber den entscheidenden Kampf auf den
nächsten Tag verschieben.
Das VIII. Korps hatte ebenfalls den ganzen Tag schwer kämpfen
müssen. Wohl drang die 106. LstlD. nach hartem Ringen nachmittags
bei Luzki in die Russenstellung ein, fand aber dann sowohl hier als auch
nordwestlich davon heftigen Widerstand. Ebensowenig vermochte die
37. HID., die vormittags dem Feinde rasch an den Krznabach gefolgt war,,
den von Miçdzyrzecze nach Süden führenden Fahrweg zu überschreiten.
Vordringen der 4. Armee über die Krzna
695
In der Nacht auf den 15. aber gab der überall hart bedrängte Feind
doch seine Stellungen preis, und mit der Morgendämmerung brachen die
Verbündeten wieder allenthalben zu ausgreifender Verfolgung auf.
Die Bugarmee stieß mit der 107. und der 4. ID. bis zur Straße Sla-
watycze—Miçdzyles vor, wo sie an den Waldrändern östlich davon wieder
auf den Feind traf. Die Masse des Beskidenkorps gelangte wegen des
nunmehr stark verengten Vorrückungsraumes der Armee ins zweite
Treffen. Auch die 11. Armee stieß den Russen kräftig nach. Sie über-
schritt mittags die Straße Wisznice—Slawatycze und fand mit der Gruppe
Plettenberg erst wieder Fühlung mit russischen Nachhuten, nachdem sie
abends die Linie Miçdzyles—Bokinka erreicht hatte. Besonders weit kam
das X. RKorps vorwärts. Spät nachts erreichte seine 105. ID. nach an-
strengendem Marsche Biala; am nächsten Morgen schlössen die 101. ID.
und die 47. RD. an der nach Osten führenden Bahnstrecke auf. Zwischen
der Gruppe Plettenberg und dem X. RKorps schob sich nun befehls-
gemäß das VI. Korps nach einem gleichfalls weit ausgreifenden Marsche
wieder in die Front. Es gelangte am 15. mit der 12. ID. in den Raum
östlich von Lomazy, mit der 39. HID. nach Wisznice. Das XXII. RKorps
blieb weiter Armeereserve.
Auch bei der 4. Armee bedurfte es nicht mehr des am Vorabend ein-
geleiteten Angriffes; der Feind hatte nachts seine Stellungen geräumt.
Den Befehlen des Oberkmdos. Mackensen entsprechend, hatte nun auch
sie gleich der 11. Armee in die Nordrichtung einzuschwenken. Unbe-
hindert erreichte das VIII. Korps am Abend südöstlich von Rogoznika
die Krzna und trieb seine Vorposten auf das vom Feinde bereits aufge-
gebene Nordufer vor. Das XVII. Korps war vormittags durch feindliche
Nachhuten mehrfach aufgehalten worden und kam daher abends nur mit
seinen Sicherungen an die Krzna, während seine Hauptkraft noch etwas
südlich davon zur Ruhe überging. Das XIV. Korps, 3. ID. und 21. SchD.?
wurde bereits südlich von Kamarówka zu anderweitiger Verwendung
^angehalten. j j • j j ;[;¡¡}
Am 16. August ließen es die russischen Nachhuten auf einen Kampf
nicht mehr ankommen. Vor der 4. Armee hatte es vorübergehend den An-
schein, als ob sie an der Klikawka noch einmal festhalten wollten. Als
aber die öst.-ung. Divisionen diese Linie nachmittags erreichten, fanden
sie diese bereits geräumt und konnten ihre Sicherungen auf ein bis zwei
Wegstunden darüber hinaus vorschieben. Das VIII. Korps nächtigte im
Räume um Worgule, das XVII. nordwestlich von Biala. Von der Armee-
reserve war die 45. SchD. dem VIII., die 4. ID. dem XVII. Korps gefolgt;
696
Der Feldzug von Brest-Litowsk
sie nächtigten beide südlich der Krzna. Weiter östlich konnte das X. R-
Korps nach dem ermüdenden Marsche des Vortages mit seinen östlich
von Biala an die Bahn aufgeschlossenen Divisionen nur bis in die Linie
Grud—Woskrzenice einschwenken, obschon durch Fliegernachrichten be-
kanntgewordenes Zusammendrängen großer feindlicher Massen im Winkel
Zwischen Bug und Krzna schnellstes Nachstoßen erfordert hätte1). Das
VI. Korps erreichte mit der 12. ID. den Raum nordwestlich, mit der
39. HID. jenen südöstlich von Piszczac, wo es an mehreren Stellen in Be-
rührung mit dem Feinde trat und Vortruppen in die Linie Gorböw—
Dobryáka vorschob. Im Anschluß daran gewann die Gruppe Plettenberg
mit der 103. ID. und der Garde Kopytów und Kodeñ. Die 119. ID. war
zur Bugarmee übergetreten und sicherte den Bugabschnitt von Kodeñ bis
tax der nördlich von Slawatycze anschließenden 107. Division. Somit stand
die Bugarmee mit Ausnahme des hinter dem Nordflügel als Reserve
noch verfügbaren Beskidenkorps mit nach Osten gewendeter Front im
Dienste der Sicherung des mehr als 100 km langen Bugabschnittes von
Dubienka bis Kodeñ. Dabei war es allerdings nicht verborgen geblieben,
daß der Feind sich auf dem Ostufer bedeutend geschwächt hatte und
noch immer Kräfte nach Norden abzog. Die Sorge um die Ostflanke trat
dadurch immer mehr zurück. Zur Sicherung dieser Flanke und zur Ein-
leitung der von der DOHL. gewünschten Unternehmen gegen denPs_aum
östlich von Brest-Litowsk war es aber notwendig, baldigst das Ostufer
des Bug zu gewinnen. Hiezu wurde am 15. und 16. das inzwischen nach
Cholm gelangte deutsche X. Korps zwischen Dubienka und der Ucherka-
mündung am Bug eingesetzt; die 81. RD. übernahm nördlich davon einen
neuen Abschnitt am Flusse.
Bei Wlodawa hatten die schon am 14. von den inneren Flügeln der
82. RD. und der 22. ID. begonnenen Bemühungen, auf dem östlichen Bug-
ufei Fuß zu fassen (S. 694), es erst am 16. ermöglicht, einen Brückenkopf
zu schaffen. Er konnte gegen scharfe russische Gegenunternehmungen
behauptet werden. Nördlich von Wlodawa sicherten die 1., die l'l.bayr.
und die 107. ID. bis Slawatycze auf dem linken Flußufer.
Inzwischen war die Abschließung von Brest-Litowsk an seiner Süd-
front durch die Gruppe Plettenberg und das VI. Korps schon am 16.
nahezu geglückt. Die Truppen standen hier fast überall in den Räumen,
die von den Geschützen der Festung beherrscht wurden. Für sie kam am
17. nur ein geringes Vorschieben bis in die Einschließungszone in Betracht.
Hingegen setzte das X. RKorps seine Vorrückung bis an den Bug bei
; x) Schwarte, Der deutsche Landkrieg, II, 171.
Beginn der Abschließung von Brest-Litowsk
697
Janów und nordöstlich davon mit der Bestimmung fort, im Sinne der
Weisung der Heeresleitung über den Bug vorzustoßen. Nur seine 47. RD.
fand nördlich von Rokitno ¡zähen Widerstand. Dem X. RKorps sollte sich
bei gleichzeitiger Abschließung der West- und Nordwestfront der Festung
das XXII. RKorps anschließen, das schon am 16. in den Raum von Lo-
mazy geschoben worden war und am 17. zwischen dem VI. und dem
X. RKorps wieder in die Front zu rücken hatte. Es erreichte bis zum
Abend den Raum nordwestlich von Gorbów (43. RD.) und von Rokitno
(44. RD.) und damit Fühlung mit dem Feinde.
Gleich dem X. RKorps setzte auch die 4. Armee am 17. den Vor-
marsch an den Bug ohne Aufenthalt fort. In den ersten Nachmittags-
stunden konnte gemeldet werden, daß südlich des Flusses kein Feind
mehr sei. Die Vortruppen des VIII. Korps, die um diese Zeit das Fluß-
ufer südlich von Niemirów bereits erreicht und westlich davon mit Ab-
teilungen der gleichfalls schon an den Fluß herangekommenen Gruppe
Kövess Verbindung gewonnen hatten, stellten den Feind erst am jensei-
tigen Ufer in zwei hintereinanderliegenden, gut ausgebauten Stellungen
fest. Bis zum Abend war das südliche Ufer von Janów bis westlich von
Niemirów überall im Besitze vorgeschobener Abteilungen des XVII. und
des VIII. Korps, deren Divisionen einige Kilometer dahinter Lager bezogen.
Die deutsche Ostfront vom 12. bis zum 17.August
Hiezu Beilagen 34 und 36
Der 12. August sah die Heeresgruppe Prinz Leopold und die Armee
Gallwitz, der sich der Südflügel der 8. Armee angeschlossen hatte, in
der Verfolgung nach Osten. Hiebei hatte der rechte Flügel der Armee
Woyrsch nördlich der Bahn Lukow—Brest-Litowsk vorzugehen. Da dieser
infolge der Ver schmälerung des Vorrückungsraumes vor Siedlec mit
dem linken Flügel der 4. Armee in enge Fühlung kam, erübrigte sich die
bisherige Verbindungsaufgabe der k. u. k. 9. KD.; sie erhielt daher den
Auftrag, den Anschluß an das Kavalleriekorps Frommel zu suchen, das
über Wçgrow—Sokolow dem Bug zustreben sollte.
Auf der Gegenseite hatten die zusammengepreßten russischen Ar-
meen (12., 1., 2. und 4.) auf die von Alexejew am 10. August bezeichnete
neue Widerstandslinie (S. 688) abschnittsweise zurückzugehen, um den
Abschub von Kriegsgerät auf den Bahnen und das Abfließen der — wie
auch Flieger wahrgenommen hatten — südlich von Drogiczyn fest-
gefahrenen Troßmassen zu decken. Am 12. früh gaben die Russen zwar
698
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Luków, das die 16. ID. nahm, und Siedlec frei, stellten sich aber östlich
der beiden Orte, auch mit starker Artillerie, gleich wieder zur Gegen-
wehr, so daß Woyrsch die beabsichtigte Linie Misie—Hadynów nicht
erreichen konnte. Er mußte sich mit Strzy±ew—Mikluszy— Radzików
begnügen. Die 9. Armee stand mit dem rechten Flügel östlich von Siedlec
am Liwiec, mit dem linken vor Sokolów. Die Armee Gallwitz kämpfte
zwei Tagmärsche östlich von Ostrów.
Auch am 13. wichen die Russen, nachdem sie von der 16. ID. in den
ersten Morgenstunden an der Bahnlinie geworfen worden waren, nur
eine kurze Strecke nach Osten bis in die Linie Misie—Hadynów zurück,
so daß die ganze Front der Armee Woyrsch wieder zum Angriff über-
gehen mußte. Die 16. und die 35. ID. drängten den Feind über Misie
zurück. Die 7. KD., die am Vortag zwischen die 35. ID. und Bredow ge-
zogen worden war, um auf der Straße von Siedlec gegen Miedzyrzecze
vorzustoßen, mußte sich darauf beschränken, ihre beiden Nachbardivi-
sionen zu unterstützen. Weiter nördlich hatten die inneren Flügel der
Armee Woyrsch und der 9. Armee den Liwiec überschritten. Vor dem
Reiterkorps Frommel, zu dem jetzt auch die k. u. k. 9. KD. stieß, war
der Feind abwärts von Drogiczyn an den Bug gewichen; vor Gallwitz
hatte er bis östlich der Linie Ciechanowiec—Wizna Raum gegeben.
Für den 14. wurde der Vormarsch der Heeresgruppe Prinz Leopold
mit Rücksicht auf jenen Mackensens nach Nordosten gerichtet, Woyrsch
hatte sich mit seinem rechten Flügel an die Linie Miçdzyrzecze—Rogo¿-
nika—Niemirów, Kövess mit dem linken Flügel an Lukowisko—Kornica—
Mielnik zu halten und das LKorps im Anschluß daran vorzugehen. Der
Geländegewinn des Tages war aber bei Woyrsch, der schon am Abend
vorher die Vermutung ausgesprochen hatte, daß es sich jetzt um mehr
als Nachhutkämpfe zu handeln scheine, recht bescheiden; denn die Russen
wehrten sich sehr zähe und behaupteten, selbst als ihnen ein Ort knapp
westlich von Miçdzyrzecze entrissen wurde, noch immer diese Abschub-
station gegen die vereinten Anstrengungen der 16. und der südlich an-
grenzenden 37. Division. Das XXV. RKorps der 9. Armee kam in der
Verfolgung bis in die Linie Biernaty—Duplewice, wobei die 9. KD. Hauers
als linke Flankendeckung unterstützend ins Gefecht eingriff.
Hingegen ging es am 15., nachdem das LKorps am Abend des Vor-
tages Erfolge davongetragen hatte, sowie am 16., da der Feind auch die
Klikawkastellung nicht hielt und den Tocznaabschnitt bald aufgab, bei
der ganzen Heeresgruppe Prinz Leopold flott vorwärts; am Abend
standen Kövess mit Vortruppen, die Deutschen auch mit der Hauptkraft
Bugübergang der Heeresgruppe Prinz Leopold
699
am Bug. GdK. Frommel hatte in den ersten Morgenstunden sogar schon
den Strom übersetzt und forderte die 9. KD. dringend auf, ebenfalls
sofort überzugehen, da die DOHL. besonderen Wert darauf lege, daß
die Gegend von Kleszczeli möglichst bald erreicht werde (S. 693). Ein
Teil von Hauers Reitern durchfurtete denn auch den Bug bei Drogiczyn
und schloß sich den deutschen Kameraden an. Die k. u. k. 2. KD. nahm
Fühlung mit der Armee Gallwitz, die am 16. Briansk hinter ihre Front
brachte. Der rechte Flügel der 8. Armee bedrohte vor Tykocin von
Süden her die Feste Osowiec.
GO. Woyrsch wollte schon am nächsten Tag, am 17. August, wo-
möglich mit Behelfsmitteln den Bug überschreiten, da das Brückengerät
noch nicht zur Stelle war — angesichts des jenseits in starken Stel-
lungen harrenden Feindes ein kühner Plan. Als Leitlinie des rechten
Flügels war Niemirow—Tokary, und für das XII. Korps ein Vormarsch-
streifen zwischen Niemirów und Mielnik von 8 bis 10 km Breite vorgesehen.
Indes verging der 17. unter Erkundungen und Vorbereitungen.
Kövess verlegte die 7. KD. hinter die Front, da der linke Flügel der
4. Armee am Bug aufschloß. Woyrsch beschied sich damit, vorerst den
Druck der 12. und der 9. Armee wirksam werden zu lassen. Das XXV. R-
Korps der 9. Armee war auch bereits des Morgens bei der Bahn über den
Strom gegangen und drängte am Nordufer den Feind zurück, dessen
über Siemiatycze in einem Haken nach Westen gerichtete Front das
Korps Frommel mit der 9. KD. am rechten Flügel angriff. Hauers Reiterei
wurde jedoch bald herausgezogen und zur Unterstützung der k. u. k.
2. KD. nach Norden in Marsch gesetzt, um am Südflügel der Armee
Gallwitz einzugreifen, der durch einen russischen Gegenangriff bedroht
war. Auch weiter nördlich war den inneren Flügeln der 12. und der
8. Armee kein Raumgewinn beschert. Dafür durcheilte am 17. abends die
Nachricht vom Falle der Festung Kowno die Welt; Gdl. Litzmann mit
dem XXXX. RKorps hatte sie mit stürmender Hand genommen. Dadurch
war Hindenburgs Plan einer auf Wilna gerichteten Umfassungsbewegung
um eine grundlegende Voraussetzung reicher geworden.
Die Vereinbarungen der Verbündeten
vom 14. bis zum 19. August
Hiezu Beilagen 34, 35 und 36
In den Tagen, in denen sich die Divisionen der Verbündeten dem
russischen Hauptwaffenplatz Brest-Litowsk näherten, wurden zwischen
700
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Teschen, Pleß und dem in Lublin aufgeschlagenen Hauptquartier Macken-
sens erneut Vereinbarungen für die Fortführung der Offensive im Osten
getroffen. Sie betrafen fürs erste das Zurückdrängen des Feindes hinter die
von Falkenhayn am 3. August vorgeschlagene Linie Bug—Brest-Litowsk—
Grodno, dann die Einleitung des Conrad so sehr am Herzen liegenden
Feldzuges gegen Rowno, um Ostgalizien völlig vom Feinde zu säubern.
Für erstgenannten Zweck wurde am 16. August einvernehmlich die
Linie Niemirow—Lumno-Wolkowiczy als Vorrückungsrichtung für die
inneren Flügel der Heeresgruppen Mackensen und Prinz Leopold be-
stimmt. Mackensen erhielt überdies Befehl, Brest-Litowsk anfangs auf
dem linken, später auch von Nordwesten her auf dem rechten Ufer des
Bug abzuschließen.
Da nach Conrads Auffassung der russische Rückzug sichtlich entlang
der drei Bahnlinien Brest-Litowsk—Baranowiczi, Siedlec—Wolkowisk und
Bielostok—Grodno zurückführte, erwartete der öst.-ung. Generalstabschef
durch die frontale Verfolgung der Heeresgruppe Mackensen und der Armee
Woyrsch keine wesentliche Störung dieser Rückbewegung, wohl aber durch
einen starken Druck der deutschen 12. und der 8. Armee nach Ost. Er
regte daher bei Falkenhayn ihre Verstärkung durch deutsche Kräfte an.
Bei der nach Nordosten strebenden Heeresgruppe Mackensen standen
am 16. an öst.-ung. Heereskörpern nur noch die 4. Armee mit dem VIII.
und dem XVII. Korps, weiters bei der 11. Armee das Korps Arz in der
Front. Man näherte sich somit jener Lage, die Gdl. Falkenhayn am
S.August im Auge gehabt hatte, da er als Grenze zwischen dem öst.-ung.
und dem deutschen Heer die Ucherkamündung und den gegenseitigen
Tausch der noch im Bereich des Verbündeten befindlichen Heereskörper
vorgeschlagen hatte. Jetzt, da mit dem baldigen gänzlichen Heraus-
drücken der 4. Armee aus der Heeresfront zu rechnen war, schlug
Conrad vor, sobald dies einträte, die 4. und die 1. Armee aus der
Heeresgruppe Mackensen auszuscheiden. Wegen der einfachen Verwen-
dung und der Schwierigkeit zeitraubenden Austauschens erklärte sich
GO. Conrad jedoch bereit, die Gruppe Kövess (16. und 35. ID., 7. KD.)
sowie die 2. und die 9. KD. noch bei der Heeresgruppe Prinz Leopold
zu belassen, wenn dafür die 3.GID. und die 48.RD. weiter im Verbände
der Südarmee, die deutsche 5. KD. bei der 1. Armee bleiben würden.
Mittlerweile hatte das über den Feind vorliegende Lagenbild immer
deutlicher eine nördlich von Wladimir-Wolynski eintretende Spaltung
der Front erkennen lassen, die Conrad auszunützen beabsichtigte. Am
Schlüsse des vorstehend erwähnten, am 14. abgesandten Schreibens er-
Conrads neuer Beldzugsplan
701
öffnete er seinem deutschen Kollegen, seine nächste Absicht sei, „aus
der 4. und der 1. Armee eine Angriffsgruppe zu bilden, um unter Aus-
nützung der Trennung zwischen der russischen Nordwest- und Süd-
westfront in der Richtung Kowel vorzustoßen und sodann von Norden
umfassend die russische 8. Armee anzugreifen. Gleichzeitig werden die
inneren Flügel der 2. und Südarmee über die Höhen südlich der Bahn
Krasne—Brody angreifen".
Hiemit enthüllte Conrad die Leitgedanken der für die völlige Ver-
drängung der Russen aus Ostgalizien geplanten Operation. Falkenhayn
hatte allerdings Bedenken gegen die auf Rowno gerichtete Offensive,
weil „sie ohne Mitwirkung deutscher Truppen in schwer gangbarem
Gelände" ausgeführt werden mußte. Dafür erhoffte er sich „bei einem
auch nur teilweisen Gelingen eine sehr wesentliche Hebung des Selbst-
gefühls, des inneren Werts der verbündeten Wehrmacht und einen
starken Eindruck auf den Gegner1)".
Mittlerweile war von den zur 1. Armee rückenden öst.-ung. Korps
das X. am 16. bei Wladimir-Woiynski und Ustilug eingetroffen, worauf
das Kavalleriekorps Heydebreck mit der deutschen 5. und der öst.-ung.
4. KD. auf Befehl Mackensens zur Ablösung des deutschen X. Korps nach
Norden rückte. Die 62. ID. und das IX. Korps befanden sich über Krasno-
staw, das XIV. über Parczew im Marsch nach Osten. Mackensen plante
nun, das XIV. Korps bei der Bugarmee nördlich von Wlodawa in den
Dienst des Ostschutzes zu stellen, um das dort stehende Korps Gerok
für den Stoß über den Bug unterhalb von Brest-Litowsk freizumachen.
Diese Anordnungen kreuzten sich aber mit einer durch den GO. Conrad
am 16. August erlassenen Weisung, die das XIV. Korps zur Übernahme
der Bugsicherung vom deutschen X. Korps und der GKD. von Dubienka
bis zur Ucherkamündung bestimmte, um die öst.-ung. Heereskörper
allmählich in den Raum südlich der festgesetzten Befehlsbereichsgrenze
bringen zu können, dann aber auch deshalb, weil das Korps Roth von
hier aus bei dem geplanten Vorstoß nach Südosten als nördliche Um-
fassungskolonne gegen Kowel vorgehen sollte. Tatsächlich wurde das
deutsche X.Korps am 17. und 18. August durch die Reiter Heydebrecks
abgelöst; das Korps Roth rückte hinter ihnen an den Bug südlich der
Ucherka heran.
Die Front in Ostgalizien hatte sich unterdessen seit dem Abklingen
der Dniesterschlacht (S. 618) und der Kämpfe bei Sokal allseits einiger
Ruhe erfreuen dürfen. Der Stellungsbau schritt fort und die Kampf-
i) Falkenhayn, 111; Kühl, I, 244 f.
702
Der Feldzug von Brest-Litowsk
stände hoben sich, weil die eingereihten Ersätze die geringen Verluste
weit überwogen. Als aber GdK. Pflanzer-Baltin am 6. August eine Schwä-
chung der russischen Besatzung des Brückenkopfes bei Czernelica wahr-
zunehmen glaubte, befahl er dem XIII. und dem III. Korps, scharfe
Erkundungen vorzunehmen (Skizze 29). FML. Krautwald, der Führer
des Grazer Korps, ging jedoch darüber hinaus und setzte sich die Weg-
nahme des von seinen beiden Divisionen umschlossenen Brückenkopfes
zum Ziel. Nach einem am 8. von der 22. SchD., GM. Schön, überraschend
durchgeführten Ablenkungsangriff, der südwestlich von Czernelica schon
eine breite Bresche schlug, folgte am nächsten Tage der entscheidende
Stoß der vom GM. Hinke befehligten 28. ID. In einem schneidig durch-
geführten Anlauf entrissen die oftbewährten innerösterreichischen Re-
gimenter beider Divisionen den zwei Reserve di visionen des russischen
XXXIII. Korps den ganzen Brückenkopf. Nur in der kleinen Dniester-
schlinge nördlich von Czernelica klammerte sich der geschlagene Feind
fest, der an den beiden Tagen außer schweren blutigen Verlusten etwa
2760 Gefangene eingebüßt hatte. Dies war die letzte Waffentat des
„Eisernen Korps" auf dem russischen Kriegsschauplatz. Am 12. ver-
fügte das AOK. seine Absendung an die Isonzofront, die vom 13. an aus
den Stationen Kolomea und Horodenka begann. Die Stellungen des
III. Korps übernahm die nach Osten verschobene S.Division. Am 16.
nahm das AOK. wegen einer am oberen Isonzo eingetretenen Kampf-
krise auch die 13. SchD. der 1. Armee für den Abtransport in Aussicht
und wies die Division zum Marsch zur Bahnstation Beiz an.
Unterdessen hatte GO. Conrad schon am 10. August den GdK. Böhm-
Ermolli angewiesen, einen von diesem vorgeschlagenen Angriff über
Gologóry auf Zloczów streng geheim vorzubereiten; dieses Unternehmen
sollte mit dem Umfassungsangriff der 1. und der 4. Armee in Überein-
stimmung gebracht werden.
Am 17. August ergaben Erkundungen des rührigen Kavalleriekorps
Heydebreck, daß die Russen vor dem linken Flügel der 1. Armee an
die obere Turya und hinter die Naretwa ausgewichen waren. Auch
erfuhr man aus Funksprüchen, daß nur noch das XXXI. Korps der
russischen 13. Armee vor Kowel stand, und daß das Hauptquartier Iwa-
nows von Rowno nach Berdyczew rückverlegt wurde. Aus all dem
erkannte Conrad, daß der Zeitpunkt für die Einleitung der Südost-
offensive gekommen war.
Als tags darauf Kaiser Wilhelm und die Spitzen der beiden ver-
bündeten Heeresleitungen als Gäste des Erzherzogs Friedrich im Teschener
Befehle für den Vorstoß auf Kowel
703
Schloß zusammentrafen, um das Geburtsfest des greisen Kaisers Franz
Joseph zu feiern, stellte Falkenhayn auch seine letzten Bedenken gegen
die Offensive auf Rowno zurück. Hiebei mag auch der Umstand mitge-
sprochen haben, daß die langwierigen und schwierigen Verhandlungen
über einen Eintritt Bulgariens in den Krieg, von denen noch Näheres zu
sagen sein wird, nun endlich rüstig vorwärtsschritten, und daß ein Waffen-
erfolg gegen das russische Südwestheer vielleicht auch die Haltung Ru-
mäniens beeinflussen könnte. Noch am 18. August erhielt FZM. Puhallo
im Wege des Heeresgruppenkmdos. Mackensen den Auftrag, mit dem
Kavalleriekorps Heydebreck auf Kowel vorzustoßen. Das zwischen Wla-
dimir-Wolyñski und Dubienka sichernde k. u. k. X. Korps samt der 62. ID.
hatte das Unternehmen zu unterstützen.
Nachdem am 18. die grundsätzliche Übereinstimmung zwischen den
beiden Generalstabschefs hergestellt worden war, einigten sie sich in
dem Notenwechsel des nächsten Tages auf Conrads Anregung noch über
die auszuführenden Kräfteverschiebungen. Den sieben bisher von der 4.
zur 1. Armee abgesendeten Divisionen sollten nunmehr auch noch die
4. ID. und die 45. SchD. unter Führung des FML. Smekal über Cholm
folgen. Die noch verbleibenden vier Divisionen (37., 106., 11. und 41.)
und die Polenlegion waren spätestens beim Erreichen der Bahn Brest-
Litowsk—Bielostok aus der Front zu ziehen und südostwärts zu ver-
schieben, wodurch der unmittelbare Anschluß zwischen der deutschen
11. Armee und der Armeeabteilung Woyrsch hergestellt werden sollte.
Die 4. und die 1. Armee beabsichtigte Conrad für die nächste Aufgabe
unter dem Oberbefehl des Erzherzogs Joseph Ferdinand zu vereinigen.
Schließlich erbat er, zum Teil im Gegensatz zu seiner am 14. gemachten
Zusage, von Falkenhayn die Auswechslung der k. u. k. 7. gegen die
deutsche 5. Kavalleriedivision. All dem stimmte der deutsche General-
stabschef zu. Dagegen war er für die neuerlich angeregte Verstärkung
der 12. und der 8. Armee durch Teile der Heeresgruppe Prinz Leopold
auch dann nicht zu haben, als Conrad für diesen Fall die Verstärkung
der Armeegruppe Kövess durch das VIII.Korps (37.HID. und 106. LstlD.)
als Ersatz für die nordwärts zu verschiebenden deutschen Truppen in
Aussicht stellte.
Nunmehr wurde am 19. abends dem FZM. Puhallo in Ergänzung
der ihm schon erteilten Weisung noch aufgetragen, „nach Besitznahme
von Kowel und Sicherung gegen Norden den rechten Flügel der russi-
schen Südwestfront von Norden umfassend anzugreifen". Dieser Ab-
sicht entsprechend sollte Puhallo die 1. Armee und die noch anrückenden
704
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Truppen der 4. Armee gruppieren. Den Zeitpunkt des Beginns der
neuen Kriegshandlung hatte sich Conrad vorbehalten. Er wollte in den
nächsten Tagen und im Zusammenhang mit der Umfassung von Norden
mit den drei Armeen in Ostgalizien zum Angriff übergehen.
Der Vorstoß über Kowel
(19. bis 26. August)
Hiezu Beilage 35
Am 19. August früh trat GLt. Heydebreck befehlsgemäß mit der
4. KD. von Dubienka und mit der ll.HKD. entlang der nach Luboml
führenden Eisenbahn den Vormarsch nach Kowel an. Zur Unterstützung
der Reiterei ließ der Kommandant des X. Korps, FML. Martiny, ein
verstärktes Regiment der 24. ID. unter GM. Ritt. v. Unschuld von Wla-
dimir-Wolynski auf Turyjsk und je eine schwächere Abteilung der 2. und
der 62. ID. von Ustilug auf Rastów und von Dubienka auf Olesk vor-
gehen. Hinter dem linken Flügel der bei Wladimir-Wolynski mit der
Front gegen Osten sichernden 24. ID. zog er die Masse der 2. ID. heran,
um mit ihr in nördlicher oder östlicher Richtung eingreifen zu können.
Unter leichten Kämpfen mit russischen Reitern gelangten noch am
19. die Vortruppen des X. Korps und die beiden Kavallerie di visionen
bei Ruda an die Turya, nach Olesk und nach Luboml. Beiderseits von
Mokrec stellte sich stärkerer Feind. Die gemischte Abteilung GM. Un-
schuld griff ihn am 20. ohne Erfolg an. Von Ustilug herankommend,
langte gegen Abend die deutsche 5. KD. auf dem Gefechtsfeld ein und
nahm Bobly im Sturm. Westlich der Turya kamen am selben Tage die
4. KD. und die ll.HKD. bis an die Linie Perewaly—Chworostów heran,
wo sich der Russe ebenfalls zum Kampfe stellte. In der Nacht ging
er von Mokrec zurück.
So war die Lage, als am 20. vormittags FZM. Puhallo seine weiteren
Absichten nach Teschen meldete. Er wollte zunächst die Masse des
X. Korps (2. und 62. ID.) nach Turyjsk vorschieben, dann das IX. und
das XIV. Korps hinter der 24. ID. in den Raum nördlich und nordöstlich
von Wladimir-Wolynski und je eine Division der Gruppe FML. Smekal
nach Ustilug und hinter das Korps Szurmay heranziehen. Nach der Be-
sitznahme von Kowel durch das Kavalleriekorps Heydebreck und nach
dem Einlangen der Gruppe Smekal wollte er dann mit sechs Infanterie-
divisionen — II. Korps (25. ID.1), I.Korps (46. SchD. und 9. ID.), Korps
1) Die 13. SchD. war am 16. August nach Beiz abgerückt (S. 702).
Änderung des Vormarschplanes Puhallos
705
Szurmay (7. ID. und 40. HID.) und einer Division der Gruppe Sme-
kal — zwischen Sokal und Wladimir-Wolynski in östlicher Richtung
angreifen. Fünf Infanteriedivisionen, die 24. ID., das XIV. Korps (3. ID.
und21.SchD.) und das IX.Korps (10.ID. und26.SchD.), sollten zwischen
der Luga und der Turya den Hauptangriff in südöstlicher Richtung
zur Umfassung des feindlichen Nordflügels führen, eine Division der
Gruppe Smekal als Armeereserve über Wladimir-Wolynski folgen. Die
Masse des X. Korps sollte gegen Kowel decken und je nach der Lage
in südöstlicher Richtung über Mokrec, Kisielin, Zaturcy oder weiter1
östlich ausholend eingreifen.
GO. Conrad war mit diesen Absichten des FZM. Puhallo keineswegs
einverstanden. Ihm schien angesichts der Möglichkeit, daß der Feind
seine Gesamtfront zurücknehmen könnte, eine raschere Angriffsbereit-
schaft geboten. Auch wünschte er, daß die 1. Armee mit starkem linkem
Flügel über Kowel nach Osten zur Umfassung aushole. Er wies daher
noch am 20. August den FZM. Puhallo an, so aufzumarschieren, daß der
Angriff sogleich, jedenfalls aber nach dem Einlangen des XIV. Korps,
beginnen könne. Zum Schutze des aus der Linie Wladimir-Wolynski—
Kowel zunächst in allgemeiner Richtung auf Luck zu führenden Haupt-
stoßes war vorerst Kowel mit dem Kavalleriekorps Heydebreck und
einer Infanteriedivision des X. Korps fest in Besitz zu nehmen. Zum
Angriff auf Luck sollte dieses Korps östlich und nördlich von Wla-
dimir-Wolynski, das IX. Korps bei und südlich von Turyjsk aufmar-
schieren, das XIV. Korps aber über Luboml auf Kowel herangezogen
werden. Die 4. ID. und die 45. SchD. waren als Armeereserve nach Be-
darf zu verwenden.
Tags darauf, am 21. August, bestimmte noch die Heeresleitung
in einer allgemeinen Weisung, daß gleichzeitig mit dem Angriff der am
22. aus dem Verbände der Heeresgruppe Mackensen ausscheidenden
1. Armee auf den Nordflügel der Russen die inneren Flügel der 2. und
der Südarmee die russische Mitte bei Gologóry und bei Dunajów zu
durchbrechen hätten. Die 7. Armee sollte sich bei einem Fortschreiten
der Südarmee dem Angriff vom linken Flügel aus anschließen.
Diesen Befehlen entsprechend zog FZM. Puhallo das in der Gegend
westlich von Ustilug eingelangte IX. Korps bis zum 22. August nach Mo-
krec. Die am Bug zwischen Horodlo undDubienka sichernde 62. ID. ge-
langte zunächst in den Raum nordwestlich von Wladimir-Wolynski
und dann links neben die 24. ID. nach Werba. Das im Anmarsch von
Cholm auf Luboml befindliche XIV. Korps hatte am 24. Kowel zu erreichen.
ïï 45
706
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Das Unternehmen gegen Kowel war mittlerweile ins Stocken ge-
raten. Die deutsche 5. KD., die sich am 21. August im raschen Vorstoß
bei Solowiczy den Übergang über die Turya erzwungen hatte, war dort
auf stark verschanzten Feind gestoßen, den sie auch am folgenden Tag
trotz der Unterstützung durch die über Mokrec herangezogene 2. ID.
nicht vertreiben konnte. Ebenso machten die 4. KD. und die ll.HKD.,
in deren Nordflanke sich noch feindliche Abteilungen befanden, keine
wesentlichen Fortschritte mehr. FZM. Puhallo ließ nun die eben bei Mokrec
eintreffende 26. SchD. nach Nordosten weitermarschieren und befahl
ihr, am 23. früh gemeinsam mit der 2. ID. die feindlichen Stellungen
bei Rastów anzugreifen. Inzwischen zog aber das durch das Vordringen
der Bugarmee im Rücken bedrohte XXXI. Russenkorps bereits von Kowel
nach Norden ab. Die Nachhuten, die diesen Rückzug zwischen Turyjsk
und Macijów bisher gedeckt hatten, schlössen sich noch in der Nacht
auf den 23. dem Rückzug an. Am nächstfolgenden Morgen stießen das
Kavalleriekorps Heydebreck und die 2. ID. den ausweichenden Russen
nach. Am Nachmittag langten die 4. und die deutsche 5. KD. vor Kowel
ein. Sie konnten im Verlaufe des Abends nicht mehr in die von den
Russen noch verteidigte Stadt eindringen und warteten das Heran-
kommen der 2. ID. ab. Wieder räumte der Russe unter dem Schutze
der Dunkelheit seine Stellungen. Am 24. morgens zogen die Reiter
Heydebrecks in Kowel ein; die 2. ID. setzte sich bald darauf auf dem
östlichen Turyaufer fest.
Dem auf Ratno zurückweichenden XXXI. Russenkorps teilweise
dichtauf folgend, kamen die deutsche 5. KD. und die ll.HKD. noch
im Verlaufe des 24. bis vor Niesuchoi±e—Myzowo. Aufklärer der 4. KD.
gingen auf Lubitów vor, wo sie auf ein Regiment des russischen IV. Ka-
valleriekorps trafen, das sich anscheinend ebenfalls nach Norden zurück-
zog. Gleichzeitig zeigte sich, daß die russische Reiterei, die bisher zwi-
schen Luga und Turya die Nordflanke der 8. Russenarmee geschützt
hatte, nach Osten zurückwich.
Während das Kavalleriekorps Heydebreck (deutsche 5. KD. und
ll.HKD.), das zu Mitternacht auf den 26. wieder der Bugarmee unter-
stellt wurde, Nachhuten des russischen XXXI. Korps in die Sümpfe
des Pripiatj trieb, versammelte Puhallo seine Divisionen zwischen Wla-
dimir-Wolynski und Kowel zum Vorstoß auf Luck. Am 23. abends
hatte er nochmals aus Teschen den Befehl erhalten, seinen Nordflügel
möglichst stark zu halten. Die von der 4. Armee im Anmarsch befind-
liche Gruppe Smekal und die 7. KD. sollten dem Angriffsflügel auf dem
Vorbereitung für den Vorstoß auf Luck
707
kürzesten Wege über Kowel nachgezogen werden; die nicht nach dem
Südwesten abgesendete und wieder der 1. Armee zugewiesene 13.SchD.
hatte von Beiz nach Wladimir-Wolynski zu rücken. Am Schlüsse dieses
Heeresbefehles hieß es: „Die Offensive muß derart vorbereitet sein, daß
mit Beginn der Angriffsbewegung die Vorrückung unaufhaltsam bis in
den Raum um Luck fortgesetzt werden kann."
Dazu ließ FZM. Puhallo seinen linken Armeeflügel in der großen
Lücke aufmarschieren, die zwischen der nach Norden abziehenden russi-
schen 13. Armee und der am oberen Bug noch verbliebenen russischen
S.Armee entstanden war. Es sollten das X.Korps (24. und 62. ID.) und
das IX. Korps (10. ID.. und 26. SchD.) bis zum 26. nachmittags die Linie
Zimno—Turija (Ort)—Swinarin erreichen, während die 4. KD. und das
XIV. Korps (21. SchD. und 3. ID.) von Kowel entlang der nach Luck
führenden Eisenbahn bis in die Gegend von Holoby vorzurücken hatten.
Die 2. ID. erhielt den Auftrag, vorläufig Kowel zu sichern. Dieser Auf-
marsch Puhallos war der Beginn des großen Angriffs, der alsbald die
russische Südwestfront von Wolhynien bis zum Dniester erfaßte, aber die
Hoffnungen nicht erfüllen sollte, die die Heeresleitung in ihn gesetzt hatte.
Die beiderseitige Überflügelung von Brest-Litowsk
durch die Vorstöße der Flügelgruppen Mackensens
über den Bug
(18. bis 23. August)
Hiezu Beilage 35
Die vom k. u. k. AOK. am 16. August ausgegebenen allgemein ge-
haltenen Richtlinien (S. 700), nach denen die Heeresgruppe Mackensen,
südlich der Linie Niemirów—Lumno—Wolkowiczy vorrückend, Brest-
Litowsk zunächst auf dem linken und dann auch auf dem rechten Bugufer
abzuschließen hatte, ergänzte Gdl. Falkenhayn noch durch direkt er-
gehende Einzelweisungen. Denn seit es klar geworden war, daß vor der
als Grenze der Offensive festgesetzten Linie Brest-Litowsk—Grodno eine
Einkesselung namhafter russischer Heeresteile nicht zu erwarten stand,
nahm GO. Conrad auch weiter keinen Einfluß mehr auf den nach Nord-
osten führenden Feldzug. Den Befehlen der DOHL. zufolge sollte nun
die Heeresgruppe Mackensen durch Verstärkung ihrer Stellungen am
Bug und vor Brest-Litowsk starke Kräfte freimachen, die, hinter dem
linken Flügel gestaffelt bereitgestellt, den Vorstoß an der Festung links
vorbei über den Bug fortzusetzen hatten. Auch Falkenhayn beabsichtigte
45*
708
Der Feldzug von Brest-Litowsk
die Verfolgung nicht über die Linie Brest-Litowsk—Grodno hinaus fort-
zusetzen, es sei denn, daß ein kurzer Vorstoß mit Sicherheit einen er-
heblichen Vorteil bringen würde. Aus dem gleichen Grunde empfahl er
auch nur kleinere Unternehmungen gegen die aus der Festung ostwärts
führenden Straßen.
Für die Heeresgruppe Mackensen rückte somit die neue Aufgabe
des westlich von Brest-Litowsk zu führenden Nordstoßes und damit
die Verstärkung des linken Flügels in den Vordergrund. Um die 11. Armee
von der Kräfte fesselnden Einschließung der Festung zu entlasten, wurde
diese Aufgabe zwischen dem Bug (unterhalb von Brest-Litowsk) und der
Krzna der Bugarmee übertragen. Hiezu hatte das Beskidenkorps die
Gruppe Plettenberg am 17. und 18. zwischen Koden und Dobrynka abzu-
lösen, und am 18. das VI. Korps unter den Befehl Linsingens zu treten.
Von der 11. Armee hatte das XXII. RKorps — gefolgt von der 119. ID.
der Bugarmee im Mündungswinkel der Krzna — an der Einschließung der
Festung teilzunehmen, indes das X. RKorps, dem die Gruppe Pletten-
berg (Garde, 103. ID. und GKD.) nachgesendet wurde, sich schon für
den Nordstoß über den Bug bereitzustellen hatte. Dieselbe Aufgabe war
zwischen Janów und Niemirów der 4. Armee zugedacht, die allerdings
nur mit drei Divisionen (11. ID., 106. LstlD. und 37. HID.) in der Front
stand, indes die drei anderen Divisionen (41. HID., 4. ID. und45.SchD.)
nördlich von Biala angehalten wurden, um der 11. Armee beispringen,
zu können, wenn, wie Falkenhayn besorgte, der Feind „nach Art der
Marneschlacht" aus der Festung heraus zu einem Gegenschlag gegen
die Flanke der unterhalb von Brest-Litowsk vordringenden Kräfte der
Verbündeten ausholen sollte1).
Der 18. August brachte an der Einschließungsfront der Korps Mar-
witz und Arz keine wesentlichen Ereignisse. Das XXII. RKorps und der
rechte Flügel des X. RKorps, die 47. RD., hatten aber erbittert kämpfen
müssen, bis sie sich die Linie Kijowiec—Lipnica—Tielesnica erstritten.
Die am Bug stehende 105. ID. des X. RKorps und die 4. Armee
trachteten bereits, das jenseitige Ufer zu gewinnen. Während des ganzen
Tages scheiterten jedoch alle Übergangsversuche an der regen und auf-
merksamen Abwehr des Feindes, und zwar auch dann, als diese Versuche
auf die Nachricht, daß der Feind links von der 4. Armee vor der Gruppe
Kövess zurückgehe, erneuert wurden. Abends gelang es aber doch, Teile
der 105. ID. über den Fluß zu bringen.
x) Foerster, 141 f.
Überschreitung des Bug durch die 4. Armee
709
Da die feindliche Abwehr bei der 4. Armee auch nachts nicht nach-
ließ, wurde das XVII. Korps angewiesen, sich zur Erzwingung des Über-
ganges dem X. RKorps anzuschließen; das VIII. Korps sollte, wenn es
frontal nicht durchdringen könne, Kräfte nach links verschieben, um
sie hinter der 16. ID. der Gruppe Kövess den Bug überschreiten zu lassen.
Indes gelang es aber in der Nacht auf den 19. sowohl dem VIII.
als auch dem XVII. Korps, mehrere Bataillone zu überschiffen. Die Vor-
truppen des VIII. Korps nahmen Niemirów in Besitz und drangen mittags
bis nahe an die große Straße westlich vonWólka vor. Vom XVII. Korps
überschritt die 11. ID. hinter ihren Sicherungen vormittags auf einer
nördlich von Janów geschlagenen Brücke den Fluß und trat in den frühen
Nachmittagsstunden die Vorrückung nach Nordosten gegen die Koterka
und die Pulwa an,' auf deren hügeligem Westufer sich das russische
XV. Korps in der Linie Dubowoje—Zalesie—Tokary festgesetzt hatte.
Spät nachmittags griffen sowohl das VIII. Korps als auch die 11. ID.
nachdrücklich an. Jenem stellte sich der Feind, vorgeschobene Ver-
schanzungen westlich von Zalesie aufgebend, erst auf den knapp vor
dem Koterkabache liegenden Höhen entgegen, konnte aber dem heftigen
Angriffe nicht standhalten. Bei Einbruch der Dunkelheit stürmten die
37. HID. die Höhe südlich von Tokary, die 106. ID. jene östlich von
Zalesie, worauf der Russe an mehreren Stellen auf das östliche Koterka-
ufer wich. Ebenso gelang es der 11. ID., den Feind über den Bach zu-
rückzudrängen und mit Vortruppen dessen westliches Ufer zu erreichen.
Ihre Masse hielt abends südwestlich von Dubowoje Verbindung mit den
Vortruppen der 105. Division. Diese hatte zwar am Morgen nordöstlich
von Janów gleichfalls den Übergang über den Bug bewirkt, dann aber
gegen Teile des VI. sib. Korps nicht weiter Raum gewonnen. Der für
den 20. August anbefohlene Einsatz der 103. ID. sollte dem Angriff des
X. RKorps neuen Schwung verleihen. Für den gleichen Zweck war das
GKorps samt der GKD. in Aussicht genommen, die nach vollzogener Ablö-
sung durch die Bugarmee zunächst bei Janów bereitgestellt werden sollten.
Inzwischen entbrannten am 19. südlich vom Bug bei dem durch die
119. ID. verstärkten XXII. RKorps und bei der Masse des X. RKorps
(47. RD. und 101. ID.) heftige Kämpfe. Um das Abfließen der vor der
Festung angestauten Truppen- und Troßmassen zu ermöglichen, führten
die Russen hier verzweifelte Infanterie- und Reiterangriffe. Erst abends
vermochten die Deutschen, unterstützt durch Artilleriefeuer des Korps
Arz, gegen Nordosten Fortschritte zu machen, indes das X. RKorps
noch festgebannt blieb.
710
Der Feldfcug von Brest-Litowsk
Immerhin verfügte die 11. Armee doch schon über so ausreichende
Kräfte zur Deckung gegen die Festung, daß die drei bei Biala bereit-
gestellten Divisionen der 4. Armee entbehrlich wurden. Die 41. HID. wurde
noch am 19. dem XVII. Korps nachgesendet, indes die 4. ID. und die
45. SchD. auf Weisung der k.u.k. Heeresleitung über Cholm zur I.Armee
zu rücken hatten (S. 703).
An der Einschließungsfront der Bugarmee waren am 19., von der
regen Tätigkeit der Festungsartillerie abgesehen, weder beim VI. noch
beim Beskidenkorps wesentliche Ereignisse zu verzeichnen. Hingegen
wurde an der Bugfront, wo der Feind südlich von Wlodawa das östliche
Ufer bereits aufgegeben hatte, aus dem Brückenkopf heraus ein bedeut-
samer Erfolg errungen. Die l.ID. durchbrach am 19. die feindlichen
Stellungen östlich davon, setzte sogleich zu unaufhaltsamem Vorstoß auf
Piszcza an, wo sie erst abends wieder auf die Russen stieß. Während sich
am 20. und 21. August hier wechselvolle Kämpfe abspielten, drangen
auch die 22., die ll.bayr. und der rechte Flügel der 107. ID. zwischen
Wlodawa und Slawatycze auf das vom II. kauk. Korps geräumte Ostufer
vor und setzten im Anschluß an die 1. ID. zum Angriff auf den in die
Linie Piszcza—Dubok—Czersk—Leplewka zurückgegangenen Feind an. Um
diesem Angriff größeren Nachdruck zu verleihen und das Vordringen
gegen Brest-Litowsk auch auf dem Ostufer einzuleiten, führte Gdl. Lin-
singen das XXXXI. RKorps am 21. bei Wlodawa über den Bug und warf
es südlich der l.ID. in den Kampf. Es erzwang sich am nächsten Tage,
nördlich und südlich des Sumpf- und Seengebietes vordringend, bei Szack
den Austritt in freieres Gelände. Gleichzeitig überwanden die 1. und die
22. ID. in schweren Kämpfen den feindlichen Widerstand bei Piszcza und
Chrypsk und stießen bis Oltusz und Rade± vor. Ihnen schloß sich die
11. bayr. ID. an, die bis zum Abend Czersk und den Raum östlich davon
erreichte. Tags darauf, am 23., konnten aber nur mehr die Flügel der
östlich vom Bug kämpfenden Kräfte Raum gewinnen: das XXXXI. R-
Korps auf Oriechowo, das XXIV. RKorps auf Otiaty und nordöstlich von
Leplewka, während die Mitte, 1. und 22. ID., bei und nordwestlich von
Oltusz wieder in heftige Kämpfe verwickelt wurde.
Inzwischen hatte die 11. Armee am 20. bei der. Einschließung der
Festung von Westen her namhafte Fortschritte erzielt. Vom XXII. R-
Korps stießen die 43. RD. und die 119. ID. in nordöstlicher Richtung vor
und vermochten den Feind bis auf 6 km vor der Krznamündung zurück-
zudrängen. Die hiebei eingetretene Verkürzung der Front erlaubte es, die
44. RD. für den nach Norden gerichteten Vorstoß bereitzustellen.
Kämpfe der Heeresgruppe Mackensen am 20. und 21. August 711
Der Raumgewinn des XXII. RKorps hatte schon am 19. beim Korps
Arz vorbereitende Maßnahmen ausgelöst, die es dem Korps ermög-
lichen sollten, sich diesem Vordringen vom linken Flügel an anzuschlie-
ßen. Es gewann bis 20. nachmittags mit der 12. ID. Dobryn, mit der
39. HID. Dobrynka, worauf nach Einbruch der Dunkelheit auch das
Beskidenkorps seinen linken Flügel vorschob.
So wie das XXII. RKorps mit seinem linken Flügel konnte nun auch
das X. RKorps seine Aufmerksamkeit ganz dem nördlichen Bugufer zu-
wenden. Am 20. vormittags folgte seine 101. ID. noch dem weichenden
Feinde auf Derlo. Da gleichzeitig die zwei Divisionen des XXII. RKorps
schon darüber hinaus nach Osten vordrangen, schickte sich die 101. ID.
am Nachmittag an, den Bug bei Derlo zu überschreiten und so der den
ganzen Tag hindurch um die Höhen westlich von Stawy schwer ringen-
den 105. ID. zu Hilfe zu kommen. Obgleich an ihrem linken Flügel vor-
übergehend die GKD. eingesetzt wurde, die 4. Armee mit Teilen der
41. HID. aus dem Räume nördlich von Dubowoje unterstützend in den
Kampf eingriff und die Artillerie der 101. ID. vom südlichen Bugufer
aus mitwirkte, vermochte diese Division nicht, den zähen Widerstand
des Feindes westlich der unteren Pulwa zu bezwingen. Es wurde nun
auch die bei Rokitno freigewordene 47. RD. in ihren Bereich verschoben.
Die 4. Armee fand am 20. am Koterkabach, stellenweise sogar
wieder auf dessen westlichem Ufer, gleichfalls hartnäckigen Widerstand.
Nachmittags gelang es aber der durch Teile der 41. HID. verstärkten
11. ID., den Feind nach erbitterten Kämpfen auf das Ostufer zurück-
zuwerfen. Beim VIII. Korps rang die 106. LstlD. bis in die Abendstunden
vor dem Koterkabache südlich der großen Straße. Die 37. HID. hatte
dem Feinde schon vormittags Tokary entrissen, mußte aber den Angriff
auf eine nur wenige Kilometer östlich davon befindliche Stellung auf den
folgenden Tag verschieben, um das Herankommen der schweren Ar-
tillerie abzuwarten.
Das Oberkmdo. Mackensen hatte seiner nördlichen Stoßgruppe, der
4. Armee und dem X. RKorps, die Fortsetzung der Verfolgung bis in die
Höhe von Kustyn—Wysoko-Litowsk und von dort rechts einschwenkend
in nordöstlicher Richtung auf Kamieniec-Litowskij aufgetragen. Aber nur
die 4. Armee konnte am 21. August im Anschluß an die Gruppe Kövess
in diesem Sinne weiter ausgreifend Raum gewinnen. Vor ihrer Front
hatte der Feind in den Morgenstunden den Rückzug angetreten, sich aber
westlich von Wysoko-Litowsk neuerlich festgesetzt. Das VIII. Korps nahm
sofort die Verfolgung in nordöstlicher Richtung auf und warf die Russen
712
Der Feldzug von Brest-Litowsk
in kräftigem Angriff nachmittags auch aus dieser neuen Stellung. Hiebei
erstürmte die 37. HID. eine stark besetzte Höhe südöstlich von Lumno
und bemächtigte sich, dem geworfenen Feinde scharf nachstoßend, des
Pulwaüberganges nordöstlich des Dorfes. Südlich davon bezwang die
106. LstlD. den vor Wysoko-Litowsk sich wehrenden Feind und drang
sodann in das Städtchen ein. Bis zum Abend wurden im ganzen Abschnitt
des VIII. Korps russische Nachhuten von der Bahn vertrieben, und eine
neue feindliche Widerstandslinie zwischen Gola und Riasno festgestellt.
Die 11. ID. des XVII. Korps durchschritt rasch den Mündungswinkel
der Koterka und der Pulwa; auf dem Ostufer der Pulwa hatte der vor
der 11. ID. zurückweichende Feind von Riasno bis nördlich von Stawy
Anschluß an jene Teile gefunden, die der 105. ID. auch an diesem Tage
noch zähen Widerstand entgegensetzten. Zwar gelang es dieser Division
nach wechselvollen Kämpfen, südlich von Stawy sogar auf dem Ostufer
der Pulwa festen Fuß zu fassen, sie rang aber weiter nördlich noch den
ganzen Tag schwer und ohne Erfolg um diese Bachniederung. Daran ver-
mochte auch das Vordringen der 101. ID. über Derlo gegen Norden nichts
zu ändern, dies umsoweniger, als der Feind abends Miene machte, bei
Stawy selbst zum Gegenangriff zu schreiten. Um des anderen Tages, am
22., liier endlich die Entscheidung zu erzwingen, sollte die 47. RD. von
Nordwesten her gegen Stawy eingreifen; ihr schloß sich links eine durch
die gesamte Artillerie der 41. HID. unterstützte Brigade dieser Division an.
Trotzdem zeitigte das zähe Ringen nördlich des Bug weder am 22.,
noch am 23. den erstrebten Erfolg, denn die inneren Flügel der 3. und
der 4. Russenarmee hatten offenbar Verstärkungen erhalten, verfügten
über zahlreiche schwere Artillerie mit viel Munition und kämpften hart-
näckigst um jeden Fußbreit Bodens. Zwar gelang es dem linken Flügel
des XXII. RKorps, der 44. RD., 5 km östlich von Derlo' Infanterie auf
das Nordufer zu bringen, aber alle Bemühungen, nach Norden weiter
Raum zu gewinnen, scheiterten hier ebenso wie bei der links davon
stehenden 101. Division. Auch der jetzt mit drei Divisionen geführte An-
griff des X. RKorps brachte nur schrittweise und schwer errungenen Er-
folg. Während die 105. ID. gegen den bei Stawy auf dem östlichen Pulwa-
ufer zäh haltenden Feind nicht durchzudringen vermochte, erkämpften
sich die 47. RD. und die 103. ID. am 22. die Gegend südlich von Wol-
czyn, konnten aber auch am nächsten Tag den feindlichen Widerstand
südöstlich davon nicht brechen. Für den 24. wurde daher auch der Ein-
satz des GKorps neben der 101. ID. in Aussicht genommen.
Nicht weniger schwierig hatte es die 4. Armee. An ihrem rechten
Das Ringen um den Pulwaabschnitt
713
Flügel focht die 41. HID. östlich und nordöstlich von Wolczyn an beiden
Tagen heftigst, aber unentschieden. Weiter nördlich bei der 11. ID. und
dem VIII. Korps konnten die Erfolge des Vortages zwar erweitert, aber
gleichfalls nicht bis zur Entscheidung gebracht werden. So stießen die
11. ID. und die 106. LstlD. am 22. in schweren Kämpfen auf die Höhen
südlich von Wysoko-Litowsk vor, arbeiteten sich überall nahe an die
feindliche Hauptstellung heran und brachen in der Nacht sogar an ver-
schiedenen Punkten in diese ein. Dann aber setzten die Russen wieder-
holte heftige Angriffe entgegen; in wechselvollen, hin und her wogenden
Kämpfen wurde den ganzen 23. um die Höhen gerungen.
Nördlich von Wysoko-Litowsk drangen die Polenlegion und die
37. HID. am 22. über die Bahn vor, die Honvéd erstürmte Wolkowiczy
sowie die Höhen südlich und nördlich dieses Ortes, der vom Feinde
fluchtartig geräumt wurde. Bald brachten die Russen aber wieder Ver-
stärkungen heran. Der Widerstand konnte auch am 23. nicht gebrochen
werden, obgleich der Angriff nördlich von Wolkowiczy im Einklang mit
der 16. ID. der anschließenden Gruppe Kövess fortgesetzt, in örtlichen
Erfolgen etwas Raum gewonnen wurde, und die Truppen 1250 Gefan-
gene einbrachten. Für die Lage beim Feinde war es immerhin bezeich-
nend, daß diese Gefangenen sieben russischen Divisionen entstammten.
Unterdessen schloß sich südlich vom Bug immer fester der Ring
um Brest-Litowsk. Das XXII. RKorps nahm am 21. das ganze Westufer
der Krzna bis auf eine Höhe knapp an deren Mündung in Besitz, das
VI. Korps und der linke Flügel des Beskidenkorps setzten unter Kämpfen
ihre Annäherung an die feindliche Vorfeldstellung fort, die sich, gut aus-
gebaut, durch die Ortsmitten von Dobryn und Wólka Dobrynskaja und
über Dobrynka erstreckte und auf einige halbpermanente Werke stützte.
Am 22. August trat das VI. Korps zum Angriff an. Wieder ver-
zögerte trübes Wetter die Artillerievorbereitung bis mittags, dann aber
begannen die schweren Batterien des Korps ihr Zerstörungswerk, und
die Infanterie beider Divisionen arbeitete sich langsam an die feind-
lichen Stellungen heran, ohne sie sogleich bezwingen zu können. Be-
sonders ein die ganze Gegend beherrschender, aufs stärkste ausgebauter
Stützpunkt zwischen Wólka Dobrynskaja und Dobryn machte sich emp-
findlich geltend. Zu seiner Bezwingung mußten Minenwerfer eingebaut
werden, was eine Verschiebung des Angriffes auf den 24. erforderte. Das
bedeutete eine harte Geduldsprobe für die Führung, und zwar umsomehr,
als auch das XXII. RKorps und das Beskidenkorps in diesen Tagen keine
Fortschritte erzielt hatten, und andererseits die Meldungen der Flieger
714
Der Feldzug von Brest-Litowsk
und sonstige Erkundungsergebnisse zeigten, daß der Feind unterdessen
planmäßig seinen Rückzug nach Osten fortsetzte und im Begriffe zu sein
schien, die Festung aufzugeben.
Die Fortführung der Offensive bei den Heeresgruppen
Prinz Leopold und Hindenburg
(18. bis 23. August)
Hiezu Beilagen 35 und 36
Bei der Heeresgruppe Prinz Leopold sah GO. Woyrsch schon am
18. August seine Erwartungen erfüllt, die er auf die Wirkung des von
der 9. und der 12. Armee ausgehenden Druckes gesetzt hatte (S. 699). Die
Russen wichen vor diesen beiden Armeen zurück und verzichteten auf
die Verteidigung des rechten Bugufers bisNiemirów. Gdl.Kövess brachte
bis zum Abend dieses Tages vier Bataillone über den Strom und ließ in
der Bugschlinge südwestlich von Sutno Brücken schlagen. Links davon
nahm das Korps König auf dem jenseitigen Ufer die Vorrückung gegen
Nordost auf, im Anschluß folgte die 9. Armee gegen den Oberlauf des
Nurczyk. Gegen den Unterlauf stieß Gallwitz vor und bedrohte nord-
westlich von Bielsk bereits die Bahnstrecke Brest-Litowsk—Bielostok.
Die Armee Woyrsch traf am 19. jedoch schon nach kurzem Vormarsch
bei Tokary—Siemichocz—Nurec auf eine feindliche Abwehrfront, die an-
gegriffen werden mußte. Siemichocz konnte zwar genommen, die zwei
Kilometer dahinter liegende Widerstandslinie jedoch nicht bezwungen
werden. Den Nurczykabschnitt verteidigten die Russen besonders zähe,
nur Frommel errang östlich von Pokaniewo eine kleine brückenkopfartige
Stellung am jenseitigen Ufer. Gallwitz nahm Bocki. Hinter seiner Front
fiel die Festung Nowogeorgiewsk nach kaum zweiwöchiger Verteidigung;
85.000 gefangene Russen und 700 Geschütze fielen in deutsche Hände.
Die Absicht des Prinzen Leopold, am 20. die Bahn zwischen Wysoko-
Litowsk und Kleszczeli zu erreichen, scheiterte am Widerstand der Russen.
Am rechten Flügel des Korps Kövess erstürmte die 16. ID. im Verein
mit der 37. HID. zwar Tokary, alle Anstrengungen des XII. Korps, eine
beherrschende Höhe südwestlich Klukowiczy zu erobern, waren jedoch
vergebens. Auch vor der deutschen 9. Armee behauptete der Feind noch
immer den Nurczykabschnitt, hingegen hatte Gallwitz am Nordufer des
Nurec den gleichnamigen Ort, ferner Bielsk und die ganze Bahnstrecke
bis an den Narew in seine Gewalt gebracht.
Die nächste Weisung des Prinzen Leopold an die Armee Woyrsch
Überschreiten der Bahn Wysoko-Litowsk—Kleszczeli
715
forderte, das Schwergewicht auf deren rechten Flügel längs der Linie
Lumno—Jasieniewka— Rusily zu legen, wodurch eine Schwenkung nach
Osten angebahnt wurde. Während das k. u. k. XII. Korps noch in der
Nacht auf den 21. die Höhe bei Klukowiczy eroberte, zog der Feind vor
der Heeresgruppe Prinz Leopold und vor Gallwitz bis an den Narew
hinter die gegen Bielostok führende Bahnstrecke ab, die nunmehr von
Woyrsch zwischen Lumno und der Station Czeremcha und vom größten
Teile der 12. Armee überschritten werden konnte. GdK. Frommel, der
jetzt nach dem Abgehen der deutschen 9. KD. zur 12. Armee zwei öst.-ung.
Kavalleriedivisionen, die 2. und die 9., sowie zeitweilig die deutsche
5.RD. befehligte, besetzte am 21. das allerdings vom Feinde im Bogen
umstellte Kleszczeli. An den östlich der Bahn liegenden Höhen klammerte
sich der Russe fest und bewies hier wieder sein Geschick im Kampf um
Zeitgewinn. Denn der vom Prinzen Leopold befohlene Angriff, der den
Feind in den Bielowieser Forst drängen sollte, konnte auch am 22.
nicht entscheidend durchdringen, wiewohl das XII. Korps die Russen in
harter Kampf arbeit gegen das Sumpfgebiet von Wierchowiczy gegen die
Linie Dolbizna—Jasieniewka zurückwarf und fast 1000 russische Grena-
diere als Gefangene einbrachte. Das LKorps und die 9. Armee erwei-
terten den gewonnenen Raum östlich der Bahn bis Kleszczeli, um dessen
nördliche Höhenbegrenzung noch erbittert gestritten wurde. Die 9. KD.,
GdK. Hauer, unterstützte am 22. ebenso wie am Vortage mit ihren
Batterien über den Nurec hinweg den rechten Flügel der 12. Armee, der
ebenfalls auf die Höhen östlich der Bahn vorkam.
Der 8. Armee fiel am 22. die Feste Osowiec in die Hand; in der
Vorbewegung nahm sie Tykocin am Narew.
Am 23. wollte Woyrsch, nachdem das Korps König die feindliche
Widerstandslinie durchbrochen und 3000 Gefangene gemacht hatte, dem
Korps Kövess, das mehrfache Gegenstöße abzuwehren hatte, dadurch
Luft schaffen, daß er die Verfolgung gegen den Rücken des vor dem
XII. Korps stehenden Feindes ansetzte, konnte aber über Dolbizna nicht
durchdringen. Ebenso hielten die Russen vor der Armee Gallwitz.
Offenbar unter dem Eindrucke der raschen Einnahme von Kowno
stehend, hielt Gdl. Falkenhayn jetzt — wie er am 19. nach Teschen
drahtete — eine Verstärkung der 10. Armee für wichtiger, als die von
Conrad angeregte Zuführung von Truppen zur 12. oder zur 8. Armee.
Im Augenblick konnte sich der deutsche Generalstabschef allerdings auch
zu jener Maßregel noch nicht entschließen, wiewohl die am gleichen
Tage erfolgte Einnahme von Nowogeorgiewsjk die Möglichkeit bot, Teile
716
Der Feldzug von Brest-Litowsk
des Belagerungskorps über Kowno der 10. Armee zuzuführen. Im Stabe
der Heeresgruppe Hindenburg war man aber von der Erkenntnis durch-
drungen, daß jeder Tag, um den die schon lange geplante Umfassungs-
operation über Wilna hinausgeschoben wurde, ihre Erfolgsmöglichkeiten
schmälern mußte1). Deshalb wurden schon am 19. Weisungen erlassen,
nach denen die 10. Armee mit dem linken Flügel auf Wilna einschwenken,
und die Njemenarmee die Flanke dieser Operation gegen die Düna
sichern sollte2), indes die 12. und die 8. gegen Nordosten vorzugehen
hatten. Bis zum 23. abends kam der Nordflügel der vom GO. v. Eich-
horn befehligten 10. Armee um zwei Tagmärsche über Kowno nach
Osten hinaus, welcher Vorrückung sich auch die Armeemitte anschließen
konnte. Nur bei Augustow stand die deutsche Ostfront vor schon locker
werdendem Feinde noch in der alten Linie.
Die Einnahme von Brest-Litowsk
(24. bis 26. August)
Hiezu Beilagen 35 und 36
Die Ereignisse seit Mitte August hatten auch die russische Führung
zu entscheidenden Maßnahmen gezwungen. Die Hoffnung des Gen. Alexe-
jew, die in seinem Entschlüsse vom 10. August zum Ausdruck kam (S. 688),
in der Linie Osowiec—Ciechanowiec—Miçdzyrzecze—Wlodawa nachhaltig
Widerstand leisten zu können, hatte sich nicht erfüllt. In fortwährenden
Kämpfen heftig bedrängt, waren seine Armeen in der darauffolgenden
Woche weit hinter diese Linie auf Brest-Litowsk, hinter Briansk sowie
gegen Tykocin zurückgeschlagen worden. Zu den unverminderten Be-
sorgnissen, die der deutsche Vorstoß in Kurland der russischen Führung
bereitete, war mit dem Falle von Kowno eine neue Gefahr aufgetaucht.
Dies veranlaßte den Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch am 17. August, die
schon seit Wochen in Aussicht genommene Teilung der Nordwestfront
in eine Nord- und eine Westfront anzuordnen. Diese Neugliederung des
Heeres hatte am 31. August in Kraft zu treten. Als Hauptaufgabe der
dem Gen. Alexejew unterstellten neuen Westfront, deren Bereich im
Norden bis zur Linie Augustów—Molodieczno zu reichen hatte, wurde
der „Schutz der aus dem vorderen Kriegsschauplatze nach Moskau füh-
renden Wege" durch „starkes Festhalten des Abschnittes Grodno—Bielo-
stok—oberer Narew—Brest-Litowsk" bezeichnet3).
1) Ludendorf.f, Kriegserinnerungen, 129. — 2) G a 11 w i t z, 340.
3) Nesnamow, IV, 99. !
Teilung der russischen Nordwestfront
717
Die nachhaltige Behauptung dieser Frontlinie und besonders der
Festung Brest-Litowsk schien — nicht zu Unrecht — die Voraussetzung
für eine erfolgreiche Abwehr der neuen Gefahr zu sein, die der 10. Ar-
mee durch einen zu erwartenden deutschen Vorstoß von Kowno auf
Wilna drohte. Ihr gegenüber war der gleichfalls der Westfront zufallende
Auftrag, die östlich des Bug zur Linie Brest-Litowsk—Kobrin—Pinsk
führenden Wege zu schützen, von geringerer Bedeutung. Die Aufgabe-
stellung läßt aber den Schluß zu, daß sich die Stawka mit einer Trennung
der Gesamtfront im Gebiete des Polesie abgefunden hatte.
Der Nordfront, die Gen. Rußki zu übernehmen hatte, wurde der
Schutz der aus Ostpreußen und vom Baltischen Meer nach Petersburg
führenden Verkehrslinien aufgetragen. Zur Sicherung von Wilna mußte
Alexejew aber schon jetzt das bei der 3. Armee stehende GKorps ab-
geben, dem zwei Korps der 13. Armee zu folgen hatten. Die noch im
Polesie verbleibenden Truppen dieser Armee, die spätestens am 25. August
aufzulösen war, sollten zur 3. Armee übertreten. Auch die 12. Armee
sollte durch Unterstellung ihrer Kräfte unter die 1. Armee der Auflösung
verfallen, und dafür der Führer der bisherigen 13. Armee, Gen. Gorba-
towski, im Räume von Wilna mit den dorthin verschobenen Korps die
neue 12. Armee bilden. Doch schon am 18. August stimmte die Stawka
den abweichenden Vorschlägen Alexejews zu, die neue 12. Armee nicht
bei Wilna, sondern bei Riga und Mitau zu formieren und der 10. Armee
die Deckung des Raumes von Wilna zu übertragen1).
Nach Durchführung vorstehender Maßnahmen hatte die Westfront
aus der 3., der 4., der 2. und der 1. Armee, die Nordfront aus der 10.,
der 5. und der 12. Armee zu bestehen. Außerdem wurden dem Gen. Rußki
noch die bei Petersburg stehende 6. Armee und die Baltische Flotte
unterstellt.
Als am 24. August früh die nördlich vom Bug stehenden Truppen
der deutschen 11. Armee sich anschickten, den Feind von der unteren
Pulwa zu werfen, fanden sie die bisher so zähe verteidigten Gräben leer.
Von der Gruppe Kövess und der 4. Armee in den letzten Tagen immer
mehr überflügelt, hatte die russische 4. Armee während der Nacht den
Rückzug angetreten.
Als das Oberkmdo. Mackensen dem X.RKorps und der 4. Armee den
Raum südlich und nördlich von Kamieniec-Litowskij als Verfolgungsziele
anwies, hatte es schon am 20. zugleich Weisungen für das Abschließen
der Festung Brest-Litowsk nördlich vom Bug an ihrer Nordwest- und
x) Nesnamow, IV, 101 £.
718
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Nordfront ausgegeben. Ihnen zufolge hatten das XXII. RKorps mit dem
linken Flügel (44. RD.) zwischen Bug undMotykaly, dasGKorpsvon hier
bis an die Lesna bei Kozlowiczy die Einschließungslinie fortzusetzen.
Der zähe Widerstand des Feindes an der unteren Pulwa und östlich davon
am Bug hatte die Ausführung dieser Weisungen bisher verhindert. Jetzt
konnte endlich auch hier die Vorrückung angetreten werden. Die 44. RD.
erreichte am 24. Kolodno und ging tags darauf bis südlich und südöst-
lich von Motykaly vor. Links von ihr drang das GKorps am 24. auf
Niecholsty und nördlich davon vor; am nächsten Tag schwenkte es mit
einer Division unter Kämpfen östlich der Bahn nach Süden ein und stieß
mit der zweiten ostwärts bis an die Lesna vor.
Unterdessen drängte das X. RKorps mit drei Divisionen dem ge-
wichenen Feinde in die Linie Kustyn—Barszczewo scharf nach, warf am
25. Nachhuten östlich dieser Linie zurück und gewann, an die Garde
links anschließend, zwischen Ostromiczewo und südlich des von Wysoko-
Litowsk nach Kamieniec-Litowskij führenden Fahrweges die Lesna.
Auch vor der 4. Armee war der Feind am 24. morgens abgezogen.
Als aber das XVII. Korps den Raum nördlich von Barszczewo, das
VIII. Korps jenen östlich und nördlich von Riasno erreichten, sahen sie
sich stark besetzten Stellungen gegenüber, die sie nicht so schnell zu be-
zwingen vermochten. Harte Kämpfe entspannen sich nachmittags um
den Raum südwestlich von Jasieniewka, in denen die 37. HID. und die
Polenlegion erst nach Zurückweisung eines heftigen Gegenangriffes die
Oberhand behielten.
Am 25. früh griffen die beiden Korps gemeinsam mit der Haupt-
kraft entlang und südlich des Fahrweges nach Kamieniec-Litowskij an.
Um 5h früh brach der Nordflügel des XVII. Korps in die feindliche
Stellung südöstlich der Straße ein und stieß, schwächere Reiterei rasch
werfend, bis gegen Mittag auf Wojska vor. Dadurch wurde auch der
vor dem VIII. Korps noch haltende Feind zum Rückzug gezwungen. Die
verfolgenden Truppen blieben ihm überall hart an den Fersen, trafen
aber nachmittags auf eine gut vorbereitete und wieder stark besetzte
Stellung, die sich über die Höhen südöstlich und nordöstlich von
Wojska hinzog. Bis zum Abend wurde auch hier wieder der Angriff bis
nahe an die russischen Gräben herangetragen.
Bei der Heeresgruppe Prinz Leopold war am 24. beabsichtigt, den
Angriff der Armee Woyrsch mit dem rechten Flügel über Rusily—Dmi-
trowiczy und mit dem linken, auf den das Schwergewicht zu verlegen
war, von Czeremcha über Dolgobrodskoje fortzusetzen. Mittlerweile
Die Schlacht vor dem Bielowieser Forst
719
hatten aber die Russen doch begonnen, bis vor den Südflügel der 12. Ar-
mee Raum zu geben. Überdies griff Falkenhayn mit der Weisung ein,
nur bis an den Westrand des Bielowieser Forstes heranzugehen, diesen
abzusperren und südlich des Waldes zu umfassender Bewegung gegen
Süden vorzustoßen1). GO. Woyrsch ließ daher die Gruppe Kövess mit
ihrem rechten Flügel von Rusily auf Gorodyszcze und das LKorps vor-
erst in breiter Front an den Policznabach vorrücken, wobei dieses aui
den späteren Abmarsch über Dmitrowiczy Bedacht zu nehmen hatte.
Durch die Schwenkung um Gorodyszcze nach Südosten wollte Woyrsch
dem vor Mackensen standhaltenden Feinde in den Rücken kommen.
Von Nachhuten vielfach aufgehalten, erkämpfte sich Kövess den
Raum von Wierchowiczy, in den die Division Bredow und der rechte
Flügel des Korps König ebenfalls schon einschwenkten. Die anderen
Streitkräfte des Prinzen Leopold erreichten die Oberläufe der Policzna
und Orlanka, wo sie der Armee Gallwitz die Hand reichten. Aus den
Meldungen der Luftaufklärung konnte der Rückzug des Feindes deut-
lich ersehen werden. Die 8. Armee bedrohte nach Überschreitung des
Narewbogens westlich von Bielostok bereits diesen Bahnknoten, die
10. Armee drückte nunmehr in ihrer ganzen Ausdehnung auf die russische
Nordwestflanke.
Bis zum 25. abends kamen Kövess mit der 16. ID. und König mit
der 4. LD. — die 35. ID. und die Division Bredow mußten wegen des
schmalen Vorrückungsraumes zurückbleiben — bis an eine von Januszy
nach Süden laufende Linie, die noch im Zuge der ursprünglichen feind-
lichen Abwehrfront östlich der nach Bielostok führenden Bahn gelegen
war. Die deutsche 9. und der Südflügel der 12. Armee hatten unter-
dessen diese Widerstandslinie gegen das große Waldgebiet und über die
Orlanka hinweg schon stark eingebeult.
Auf dem rechten Flügel der Heeresgruppe Mackensen drückten die
östlich vom Bug befindlichen Teile der Bugarmee in diesen Tagen gleich-
falls unter lebhaften Kämpfen das II. kauk. und das XXIII. Russen-
korps schrittweise nach Norden und Nordosten zurück. Am 24. wurde
in der Linie Zbura±—Boguslawy heftig gefochten, tags darauf der Spa-
nowkabach vonMiedna bis östlich vonRogozna durch das XXIV. RKorps
und die 22. ID. gewonnen; der rechte Flügel, l.ID. und XXXXI. R-
Korps, drang kämpfend bis Zbura£ und Mielniki vor.
Mittlerweile hatte der Vorstoß der 1. Armee am 23. August zur Ein-
nahme von Kowel geführt (S. 706), in dessen Folge das XXXI. Korps
*) Schwarte, Der deutsche Landkrieg, II, 174; G a 11 w i t z, 345.
720
Der Feldzug von Brest-Litowsk
und das IV. Kavalleriekorps der Russen in schleunigem Rückzug nach
Norden auf Ratno den durch die Bugarmee bereits empfindlich ge-
fährdeten Anschluß an die Hauptkraft der 3. Armee zu finden suchten.
Das Kavalleriekorps Heydebreck, dem die am 20. aus der Gruppe Kövess
ausgeschiedene k.u.k. 7. KD. über Cholm nachgesendet wurde, stieß
dem Feinde am 24. und 25. mit der ll.HKD. über Bucin längs und
westlich der Reichsstraße, mit der deutschen 5. KD. über Mielcy nach.
Es gelangte dadurch in nahen Anschluß an die Bugarmee und trat des-
halb in der Nacht auf den 26. in ihren Verband.
Unterdessen näherte sich das Schicksal von Brest-Litowsk mit
raschen Schritten der Entscheidung. Nach der kurzen Kampfpause, die
die Notwendigkeit neuer Angriffsvorbereitungen am 23. erzwungen hatte,
schritt das VI. Korps am 24. wieder mit voller Kraft zum Angriffe.
Während sich die 12. ID. der feindlichen Stellung beiderseits von Dobryn
nur langsam, teilweise sogar nur in mühsamem Sappenangriff nähern
konnte, gelang es dem Südflügel der 39. HID., die Verschanzungen
nordöstlich von Dobrynka zu erstürmen und noch 2 km darüber hinaus
vorzustoßen. Auch die 25. RD. des Beskidenkorps schob ihre Linien um
einiges vor, worauf die Verteidiger, III. kauk., X.undTeile des XIV.Korps,
in der Nacht auf den 25. die Vorfeldstellungen gegenüber dem Korps
Arz und der 43. RD. aufgaben.
Mehr als diese örtlichen Erfolge der Verbündeten mochten das Vor-
dringen der Heeresgruppe Prinz Leopold über die geradlinige Verbin-
dung zwischen Brest-Litowsk und Bielostok hinaus, weiters vielleicht
noch in erhöhtem Maße der Raumgewinn des rechten Flügels der Bug-
armee auf dem östlichen Bugufer die russische Führung zum Entschluß
gedrängt haben, Brest-Litowsk zu räumen. Blieb die Festung noch einige
Tage besetzt, so konnte sie leicht dem Schicksal von Nowogeorgiewsk ver-
fallen. Auf eine neuerliche so schwerwiegende Einbuße an Geltung und
von Zehntausenden von Streitern durfte man es nicht ankommen lassen.
Da der Rückzugsraum0 der Heeresmacht Alexe jews im allgemeinen nörd-
lich vom Polesie nach Nordosten führte, entschloß sich der russische
Heerführer am 25., die noch bis an das Narewknie bei Suraz vorragen-
den und einer Umfassung ausgesetzten inneren Flügel der 12. und der
I.Armee auf die kürzere Front Bielostok—Bielsk zurückzunehmen1),
!) Nach Nesnamow, IV, 98, hätte das Zurückweichen in die Linie Bielsk—
Demianczycy nur die 4. Armee, und das Zurücknehmen auf Bielostok und östlich Bielsk
die 2. Armee betroffen. Nach allen anderen Quellen und auch nach Nesnamow,
IV, 93, traten in diesen Räumen jedoch die oben angegebenen Armeen auf.
Die Einnahme von Brest-Litowsk
721
nachdem die 2. utnd die 4. Armee bereits bis in die Front östlich von
Bielsk—Januszy—Demianczyczy zurückgewichen waren. Die in noch viel
bedrohterer Lage befindliche 3. Armee wurde „zum sicheren Festhalten
der Lesna und der nach Pru±any führenden Straße angewiesen, ihren
rechten Flügel zu verstärken und den linken Flügel rasch zurückzu-
nehmen". Das bedeutete die Preisgabe der Festung Brest-Litowsk.
Abgehorchte Funksprüche hatten den Verbündeten diese Absicht
ohnehin bereits enthüllt. Man wußte, daß die 4. und die 3. Russen-
armee Befehl erhalten hatten, noch während der Nacht auf den 26. mit
der Hauptkraft in die Linie Gajnowka—Stoczok—Soloducha—Wola-
2abinka zurückzugehen. Auf dem gleichen Wege wurde bis zum 26. auch
der Entschluß Alexejews, seine Armeen in zwei bis drei Tagmärschen
auf die Linie Grodno—Szereszowo—Kobrin zurückzunehmen, bekannt.
Bezeichnenderweise enthielt der Befehl an die russischen Truppen die
Aufforderung an die Führer, auf strenge Manneszucht zu sehen und dem
Sinken der Moral durch die Erinnerung an das Jahr 1812 zu begegnen.
Für die Streiter der Heeresgruppen Mackensen und Prinz Leopold
galt es jetzt, allseits raschestens vorzustoßen und insbesondere bei Brest-
Litowsk ehestens den Fortsgürtel zu bezwingen, um dem Feinde noch
möglichst viel Abbruch zu tun. Letztgenannte Aufgabe fiel vornehmlich
dem k. u. k. VI. Korps zu. Der Feind hatte in den Werken bei Kobylany
und Koroszczyn und zwischen diesen Orten starke Stellungen bezogen.
Am Abend standen die öst.-ung. Truppen knapp vor den im heftigen
Feuer der schweren Artillerie liegenden Werken, in denen ebenso wie da-
hinter in der Stadt große Brände wüteten. In weitem Umkreise erschüt-
terten Sprengdetonationen die Luft. Aber trotz dieser untrüglichen An-
zeichen bevorstehender Räumung der Festung leistete der Feind noch
immer hartnäckigen Widerstand. Nicht ohne empfindliche Verluste bahn-
ten sich die Regimenter des VI. Korps zwischen explodierenden Minen
den Weg durch die feindlichen Drahthindernisse1). Bei sinkender Nacht
drang die Honvéd in das Werk von Kobylany ein, nordöstlich davon
stürmte die 12. ID. ein anderes Festungswerk. Der Gürtel war durch-
brochen; die siegreichen Regimenter drängten noch in der Nacht ost-
wärts vor, fanden aber die Werke des inneren Festungsgürtels bereits
gesprengt und verlassen. Am 26. um 3hfrüh kamen vorgeschobene Ba-
taillone an das Südende der Kernbefestigungen sowie an die brennende
Straßenbrücke. Rasch war ein Steg fertiggestellt, um das jenseitige Ufer
zu gewinnen.
i) Arz, 90.
II 46
722 ~
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Die beiderseits an das Korps angrenzenden deutschen Divisionen
hatten sich im Laufe des 25. dem Angriff angeschlossen. Jetzt stießen
auch sie im inneren Festungsbereiche ostwärts vor. Während Teile des
XXII. RKorps (43. RD.) sich dem nun auch in die Zitadelle und so-
dann in die brennende Stadt eindringenden VI. Korps anschlössen, be-
mächtigte sich die 119. ID., nördlich der Stadt vorgehend, nach und
nach aller Werke der Nordfront. Wieder war einer der bedeutendsten
feindlichen Waffenplätze des Kriegsschauplatzes in die Hände der Ver-
bündeten gefallen. Trotz der rücksichtslosen Zerstörungsarbeit, die der
Feind an Stadt und Festung geleistet hatte, konnten noch ungeheure Vor-
räte an Lebensmitteln und an Munition gerettet werden1).
Inzwischen drang das Beskidenkorps südlich der Festung über den
Bug und zwischen den verlassenen Festungswerken der Südfront hin-
weg nach Osten vor. Nachmittags wurde die Bugarmee angewiesen, die
Verfolgung mit dem linken Flügel entlang der Straße Brest-Litowsk—
Kobrin kräftigst so vorzutreiben, daß der Feind vor dem rechten Armee-
flügel am Zurückgehen nach Norden verhindert und gegen die Sumpf-
wälder gedrängt werde. Das siegreiche VI. Korps wurde nun, nachdem
die 12. ID. die Stadt durchschritten hatte, und die 39. HID. vor den Bug-
brücken gesammelt worden war, angehalten und wieder der 11. Armee
unterstellt. Das XXII. RKorps und das Beskidenkorps konnten jedoch
unbehindert östlich von Brest-Litowsk vordringen und bis zum Abend
die Linie Raczki—Szebrin erreichen.
In der Wald- und Sumpfzone südöstlich von Brest-Litowsk war am
Abend des 25. an der Spanowka sowie bei Zbura± und Mielniki noch
heftig gekämpft worden; aber in der Nacht wichen auch hier die Russen
überall zurück. In weitausgreifender Verfolgung kamen das Korps Gerok
(107. und 11. bayr. ID.) bis in die Linie Podlesie—Radwaniczy, die 22. ID.
nach Wielikoryta und das XXXXI. RKorps, dem die 1. ID. jetzt hinter
dem Südflügel folgte, nach Mokrany. Die Reiter Heydebrecks näherten
sich an diesem Tage in der Verfolgung des XXXI. Russenkorps der Ort-
schaft Ratno.
So wie im Bereiche der Festung hatte der Feind auch vor der Haupt-
kraft der 11. Armee und vor der 4. Armee in der Nacht auf den 26.
seine Stellungen geräumt. Die Garde und das X. RKorps stießen ihm,
ohne Widerstand zu finden, sogleich ostwärts über die Lesna nach und
standen abends im Anschluß an das XXII. RKorps in der Linie Rudka—
Podlesie—Pruska.
1) Schwarte, Der deutsche Landkrieg, II, 174.
Die Verfolgung der Russen am 26. August
723
Auch bei der 4. Armee war die Verfolgung vom frühen Morgen an
in vollem Gange. Um die Mittagsstunde überschritten Teile der 11. ID,
und der 41. HID. ohne feindliche Gegenwirkung bei Kamieniec-Litowskij
die Lesna, zogen durch die brennende Stadt und drangen àuf die Höhen
östlich davon vor. In der Staffel links folgten die 37. HID. sowie die
106. LstlD. und die Polenlegion.
Damit hatte die 4. Armee das Ziel erreicht, das ihrer Mitwirkung
auif diesem Teile der Schlachtfront gesteckt worden war. Sie bezog nur
noch mit je einer Brigade der 41. und der 37. HID. auf den Höhen west-
lich von Pruska eine brückenkopfartige Stellung, über die hinaus die
Heeresgruppe Prinz Leopold im Anschluß an die 11. Armee die Ver-
folgung fortsetzen sollte.
Reiterpatrouillen, die aus Kamieniec-Litowskij nach Osten und Süd-
osten vorgetrieben wurden, stießen in einem Bereiche von 15 km nir-
gends mehr auf den Feind, der vielmehr von den Fliegern in dichtem,
gedrängtem Rückmärsche auf Kobrin und Pruzany gesichtet wurde. Die
übrigen Teile der 4. Armee, die Massen des VIII. und des XVII. Korps,
wurden westlich der Lesna gesammelt; jenes sollte dann nach Iwan-
gorod, dieses nach Cholm marschieren.
Nördlich der 4. Armee konnte auch GO. Woyrsch am 26. mit den
vorderen Divisionen gegen Osten ausschreiten; am Abend hatte die
16. ID. die Lesna nördlich von Kamieniec-Litowskij überschritten, auf dem
jenseitigen Ufer festen Fuß gefaßt und die Fühlung mit der Brücken-
kopfbesatzung der 4. Armee aufgenommen. Das Korps König war neben
dem k. u. k. XII. Korps gleichfalls an den Fluß gelangt und trachtete bei
Kamieniki den Übergang zu, erzwingen.
Die 9. Armee sperrte auftragsgemäß den Süd- und Westrand des
Bielowieser Forstes bis gegen Gajnowka; GdK. Frommel zog dazu auch
die 9. KD. heran, damit sie entsprechend dem Vor schreiten der 12. Armee
längs der nach Wolkowisk führenden Bahn die Sicherung gegen den
Wald verlängere. Die 2. KD. verblieb noch bei Kleszczeli. Gallwitz hatte
den Orlankaabschnitt hinter sich gebracht und war bereit, zwischen der
genannten Bahnlinie und jener von Bielostok—Grodno nach Nordost vor-
zustoßen. die 8. Armee gewann in gerader Ostfront die Linie Bielostok—
Suchawola, während die 10. mit dem Blick nach Südost in 240 km
langer Ausdehnung südöstlich von Augustów über Wilunszki bis Wil-
komir stand. Hier schloß die Njemenarmee in einem ebensolangen Bogen
über die Gegend westlich von Pone deli—Mitau bis an die Rigaer Bucht,
30 km vor der Stadt, an.
46*
724
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Betrachtungen über die Sommeròiïensive 1915
Mit der Einnahme von Brest-Litowsk sollte die große Offensive der
Verbündeten zwar noch nicht ihr Ende erreicht haben; doch war sie an
einem geographisch höchst bedeutsamen Abschnitte angelangt, an dem
Westrand des „Polesie" genannten gewaltigen Wald- und Sumpfgebietes,
das sich nunmehr auf viele Tagmärsche quer über das Kriegstheater
legte, und dem in Friedenszeiten Freund und Feind die Eignung zum
Manövrierland völlig abgesprochen hatten.
Weder Falkenhayn noch Conrad, jener noch weniger als dieser,
hatten, als sie im April 1915 den Stoß von Gorlice beschlossen, eine
Kriegshandlung von solch gewaltigen Abmessungen, wie sie nun hinter
den Verbündeten lag, im Auge gehabt. Conrad war gegenüber den
Russen grundsätzlich wohl von ernstem Vernichtungswillen erfüllt ge-
wesen, aber er hatte noch in seiner Denkschrift vom 7. April der be-
stimmten Meinung Ausdruck verliehen, daß ein entscheidender Erfolg
gegen das Zarenheer nach wie vor nur durch weitausholende Umfas-
sungen von den Karpathen und von Ostpreußen her (S. 301) zu erzielen
sei. Wenn er trotzdem einige Tage zuvor gegenüber dem GM. Cramon
schon einen Angriff bei Gorlice angeregt hatte, so hatte er dabei im,
Wesen nur an eine taktische Entlastung der Karpathenfront gedacht.
Falkenhayn wollte dem Durchbruch von Gorlice wohl von Anbeginn
eine größere Auswirkung sichern, aber auch er hatte nur das Erreichen
begrenzter Ziele im Sinne — wie etwa die Gewinnung des Sanflusses.
Es hatte dann auch weiter bei beiden Generalstabschefs stets neuer,
oft mühsam abgerungener Entschlüsse bedurft, ehe die Kriegshandlung
zu voller Reife gedieh. Man erinnere sich nur der unerhört schweren
Gewissenslast, die Conrad in den Tagen der Kriegserklärung Italiens
auf sich nehmen mußte.
Aus dem Blickfeld der obersten Führung zerfällt der große Feld-
zug in zwei scharf geschiedene Phasen. Der Vorstoß vom Dunajec über
Przemysl bis Lemberg stellt sich dem rückschauenden Beurteiler als un-
mittelbare strategische Auswirkung des Durchbruches von Gorlice dar,
und es darf hier sicherlich gefragt werden, ob der Erfolg dieser Offen-
sive kein größerer gewesen wäre, wenn sich die Führung der Mittel-
mächte von Haus aus die Gewinnung der Hauptstadt Galiziens als Ziel
gesteckt oder zu stecken vermocht hätte1). Dabei mag freilich zu be-
*) Moser, Ernsthafte Plaudereien über den Weltkrieg (Stuttgart 1925), 115 ff.
Vergleich mit Conrads ursprünglichem Kriegsplan
725
denken sein, daß es kaum allein auf den früheren Einsäte der durch
Falkenhayn allmählich beigestellten Verstärkungen angekommen wäre,
sondern auch auf eine raschere Bewältigung der Schwierigkeiten im
Nachschub, die auf diesem Kriegsschauplatze und bei den Zerstörungs-
methoden des Feindes von Anbeginn besonders groß waren und mit
jedem Schritt von der Grundstellung weg noch größer wurden. Wie dem
aber auch sei — den Russen gelang es jedenfalls, den durch die Stoß-
richtung Mackensens bedingten außerordentlich großen Gefahren zwar
unter Opfern, aber doch in geschlossener Front zu entrinnen, so daß
sich Ende Juni 1915, rein strategisch betrachtet, im Osten eine dem
Sommer 1914 nicht unähnliche Lage ergab, die naturgemäß auch die
Führung der Verbündeten vor ähnliche Aufgaben stellte wie vor Jahres-
frist die öst.-ung. Heeresleitung. Und man kann wahrnehmen, daß auch
Entschlüsse gefaßt wurden — allerdings gegenüber einem mehrfach aufs
Haupt geschlagenen Feinde — wie sie seit den Zeiten des FM. Heß zum
begründeten Rüstzeug jedes kaiserlichen Generalstabes gehörten und
nicht minder durch Conrad bei Kriegsbeginn gefaßt worden sind1).
Es mochte dem öst.-ung. Generalstabschef einige Befriedigung gewähren,
zu sehen, wie jetzt der Krieg doch die Bahn einschlug, die er ihm längst
und immer wieder aufs Neue zu weisen versucht hatte.
Dabei drängten sich, als Mackensens Heeresgruppe gegen Norden
angesetzt wurde, in die Erörterungen der Heeresleitungen auch wieder
die beiden grundlegenden Fragen ein, die beim Einleitungsfeldzug des
öst.-ung. Nordheeres entscheidend gewesen waren: die Fragen, wie der
Schutz des Hauptangriffes gegen Osten hin zu bewerkstelligen, und wie
das Zusammenwirken zwischen den galizischen und den ostpreußischen
Streitkräften einzurichten wäre. Die erste der beiden Fragen löste Con-
rad zu Anfang Juli zunächst noch dahin, daß er die unmittelbar östlich
und südöstlich von Lemberg kämpfenden Armeen an den oberen Bug
und an die Zlota Lipa vorstoßen ließ. Gegenüber dem Vorschlage
Conrads, den Nordstoß Mackensens in weiterer Folge durch eine be-
wegliche Flankendeckung zu sichern, drang Falkenhayn mit der Auf-
fassung durch, daß es verläßlicher sein werde, hinter der Ostflanke
Mackensens einen von Tag zu Tag sich gegen Norden verlängernden
Schützengraben zu ziehen.
Unterdessen war Mackensens Heeresgruppe schon in der ersten
1) Bd. I (2. Aufl.), 12 ff. ; Bd. II, 552; dazu auch K is z ling, FM. Conrads Kriegsplan
gegen Rußland (Mil. wiss. Mitt., Jhrg. 1925, 469 ff.) und Glaise-Horstenau, Franz
Josephs Weggefährte (Lebensbeschreibung Becks, Wien 1930), 261 ff.
726
#
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Juliwoche mit dem Einrücken in die Front Hrubieszów—Józefów etwa
in die Linie gelangt, in der Ende August und Anfang September 1914 der
Angriff des k. u. k. Nordheeres kulminiert hatte. Die Offensive mußte
damals vor allem wegen des Mißgeschickes aufgegeben werden, das
den rechten Heeresflügel ereilt hatte. Doch auch ohne dieses wäre den
angreifenden Armeen Auffenbergs und Dankls kaum ein durchschla-
gender Erfolg beschieden gewesen, da das von Conrad erhoffte Ein-
greifen des deutschen Ostheeres über den Narew ausblieb, die eigene
Angriffskraft aber nicht mehr ausreichte, diesen Ausfall zu ersetzen.
Nun aber, zu Anfang Juli 1915, ging Falkenhayn bereitwilligst auf die
Anregung Conrads ein, die Armee Gallwitz über den Narew mit dem
historischen Vorrückungsziele Siedlec anzusetzen. Dabei stellte er sich
allerdings zu Hindenburg und Ludendorff in heftigen Gegensatz, die
weiter nordwärts in der allgemeinen Richtung Minsk ausgreifen wollten x).
Der Meinungsstreit Siedlec oder Wilna, zuerst vom Deutschen Kaiser
zugunsten Falkenhayns entschieden, vertiefte die zwischen den beiden
Hauptquartieren längst bestehende Mißstimmung bis zur Unversöhn-
lichkeit. Innerhalb des dieser Darstellung gezogenen Rahmens ist nur
zu erwähnen, daß Conrad an der Stoßrichtung Siedlec festhielt, solange
die Russen noch westlich der Weichsel standen, dann aber das von Hin-
denburg und Ludendorff gewünschte weitere Ausgreifen befürwortete.
Gleichzeitig verfocht der öst.-ung. Generalstabschef den Plan — es war
nach dem Falle von Iwangorod und Warschau — daß nun auch das
Angriffsziel Mackensens tiefer in den Rücken des Feindes, also von
Siedlec in die Richtung Brest-Litowsk zu verlegen sei. Er fand aber
mit diesen noch immer von entschiedenem Vernichtungswillen diktierten
Vorschlägen, wie auch mit der Anregung, die Armeen Hindenburgs
möglichst bald zu verstärken, nicht die Zustimmung Falkenhayns. Dieser
schrieb am 9. August an den Rand einer Note seines öst.-ung. Kollegen,
daß es seiner Ansicht nach „unendlich weniger wichtig sei, wo die 11.
und die Bugarmee durchstießen, als daß es ihnen an irgendeiner Stelle
gelinge, wirklich durchzukommen2)". Noch bezeichnender für die grund-
sätzliche Einstellung zu den Problemen des Krieges äußerte sich Fal-
kenhayn vier Tage später schriftlich gegenüber Hindenburg: „Eine Ver-
nichtung des Feindes ist von den laufenden Operationen im Osten niemals
1) Ludendorff, Kriegs erinner ungen, 114 ff. ; F o e r s t e r, 125 ff. ; K a b i s e h,
Streitfragen des Weltkrieges 1914—1918 (Stuttgart 1924), 186; Zwehl, Falkenhayn
und zahlreiche sonstige Literatur.
2) Foerster, 139.
Wechsel des Schwergewichts bei der Heeresgruppe Mackensen
727
erhofft worden... Die Vernichtung im großen durfte im vorliegenden
Falle nach meiner Ansicht . . . auch nie angestrebt werden. Es fehlen
einfach die Grundbedingungen dafür1)."
Der von Falkenhayn aufgestellte Grundsatz, daß es gleichgültig sei,
wo man den Feind warf, wenn er nur irgendwo geworfen wurde, war
denn auch für die Führung des Feldzuges der Armeen Mackensens in
gewissem Sinne maßgebend geworden. Während jeweils die eine Armee,
die gerade taktisch günstigere Bedingungen vorfand, anzugreifen und
als Sturmbock zu wirken hatte, lag es an den anderen Streitkräften der
Heeresgruppe, Zurückhaltung zu wahren, bis wieder ihre Stunde schlug.
So hatte Ende Juni ein kurzer Vorstoß der 11. Armee, der auch zum Be-
ziehen der Grundstellung für den weiteren Angriff erforderlich war, die
vor der 4. Armee stehenden Russen zum endgültigen Rückzug hinter
den breiten Tanewgrund genötigt. Als kurz darauf ein großer Teil der
11. Armee doch wieder im Flankenschutz gegen Osten gefesselt wurde,
und ein neuer Impuls nur vom Einsatz von Verstärkungen zu erwarten
war, kam die 4. Armee an die Reihe, einen weiteren Schritt nach vor-
wärts zu tun und zugleich in der zehntägigen blutigen „Zweiten Schlacht
bei Krasnik" die Masse der Heeresreserven Alexe je ws auf sich zu ziehen,
wodurch wieder dem nächsten Angriff des rechten Nachbarn nützlich
vorgearbeitet wurde. Prompt führte dieser Mitte Juli den Schlag bei
Krasnostaw. Dieses abwechselnde Vorwärtsstampfen der schweren Kriegs-
maschine blieb auch dann Gesetz, als die neue Bugarmee an die Seite
der zwei anderen Stoßarmeen trat. Bis weit hinter die Front des Feindes
gezogene Gefechtsstreifen kennzeichneten diese Kampfführung, deren
Hauptelement der Stirnkampf mit jeweilig zusammengezogenen, sozusagen
fluktuierenden Stoßgruppen war.
Sicherlich entsprangen solche Methoden nicht durchaus dem freien
Wollen der Führung, sondern sie waren vielfach das Ergebnis verschie-
dener Bedingtheiten. Hatte sich doch Ende Juni der Stabschef Macken-
sens, GM. Seeckt, nachdrücklich mit dem Gedanken befaßt, entsprechend
starke Kräfte über den Bug zu werfen und von da aus flankierend in
den Kampf der Stoßarmeen eingreifen zu lassen ! Mit diesem Plane näherte
sich Seeckt in gewissem Sinne den Ideen Conrads über die Schaffung
eines beweglichen Flankenschutzes (S. 573). Die Absicht blieb jedoch
aus mehrfachen Gründen vorerst (S. 628) unausgeführt. Das Oberkmdo.
Mackensen sah auch dann von der Verwirklichung ab, als Mitte Juli
^das Vordringen Puhallos über den Bug gute Erfolgsmöglichkeiten zu
!) Foerster, 140.
728
Der Feldzug von Brest-Litowsk
bieten schien. Nachrichten über eine erhebliche Verstärkung der Russen
zwischen Bug und Weichsel und über ein Versteifen ihres Widerstandes
an dieser Hauptangriffsfront veranlaßten vielmehr das Heeresgruppen-
kmdo. am 18. Juli, die k. u. k. 1. Armee zum Halten zu befehligen. Mitte
August aber, als die Bugarmee dann doch östlich des Flusses, der ihr
den Namen gegeben hatte, vorzudringen begann, waren die Ereignisse
schon so weit ausgereift, daß ein gewiß auch manche Gefahr in sich
bergendes weiteres Ausholen gegen Osten keine entscheidende Wirkung
mehr versprach. Immerhin wäre es noch denkbar gewesen, auf dem
rechten Flügel der Hauptangriffsmasse stärkere Kräfte zu einem tiefen
Stoß in das Wirrsal der russischen Streitermassen zusammenzuraffen.
Aber man wagte sich nicht in das Sumpf- und Seengelände südwestlich
von Wlodawa hinein. Das Schwergewicht des Angriffes wurde viel-
mehr noch weiter gegen links verlegt, nach der Richtung Parczew hin.
Jedes Hinübersinken nach Westen erleichterte es aber den Russen, sich
aus der Umklammerung zu lösen, in der sie lange genug, bis in die
zwölfte Stunde, auszuharren gewagt hatten.
Die Vorstellung, die Sumpf gebiete seien für größere Heereskörper
nicht betretbar, erwies sich später als falsch. Sie war aber nicht die ein-
zige Ursache einer Kriegführung, die auf weiterreichende Erfolge ver-
zichtete. Das Bedenken, bei nach Osten ausholenden Bewegungen aus den
Weiten des russischen Raumes selbst in der Flanke gefaßt zu werden,
mochte nicht minder dazu beigetragen haben.
Das bei der Ausdehnung des Kriegstheaters schüttere, von den Russen
schwer beschädigte und aller Betriebsmittel beraubte Bahnnetz konnte
nur unter großem Zeitaufwand wiederhergestellt und auf mitteleuro-
päische Spurweite gebracht werden. Der Nachschub bereitete wachsende
Schwierigkeiten. Es ist bewundernswert, daß die bei Brest-Litowsk kämp-
fenden k. u. k. Truppen von den Bahnendpunkten westlich der Weichsel
auf 150 km Luftlinie überhaupt versorgt werden konnten. Trotzdem er-
forderte die Kriegslage, dem im Rückzug überaus geschickten Feind an
den Fersen zu bleiben, so daß das Zusammenziehen stärkerer Kräfte
auf mannigfaltige Hindernisse gestoßen wäre. Es ist nicht zu vergessen,
daß der gewaltige Feldzug auch so, wie er geführt wurde, die größten
Anforderungen an die Truppen stellte. Zutreffend sagt der auch heute
noch unübertroffene Barde des Weltringens, Hermann Stegemann, in
seiner „Geschichte des Krieges1)": „Der Feldzug hatte tiefe Lücken ge-
rissen. Jeder Tag hatte Blut gefordert, Dysenterie und Flecktyphus
*) Stegemann, Geschichte des Krieges, III. Bd. (Stuttgart 1919), 360 f.
Verluste bei Freund und Feind
729
schlichen durch die Reihen, Pferdeleichen lagen zu Tausenden auf den
polnischen Wegen, unzählige Kraftwagen waren zugrunde gerichtet wor-
den, und die Wiederherstellung von Bahnen, Straßen und Brücken kostete
viel Zeit und erforderte ein ungeheures, wertvolles Material, das zu
Kriegszwecken in fremder Erde verscharrt werden mußte. Dünn und
dünner wurde die Kampffront, denn die Etappe verschlang immer zahl-
reichere Kräfte. Die Kämpfer selbst waren müde und abgehetzt, un-
genügend verpflegt und von brütender Sonne, von klatschenden Regen-
güssen und erstickenden Sandstürmen hart mitgenommen."
Die Verluste, die das öst.-ung. Nordheer in den vier Feldzugs-
monaten seit Gorlice erlitten hatte, beliefen sich an Toten, Verwundeten
und Gefangenen auf etwa eine halbe Million Mann.
Da war es nun sicherlich zu erklären, wenn die Kunst des Manövers
schließlich zu kurz kam, und der Krieg in verhältnismäßig einfachen
Formen über die Wälder, Sandhügel und Sumpflandschaften Polens und
Wolhyniens hinwegrollte. Die Russen zogen daraus freilich erheblichen
Vorteil. Die noch zu Anfang Juli weit gegen Westen vorgeschobene Mitte
des Zarenheeres konnte zurückgenommen werden, ohne daß trotz der
schweren Schläge die Front irgendwo riß. Der Bogen verflachte sich,
bis schließlich die russische Schlachtordnung nach der Einnahme von Brest-
Litowsk in einer nahezu geraden, meridional gerichteten Linie verlief.
Wohl hatten die Russen seit Beginn des Monats Mai 100.000 Mann durch
Tod, über eine halbe Million durch Verwundung und Erkrankung und
mindestens ebensoviel durch Gefangennahme1) sowie über 2600 Geschütze,
1950 Maschinengewehre und eine Unmasse von Kriegsgerät verloren.
Von diesen Einbußen traf das russische Heer der Verlust an Waffen und
Kriegsgerät besonders schwer, da man bei deren Ersatz zum großen Teil
auf die Hilfe der Alliierten angewiesen war. Dagegen standen für die
Auffüllung der Stände noch immer fast unerschöpfliche Menschen-
reserven zur Verfügung. Auch hatten die Russen ihren Befehls- und Erhal-
tungsapparat im großen unversehrt zu retten vermocht, da den Heeren
der Mittelmächte die Abschnürung ganzer Armeen versagt geblieben war.
Solcherart lastete das Problem des russischen Krieges, an dem ein
Jahrhundert früher der Kriegsruhm eines Napoleon zerschellt war, noch
!) Rußland im Weltkriege 1914/18 in Ziffern, herausgegeben vom statist. Zen-
tralbureau (in russischer Sprache, Moskau 1925), 30. — Diese Veröffentlichung gibt
die Zahl der in Gefangenschaft geratenen Soldaten mit 457.288 Mann an — im Gegen-
satz zu den Angaben der Verbündeten, nach denen 1,007.332 Russen gefangenge-
nommen wurden.
730
Der Feldzug von Brest-Litowsk
immer schwer auf den Schultern der Feldherren der Verbündeten. Ihre
Heere hatten vom Mai bis August, in knapp vier Monaten, von Gorlice
über Przemysl und Lemberg bis Brest-Litowsk ein 520 km tiefes Schlacht-
feld in unaufhörlichen Kämpfen durchmessen und schließlich mit 13 Ar-
meen, die insgesamt 120 Infanterie- und 20 Kavalleriedivisionen wählten,
11 russische Armeen mit etwa 125 Infanterie- und 35 Kavalleriedivi-
sionen vor sich hergetrieben. Gegenüber der Bewegung solch gewaltiger
Massen verblaßte selbst die Erinnerung an Napoleons russischen Feldzug,
in dem die französische Armee zwar einen doppelt so weiten Weg! zu-
rücklegte, aber schon bei ihrem Ausschreiten nur 500.000 Mann stark
war. Der gigantische Siegeszug der Verbündeten mochte denn auch bis
auf weiteres die Gefahr eines Moskowitereinbruches in Mitteleuropa
zuverlässig gebannt haben. Zugleich war den Russen weites Land ent-
rissen worden, dessen wirtschaftliche Schätze den unter dem Hungerkrieg
schon schwer leidenden Mittelmächten wohl zustatten kommen sollten.
Aber kriegsentscheidende Bedeutung kam diesen mit nicht geringen
Opfern erkauften Erfolgen noch keineswegs zu, und politisch wurden
sie dadurch, daß sie unter den Mittelmächten und zwischen diesen und
Rußland die polnische Frage zwingend aufrollten, beinahe zu Parther-
pfeilen, die auf die Schützen zurückschnellten. Von den goldenen Brücken
zu Rußland hinüber, von denen Conrad gegenüber Burián gesprochen
hatte (S. 668), war man weiter entfernt denn je.
Unerbittlich nahm der Krieg im Osten seinen Fortgang.
DIE SOMMERSCHLACHTEN
GEGEN ITALIEN
Die erste Isonzoschlacht
(23. Juni bis 7. Juli)
Hiezu Beilage 37
Artillerievorbereitung und Erkun du ngsgefechte
(23. bis 29. Juni)
Nachdem der Aufmarsch des italienischen Heeres beendet war, und
seine Divisionen sich an die öst.-ung. Isonzofront herangeschoben hatten,
befahl Gen. Cadorna endlich am 21. Juni, einen Monat nach der Kriegs-
erklärung, seine beiden rechten Flügelarmeen zum entscheidenden Angriff.
Von der 3. Armee sollten am 23. das VII. und das neu in die Front ge-
stellte X. Korps „auf den Rand der Hochfläche [von Doberdò] zwischen
Monfaleone und Sagrado vorstoßen", während das XI. Korps (ohne die
22. ID.) zwischen Sagrado und der Wippachmündung zu demonstrieren
hatte. Bei der 2. Armee wurde dem VI. Korps die Eroberung des Görzer
Brückenkopfes zum Ziel gesetzt, wobei es durch die 22. ID. des XI. Korps
zu unterstützen war. Das II. Korps hatte den Isonzo zu überschreiten
und die Höhe KukAóll zu nehmen. Die 29. ID. des VIII. Korps wurde
der 2. Armee als Reserve zugewiesen. Als Heeresreserve wurde das
XIV. Korps (27. und 28. ID.) zwischen Cormons und Medea bereitge-
stellt1). Das selbständige IV. Korps hatte von Norden her die Befesti-
gungen von Tolmein anzugreifen2).
Doch nicht in raschem Ansturm wollten die Italiener die österreichi-
schen Stellungen erobern, sondern in einem langsamen, methodischen
Verfahren, das durch eine ausgiebige Beschießung eingeleitet werden sollte.
Dementsprechend begannen am 23. zuerst die italienischen Geschütze zu
donnern. Vom frühen Morgen an legte sich das Feuer auf den Rand der
Doberdohochfläche, um nachmittags auch auf den Görzer Brückenkopf
überzugreifen. Die Italiener verstanden es aber noch keineswegs, ein
*) Ital. Gstb. W., II, Dokumente, 177.
2) Tosti, 73 ; Z i n g a 1 e s, 231 ff. Aus der italienischen Literatur ist nicht zu
ersehen, welche Aufgaben dem XII. Korps der 2. Armee, weiters der 4. KD. zuge-
fallen waren. Von den Heeresreserven scheinen das XIII. Korps noch bei Verona, die
16. ID. des VIII. Korps bei Bassano verblieben zu sein.
734
Die Sommerschlachten gegen Italien
Vernichtungsfeuer auf die in Aussicht genommenen Einbruchspunkte zu
vereinigen, sondern überschütteten die Verteidigungsstellungen regellos
mit einem Geschoßhagel, der unverhältnismäßig wenig Wirkung erzielte.
Um das Ergebnis ihres Bombardements zu erkunden, unternahmen
die Italiener am 23. bei sinkendem Tage an mehreren Stellen Teilvor-
stöße gegen die Doberdohochfläche. Sie wurden überall abgewehrt, sogar
von den kleinen Abteilungen, die vor der Hauptverteidigungsstellung
lagen, so von einem Infanteriezug, der bis zur Kirche von Porto Rosega,
dann von je einer Kompagnie, die nach Sagrado und Sdraussina vorge-
schoben waren. Die beiden letztgenannten, die alle seit dem 9. Juni unter-
nommenen Übergangsversuche vereitelt hatten, wurden nun, um sie nicht
weiter zu gefährden, auf die Hauptstellung zurückgenommen, worauf in
der Nacht zum 24. die italienische 21. ID. des XI. Korps sich am Höhen-
rand zwischen Sagrado und Polazzo festzusetzen vermochte. Die 22. ID.
dieses Korps hielt nordöstlich davon das Flußufer zwischen der Wippach-
mündung und Lucinico besetzt.
Gegen den Görzer Brückenkopf hatte das italienische 2. Armeekmdo.
das VI. Korps (11., 12. und 4. ID.) frontal angesetzt, während das
II. Korps (3. und 33. ID.) von Piava über den Kuk A 611 gegen das
Kloster Mt. Santo vordringen sollte, um von Norden her in den Rücken
der Verteidiger zu gelangen1). Im Sinne des anbefohlenen methodischen
Vorgehens lag es, daß gegen die Front Podgora—Pevma—Oslavija zu-
nächst nur je eine Brigade der drei Divisionen des VI. Korps vorging, deren
Angriff sich am ersten Tage aber gar nicht fühlbar machte. Dafür griff
nachts bei Piava eine Brigade der 33. ID. achtmal an, ohne dem die
Höhe -<>-383 verteidigenden Bataillon der 1. GbBrig. nur einen Zoll Bodens
rauben zu können.
Das italienische IV. Korps beschränkte sich auf wirkungsloses Be-
schießen der Stellungen des k. u. k. XV. Korps.
Aus den Ereignissen des ersten Schlachttages hatte Gdl. Boroevic
den Eindruck eines dem Abschnitt III drohenden Massenangriffes ge-
wonnen und traf ungesäumt Maßnahmen, um die Gruppe Goiginger,
wenn geboten, verstärken zu können. Die Masse der 187. IBrig. der
94. ID. wurde eiligst nach Mavhinje und Sistiana vorgezogen, aus den
Marschformationen des XVI. Korps (18., 48. und 58. ID.) wurde unter
Obst. Mitlacher 2) rasch die drei Regimenter starke 16. MaBrig. gebildet
!) Zing al es, 231 ff.
2) Obst. Mitlacher war vorher Kommandant der 60. GbBrig. (siehe Kriegsgliede-
rung S. 25), deren Truppen aber nie vereinigt worden waren.
Verstärkung des Südflügels der k. u. k. 5. Armee
735
und nach Merna dirigiert. Beide Brigaden wurden dem FML. Goiginger
unterstellt. Hinter dem gleichfalls bedrohten Görzer Abschnitt ver-
blieben somit nur die ll.GbBrig. der 48.ID. und die 44.SchD., zusammen
zehn Bataillone.
Dem vorläufig allerdings noch recht wirkungslosen italienischen
Feuer konnte eine auch nur annähernd gleichstarke Artillerie nicht ent-
gegengestellt werden. Namentlich fehlte es an schwerem und weittragen-
dem Geschütz. Nur die bis in die vorderste Linie vorgezogenen zwei
30.5 cm-Mörser vermochten die italienischen schweren Batterien zu er-
reichen, deren Zahl Cadorna aber noch immer viel zu gering erschien,
um mit Erfolg die so „formidablen" österreichischen Stellungen zu be-
kämpfen1).
Das unbefriedigende Ergebnis des italienischen Artilleriefeuers am
ersten Schlachttage veranlaßte die feindlichen Führer, die Beschießung
an den folgenden Tagen fortzusetzen. Das Bombardement wurde wohl
vielfach von Teilvorstößen begleitet; doch trugen diese Angriffe noch
keineswegs den Charakter eines entscheidungsuchenden Ansturmes, son-
dern wurden offenbar nur zur Erkundung, zur Störung der Arbeiten an
den zerschossenen Stellungen sowie zur Gewinnung einzelner Gelände-
teile unternommen, deren Besitz als Ausgangspunkte für den späteren
Hauptangriff nötig zu sein schien. Drei Räume waren es vornehmlich,
in denen sich die Anfangskämpfe in der letzten Juniwoche abspielten:
am Plateaurand zwischen Monfalcone und Sdraussina, am Görzer
Brückenkopf und bei Piava, während an den Verbindungsstrecken beide
Gegner sich nur auf die Beobachtung beschränkten. Desgleichen durften
sich die Verteidiger des Tolmeiner Brückenkopfes und der zum Krn
sich hinanziehenden Höhenstellung bis zur Monatswende verhältnis-
mäßiger Ruhe erfreuen.
Auf der Karsthochfläche versuchten am 24. zwei Bataillone der ita-
lienischen 19. ID. vergeblich, von Polazzo aus das mauerfeste Gehöft
Castello (auf halbem Wege zwischen der Ruine 143 und Sagrado) im
Handstreich zu nehmen. Auch widerfuhr den Italienern das Mißgeschick,
daß ihre bei Sagrado geschlagene Kriegsbrücke neuerdings zerschossen
wurde. Erst nach Gangbarmachen der gesprengten permanenten Brücke,
über die dann ausreichend Infanterie an den Höhenfuß gebracht wurde,
wies der Herzog von Aosta dem XI. Korps und dem Nordflügel des
X. den Mt. S. Michele als Angriffsziel zu, wozu vorerst die Ruine 143
*) C a d o r n a, La guerra, I, 118.
736
Die Sommerschlachten gegen Italien
genommen werden sollte, während der Masse des X. Korps die Weg-
nahme der Höhe 118 aufgetragen wurde1).
Vorsichtig schoben sich nun an den nächsten vier Tagen die italieni-
schen Angriffstruppen unter dem anhaltenden Feuerschutze ihrer mäch-
tigen Artillerie an die österreichischen Kampfstellungen heran, die
durch die Beschießung empfindlichen Schaden erlitten. Doch nicht nur
auf den Höhenrand zwischen A121 und Sdraussina, sondern auch auf die
dahinter gelegenen Sammelräume lenkte der Feind seine Geschoßgarben,
ohne allerdings bei den im dolinenreichen Karstgelände geschickt ver-
teilten Reserven eine nennenswerte Wirkung zu erzielen. Immerhin störte
das auch nachts unterhaltene Geschützfeuer die nur bei Dunkelheit mög-
liche Ausbesserung der Stellungsschäden und rief schon am 26. Juni beim
FML. Goiginger den Eindruck eines unmittelbar bevorstehenden Massen-
angriff es hervor. Um diesem begegnen zu können, wurde allnächtlich ein
Regiment der 16. MaBrig. zur Straßengabel südwestlich von Merna vorge-
zogen, das allerdings wegen des quälenden Wassermangels bei Tag stets
wieder an die Wippach zurückmarschieren mußte. Im übrigen lehnten die
Bataillone der vordersten Kampflinie die ihnen zugedachte Ablösung ab,
um an der Abwehr des schon sehnsüchtig erwarteten italienischen An-
griffes mitwirken zu können. So kam es zunächst nur zu einer notdürfti-
gen Ordnung der schon stark vermengten Verbände, wozu der regne-
rische und deshalb auch ruhigere 28. Juni willkommene Gelegenheit bot.
Das am 29. mächtig anschwellende italienische Artilleriefeuer, das
sich mit besonderer Stärke auf den Raum westlich vom Mt. S. Michele,
dann auf die Höhen knapp östlich und nördlich von Monfalcone legte,
erhöhte die Besorgnisse des Abschnittskmdos. III, das nun zwei Batail-
lone der 185. IBrig. und ein Marschregiment dem GM. Boog, ein zweites
Marschregiment dem GM. Lukachich unterstellte, welche Truppen jetzt
dauernd näher an die Kampffront gezogen wurden.
Gegen Görz und seinen feldmäßigen Brückenkopf setzten die Ita-
liener am 24. gleichfalls die Beschießung fort, wodurch nicht nur die
Stellungen schwer beschädigt wurden, sondern auch das Kloster Mt.
Santo in Flammen aufging sowie deutlich gekennzeichnete Spitäler unter
dem Granatenhagel zu Schaden kamen. Die abends und nachts gegen
Oslavija und den mit Weinstöcken und Akazienbüschen bewachsenen
Podgorarücken unternommenen Vorstöße zerschellten aber an der wacke-
ren Haltung der unerschütterten Verteidiger. Dieses Wechselspiel von
Artilleriefeuer und nächtlichen Erkundungsvorstößen wiederholte sich
i) Tosti, 78.
Die Stärkeverhältnisse an der Isonzofront
737
bis 29. Juni, diesen miteinbegriffen, wobei sich die italienische Infanterie
stetig näher an die Stellungen heranarbeitete und die Gefahr eines dem
Brückenkopfe drohenden Massenangriffes deutlich fühlen ließ. Deshalb
ermächtigte Gdl. Boroevic schon am 24. abends das XVI. Korpskmdo.,
im Bedarfsfalle auf die östlich von Görz als Armeereserve stehende
ll.GbBrig. zu greifen.
Bei Piava griff am 24-. je eine Brigade der 3. und der 33. ID. an. Sie
versuchten hiebei den Verteidigern der Höhe -<¡>-383 von Norden her bei-
zukommen, wurden jedoch in ihre Ausgangsstellungen zurückgejagt und
erlitten mörderische Verluste, namentlich an Offizieren1). Das gleiche
Mißgeschick ereilte das italienische II. Korps, als es am nächsten Tage
bei strömendem Regen den Angriff erneuerte. Und auch am 26. ver-
mochte die sich trefflich bewährende 1. GbBrig. die schon nur mehr matt
angreifenden Italiener zurückzuschlagen.
War es den wackeren Kämpfern der 5. Armee bis jetzt wohl ge-
lungen, dem Feinde selbst den bescheidensten Raumgewinn streitig zu
machen, so verschloß sich das Armeekmdo. keineswegs der Erkenntnis,
daß der entscheidende Angriff erst bevorstand, der mit sehr unterlegenen
Kräften abgewehrt werden mußte. Dem 20 Bataillone starken XV. Korps
wußte es das durch Alpini und Bersaglieri verstärkte IV. Korps gegenüber.
Aber immerhin bot der Gebirgscharakter dieses Teiles der Armeefront
dennoch die Gewähr, daß der Abschnitt I trotz der bedeutenden Über-
legenheit des tatsächlich 60 Bataillone starken Feindes mit den eigenen
Kräften das Auslangen finden werde. Den 26 Bataillonen des XVI. Korps
gegenüber nahm Gdl. Boroevic zutreffend das italienische II. und VI.
nebst Mobilmilizbrigaden mit etwa 80 Bataillonen an; das von 40 Ba-
taillonen verteidigte Karstplateau wußte er vom XI., X. und VII. Korps
der Italiener, zusammen auf etwa 75 Bataillone geschätzt, umschlossen,
ungerechnet die zwei schon am Isonzo festgestellten Kavallerie di visionen
und die sonstigen herangeholten Heeresreserven. Die Abschnitte II und
III würden also jedenfalls Reserven gebraucht haben. Doch standen
dem Gdl. Boroevic nur mehr drei Marschbataillone bei Merna, vier
»
Bataillone und sechs Batterien von der 48. ID. — die übrigens bedin-
gungsweise schon dem XVI. Korps zugewiesen waren — südöstlich von
Görz, und die nur fünf Bataillone zählende 44. SchD. zur Verfügung.
Aber auch die letztgenannte sollte nicht mehr lange in seinem Be-
fehlsbereiche bleiben. Denn mittlerweile hatten die unerfreulichen Ereig-
nisse auf dem Krn ergeben (S. 533), daß bei der 20. HID. Truppe und
i) Tosti, 74.
II 47
738
Die Sommerschlachten gegen Italien
Führer den Anforderungen eines Krieges im Hochgebirge aus Mangel
an Erfahrung, Ausrüstung und Eignung der der Tiefebene entstammen-
den Mannschaft nicht entsprachen. Ein deshalb am 24. Juni vom GdK.
Rohr an das Südwestfrontkmdo. gestellter Antrag auf Ersatz dieser Di-
vision durch eine gebirgstüchtige, nötigte dem Erzherzog Eugen einen nicht
leicht zu fassenden Entschluß ab, da die einzig hiefür geeignete und
überhaupt verfügbare Reserve die bei der 5. Armee befindliche 44. SchD.
war. Da man aber in zutreffender Voraussicht den Kampf beginn erst
in einigen Tagen erwartete, wurde trotz der sowohl am Isonzo wie in
Kärnten genugsam gespannten Lage der gruppenweise Tausch der beiden
Divisionen gewagt. Am 28. Juni wurde die 44. SchD. nach Kärnten ab-
gesendet, nachdem knapp vorher die ersten 41/2 Bataillone und 5 Batterien
des VII. Korps in Dornberg eingetroffen waren. Boroevic besaß daher
nur IO1/2 Bataillone und 11 Batterien als Armeereserve für seine rund
80 km betragende Landfront, wozu noch die Sorge um die 30 km lange
Küstenstrecke Duino—Rovigno trat, die nicht aus dem Auge gelassen
werden durfte, weil man bei der Unkenntnis des Standortes der italieni-
schen Heeresreserven berechtigterweise immer wieder mit einem etwaigen
Landungsversuch in der Flanke rechnen mußte.
Noch größer als die doppelte Überlegenheit der Italiener an Infan-
terie war die an Artillerie; denn den 300 leichten und 54 schweren Ge-
schützen der 5. Armee wähnte man 600 Feld- und 100 schwere italie-
nische Feuerschlünde gegenüber, womit die tatsächliche Zahl aber noch
um mindestens 50 Feld- und etliche schwere Geschütze unterschätzt
worden war.
Erfreulich waren die relativ geringen Verluste; sie betrugen in den
Abschnitten II und III vom 23. bis 29. Juni insgesamt etwa 300 Tote und
etwas über 1000 Verwundete.
Die entscheidenden Tage der Schlacht
(30. Juni bis 7. Juli)
H i e z u Skizze 34
Nach siebentägigem Bombardement, einer bisher in der Kriegfüh-
rung noch ganz ungewöhnlichen Erscheinung, schritten am 30. Juni die
Italiener mit der 3. und der 2. Armee zum Angriff. Die Einleitungs-
kämpfe reiften zur Schlacht aus. Bei der 3. Armee sollte sich das
VII. Korps des Südwestrandes der Karsthochfläche, das X. des Mt. S.
Michele bemächtigen, indes dem XI. Korps offenbar noch eine fest-
Die ersten Anstürme gegen die Karsthochfläche
739
haltende Gefechtsaufgabe zufiel. Bei der gegen den Görzer Brückenkopf
angesetzten 2. Armee erwartete man sich viel von der 33. ID., die, nach
Süden herangezogen, von Piava über den Kuk gegen den Mt. Santo vor-
dringen sollte, um den frontalen Angriff des VI. Korps zu erleichtern1).
Da Cadorna jetzt nicht mehr von der Sorge eines österreichischen An-
griffes aus Tirol bedrückt wurde, zog er auch einen Teil der Heeresre-
serven nach Friaul heran und wies hievon zunächst die 29. ID. des VIII.
dem VI. Korps zur Verstärkung seines Südflügels zu.
Während sich am 30. gegen den Mt. Sabotino und die Podgorahöhe
trotz des gewaltigen Kräfteaufgebotes nur schwache Infanterieangriffe
richteten, entbrannte ein heftiger Kampf um die Karsthochfläche. Nachdem
schon in der vorangegangenen stürmischen Regennacht die italienische
19. ID. bei Redipuglia einen Überfall versucht hatte, schwoll am 30.
morgens das Artilleriefeuer zu ganz besonderer Heftigkeit an. Die am
Höhenfuß östlich von Sdraussina gelegenen Vorstellungen wurden hie-
durch unhaltbar und geräumt. Die südwestlich davon zur Ruine 143 sich
hinziehende Hauptstellung des linken Flügels der von GM. Boog be-
fehligten 93. ID. wurde gänzlich niedergetrommelt; ihre dezimierten
Verteidiger bezogen 200 bis 300 Schritte weiter östlich auf freiem Karst-
boden eine neue Stellung, ohne daß der Feind jedoch ernsthaft nach-
gefolgt wäre. Weiter südlich wurde der Abschnitt der 2. GbBrig., GM.
Lukachich, am Nachmittag zuerst von einzelnen Bataillonen, dann aber
von der ganzen, noch durch ein Bersaglieriregiment verstärkten italie-
nischen 20. ID. bestürmt. Doch bis zum Erreichen der Hindernisse war
die Stoßkraft der feindlichen Masse schon erheblich aufgebraucht, und
die Abteilungen, die zwar zunächst der Straße Selz—Doberdò einzu-
dringen vermochten, wurden durch einen glänzenden Gegenangriff
dreier Bataillone hinausgeworfen. Kläglich endete ein aus dem Angriffs-
raum der 13. ID. von einem Regiment gegen die Höhe A 121 unter-
nommener Vorstoß, weil schließlich nur ein Bataillon gegen den rechten
Flügel der 6. GbBrig., Obst. v. Hellebronth, wirklich vorgegangen war.
Die beiden ersten Julitage brachten eine auffallende Steigerung des
italienischen Feuers gegen den Tolmeiner Brückenkopf, vor dem auch
lebhafte Truppenbewegungen festzustellen waren; dagegen sank im
Görzer Abschnitt die Gefechtstätigkeit. Vor der Karsthochfläche ließ
der Herzog von Aosta aber nicht locker. Von frühestem Morgen an über-
schüttete die feindliche Artillerie den ganzen Kampfraum mit Geschossen,
um den bei sinkendem Tage einsetzenden Angriff vorzubereiten. Nach-
!) Zingales, 233.
47*
740
Die Sommerschlachten gegen Italien
dem am I.Juli etwa drei Regimenter des italienischen X. Korps zwischen
Redipuglia und Polazzo vergeblich vorzudringen versucht hatten, traten
in der fünften Nachmittagsstunde des folgenden Tages sieben bis acht
Regimenter des X. Korps gegen den Abschnitt Selz—Sagrado zum Angriff
an, der sich allerdings bald wieder in mehrere örtliche Kämpfe auflöste.
Hiebei trieben die Bataillone der Generale Boog und Lukachich den Feind
durch Feuer und durch Gegenstöße bis an den Höhenfuß zurück, nur bei
Redipuglia vermochte er sich nach dem Heranziehen von Verstärkungen
auf etwa 300 Schritte vor dem Hindernis festzuklammern.
War das Siegesgefühl der Truppen durch diese Erfolge auch mäch-
tig gehoben, so machte sich doch schon allenthalben schwere Ermüdung,
bemerkbar, die den Wunsch der Führer, ihre Bataillone abzulösen, ver-
ständlich erscheinen ließ. Gdl. Boroevic aber, der dem Abschnitt III
schon das dritte Regiment der 16. MaBrig. zur Verfügung gestellt hatte,
konnte sich nicht entschließen, seine letzten Reserven, viereinhalb Ba-
taillone des VII. Korps und vier östlich von Görz befindliche Bataillone,
einzusetzen; denn dazu war ihm die Lage noch zu wenig geklärt.
Die italienische Führung wieder war nach den erlittenen Miß-
erfolgen zur Erkenntnis gelangt, daß sie in der bisherigen Gruppierung
die Karsthochfläche nicht gewinnen könne. Deshalb ordnete der Herzog
von Aosta am 2. Juli abends an, daß sich an den Angriffen gegen den
Mt. S. Michele auch das XI. Korps zu beteiligen habe1). So stürmten am
3. Juli mehr als zwei Divisionen des X. und das XI. Korps gegen die
inneren Flügel der Abschnitte der Generale Boog und Lukachich an.
Nach wütendem, wechselvollem Kampfe gelang es einem von etwa drei
italienischen Regimentern durchgeführten Massenstoß, bei Redipuglia in
die österreichische Stellung einzubrechen. Doch Obst. Mitlacher, der den
rechten Flügel der Gruppe GM. Lukachich befehligte, raffte eiligst fünf
Bataillone zusammen und warf den Feind nicht nur aus der Stellung
hinaus, sondern weit über den Hang hinunter2). König Viktor Emanuel II.,
der von seinem Hauptquartier zu Udine nach Turriaco geeilt war, um vom
Kirchturm aus dem Kampfe zuzusehen, mußte Zeuge des Mißgeschickes
seinerTruppen sein3). Gdl.Boroevic stellte in Berücksichtigung des ernsten
1) Tosti, 78 f.
2) Bei diesen Kämpfen zeichnete sich Hptm. Stephan Inselt v. Gölle, Kommandant
des III. Bataillons des IR. 38, durch persönliche Tapferkeit und entschlußfreudige
Führung derart hervorragend aus, daß er mit dem Ritterkreuz des Militär-Maria.
Theresien-Ordens belohnt wurde.
3) Tosti, 79.
Mißglückter Angriff gegen das k. u. k. XV. Korps
741
Charakters der Karstkämpfe von seinen spärlichen Reserven die 41/2 Ba-
taillone des VII. Korps dem FML. Goiginger zur Verfügung, der sie dem
Mittelabschnitt des GM. Lukachich zuwies.
Am 3. Juli lebte aber auch der Kampf am Nordflügel der Isonzo-
front auf. Das italienische IV. Korps, das sich schon seit dem 30. Juni
rüstete, trat zum Angriff an, um den Besitz des Krnmassivs durch die
Eroberung des über den Mrzli vrh nach Tolmein streichenden Abfall-
rückens und der zwei im Isonzoknie südlich von Tolmein liegenden
Kuppen, die den Kernstützpunkt des Brückenkopfes bildeten, zu ver-
vollständigenx). Doch die zeitlich früh von der Krnspitze vordringen-
den Alpinikompagnien wurden von den Kroaten des Bataillons IV/S3 im
Nahkampf geworfen, und die italienische 8.ID., die südlich anschließend
bis zum Mrzli vrh angriff, brach schon 1000 Schritte vor den Hinder-
nissen zusammen. Die am 4. Juli im Krngebiet neuerlich angreifenden
Alpini wurden durch Handgranaten und Steinwürfe zurückgetrieben.
Südlich des Isonzo versuchte die durch Bersaglieri verstärkte 7. ID. gegen
den Tolmeiner Brückenkopf ihr Glück; aber auch sie wurde mit schweren
Verlusten heimgeschickt. Nun verzichtete das italienische IV. Korps auf
die Fortsetzung seines opferreichen Beginnens.
Am Karstplateau nahm unterdessen der Kampf am 4. Juli seinen
Fortgang. Tief gestaffelt schritten hier starke italienische Kräfte um
2h nachm. zwischen Sdraussina und Selz zum Angriff. Den ersten An-
sturm vollführte die 21. ID. desXI.Korps gegen den Mt. S. Michele. Nach
zweistündigem erbittertem Ringen war sie von den Truppen Boogs
geworfen. An der südlich anschließenden Front, wo die 31. ID. des
XIII. Korps die schon stark gelichteten Reihen des X. Korps verstärkte,
und auch die 14. sowie Teile der 13. ID. auftraten, waren Redipuglia
und Selz die Brennpunkte des wütenden Kampfes, bis nach wechsel-
vollem Fechten auch die letzten eingedrungenen Italiener hinausgeworfen
waren. Einige ganz zerschossene Stellungsteile, die im zusammengefaßten
italienischen Artilleriefeuer nicht mehr zu halten gewesen wären, wurden
gegen eine 100 bis 200 Schritte weiter hinten liegende Stellung eingetauscht.
Trotz der großen Verluste und der Ermüdung der Truppen Goi-
gingers entschloß sich Gdl. Boroevic noch immer nicht, seine letzte Ver-
fügungstruppe, vier Bataillone der 48. ID., auf den Karst zu ver-
schieben; denn erst am 6. Juli durfte er auf zwei weitere Bataillone des
VII. Korps sowie auf die Anfänge der durch die Heeresleitung vom Bal-
kankriegsschauplatz herandisponierten 10. GbBrig. der 61. ID. rechnen.
!) Tosti, 79 ; Z i n g a 1 e s, 233.
742
Die Sommerschlachten gegen Italien
Als am S.Juli die Kämpfe bei Tolmein im Abklingen waren, ging
nun am mittleren Isonzo die Hölle los, denn im Zusammenhang mit den
ununterbrochenen Stürmen gegen die Hochfläche von Doberdò wurde
auch das VI. Korps zum entscheidenden Angriff gegen Görz aufgerufen.
Eine Brigade der 3. ID. hatte den Mt. Sabotino anzugreifen, die 4. ID.
Oslavija und Pevma; die 11. und die 12. ID. sollten die Podgorahöhe und
die 29. ID. von Süden her die Brückenschanze bei Lucinico berennen.
Doch die italienische Infanterie ging zögernd, ungeordnet und ohne
Schwung vor, sie mußte vielfach von ihren Offizieren sogar mit Hieben
angetrieben werden. Deshalb vermochten auch die 8V2 den Brückenkopf
verteidigenden ^Bataillone die sechsfach überlegenen Italiener zurückzu-
schlagen und ihnen schwerste Verluste beizufügen1). Sie wurden vom
k. u. k. 58. IDKmdo. auf etwa 4000 Mann geschätzt, während die eigenen;
Truppen 65 Tote und 450 Verwundete zu beklagen hatten.
Ihren Gipfel erklomm die Schlacht mit den Kämpfen, die am 5.
auf der Karsthochfläche ausgefochten wurden. Nach mehreren nächt-
lichen Vorstößen vermochte das italienische X.Korps, das durch die halbe
22. ID. des XI. verstärkt worden war, schon um 8h morgens den Nordflügel
der Gruppe des GM. Lukachich einzudrücken. Nach Einsatz des HIR. 17
des VII. Korps wurde die Lage bei Redipuglia wiederhergestellt. Bei Po-
lazzo mußte das IR. 46 helfend beispringen, und es wurde Abend, ehe
die Stoßkraft des schwere Verluste erleidenden Angreifers gebrochen
war. Aber auch die Verteidiger waren am Ende ihrer Kräfte, die meisten
Bataillone auf die Hälfte, ja oft auf ein Drittel ihres Sollstandes zu-
sammengeschmolzen. Die Berichte des FML. Goiginger erfüllten den
Gdl. Boroevic daher umsomehr mit Besorgnis, als italienische Über-
läufer über das Eintreffen der 28. ID. bei Cormons und zweier weiterer
Divisionen bei Villa Vicentina berichteten, und Flieger bei diesen Orten
tatsächlich neue Truppenlager bemerkt hatten. Mit der Fortsetzung des
italienischen Angriffes mußte daher gerechnet werden. Boroevic ent-
schloß sich nunmehr, das 12. GbBrigKmdo. und 5 Bataillone der 48. ID.
sowie das eben eingetroffene HIR. 1 des VII. Korps (2 Bataillone) dem
Abschnitt III zuzuweisen. Er konnte umsomehr hoffen, nun auch einem
neuerlichen Anstürme zu widerstehen, als er vom Südwestfrontkmdo. ver-
ständigt wurde, daß er außer mit der 10. GbBrig. noch mit der von Pola.
1) Wie einem am 5. Juli von den öst.-ung. Radiostationen mitgelesenen italieni-
schen Funkspruch entnommen wurde, machte Cadorna der 2. Armee heftige Vorwürfe,
weil sie den gegen die Karsthochfläche gerichteten Ansturm der 3. nicht entsprechend
unterstützte (Ronge, 168).
Höhepunkt und Abklingen der Schlacht
743
herangeholten 14. GbBrig. rechnen dürfe, deren Spitzenstaffel gleichfalls
am 6. im Armeebereich einlangen werde.
Mit dem Zusammenbruch des italienischen Angriffes am 5. war
wohl die erste Isonzoschlacht im wesentlichen schon siegreich beendet.
Wenn an den nächsten zwei Tagen noch manchenorts neue Kämpfe auf-
loderten, so blieben sie doch an Heftigkeit weit hinter jenen des 5. Juli
zurück. So versuchten am 6. drei Alpinibataillone neuerlich gegen unsere
Krnstellung vorzukommen, wurden aber von den bewährten Höhen-
verteidigern abgewiesen, die sich hiebei auch der trefflichen Artillerie-
unterstützung der schon im Flitscher Abschnitt eingesetzten 44. SchD.
erfreuen durften. Bei Görz verspürte das italienische VI. Korps nach
dem letzten verlustreichen Mißerfolg wenig Neigung, es auf eine neue
Kraftprobe ankommen zu lassen. Nur gegen den Südflügel des Brücken-
kopfes richteten am 6. die 12. ID. und tags darauf die 29. ID. einige
ergebnislos bleibende Vorstöße. Auch bei der italienischen 3. Armee, die
mehrere neue Verbände in die vorderste Linie gestellt hatte, ließ der
Angriffseifer merklich nach. Abendliche Vorstöße der 21. ID. bei Sdraus-
sina, Polazzo und Redipuglia waren die einzigen Kraftäußerungen, zu
denen am 6. und 7. Juli sich die Italiener gegen die Karsthochfläche
noch aufzuraffen vermochten.
In der Nacht zum 8. Juli, an dem an der ganzen Isonzofront völlige
Ruhe eintrat, begannen im Abschnitt III die schon seit dem 5. be-
fohlenen, aber wegen der Kämpfe undurchführbar gewesenen Ablösun-
gen, wobei zunächst die 14. GbBrig. und die schon eingetroffenen Teile
des VII. Korps in die Front gestellt wurden.
Noch am 5. Juli hatte die Heeresleitung auch die Absendung der
zweiten Brigade der 61. ID., der 16. HGbBrig., samt dem Divisionskmdo.
von Slawonien an den Isonzo verfügt, welche Kraft nun durch die Neu-
bildung der k. u. 19. LstGbBrig. aus fünf Bataillonen der Savesicherung
ersetzt wurde. Durch das Abziehen der 61. ID. vom Balkan schwächte
das AOK. seine dortigen mobilen Truppen allerdings um ein Drittel;
doch es nahm dieses Wagnis bewußt in Kauf, da es der verläßlichen Ab-
wehr des italienischen Angriffes die größte Bedeutung beimaß, die russische
Front aber nicht schwächen wollte, an der sich die Verbündeten in erfolg-
reicher Offensive befanden. Schließlich trug das Südwestfrontkmdo. dem
Bedürfnis der 5. Armee nach einem einheitlichen Truppenverbande für
die Karsthochfläche dadurch Rechnung, daß es die Vereinigung des
VII. Korps am Südflügel der S.Armee verfügte. Hiezu hatte dem schon
eingeleiteten Wechsel der 44. SchD. und der 20. HID. vom 10. Juli an der
744
Die Sommer schlachten gegen Italien
gruppenweise Tausch der 48. und der 17. ID. zu folgen. Mit dieser Maß-
nahme war auch der Vorteil der Vereinigung des VII. Korps verknüpft.
Beim Ausklang der Schlacht standen zwischen Krn und Adria den
acht öst.-ung. Divisionen mit 92 Bataillonen, 300 Feld- und 56 schweren
Geschützen achtzehn italienische Divisionen (samt Alpini und Bersa-
glieri) mit 225 Bataillonen und etwa 700 Geschützen gegenüber, wobei
auf beiden Seiten noch nicht eingesetzte Heeresreserven unberücksichtigt
sind. Der Gewinn des zweiwöchigen Kampfes war für die Italiener ver-
schwindend klein und bestand nur in der Besitznahme des westlichsten
Ausläufers der Karsthochfläche zwischen Sagrado und der Ruine 143,
dann in der Festsetzung an den Höhenfüßen bei Redipuglia, Verme -
gliano und Selz. Zwar waren hiedurch gedeckte Batterieräume gewonnen
worden, aus denen weiterhin der Mt. S. Michele auch von Süden her
bekämpft werden sollte. Aber teuer genug war dieser bescheidene Ge-
winn erkauft worden, denn die Italiener büßten 1916 Mann an Toten,
11.495 an Verwundeten und 1536 an Vermißten und Gefangenen ein1),
indes die k. u. k. 5. Armee 8800 Mann durch Tod und Verwundung und
1150 an Vermißten verloren hatte2).
Bemerkenswert ist noch die Veränderung, die der Operationsplan
der Italiener im Verlaufe des Juni und der ersten Juliwoche erfahren
hatte. Während ursprünglich zunächst die Wegnahme der Hochfläche
von Bainsizza beabsichtigt war, war späterhin wegen der Unmöglichkeit,
den oberen und mittleren Isonzo zu überschreiten, das Schwergewicht
immer mehr nach Süden geglitten, bis sich schließlich — ganz im Gegen-
satz zur ersten Absicht — der Hauptangriff gegen die Karsthochfläche von
Doberdò gerichtet hatte. Cadorna stellt dies in seinen Denkwürdigkeiten3)
mit Bedauern fest, da er sich seinerzeit von einer ungesäumten Besitz-
nahme des oberen Idriatales die Möglichkeit einer raschen und unge-
hemmten Vorrückung in das Laibacher Becken erträumt hatte.
Bei der k. u. k. 5. Armee muß außer dem taktischen Erfolg der
nahezu völligen Behauptung der Kampflinie noch der in dieser Schlacht
erzielte moralische Gewinn besonders hervorgehoben werden. Aus dem
x) Ital. Gstb. W., II, Text, 225. Die italienischen Verluste betrugen 5.95 o/o des
Gesamtstandes der 2. und der 3. Armee.
2) Die Verluste der 5. Armee verteilen sich wie folgt: Abschnitt I: 850 Tote,
Verwundete und Vermißte; Abschnitt II: 2300, Abschnitt III: 6800. — Verfeuert
wurden in der Zeit vom 29. Juni bis einschließlich 5. Juli im Abschnitt 1: 240.000 Ge-
wehrpatronen, 3100 Artilleriegeschosse; im Abschnitt II: 410.000 Patronen und 10.840
Geschosse; im Abschnitt III: 1,800.000 Patronen und 40.100 Geschosse.
3) C a d o r n a, La guerra, I, 124. ' ¡
Moralische Erfolge der k. u. k. Truppen
745
Gelingen des ersten kühnen Versuches, den zahlenmäßig weit überlegenen
Feind nahe der Grenze aufzuhalten, war die Überzeugung geschöpft
worden, auch den weiteren Angriffen erfolgreich die Stirne bieten zu
können. Hiemit war der Grundstein für alle folgenden Schlachten gelegt,
die am Isonzo im Verlaufe von achtundzwanzig Monaten geschlagen
werden sollten. Der in der ersten Isonzoschlacht erkämpfte Abwehrsieg
hatte aber auch der öst.-ung. Wehrmacht wie dem ganzen Reiche erheb-
lichen Gewinn an Ansehen und Geltung eingebracht. Das gesteigerte Selbst-
vertrauen der Führung im Kampfräume fand sinnfällig dadurch seinen
Ausdruck, daß an der zweiten der im Bau befindlichen hinteren Stellun-
gen, die etwa 10 bis 16 km westlich von der oberen Save verlief, nicht
mehr weitergearbeitet wurde. Die dortigen Arbeitskräfte konnten der
vordersten Linie zugeführt werden.
So willkommen dieser Zuschuß an Arbeitshänden auch war, konnten
doch die zahlreichen Mängel der Verteidigungsstellung nicht in der
kurzen Zeit bis zum Wiederaufflammen der Kämpfe behoben werden. Im
Abschnitt I stand vornehmlich der Felsboden des Gebirges dem Stel-
lungsbau hindernd entgegen, und im Kampfraum des XVI. Korps war
es die große Ausdehnung, die einen raschen Arbeitsfortschritt unmöglich
machte. Die schwierigsten Verhältnisse bestanden aber auf der Karst-
fläche von Doberdò, wo der nackte Stein die Herstellung von Kampf-
gräben und schußsicheren Unterkünften ungemein erschwerte. Hier
wurden die Truppen überdies durch den Wassermangel empfindlich ge-
quält; es dauerte viele Monate, bis die erste vom Armee-Etappenkmdo.
gebaute Wasserleitung einige Abhilfe schuf.
Die zweite Isonzoschlacht
(18. Juli bis 10. August)
Hiezu Beilage 38
Bereitstellung der Kräfte, und Einleitungskämpfe
auf der Karsthochfläche und vor Görz
(18. und 19. Juli)
Nach dem Abflauen der ersten Schlacht gewährten die Italiener den
Verteidigern der Isonzofront eine Ruhepause von kaum zwei Wochen.
Dann schritten sie neuerlich zum Angriff.
In richtiger Erwartung eines baldigen feindlichen Ansturmes hatten
746
Die Sommerschlachten gegen Italien
die öst.-ung. Befehlsstellen das Heranführen der für die 5. Armee be-
stimmten Verstärkungen beschleunigt und die nötig erscheinenden Ab-
lösungen eingeleitet. Während beim XV. Korps alles unverändert blieb,
wurde beim XVI. die von Syrmien herangeführte 10. GbBrig. der 61. ID.
im Nordteil des Görzer Brückenkopfes eingesetzt. Die zum Abtransport
nach Kärnten bestimmte 12. GbBrig. der 48. ID. stand bei Beginn der
zweiten Schlacht noch südlich von Görz in Reserve. Auf der Karsthochfläche
übernahm am 10. Juli das VII. Korpskmdo. den Befehl über den Ab-
schnitt III. Dort standen die 20. HID. am rechten Flügel, die 61. ID.
(14, Gb- und 16. HGbBrig.) in der Mitte und die 57. ID. (6. Gb- und
187. IBrig. der 94. ID.) am linken Flügel. Die 2. GbBrig. der 57. ID. und
die eben eintreffende 17. ID. waren Korpsreserve. Die 93. und die 94. ID.
waren derart umgeformt worden, daß jene, die sich als Armeereserve im
Wippachtale befand, die 8y2 kampfkräftigeren Marschbataillone erhielt.
Die aus Landsturm- und Küstenschutzabteilungen gebildete 94. ID. wurde
mit der Küstenbewachung betraut.
Gdl. Boroevic hatte noch die eintreffende 17. ID. statt der 61. ID.
in die Front stellen und diese — nur mit der 16. LstGbBrig.1) — zum
XVI. Korps verschieben wollen, wo sich schon die andere Brigade dieser
Division, die 10. GbBrig., befand. Die 14. GbBrig. sollte die Reserve des
VII. Korps bilden. Doch ehe diese am 16. Juli befohlenen Ablösungen
durchgeführt werden konnten, brach der italienische Angriff los.
Die Stärke der 5. Armee betrug am 18. Juli — die nach Kärnten
noch nicht abgesendete 12. GbBrig. und die eintreffende 17. ID. ein-
gerechnet, aber ohne Marsch- und Küstenschutzformationen — 105 Ba-
taillone mit 103.000 Feuer- und 236 Maschinengewehren, außerdem noch
1850 Reiter und 431 Geschütze.
Cadorna nahm für die Fortsetzung des Angriffes in Aussicht, den
Hauptschlag abermals gegen die Karstfläche zu führen, insbesondere
gegen den Mt. S. Michele und gegen die Höhe A 118 (Mt. dei sei Busi).
Nach Eroberung dieser beiden Eckpfeiler der Karststellung sollte an die
Bezwingung des Görzer Brückenkopfes geschritten werden2). Cadornas
Angriffsbefehl vom 15. Juli bestimtnte für die erste Aufgabe die 3. Armee.
Die 2. Armee hatte indes den Gegner zwischen Piava und der Wippach-
mündung durch Angriffe zu binden und namentlich Artillerieverschie-
bungen zu verhindern.
!) Die 16. HGbBrig. führte, weil nur aus ungarischem Landsturm bestehend, von
nun an die Bezeichnung : k. u. 16. LstGbBrig.
2) Cadorna, La guerra, I, 140; Ital. Gstb. W., II, Text, 225 ff., Dokumente, 254.
Der Angriffsplan der Italiener
747
Die Angriffsweisungen des italienischen 3. Armeekmdos. entsprachen
der ihm übertragenen Aufgabe. Das Schwergewicht war auf die Erobe-
rung des Mt. S. Michele und des südwestlich davon gelegenen Dorfes
S. Martino gelegt, wozu das XI. Korps mit der 19. und der 21. ID. im
ersten und mit der 22. ID. im zweiten Treffen angesetzt wurde. Den
südlichen Pfeiler, den Mt. dei sei Busi, hatte das VII. Korps (13. und
14. ID.) anzugreifen. Zu seiner Unterstützung hielt sich hinter ihm die
27. ID. als Armeereserve bereit. Zwischen den beiden Hauptangriffs-
gruppen hatte das nur mehr eine Division (20. ID.) starke X. Korps im
Einklänge mit den beiden Flügelkorps vorzurücken. Drei Kavallerie di Vi-
sionen standen teils als Küstensicherung, teils als Armeereserve zwischen
der Sdobba und der Aussa.
Das 2. Armeekmdo. befahl dem VI. Korps (12., 11. und 4. ID.), sein
methodisches Vorgehen zur Eroberung des Görzer Brückenkopfes fort-
zusetzen, während dem vor Piava und Canale stehenden II. Korps (3.
und 32. ID.) für seine Angriffshandlungen freie Hand gelassen wurde.
Beim IV. Korps waren schon seit einigen Tagen Vorbereitungen für eine
Umfassung des Tolmeiner Brückenkopfes von Norden her im Gange.
Im Isonzoabschnitt südlich von Lucinico hatte im Sinne der Weisungen
Cadornas die halbe 29. ID. einen Flußübergang vorzutäuschen und die
Verbindung zwischen den inneren Flügeln der 3. und der 2. Armee her-
zustellen. Die andere halbe 29. und die 23. ID. bildeten nordwestlich
von Cormons die Reserve des 2. Armeekmdos.
Die Heeresleitung hatte als ihre Verfügungstruppe das XIV. Korps
(28. und 30. ID.) hinter die Mitte der 3. Armee genommen. Schließlich
war reichlich schweres Geschütz, namentlich für die 3. Armee und für
das VI. Korps, herangeschafft worden.
Es entsprach ganz der bedächtigen Heerführung der Italiener,
wenn der Kommandant der 3. Armee, der Herzog von Aosta, zuerst auf
dem Höhenrande zwischen dem Isonzo nordöstlich von Sdraussina und
dem Karsthügel A 118 einen Aufmarschraum schaffen wollte, aus dem
dann der umfassende Angriff gegen den flachgewölbten Mt. S. Michele
angesetzt werden sollte. Vorher hatte aber ein durch Einsatz zahlreicher
schwerer Batterien kräftiger gestaltetes Artilleriefeuer dem Sturm der
Infanterie den Weg zu bahnen. So begann die Schlacht am 18. Juli mit
einer machtvollen Beschießung der ganzen Karsthochfläche. Desgleichen
ließ die 2. Armee gegen den südlichen und mittleren Teil des Görzer
Brückenkopfes ihre Geschütze spielen, während sich gegen das XV. Korps
nur mäßiges, durch ein heftiges Gewitter gedämpftes Feuer richtete.
748
Die Sommerschlachten gegen Italien
Die Beschießung der Stellungen der 61. ID. und der 20. HID. auf
der Hochfläche von Doberdò, die um 4h früh begonnen hatte und die
sich um die Mittagszeit zur größten Heftigkeit steigerte, verursachte be-
deutende Verluste in den Reihen der in der vordersten Linie stehenden
Verteidiger und große Schäden an den ohnehin fast nur durch Stein-
schlichtung geformten Deckungen.
Im Gegensatz zur ersten Isonzoschlacht, in der die allerdings noch
ungeregelte Feuervorbereitung der Italiener mehrere Tage andauerte,
schritten diesmal die 14.ID. noch am 18. Juli um llhvorm., das XI. Korps
um lh und die 20. ID. um 2h nachm. zum Angriff. Dieser löste sich bald in
eine Reihe blutiger Nahkämpfe auf, in denen sehr oft das Bajonett den
Ausschlag gab. Das Ergebnis war, daß bloß bei der 20. HID. östlich von
Sdraussina die Front zweier Kompagnien um etwa 200 Schritte zurück-
gedrängt wurde. An diesem dürftigen Ergebnisse änderte auch ein bei
Einbruch der Dunkelheit wiederholter allgemeiner Angriff der Italiener
nichts, an dessen Abwehr bei der 20. HID. sich auch schon die 33.IBrig.
der 17.ID. beteiligen konnte. Die 2.GbBrig. wurde hinter die 14. gestellt,
denn die Verluste der in der Front stehenden Brigaden waren beträchtlich;
namentlich die ungarischen Landsturmregimenter der 16. LstGbBrig.
hatten stark geblutet1).
Die gegen den Görzer Brückenkopf und gegen die Stellungen öst-
lich von Piava gerichteten Angriffe waren bloß demonstrativer Art; sie
konnten mühelos abgewehrt werden.
Aus den Ereignissen des Tages hatte das k. u. k. 5. Armeekmdo. den
Eindruck eines gegen die Abschnitte III und II teils im Gange, teils in
Vorbereitung befindlichen Angriffes gewonnen, der durch noch heran-
rückende Reserven genährt werden würde. Dem Gdl. Boroevic standen
nur die schwache 93. ID. sowie die 12. GbBrig., deren Rückbehaltung
vom AOK. genehmigt worden war, als Armeereserve zur Verfügung.
Der 19. Juli wurde durch einen vor Tagesanbruch längs der
Straße Vermegliano—Doberdò unternommenen Vorstoß des italienischen
VII. Korps eingeleitet, der rasch Raum gewann. Reserven der 61. ID.
und herbeieilende Abteilungen der südlich anschließenden 6. GbBrig.
vermochten schließlich bis 8h früh den Feind aufzuhalten. Der nördliche
Abschnitt der Hochfläche lag vom frühen Morgen an wieder unter dem
Eisenhagel der übermächtigen italienischen Artillerie, worauf gegen 4h
nachm. der durch die halbe 22. ID. verstärkte rechte Flügel des italieni-
i) Das Ital. Gstb. W., II, Text, 239, führt an, daß die 3. Armee am 18. Juli 2500
Gefangene eingebracht, selbst aber nur 1000 Mann Verluste erlitten habe.
Erbitterte Kämpfe am 19. Juli
749
sehen XI. und das X. Korps zum Angriff schritten. Ihr Ansturm wurde
abgeschlagen, nur ein schmales Grabenstück bei der Ruine 143 blieb
in Feindeshand. Bei sinkender Sonne versuchte auch das italienische
VII. Korps in mehreren hartnäckig wiederholten Stürmen gegen Do-
berdò durchzubrechen. Doch vergebens; die Vorstöße mißglückten und
die treffsicher schießende Artillerie der 61. ID. zog blutige Furchen in
die Reihen der zurückflutenden Italiener.
Auch der Görzer Brückenkopf wurde am 19. durch ernstere An-
griffe bedroht. Nach starker Beschießung schritt zur Mittagsstunde das
VI. Korps mit drei Divisionen zum Sturm. Bis 4 h nachm. währte das er-
bitterte Ringen, ehe , die letzten Italiener aus der arg beschädigten Hin-
derniszone hinausgeworfen waren. Einem um 5h wiederholten Angriffe
war das gleiche Mißgeschick beschert. Die demonstrativen Vorstöße des
italienischen II. Korps an dem tief eingeschnittenen Isonzo tal wurden
von der 1. GbBrig. leicht abgewiesen.
War an den beiden Kampftagen beim k. u. k. XVI. Korps gar kein
und beim Korps Erzherzog Joseph kein erwähnenswerter Geländeverlust
eingetreten, so wirkte die hohe Einbuße von etwa 5500 Toten, Verwunde-
ten und Vermißten doch erschreckend, die das VII. Korps bis jetzt zu
beklagen hatte. Am stärksten hatte die 20. HID. gelitten, obwohl sich ihr
Nordflügel am zweiten Schlachttage verhältnismäßig der Ruhe erfreuen
durfte. Sie zählte, am 18. mit 6000 Gewehren in den Kampf getreten,
nur mehr 2000 Mann, die seelisch sehr stark hergenommen waren. Um
das VII. Korps zur Abwehr weiterer Angriffe zu befähigen, zögerte das
5. Armeekmdo. nicht, ihm die 93. ID. zuzuweisen, die vom Erzherzog in
den Raum zwischen Doberdò und S. Martino vorgezogen wurde. Ihr
Führer, GM. Boog, hatte noch am 19. den Befehl im Abschnitt zwischen
der Wippach und Polazzo übernommen und sollte die besonders ruhe-
bedürftige 81.HIBrig. möglichst bald aus dem Kampfe ziehen.
Auch der Heeresleitung bereiteten die ungewöhnlich hohen Verluste
des VII. Korps ernste Sorgen. Wiederholten sie sich bei Fortsetzung der
Schlacht, deren Höhepunkt erst bevorstand, so schien es fraglich, ob sie
mit Erfolg durchgekämpft werden könne. Das AOK. mußte aber auf
eine verläßliche strategische Rückendeckung am Isonzo für das zurzeit
vor Iwangorod, Lublin und Cholm in entscheidende Kämpfe verwickelte
Nordheer bedacht sein. Sollte die Offensive mit Erfolg weitergeführt
werden, durfte dieses auch durch Kräfteabgaben nicht geschwächt werden.
Um die S.Armee trotzdem weiterhin zu nachhaltigem Widerstand zu be-
fähigen, griff das AOK. auf die einzigen mobilen Reserven an öst.-ung.
750
Die Sommerschlachten gegen Italien
Truppen der Balkanfront, auf die 59. ID. und die 19. LstGbBrig., die
vom 21. und vom 24. an der Isonzofront zugeführt wurden. Hier be-
gannen sie am 22. und am 25. Juli einzutreffen.
Verlust und Rückeroberung des Mt. S. Michele
(20. bis 24. Juli)
Die Eroberung des Raumes bei der Ruine 143 durch das italienische
X. Korps enthob das XI. weiterer Sorge um seine rechte Flanke. Oline
den für den Angriff auf den Mt. S. Michele als nötig erachteten Aus-
gangsraum auch im Süden beim VII. Korps schon gewonnen zu haben,
ließ der Herzog von Aosta das X. und das XI. Korps am 20. zur Wegnahme
dieser Höhe schreiten, der für den Besitz der Karstfläche entschei-
dende Bedeutung zukam. Hiezu sollten die beiden Korps den Ansturm
zwischen der Wippach und der Höhe A 118 (ausschließlich) erneuern,
während das VII. gegen die letztgenannte Höhe vorerst nur demonstrativ
zu wirken hatte. Eine fünfstündige Feuervorbereitung sollte den dritten
Schlachttag einleiten1).
Ehe aber die italienischen Batterien ihr Feuer begonnen hatten,
schritt GM. Boog im Morgengrauen mit Bataillonen der 20. HID. und
der 17. ID. zur Rückeroberung der am Vortage verlorenen Stellungsteile.
Doch schon während der nächtlichen Bereitstellung zu dieser Unter-
nehmung hatten die Truppen durch italienisches Geschützfeuer schmerz-
liche Verluste erlitten2). Der Angriff war daher auch nur teilweise von
Erfolg gekrönt und löste schon vormittags einen italienischen Gegenstoß
aus. Diesem folgte nach einem die Widerstandskraft der Verteidiger
schwer erschütternden Massenfeuer der italienische Hauptangriff gegen
den Mt. S. Michele. Da die italienischen Batterien auch den Osthang mit
ihrem Eisenhagel bedeckten, wurde ein sofortiges Vorführen der bereit-
gestellten 93. ID. zur Unterstützung der äußerst bedrängten Verteidiger
unterlassen, um vorzeitige Verluste zu vermeiden. Sie und die zum
Straßenbug südwestlich von Merna in das Vallonetal herangezogene
12. GbBrig. waren aber bereit, für den Fall des Verlustes der Höhe zum
Gegenangriff zu schreiten. Unterdessen kämpften die stark vermengten
Truppen der 20. HID. und der 17. ID. mit Hartnäckigkeit und Erbitte-
rung um den von den hageldicht einfallenden und explodierenden Ge-
schossen in ein Rauchmeer gehüllten Mt. S. Michele; schließlich erlagen
!) Tosti, 87; Ital. Gstb. W., II, Text, 250.
2) Das IR. 96 büßte während dieser Nacht allein 13 Offiziere und 600 Mann ein.
Kritische Lage am Südflügel der k. u. k. 5. Armee
751
sie der Übermacht. Um 5h3° nachm. gewann das italienische XI. Korps
den flachen Oberteil des Berges1), während weiter gegen Südwesten hin
die Gruppe Boog, unterstützt durch schneidige Gegenstöße der 14. Gb-
Brig., alle Stellungen zu behaupten vermochte. Auch die 61. ID. schlug
alle Angriffe des X. und des VII. Korps der Italiener zurück.
Die kritische Lage am Südflügel der 5. Armee veranlaßte das Süd-
westfrontkmdo., nun im eigenen Bereich nach Reserven Umschau zu
halten Nur in Tirol waren zwei Regimenter verfügbar, das KJR. 4
und das KSchR. I, die ihre Stände auffüllen und, ihrer alten Mannschaft
längst beraubt, alpin ausgebildet werden sollten. Sie wurden nun eiligst
an den Isonzo verschoben. Auch legte Erzherzog Eugen dem Gdl. Boroe-
vic nahe, das XV. Korps, bei dem nur auf dem Km gekämpft wurde
(S. 539), zugunsten der südlichen Abschnitte zu schwächen, auf welche
Anregung das 5. Armeekmdo. wegen des bei Tolmein etwa eintretenden
Truppenbedarfes jedoch nicht einging. Dafür gestand Boroevic dem
VII. Korps das Recht zur Einreihung seiner im oberen Wippachtale
bereitgestellten XII. Marschbataillone zu.
Unterdessen traf GM. Boog am 20. abends die Vorbereitungen für
den Gegenangriff auf den Mt. S. Michele mit insgesamt 15 Bataillonen
der 20. HID., der 17. und der 93. ID. sowie der 12. GbBrig. Dieser be-
gann nach zweistündiger Feuervorbereitung am folgenden Tag um 4h
früh. Schon nach fünfviertel Stunden durfte Boog die Rückeroberung
des Gipfels melden. Nun beabsichtigte Boog den Feind bis an den Isonzo
zurückzuwerfen; doch heftiges Feuer, das den verfolgenden Truppen
entgegenschlug, hemmte die weitere Vorrückung2).
Cadorna hatte schon am 20. abends der 3. Armee seine Heeres-
reserve, das XIV. Korps, mit der ausdrücklichen Weisung eines ge-
schlossenen Einsatzes zur Verfügung gestellt. In der Not des Augen-
blicks, vor Boogs Gegenangriff, wurde die 30. ID. jedoch brigadeweise
beim XI. und X. Korps in die Front geworfen und die bisherige Armee-
reserve, die 27. ID., dem VII. Korps zugewiesen, während sich der
Herzog von Aosta die 28. ID. des XIV. Korps als neue Verfügungstruppe
zurückbehielt3).
Die große Erschöpfung der Truppen ließ es dem GM. Boog rätlich
erscheinen, die Fortsetzung des Angriffes auf den 22. zu verschieben. So
wurde dieser Tag zeitlich früh mit dem Angriff des Nordflügels des
1) Ital. Gstb. W., II, Text, 251.
2) Erzherzog Joseph, II, 199 f.
s) Ital. Gstb. W., II, Text, 250.
752
Die Sommerschlachten gegen Italien
VII. Korps eingeleitet, durch den der Feind bis an den Höhenrand bei
Sdraussina zurückgeworfen wurde. Doch ein von Nordwesten her ge-
führter Gegenstoß von Teilen der 30. und 28. ID. der Italiener brachte
die schon ermatteten und arg gelichteten Streiter Boogs um ihren Ge-
winn. In der am Morgen innegehabten Ausgangsstellung, die nun zu
behaupten war, sollten Ergänzungen eingereiht werden. Sie waren be-
sonders bei der 20. HID. nötig, die nur mehr 1200 Gewehre zählte. Das
heftige Artilleriefeuer, das auch das Hintergelände abfegte, verhinderte
aber bei Tag jeden Verkehr. Die Truppen blieben daher ohne Verpfle-
gung und auch ohne Wasser, was bei der herrschenden Hitze wieder
besonders quälend war.
Die am 21. von den Italienern weiter im Süden unternommenen An-
griffe boten der 61. und der 57. ID. Gelegenheit, erneut ihre uner-
schütterte Widerstandskraft zu erweisen. Bei der 61. ID. währte das
Ringen sogar bis zum 22. früh; zu Mittag und in der Nacht zum 23.
mußte sich die Division neuerlicher Durchbruchsversuche an der Straße
nach D ober dò erwehren.
Auf dem Mt. S. Michele senkten am 23. nach dem fünftägigen blu-
tigen Streite beide Gegner ermattet die Waffen. Das Abflauen des ita-
lienischen Feuers ermöglichte es endlich, den Truppen Verpflegung und
Mannschaftsersatz zuzuführen und die erforderlichen Ablösungen vor-
zunehmen. So trat am 23. abends an Stelle der nach Merna als Reserve
des VII. Korps zurückgenommenen 93. ID. die neu eingetroffene 9. Gb-
Brig. der 59. ID. westlich vom Mt. S. Michele in die Front ein. Am fol-
genden Tage wurde die 12. GbBrig. knapp hinter dieser Höhe als Re-
serve aufgestellt. Den Befehl über den nördlichen Abschnitt des VII. Korps,
in dem auch noch Teile der 20. HID. und der 17. ID. standen, übernahm
der neue Führer der 20. HID., GM. Lukachich. Die beiden Regimenter
aus Tirol wurden bei Selo versammelt.
Hitziger ging es am 23. und 24. am Südwestrand der Doberdò-
karstfläche zu. Hier verursachte am 23. vormittags ein Angriff des ita-
lienischen VII. Korps einen Einbruch zwischen Selz und Vermegliano,
dessen örtlicher Erfolg aber am nächsten Morgen von der 61. ID. mit
Unterstützung von Teilen der 2. GbBrig. wieder wettgemacht wurde.
Kurz darauf ging dieser Stellungsteil wohl wieder verloren, weil die
statt der italienischen 14. ID. frisch in die Front gestellte 27. ID. mit
ganzer Kraft zum Angriff schritt. So kam die 61. ID. gar nicht zur
Ruhe; auf sie entfiel auch der Großteil der am 23. und 24. Juli 2800
bis 3000 Mann betragenden Verluste des k. u. k. VII. Korps.
Vergebliche Anstürme des italienischen VI. Korps
753
Der Kampf um den Görzer Brückenkopf
(20. bis 24. Juli)
Zur selben Zeit wie auf dem Karst wurde auch vor Görz erbittert
gerungen, da sich das italienische VI. Korps sehr ernsthaft um die ihm
aufgetragene methodische Eroberung des Brückenkopfes bemühte (S. 747).
Einem am 20. vormittags unternommenen Erkundungsvorstoß der
Italiener, der mißglückte, folgte in den ersten Nachmittagsstunden der
Angriff des ganzen VI. Korps, der sich namentlich gegen die Gipfel-
höhe knapp westlich von Podgora richtete. Nach hin und her wogenden
Nahkämpfen, bei denen die Italiener um 7h30 abends sogar vorüber-
gehend auf der Kammlinie festen Fuß fassen konnten, wurden schließlich
alle Stellungen — bis auf eine kleine Vorposition — durch die 58. ID.,
GM. Erwin Zeidler, behauptet. Dalmatinische Truppen hatten sich bei
diesen blutigen Kämpfen besonders ausgezeichnet. Berge von Leichen
lagen vor und in den aufgewühlten Gräben der Verteidiger. Die Be-
hauptung des nördlichen Eckpfeilers des Brückenkopfes, des Mt. Sabo-
tino, war zum größten Teil der vom östlichen Isonzoufer flankierend
wirkenden Artillerie zu danken.
Am folgenden Tage waren die Podgorahöhe und der Mt. Sabotino
wieder die Brennpunkte des blutigen Ringens. Drei von der italienischen
4. ID. gegen den Mt. Sabotino geführte Angriffe scheiterten wie am Vor-
tage schon im Abwehrfeuer. Auf der Podgora verbluteten sich die Regi-
menter der 11., der 12. und der 29. ID. der Italiener im Kampfe gegen
die mit heroischer Tapferkeit ihre Gräben verteidigenden Dalmatiner1).
Nach dieser empfindlichen Schlappe verzichtete das italienische VI. Korps
auf die entschlossene Fortführung des opferreichen Unternehmens2).
Dafür säuberte die k.u.k. 58.ID. am 23. die Podgorahöhe von den letzten
Feindnestern. In ihrem Ingrimm über die bisherigen Mißerfolge — ein
anderer Grund dafür war nicht erkennbar — bewarfen die Italiener
die Stadt Görz am 24. mit Brandbomben.
Hatte man zwar schon am 22. vermuten dürfen, daß die Angriffs-
kraft der Italiener vor dem Brückenkopf gebrochen war, so wies das
5. Armeekmdo. dem XVI. Korps am 23. doch noch das Kmdo. der 59. ID.
und die 18. GbBrig. zu.
*) Alfred Krauss, Der erste Isonzofeldzug (S c h w a r t e, V, 163).
2) Das italienische VI. Korps verlor vom 18. bis 24. Juli 463 Tote, 2703 Ver-
wundete und 224 Vermißte (Ital. Gstb. W., II, Text, 260).
n 48
754
Die Sommerschlachten gegen Italien
Italienische Angriffe im Krngebiet
(19. bis 25. Juli)
Weitab von den beiden Brennpunkten der zweiten Isonzoschlacht,
der Doberdokarstfläche und dem Görzer Brückenkopf, aber doch in
zeitlichem Zusammenhang mit den dortigen Kämpfen, standen die hef-
tigen Zusammenstöße im Hochgebirgsgelände des Krn.
Das italienische IV. Korps hatte es sich zur Aufgabe gestellt, die
nordöstlich von der Krnspitze befindlichen Höhen -<>-2041 und -<>-1931
zu nehmen. Hiedurch sollte die östlich davon im Lepen ja- und Tol-
minskabachtale mögliche Verschiebung öst.-ung. Truppen zwischen Flitsch
und Tolmein unterbunden und die Umfassung des Tolmeiner Brücken-
kopfes von Norden her eingeleitet werden1). Von der Vrata-, der Krn-
und der Kozljakspitze ausgehend, hatten den Angriff etwa drei Batail-
lone zu führen, während die übrigen Bataillone der Alpinigruppen A
und B den Angriff durch Feuer unterstützen sollten. Der 8. ID. war als
Angriffsziel der Mrzli vrh vorgezeichnet. Die 7. ID. hatte bloß durch
Geschützfeuer zu wirken, die Bersaglieridivision den Abschnitt zwischen
Saga und Vrsic zu behaupten.
Nach einer nachtsüber währenden Beschießung der öst.-ung. Höhen-
stellungen durch schweres Geschütz griffen die Alpini am 19. Juli um
5h früh zuerst die vorspringende Stellung der k. u. k. 3. GbBrig. auf -$• 2163
und jene des zur Armeegruppe Rohr gehörenden GbSchR. 1 auf -<>-2041 an.
Während die Gebirgsschützen die von der Vrata in den Gebirgs-
kessel absteigenden Italiener schon durch Feuer abweisen konnten, mußte
die 3. GbBrig. den Feind, der in ihre Stellungen eingedrungen war, durch
einen für beide Teile verlustreichen Gegenangriff hinauswerfen. Der
Angriff der italienischen 8. ID. gegen den Mrzli vrh machte sich gar
nicht fühlbar.
Am folgenden Tage zog der Feind Verstärkungen heran und schritt
nach starker Feuervorbereitung am 21. erneut zum Angriff. Seine nörd-
lichste Kolonne strebte der Höhe -<>-1931 zu, doch die scharfe Wacht
haltenden Gebirgsschützen konnten sich wieder die Alpini durch Ge-
wehrfeuer allein vom Leibe halten. Auf der Höhe -<>-2163 dagegen ent-
spann sich in den vom Artilleriefeuer fast ganz zerstörten Deckungen ein
wütendes Handgemenge, in dem sich Freund und Feind aller Nahkampf-
waffen und auch gewaltiger Felsstücke als Kampfmittel bedienten. Schließ-
lich mußten die drei stark gelichteten Bataillone der 3. GbBrig., die seit
i) Ital. Gstb. W., II, Text, 247 f.
Erbitterte Nahkämpfe auf dem Krn
755
dem 19. Juli etwa 1300 Mann eingebüßt hatten, den Trümmerhaufen dem
Feinde überlassen. Sie zogen sich um 800 Schritte gegen Osten auf die
bastionartige Höhe -<>-2077 zurück.
Kaum hatte sich die 3.GbBrig. in der neuen Stellung zur Not ein-
gerichtet, mußte sie vom 22. auf den 23. um Mitternacht einen Überfall
abwehren und am darauf folgenden Tage wiederholte Anstürme ab-
schlagen. Auch der am 24. während eines Gewitters von den Alpini
versuchte Handstreich scheiterte an der Wachsamkeit der Verteidiger,
die am 25. einen letzten italienischen Angriff nicht nur im Handgemenge
zurückwiesen, sondern durch Nachstoßen sogar ihre Stellungen ver-
besserten. Nun gaben die Italiener bis Mitte August im Krngebiet ihre
Angriffe auf.
Der günstige Stand des Abwehrkampfes an der Front der k. u. k.
5. Armee am 24. Juli und das scheinbare Abflauen der italienischen An-
griffe an diesem Tage veranlaßten den GO. Conrad, der Südwestfront
Weisungen für die Bildung und Verwendung von starken Reserven nach
beendeter Schlacht zukommen zu lassen. Es sollten die beiden Tiroler
Regimenter wieder dem Landesverteidigungskmdo. zurückgesendet und
hinter der Isonzofront womöglich drei Infanteriedivisionen und die 14. Gb-
Brig. zur Verfügung der Heeresleitung bereitgestellt werden. Doch diese
Pläne wurden zunichte, denn der Angriff, den die italienische 27. ID. am
24. abends bei Vermegliano begonnen hatte (S. 752), leitete einen neuen
Großkampf ein, der sich am 25. über die ganze Karsthochfläche erstreckte.
Der Höhepunkt der Schlacht auf der Karsthochfläche
(25. und 26. Juli)
Hiezu Skizze 35
In der Meinung, daß die öst.-ung. Truppen auf der Hochfläche von
Doberdò durch die bisherigen Kämpfe und durch die dabei erlittenen
Verluste zermürbt worden seien, faßte das italienische Höchstkmdo.
den Entschluß, den Angriff zur Gewinnung dieses wichtigen Abschnittes
der Walstatt „um jeden Preis" x) fortzusetzen. Hiezu wurde der 3. Armee
auch das letzte Korps der Heeresreserve, das XIII. (25. und 31. ID.2),
unterstellt, das schon am 22. von Verona nach Palmanova verlegt worden
war. Die 2. Armee aber wurde am 25. von Cadorna wegen ihrer Un-
*) Ital. Gstb. W., II, Dokumente, 283.
2) Die 26. ID. scheint der Karnischen Gruppe zugewiesen worden zu sein.
48*
756
Die Sommer schlachten gegen Italien
tätigkeit mit Vorwürfen bedacht, wie einem abgehorchten Funkspruche
entnommen werden konnte. Er feuerte sie zu Ablenkungsangriffen an der
ganzen Armeefront an. Diese Mahnung wirkte sich aber nur in verstärk-
tem Geschützfeuer und einzelnen Vorstößen bei Piava aus.
Der Führer der 3. Armee, der Herzog von Aosta, beauftragte nun
das XI. Korps, mit der 21. und der 22. ID., welch beide er durch Teile
dei 28., der 30. und der 25. ID. verstärkte, wieder den Mt. S. Michele
und das VII. Korps, mit der 27. und der 13. ID., erneut die Höhe A 118
zu erstürmen; die 14. ID. blieb Reserve des letztgenannten Korps. Das
dazwischen befindliche X.Korps (19. und 20. ID., verstärkt durch Teile
des XIV. Korps) hatte nach entsprechendem Raumgewinn die beiden
Flügelkorps durch Artilleriefeuer zu unterstützen. Die 31. ID. behielt sich
der Armeeführer zu seiner Verfügung zurück. Der Angriff, der durch
den am 24. abends begonnenen und auch mißglückten Vorstoß der 27. ID.
eingeleitet worden war, hatte am 25. beim XI. und beim VII. Korps nach
zwei Stunden Feuervorbereitung um 9h30 vorm. zu beginnen.
Auf dem Nordflügel traf die südlich von der Straße Sdraussina—
S. Martino vorrückende italienische 22. ID. auf die 9. GbBrig., die mit
der Eigenart des Geländes und des Kampfes noch nicht vertraut war.
Sie wich bis S. Martino zurück und entblößte daher die Nordflanke der
südlich anschließenden, aus Bataillonen der 20. HID. und der 17. ID. ge-
bildeten 33.IBrig., die, auch in der Front bedrängt, gleichfalls den
Höhenrand aufgab. Durch Einsatz von Teilen der nur mehr 1600 Mann
starken 12. GbBrig. in die zwischen den beiden Brigaden aufgesprungene
Lücke gelang es, im Laufe des Tages nach sehr heftigen Kämpfen die
Gefechtskrise zu überwinden und den Mt. S. Michele zu behaupten; für
den Verteidiger war es hiebei nützlich, daß die italienische 21. ID. von
Nordwesten her nur demonstrativ wirkte. Am Abend hattesichdie33.IBrig.
noch eines heftigen Nahangriffes zu erwehren, ehe sie einige der am
meisten hergenommenen Bataillone durch solche auswechseln konnte, die
neu aufgefüllt waren.
Bei der 61. ID. vermochte sich die 14. GbBrig. aus eigener Kraft der
am Vormittag von den inneren Flügeln des X. und VII. Korps der Ita-
liener unternommenen Anstürme zu erwehren. Nachmittags dehnten sich
die feindlichen Angriffe bis Selz hin aus, wobei der Höhenrand zwischen
Redipuglia und Selz samt der vielumstrittenen Höhe A 118 verlorenging.
Doch das auf dieser liegende schwere Artilleriefeuer beider Parteien
machte es den Italienern unmöglich, dort auszuharren. So war die Höhe
nachtsüber unbesetzt. Für die Rückeroberung, die noch während der
Höhe A 118 und Mt. S. Michele im Brennpunkt der Kämpfe
757
Dunkelheit erfolgen sollte, wurde der 61. ID. das KSchR. I (31/2 Bataillone)
zugewiesen. Mehrfache Verzögerungen brachten es mit sich, daß der
schwierige Gegenangriff doch erst am 26. früh unternommen wurde, wo-
durch wohl die Höhe A 118, nicht aber die beiderseits anschließenden
Stellungsteile zurückgewonnen werden konnten.
In dieser kritischen Lage befand sich das k. u. k. VII. Korps, als die
italienische 3. Armee am 26. neuerlich zum Massensturm schritt. Beim
Korps Erzherzog Joseph standen zur Unterstützung der sehr erschöpften
Fronttruppen an vollwertigen Reserven nur das KJR. 4 (zwei Bataillone)
und ein Jägerbataillon der 18. GbBrig. hinter der Gruppe Lukachich,
zwei Kaiserschützenbataillone hinter der 61. ID. sowie ein Infanterie-
bataillon am Südflügel der 57. ID. zur Verfügung. Verwendbar, aber von
verminderter Kampfkraft waren die auf dem Mt. S. Michele stehende
12. GbBrig., zwei Bataillone hinter der 16. LstGbBrig. und vier Bataillone
der 93.ID. bei Merna. Sieben andere hinter der Front befindliche Bataillone
waren völlig verbraucht. Die eben eintreffende k. u. 19. LstGbBrig.1)
wurde bei Ranziano im Wippachtale versammelt.
Den italienischen Ansturm gegen den Mt. S. Michele leitete von Nord-
westen her die durch Teile der 28. und der 30. ID. sowie durch Bersa-
glieribataillone verstärkte 21. ID. ein. Die italienische Artillerie hatte aber
die schwachen Hindernisse des Gegners nicht zu zerstören vermocht, und
nun stauten sich vor ihnen die dichten Sturmkolonnen, in denen die Ver-
teidigungsartillerie ein fürchterliches Blutbad anrichtete. Der den An-
griff leitende Brigadier und viele Stabsoffiziere fielen; dies erhöhte die
Wirrnisse in der Führung2). Endlich brach die italienische Infanterie
doch vor und gewann nach hartem Kampfe gegen 10h vorm. die Gipfel-
höhe. Schon zur Mittagsstunde fegte sie jedoch ein Gegenstoß der vom
Obst. Schwarzenberg befehligten 12. GbBrig. hinweg, verfolgt vom Feuer
der Artillerie, die unter den flüchtenden Italienern blutige Ernte hielt.
Mittlerweile war weiter südlich die verstärkte 22. ID. gegen S. Mar-
tino vorgebrochen, das sie nach Verdrängung des Südflügels der 9. GbBrig.
besetzte. Nach der Rückeroberung des Mt. S. Michele wurde der Feind
auch hier ohne Einsatz der Korpsreserve aus dem brennenden Dorfe ver-
jagt und gegen Westen verfolgt.
Während nun das erschöpfte XI. Korps Ruhe hielt, brachen das
X. und das VII. gegen den Abschnitt Polazzo—Selz vor. Das bis 9h abends
!) Die vom Obst. Drennig befehligte 19. LstGbBrig. bestand aus den ungarischen
Landsturminfanteriebataillonen III/l, H/3, 1/4, 1/6 und III/12.
2) Ital. Gstb. W., II, Text, 274ff.
758
Die Sommerschlachten gegen Italien
währende Ringen führte bei der Ruine 143 nach starken Schwankungen
schließlich keine wesentliche Änderung der Lage herbei. Weiter südlich
ging der 14. GbBrig. um 5h nachm. die Höhe A 118 abermals verloren,
um eine Stunde später wieder den Besitzer zu wechseln. Östlich von Po-
lazzo und zwischen Vermegliano und Selz mußten die zerschossenen
Höhenrandstellungen allerdings den Italienern überlassen bleiben.
Nach dem Großkampftag des 26. Juli war der Höhepunkt der zweiten
Isonzoschlacht überschritten. Die Angriffskraft der italienischen 3. Armee
war erschöpft1). Der Heftigkeit des Kampfes entsprechend waren auch
die Verluste sehr hoch. Sie betrugen am 26. bei den Italienern, die auf
dem Mt. S. Michele gefochten hatten, 2958 Mann, beim k. u. k. VII.Korps
am 25. und 26. 6000 an Toten, Verwundeten und Vermißten. Seit dem
18. Juli hatte die k.u.k. 5. Armee 29.800 Mann2) eingebüßt, wovon auf
das VII. Korps etwa 25.000 entfielen. Es hatte im schwierigsten Gelände
des Schlachtfeldes die Hauptlast des Kampfes zu tragen gehabt3).
Spärlich waren die Verstärkungen, die das 5. Armeekmdo. dem
VII. Korps zukommen lassen konnte : vom XVI. Korps zwei weitere Jäger-
bataillone der 18. GbBrig., dann die aus kämpf ungewohntem Landsturm
gebildete 19. LstGbBrig. Das Südwestfrontkmdo. beauftragte das Tiroler
Landesverteidigungskmdo., seine einzige Reserve an öst.-ung. Truppen,
das KJR. 1, von Bozen sofort zur 5. Armee zu senden; überdies wurde
das auf der Fahrt von Galizien nach Tirol begriffene KSchR. II in Wien
nach der Isònzofront umgelenkt.
Das Abflauen der Schlacht
Die kräftige Gegenwehr, der die italienische 3. Armee am 25. und
26. begegnet war, ließ nun ihren Führer vor einem öst.-ung. Gegenangriff
bangen, der ihn um den bisherigen Raumgewinn bringen konnte. Ca-
dorna befahl daher noch am 26. die Verschiebung der 23. ID. und tags
darauf die der 29. ID. von der 2. Armee zur 3. Armee, der auch die
halbe 26. von der Karnischen Gruppe und am 29. die 16.ID. von der Dolo-
1) Ital. Gstb.W., II, Text, 281.
2) Diese Verlustzahl verteilt sich auf 4850 Tote, 16.400 Verwundete und 8550
Vermißte; in letzterer Zahl sind auch die verwundet in Gefangenschaft Geratenen
sowie die zahlreichen nicht geborgenen und verschütteten Toten einzurechnen.
3) Der Kommandant des VII. Korps, GdK. Erzherzog Joseph, wurde für seine-
Führertätigkeit in dieser, dann in der dritten und vierten Isonzoschlacht sowie für
seine in den Jahren 1916 und 1917 in der Bukowina erfochtenen Siege mit dem Kom-
mandeurkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens ausgezeichnet.
Neugliederung des k. u. k. VII. Korps
759
mitenfront zugewiesen wurden1). Bis zum vollständigen Eintreffen dieser
Verstärkungen sahen die Italiener von großen Angriffshandlungen ab,
ließen ihre Artillerie aber in fast unverminderter Stärke weiterwirken.
Deshalb kostete der 27. Juli, an dem die 33.IBrig. einen Vorstoß des
italienischen X. Korps abzuwehren hatte, dem k. u. k. VII. Korps abermals
gegen 1000 Mann. An den beiden folgenden Tagen, an denen die 14. Gb-
Brig. in heftigen, Wechsel vollen Kämpfen die Höhe A 118 gegen An-
stürme der italienischen 27. ID. behauptete, büßte das Korps des Erz-
herzogs Joseph wieder 2500 Mann ein.
Trotz der noch allseits gespannten Lage traf der Erzherzog, dessen
Korps seit Schlachtbeginn von 32 auf 74 Bataillone 2) angewachsen war,
Maßnahmen zur Neugliederung seiner Truppen. Auf dem Nordflügel
wurden nach Einreihung von Marschformationen am 29. die 20. HID.
(5000 Gewehre) und die 17. ID. (4800 Gewehre) wieder in die Front ge-
stellt, die 9. und die 12. GbBrig. sowie die 93. ID. (2600 Gewehre) als
Korpsreserve zurückgezogen. Die 61. ID. erhielt außer der 14. und der
16. GbBrig. noch die 18. der 59. ID. und die 6. der 57. ID. zugewiesen,
hatte aber dafür die 2. GbBrig. an die 57. ID. abzugeben. Schließlich
sollten die beiden empfindlich gelichteten Tiroler Regimenter — das
KJR. 4 war am 31. auch bei der 61. ID. eingesetzt worden — als Armee-
reserve aus der Front gelöst werden. Späterhin war geplant, das 61. ID-
Kmdo. samt der 16. LstGbBrig. zum XVI. Korps treten zu lassen, um
dort mit der 10. GbBrig. wieder den ursprünglichen Divisionsverband
herzustellen.
Die Ablösungen wurden gestört und verzögert durch feindliche Teil-
vorstöße, die zwischen dem 30. Juli und dem 1. August vornehmlich in
der Dunkelheit an den gewohnten Druckpunkten der Front erfolgten und
daher die tagsüber unter dem schweren Artilleriefeuer leidenden Ver-
teidiger auch nachts um ihre karg bemessene Ruhe brachten. So hatten
diese drei verhältnismäßig ruhigeren Tage beim VII. Korps etwa 4000
Opfer gefordert.
Das Abflauen der Kampftätigkeit nach dem 26. Juli ließ das Süd-
westfrontkmdo. und das AOK. bereits an den Abschluß der zweiten
Isonzoschlacht glauben. Übereinstimmend erachteten beide Befehlsstellen
auch weiterhin das Festhalten an der bisher so erfolgreichen Abwehr als
zweckentsprechend. Hiebei erwuchs allerdings das Haushalten mit den
1) Ital. Gstb. W., II, Text, 281.
2) Eigentlich wären es 80 Bataillone gewesen; doch hatten sechs wegen großer
Verluste vorübergehend aufgelöst werden müssen.
760
Die Sommerschlachten gegen Italien
an der Südwestfront verfügbaren schwachen Kräften zur schwer erfüll-
baren Pflicht, insbesondere seit die zweite Isonzoschlacht so unerwartet
hohe Blutopfer gefordert hatte. Um die zur Verminderung dieser Opfer
gebotenen Maßnahmen zu erörtern, begab sich der Erzherzog Eugen am
29. zum 5. Armeekmdo. nach Laibach und zum VII. Korpskmdo. nach
Kostanjevica. Gdl. Boroevic und namentlich der mit der Leitung der Be-
festigungsarbeiten an der Isonzofront betraute Generalgenieinspektor
FML. Blénesi vertraten die Ansicht, daß andere als die bisher ausge-
führten Deckungen, die im wesentlichen nur aus Steinschlichtungen be-
standen, im Karstboden nicht herstellbar wären. Doch gerade diese
Deckungen wurden von der übermächtigen italienischen Artillerie leicht
zerstört, wozu sich noch der schon hervorgehobene katastrophale Nach-
teil der Steinsplitterung gesellte. Deshalb forderte der Generalstabschef
des Südwestfrontkmdos., FML. Alfred Krauss, die Aussprengung von
Gräben in den Karstfelsen. Mochten auch andere Befehlsstellen an der
Isonzofront diese Notwendigkeit bereits erkannt haben, so hatte man
deren Durchführung wegen Mangel an Zeit, Bohrwerkzeugen und Ar-
beitskräften sowie wegen des engen Kontaktes mit dem Feinde bis jetzt
nicht nachdrücklich genug betreiben können.
Was den Verlauf der vorderen Kampfstellung auf der Doberdò-
hochfläche betraf, war dem Nachteile des Umfaßtseins nicht abzuhelfen,
insolange auf die Behauptung des Mt. S. Michele Wert gelegt wurde.
Den bei diesen ungünstigen Kampfverhältnissen sich stets ergebenden
großen Kräfteverbrauch hätten nur vermehrte Ergänzungen für das
VII. Korps wettmachen können. Die um eine Entscheidung angerufene
Heeresleitung glaubte keine bindenden Zusagen machen zu können. Da-
gegen war sie bereit, den vom Südwestfrontkmdo. nachdrücklich erho-
benen Forderungen um Zuweisung einer der italienischen nach Zahl und
Wirkungsfähigkeit gleichwertigen schweren Artillerie nach Möglichkeit
zu entsprechen, welchen Zusagen sich auch die DOHL.*) und die Kriegs-
marine anschlössen. Allerdings waren die in den nächsten Wochen ein-
treffenden schweren Geschütze nur ein Bruchteil des Erwünschten.
Aber auch ein Vorstoß zur Verhinderung der feindlichen Umfassung
der Karstbastion wurde in Kostanjevica erörtert, und namentlich ein Vor-
tragen des Südflügels bis etwa in die Linie Ronchi—Bestrigna für zweck-
mäßig erachtet. Daß hiebei ein für die Herstellung von Schützengräben
1) Von Deutschland traf am 5. Juli eine Batterie mit vier 13 cm - Langrohr-
kanonen ein. Bis zum Oktober 1917 war dies der einzige deutsche Truppenteil, der
an der Isonzofront focht.
Unausführbare Angriffspläne des Verteidigers
761
leicht bearbeitbares Gelände gewonnen werden würde, ließ diesen Ge-
danken verlockend erscheinen. Als jedoch Boroevic erklärte, hiezu außer
der eben von Galicien zur Südwestfront anrollenden 8.ID.1) noch vier
Divisionen zu benötigen, erledigte sich dieser Plan aus Mangel an Kräften
von selbst; denn die Heeresleitung durfte den auf dem russischen Kriegs-
schauplatze gegen Brest-Litowsk angesetzten Angriffsarmeen zur Stunde
so starke Kräfte nicht entziehen. Eine Abgabe schien erst nach Abschluß
dieses Feldzuges, also etwa Mitte August, möglich zu werden, aber auch
dann mochten nach Ansicht des AOK. die Verstärkungen gerade hinrei-
chen, um den Kräfte verbrauch auf dem Südflügel der 5. Armee auszu-
gleichen.
Ehe noch die vorerwähnten diesbezüglichen Ferngespräche abge-
wickelt waren, und auch bevor noch eine der in Aussicht gestellten
schweren Kanonen einlangte, raffte sich die italienische 3. Armee am 2.
und 3. August nochmals zu einem Angriff auf, dessen Ziel die Abschnürung
des zwischen den Höhen -<>-197 (südlich von Sdraussina) und A 118 vor-
springenden Stellungsteiles war2). Wieder floß Blut auf dem glühend
heißen Felsgestein, wieder wurden Steinwälle erstürmt und verloren. Die
Hauptanstrengungen richtete die italienische 27. ID. auf den südlichen
Eckpfeiler der Karstfront und stieß gerade in die Ablösung der 14. Gb-
Brig. durch die 2. GbBrig. hinein. Dessenungeachtet trotzten die ver-
mengten Bataillone im Nahkampf den Bemühungen des Feindes. Die
17. ID., FML. Gelb, konnte sich bei der -<>-197 schon durch Gewehr-
feuer der Angriffe des nunmehr statt des XI. Korps in der Front stehen-
den XIV. erwehren. Immerhin beliefen sich die Verluste des k. u.k.
VII. Korps an diesen beiden Tagen auf etwa 1500 Mann.
Der neuerliche Mißerfolg veranlaßte die italienische Heeresleitung
am 3. August, den Befehl zur Einstellung der Offensive am mittleren und
unteren Isonzo zu geben. Da der Herzog von Aosta aber den Angriff
durch langsames und methodisches Vorarbeiten fortzusetzen befahl3),
glimmte die Schlacht noch einige Tage fort, ohne besondere Änderungen
zu zeitigen.
Über das Ergebnis der zweiten Isonzoschlacht schreibt der italieni-
sche Generalstab4):
Die 8. ID., FML. Fabini, bestand damals aus der 96. IBrig. (KJR. 2 und 3),
•der 88. KSchBrig. (KSchR. III), einer Schwadron und zwei Feldhaubitzbatterien.
2) Tosti, 90.
3) Ital. Gstb. W., II, Text, 286; T o s t i, 91.
*) Ital. Gstb. W., II, Text, 287.
762
Die Sommerschlachten gegen Italien
„Der Panzer der feindlichen [öst.-ung.] Abwehr war hie und da ein-
gedrückt, aber nicht durchbrochen. Noch hat sich der Widerstand der
verstärkten gegnerischen Front den Zerstörungsmitteln, die die italieni-
sche Heeresleitung an der Julischen Front versammeln konnte, überlegen
erwiesen. Obwohl diese Mittel in Menge und an besserer Organisation
jene übertrafen, die in der ersten Schlacht zur Verfügung standen, waren
sie doch noch immer unzulänglich. Das Ergebnis dieser Schlacht bestand
in der Erweiterung des Stützpunktes auf 170 [liegt 800 Schritte west-
lich vom Mt. S. Michele], in dem Ersteigen des westlichen Höhenrandes
der Hochfläche von Doberdò und in der Vorverlegung unserer Linie bis
zum Mt. dei sei Busi [Höhe A 118] i)."
Erhellt aus dieser freimütigen Äußerung einerseits das Eingeständ-
nis des völligen Mißerfolges, so ist andererseits zu erkennen, daß die
italienische Heeresleitung damals schon bestrebt war, den Kampf am
Isonzo in Form von Materialschlachten zu führen, deren Schrecknisse
sich stets steigerten.
Ungewöhnlich hoch waren die blutigen Verluste, die die k. u. k. S.Ar-
mee erlitten hatte. Sie betrugen vom 15. Juli bis zum 15. August 46.640
Mann2). Die Italiener geben ihre vom 18.Juli bis zum 3.August er-
littenen Einbußen mit 41.866 Mann an3); diese dürften bis Mitte August
die gleiche Höhe wie jene des Verteidigers erreicht haben. Wenn man
aber berücksichtigt, daß in der Schlacht 129 öst.-ung. Bataillone gegen
etwa 260 italienische gefochten haben, waren die Verluste der 5. Armee
vergleichsweise doppelt so groß als jene ihrer Feinde.
Nach Beendigung der zweiten Isonzoschlacht stellten die Italiener
im August ihre Infanterie angriffe ein. Das Artilleriefeuer, das übrigens
an der Isonzofront nie mehr verstummen sollte, forderte aber noch manch
schmerzlich empfundenes Opfer. Immerhin bot die verhältnismäßige
Ruhe dem 5. Armeekmdo. die Möglichkeit, seine Verteidigungsmaßnahmen
zu verbessern.
In organisatorischer Hinsicht wurden alle vier Kaiser jägerregimenter
als 8. ID. (58. und 96. IBrig.) vereinigt. Die 93. ID. wurde bei Auflösung
der Mehrzahl der neugebildeten Truppen aus der 185. IBrig. (KSchR. I
*■) Der italienische Geländegewinn beschränkte sich tatsächlich auf einen bloß
200 bis 600 Schritte breiten Streifen, der von 197 bis ausschließlich der Höhe A 118
reichte.
2) Hievon waren tot 7721, verwundet 26.629 und vermißt 12.290 Mann; außer-
dem hatte die Armee in dieser Zeit einen Abgang von etwa 6400 Kranken.
3) Ital. Gstb. W., II, Text, 287; Zingales, 242, errechnet die Verluste nur mit
37.000 Mann. Nach Tosti, 91, sollen sie sogar nur 33.717 betragen haben.
Abwehrmaßnahmen des 5. Armeekmdos.
763
und drei kombinierte Marschbataillone) und der 88. KSchBrig. (KSchR. II
und III) zusammengesetzt.
Bei der Bereitstellung der Reserven berücksichtigte Gdl. Boroevic
die beiden Hauptangriffspunkte der Italiener: den Görzer Brückenkopf
und den Mt. S. Michele. Namentlich dem letztgenannten schienen bald
neue Gefahren zu drohen, denn die Fliegeraufklärung konnte eine starke
Eisenbahnbewegung über Latisana nach Monfalcone, die Erdbeobachtung
eine lebhafte Tätigkeit beim Feinde im Küstenraume feststellen. Um nun
sowohl gegen eine Wiederholung des Durchbruchsversuches auf dem
Karsty als auch gegen eine nicht unwahrscheinliche italienische Unter-
nehmung bei Triest gewappnet zu sein, verfügte Boroevic eine Neuauf-
stellung der Reserven. Die 61. ID., wieder aus der 10. GbBrig. und der
16. LstGbBrig. bestehend, kam östlich von Görz hinter die 58. ID. Auf
der Karsthochfläche standen hinter den vier in der Front befindlichen
Divisionen (17., 57., 59. ID. und 20. HID.) zwei Gebirgsbrigaden und
die 93. ID. Die 8. ID. hielt Boroevic bei Vogersko und Cernizza zu seiner
Verfügung. Der schon für den Abtransport nach Kärnten bestimmten
12. GbBrig. der 48. ID. wurde bei Temnica und Lipa eine kurze Erho-
lung gewährt. Dem XV. Korps, das sich hinsichtlich Truppenverwendung
einer gewissen Selbständigkeit erfreuen durfte, wurde vorübergehend
die 58. IBrig. der 8. ID. zugeteilt.
Schließlich wurde nach eingehenden Beratungen, die nicht ohne ernste
Verstimmung zwischen Laibach und Marburg verliefen, der Ausbau der
vorderen Kampfstellung, namentlich auf dem Karst, in die Wege geleitet.
Cadorna erachtete das italienische Heer aber noch keineswegs für
ausreichend gerüstet, um schon wieder die österreichische Isonzofront
zu berennen. Es währte noch bis in den Oktober, ehe wieder ein Groß-
kampf im Küstenlande entbrannte.
Die Kärntner Front von Anfang Juli bis
Mitte August 1915
Neugliederung der beiderseitigen Streitkräfte
und Stellungsbau
Hiezu Beilage 39 sowie Skizze 36
Nach den ergebnislos gebliebenen öst.-ung. Gegenunternehmungen
gegen das Promos undamKrn (S. 531 und 533) begannen die verwickel-
ten Ablösungen der Truppen des VII. Korps durch die 44. SchD. und
764
Die Sommerschlachten gegen Italien
die 48. ID. (S. 738), die nahezu die ganze Front der Armeegruppe Rohr
berührten und über drei Wochen bis zum 20. Juli dauerten. Trotzdem
hatte der Austausch nicht vollständig bewirkt werden können, weil die
12. GbBrig. wegen des Beginnes der zweiten Isonzoschlacht auf dem
Karst zurückbehalten wurde und daher auch Teile der 17. ID. in Kärnten
verbleiben mußten.
Gleichzeitig wurde eine Neugliederung der Armeegruppe in vier
Abschnitte (I bis IV) vorgenommen. Anfangs August stand im Ab-
schnitt I zwischen der bis zum Steinkarspitz hinausgeschobenen West-
grenze des Armeegruppenbereiches und dem Straniger Spitz die 48. ID.,
FML. Gabriel (die 11. und Teile der 59. GbBrig. sowie Truppen der
17. ID.). Anschließend daran bis zum Schinouz, diesen inbegriffen,
sicherte GM. Fernengel, der Führer der 59. GbBrig., mit Bataillonen
seiner Brigade und der 17. ID. die Grenzstellungen. Südlich bis zum
Rombon stand im Abschnitt III mit zusammengewürfelten Truppen die
92. ID., FML. Langer; den IV. Abschnitt, der bis zum Krn reichte, hatte
GM. Nemeczek mit der 44. SchD. zu verteidigen.
Die Summe der Streitkräfte, über die das seit 3. Juli nach Villach
vorverlegte Armeegruppenkmdo. anfangs August verfügte, betrug 45 Ba-
taillone (hievon 8 freiwillige Schützenbataillone), 5y2 Schwadronen und
461/2 Batterien mit 42.000 Feuergewehren, 150 Maschinengewehren, 650
Reitern und 281 Geschützen (ohne Werksartillerie).
Eine andere wichtige Angelegenheit, die zu einer baldigen und be-
friedigenden Lösung gedrängt hatte, war die Frage der Organisation
und der Verwendung der alp enlän di sehen freiwilligen Schützenforma-
tionen. Sie waren bei Ausbruch des Krieges mit Italien dem Rufe „Volk
und Heimat in Not" zum Schutze der bedrohten Grenzen in altbewährter
Treue gefolgt und stellten zunächst zwar ein Massenaufgebot dar, das
aber militärischer Ausbildung und Ausrüstung, dann auch kriegserprobter
Führung entbehrte, also nicht als schlagfertige Kampftruppe gelten
konnte. Das Kommando der Südwestfront befahl daher vorerst die Ver-
einigung der Unausgebildeten und Minderjährigen aller freiwilligen
Schützenformationen in einem Ausbildungslager in Wolfsberg in Kärnten,
in der Absicht, eine Umwandlung des gesamten freiwilligen Schützen-
wesens auf neuer und militärisch brauchbarer Grundlage einzuleiten.
Die Neuordnung dieser freiwilligen Verbände erfolgte dann im Laufe
des Monats Juli nach einem von der Heeresleitung genehmigten Ent-
würfe des Armeegruppenkmdos. Rohr und war bis etwa Mitte August
abgeschlossen.
Organisationsänderungen der Freiwilligenaufgebote
765
Aus den Frontdiensttauglichen der vier Kärntner freiwilligen Schützenregimenter
wurde das k. k. Kärntner frw. Schützenregiment mit dem Kmdo. und den Bataillonen
I bis IV in der Stärke von 2000 Feuergewehren gebildet. Die Minderjährigen wurden
in Jungschützenkompagnien in Wolfsberg vereinigt, die Wachdiensttauglichen in vier
Ersatzkmdos. der vier Feldbataillone zusammengefaßt und in der Etappe zu Bewachungs-
zwecken und im Eisenbahnsicherungsdienst verwendet. Außerdem bestand das Ober-
kmdo. der k. k. Kärntner frw. Schützen in Klagenfurt, dem die Ersatzkmdos. und
Wachformationen unterstellt waren.
In ähnlicher Weise wurden aus den Frontdiensttauglichen der sechs frw. Salz-
burger Schützenbataillone die k. k. Salzburger Schützenbataillone I und II aufgestellt,
die später in ein Bataillon zu sechs Kompagnien umgewandelt wurden.
Auch die Frontdiensttauglichen der nach und nach auf ein k. k. Steirisches frw.
Schützenregiment reduzierten Freiwilligenformationen Steiermarks wurden in einer
frontfähigen Auszugskompagnie und einer kriegsstarken Kompagnie des frw. Bürger-
und Schützenkorps Graz zusammengefaßt und zunächst in Wolfsberg weiter ausgebildet.
Die Wachdiensttauglichen der Salzburger und steirischen Schützenformationen
wurden in Ersat'ikmdos. beziehungsweise Wachbataillone vereint und wie die Kärntner
Ersatzkmdos. verwendet. Die Oberleitungen der frw. Schützenformationen Salzburgs und
Steiermarks wurden aufgelöst.
Die oberösterreichischen Schützenformationen wurden dem Militärkmdo. Innsbruck
unterstellt und zur Ausbildung nach Tirol verlegt.
Die frw. Schützenformationen Untersteiermarks und einige Kompagnien frw.
Schützen Krains und des Küstenlandes waren dem 5. Armeekmdo. untergeordnet.
Durch die Umgestaltung der aus ungleichartigen Elementen be-
stehenden Freiwilligenaufgebote in feldverwendbare, für Wachdienste
geeignete und Ausbildungsabteilungen war dem Armeegruppenkmdo.
ein nicht zu verachtender Kraftgewinn erwachsen. Als dann nach be-
endeter Neuordnung die als Kampftruppe verwendbaren freiwilligen
Schützenbataillone vom September an in die Front gestellt wurden, waren
sie unter Anleitung kriegserfahrener Führer bald allen Anforderungen
des Abwehrkampfes gewachsen.
Auch die der Armeegruppe Rohr gegenüberstehende „italienische
Karnische Gruppe" mußte sich wiederholte Male in Truppenverschie-
bungen fügen, die durch die Ereignisse in den Nachbarräumen bedingt
waren. Durfte sie sich am 18. Juni der Verstärkung durch die 26. ID.
der Heeresreserve erfreuen, so mußte sie am 3. Juli, zur Zeit der Hoch-
spannung in der ersten Isonzoschlacht, je eine Brigade der 23. und der
24. ID. an die 2. Armee abgeben. Diesen folgte zu Ende des Monats Juli
während der zweiten Schlacht die halbe 26. ID. zur 3. Armee. Anfangs
August verfügte das Kommando der Karnischen Gruppe, in das das
XII. Korpskmdo. aufgegangen war, über zwei Divisionen in neuer Zu-
sammensetzung, und zwar die 24. ID. im Fella- und die 26. ID. im But-
Degano-Abschnitt. Einschließlich der seit Kriegsbeginn hier befindlichen
766
Die Sommerschlachten gegen Italien
Gebirgstruppen stand der Armeegruppe Rohr eine etwa gleichstarke
Kraft von 43 Bataillonen und 47 Batterien gegenüber1).
In den bisherigen Kämpfen war es der Armeegruppe Rohr wohl
gelungen, den Feind am Kärntner Grenzkamm aufzuhalten; die beherr-
schende Kammlinie vom Wolayer Kopf bis zum Findenigkofel befand sich
jedoch mit Ausnahme der höchsten Kuppe des Kl. Pal noch immer in
Feindeshand. Die sich an den Nordhängen anklammernden öst.-ung.
Truppen waren daher anhaltend verlustbringender Flankierung durch
die italienischen Promosbatterien ausgesetzt, die Räume hinter den Stel-
lungen und die Zugangswege eingesehen. Ähnlich ungünstig war die
eigene Lage südlich von Malborgeth, wo die feindliche Artillerie, dank
dem vom Mittagskofel und vom Mt. Piper gebotenen Einblick in das
Kanaltal, bis Tarvis zu wirken vermochte. Besonders nachteilig erwies
sich der Verlust des Krn-Vrata-Vrsicrückens, von wo der Feind nicht
nur die Becken von Flitsch und Tolmein und deren Zugänge, sondern
auch die tiefergelegenen Stellungen und Nachschubswege einsehen konnte
und damit den Flügel und Anschlußraum zur 5. Armee dauernd bedrohte.
Unter diesen Umständen war ein nachhaltiges und verläßliches Hal-
ten der Kärntner Front nur dann mit einem Mindestmaß an Kräften
möglich, wenn die Verteidigung auf den sie begünstigenden Hängen und
Gebirgsrücken lag. Diese Forderung hatte daher Unternehmungen zur
Verbesserung der ungünstig gelegenen Frontteile nötig gemacht. Doch
der Mangel an ausreichenden, mit der Kriegführung im Hochgebirge
vertrauten Infanteriekräften und einer für diese schwierigen Angriffe
entsprechenden Artillerie standen ihr entgegen. So ging GdK. Rohr auf
ein am 9. Juli vom benachbarten XV. Korps der Isonzoarmee gestelltes
Ansuchen um Mitwirkung bei der Vertreibung der Italiener vom Krn-
Vrata-Vrsicrücken nicht ein. Vollends mußten aber alle Angriffspläne
zurückgestellt werden, als die Armeegruppe Rohr während der zweiten
Isonzoschlacht noch aus eigenem Antrieb drei Bataillone und fünf Bat-
terien, die vom VII. Korps zurückgeblieben waren, an die Armee Bo-
roevic abgab, und als von Mitte August an, wie noch zu schildern sein
wird, auch der Ostflügel Rohrs heftig angegriffen wurde.
Da Stellungsverbesserungen durch Kampf aus vorstehend geschil-
derten Gründen unmöglich waren, mußte sich das Armeegruppenkmdo.
Rohr den technischen Ausbau der Verteidigungslinien angelegen sein
lassen. Hindernd standen dabei der schwer zu bearbeitende Felsboden,
der Mangel an Werkzeug, der häufige Truppenwechsel und die unzweifel-
1) Ital. Gstb. W., II, Text, 376 f.
Schwierigkeiten des Stellungsbaues
767
hafte Abneigung der Kampftruppen gegen den Stellungsbau entgegen.
Dazu waren anfangs mit Rücksicht auf die ungewisse Dauer einesi
Widerstandes an der Grenze alle verfügbaren technischen Kräfte zum
Ausbau der 2. Stellung im Zuge der Gailtaler Alpen angesetzt worden.
Erst als der Versuch gelungen war, den Feind unmittelbar an der Grenze
aufzuhalten, wurde Mitte Juli allen Abschnitten befohlen, die Be-
festigungsarbeiten an den hinteren Stellungen zugunsten der vordersten
Linie einzustellen, um das Ausharren in den an Hilfsmitteln armen, schwer
zugänglichen und vielfach ungünstigen vorderen Kampfräumen zu er-
möglichen. Neben Kampfgräben und Deckungen im gewachsenen Felsen
waren Bahn- und Wegbauten, Seilbahnen und Aufzüge, ferner Unter-
künfte, Vorratslager und vieles andere für eine Überwinterung im Hoch-
gebirge von Grund auf neu zu schaffen1).
Auf Grund von Erfahrungen aus den Kämpfen im Görzischen
ordnete das Kmdo. der Südwestfront die ungesäumte Anlage einer nahe
hinter der vordersten Linie verlaufenden „Rückhaltstellung" an, in der
man allenfalls örtlichen Einbrüchen des Angreifers begegnen konnte.
Sie war eine Vorstufe zu dem sich in dieser Phase des Krieges entwickeln-
den Verteidigungssystem in drei Linien.
Die Kämpfe im Grenzraume Kärntens
Nach dem mißglückten Angriff des k. u. k. VII. Korps auf das Pro-
mos bis zum Beginn der zweiten Isonzoschlacht (18. Juni) beschränkten
sich die Gefechtshandlungen, abgesehen von kleinen, erfolglosen Vor-
stößen der Italiener, auf tägliche Artilleriekämpfe und auf die dauernde
Beschießung der Werke bei Malborgeth und Raibl2).
!) Besonders wichtig war die im Frieden versäumte Anlage eines fahrbaren Über-
ganges von Kronau (Bahn und Straße im Tal der Wurzener Save) über den Mojstrovka-
paß (1611 m) ins obere Isonzotal. Dadurch konnte der zeiträumlich abgetrennte Ab-
schnitt IV von der leicht zu unterbindenden Predilstraße für alle Fälle unabhängig
gemacht werden. Merkwürdigerweise war der Verkehr durch das vom Feinde zum Teil
eingesehene und im Bereiche seiner Geschütze liegende Koritnicatal bis Mitte Juli un-
gestört geblieben. Zu diesen Arbeiten gehörte auch die Ausgestaltung und Verlängerung
des aus dem Koritnicatal bei Breth in das Seebachtal bei Raibl führenden Bergwerks-
stollens für den allgemeinen Verkehr (besonders für Verwundeten- und Materialtrans-
porte), so daß dis stark unter schwerem Feuer liegende Predilstraße unterfahren werden
konnte. Der Ausbau der Gailtalbahn von Hermagor bis Kötschach-Mauthen und die
Anlage von mindest einer Fahrstraße vom Gailtal in jeden Unterabschnitt wurde begonnen.
2) Auf das Fort Hensel bei Malborgeth fielen bis Mitte Juli gezählte 2267 Bomben
vom 21 cm-Kaliber aufwärts, was einem Gesamtgewicht von etwa 350 t Eisen entspricht.
768
Die Sommer schlachten gegen Italien
Vom 18. Juli an steigerte sich das italienische Geschützfeuer, das
sich jetzt vom Neveasattel aus auch gegen die Flitscher Sperren und
gegen den Ort Raibl richtete.
Ein Versuch, die feindliche Beobachtung am Grenzkamme zunächst
der Prevalascharte zu bekämpfen, von wo das Flitscher Becken und die
Räume hinter unseren Stellungen beiderseits vom Isonzotale eingesehen
waren, mißlang bei der unzulänglichen Reichweite unserer Geschütze.
Erst die Aufstellung einer Gebirgskanone auf dem Rombon sollte dies
ermöglichen. Die lästigen italienischen Batterien im Dognatale konnten
erst vom 23. Juli an unter Zielfeuer genommen werden, nachdem vor-
her kühne Aufklärer hinter den feindlichen Sicherungen nördlich vom
Bramkofel einen geeigneten Beobachtungspunkt erklommen hatten.
Die Truppenabgaben aus Kärnten und aus Tirol an die Isonzofront
während der zweiten Schlacht scheinen der italienischen Beobachtung
nicht entgangen zu sein und mögen am 30. Juli zahlreiche Unternehmungen
gegen die Armeegruppe Rohr verursacht haben, die weitere Truppenver-
schiebungen verhindern sollten. So griffen mehrere italienische Bataillone
die Stellungen der 11. GbBrig. auf dem Kl. Pal an. Sie drangen ein,
wurden aber nach wechselvollen Kämpfen geworfen, wobei im Nachstoß
die eigene Linie noch vorverlegt werden konnte. Weiter östlich vermochte
sich der Feind auf dem Hohen Trieb festzusetzen, während er im Lo-
dimi tpaß (westlich vom Findenigkofel) zurückgeschlagen wurde. Heftig
wurde am gleichen Tage auch im Bereich der 92. ID. um den östlichen
Zweispitz *) und um die Piperscharte gekämpft. Hier erstürmten mehrere
Alpinikompagnien nach neunstündiger Beschießung, die auch das Heran-
führen von Reserven hinderte, die beiden nur von je einer halben
Kompagnie des FJB. 9 und des IR. 27 heldenmütig verteidigten Punkte.
Die eingeleitete Rückeroberung mußte bei dem schlechten Wetter und der
sehr schwierigen Annäherung über steile Felswände aufgegeben werden.
Konnten die Vorstöße abgewehrt werden, die die Italiener in den
nächsten Tagen auf dem Hohen Trieb und auf dem Freikofel unternommen
hatten, so gaben die Regsamkeit des Feindes auf dem Karnischen Kamm,
Das Werk war hiedurch ein Trümmerhaufen geworden. Trotzdem feuerten die helden-
mütigen Kanoniere aus einem intakt gebliebenen Geschützturm unentwegt weiter — die
anderen Geschütze und Maschinengewehre waren schon in neue, im Gelände befindliche
Anlagen eingestellt worden — und verleiteten die Italiener zu andauernder Munitions-
verschwendung.
*) Der Westgipfel des Zweispitz war von den Italienern schon in den ersten
Kriegstagen kampflos besetzt worden (S. 528).
¥
Örtliche Kämpfe auf dem Karnischen Kamm 769
wo er jederzeit den Kampf unter für ihn günstigen Verhältnissen auf-
nehmen konnte, sowie das Beschießen von Orten im Gailtal dem GdK.
Rohr doch Anlaß zu Besorgnissen, Vor dem Einlangen der am Isonzo
festgehaltenen 12. GbBrig. und schwerer Artillerie konnte aber an eine
Verbesserung der eigenen Lage im Plöckengebiete nichtgeschrittenwerden.
Dafür war auf dem Westflügel der Armeegruppe kühnen Auf-
klärungsabteilungen der 48. ID. und der Division Pustertal die Besetzung
der Linie Pala di Sterpe—Mga. Chivion geglückt, wodurch die Besatzung
des auf den Mt. Peralba vorgeschobenen Postens gegen Angriffe von
Westen her gesichert wurde. Am 7. und 8. August unternahmen vier
italienische Kompagnien von Süden und Osten her einen Angriff gegen
den Mt. Peralba, der aber völlig mißlang1).
Ähnliche Besorgnisse wie um den Karnischen Kamm stiegen dem
Armeegruppenkmdo. in Villach auch um das Flitscher Becken und um
den Raum südlich von Malborgeth auf, wo der Feind allmählich seine
Artilleriewirkung gegen Osten erweiterte. Die Wegnahme der italieni-
schen Artilleriebeobachtungspunkte im Gebiete des Mittagskofels schien
dem GdK. Rohr daher sehr nötig zu sein, wozu er das GSchR. 1 ver-
wenden wollte, das in seiner Stellung von dem aus Rußland anrollenden
GSchR. 2 auf dem Krn abgelöst werden sollte. Doch ehe es dazu kommen
konnte, steigerte sich vom 12. August an das italienische Artilleriefeuer
gegen die beiden östlichen Abschnitte der Armeegruppe Rohr und leitete
neue heftige Kämpfe am oberen Isonzo ein.
Die Kämpfe am oberen Isonzo in der zweiten
Augusthälfte 1915
Hiezu Beilage 40
Der italienische Angriff soplan und die Stärke beider Parteien
Als Cadorna seinen Plan, den Durchbruch der öst.-ung. Front zwischen
Piava und dem Meere zu erzwingen, in den ersten zwei Isonzoschlachten
blutig gescheitert sah, beschränkte er sich am Mittel- und Unterlauf dieses
Flusses darauf, die gegnerischen Kräfte durch eine kaum unterbrochene
Reihe von örtlich begrenzten Unternehmungen festzuhalten. Gleichzeitig
verlegte er die Angriffshandlungen in den Raum Tolmein—Krn—Flitsch
und hoffte, hier die Mißerfolge auf dem Karst und bei Görz vor Beginn der
schlechten Jahreszeit durch eine Teiloffensive wettmachen zu können,
i) Ital. Gstb. W., II, Text, 281 ff.
II 49
770
Die Sommerschlachten gegen Italien
Der verstärkte linke Flügel der italienischen 2. Armee hatte mit Teilen
der Karnischen Gruppe nach Wegnahme des ganzen Krnstockes1) den
Brückenkopf von Tolmein anzugreifen und dann das Becken von Flitsch
zu besetzen.
Die Eroberung der beiden „Ausfallstore Tolmein und Flitsch" sollte
einerseits die linke Flanke der italienischen Isonzofront der steten Be-
drohung entziehen2), andererseits den italienischen Truppen günstige
Bedingungen für das Vordringen nach Innerösterreich schaffen. Denn
sofort nach Besitznahme des Brückenkopfes und Beckens von Tolmein
war geplant, den Angriff der Hauptkraft der italienischen 2. Armee von
Norden her gegen Piava und Görz folgen zu lassen3), während die Be-
setzung des Beckens von Flitsch den Angriff auf die Kärntner Sperren
von Westen, Süden und Osten einzuleiten hatte.
Die Durchführung dieser für sich abgesonderten Unternehmung war
schon früher beabsichtigt gewesen, hatte jedoch aus Mangel an genügenden
Kräften, besonders an schwerer Artillerie, unterbleiben müssen4). Jetzt
konnte sie nicht mehr aufgeschoben werden, da die vorgeschrittene Zeit
im Hochgebirge zur Ausführung drängte.
Mit der Leitung der Operationen war der Führer des italienischen
IV. Korps, GLt. Nicolis di Robilant, beauftragt. Zur Verstärkung wurden
seinem Korps noch besonders tüchtige und gebirgsgewohnte Truppen
aus den Nachbarbereichen unterstellt. Robilant plante, die 7. ID. den Süd-
flügel des Tolmeiner Brückenkopfes vom Isonzo bei Selo bis westlich
von Sv. Maria, die je etwa brigadestarken Alpinigruppen A und B, nörd-
lich anschließend, den Nordteil des Brückenkopfes und den Vodil vrh
beiderseits des Flusses angreifen zu lassen. Die verstärkte 8. ID. und der
rechte Flügel der 33. ID. sollten den vom Isonzo gegen den Krn auf-
wärts streichenden Mittel- und Hochgebirgsrücken des Mrzli vrh—Sleme—
Maznik nehmen und sodann in das von Norden nach Tolmein führende
Tal des Tominski potok vorstoßen.
Nahezu gleichzeitig hatte der zweite Teil des Unternehmens, die
Wegnahme des Beckens von Flitsch und der umfassende Angriff gegen
die Kärntner Sperren, zu beginnen. Hiezu sollte vorerst der linke Flügel
1) Die vorausgehende Besetzung des Gebirgsstockes sollte die Fortnahme der beiden
Becken erleichtern. Ein solcher Versuch war schon in der zweiten Isonzoschlacht unter-
nommen worden und gescheitert.
2) Ital. Gstb. W., II, Text, 289.
3) C a d o r n a, La guerra, 1,144.
±) Ital. Gstb. W., II, Text, 288.
Beiderseitiges Kräfteaufgebot am obern Isonzo
771
der am Krn angesetzten verstärkten 33. ID. und die Hauptkraft der
Bersaglieridivision die Höhen östlich von Flitsch (Javorcek, Lipnik) ge-
winnen, um dann aus dem Socatale entweder nach Süden das Krnmassiv
oder nach Norden die Sperren zu umgehen. Teile der Bersaglieri hatten
aus der Talenge bei Saga vorzubrechen und das Becken selbst zu besetzen.
Überdies waren von Westen Teile der Karnischen Gruppe, und zwar
eine kombinierte Abteilung in Brigadestärke unter GM. Giardina im
Resiatale und auf dem Grenzkamm des Mt. Canin zum Angriff gegen die
Höhen nördlich von Flitsch (Rombon), der rechte Flügel der italienischen
24. ID. im Raccolanatal zum Angriff über den Neveasattel gegen die
Sperren bereitgestellt. Östlich von Karfreit stand eine Gruppe von fünf
Alpinibataillonen als Korpsreserve zum Eingreifen sowohl gegen Tolmein
als auch gegen Flitsch bereit.
Auf unserer Seite standen nach wie vor im Abschnitte I der Isonzo-
front das XV. Korps, nördlich auf dem Krnmassiv anschließend im Ab-
schnitte IV der Armeegruppe Rohr die 44. SchD.
Die Kämpfe, die hier am 12. August um die beiden Becken begannen
und stellenweise, wie bei St. Luzia, am Mrzli vrh, am Vrsic und bei
Flitsch, die Heftigkeit jener auf der Hochfläche von Doberdò erreichten,
dauerten, durch kurze Kampfpausen unterbrochen, fast sieben Wochen
lang und erneuerten sich an den genannten Brennpunkten trotz sehr
bedeutender Verluste des Angreifers mit einer geradezu staunenswerten
Zähigkeit, ohne daß diese zu einem erwähnenswerten Erfolge geführt hätte.
Die Kämpfe bei 'Colmein vom 12. bis zum 20. August
Mit einer schweren Artilleriebeschießung der öst.-ung. Stellungen
von Selo bis Flitsch am 12. und 13. setzte der Kampf ein, wobei auch
hier erstmalig die planmäßige Zerstörung der Orte hinter der Front er-
folgte. Bis zum 20. August wurden gegen das XV. Korps und den linken
Flügel der 44. SchD. bei Tag und Nacht zahlreiche, örtlich und zeitlich
zwar nicht einheitliche, aber starke Angriffe geführt, die immer wieder
von heftigen Beschießungen abgelöst wurden.
Am 14. vormittags setzte der Ansturm der italienischen Infanterie
ein. Er richtete sich zuerst gegen die östlich vom Krngipfel aufragenden
Felsspitzen und Grate und gegen den nach Süden abfallenden Rücken
Maznik—Sleme—Mrzli—Vodil. Den hier angreifenden Truppen der 33.
und der 8. ID. sowie der Alpinigruppe A blieb jedoch der Erfolg versagt.
Unter großen Opfern brachen die Anstürme zumeist schon vor den Hin-
dernissen der 3. und der 15. GbBrig. zusammen.
49*
772
Die Sommer schlachten gegen Italien
Während am 15. und 16. August die Kämpfe nördlich vom Isonzo
abflauten und der Angreifer teilweise in seine Ausgangsstellungen zu-
rückging, brach am zweitgenannten Tage die verstärkte 7. ID. gegen den
Brückenkopf vonTolmein vor. Sie sollte nach Besitznahme der im Becken
liegenden Höhen A 588 und Sv. Maria den Kampf auf das linke Isonzo-
ufer tragen, um den wichtigen Talknoten bei St. Luzia zu gewinnen1).
Der Angriff wurde auch hier bis zum Nachmittag fast durchwegs
abgewehrt. Nur am Westhang der Höhe A 588 brach der Feind in zwei
Kompagnieabschnitte eines in der Ablösung begriffenen Bataillons der
8. GbBrig. ein. Die an demselben Tage und am 17. mit den verfügbaren
schwachen Reserven angesetzten Gegenangriffe führten nicht zu dem ge-
wünschten Erfolge ; zum Teil deshalb nicht, weil die höheren Befehlsstellen
von der Lage im Räume Selo—A 588 noch keine klare Kenntnis hatten.
Mit Rücksicht auf die schüttere Besetzung der Front und den Mangel
an Verfügungstruppen — die spärlichen Reserven waren in den zwei-
tägigen Kämpfen verbraucht worden — schien die Gesamtlage des
XV. Korps kritisch geworden, die Gefahr eines Durchbruches nahegerückt
zu sein. Drang der Feind in Fortsetzung seiner Angriffe bei Tolmein
durch, so konnten die Höhenstellungen umfaßt oder umgangen, und die
wichtige Wocheinerbahn für die Versorgung des Korps verloren werden.
Der Nachschub für die 50. ID. hätte dann auf der Straße über den
Podbrdosattel und auf unfahrbaren Wegen aus der Wochein über das
Hochgebirge, jener der 1. ID. über den Kirchheimer Sattel bewerkstelligt
werden müssen. Man hegte aber auch Besorgnisse, ob bei einem starken
feindlichen Nachstoße die am östlichen Isonzoufer befindliche zweite
Stellung ohne Reserven behauptet werden konnte.
Doch des Armeeführers- eiserner Wille überhob die Unterführer
schwieriger Entschlußfassung. Gdl. Boroevic befahl unbedingtes Halten
der Hügel im Tolmeiner Talkessel, gestattete das Einreihen von Marsch-
formationen und wies das XVI. Korps zu kräftiger Artillerieunterstützung
an. Außerdem setzte er die 58.IBrig. 2) der 8. ID., die bei Dornberg im
Wippachtale als Armeereserve stand, über Chiapovano 3) zum XV. Korps
x) Zingales, 400.
2) Die aus dem 1. und 2. KJR. gebildete Brigade war choleraverseucht und sollte
möglichst lange in Reserve bleiben. Auch war nach Eintreffen weiterer Verstärkungen
am Isonzo geplant, die hochgebirgsvertrauten Kaiserjäger an den Grenzen Tirols zu
verwenden. Die kritische Lage beim XV. Korps durchkreuzte die Absicht des Kmdos.
der Südwestfront, und so stand die Brigade bis Anfang Oktober bei Tolmein im Kampf.
3) Allgemein war die slawische Bezeichnung „Cepovan" gebräuchlich, weil auch die
Bevölkerung dieses Landstriches rein slowenisch war.
Erfolglose italienische Angriffe gegen Tolmein
773
In Marsch, wo sie mit ihren vordersten Teilen allerdings erst am 18.
abends eintreffen konnte.
In dieser bedrohlichen Lage stellte FML. Kaiser, der Kommandant
der SO. ID., am 17. August nachmittags seine Divisionsreserve, das Ba-
taillon IV/37, nebst Organen seines Stabes dem Korpskmdo. zur Wieder-
herstellung der Lage bei der 1. ID. zur Verfügung, obwohl gegen seinen
eigenen Divisionsabschnitt neue Angriffe begonnen hatten.
Indes hatte sich am 18. vormittags die Lage am Südflügel der
8. GbBrig. geklärt. Der Stützpunkt Selo war fest in unserem Besitz; ob-
wohl völlig isoliert, hatte seine tapfere Besatzung alle feindlichen Stürme
abgeschlagen. Nördlich davon war der schmale italienische Einbruchs-
raum allseits abgeriegelt und unsere Linie geschlossen. Reserven waren
aus der Front gezogen, die Neugruppierung und teilweise Verstärkung
der Artillerie imTolmeiner Becken nahezu beendet. Die Krise war über-
wunden. Nach Aussage von Gefangenen standen aber neue Angriffe bevor.
Man konnte auch den Anmarsch von Verstärkungen beobachten.
Schon am 18. August nachmittags griffen nach starkem Artillerie-
feuer etwa vier Bataillone neuerlich die Höhen von Sv. Maria und A 588
an. Aber alle Versuche des Feindes, den hier am 16. erzielten geringen
Vorteil zu erweitern, blieben vergeblich.
Am 19. früh warf der vorbereitete Gegenangriff des Bataillons IV/37
den Feind endgültig vom Kamme zwischen Selo und A 588 zurück. Der
Erfolg, den die Italiener in den tagelangen, sehr verlustreichen Angriffen
errungen hatten, beschränkte sich auf die Gewinnung eines bescheidenen
Grabenstückes am Westhange der Höhe A 588.
Die in den beiden letzten Tagen gegen den Brückenkopf gerichteten
Angriffe waren von starken Vorstößen gegen den Krn und den Mrzli vrh
begleitet; doch die Heftigkeit der Angriffe hatte vorläufig ihren Höhe-
punkt überschritten. Starke Artilleriebeschießungen und kleinere Teil-
angriffò konnten das für die Italiener dürftige Ergebnis dieser Kampf-
periode nicht mehr ändern; dies umsoweniger, als unterdessen mittlere
und schwere Geschütze beim XV. Korps eingelangt waren, die die Be-
kämpfung der hoch über dem Tolmeiner Becken auf dem Grenzkamm
des Kolowrat eingebauten, sehr lästigen schweren italienischen Batterien
aufnahmen.
In sechstägigen Kämpfen hatte der Angreifer bei aller Tapferkeit
und Ausdauer mit Ausnahme der Eroberung des erwähnten Graben-
stückes überhaupt keinen Erfolg erringen können. Truppen in der Stärke
von etwa sieben Brigaden, unterstützt durch eine mächtige Artillerie,
774
Die Sommerschlachten gegen Italien
hatten das nur halb so starke XV. Korps, das seit Ende Juli vom FML.
Stöger-Steiner befehligt wurde, vergebens angegriffen und unverhältnis-
mäßig große Blutopfer bringen müssen.
Das Ringen um das Becken von Flitsch
Nahezu gleichzeitig mit den Angriffen beiTolmein begann von Mitte
August an gegen die an das XV. Korps nördlich anschließende 44. SchD.
der Armeegruppe Rohr eine Reihe von Unternehmungen, die die Er-
oberung des Beckens von Flitsch und das Niederkämpfen der nordöst-
lich davon befindlichen Sperrwerke zum Ziele hatten.
Die Truppen des Verteidigers standen hier, bis auf ein kurzes Talstück
östlich von Flitsch, in weit ausgedehnten Hochgebirgsstellungen, die schwer
zugänglich waren. Seit dem in den ersten Kriegswochen eingetretenen
Verluste der Kammlinie Vrsic—Vrata— Krn war der Verlauf der Front
unverändert geblieben (Skizze 32). Auf dem in nordwestlicher Richtung
abfallenden Rücken des Vrsic befand sich eine vorgeschobene Stellung
zwecks Flankierung der eigenen Verteidigungslinien am Lipnik und
Javorcek und zur Beobachtung nicht eingesehener Räume vor der Front.
Sonst standen vor der Front im Tale des Slatenikbaches und des Isonzo,
dann westlich von Flitsch und am Südwesthang des Rombon nur kleine
Aufklärungs- und Sicherungsabteilungen.
Bis Anfang August hatte der Feind den das Becken von Flitsch im
Westen umschließenden Hochgebirgskamm des Mt. Canin nicht über-
schritten. Weiter südlich hatten seine Truppen die Talenge nordöstlich
von Saga und den Polounikrücken schon Ende Mai erreicht, sich aber
dort weiterhin untätig verhalten. Durch Abhorchen italienischer Fern-
gespräche, dann durch Gefangene und Überläufer war der Verteidiger
über Absichten und Kräfteverteilung des Feindes fast bis ins einzelne
zutreffend unterrichtet und daher vor Überraschungen gefeit. Doch konnte
für die Behauptung des Rombon, von dem aus vor allem die Beobachtung
des Beckens möglich war, zunächst nur durch eine geringe Verstärkung;
der Besatzung und durch Aufstellen eines Gebirgsgeschützes auf dem
Gipfel des Berges vorgesorgt werden.
Am 3. August begannen italienische Aufklärungsabteilungen über den
westlichen Grenzkamm und von Süden gegen Flitsch vorzufühlen. Der
Ausbau eines über die Prevalascharte führenden Weges aus demRaccolana-
ins Isonzotal deutete auf die Annäherung von Kräften auch aus dieser
Richtung hin. Im Halbkreise vom Neveasattel über Saga, Serpenizza und
Ravna schössen sich Batterien aller Kaliber auf die Stellungen und Sperren
Erbittertes Ringen um die Höhe Vrsic
775
bei Flitsch ein1), und am 12. August begann das Zerstörungsfeuer gegen
die Stellungen vom Rombon bis zum Krn, das mit großem Munitionsauf-
wande und wechselnder Stärke bei Tag und Nacht anhielt. Zwei Tage
später setzten die Anstürme der italienischen Infanterie ein, die vor dem
durch die Artillerie der 44. SchD. unterstützten Nordflügel des k. u. k.
XV. Korps schon am selben Tage verlustreich scheiterten. Am 15. begannen
auch nördlich vom Krn zähe und bis zum 20. August oft wiederholte
Angriffe des italienischen IV. Korps.
Diese galten in erster Linie der nur von einem Bataillon des nieder-
österreichischen SchR. 21 verteidigten Vorstellung des Vrsic, die am 15.
und 16. durch Bersaglieriabteilungen bestürmt wurde. Doch die wackeren
Schützen wußten den vielfach überlegenen Feind mit blutigen Köpfen
abzuweisen. Am 17. August erneuerten die Italiener ihre Bemühungen
gegen das vorspringende Felsennest, ohne auch diesmal einen Erfolg
zu erzielen. Eine hierauf einsetzende zweitägige Kampfpause bot den
Verteidigern die Gelegenheit zur Auffüllung ihrer arg gelichteten Reihen.
Am 19. abends schwoll das Zerstörungsfeuer gegen die Kampfstel-
lungen der 87. SchBrig. wieder an. Es dauerte die Nacht zum 20. fort,
um sich früh auf der Vrsicstellung zu größter Heftigkeit zu steigern, pis
8h früh waren Deckungen und Hindernisse vom Felsboden hinweggefegt,
als Bersaglieri und Infanterie neuerlich mit großer Wucht und anerken-
nenswertem Schwung zum Sturme schritten. Vier Stunden hindurch bran-
dete nun Welle auf Welle gegen die österreichischen Stellungen. Zweimal
gelang der Einbruch auf dem Kamm. Immer wieder wurde der sich
anklammernde Feind in die Abgründe hinabgeworfen. Von den benach-
barten Bergspitzen des Lipnik griffen Teile des Kärntner GbSchR. 1
durch flankierendes Feuer unterstützend ein. Sie sahen die tapfere Be-
satzung des Vrsic im feindlichen Geschoßhagel aufrecht stehend Hand-
granaten und Felsblöcke auf die anstürmenden Italiener schleudern, die
Herankommenden mit dem Bajonett empfangen und Leib an Leib den
wilden Kampf austragen.
Endlich gegen Mittag ermattete der Feind; schwer geschädigt stellte
er die fruchtlosen Berennungen ein und zog sich in seine Ausgangsstel-
lungen zurück, verfolgt vom Feuer der wenigen nicht zerschossenen
1) Diese Sperren, die am 18. Juli zum erstenmal beschossen wurden, bestanden aus
dem veralteten Werk „Hermann" und der Straßensperre. Bis auf zwei Panzerhaubitzen
waren die Geschütze und die Mehrzahl der Maschinengewehre in das Anland verlegt
worden. Die Werke wirkten auch hier vornehmlich dadurch, daß sie das schwere
feindliche Feuer auf sich zogen.
776
Die Sommerschlachten gegen Italien
Geschütze und Maschinengewehre. Erbittert durch den Mißerfolg, über-
schüttete die feindliche Artillerie den ganzen Abschnitt der 87. SchBrig.
mit Geschossen aller Kaliber bis zum sinkenden Tag. Dann versuchte der
Italiener noch einmal den Erfolg an sich zu reißen. Aber sein Schwung
war gebrochen. Bei Einbruch der Nacht waren alle Teile der Stellung
in festem Besitz der heldenmütigen Verteidiger.
Die erwartete Fortsetzung der Angriffe blieb vorläufig aus; denn
östlich vom oberen Isonzo versuchte der Feind in der nächsten Zeit bloß
durch kleine Unternehmungen sich von Westen und Süden her durch
das Slateniktal an den Fuß des Javorcek heranzuarbeiten.
Während auf dem Hochgebirgsrücken zwischen dem Isonzo und
dem Krn sich die italienischen Angriffe in engem Räume abspielten,
waren die zur Eroberung von Flitsch bereitgestellten Bataillone des
Gen. Giardina und der Bersaglieridivision (S. 771) langsam vortastend den
Hang des Caninmassivs herabgestiegen und aus der Enge von Saga
nordwärts vorgerückt. Am 14. erreichten sie kampflos den Süd- und
Westrand des Beckens von Flitsch und blieben hierauf sechs Tage
stehen, währenddessen die italienischen Batterien ihre Geschosse in die
österreichischen Stellungen und Sperren schleuderten. Am 20. wurde der
Vormarsch wieder aufgenommen, wobei unsere Vortruppen plänkelnd
langsam gegen die Hauptlinien zurückwichen. Von den Sperren und der
Artillerie nunmehr unter Feuer genommen, rückte der Angreifer sehr
zögernd heran; die Erfahrungen von Görz und vom Doberdoplateau
hatten ihn vorsichtig gemacht. Insgesamt gingen vom Krn bis zum
Rombon 20 Bataillone vor, unterstützt von 17*/2 Batterien, denen 9 Ba-
taillone und 8V2 Batterien der 44. SchD. gegenüberstanden.
Bis zum 22. August abends hatten sich die Italiener an den West-
hang des Rombon und südlich von Flitsch herangeschoben. Am nächsten
Morgen gewannen sie durch Überfall einen vorgeschobenen Stützpunkt
auf dem Südwesthang des Rombon. Ein weiteres Vordringen der Alpini
verhinderte die nur zwei Kompagnien und vier Geschütze starke Be-
satzung dieses Berges, die durch eine Kompagnie verstärkt wurde, um
diesen Eckpfeiler der Verteidigung des Flitscher Raumes sicher zu be-
haupten.
Indessen besetzten Bersaglieriabteilungen kampflos den vor der
Front gelassenen Ort Flitsch und näherten sich unseren Talstellungen.
Gefangene kündigten für den 24. einen italienischen Angriff an; doch
der Feind blieb an diesem Tage am Rombonhange stehen. Dafür brachen
Abteilungen durch Flitsch gegen die Talstellung vor; sie wurden von
Kämpfe auf dem Wischberg und auf dem Rombon
777
der Artillerie der 44. SchD. gefaßt und fluteten zurück. Dasselbe Schick-
sal erlitt ein Bataillon, das zwei Tage später hier den Angriff versuchte.
Im Zusammenhange mit dem italienischen Angriff gegen Flitsch
stießen am 24. auch nördlich davon mehrere Alpinibataillone der 24. ID.,
die tags vorher die Reichsgrenze zwischen der Confinspitze und dçm
Somdognasattel überschritten hatten, gegen das schroffe Massiv des
Wischberges vor. Sie sollten nach dessen Eroberung im Seebachtale weiter-
rücken, um dem Gen. Giardina den Angriff auf den Rombon und die
Umgebung der Flitscher Sperren zu erleichtern. Doch alle Bemühungen,
die nahe der Grenze verlaufenden und nur von Landstürmern besetzten
Stellungen der 92. ID. zu durchbrechen, vereitelte im wesentlichen schon
die wachsame Verteidigungsartillerie. Einen starken Vorstoß am Süd-
hang des Wischberges wehrte die Grabenbesatzung ab.
Indessen konnten die Verteidiger den Anmarsch frischer feindlicher
Kräfte über den Neveasattel beobachten, und vom Sattel zwischen dem
Rombon und der Confinspitze sprach sich eine Bedrohung des linken
Flügels der benachbarten 92. ID. aus. All dies erweckte den Eindruck,
daß der Angreifer seine Bereitstellung für den eigentlichen Angriff auf
die Stellungen zwischen Rombon und dem Isonzo noch nicht beendet
hatte; desgleichen schien die entscheidende Artillerievorbereitung noch
nicht begonnen zu haben. Doch kündigten die bisherigen feindlichen Maß-
nahmen sowohl einen Angriff gegen die Talstellung östlich von Flitsch,
als auch einen solchen gegen den Rombon von Westen her an. Um diesen
drohenden Gefahren zu begegnen, galt es vor allem, für die verläßliche
Behauptung des Rombon vorzusorgen. Deshalb lenkte das Kommando
der Südwestfront das eben vom russischen Kriegsschauplatz anrollende
GbSchR. 2 in diesen Raum. Das erste mit Gebirgsausrüstung versehene
Bataillon wurde am 27. geteilt an den inneren Flügeln der 92. ID. und
der 44. SchD. eingesetzt, indes GdK. Rohr die beiden andern Bataillone
zu seiner Verfügung bei Raibl zurückbehielt.
Gerade am gleichen Tage begann der erwartete Angriff gegen den
Rombon. Zwei Alpinibataillone, unterstützt von mehreren Gebirgs- und
schweren Batterien, stießen von Westen, Südwesten und Süden gegen
den zerklüfteten Gipfel des Berges vor. Sie hatten diesen nach Aussage
von Gefangenen um jeden Preis zu nehmen. Tatsächlich gelang es den
gebirgsvertrauten, besonders ausgewählten Truppen, auf der Spitze
vorübergehend Fuß zu fassen. Ein Gegenstoß der örtlichen Reserve warf
den Feind bis Mittag wieder zurück. Auch am Hange zwischen dem
Rombongipfel und der Straße beim Eingang ins Koritnicatal vermochte
778
Die Sommerschlachten gegen Italien
der Angreifer die eigene Front etwas zurückzudrängen; hier stellte eine
kleine Reserve am Hang die geschlossene Front wieder her. Hervor-
ragend hatte die Verteidigungsartillerie, nicht zuletzt die auf dem Rom-
bon aufgestellten Gebirgskanonen, in den hin und her wogenden Kampf
eingegriffen und dadurch beigetragen, daß alle Angriffe abgewehrt
wurden, und der heißumstrittene Berg an der Rüste dieses krisenreichen
Tages behauptet blieb.
Die Ereignisse der letzten Augusttage
Während der Kampf am Rombon abflaute und in Plänkeleien aus-
klang, versuchte der Italiener um Mitternacht zum 28. August durch
einen großangelegten Handgranatenüberfall sich der Vrsicstellung zu be-
mächtigen. Dank der Wachsamkeit der Besatzung konnte dieser Nacht-
angriff bis zum Morgengrauen abgewehrt werden. Ein um 6h früh
wiederholter Ansturm scheiterte ebenfalls, worauf die Italiener aus In-
grimm über ihren Mißerfolg ein mehrstündiges Geschützfeuer auf die
hartgeprüften Schützen des SchR. 21 richteten.
Ein mißglückter italienischer Vorstoß gegen die Hauptstellung des
Rombon am 29. August und ein ebensolcher Abendangriff gegen die
Talstellung am 30. beschloß die Reihe der für die Italiener ergebnislos
gebliebenen Augustkämpfe im Räume von Flitsch.
Südlich vom Krn flammte nach kurzer Pause der Kampf wieder
vor dem Tolmeiner Brückenkopfe auf, wobei sich die Angriffe der durch
Alpini verstärkten italienischen 7. ID. namentlich gegen die 8. GbBrig.
richteten, um ihr die schon oft bestürmten Höhen Sv. Maria und A 588
zu entreißen. Doch bei den in den Nächten auf den 21. und 22. August
unternommenen Vorstößen vermochte der Feind nicht, die Stellungs-
hindernisse des Verteidigers zu überwinden. Daraufhin richtete sich am
22. vormittags gegen den vorgenannten, nur iy2 km breiten Frontabschnitt
ein Massenfeuer von etwa 15 Batterien, das bis zum Einbruch der Dunkel-
heit dauerte. Doch die hierauf während der Nacht mehrfach wieder-
holten Durchbruchsversuche wurden wieder völlig abgeschlagen, an
welchem Erfolg die Artillerie durch ihr wirkungsvolles, von der Lom-
hochfläche aus auch durch flankierendes Feuer hervorragenden An-
teil hatte. Nach dem 23. August beschränkte sich der Angreifer auf das
Vortreiben von Sappen an die öst.-ung. Stellungen und auf Feuerüber-
fälle. In den letzten Augusttagen wiederholte er — diesmal von Norden
her — den Versuch, den Tolmeiner Brückenkopf zu nehmen. Nach stärkster
Artilleriebeschießung wiesen Truppen der 3. GbBrig. am 28. vormittags
Neugliederung der Truppen auf dem Karnischen Kamm
779
fünf aufeinanderfolgende Angriffe gegen den Mrzli Vrh, den Sleme-
rücken und im Isonzotale bei Dolje ab, wobei die durch Alpini und
Bersaglieri verstärkte 8. ID. schwere Verluste erlitt. Nachmittags stei-
gerte sich das feindliche Feuer gegen die Front Krn—Selo in einem bis-
her nicht dagewesenen Maße. Vor allem gegen die Hügelstellungen
zusammengefaßt, fegte es die Hindernisse fort und zerstörte alle Gräben.
Um 8h abends, schon im Dunkeln, brach ein Massenangriff von etwa
vier Regimentern vor, der zum Teil bis in die Stellungen gelangte. Ört-
lichen Reserven und einem bosnischen Bataillon gelang es, den Feind
in harten nächtlichen Gegenangriffen vollends zurückzuwerfen, wobei
feindliche Abteilungen, die unsere Stellungen nicht rechtzeitig räumten,
abgeschnitten und von den erbitterten Bosniaken niedergemacht wurden.
Nach diesen Mißerfolgen trat verhältnismäßige Ruhe bis zum Wieder-
aufleben der italienischen Angriffe im September ein.
Begebenheiten in den westlichen Abschnitten der Armeegruppe Rohr
Hiezu Skizze 36
Während der linke Flügel der Armeegruppe Rohr, vor allem die
44. SchD., durch die Kämpfe am oberen Isonzo hart in Mitleidenschaft
gezogen wurde, erfreute sich die Front auf dem Karnischen Kamm fast
völliger Ruhe. Sie kam den Ende August stattfindenden Ablösungen zugute .
Zwischen dem 24. und dem 27. August traf von der Doberdòhoch-
fläche die 12. GbBrig. in Oberdrauburg ein; dafür mußten die bei der
Gruppe GM. Fernengel verbliebenen Teile des IR. 43 (zweieinhalb Ba-
taillone) und zwei Marschbataillone der 92. ID. (X./IR.27 und IX./SchR. 3)
an die 5. Armee abgegeben werden. Diese Ablösungen bedingten nach
dem anfangs September erfolgten Einsatz der 12. GbBrig. bei der 48.ID.
eine neue Gliederung und Begrenzung der Abschnitte, wobei die 57. und
die 59. GbBrig. unter dem Befehl des GM. Fernengel im Abschnitt II ver-
einigt wurden. In diesen Tagen begann auch der allmähliche Einsatz des
neugebildeten Kärntner freiwilligen Schützenregiments in die Front. Eine
wertvolle Verstärkung erhielt GdK. Rohr durch die Zuweisung von zwei
schweren und zwei Gebirgsbatterien sowie von mehreren kleinkalibrigen,
im Gebirge sehr gut verwendbaren Marine-Landungsgeschützen. Die fort-
schreitende Festigung der Front gestattete ferner den Einbau einer An-
zahl von zwar veralteten und bisher in hinteren Stellungen als Positions-
geschütze bereitgestellten Kanonen (M. 75/96) in die vordersten Linien,
die sich hier für engbegrenzte Aufgaben als brauchbar erwiesen.
780
Die Sommerschlachten gegen Italien
Bei dieser seit Mitte Juli anhaltenden verhältnismäßigen Ruhe bes-
serten sich auch in erfreulicher Weise die Kampfstände; zwei Drittel der
Bataillone erreichten bis Ende August den vollen Kriegsstand. Nur die
schwer kämpfende 44. SchD. blieb weit unter dieser Zahl.
Die Sommerkämpfe in Tirol
Hiezu Beilage 27
Die Dolomitenoffensive der Italiener
Als der erste italienische Angriff gegen die Dolomitenfront nach
seinem Mißlingen am 18. Juni eingestellt worden war, ließ die Armee
des Gen. Nava eine Kampfpause eintreten, die mit dem Heranbringen
schwerer Geschütze aus den italienischen Festungen und mit Vorberei-
tungen für eine neue Offensive ausgefüllt wurde. Das Ziel dieses Angriffes,
der am 5. Juli zu beginnen hatte, war die Besitznahme des durch Toblach
und die Sellagruppe abgegrenzten Raumes. Hiezu hielten die Italiener
vorerst die Niederkämpfung der dort befindlichen Sperrforts für nötig.
Während es dem IX. Korps schon beim ersten Offensivsprung ge-
lungen war, bis nahe an die Werke Ruaz, Corte und Tre Sassi heranzu-
kommen, sollte sich das I. Korps die Einschließungslinie vor Plätzwiese,
Landro und Sexten erst jetzt erkämpfen. Hiezu wurde die 10. ID. in dem
weitgespannten Räume zwischen dem Mt. Peralba und dem Popenatale
angesetzt. Die 2. ID. hatte beiderseits von Cortina d'Ampezzo in nord-
westlicher Richtung gegen das Rautal vorzudringen. Das IX. Korps (17.
und 18. ID.) sollte mit je einer Kolonne gegen das Werk Tre Sassi, die
Höhe Settsass und den Col di Lana vorgehen, offenbar um den Einbruch
in das Abteital zu erzwingen1).
Am 5. Juli begann die Artillerie der italienischen 4. Armee die öster-
reichischen Sperren zu bombardieren, am 7. die Infanterie vorzurücken.
Der rechte Flügel der 10. ID. machte erst am 9. Juli gegen die 5 km
westlich vom Tilliacher Joch gelegene Königswand einige ergebnislose
Angriffsversuche, die am 12. vorübergehend eingestellt wurden. Ein am
18. bei Nebel und Schneegestöber zwischen dem Wildkaarleck und dem
Eisenreich erneuter Angriff führte wohl bis an die Drahthindernisse des
Gegners, wurde hier aber von der wachsamen Besatzung, Standschützen
und Gendarmerieassistenzen der 56. GbBrig., sowie von Reserven des
!) Ital. Gstb. W., II, Text, 337 ff.
Wechselvolles Fechten auf dem Mt. Piano
781
Alpenkorps1), abgewiesen. Die österreichische Vorstellung im Sexten-
tale blieb dagegen völlig unbehelligt und konnte allmählich zur Haupt-
verteidigungslinie ausgestaltet werden.
Lebhafter ging es auf dem Mt. Piano zu, der die Annäherung an die
Forts Landro und Plätzwiese sowie den Einblick ins Höhlensteintal ver-
wehrte. In achttägigen, vom 15. bis zum 22. Juli währenden Kämpfen
versuchte die westliche Kolonne der italienischen 10. ID. dieses Berges
Herr zu werden. Hiebei gelang es ihr, am 18. in die am Westhang ge-
legene Stellung einzubrechen, am 20. durch Umgehung von Norden sogar
bis in die Geschützlinie vorzudringen; doch in hitzigen Nahkämpfen
wurde der Feind von 59ern und Kaiserschützen wieder verdrängt2).
Nach einem neuerlichen Fehlschlag am 22. stellten die Italiener ihre als
fruchtlos erkannten Bemühungen ein.
Mittlerweile waren aus Freiwilligen der Kaiserschützenabteilungen
gebildete „alpine Détachements" in kühner Kletterarbeit darangegangen,
sich auf den Nordhängen des Mt. Cristallo festzusetzen. Hiedurch wurde
die Mt. Piano-Stellung in der Westflanke gesichert, und überdies die Be-
nützung der Straße von Schluderbach bis Rufredo ermöglicht.
Weiter westlich galten die italienischen Bestrebungen der Besitz-
nahme des Travenanzesabschnittes, der von der aus drei Landsturm-und
vier Standschützenkompagnien bestehenden Werksbesatzung Tre Sassi
und einem Bataillon des bayrischen Leibregiments verteidigt wurde.
Hiezu griff die italienische 2. ID. des I. Korps den Tofanarücken von
Osten her an. Die 17. ID. des IX. Korps ging von Süden gegen die
schwierigen, vom Val Costeana in das Travenanzestal führenden Ge-
birgssteige sowie gegen Tre Sassi vor3). In hartnäckigen, vom 7. bis
10. Juli andauernden Kämpfen, wobei von beiden Gegnern alpine Höchst-
leistungen vollbracht wurden, vermochten sich die Italiener auf den
Tofane III und II und auf der -c¡>- 2547 (Cima di Falzarego) nördlich vom
Falzaregopaß festzusetzen.
Die im weitgedehnten Abschnitt zwischen der Ruine Buchenstein und
der Croda Grande (11 km nordöstlich von Fiera di Primiero) vorgehende
18. ID. legte das Schwergewicht auf den rechten Flügel. Zwischen dem
7. und dem 9. Juli bestürmten einige Bataillone die Vorstellung des Col
di Lana, andere am 9. und 10. den Sasso di Stria und die benachbarte
Lagazuoiposition. War ihnen auch kein Erfolg beschieden, so gab diese
*) Die Bayern im Großen Kriege 1914/1918 (München 1923), 214.
2) Feurstein, Dolomitenkämpfe (Mil. wiss. Mitt., Jhrg. 1925, 491).
3) Ital. Gstb. W., II, Text, 341 ff.
782
Die Sommerschlachten gegen Italien
Bedrohung doch Veranlassung, die schwache Besatzung des Abschnittes
Buchenstein (drei deutsche Jäger- und vier Standschützenkompagnien so-
wie Gendarmerieassistenzen) durch Reserven zu verstärken, außerdem
am 11. Juli den ganzen Abschnitt der 51. GbBrig. dem Führer der 1. bayr.
Jägerbrigade, GM. Ritt. v. Tutschek, zu unterstellen, wobei jene im west-
lichen Teil des Raumes zusammenzurücken hatte. Durch frische Truppen
gekräftigt, vermochte die Besatzung des Col di Lana allen vom 15. bis
zum 20. Juli täglich wiederholten Anstürmen zu trotzen1). ImTravenanzes-
tal setzte sodann die planmäßige Vertreibung der Italiener ein, die am
27. abgeschlossen war. Nur die Rückeroberung der Cima di Falzarego
sollte einem ferneren Zeitpunkte vorbehalten bleiben, weil es an aus-
reichender Artillerie gebrach. Sie wurde späterhin ganz fallen gelassen.
Die Umfassung des Col di Lana im Dreiviertelkreis ließ nun GdK.
Dankl wieder auf seinen Plan der Verkürzung der langen, über das Por-
doijoch verlaufenden Stellung durch Vorverlegung gegen Osten zurück-
kommen. War wegen der durch die Nähe der italienischen Grenze ge-
gebenen beschränkten Verwendbarkeit des Alpenkorps (S. 515) auch keine
völlig befriedigende Lösung möglich, so wurde an dem nebeligen Nach-
mittag des 29. Juli doch wenigstens die Linie Sasso di Mezzodì—Cherz
— sogar ohne Kampf — eingenommen. Hiedurch wurde die vom Pordoi-
joch über Arabba ins Gadertal führende Straße frei und Raum für die
Aufstellung von Batterien gewonnen.
Obwohl nun schon zwei Angriffe der Italiener — der erste vom 5.
bis 11., der zweite vom 15. bis 20. Juli reichend — mißglückt waren,
raffte sich die 4. Armee am 31. Juli noch ein drittes Mal zur Gewinnung
des ihr vorgezeichneten Zieles auf. Dieser Angriff traf die Tiroler Landes-
verteidigung in einem besonders kritischen Augenblick, weil alle Re-
serven an öst.-ung. Truppen an die Isonzofront abgesendet worden waren,
und auch die für Tirol bestimmt gewesene 8. ID. zur 5. Armee gelenkt
wurde (S. 636 und 761).
Schweres Artilleriefeuer gegen die alten Werke Landro und Corte,
wodurch das zweitgenannte völlig in Trümmer geschossen wurde, leitete
das italienische Unternehmen ein. Es hatte in erster Linie wieder die
vorspringende Bastion der Dolomitenfront, den Col di Lana, zum Ziele.
Doch erwehrten sich am 2. August deutsche Jägerkompagnien des An-
sturmes der italienischen 18. ID., und Batterien des Verteidigers, die ge-
legentlich der Vorverlegung der Front nach Arabba vorgezogen worden
waren, vermochten jetzt aus flankierender Stellung wirkungsvoll die Ab-
l) Pi chi er, Der Krieg in Tirol 1915/1916 (Innsbruck 1924), 56 f.
Col di Lana, der „Blutberg"
783
wehr zu unterstützen. Am 4. August abends stürmten nach machtvoller
Beschießung nochmals italienische Bataillone gegen die zerschossenen
Gräben vor. Sie drangen auch ein, wurden aber in wütendem Handge-
menge wieder zurückgeworfen. Seit jener besonders blutigen Nacht führte
der Col di Lana bei den Italienern den Namen „Col di sangue", der
„Blutberg". Auf zweihundert Schritte vor der Verteidigungsstellung gru-
ben sich die gelichteten italienischen Abteilungen ein und hielten fortan
Ruhe, während die schweren Geschütze ihr Zerstörungswerk im gleich-
mäßigen Tempo fortsetzten1). Hiedurch erlitt auch die Sperre Ruaz das
Schicksal des Forts Corte. Dieses wurde in ein Scheinwerk umgewandelt,
das die italienischen Batterien späterhin noch oft zu Munitionsvergeu-
dung verleitete. Die Vorstöße, die die Italiener am 9. und 15. August
gegen die zwischen dem Col di Lana und dem Mt. Sief befindliche Sattel-
stellung unternahmen, blieben wirkungslos.
Weiter östlich glückte es der italienischen 17. ID. am 3. August, die
Verteidiger des zwischen den Tofane I und II durchführenden Über-
ganges zurückzudrücken, was eine empfindliche Gefährdung des Nach-
schubes für die ohnehin stark ausgesetzten Verteidiger des Travenanzes-
tales zur Folge hatte. Ein am 20. unternommener Angriff der 17. ID.
galt der Erweiterung ihres seinerzeitigen Raumgewinnes auf der Cima
di Falzarego gegen Norden; doch nur schwere Verluste waren das Er-
gebnis dieser Unternehmung.
Das italienische I. Korps mühte sich im August mit der 2. ID. wieder
um den Mt. Piano ab2). Nach zwei Ablenkungsvorstößen am 2. und 4.
richtete sich am 11. ein starker Angriff gegen die österreichische Stellung
im Popenatale. Am Abend wurde sie am Westhang des Mt. Piano durch-
brochen. Tags darauf zeitigte der Versuch der Italiener, den Erfolg aus-
zuweiten, bei den Verteidigern eine kritische Lage, bis ein am 13. unter-
nommener Gegenangriff nach krisenreichen Kämpfen die Kaiserjäger,
59er und Standschützen wieder in den Besitz ihrer Stellung brachte. Zwei
am 15. unternommene italienische Angriffe vermochten hieran nichts
mehr zu ändern. ♦
Zwischen dem Höhlenstein- und dem Sextentale gelang es den beim
I.Korps eingeteilten Alpinibataillonen in schwierigen, vom 14. bis zum
17. August ununterbrochen währenden Kämpfen, sich der Vorstellung zu
bemächtigen, die über die Felszacken des Dreizinnenmassivs verlief. Als
sie aber noch am 17. und dann wieder am 19. die von einem Marsch-
1) Pi chi er, 59.
2) It al. Gstb. W., II, Text, 356.
784
Die Sommer schlachten gegen Italien
bataillon der Kaiserschützen verteidigte Hauptstellung am Toblinger
Knoten angriffen, hatten sie schwerste Verluste zu beklagen, ohne ihrem
Ziele nahe gekommen zu sein.
Im Sextener Abschnitt stieß nach kräftiger Artillerievorbereitung,
die bis zum Dorf Sexten reichte, der durch Teile der Armeereserve
(1. ID.) verstärkte rechte Flügel der 10. ID. am 4. August nördlich von
der Straße gegen die Höhen Seikofi und Eisenreich vor. Bayern vom
Leibregimentx) und Innsbrucker Standschützen bereiteten den Italienern
aber einen so blutigen Empfang, daß sie erst im September eine Wieder-
holung des Angriffes wagten. Wohl aber hielt das italienische Feuer
auch weiter an ; es richtete sich vornehmlich gegen die Ortschaft Sexten,
die schon Mitte August nur mehr ein qualmender Trümmerhaufen war.
Bis Ende August war die italienische 4. Armee ihrem Ziele, der
Pustertalbahn, trotz ihrer vielfachen Überlegenheit und bei aller Auf-
opferung des einzelnen Kämpfers dank dem heroischen Verhalten der
durch deutsche Bataillone verstärkten Tiroler Landesverteidiger nicht
näher gekommen.
Der italienische Angriff im Val Sugana und auf der
Hochfläche von Lavarone und Folgaria
Mochte auch Cadorna in diesem Zeitpunkte einen Vorstoß der Öster-
reicher aus Südtirol nicht mehr befürchten (S. 739), so war die Gefahr
eines derartigen Unternehmens nicht dauernd gebannt, insolange sie im
Besitze des befestigten Sammelraumes von Folgaria und Lavarone stan-
den, Der erste italienische Offensivsprung hatte die österreichischen
Werke nicht überwunden. Nunmehr sollten sie niedergekämpft und der
Nordwestrand der Hochfläche in der Linie Cimone A1528 (südlich von
Caldonazzo)—Sommo alto (südöstlich von Folgaria) gewonnen werden2).
Mit dieser Aufgabe wurde das V.Korps der 1.Armee betraut, von dem
die 15. ID. im Suganatal und beiderseits davon, die 34. ID. gegen Lava-
rone und die 9. gegen Folgaria angreifen sollten.
Die Stärke des Verteidigers im Val Sugana, der 52. HaBrig., war
seit Mai unverändert geblieben. Die 180. IBrig., die auf den Hochflächen
stand, hatte ein Marschbataillon und zwei aus ganz jungen Freiwilligen
gebildete oberösterreichische Schützenbataillone zugewiesen erhalten.
*) Das Königlich Bayerische Infanterie-Leibregiment im Weltkrieg 1914—1918
(München 1931), 84.
2) Ital. Gstb. W., II, Text, 320 f., Dokumente, 340 f.
Mißerfolge der Italiener vor Lavarone und Folgaria
785
Außerdem war der Befehlsbereich dieser Brigade geteilt und der östliche
Abschnitt dem Obst. Ritt. v. Ellison des Geniestabes unterstellt worden.
Die Vorrückung der 15. ID., die die Aufmerksamkeit des Verteidigers
von der gegen Lavarone und Folgaria gerichteten Hauptaktion ablenken
sollte, begann unter dem Schutze einer mächtigen Artillerie, die in vier
Gruppen (auf dem Mt. Lisser, bei Cast. Tesino, auf dem Agaro sowie im
Vanoi- und Cismontale) aufgefahren war. Bis zum 16. erreichten die
Italiener kampflos die Höhe Civaron (südöstlich von Borgo) und die
Orte Strigno und Bieno; ein weiteres Vordringen über die Ertragsgrenze
ihrer eingebauten Artillerie unterblieb. Vielleicht hatten sie dank der
geschickten Verschleierung durch die k.u.k. Sicherungstruppen noch gar
keine Kenntnis, daß die österreichische Verteidigungslinie viel weiter
im Westen, über die Höhen Sommo, Panarotta und Kreuzspitz, verlief.
Am 15. August begann die italienische Artillerie auch gegen die Werke
der Hochfläche ihr Zerstörungsfeuer, wodurch Cima di Vezzena in
Trümmer geschossen und Lusern schwer beschädigt wurde. Doch die
Verlegung der Kampfmittel dieser Forts in geschickt angelegte Fels-
kavernen hatte schon vorher im gleichen Räume neue, viel kräftigere
und widerstandsfähigere Verteidigungsanlagen entstehen lassen.
Die vom 17. August an einsetzenden Angriffe der 9. ID. stockten
schon vor zwei Beobachtungsposten, die sich auf dem Coston (eine halbe
Kompagnie) und bei der Mga. Milegna (etwa 40 Mann) eingenistet
hatten. Unterstützt durch die treffsichere Werksartillerie schlugen sie
heldenmütig bis zum 19. alle Anstürme des vielfach überlegenen Feindes
ab. Dann ging die Handvoll Kai ser schützen und Kufsteiner Standschützen
von der Mga. Milegna befehlsgemäß auf den Mt. Maronia zurück, worauf
am nächsten Tage Alpini die verlassene Mga. Milegna stürmten. Der
Posten auf dem Coston blieb aber trotz des am 20. gegen ihn gerichteten
Angriffes zweier Bataillone unerschütterlich stehen.
Nach viertägiger Pause ging das ganze italienische V. Korps zum
Angriff vor. Im Suganatal besetzte die 15. ID. am 24. August kampflos
den Armenterrarücken, Borgo und den Salubio. Die 34. ID. stürmte
gegen die nach starkem Bombardement für niedergekämpft angesehenen
Werke Cima di Vezzena, Verle und gegen den feldmäßigen Stützpunkt
Basson. In wütendem Kampfe, der die ganze Nacht über bis zum Morgen
anhielt, erlitten die Italiener jedoch einen völligen Mißerfolg1). Die
!) Den in den Stützpunkt Basson eingedrungenen Feind warf Obst. Otto Ritt. Ellison
v. Nidlef mit nur fünf Offizieren seines Stabes wieder hinaus. Das Ritterkreuz des
Militär-Maria Theresien-Ordens lohnte diese außergewöhnliche Heldentat.
II 50
786
Die Sommerschlachten gegen Italien
oberösterreichischen Jungschützen hatten bei diesem Ringen ihre Feuer-
taufe glänzend bestanden1). Die 9. ID. der Italiener begnügte sich mit
der Festsetzung vor dem Mt. Maronia.
Ende August konnte der italienische Ansturm gegen die Hochfläche
von Folgaria—Lavarone als abgeschlagen gelten. Der Abwehrsieg war in
erster Linie der außergewöhnlichen Standhaftigkeit und der Tapferkeit
der spärlichen Verteidiger zu danken. Sicherlich hatten sie ihren Erfolg
aber auch dem Umstände zuzuschreiben, daß die Italiener ihre Angriffe
gegen die einzelnen Ziele zu verschiedenen Zeiten unternahmen, wo-
durch der Verteidiger in die Lage kam, seine schwache Artillerie zur
Abwehr jeweilig zusammenzufassen. Die in diesen Kämpfen gesammel-
ten Erfahrungen führten dazu, daß das Landesverteidigungskmdo. die
Kampfmittel nahezu aller, auch der modernen Werke Tirols im Anlande
einbauen ließ.
Die Ereignisse im Etschtal und an der Tiroler
W e st fr ont
Im Etschtale, vor Riva und in den Judikarien legten sich die Ita-
liener während des Sommers größte Zurückhaltung auf. Namentlich im
letztgenannten Abschnitt blieb die italienische 6. ID. sogar außerhalb der
Ertragsgrenze der österreichischen Geschütze. Die große Entfernung
zwischen den beiden Stellungen bot kühnen Hochgebirgsabteilungen von
hüben und drüben Gelegenheit zu Überfällen und Streifzügen, die meist
dem Besitz guter Aussichtspunkte und Artilleriebeobachtungsposten gal-
ten. Nur Rovereto wurde, unbekümmert darum, daß es seit jeher ein
Hauptsitz der Irredenta war, durch italienische Artillerie so kräftig unter
Feuer genommen, daß die Bevölkerung die Stadt räumen mußte.
Mehr Tätigkeit entwickelte die italienische 5. Division. Ihr war vom
III. Korpskmdo. die Wegnahme des Tonalepasses, dann der Gr. Nagler-
spitze und des Mt. Scorluzzo im Ortlergebiete aufgetragen worden2).
Nach sechstägiger, vom 15. bis 20. August währender Beschießung
der Tonalepaßstellung setzte am 21. das Unternehmen der italienischen
Infanterie und der Alpini ein. Es gipfelte in einem breit angelegten An-
griff von drei Bataillonen gegen die Tonalestellung, der von Flügel-
unternehmungen gegen die C. di Bedole, gegen den Presenasee und gegen
die Höhe Laghetti begleitet war. Dank der hervorragenden Haltung der
54.HaBrig. sowie dem wirksamen Abwehrfeuer der Werksartillerie, die
1) V e 11 2: é, Die Geschichte des Weltkrieges (Wien 1919), II, 237 f.
2) Ital. Gstb. W., II, Text, 334, Dokumente, 358 ff.
Das Kräfteverhältnis an der Tiroler Front
787
trotz schwerster Schäden an den Forts erfolgreich in den Kampf eingriff,
schlug das Beginnen der Italiener fehl.
Die Unternehmung im Ortlergebiet gedieh über die Verfassung des
Angriffsentwurfes nicht hinaus1).
Ende August 1915 durfte sich die Landesverteidigung von Tirol
rühmen, gar keinen diesseits der gewählten Verteidigungslinie gelegenen
Fleck heimatlicher Erde dem Feinde überlassen zu haben. Im Gegenteil:
an zahlreichen Stellen, so südlich vom Stilfserjoch, auf der Hochfläche
von Folgaria, östlich vom Pordoijoch, auf dem Mt. Piano und auf dem
Kreuzbergsattel wurden unsere Stellungen sogar vorverlegt. Dieser Ab-
wehrerfolg ist umso höher einzuschätzen, als die Truppen Tirols nur
4iy2 Bataillone 2), 132 Standschützenkompagnien, 42V2 mobile Feld- und
Gebirgsbatterien, 3 schwere Batterien und 559 stabile Geschütze3) zähl-
ten, indes die 1. und die 4. Armee der Italiener insgesamt 283 Bataillone,
81 Feld-, 25 Gebirgs- und mehr als 8 schwere Batterien stark waren4),
aber trotz dieser gewaltigen Überlegenheit bei ehrenvollsten Leistungen
nirgends durchzudringen vermocht hatten.
Die ersten Kämpfe gegen Italien im Lichte der
heutigen Geschichtskenntnis
Der spätere Verlauf der Ereignisse auf dem Schlachtfelde vermag
an der Tatsache nichts zu ändern, daß das Eingreifen Italiens in den
Krieg von Österreich-Ungarn als tödliche Bedrohung empfunden werden
mußte. Wenn es in dieser Darstellung — im Gegensatz etwa zum Werke
des preußischen Generals v. Kühl5) — unterlassen wurde, die politische
und ethische Seite der Handlungsweise des früheren Dreibundgenossen,
die Gründe, die ihn erst zum Verharren in der Neutralität und dann
zum Abschwenken in das Lager der Feinde veranlaßten, einer kritischen
Betrachtung zu unterziehen, so hat dies seine Ursache darin, daß hier
1) Ital. Gstb. W., II, Text, 336.
2) Darunter 24 zu nur drei Kompagnien; dafür waren einzelnen Bataillonen die in
Kompagnien oder Züge zusammengefaßten Gendarmerieassistenzen angegliedert worden.
3) Darunter mehr als zwei Drittel alte, aus den Jahren 1861 bis 1880 stammend.
4) Vorstehende Stärkeangabe fußt auf der italienischen Kriegsgliederung bei
Kriegsbeginn. Bis Ende August wurden aber zahlreiche schwere Geschütze aus den
Festungen des Hinterlandes zugeschoben, deren Zahl nicht festgestellt werden kann.
5) Kühl, I, 210 ff.
50*
788
Die Sommerschlachten gegen Italien
politische Fragen nur dann erörtert werden sollen, wenn sie in unmittel-
barem Zusammenhange mit der eigentlichen Kriegführung stehen. Aus
dem gleichen Grunde konnte die auch heute noch umstrittene Frage un-
erörtert bleiben, ob es den Mittelmächten möglich gewesen wäre, den
früheren Verbündeten zu anderem Handeln zu veranlassen. Wohl aber
war es unvermeidlich, durch Anführung besonders eindrucksvoller Zeug-
nisse (S. 507 ff.) die Stimmung zu kennzeichnen, die in der Stunde
schwerster Not der Eintritt Italiens in den Krieg zu Pfingsten 1915 bei den
Führern des Donaureiches und seinen Völkern hervorgerufen hat. Ohne
deren Erwähnung wäre die verbissene und stolze Entschlossenheit, mit
der an die Abwehr dieses neuen Feindes geschritten wurde, nie und
nimmer zu verstehen gewesen.
Das Ziel, das dem verantwortlichen Führer des italienischen Heeres,
GLt. Cadorna, vorgeschwebt hatte, war fürs erste, dem offiziellen Mobili-
sierungsbefehle und der Kriegserklärung den Vormarsch über die Grenze
auf dem Fuße folgen zu lassen. Bedenkt man, daß diesem ersten histori-
schen Akte des italienischen Krieges eine Vorbereitungszeit von über neun
Monaten vorausgegangen war, so war es sicherlich kein übermäßiger
Optimismus, wenn sich die neuen Verbündeten vom Eingreifen Italiens
eine rasche, kriegsentscheidende Wendung erhofften. Und nicht minder
waren die Besorgnisse berechtigt, mit denen die leitenden Persönlich-
keiten der Mittelmächte, zumal Österreich-Ungarns, dem Anmärsche des
neuen Feindes entgegensahen. Daß sich weder die Hoffnungen der einen,
noch die Besorgnisse der anderen erfüllen sollten, gehört zu den größten
Rätseln, die der Weltkrieg den rückschauenden Beurteilern auferlegt.
Sicherlich ist es den italienischen Kritikern zuzubilligen, daß die
Bereitschaft des italienischen Heeres bei Kriegsausbruch trotz der langen
Vorbereitung noch mancherlei zu wünschen übrig ließ und daß an dem
Tage, da die von der Entente bewilligte Frist ablief (S. 415), kaum die
Hälfte der Divisionen schlagbereit an der Grenze stand1). Gewiß be-
rechtigte auch der Mangel an Kriegserfahrung gegenüber einem schon
kriegsgewohnten Gegner die italienischen Führer zu gewisser Vorsicht.
Trotzdem ist es nach der heutigen Kenntnis der Lage kaum zu bezweif eln,
daß ein wagemutigerer, weniger methodischer Führer als Cadorna mit
den 400.000 Streitern, die zu Pfingsten an der venetianischen Grenze
aufmarschiert waren und sich binnen drei Wochen mehr als verdoppeln
sollten, die 100.000 Landstürmer, auf die er zunächst traf, und die erst
*) Vgl. neben verschiedenen in diesem Bande schon angeführten Werken auch
Alberti, L'azione militare, 31 ff. und 47 ff.
Cadornas Zaudern bei Feldzugsbeginn
789
allmählich durch eine gleich große Zahl allerdings meist vorzüglicher
und kriegserfahrener Kämpfer verstärkt wurden, an einem beliebigen
Punkt zu überrennen vermocht hätte. Die Lage für einen Erfolg war
günstiger, als sie je ein Feldherr in der Weltgeschichte angetroffen hatte.
Der bedächtige italienische Heerführer ließ aber den, Augenblick ungenützt
vorübergehen.
Begreiflich i.st*es, daß Cadorna von Anbeginn stark unter dem Ein-
drucke der strategischen Schwierigkeiten stand, die der Kriegsschauplatz
bot. Das italienische Heer sah sich in einem tiefen Sack zusammengedrängt,
der auf der einen Seite vom Meere, auf der anderen Seite von den Alpen
gebildet wurde. Die Südtiroler Bastion des Gegners stellte für die in
Vene tien aufmarschierende Heeresmasse eine Rückenbedrohung dar, die
auch dann nicht zu unterschätzen war, wenn man bedachte, daß die
ungünstige Bahnlage in den Alpen eine allzu rasche Versammlung über-
legener österreichischer Streitkräfte kaum möglich machte1). Es ist daher
zu verstehen, daß Cadorna um die Sicherung seines Isonzoangriffes in
Flanke und Rücken besorgt war. Dabei wird man allerdings die Frage
stellen, ob der italienische Feldherr auch recht tat, daß er von seinen
vier Armeen zwei „in Kordonstellungen verzettelte, um alles zu decken,
und nur mit der Hälfte seiner Streiter am Isonzo erschien2)". Es hat da
wohl Clausewitz recht, wenn er bei Gelegenheit erinnert: „Da der Krieg
... immer etwas von der Natur des Glückspieles behält, so kann auch die
Kriegführung jenes Elementes durchaus nicht entbehren, und der Feld-
herr, der zu wenig Neigung zu diesem Spiele hat, wird, ohne es zu
ahnen, hinter der Linie zurückbleiben und im großen Kontobuch der
kriegerischen Erfolge in eine tiefere Schuld geraten, als er denkt."
Als erstes Hauptziel setzte Cadorna dem Angriff seines Heeres die
Eroberung der Adriametropole Triest. Die politischen Gründe, die für
diesen Gedanken sprachen, lagen gerade im Hinblick auf das italienische
Temperament auf der Hand. Auch spielte möglicherweise die Militär-
konvention mit hinein, die Italien am 16. Mai mit Rußland abgeschlossen
hatte (S.415f.) und die sein Heer verpflichtete, im südwestlichen Ungarn
die Vereinigung mit den Serben zu suchen. Die Eroberung von Triest wäre,
!) Nicht zu Unrecht erinnerte der Deutschsüdtiroler Abgeordnete Reut-Nicolussi
in der Abschiedsrede, die er am 10. September 1919 vor der österreichischen Na-
tionalversammlung hielt, an die „geschichtliche Tatsache", daß im Verlaufe des Welt-
krieges „die ganze öst.-ung. Wehrmacht dreimal versucht hat", von Südtirol aus einen
entscheidenden Flanken- und Rückenstoß gegen das italienische Heer zu führen, ohne
daß er geglückt wäre. Reut-Nicolussi, Tirol unterm Beil (München 1928), 29.
2) Stegemann, Geschichte des Krieges, IV (Stuttgart 1921), 408.
790
Die Sommerschlachten gegen Italien
namentlich wenn man sie mit einer Unternehmung an einem südlicheren
Punkte der Adriaküste verbunden hätte, für die Monarchie ein gewiß
außerordentlich empfindlicher Schlag gewesen. Trotzdem steht zur Er-
wägung, ob nicht eine andere Angriffsrichtung militärisch rascher zu
einem, vollen Erfolge geführt hätte.
In der Tat hat Cadorna seine erste Offensive im Karstbereiche von
zwei Unternehmungen begleiten lassen, deren eine das Pustertal bei Tob-
lach, die andere den Raum Tarvis—Villach zum Ziele hatte. Gen. Alberti
erblickt in der erstgenannten Richtung die einzige, in der, rein theoretisch
betrachtet, eine rasche Entscheidung zu erreichen gewesen wäre1). Aber
die strategischen und taktischen Vorbedingungen seien durch die Flanken-
bedrohung aus Tirol und bei dem schwierigen Gelände so ungünstig
gewesen, daß Cadorna recht gehabt habe, auf einen Hauptangriff in
diesem Räume von Haus aus zu verzichten. Mögen diese Erwägungen
manches für sich haben, so wird man dem ebengenannten Kriegshistoriker
kaum zustimmen können, wenn er folgert, daß die Schwierigkeiten eines
Vordringens in das Pustertal das italienische Heer überhaupt von Beginn
an zur Führung eines Abnützungskrieges verurteilt hätten. Dazu war man
auch dann noch nicht genötigt, als Erzherzog Eugen und Boroevic Mitte
Juni schon eine stärkere Abwehrfront am Isonzo errichtet hatten. Ange-
nommen selbst, daß der Widerstand dieser gegnerischen Front die Ge-
legenheit zu einem kurzen Schlage nicht mehr bot, so ergaben sich
zweifellos in der Richtung auf Tarvis und Villach Erfolgsmöglichkeiten,
deren Ausnützung gegenüber der noch sehr lockeren Grenzbewachung
den Niederbruch der Isonzofront herbeizuführen imstande war. Napoleon
hat im Jahre 1797 diesen Weg eingeschlagen, der ihn rasch bis Leoben
führte. Das Unternehmen, das Cadorna in den ersten Kriegswochen in
dieser Richtung ansetzte, entbehrte von Anbeginn des nötigen Schwunges,
indes der Vorstoß auf Toblach überhaupt nicht zur Entwicklung kam.
Wenn Cadornas Wagemut zu wünschen übrig ließ, so zeigte sein
Gegner Conrad umso mehr von dieser Eigenschaft, als er in den Tagen
vor Kriegsausbruch bei aller begreiflichen Niedergeschlagenheit den Ge-
danken verfocht, die Italiener über den Karst und die Julischen Grenz-
gebirge vorbrechen zu lassen und bei ihrem Austritte aus den Gebirgen
mit inzwischen zusammengezogenen 20 Divisionen anzufallen. Ein solcher
Plan entsprach durchaus dem Denken eines Feldherrn, der nie mehr litt,
als wenn er dem Feinde die Initiative auf längere Dauer überlassen mußte.
Dennoch wird seine Zweckmäßigkeit von der Kritik fast durchwegs
!) Alberti, 47ff.
Beginn des Zermürbungskrieges im Südwesten
791
bezweifelt. So stellt Kühl vor allem nicht mit Unrecht die Frage, ob sich
die Italiener bei ihrem zögernden Vorgehen den an den Gebirgsausgängen
lauernden Streitkräften der Mittelmächte überhaupt so bald gestellt hätten,
und er meint, daß dann eingetreten wäre, was schon Falkenhayn in seinen
Denkwürdigkeiten sagte x) : „So wäre die Lauerstellung in den Gebirgs-
becken [von Laibach und Villach—Klagenfurt] wahrscheinlich darauf
hinausgekommen, daß gegen Rußland, Serbien und Italien gar nichts
Entscheidendes geschah, indem man abwartete, was die Feinde zu tun
belieben würden.46 Dazu kam noch das große Fragezeichen, ob eine
nicht unerheblich geschwächte Front gegen Rußland den gegen Italien
angesetzten Armeen auf die Dauer wirklich eine unbedingt verläßliche
Rückendeckung hätte bieten können. So lohnte es sich denn, daß der
öst.-ung. Generalstabschef schließlich dem Drängen seines reichsdeutschen
Kollegen nachgab und die vom Balkan herangebrachten Korps bis an den
Isonzo vorführen ließ.
Erst eine Woche, nachdem die k. u. k. 5. Armee ihren Aufmarsch im
Görzischen und in Friaul vollendet hatte, setzten die Italiener zum ersten
großen Angriff an. Wenn der Kräfteunterschied auch ein ganz gewaltiger
war, so konnte der Verteidiger den feindlichen Ansturm fürs erste doch
ohne äußerste Kraftanspannung abwehren, nicht zuletzt deshalb, weil
ihm der beim Angreifer herrschende Mangel an Kriegserfahrung bestens
zustatten kam. Viel schwieriger wurde es ihm von den unter der Führung
todesmutiger Offiziere mit Elan angreifenden Italienern schon in der
zweiten Isonzoschlacht gemacht. Es gab kritische Stunden, in denen der
Ausgang des Kampfes an einem Faden zu hängen schien — bis es endlich
der unvergleichlichen Tapferkeit der Truppe gelang, dem zahlenmäßig
noch immer weit überlegenen Feinde abermals Halt zu gebieten.
Als zu Anfang August die Streiter am mittleren Isonzo und in der
Karstwüste von Doberdò ermattet die Waffen senkten, da war es beiden
Heeresleitungen klar, daß dieser Kampfraum, an den sich nun die Haupt-
kräfte gefesselt sahen, bei seiner räumlichen, ausgreifende Manöver
verbietenden Begrenztheit und bei der Eigenart des Kampfbodens eine
besondere Kriegführung erfordere.
Cadorna befreundete sich unter diesen Eindrücken immer mehr
mit der seinem Denken auch sonst angepaßten Auffassung, daß an die
Stelle des Angriffskrieges mit weitgesteckten Zielen mehr oder minder
ein mühsamer Zermürbungskrieg zu treten habe. Der Entschluß mochte
ihm umso leichter fallen, als die Zeit mindestens nicht gegen Italien
!) Falkenhayn, 80.
792
Die Sommerschlachten gegen Italien
arbeitete, er noch aus dem Vollen eines reichen Mannschaftsersatzes
schöpfen konnte und die Rüstwerkstätten fast der ganzen Welt hinter
sich hatte. Daß eine solche Kampf weise dennoch das Gefüge der Armee
lockerte, sollte die Verfassung des italienischen Heeres im Kriegs jähr 1917
erweisen.
Auch die öst.-ung. [Führung verfehlte nicht, aus dem bisherigen
Gange der Dinge ihre Schlußfolgerungen zu ziehen. Gdl. Boroevic, der
Führer auf dem Schlachtfelde, fand sich verhältnismäßig leicht mit dem
Entschluß ab, auch die nächsten Schlachten in strikter Abwehr zu schlagen,
wenn man ihm nur die unbedingt nötigen Verstärkungen zur Verfügung
stellte. Das heranrollende III. Korps (S. 702) mochte fürs erste genügen,
einen neuen Strauß mit einiger Zuversicht aufnehmen zu dürfen. Dagegen
litten GO. Conrad und wohl auch das Km do. der Südwestfront von Haus
aus unter dem Gedanken, weitere Divisionen in die alles verzehrende
Esse der Schlacht werfen zu müssen, ohne mehr als Abwehrerfolge zu
erringen. Aber die vom öst.-ung. Generalstabschef nie aus den Augen
gelassene Möglichkeit, zu einem Gegenangriff großen Stiles überzugehen,
lag in weiter Ferne. Noch hieß es, den gigantischen Feldzug gegen Ruß-
land zu einem entsprechenden Ausklang zu bringen; außerdem heischte
die gespannte Lage an den Dardanellen eine Offensive gegen Serbien,
die den Mittelmächten und ihrem neuen bulgarischen Verbündeten den
Weg nach dem Goldenen Horn eröffnen sollte.
Nachträge zum Zweiten Bande
I
Auf S. 285, 8. bis 10. Zeile von oben, ist ein Telegramm des italieni-
schen Generalstabschefs Cadorna angeführt, das FM. Conrad aus dem
öst.-ung. Rotbuche (S. 35) in den IV. Band seiner Denkwürdigkeiten
(S. 176) übernommen hat, das aber in dieser Form nicht existiert. Ca-
dorna hat, wie auch Alberti auf S. 93 seiner Schrift über den „General
Falkenhayn" (in deutscher Sprache, Berlin 1924) mitteilt, auf Conrads
Schreiben vom 1. August 1914 (Aus meiner Dienstzeit, IV, 158) in einem
vom 3. August datierten Schreiben lediglich geantwortet, daß er wegen
der Neutralitätserklärung seiner Regierung nicht in der Lage sei, „in
diesem Augenblicke" auf die von Conrad aufgeworfenen Fragen einzu-
gehen. Wohl aber hatte am gleichen Tage, an dem die Antwort Cadornas
abging, der öst.-ung. Militärattache, Obst. Graf Szeptycki, mit dem ita-
lienischen Generalstabschef eine Unterredung, über die er gleich nachher
telegraphisch und schriftlich nach Wien berichtete. Das Telegramm,
dessen Wortlaut im öst.-ung. Rotbuche und damit auch bei Conrad, IV,
176, zum Teile irrtümlich Cadorna zugeschrieben wurde, lautete:
„Antwort auf Brief [Conrads vom 1. August] schriftlich erhalten, enthält Ablehnung
der Forderung wegen Neutralität. Klassen 90, 89, Rest 91 heute einberufen, Zweck leicht
bewaffnete Neutralität. Habe vom Chef des Generalstabes persönliche Versicherung
erhalten, daß, wenn Lovcen und Gleichgewicht im Adriatischen Meere von Österreich-
Ungarn respektiert wird, sich Italien niemals gegen uns wenden wird."
Die schriftliche Meldung Szeptyckis nach Wien hatte den folgenden
Wortlaut:
„Die Einberufung der Jahrgänge 90, 89 und Rest 91 (das ist Kavallerie und Ar-
tillerie) bezweckt, die Armee in den normalen Stand zu setzen, den die lybische Krank-
heit [das heißt der Feldzug in Lybien] so stark hergenommen hat. Vorerst hat man
nicht die Absicht, weitere Jahrgänge einzuberufen. Italien betrachtet sich nicht als aus-
getreten aus dem Dreibund, sondern daß dieser Krieg nicht der Casus foederis ist. Ich
fragte darauf, warum dann eine bewaffnete Neutralität und gegen wen eigentlich die
Bewaffnung gerichtet sei? Wäre sie doch gegen uns gerichtet? Darauf Antwort: ,Dies
unbedingt nicht, da wir niemals die Gelegenheit benützen würden, Österreich-Ungarn
Provinzen zu entreißen im Momente, wo es anderwärts beschäftigt ist. Sollte jedoch
Österreich-Ungarn den Lovcen besetzen oder das Gleichgewicht in der Adria zu unsern
Ungunsten verrücken, dann — aber nur dann — würden wir uns anfragen, warum das
794
Italiens Haltung nach Ausbruch des Weltkrieges
geschehe? Da aber Österreich-Ungarn mit Rußland und Serbien genug zu tun haben
wird, so wird es doch an den Lovcen nicht denken und das Adriagleichgewicht nicht
verletzen.' — Ich frug weiter: ,Können Exzellenz mir die Versicherung geben, daß,
wenn wir Tirol von Truppen degagieren, Italien uns nicht das Messer in den Rücken
treibt?' Darauf Antwort: ,Dies wird niemals geschehen; Sie können dem Chef sagen,
daß Tirol ruhig degagiert werden kann; wie kann man uns so etwas zumuten und so
weit an unserer Loyalität zweifeln?' (Die Frage war meinerseits absichtlich scharf ge-
halten) ..
Den Schluß der Meldung Szeptyckis bildeten Eindrücke über die
Lage und deren Beurteilung. Vgl. über diesen Gegenstand außer den an-
geführten Quellen noch das Wiener „Fremdenblatt" vom 24. Juli 1915.
II
Zu S. 543, Fußnote 1, teilt der Deutschmeisterobstlt. Seifert, einer
der Mitkämpfer, in der „Deutschmeister-Zeitung", Juli 1931, mit, daß,
im Gegensatz zu den damaligen Frontmeldungen, die Darstellung des
Ital. Gstb. W. richtig ist. Vgl. auch Hoen, Waldstätten-Zipperer
und Seifert, Die Deutschmeister, 542ff.
PERSONENVERZEICHNIS
UND
VERZEICHNIS DER ÖST.-UNG. UND
DER DEUTSCHEN TRUPPENVERBÄNDE
Pe
r sonenverzeich
nis
A
Abbas II. Khedive von
Ägypten 6
Alberti Cesare, ital. Gen.
790, 793
Albrecht Erzherzog, FM.
507
Alexander Thronfolger-
Prinzregent von Serbien
281, 416
Alexejew Michael Wassil-
jewitsch, russ. Gdl. 123,
164, 196, 220, 257, 309,
310, 311, 340, 418, 435,
496, 555, 575, 578, 596,
597, 601, 608, 609, 610,
624, 631, 634, 644, 651,
654, 665, 671, 672, 688,
689, 697, 716, 717, 720,
721, 727
Aosta Vittorio Emanuele
Filiberto di Savoia, duca
di, ital. GLt. 510, 541,
735, 739, 740, 747, 750,
751, 756, 758, 761
Apór de Al-Tórja Samuel
Baron, GM. 466, 492
Arnim v., preuß. GM. 630
Arz v. Straussenburg'Artur,
FML. 34, 38, 39, 40, 42,
43, 50, 51, 54, 60, 62,
63, 68, 69, 70, 79, 102,
111, 135, 137, 153, 200,
201, 211, 259, 298, 316,
320, 321, 323, 324, 326,
338, 352, 366, 370, 375,
376, 377, 382, 383, 384,
386, 423, 425, 431, 470,
485, 489, 490, 500, 562,
565, 588, 594, 621, 624,
636, 645, 647, 649, 674,
690, 700, 708, 709, 711,
720
Auffenberg Moritz Ritt, v.,
Gdl. 726
Aust Adolf, GM. 331
Avarna G., duca di, ital.
Botschafter 507
B
Bar dolff Karl, Dr. jur., Obst.
182, GM. 249
Bartheldy Stephan, FML.
104
le Beau Aurel v., GM. 411
Behr-Negendank Karl v.,
preuß. GM. 454, 455,
469, 471, 475, 478, 479
Békési Adalbert, Obstlt. 192,
359, 398
Bellmond Edi. v. Adler-
horst Anton, FML. 394,
433, 440, 441
Below Otto v., preuß. Gdl.
99
Beneckendorff, s. Hinden-
burg
Benedikt XV. 64, 284
Benigni inMiildenberg Sieg-
mund Ritt, v., FML. 155,
157, 158, 159, 168, 171,
172, 173, 174, 187, 188,
360, 456, 457, 494, 500,
572, 613, 614, 615, 616,
617, 618
Berchtold Freih. von u. zu
Ungarschütz, Frätting
und Püllütz Leopold Gf.,
Minister des Äußern 41,
56, 94, 96, 110, 282
Berndt Otto, GM. 33, 75,
78, 100, 140, 146, 149,
183, 329, 335, 337, 338,
353, 366, 369, 375, 396,
423, 440, 464, 465, 503,
556, 557, 560, 567, 569,
570, 580, 581, 666
Beseler Hans v., preuß. Gdl.
651
Besser Alfred v., preuß. GLt.
305, 351
Bethmann-Hollweg Theo-
bald v., Dr., deutscher
Reichskanzler 41,54,283,
309, 348, 668
Biffi Franz, Obst. 231, 232,
236
Blénesi Alexander, FML.
760
Bobrinski Wladimir Alexe-
jewitsch Gf., russ. Gou-
verneur von Lemberg503
Bogat v. Kostanjevac Ste-
phan, FML. 540
Böhm-Ermolli Eduard v.,
GdK. 44, 45, 84, 85, 86,
87, 88, 89, 90, 92, 93, 95,
151, 154, 180, 181, 183,
186, 194, 195, 197, 202,
206, 208, 209, 210, 225,
227, 229, 230, 231, 232,
234, 235, 237, 238, 240,
241, 245, 246, 247, 249,
250, 251, 255, 258, 259,
261, 265, 266, 305, 333,
345, 353, 354, 356, 357,
367, 375, 394, 395, 419,
420, 421, 422, 432, 439,
440, 441, 454, 472, 481,
494, 502, 503, 555, 557,
558, 559, 560, 567, 568,
569, 573, 579, 582, 584,
585, 586, 587, 612, 659,
660, 662, 663, 664, 702
Bolfras Artur Freih. v., Gdl.
307, 668
Bolzano Edi. v. Kronstätt
Heinrich, Obst. 335, 350,
399, 444, 460, 557, 558,
569, 581, 582, 585, 614,
617, 618
Bongiovanni Luigi, ital.
Obstlt., Militärattache
in Berlin 282, 303
Boog Adolf v., GM. 109,
148, 149, 152, 736, 739,
740, 741, 749, 750, 751,
752
Boroevic v. Bojna Svetozar,
Gdl. 33, 36, 37, 38, 39,
40, 41, 42, 43, 47, 48,49,
50, 51, 52, 53, 54, 58, 60,
61, 63, 64, 66, 67, 68, 70,
71, 73, 74, 76, 77, 78, 80,
95, 96, 97, 101, 102, 103,
104, 105, 107, 108, 109,
798
Personenverzeichnis
112, 127, 128, 129, 131,
133, 134, 135, 136, 137,
138, 139, 140, 144, 145,
146, 148, 149, 150, 151,
152, 154, 166, 177, 182,
183, 186, 194, 197, 202,
205, 206, 219, 225, 227,
229, 230, 231, 232, 233,
235, 237, 239, 240, 241,
242, 245, 246, 247, 248,
251, 253, 255, 256, 267,
305, 316, 322, 329, 349,
353, 369, 375, 379, 393,
395, 397, 405, 408, 410,
411, 412, 419, 420, 536,
537, 538, 540, 543, 545,
546, 734, 737, 738, 740,
741, 742, 746, 748, 751,
760, 761, 763, 766, 772,
790, 792
Bothmer Felix Gf. v., bayr.
Gdl. 195, 249, 261, 264,
345, 368, 399, 400, 442,
445, 446, 459, 460, 461,
462, 463, 464, 465, 468,
469, 557, 558, 559, 568,
569, 570, 581, 582, 583,
585, 587, 600, 612, 616,
618 ~'gj
Bratianu Jonel, rum. Mi-
nisterpräsident 416, 554
Brauner Adolf, Obst. 37
Bredow Anatole Gf. v.,
preuß. GLt. 82, 83, 89,
112, 196, 371, 387, 388,
389, 390, 391, 565, 566,
587, 601, 604, 638, 641,
642, 644, 684, 698, 719
Brudermann Rudolf Ritt, v.,
GdK. 573
Brusati Roberto, ital. GLt.
510, 515
Brussilow Alexej Alexan-
drowitsch, russ. GdK.
36, 40, 47, 51, 58, 74, 93,
108, 124, 126, 129, 133,
134, 162, 166, 186, 187,
201, 204, 206, 207, 219,
220, 222, 223, 225, 258,
259, 309, 340, 344, 345,
356, 367, 368, 369, 375,
376, 384, 396, 418, 421,
423, 430, 436, 439, 480,
495, 496, 497, 498, 500,
502, 503, 564, 577, 578,
626, 660, 662, 666, 672
Bülow Bernhard Fürst v.,
deutscher Botschafter in
Rom 282, 347
Burggasser Johann, Obst.
106
Burián v. Rajecz Stephan
Baron, Minister des
Äußern 110, 167, 282,
283, 296, 307, 308, 309,
347, 403, 406, 450, 550,
668, 730
C
Cadorna Luigi conte, ital.
GLt. 284, 285, 286, 287,
288, 509, 510, 511, 512,
516, 521, 523, 535, 538,
542, 543, 544, 552, 733,
735, 739, 742, 744, 746,
747, 751, 755, 758, 763,
769, 784, 788, 789, 790,
791, 793
Clausewitz Karl v., preuß.
Gen. und Militärschrift-
steller 789
Colerus v. Geldern Emil,
Gdl. 53, 62, 63, 67, 76,
77, 127, 128, 134, 152,
177, 232, 233
Conrad v.Hötzendorf Franz
Freih., Gdl. 19, 20, 33,
34, 40, 41, 46, 47, 55,
56, 57, 68, 89, 91, 92,
93, 94, 96, 97, 98, 113,
132, 143, 152, 154, 161,
165, 167, 184, 195, 199,
208, 209, 218, 220, 223,
225, 227, 228, 229, 234,
262, 268, 269, 276, 277,
283, 285, 288, 294, 297,
298, 299, 300, 301, 302,
304-, 305, 306, 307, 308,
309, 317, 323, 347, 348,
349, 350, 372, 403, 404,
405, 406, 407, 408, 409,
410, 411, 412, 413, 414,
433, 447, 448, 449, 450,
468, 497, GO. 504, 513,
550, 551, 552, 573, 574,
586, 600, 601, 611, 612,
638, 640, 641, 642, 643,
654, 667, 668, 669, 670,
686, 687, 688, 700, 701,
702, 703, 705, 707, 715,
724, 725, 726, 727, 730,
755, 790, 791, 792, 793,
794
Conta Richard v., preuß.
GLt. 130, 170, 194
Cramon August v., preuß.
GM. 132, 195, 298, 299,
300, 302, 305, 724
Csermák Michael, Obst. 48,
53, 66, 104
Csicserics v. Bacsány Maxi-
milian, FML. 21
Czapp v. Birkenstetten Karl,
GM. 426
Czibulka Klaudius, FML.
155, 157, 158, 168, 173,
174, 187, 188, 190, 191,
243, 244, 263, 346, 358,
359, 360, 361, 398, 402,
446, 456, 457, 458, 459,
466, 467, 493, 494, 500,
586, 659, 660
D
Danilow Georg Nikiforo-
witsch, russ. Gdl. 122,
123, 124, 160, 164, 310,
340, 416, 417, 435, 451,
452, 672, 693
Dankl Viktor, GdK. 40, 43,
47, 52, 56, 75, 80, 81,
82, 83, 84, 90, 99, 195,
267, 342, 351, 370, 379,
387, 388, 389, 390, 391,
392, 405, 408, 411, 426,
514, 515, 518, 521, 576,
726, 782
Del wig Sergej Nikolaje-
witsch, russ. Gen. 392
Dimitriew Radko, russ. Gdl.
33,36, 37, 47, 51, 79,100,
102, 135, 136, 166, 178,
198, 199, 205, 211, 225,
310, 311, 312, 323, 324,
325, 326, 328, 331, 332,
336, 338, 339, 340, 341,
344, 350, 351, 354, 361,
362, 363, 364, 372, 373,
377, 381, 382, 383, 384,
385, 414, 417
Dobrorolski Sergej Kon-
stantinowitsch, rus s. GLt.
354
Dragicevic Georg, Oblt. 385
Dragomirow Abram Mi-
chailowitsch, russ. GLt.
35, 204, 323, 325, 331,
340, 351, 362, 363, 435
Drennig Theodor, Obst. 757
Dschemal Pascha, türk.
DivGen. 6
Dürfeid Heinrich Freih. v.,
Obst. 260
Durski v. Trzasko Karl Ritt.,
FML. 66, 67, 73, 106, 632
Personenverzeichnis
799
E
Eckhardt v. Eckhardtsburg
Friedrich, GM. 359, 360,
361, 398
EichhornHermann v., preuß.
GO. 98, 716
Ellison Ritt. v. Nidlef Otto,
Obst. 785
Emmich Otto v., preuß. Gdl.
321, 324, 326, 330, 333,
334, 338, 343, 344, 352,
353, 354, 355, 366, 370,
375, 376, 382, 385, 424,
425, 429, 487, 489, 490,
562, 564, 577, 588, 594,
636, 645, 674, 675, 677,
679, 680, 681, 682, 687,
690
Enver Pascha, türk. Vize-
generalissimus u. Kriegs-
minister 6
Essad Pascha Toptani 280 ,
Eugen Erzherzog, GdK. 29,
98, 105, 137, 275, 277,
278, 280, 281, 304, 308,
348, 405, 406, 407, 408,
411, GO. 412, 509, 538,
545, 738, 751, 760, 790 {
Ewert Alexe j Jermolaje-
witsch, russ. Gdl. 44, 45,
84, 85, 86, 370, 379,391,
565, 566, 578, 634
F
Fabini Ludwig v., FML. 59,
69, 236, 380, 381, 385,
437, 591, 605, 761
Falkenhayn Erich v., preuß.
GLt. 5, 29, 41, 54, 55,
56, 91, 92, 93, 95,96, 97,
Gdl. 98, 132, 154, 161,
167, 171, 208, 225, 226,
227, 228, 234, 276, 277,
282, 283, 298, 299, 300,
301, 302, 303, 304, 305,
306, 307, 308, 309, 310,
315, 347, 348, 349, 350,
372, 403, 405, 406, 407,
408, 409, 410, 411, 412,
413, 414, 443, 447, 448,
449, 450, 468, 497, 550,
552, 573, 586, 600, 607,
611, 612, 640, 641, 642,
652, 654, 667, 668, 669,
670, 686, 692, 693, 700,
701, 703, 707, 708, 715,
719, 724, 725, 726, 727,
791
Falkenhayn Eugen v., preuß.
GdK. 674, 677, 678, 681,
689, 690
Ferdinand König von Ru-
mänien 245
Fernengel Johann, GM. 386,
410, 523, 526, 527, 529,
530, 764, 779
Fischer Eduard, Obst. 73,
74, 105
Fischer Gustav, Obst. 236
Fleischmann Ignaz, GM.
460
Fleischmann v. Theissruck
Moritz, Hptm. 132, 299,
302
Fox Vinzenz, FML. 89, 534,
537, 540
François Hermann v., preuß.
Gdl. 319, 324, 326, 334,
338, 343, 366, 370, 375,
376, 378, 384, 423, 425,
430
Franz Joseph I. 8, 29, 94,
165, 213, 214, 215, 217,
277, 283, 285, 289, 290,
293, 295, 307, 308, 403,
405, 440, 503, 504, 507,
549, 668, 703
Freytag-Loringhoven Hugo
Freih. v., preuß. GLt. 55,
97, 132
Friedrich Erzherzog, FM.
94, 165, 237, 249, 278,
289, 322, 325, 403, 433,
612, 702
Friedrich II. König von
Preußen 414
Frommel Rudolf Ritt v.,
bayr. GdK. 45, 85, 86,
87, 88, 90, 683, 684, 685,
697, 698, 699, 714, 715,
723
Frugoni Pietro, ital. GLt.
510, 541
G
Gabriel Theodor, FML. 764
Gallwitz Maximilian v.,
preuß. GdA. 44, 45, 84,
85, 86, 87, 88, 89, 90,
161, 196, 585, 611, 612,
631, 640, 650, 651, 652,
671, 685, 697, 698, 699,
714, 715, 719, 723, 726
Gantscheff Peter, bulgar.
Obst. 669
Gelb Edi. v. Siegesstern
Karl, FML. 491, 527,
529, 761
Gerok Friedrich v., württ.
Gdl. 193, 194, 246, 264,
399, 400, 442, 443, 459,
460, 462, 463, 464, 466,
557, 558, 568, 581, 582,
583, 600, 621, 625, 637,
647, 649, 650, 656, 659,
678, 682, 701, 722
Gheri Philipp, Obst. 614
GiardinaAntonino, ital.GM.
771, 776, 777
GillenschmidtAlexanderFe-
dorowitsch v., russ. GLt.
44, 86
Giolitti Giovanni, ital.
Staatsmann 406
Goglia Ferdinand, FML.
420, 559, 568, 580, 583,
585
Goiginger Heinrich, FML.
537, 734, 735, 736, 741,
742
Goiginger Ludwig, GM. 238
Goldbach Anton, GM. 387,
389, 412, 427, 551
Goltz Colmar Freih. v. der,
preuß. GFM. 276, 304
Gorbatowski Wladimir Ni-
kolajewitsch, russ. Gen.
555, 594, 665, 717
Gössmann Otto, GM. 524,
526
Grillparzer Franz, Dichter
508
Groener Wilhelm, württ.
Obst. 305
Grzesicki Viktor, Obst. 619,
632
Guilleaume Árpád, Obst.
66, 73
Guseck Edi. v. Glankirchen
Oskar, FML. 518
H
Habermann Hugo Edi. v.,
FML. 174, 493
Hadfy v. Livno Emmerich,
FML. 79, 201, 321
Haller v. Hallenburg Joseph,
poln. Leg.-Obstlt. 66, 74,
156
Hassenteufel Franz, Obst.
627, 661, 662, 663
Hauer Leopold Freih. v.,
GdK. 44, 45, 84, 85, 86,
800
Personenverzeichnis
87, 88, 89, 90, 388, 644,
698, 699, 715
Haus Anton, Admiral 284,
404, 535
Hauser Edmund, Obst. 585
Haustein v. Haustenau Hein-
rich, GM. 236
Hellebronth v. Tiszabeó
Gustav, Obst. 739
Henneberg Joseph Freih. v.,
Obst. 527
Herberstein Herbert Gf.,
GM. 466
Heß Heinrich Freih. v., FM.
725
HeydebreckErnst Hennig v.,
preuß. GLt. 359, 622,
625, 660, 661, 662, 665,
666, 688, 701, 702, 703,
704, 705, 706, 720, 722
HeyeWilhelm,preuß.Obstlt.
641
Hindenburg Paul v. Be-
neckendorff u. v., preuß.
GFM. 85, 87, 88, 90, 91,
92, 97, 107, 109, 160,
161, 162, 164, 168, 195,
196, 208, 234, 235, 299,
349, 448, 549, 611, 612,
650, 652, 653, 670, 685,
699, 714, 716, 726
Hinke Alfred Edi. v., GM.
614, 702
Hofmann Peter, FML. 66,
67, 73, 105, 106, 128,
130, 154, 169, 171, 185,
193, 194, 195, 235, 246,
261, 264, 345, 350, 399,
400, 443, 444, 446, 459,
460, 461, 462, 464, 465,
569, 570, 581, 585, 614,
616, 617, 618
Hohenlohe-Schillingsfürst
Gottfried Prinz zu, GM.
a. D., Botschafter 94
Horsetzky Edi. v. Hornthal
Ernst, FML. 322, 327,
351, 380, 385, 432, 437,
591, 592, 593
Hubert Ottokar, Obstlt. 216
Hussein Ibu Ali, Groß-
scherif von Mekka 6
Hussein Kiamil Pascha Sul-
tan von Ägypten 6
Hussein Nachitschewanski
Chan, russ. GLt. 126
I
Ignatiew Alexej Alexeje-
witsch Gf., russ. GM. und
Militârattaché in Paris
124
Inselt v. Gölle Stephan,
Hptm. 740
Irmanow Wladimir Alexan-
drowitsch, russ. Gdl.326,
328, 338, 352
IwanowNikolaj Judowitsch,
russ. GdA. 35, 36, 47, 57,
58, 72, 74, 79, 86, 100,
123, 124, 128, 160, 162,
163, 164, 194, 205, 211,
220, 224, 225, 243, 256,
257, 268, 269, 309, 310,
311, 312, 325, 326, 328,
331, 336, 340, 341, 343,
351, 362, 363, 367, 372,
373, 377, 381, 384, 417,
418, 419, 430, 431, 432,
434, 435, 446, 451, 452,
476, 480, 496, 497, 501,
554, 555, 574, 575, 583,
585, 586, 672, 689, 702
J
Januschkiewitsch Nikolai
Nikolajewitsch,russ.GLt.
164, 257, 310, 325, 332,
362, 363, 435
Jaschke Johann, GM. 524
Jemrich von der Bresche
Eduard Ritt., GM. 566
Toffre Toseph, franz. Gen.
124, 341, 374
Jordan - Rozwadowski v.
Groß-Rozwadow Thad-
däus Ritt., GM. 567
Joseph Erzherzog, GdK. 43,
52, 61, 64, 65, 71, 103,
127, 128, 134, 150, 177,
183, 252, 255, 256, 329,
523, 524, 527, 529, 531,
749, 757, 758, 759
JosephFerdinandErzherzog,
Gdl. 34, 37, 47, 49, 51,
56, 59,101,135,137,146,
152, 166, 178, 179, 199,
205, 232, 233, 306, 317,
325, 331, 339, 342, 365,
371, 379, 380, 423, 426,
428, 438, 455, 471, 488,
576, 591, 593, 594, 597,
606, 628, 633, 635, 641,
672, 687, 703
K '
Kaiser Julius, FML. 192,
359, 458, 459, 466, 467,
614, 615
Kaiser Edi. v. Maasfeld
Franz, FML. 536, 539,
540, 773
Karl Franz Joseph Erzher-
zog-Thronfolger, Obst.
96, 322
Kaschtalinski Nikolaus Ale-
xandrowitsch, russ. Gen.
496, 497, 499, 500, 501
Kestranek Paul, FML. 321
Kirchbach auf Lauterbach
Johann Freih. v., Gdl.
426, 588
Kirchbach auf Lauterbach
Karl Freih. v., GdK. 81,
339, 343, 351, 364, 365,
371, 379, 380, 381, 382,
383, 386, 426, 427, 437,
438, 441, 448, 449, 625,
627
Kitchener Horatio Herbert,
Viscount of Khartoum,
brit. FM. 416
Klembowski WladislawNa-
poleonowitsch, russ. Gen.
644, 654
Kletter Ernst, GM. 43, 44,
52, FML. 61, 80, 385
Klinger Ludwig, Obstlt. 434
Kneußl Paul Ritt, v., bayr.
GM. 321, 375, 376, 378,
GLt. 440, 565, 576, 577,
588, 594
Köckh Adolf, Obst. 83, 346
König Götz Freih. v., preuß.
GdK. 389, 390, 630, 639,
641, 642, 643, 683, 684,
714, 715, 719, 723
Koennen-Horák Edi. v.
Höhenkampf Ludwig,
FML. 289, 408, 518
Konstantin I. König der Hel-
lenen 7, 280
Korda Ignaz Edi. v., FML,
244, 346, 358, 360, 361.
398, 402, 458, 459, 466,
467, 493, 614, 616
Kornhaber v. Pilis Adolf,
FML. 39, 48, 53, 54, 60,
179, 397, 454, 465, 468,
469, 492, 494, 495
Kornilow Lawr Jegoro-
witsch, russ. GM. 337
Korzer Karl, Obst. 434
Personenverzeichnis
801
Kosak Ferdinand, FML.
396, 397
Kosch Robert, preuß. GLt.
557, 558, 570, 582, 583,
624
Kövess v. Kovessháza Her-
mann, Gdl. 195,317,387,
389, 390, 391, 427, 454,
588, 601, 630, 631, 638,
639, 641, 642, 643, 653,
654, 655, 668, 669 670,
683, 684, 697, 698, 699,
700, 703, 708, 709, 711,
^ 713, 714, 717, 719, 720
Krafft v. Dellmensingen
Konrad, bayr. GLt. 408,
514 521
Králicek Rudolf, FML. 38,
39, 60, 62, 63, 67, 68, 69,
70,71, 79, 100, 101, 152,
153, 177, 236, 327, 331,
339, 343, 350, 356, 365,
380, 381, 383, 428, 438,
488, 590, 628
Kralowetz v. Hohenrecht
Gottlieb, FML. 141
Kratky Karl, GM. 444
Krauss Alfred, FML. 105,
275, 277, 760
Krauss Rudolf, GM. 166
Krautwald v. Annau Joseph
Ritt., FML. 34, 35, 38,
39, 40, 42, 43, 48, 52,53,
61, 64, 65, 66, 68, 69, 72,
75, 76, 77, 78, 103, 109,
127, 129, 134, 139, 148,
183, 186, 242, 329, 361,
398, 399, 402, 458, 459,
466, 467, 468, 493, 572,
613, 702
Kreysa Eduard Edi. v.,
FML. 557, 559, 560, 567,
568, 569, 580, 581, 586
Kritek Karl, Gdl. 50, 51,
52, 58, 62, 69, 78, 81, 82,
111, 137, 138, 145, 146,
150, 151, 152, 153, 166,
183, 563, 648, 694
Kuczera Hugo, FML. 538
Kühl Hermann v., preuß.
Gdl. 787, 791
Kuhn Franz, Obst. 346, 613
Kundmann Rudolf, Obstlt.
55
Kusmanek Hermann v., Gdl.
42, 72, 73, 209, 210, 212,
213, 215, 216, 217, 229
Küttner Ferdinand, Obst.
492
L
Laczhegyi Zoltán, Lt. 253
Langer Karl Edi. v., FML.
523, 524, 528, 532, 764
Lanzinger Anton, GM. 523,
527, 529
Lauenstein Otto v., preuß.
GLt. 315
Lauingen Wilhelm v., GM.
664, 665
Laxa Wladimir, Obst. 348
Lehmann Georg Edi. v.,
FML. 75, 468, 492, 493,
494, 614
Leonhardi Theodor Freih.
v., GM. 394, 445, 446
Leopold Prinz von Bayern,
bayr. GFM. 549, 640,
670, 679, 683, 684, 687,
692, 693, 697, 698, 699,
700, 703, 714, 715, 718,
719, 720, 721, 723
Lequio demente, ital. GLt.
510, 525, 526, 529, 532
Lesch Leonid Wilhelmo-
witsch, russ. Gdl. 385,
424, 427, 428, 431, 432,
436, 624
Letschitzki Piaton Alexeje-
witsch, russ. Gdl. 162,
164, 186, 225, 242, 243,
262, 341, 346, 373, 398,
399, 400, 402, 443, 445,
446, 447, 452, 456, 457,
458, 466, 475, 493, 497,
569, 572, 575, 618
Lieb Joseph, GM. 142
Lilienhoff-Adelstein God-
win v., GM. 106, 155,
156, 157, 158, 159, 168,
169, 172, 173, 174, 187,
188, 189, 190
Linsingen Alexander v.,
preuß. Gdl. 96, 97, 106,
107, 108, 109, 129, 131,
133, 154, 155, 157, 158,
159, 169, 170, 171, 173,
189, 190, 193, 194, 208,
242, 245, 246, 248, 249,
259, 260, 261, 264, 265,
272, 345, 359, 368, 399,
400, 419, 442, 443, 444,
445, 446, 447, 458, 459,
461, 462, 463, 464, 465,
468, 469, 495, 557, 558,
568, 573, 579, 581, 582,
583, 584, 585, 586, 600,
628, 637, 646, 650, 660,
662, 665, 687, 688, 708,
710
Lischka Emil, FML. 673,
675
Litzmann Karl, preuß. Gdl.
699
Ljubicic Stephan, F2M. 51,
59, 62, 69, 70, 78, 101,
102, 111, 192, 243, 244,
263, 265, 346, 358, 359,
361, 401, 402, 444-
Lloyd-George David, brit.
Staatsmann 451
Ludendorff Erich, preuß.
GM. 54, 93, 95, 96, 97,
107, 108, 109, 132, 161,
349, 611, 652, 726
Lukachich v. Somorja Géza,
GM. 736, 739, 740, 741,
742, 752, 757
Lütgendorf Kasimir Freih.
v., FML. 202, 204, 206,
210, 229, 230, 233
M
Macchio Karl Freih. v., Bot-
schafter 347
Mackensen August v., preuß.
GO. 44, 45, 46, 84, 86,
88, 89, 90, 93, 95, 96,99,
196, 306, 312, 315, 316,
317, 323, 324, 325, 327,
328, 329, 330, 331, 334,
338, 339, 342, 349, 350,
351, 352, 365, 369, 371,
375, 376, 377, 380, 381,
382, 383, 384, 385, 386,
392, 405, 406, 408, 414,
417, 418, 422, 423, 424,
425, 426, 427, 428, 429,
431, 432, 433, 438, 439,
440, 442, 447, 448, 449,
451, 453, 454, 455, 470,
471, 475, 476, 478, 480,
482, 483, 486, 4-88, 490,
492, 495, 497, 499, 500,
501, GFM. 504,550, 552,
557, 560, 561, 562, 563,
564, 565, 573, 574, 577,
579, 582, 588, 590, 592,
594, 595, 598, 600, 601,
604, 606, 607, 608, 609,
611, 612, 613, 618, 619,
620, 622, 623, 625, 626,
628, 629, 631, 632, 633,
635, 637, 646, 647, 648,
649, 654, 655, 658, 659,
660, 662, 665, 666, 670,
Ii
51
802
Personenverzeichnis
671, 672, 674, 675, 676,
678, 679, 686, 687, 688,
689, 690, 692, 693, 695,
698, 700, 701, 703, 705,
707, 708, 711, 717, 719,
721, 725, 726, 727
Marie v. Gjurgjevac Karl,
GM. 537
Marschall Wolf Freih.,
preuß. GdK. 170, 171,
172, 173, 187, 188, 189,
190, 191, 243, 245, 263,
346, 358, 359, 360, 361,
398, 402, 458, 464, 465,
467, 557, 600
Martinek August, Obst. 216
Martiny Hugo, FML. 61,80,
81, 82, 83, 206, 235, 236,
237, 238, 240, 241, 247,
324, 326, 333, 353, 355,
393, 433, 439, 440, 596,
599, 603, 655, 704
Marwitz Georg v. der,
preuß. GdK. 235, 253,
254, 255, 256, 258, 302,
395, 422, 439, 560, 577,
588, 708
Matheis Franz, Oblt. 84
Mattanovich Erwin Edi. v.,
FML. 289
Meixner v. Zweienstamm
Hugo, Gdl. 64, 65, 66,
68, 69, 71, 76, 77, 103,
242, 253, 254
Menges Wilhelm, preuß.
GLt. 85, 388
Mensdorff-Pouilly-Dietrich-
stein Albert Gf. v., Bot-
schafter 451
Metz Rudolf Ritt. v. Spon-
dalunga, GM. 321, 423,
424, 425
Metzger Joseph, GM. 182,
197, 198, 407, 604
Mihaljevic Michael, Obst.
156, 157, 159, 168
Mischek Johann, Obst. 588,
641, 642, 655
Mischtschenko Pawel Iwa-
nowitsch, russ. GdA. 351,
390
Mitlacher Alfred, Obst. 734,
740
Molnár v. Péterfalva De-
siderius, GM. 425
Moltke Helmuth Gf. v.,
preuß. GFM. 3
Morgenstern v. Sashegyi
Gustav, Obst. 317, 334
Muhammed V. Kaiser der
Osmanen und Kalif 6
Müller Richard, GM. 605
Müller Rudolf, Obst. 614,
615, 617
N
Nachitschewanski s. Hussein
Nagy Paul Edi. v., GM.
528, 533
Napoleon I. 219, 4-14, 729,
730, 790
Nava Luigi, ital. GLt. 510,
516, 521, 780
Nemeczek Joseph, GM. 764
Neußer Karl, Hptm. 626
Nicolis di Robilant Mario,
ital. GLt. 770
Nikola König von Monte-
negro 415
Nikolai Nikolaj e witsch,
Großfürst - Generalissi-
mus 3, 28, 36, 57, 58,
122, 123, 124, 160, 162,
163, 164, 224, 225, 257,
268, 281, 310, 311, 312,
332, 340, 341, 350, 363,
364, 373, 374, 396, 415,
435, 496, 497, 554, 578,
596, 610, 631, 671, 716
Nikolaus II. 28, 216, 225,
272, 283, 312, 450, 496,
554
Nottes Klement, GM. 35, 42
Novak v. Arienti Guido,
GM. 544
O
Olochow Wladimir Apollo-
nowitsch, russ. Gen. 476,
481, 496, 554, 555, 562,
563, 564, 565, 575, 578,
594
P
Pacor v.Karstenf eis u.Hegy-
alja Joseph, Obst. 530
Paie Joseph Ritt, v., Obst.
136, 197, 331, 604, 607
Papp Daniel, Mjr. 105, 106,
169,Obstlt.l92,243, 360,
398, 459, 468, 572
Perneczky Eugen, GM. 528,
533, 540
Peteani v. Steinberg Artur
Freih., GM. 61, 65, 66
Petricevic Georg, Hptm. 188
Pflanzer-Baltin Karl Freih,
v., GdK. 12, 13, 15, 64.
66, 67, 72, 73, 78, 103,
104, 105, 106, 108, 109,
110, III, 112, 129, 133,
135, 155, 156, 157, 158,
159, 162, 163, 164, 168,
169, 170, 171, 172, 173,
174, 179, 180, 181, 182,
184, 186, 187, 188, 189,
190, 191, 192, 193, 194,
197, 199, 208, 212, 213,
220, 221, 222, 223, 225,
226, 228, 229, 241, 242,
243, 244, 245, 257, 258,
262, 263, 265, 272, 278,
299, 309, 311, 345, 346,
349, 358, 359, 360, 361,
368, 398, 399, 401, 443,
444, 446, 456, 457, 458,
459, 465, 466, 467, 468,
492, 497, 500, 551, 571,
572, 583, 584, 585, 613,
615, 616, 617, 618, 702
Piisudski Joseph, poln.Leg.-
Obst. 52, 426
Plehwe Pawel Adamowitsch,
russ. GdK. 44, 123, 417,
418
Plettenberg Karl Freih. v.,
preuß. Gdl. 324,366,375,
382, 674, 678, 680, 681,
682, 689, 690, 692, 693,
694, 695, 696, 708
Podhoránszky Eugen v.,
GM. 388, 653
Poincaré Raymond, Präsi-
dent der Franz. Repu-
blik 283
Poliwanow Alexej Andre-
jowitsch, russ. Gdl. 554
Pollio Alberto, ital. GLt. 284
Potiorek Oskar, FZM. 19,
20, 22, 276
Preuschen Karl Freih. v.,
preuß. GM. 623, 624
Procházka Robert, Mjr. 347
Puchalski Stanislaus v., GM.
424, 425
Puhallo v. Brlog Paul, FZM.
109, 112, 126, 127, 129,
133, 180, 222, 412, 419,
420, 421, 422, 432, 439,
449, 566, 587, 588, 607,
622, 624, 626, 627, 661,
662, 666, 687, 703, 704,
705, 706, 7Ç7, 727
Putnik Radomir, serb. Woi-
wode 415
Personenverzeichnis
803
R
Radetzky v. Radetz Joseph
Gf., FM. 413, 507, 508
Ragosa Alexander, russ.
GLt. 389, 391
Rehwald Karl, Obst. 396,
400, 445, 446, 454, 461,
464, 494, 495, 499
Rennenkampf Pawel Karlo-
witsch v., russ. GdK. 28
Reut-Nicolussi Eduard, Dr.,
Abgeordneter 789
Reuter Ernst v., preuß.Obst.
475
Reymann Hugo, GM. 49,
51, 59, 382, 385, 427
Rhemen zu Barensfeld
Adolf Freih. v., Gdl.
156, 173, 187, 189, 191,
243, 244, 263, 358, 359,
360, 361, 398, 401, 456,
458, 459, 467, 493, 494,
500
Richthofen Manfred Freih.
v., preuß. GLt. 86, 87,
88, 90
Riedl Ludwig, Obst. 423
Robilant siehe Nicolis
Rohr Franz, GdK. 289, 290,
291, 292, 293, 294, 295,
296, 300, 307, 405, 408,
411, 523, 524, 526, 528,
531, 532, 534, 537, 539,
540, 738, 754, 764, 765,
766, 768, 769, 771, 774,
777, 779
Rónai-Horváth Eugen,FML.
66, 67, 73, 103, 104
Ropolo Edoardo, ital.
Obstlt. 415
Roth Joseph, FML. 34, 49,
50, 51, 52, 59, 62, 63, 69,
70, 78,111,201,317,321,
324, 327, 333, 339, 343,
365, 382, 383, 438, 455,
590, 591, 592, 593, 594,
595, 596, 598, 602, 605,
607, 657, 673, 674, 675,
676, 677, 680, 701
Rozwadowski, s. Jordan-
Rozwadowski
Russ Viktor, Lt. 156
Rußki Nikolaj Wladimiro-
witsch, russ. Gdl. 36, 57,
58, 123, 124, 163, 164,
309, 672, 717
S
Sacharow Wladimir Victo-
rowitsch, russ. GdK. 48,
58, 187
Salandra Antonio, ital. Mi-
nisterpräsident 7, 406
Saletta Tancredi, ital. GLt.
284
San Giuliano Antonino mar-
chese di, ital. Minister
für Ausw. Angel. 7
Sarkotic Stephan v., Gdl.
29, 408, 550
Sávoly Johann, Obst. 614
Schaible Ernst, GM. 322
Schariczer v. Rény Georg,
FML. 388, 639, 641
Schay Gustav, FML. 426,
564
Scheuchenstuel Viktor v.,
FML. 238, F2M. 426,
455, 603, 646, 648
Schiesser Anton, GM. 518
Schkinski Jakob Fedoro-
witsch, russ. Gdl. 354,
355
Schlieffen Alfred Gf. v.,
preuß. GFM. 20, 21
Schmidt v. Georgenegg Al-
bert, FML. 51, 59, 69,
186, 197, 202, 204, 206,
207, 211, 230, 233, 235,
236, 238, 246, 247, 250,
258, 260, 261, 266, 420,
421, 439, 440, 441, 502,
560, 581
Schneider Edi. v. Manns-Au
Joseph, GM. 65, 433
Schnetzer Franz, Obst. 490
Schön Joseph, GM. 702
Schönburg-Hartenstein
Alois Fürst, FML. 156,
444, 456, 457, 458, 459,
467, 493, 494, 500, 613,
614, 615, 616
Schreitter v. Schwarzenfeld
Franz Ritt., FML. 155,
157, 158, 159, 173, 174,
446, 613, 615, 616, 617
Schtscherbatschew Dimitrij
Gregoriewitsch, russ.
Gdl. 58, 367, 368, 373,
443, 444, 445, 456, 502,
570, 572, 583
Schuler Eugen, GM. 73
Schul theisz v.Devecser Emil,
FML. 66, 105, 106, 110,
111, 155
Schwarzenberg Felix Prinz
zu, Obst. 757
Schweinitz Wilhelm v.,
preuß. Mjr. 406
Schwer Edi. v. Schwertenegg
Otto, GM. 243, 360
Scotti Karl, FML. 296
Seeckt Hans v., preuß. Obst.
315, 317, 448, GM. 561,
562, 670, 727
Seifert Joseph, Obstlt. 794
Seiller Viktor Freih. v.,
Hptm. 94, 410
Seiiwanow Andrej Nikola-
jewitsch, russ. Gdl. 216
Siegler v. Eberswald Kon-
rad, FML. 104
Smekal Gustav, FML. 433,
593, 703, 704, 705, 706
Smuts Jan Christian, süd-
afrik. Staatsmann 451
Sonnino Sidney Baron, ital.
Minister für Ausw. An-
gel. 7, 283, 406
Soós v. Badok Karl, Obst.
111, 190
Spannocchi Lelio Gf., Obst.
252
Spiess v.Braccioforte Silvio,
Obst. 252
Stegemann Hermann, Ge-
schichtschreiber 728
Stehr, preuß. GM. 130
Stein Hermann Freih. v.,
bayr. GLt. 478, 479, 482,
483, 485, 487, 488, 489,
490
Stöger-Steiner Edi. v. Stein-
stätten Rudolf, FML. 317,
322, 323, 325, 328, 331,
333, 339, 342, 343, 351,
365, 381, 386, 426, 437,
438, 455, 591, 774
Stolzmann Paulus v., preuß.
GM. 109, 169, 171
Stracker Karl, GM. 572
Straub Johann, Obst. 302
Stürgkh Joseph Gf., FML.
167
Stürgkh Karl Gf., öst. Mi-
nisterpräsident 29, 348
Suchomlino wWladimir Ale-
xandrowitsch, russ. GdK.
554
Szende v. Fülekkelecsény
Franz, GM. 317, 325,
327, 334, 338, 364, 365,
383, 386, 427, 428, 429,
455, 483, 488, 501
51*
804
Personenverzeichnis
Szeptycki Stanislaus Gf.,
Obst. 793, 794
Szurmay Alexander, FML.
33, 37, 38, 39, 42,43,48,
53, 54, 59, 60, 62, 68, 69,
70, 79,101,104,108,109,
III, 126, 127, 129, 130,
131, 132, 133, 135, 140,
141, 144, 149, 150, 151,
153, 154, 180, 181, 183,
185, 193, 197, 198, 202,
203, 206, 207, 210, 211,
222, 223, 231, 235, 238,
240, 247, 248, 249, 251,
258, 259, 260, 261, 264,
265, 266, 345, 357, 368,
369, 399, 400, 442, 445,
446, 459, 461, 462, 463,
464, 465, 468, 469, 494,
495, 497, 498, 499, 555,
556, 557, 560, 568, 570,
579, 584, 585, 612, 621,
622, 626, 627, 628, 659,
660, 665, 666, 704, 705
T
Tamásy v. Fogaras Árpád,
FML. 42
Tappen Gerhard, preuß.
Obst. 55, 299
Tegetthoff Wilhelm v., Vize-
admiral 507
Tersztyánszky v. Nádas
Karl, GdK. 181,183,186,
196, 197, 198, 202, 204,
206, 207, 209, 210, 211,
223, 225, 229, 230, 231,
232, 234, 236, 237, 238,
240, 241, 247, 250, 261,
266, 267, 394, 395, 396,
397, 412, 420, 550
Tirpitz Alfred v., deutsch.
Großadmiral 8
Tisza v. Borosjenô et Szeged
Stephan Gf., ung. Mi-
nisterpräsident 29, 105,
110, 282, 348, 406, 507
T omann Friedrich, Oblt. 615
Trollmann Ignaz, FML. 134,
180, 204, 206, 207, 230,
236, 238, 247, 261, 397,
502, 568, 580
Troyer Joseph, M jr. 446
T schurtschenthaler v. Helm-
heim Heinrich, FML. 66,
68, 72, 75, 77, 180
Tutschek Ludwig Ritt, v.,
bayr. GM. 782
u
Ungár Karl, Oblt. 250
Unschuld Ritt. v. Melasfeld
Felix, GM. 704
Urbanski v. Ostrymiecz
August, GM. 390
V
Veith Georg, Dr. h. c., Obst.
142, 175, 203
Venizelos Eleutherios,
griech. Ministerpräsident
7, 280
Vever Richard Freih. v.,
Obstlt. 365
Viktor Emanuel III. 284,
285, 507, 509, 740
Vogelhuber Eduard, Obst.
538
W
Waldstätten Egon Freih. v.,
Mjr. 386
Wangenheim Hans Freih. v.,
deutscher Botschafter in
Konstantinopel 276
Weiss v. Mainprugg Franz
Ritt., GM. 346, 494, 572
Wieden Edi. v. Alpenbach
Eduard, Obst. 393
Wieden Edi. v. Alpenbach
Heinrich, Obst. 291
Wilhelm II. 7, 93, 96, 194,
245, 246, 306, 504, 612,
702, 726
Willerding Rudolf Ritt, v.,
GM. 421, 664, 665
Winckler Arnold v., preuß.
GLt. 590, 625, 647, 661,
662
Wolff Karl, Obstlt. 388,391
Wolodtschenko Nikolai Ge-
rasimowitsch, russ. GM.
323, 325, 326, 327, 328,
331, 332
Wossala Ernst, Obst. 191
Woyrsch Remus v., preuß.
GO. 43, 44, 45, 46, 51,
56, 81, 83, 84, 85, 86,
87, 89, 91, 93, 99, 111,
112, 178, 195, 201, 235,
371, 387, 388, 389, 390,
391, 426, 549, 565, 566,
574, 588, 601, 603, 604-,
606, 607, 608, 613, 618,
619, 620, 629, 630, 631,
632, 636, 637, 638, 639,
640, 641, 642, 643, 644,
653, 654, 655, 656, 670,
683, 684, 687, 691, 697,
698, 699, 700, 703, 714,
715, 718, 719, 723
Wurm Wenzel, F2M. 534,
537, 538
Z
Zastrow Ernst v., preuß.
GLt. 99
Zeidler Erwin, GM. 536, 753
Zeiss Oskar, Mjr. 43, 52, 61,
65
Zeynek Theodor Ritt, v.,
Obstlt. 616
Ziegler Emil Ritt, v., FML.
238, GdK. 580, 582, 659,
662, 663, 664, 665
*
Verzeichnis der öst.-ung. Truppenverbände
805
er öst.-ung. Truppenverbände
Verzeichnis d
It Korps
I. 44, 81, 82, 83, 339, 370,
387, 388, 449, 566, 587,
622, 625, 627, 663, 704
II. 44, 49, 81, 82, 83, 271,
370, 387, 388, 389, 390,
566, 587, 622, 625, 627,
660, 664, 704
III. 34, 35, 38, 39, 43, 48,
53, 54, 60, 62, 63, 68,
69, 71, 75, 76, 77, 78,
100, 101, 103, 111, 128,
134, 135, 136, 137, 139,
140, 141, 144, 146, 147,
149, 150, 151, 152, 153,
166, 177, 183, 186, 200,
205, 211, 228, 230, 232,
233, 239, 240, 242, 252,
271, 329, 330, 335, 347,
349, 360, 361, 398, 402,
457, 466, 468, 492, 493,
572, 613, 614, 615, 616,
702 792
IV. 44, 46, 84, 85, 86, 88,
90, 226, 336, 353, 357,
367, 369, 420, 439, 440,
441, 453, 454, 472, 473,
475, 476, 477, 481, 484,
491, 498, 499, 502, 503,
555, 556, 557, 559, 560,
567, 568, 569, 570, 580,
581, 582, 583, 585, 586,
659, 660, 664
V. 44, 52, 81, 83, 102, 104,
107, 133, 136, 140, 141,
144, 149, 151, 154, 180,
181, 182, 183, 185, 197,
202, 203, 206, 207, 210,
211, 229, 230, 231, 234,
237, 238, 240, 246, 247,
251, 258, 259, 260, 261,
265, 266, 336, 354, 356,
357, 368, 369, 394, 396,
397, 412, 454, 455, 473,
475, 476, 477, 482, 484,
498, 499, 555, 556, 557,
559, 568, 569, 570, 579,
580, 582, 583, 586, 660,
664
VI. 48, 49, 50, 51, 53, 54,
59, 60, 62, 63, 68, 70,
102, 179, 316, 321, 323,
324, 325, 326, 330, 334,
338, 343, 352, 355, 366,
370, 375, 376, 377, 382,
383, 384, 386, 422, 424,
429, 430, 431, 454, 455,
470, 473, 475, 476, 477,
478, 482, 485, 486, 489,
490, 499, 500, 502, 561,
562, 564, 565, 576, 588,
594, 621, 623, 624, 636,
645, 647, 649, 656, 657,
658, 659, 674, 678, 680,
682, 690, 692, 693, 695,
696, 697, 700, 708, 709,
710, 711, 713, 720, 721,
722
VII. 33, 34, 35, 38, 39, 43,
48, 52, 53, 54, 60, 61,
62, 63, 64, 65, 66, 68,
69, 71, 72, 75, 76, 77,
103, 127, 134, 135, 137,
138, 139, 140, 141, 144,
145, 146, 147, 148, 149,
150, 151, 153, 177, 197,
202, 205, 228, 232, 235,
238, 239, 242, 252, 255,
256, 329, 335, 336, 337,
344, 353, 354, 366, 368,
369, 375, 394, 396, 407,
408, 409, 410, 411, 412,
523, 526, 530, 531, 738,
740, 741, 742, 743, 744,
746, 749, 751, 752, 757,
758, 759, 760, 761, 763,
766, 767
VIII. 137, 139, 140, 146,
147, 148, 149, 154, 222,
276, 277, 278, 281, 336,
353, 357, 383, 386, 426,
427, 428, 437, 438, 455,
476, 490, 560, 563, 576,
588, 589, 591, 593, 595,
596, 598, 599, 600, 602,
603, 604, 606, 607, 619,
620, 628, 629, 632, 634,
636, 638, 645, 646, 647,
648, 654, 655, 656, 657,
658, 673, 674, 676, 677,
678, 679, 680, 691, 694,
695, 697, 700, 703, 709,
711, 712, 713, 718, 723
IX. 33, 35, 37, 38, 39, 43,
48, 53, 54, 60, 77, 101,
236, 317, 325, 327, 331,
339, 343, 350, 352, 356,
365, 371, 379, 380, 382,
383, 385, 386, 422, 426,
427, 428, 430, 431, 437,
438, 442, 455, 471, 478,
479, 480, 483, 487, 488,
501, 560, 563, 565, 576,
588, 589, 590, 591, 593,
597, 598, 604, 606, 607,
608, 619, 620, 628, 632,
633, 634, 636, 637, 645,
646, 647, 648, 649, 655,
656, 657, 658, 673, 676,
677, 679, 680, 681, 701,
704, 705, 707
X. 40, 41, 43, 48, 49, 51,
53, 60, 61, 64, 65, 66,
68, 69, 75, 76, 103, 134,
135, 137, 138, 139, 140,
141, 144, 145, 146, 147,
149, 150, 151, 153, 182,
186, 197, 202, 205, 228,
229, 230, 231, 232, 235,
237, 238, 239, 242, 246,
247, 253, 254, 316, 322,
324, 326, 329, 330, 333,
335, 336, 337, 343, 352,
355, 366, 369, 375, 379,
393, 396, 397, 414, 419,
433, 436, 439, 440, 441,
442, 449, 455, 458, 466,
468, 479, 480, 483, 487,
488, 490, 560, 563, 576,
588, 589, 591, 593, 595,
596, 597, 598, 599, 600,
601, 602, 603, 604, 607,
608, 619, 620, 623, 628,
632, 633, 634, 636, 637,
645, 646, 647, 648, 649,
655, 656, 657, 658, 670,
673, 674, 676, 677, 687,
701, 703, 704, 705, 707
XI. 51, 52, 54, 58, 59, 60,
62, 63, 102, 170, 175,
179, 188, 189, 190, 191,
192, 346, 458, 4-59, 466,
' 467, 492, 494, 614, 616,
617
XII. 44, 45, 46, 84, 85, 86,
267, 271, 317, 642, 683,
684, 699, 714, 715, 723
806
Verzeichnis der öst.-ung. Truppenverbände
XIII. 105, 110, 111, 156,
157, 158, 159, 168, 171,
172, 173, 174, 186, 187,
188, 189, 190, 276, 277,
281, 346, 398, 401, 456,
458, 459, 467, 493, 494,
500, 613, 616, 702
XIV. 102, 179, 259, 271,
321, 322, 325, 327, 331,
333, 334, 339, 342, 343,
351, 364, 365, 371, 379,
380, 382, 385, 386, 426,
437, 438, 441, 455, 488,
490, 501, 515, 560, 563,
576, 588, 589, 590, 591,
593, 597, 598, 602, 604,
606, 608, 619, 620, 628,
629, 632, 633, 634, 636,
645, 646, 647, 648, 649,
656, 657, 658, 659, 673,
676, 678, 679, 680, 682,
690, 691, 692, 694, 695,
701, 704, 705, 707
XV. 271, 276, 277,278, 408,
410, 411, 533, 534, 535,
537, 540, 541, 544, 734,
737, 741, 746, 747, 751,
763, 766, 771, 772, 773,
774, 775
XVI. 271,276,277,278,408,
410, 411, 534, 535, 537,
540, 546, 734, 737, 745,
746, 749, 753, 758, 759,
772
XVII. 102, 146, 147, 149,
150, 152, 153, 177, 186,
205, 211, 228, 230, 232,
236, 237, 239, 240, 252,
256, 329, 335, 336, 337,
344, 353, 354, 355, 366,
369, 375, 393, 394, 395,
397, 441, 449, 454, 455,
469, 470, 471, 478, 479,
483, 485, 487, 488, 489,
490, 501, 560, 563, 565,
576, 588, 589, 591, 593,
595, 596, 597, 598, 599,
603, 604, 606, 607, 619,
628, 629, 632, 633, 634,
636, 645, 646, 647, 648,
649, 656, 657, 658, 673,
675, 676, 677, 679, 680,
681, 682, 690, 691, 694,
695, 697, 700, 709, 710,
712, 718, 723
XVIII. 34, 48, 49, 50, 51,
53, 60, 61, 64, 66, 67,68,
71, 72, 75, 76, 77, 78,103,
133, 134, 139, 140, 141,
144, 148, 149, 151, 154,
180, 181, 182, 183, 185,
197, 202, 203, 206, 207,
229, 230, 231, 233, 234,
235, 237, 238, 241, 246,
247, 250, 258, 260, 266,
336, 354, 357, 367, 369,
394, 396, 397, 420, 454,
472, 473, 475, 476, 477,
481, 484, 491, 498, 499,
555, 556, 559, 568, 569,
570, 579, 580, 582, 583,
586, 659, 660, 665
XIX. 105, 107, 134, 140,
141, 144, 149, 150, 151,
154, 180, 181, 185, 186,
196, 197, 203, 204, 206,
207, 209, 210, 230, 236,
237, 238, 247, 260, 261,
266, 277, 281, 336, 345,
353, 357, 367, 369, 394,
395, 420, 441, 453, 454,
472, 473, 475, 476, 477,
481, 484, 491, 4-98, 499,
502, 503, 555, 556, 559,
567, 569, 570, 580, 582,
583, 585, 586, 660, 664
Korps (Gruppe) Benigni
613, 614, 615, 616, 617,
618
Korps Czibulka 155, 158,
172, 173, 187, 188, 346,
358, 398, 402, 456, 457,
458, 459, 466, 493, 494,
586, 659
Korps (Gruppe) Hofmann
105, 106, 128, 130, 154,
169, 171, 193, 194, 235,
261, 264, 345, 350, 399,
* 443, 444, 446, 459, 460,
461, 464, 465, 569, 570,
581, 585, 614, 616, 617
Korps Schmidt-Georgenegg
186, 258, 260, 261
Komb. Korps GdK. Kirch-
bach 343, 351, 364, 365,
371, 379, 380, 381, 382,
386, 426
Komb.KorpsKrauss 276,277
Gruppe Anton Bellmond
433, 440, 441
Gruppe Goldbach s. Gold-
bach (Personenverzeich-
nis)
Gruppe Ljubicic, bezw.
Schönburg 263, 265, 346,
358, 359, 361, 401, 402,
444, 456, 457, 458, 459,
467, 493
Gruppe Rónai-Horváth 66,
67, 73
Gruppe Stöger-Steiner, [s.
Stöger - Steiner (Perso-
nenverzeichnis)
Gruppe Szurmay, s. Szur-
may (Personenverzeich-
nis)
LstGruppe Kletter, s.
Kletter (Personenver-
zeichnis)
KavKorps Apór 466, 492
KavKorps Berndt 75, 78,
100, 101
KavKorps Hauer 44, 84,
86, 87, 89, 90, 387
II: K. u. k. Infanterie-,
k. k. Schützen (Lst.)-
und k. u. Honvéd-
divisionen
1. 278, 411, 534, 536, 537,
539, 540, 772, 773
2. 41, 53, 64, 65, 66, 68,
71, 75, 77, 84, 103, 127,
135, 140, 141, 183, 205,
228, 235, 237, 246, 24-8,
250, 253, 254, 255, 256,
316, 324, 330, 337, 344,
353, 355, 366, 393, 420,
421, 440, 441, 449, 455,
480, 591, 593, 595, 597,
599, 602, 603, 646, 648,
655, 656, 658, 670, 674,
677, 704, 706, 707
3. 59, 69, 78, 178, 179,
267, 317, 322, 324, 325,
327, 328, 331, 339, 351,
356, 365, 380, 385, 432,
437, 441, 455, 560, 591,
593, 594, 597, 598, 602,
605, 658, 673, 675, 676,
677, 680, 681, 692, 694,
695, 705, 707
4. 44, 370, 387, 389, 391,
392, 426, 566, 584, 587,
588, 607, 608, 620, 629,
632, 634, 635, 636, 645,
647, 648, 657, 659, 673,
675, 676, 690, 691, 694,
695, 703, 705, 708, 710
5. 44, 81, 154, 169, 170,
171, 172, 173, 174, 187,
188, 191, 193, 245, 263,
358, 401, 456, 458, 467,
493, 614, 702
6. 34, 35, 38, 39, 53, 54,
60, 62, 63, 69, 77, 79,
Verzeichnis der öst.-ung. Truppen verbände
807
101, 102, 106, 108, 109,
110, 133, 155, 156, 157,
159, 166, 168, 170, 172,
173, 174, 188, 189, 191,
263, 358, 401, 444, 456,
458, 467, 491, 493, 494,
500, 613, 615
7. 105, 107, 109, 126, 135,
144, 207, 249, 259, 277,
357, 368, 369, 396, 445,
446, 459, 461, 468, 495,
499, 556, 557, 560, 567,
569, 579, 580, 584, 627,
660, 665, 666, 705
8. 59, 69, 200, 201, 233,
236, 252, 316, 317, 322,
324, 325, 327, 331, 334,
339, 351, 356, 365, 380,
381, 383, 385, 436, 437,
438, 455, 560, 591, 593,
594, 597, 598, 602, 604,
605, 636, 761, 762, 763,
772 782
9. 137, 138, 139, 146, 148,
149, 150, 151, 154, 180,
185, 231, 278, 354, 357,
368, 396, 419, 420, 439,
454, 473, 477, 481, 482,
484, 498, 556, 569, 570,
579, 586, 659, 662, 663,
664, 665, 666, 704
10. 35, 53, 54, 60, 62, 68,
70, 79, 80, 100, 137, 200,
211, 316, 317, 321, 325,
326, 327, 330, 334, 338,
339, 343, 371, 382, 427,
428, 429, 455, 471, 483,
488, 490, 501, 564, 565,
591, 593, 594, 597, 598,
599, 602, 603, 604, 605,
628, 632, 635, 636, 645,
648, 657, 658, 673, 675,
676, 677, 679, 680, 688,
690, 691, 705, 707
11. 51,59,78,102,137,146,
150, 166, 183, 228, 229,
335, 337, 344, 394, 395,
396, 433, 441, 449, 454,
455, 471, 479, 483, 485,
487, 488, 564, 589, 591,
593, 595, 598, 599, 623,
629, 636, 645, 648, 657,
658, 673, 674, 675, 676,
690, 691, 694, 703, 708,
709, 711, 712, 713, 723
12. 44, 75, 77, 80, 81, 82,
83, 84,100,179, 200,201,
321, 324, 326, 330, 334,
338, 343, 352, 355, 366,
370, 377, 378, 379, 382,
384, 423, 424, 425, 430,
431, 470, 471, 473, 474,
477, 485, 489, 499, 500,
562, 678, 680, 682, 695,
696, 711, 713, 720, 721,
722
13. Sch. 34, 43, 51, 69, 70,
79, 137, 152, 153, 166,
177, 178, 179, 180, 197,
202, 229, 230, 236, 237,
238, 261, 357, 367, 394,
419, 4-20, 439, 440, 454,
473, 481, 484, 491, 498,
556, 557, 567, 568, 569,
580, 581, 586, 587, 621,
622, 660, 663, 664, 666,
687, 702, 704, 707
14. 44, 52, 61, 80, 82, 83,
197, 204, 206, 209, 229,
230, 231, 232, 234, 235,
353, 357, 368, 396, 419,
454, 482, 484, 491, 556,
559, 570, 579, 580, 586
15. 69, 79,84,178,179,188,
190, 191, 263, 358, 359,
360, 361, 398, 402, 456,
457, 458, 459, 467, 493,
613, 614
16. 45,46,84, 387,388,427,
630, 631, 638, 639, 641,
642, 653, 654, 683, 684,
698, 700, 709, 713, 714,
719 723
17. 39, 48, 54, 61, 62, 65,
71, 128, 141, 235, 252,
337, 344, 366, 523, 525,
526, 527, 528, 529, 530,
531, 744, 746, 748, 750,
751, 752, 756, 759, 761,
763, 764
18. 278, 535, 537, 538, 542,
734
19. 102, 107, 128, 130, 166,
169, 190, 193, 195, 399,
400, 442, 464, 468, 469,
557, 558, 559, 581, 582,
583
20. H. 35, 39, 48, 52, 54,
61,65, 71, 127, 148, 197,
202, 234, 235, 252, 256,
335, 337, 344, 366, 523,
524, 526, 527, 528, 531,
533, 737, 743, 746, 748,
749, 750, 751, 752, 756,
759, 763
21. Sch. 137, 138, 139, 146,
147, 148, 149, 150, 151,
153, 177, 183, 197, 228,
230, 232, 246, 248, 250,
253, 254, 255, 256, 278,
316, 322, 324, 326, 330,
335, 337, 344, 350, 364,
381, 383, 386, 390, 426,
427, 441, 455, 501, 565,
591, 593, 594, 597, 598,
599, 602, 603, 632, 634,
635, 637, 647, 650, 656,
657, 659, 673, 674, 675,
676, 677, 680, 692, 694,
695, 705, 707
22. Sch. 60, 127, 128, 151,
211, 228, 230, 232, 252,
316, 326, 335, 360, 398,
487, 702
23. H. 214, 215
24. 41, 53, 61, 64, 65, 66,
68, 69, 71, 72, 75, 76,
77,84,103,127,135,140,
183, 206, 229, 231, 232,
237, 246, 248, 249, 253,
254-, 255, 256, 316, 324,
329, 330, 335, 337, 343,
344, 352, 355, 379, 393,
433, 434, 440, 455, 480,
483, 591, 593, 595, 597,
599, 601, 602, 603, 633,
635, 637, 646, 647, 648,
650, 655, 656, 658, 670,
674, 677, 704, 705, 706,
707
25. 44, 82, 83, 370, 371,
387, 389, 390, 391, 426,
564, 584, 587, 588, 622,
626, 627, 660, 661, 704
26. Sch. 35, 38, 39, 43, 53,
54, 62, 79, 137, 152, 166,
177, 178, 200, 230, 232,
234, 266, 329, 335, 337,
344, 354, 394, 395, 396,
441, 449, 455, 469, 470,
471, 479, 483, 490, 563,
589, 590, 591, 593, 598,
599, 602, 603, 606, 628,
632, 633, 634, 635, 636,
658, 673, 675, 676, 677,
680, 688, 691, 705, 707
27. 44, 45, 84, 85, 86, 87,
88, 90,180,185,197,202,
229, 230, 232, 234, 235,
236, 237, 357, 367, 369,
395, 396, 419, 420, 439,
440, 441, 454, 473, 491,
556, 560, 567, 569, 570,
580, 581, 586
28. 60, 63, 76, 100, 101,
127, 137, 228, 233, 252,
256, 329, 335, 614, 702
808
Verzeichnis der öst.-ung. Truppenverbände
29. 105, 107, 127, 129, 134,
135, 148, 151, 185, 204,
206, 230, 237, 251, 255,
258, 260, 277, 336, 345,
353, 357, 367, 397, 420,
454, 473, 481, 484, 491,
498, 502, 556, 567, 568,
580, 586
30. 51, 59, 78, 102, 179,
188, 190, 191, 192, 243,
244, 347, 458, 459, 466,
614
31. 84, 85, 86, 180, 182,
185, 197, 202, 209, 210,
229, 357, 367, 397, 420,
440, 454, 473, 491, 556,
557, 567, 568, 569, 580,
581, 586, 660, 663, 664
32. 84, 85, 86, 87, 88, 89,
180, 182, 197, 202, 203,
230, 235, 236, 237, 238,
247, 357, 367, 397, 420,
421, 440, 454, 556, 560,
567, 570, 580, 581, 659,
660, 663, 664, 665
33. 44, 81, 82, 83, 84, 99,
102, 107, 127, 133, 151,
230, 231, 233, 237, 247,
250, 251, 258, 259, 354,
356, 368, 397, 419, 454,
482, 484, 491, 556, 559,
569, 570, 579, 580, 586
34. 76, 77, 103, 127, 148,
151, 183, 206, 229, 230,
231, 232, 236, 237, 251,
253, 254, 255, 258, 261,
266, 336, 345, 353, 357,
367, 397, 420, 441, 454,
481, 484, 491, 498, 499,
556, 568, 580, 586
35. 46, 84, 86, 88, 89, 90,
388, 630, 638, 639, 641,
642, 653, 654, 683, 684,
698, 700, 719
36. 105, 110, 155, 168, 172,
174, 187, 188, 191, 277,
358, 396, 401, 446, 456,
457, 458, 459, 467, 493,
613, 614, 615, 617
37. H. 44, 81, 83, 84, 99,
102, 107, 127, 133, 151,
229, 230, 237, 238, 247,
258, 260, 264, 265, 354,
357, 364, 368, 381, 383,
386, 390, 426, 455, 569,
591, 595, 597, 599, 603,
632, 633, 646, 648, 655,
656, 658, 674, 676, 682,
691, 694, 698, 703, 708,
709, 711, 712, 713, 714,
718, 723
38. H. 35, 38, 39, 42, 53,
62, 79, 151, 166, 180,
184, 185, 207, 235, 238,
242, 247, 249, 251, 260,
261, 264, 368, 442, 445,
446, 460, 463, 464, 468,
469, 494, 495, 557, 559,
568, 582, 584
39. H. 37, 40, 59, 60, 70,
79,84,179,200,211,321,
324, 326, 334, 338, 343,
352, 355, 366, 377, 378,
382, 384, 423, 424, 425,
430, 431, 436, 471, 473,
474, 477, 485, 489, 499,
562, 678, 680, 682, 695,
696, 711, 713, 720, 721,
722
40. H. 105, 107, 126, 238,
249, 264, 277, 357, 368,
369, 442, 445, 446, 459,
460, 461, 463, 464, 465,
468, 494, 495, 499, 556,
567, 568, 569, 570, 579,
581, 582, 584, 660, 661,
665, 666, 687, 705
41. H. 151, 166, 180, 185,
186, 196, 204, 206, 207,
230, 237, 238, 246, 260,
261, 266, 353, 357, 364,
381, 389, 390, 391, 392,
426, 455, 501, 563, 564,
589, 591, 593, 595, 597,
598, 599, 602, 603, 605,
607, 620, 632, 658, 673,
675, 676, 681, 690, 691,
694, 703, 708, 710, 711,
712, 713, 723
42. H. 105, 110, 155, 156
157, 159, 168, 170, 172,
173, 174, 189, 190, 191,
243, 244, 277, 346, 358,
359, 360, 398, 458, 468,
492, 500, 572
43. Sch. 51, 102, 103, 127,
133, 134, 141, 143, 197,
202, 206, 236, 237, 258,
266, 353, 357, 420, 440,
454, 473, 491, 499, 502,
556, 567, 570, 580, 581,
586, 587, 663, 664
44. Sch. 127, 133, 134, 258,
354, 357, 368, 396, 420,
422, 449, 454, 477, 531,
546, 735, 737, 738, 743,
763, 764, 771, 774, 775,
776, 777, 779, 780
45. Sch. 34, 40, 59, 60, 68,
79, 102, 135, 137, 146,
150, 166, 177, 183, 186,
197, 202, 211, 234, 235,
248, 250, 254, 255, 256,
316, 322, 324, 330, 335,
337, 343, 344, 352, 355,
393, 396, 433, 434, 440,
455, 479, 483, 487, 488,
564, 589, 591, 592, 593,
595, 597, 599, 605, 648,
657, 658, 673, 675, 676,
677, 680, 681, 682, 691,
695, 703, 705, 708, 710
46. Sch. 44, 81, 83, 342,
370, 379, 387, 389, 390,
391, 426, 427, 449, 566,
584, 587, 588, 600, 621,
622, 626, 627, 660, 661,
662, 704
48. 278, 408, 411, 535, 537,
543, 544, 546, 734, 735,
737, 741, 742, 744, 746,
763, 764, 769, 779
50. 278, 411, 533, 534, 535,
536, 537, 539, 540, 544,
772 773
51. H.' 179, 200, 258, 259,
261, 353, 357, 367, 396,
397, 420, 440, 454, 465,
468, 469, 492, 494, 495,
498, 556, 559, 569, 570,
579, 580, 582, 583, 586
52. 66, 155, 156
54. 73, 105, 155, 191
55. 67, 73, 130, 345, 460,
468, 570, 581, 585, 614,
616, 618
56. 35, 39, 75, 77, 103, 104
57. 278, 403, 412, 524, 531,
534, 536, 537, 542, 543,
545, 546, 746, 752, 757,
759 763
58. 278, 308, 411, 535, 536,
537, 542, 734, 753, 763
59. 278, 308, 408, 750, 752,
753, 763
61. 408, 741, 743, 746, 748,
749, 751, 752, 756, 757,
759 763
62. 591, 598, 603, 608, 646,
648, 649, 658, 674, 676,
680, 687, 701, 703, 704,
705, 707
70. H. 551
90. 296, 411
91. 296, 411, 518
92. 296, 411, 523, 524, 540,
764, 768, 777, 779
Verzeichnis der öst.-ung. Truppenverbände
809
93. 296, 412, 534, 536, 537,
538, 543, 546, 739, 746,
748, 749, 750, 751, 752,
757, 759, 762, 763
94. 296, 412, 534, 537, 538,
734, 746
106. Lst. 43, 81, 82, 83, 84,
102, 179, 188, 317, 321,
325, 327, 331, 334, 339,
343, 356, 380, 385, 437,
438, 441, 455, 471, 483,
488, 565, 591, 593, 594,
597, 598, 599, 601, 602,
603, 604, 606, 608, 620,
632, 634, 655, 658, 673,
682, 691, 694, 703, 708,
709, 711, 712, 713, 723
Komb. ID. Goiginger 278
Komb. HID. Kornhaber 35,
38, 42, 53, 60, 79, 179
Komb. Martiny 235, 236,
237, 238
ID. Pustertal 520, 769
Siebenbürger GendTD. 551
III: K. u. k. Kavallerie-,
k. u. Honvédkavallerie-
divisionen
1. 35, 43, 52, 61, 65, 66,
68, 71, 76, 77, 103, 127,
236, 335, 336, 344, 353,
369, 375, 394, 419, 445,
446, 454, 459, 460, 461,
463, 464, 465, 495, 557,
568, 583, 585, 614, 615,
617, 666
2. 44, 81, 317, 322, 343,
351, 365, 370, 380, 385,
426, 449, 566, 587, 588,
603, 607, 628, 632, 635,
637, 643, 683, 685, 699,
700, 715, 723
3. 45, 85, 86, 87, 88, 161,
585, 613, 615, 616
4. 33, 35, 37, 38, 43, 48,
54, 60, 63, 68, 75, 76,
100, 101, 127, 140, 144,
146, 150, 226, 229, 232,
236, 237, 242, 252, 256,
335, 337, 353, 366, 369,
393, 396, 423, 439, 440,
449, 454, 464, 4-95, 503,
556, 557, 567, 569, 570,
579, 580, 581, 582, 584,
622, 662, 665, 666, 701,
704, 706, 707
5.H. 35, 38, 39, 48, 52,
53, 54, 61, 65, 71, 75,
100, 101, 106, 110, 135,
157, 159, 168, 172, 173,
174, 187, 188, 190, 191,
358, 359, 360, 398, 458,
459, 466, 468, 492, 493,
614
6. 34, 37, 50, 59, 63, 70,
79, 100, 188, 190, 192,
243, 245, 360, 398, 458,
466, 468, 492, 493, 494,
613, 614
7.87, 88, 90,195, 391, 565,
566, 588, 601, 630, 637,
638, 639, 641, 642, 643,
644, 683, 684, 698, 699,
700, 703, 706, 720
8. 35, 39, 72, 75, 77, 103,
104, 229, 242, 243, 263,
346, 358, 359, 360, 361,
398, 457, 459, 467, 468,
492, 493, 613, 614
9. 45, 85, 86, 87, 88, 427,
630, 638, 639, 641, 642,
644, 683, 684, 697, 698,
699, 700, 715, 723
10. 37, 39, 40, 43, 48, 52,
53, 54, 61, 65, 66, 68, 71,
75, 100, 101, 110, 157,
159, 168, 169, 170, 171,
174, 187, 188, 190, 191,
193, 243, 360, 361, 398,
457, 459, 466, 468, 492,
493, 613, 615
11.H. 37, 50, 51, 54, 60,
70, 75, 100, 101, 135,
137, 236, 317, 322, 343,
351, 365, 371, 379, 380,
423, 430, 436, 438, 455,
480, 482, 485, 487, 499,
503, 562, 621, 622, 628,
632, 636, 649, 650, 656,
658, 662, 666, 704, 706,
720
IV: K. u. k. Infanterie-,
k. k. Schützen-,
k.u.Honvédinfanterie-,
k. u. k., k. u. Gebirgs-,
k. u. k. Marsch-,
k. u. k. Halbbrigad en
5. 605
7. 322
9. 244, 346, 494, 613
12. 500, 613, 614
13. 158
14. 463, 567
16. 188, 189, 191, 244, 263,
346
21. 395, 396
23. 75,81, 82, 83, 321, 423,
424, 425
24. 82, 83, 378, 382, 423,
424, 425
26. Sch. 556, 560
27. 484, 490
28. 484
31. 317, 364, 365
32. 683, 684
33. 529, 530, 748, 756, 759
34. 527, 530
37. 69
38. 69, 70
39. H. 528
40. H. 438, 490, 563
41. Sch. 147, 148, 483, 488
43. Sch. 62, 63, 70, 77, 70,
80, 100, 101, 102, 107,
166
44. Sch. 35, 76, 100
47. 64
48. 434
57. 528
58. 762, 763, 772
59. 440, 441
60. 188
65. 260
66. 126, 127, 142, 197, 202,
259
71. 126, 127, 462, 463, 569
72. 158
74. H. 483, 488
75. H. 130, 131, 133, 151,
153, 154, 584
77. H. 425
79. H. 570, 581
81. H. 528, 539, 540, 541,
749
82. H. 58, 69
86. Sch. 34, 49, 50, 51, 59,
60, 70, 102, 107, 166,
396, 441
87. Sch. 775, 776
88. KS ch. 59, 63, 102, 188,
192, 398, 761, 763
96. 761, 762
128. H. 235, 240, 241, 247,
251, 253, 254, 258, 260,
446, 459, 461, 463, 464,
465, 495, 499, 556, 567,
568, 570, 580, 582, 587
129. 169, 399
130. 169, 399, 460
131. 67, 130, 169, 399, 400,
444
179. 520, 521
180. 519, 520, 784
181. 518
810
Verzeichnis der öst.-ung. Truppenverbände
183. 523, 524,525,527,529,
531
184. 523, 524, 528
185. 736, 762
187. 734, 746
201. H. 441
202. H. 551, 614
1. Gb. 542, 543, 544, 734,
737
2. Gb. 536, 739, 746, 748,
752, 759, 761
3. Gb. 536, 539, 540, 754,
755, 771, 779
4. Gb. 278
5. Gb. 278, 542
6. Gb. 278, 536, 739, 746,
748, 759
7. Gb. 539
8. Gb. 539, 540, 772, 773,
778
9. Gb. 752, 756, 757, 759
10. Gb. 281, 408, 741, 742,
746, 759, 763
11. Gb. 546, 735, 737, 764,
768
12. Gb. 546, 746, 748, 750,
751, 752, 756, 757, 759,
763, 764, 769, 779
13. Gb. 544
14. Gb. 348, 743, 746, 748,
751, 755, 756, 758, 759,
761
15. Gb. 536, 539, 771
16. HGb. 408, 743, 746
18. Gb. 278, 753, 757, 758,
759
51. Gb. 521, 782
55. Gb. 520
56. Gb. 411, 520, 527, 780
57. Gb. 527, 529, 530, 531,
779
58. Gb. 543
59. Gb. 386, 410, 411, 523,
524, 526, 527, 529, 530,
764, 779
60. Gb. 536, 537, 734
16. Ma. 734, 736, 740
Komb. Obst. Bolzano 137,
138, 139, 140, 144, 147,
151, 191, 226, 229, 242,
335, 350, 399, 444, 460,
557, 558, 581, 585, 614,
617, 618
Komb. Obst. Fischer 236
Komb. Obstlt. Papp 398,
459, 468, 572
Komb. GM. Reymann49,51,
Komb. GM. Szende 317,
338, 383, 386, 427, 428,
429, 455, 483, 488, 501
Komb. Obst. Wieden 291
Gruppe Obst. Rehwald, s.
Rehwald (Personenver-
zeichnis)
50. Ha. 518
51. Ha. 519, 521
52. Ha. 520, 784
53. Ha. 517
54. Ha. 517, 786
57. Ha. 523, 524
V: K. k. und k. u. Land-
sturminfanterie-
(Gebirgs-, Territorial-)
brigaden
K. k. 1. 37, 43, 83,138,139,
140, 144, 146, 147, 150,
226, 228, *229, 232, 234,
236, 242, 252, 256, 335,
337, 394, 419, 440, 441,
449, 454, 473, 484, 498,
556, 570, 579, 580, 586,
659, 666
K. u. 16. Gb. 746, 748, 757,
759, 763
K. u. 19. Gb. 743, 750, 757,
758
K. k. 35. 37, 43, 83
K. u. 104. 277
K. k. 108. 216
K. u. 109. 280, 408
K.k. 110. 44, 80, 83
K.k. 112. 290
K. u. 126. 158
K. u. 128. 104, 235, 249
K. k. 205. 551
K. k. Obst. Köckh 83
K. k. 2. Ma. 291
K. k. Terr. 5. 291
K. k. Terr. 6. 277
K.k. Terr. 11. 35,38,42,48,
53
K. k. Terr. 12. 106,128,246,
399
VI: Kavalier i ebriga den
I. 644
3. 426, 428, 436, 455, 483,
598, 599, 603
5. 63
9. 639, 643
II. 637
16. 370, 387, 426, 427, 566
18. 335
19. H. 191, 243, 244, 346,
492
21. 335
l.LstHus. 104, 231, 235,
335, 337, 369, 393, 433,
449, 503, 556, 579, 582,
586, 664
VII: K. u. k., k. k. und
k. u. Fußtruppen
IR. 1. 81, 401
IR. 3. 470
IR. 4. 389, 627
IR. 5. 346
IR. 7. 615
IR. 8. 391
IR. 9. 434
IR. 11. 582
IR. 13. 244, 346, 585
IR. 14. 333, 334, 385, 437,
441, 602, 605
X. MaBaon. 14. 522, 527
IR. 16. 188, 614, 616
IR. 17. 174
IR. 21. 602, 605
IR. 23. 84, 664
IR. 27. 35, 399, 768, 779,
IR. 28. 176, 200, 232, 236
252, 428, 508
IR. 29. 513
RBaon. 29. 291
IR. 34. 502
IR. 36. 201, 428, 429
IR. 37. 469, 513
II. Baon. 37. 527
IV. Baon. 37. 773
RBaon. 37. 291
IR. 38. 740
IR. 39. 252, 527
IR. 40. 65
IR. 43. 528, 779
IR. 45. 434
IR. 46. 529, 531, 742
IR. 47. 233, 456
IR. 50. 653
IV. Baon. 53. 741
IR. 55. 454
IR. 56. 321, 470
IR. 57. 382, 477
IR. 59. 236, 322, 437, 441,
781, 783
IR. 62. 317
IR. 63. 454, 477, 489
IR. 68. 211
IR. 69. 210
IR. 72. 664
IR. 73. 473
IR. 76. 204, 207
Verzeichnis der deutschen Truppenverbände
811
IR. 80. 259
IR. 81. 49, 137, 229, 237,
255, 335, 350
IR. 82. 317, 386, 426, 427,
428
IR. 83. 250
IR. 84. 388, 389
IR. 87. 236
IR. 88. 137, 229, 255, 335,
350
IR. 93. 244, 346
IR. 96. 750
IV.Baon.96. 346
IR. 97. 614
IR. 101. 253
IR. 102. 482, 580
KJR. 1. 200, 322, 331, 365,
637, 758, 762, 772
KJR. 2. 322, 328, 438, 605,
636, 761, 762, 772
KJR. 3. 322, 331, 436, 437,
605, 636, 761, 762
KJR. 4. 179, 200, 232, 236,
252, 322, 331, 637, 751,
752, 755, 757, 759, 762
FJB. 1. 346
FJB. 8. 346
FJB. 9. 346, 768
FJB. 11. 83
FJB.13. 346
FJB. 14. 346
FJB. 16. 346
FJB. 18. 346
FJB. 19. 83
FJB. 21. 461
FJB.25. 661
FJB. 27. 346
FJB. 30. 200
bh. 1. 49, 102
bh.2. 174
SchR. 1. 502
SchR. 3. 398, 779
SchR. 5. 51, 71, 75, 100,
101, 290, 447
SchR. 6. 230, 386, 426
SchR. 7. 157, 436, 437, 480
SchR. 9. 234, 236, 252, 606
SchR. 10. 230
SchR. 12. 232
SchR. 15. 627
SchR. 20. 143
SchR. 21. 142, 775, 778
SchR. 24. 206, 419, 502
SchR. 30. 236
SchR. 31. 370, 626
SchR. 32. 626
KSchR.I. 347, 751, 752,
755, 757, 759, 762
KSchR. II. 758, 763
KSchR. III. 761, 763, 781
GbSchR. 1. 399, 446, 533,
754 769 775
IX. MaBaon. GbSch. 1. 531
GbSchR. 2. 769, 777
HIR. 1. 742
HIR. 3. 533
FIIR.4, 528
IÍIR. 6. 477
HIR. 17. 531, 742
HIR. 30. 240, 254
K. k. LstIR. 1. 580
K.k.LstIR.2. 580
K. k. LstIR. 27. 289, 291
K. k. LstIR. 33. 212
TLst. IR. 2S9, 291, 292
III. Baon. k. u. LstIR. 1.757
II. Baon. k. u. LstIR. 3. 757
I. Baon. k. u. LstIR. 4. 757
I. Baon. k. u. LstIR. 6. 757
K. u. LstIR. 9. 212
III. Baon. k. u. LstIR. 12.757
K. u. LstIR. 16. 212
K.k. LstIBaon. 152. 535,542
K. k. LstMaBaon. 10. 526,
530, 531
VIII: K. u. k. Kavallerie
DR. 3. 615
UR. 13. 252
IX: K. u. k. Artillerie
FsAR. 1. 385
X:Technische Truppen
Pioniergruppe Mischek 588,
641, 642, 655
Pionierkomp. 3/9 642
XI: Sonstiges
Militärkmdo. Graz 291
Militärkmdo.Hermannstadt
105, 412, 457, 551
Militärkmdo. Innsbruck 291
Militärkmdo. Temesvár 551
Siebenbürg. GendBaon. 105,
106
Freiw. SchFormationen aus
Krain, Küstenland, Ober-
österreich, Salzburg und
Steiermark 765, 785, 786
Kärntner Freiw. Sch. 524,
765
Polnische Legion Durski
106, 632, 633, 637, 658,
676, 682, 691, 703, 713,
718, 723
Polnische Legion Pilsudski
52, 59
1. Brig. d. Poln. Legion 387,
426, 587, 588, 603, 632
2. Brig. d. Poln. Legion 360,
398, 459, 468, 492, 500
Brig. Grzesicki (3.) d. Poln.
Legion 619, 632
StandschBaon.Innsbruck784
StandschBaon. Kufstein 785
StandschBaon. Lienz 527
Triestiner JungschBaon. 292
Kriegsflotte 535
Donauflottille 278
Verzeichnis der deutschen Truppenverbände
I: Armeekorps
G. 316, 321, 323, 324, 325,
326, 327, 330, 334, 338,
343, 352, 355, 366, 370,
375, 376, 377, 378, 379,
382, 384, 422, 423, 424,
425, 430, 431, 436, 454,
455, 471, 474, 475, 476,
477, 478, 482, 485, 489,
490, 499, 561, 562, 564,
576, 588, 589, 590, 592,
594, 595, 621, 622, 623,
624, 636, 637, 645, 649,
656, 657, 658, 659, 674,
694, 696, 708, 709, 712,
718, 722
X. 316, 317, 318, 321, 375,
378, 382, 385, 423, 425,
429, 431, 432, 436, 437,
454, 471, 474, 475, 478,
812
Verzeichnis der deutschen Truppenverbände
480, 482, 485, 487, 489,
490, 561, 562, 564, 576,
577, 581, 588, 589, 593,
595, 598, 601, 606, 607,
623, 624, 629, 635, 636,
637, 649, 656, 657, 673,
674, 677, 680, 687, 688,
690, 696, 701
XXI. 98
Alpenkorps 408, 411, 514,
515, 516, 521, 781, 782
Beskidenkorps 235,238,239,
240, 241, 242, 245, 246,
247, 253, 255, 256, 298,
309, 329, 335, 336, 344,
357, 366, 367, 369, 375,
394, 395, 396, 397, 419,
420, 421, 440, 441, 449,
453, 454, 472, 473, 477,
482, 484, 490, 491, 498,
499, 502, 503, 552, 556,
557, 559, 560, 561, 562,
565, 568, 576, 577, 579,
584, 585, 588, 590, 600,
620, 621, 625, 637, 647,
649, 650, 656, 659, 678,
679, 680, 692, 693, 695,
696, 708, 710, 713, 720,
722
Korps Gallwitz 44, 45, 84,
86, 87, 89, 90
Korps Kneußl 565, 576,
577, 588, 594
Komb. Behr, s. Behr (Per-
sonenverzeichnis)
Komb. Bothmer, s. Both-
mer (Personenverzeich-
nis)
KombJEmmich, bzw.Kneußl
321, 324, 325, 326, 330,
333, 334, 338, 343, 344,
352, 366, 370, 375, 376,
378
Komb. Stein, s. Stein (Per-
sonenverzeichnis )
X.R. 557, 558, 559, 568,
569, 570, 581, 582, 583,
592, 600, 621, 624, 636,
637, 656, 657, 674, 680,
682, 687, 689, 690, 691,
692, 693, 694, 695, 696,
697, 708, 709, 711, 712,
717, 718, 722
XXII. R. 449, 454,455,471,
474, 475, 476, 478, 482,
485, 486, 490, 499, 561,
562, 564, 576, 577, 588,
589, 590, 592, 594, 595,
598, 601, 621, 622, 624,
636, 637, 649, 656, 657,
674, 690, 692, 695, 697,
708, 709, 710, 711, 712,
713, 718, 722
XXIV. R. 107, 128, 129,
130, 154, 169, 170, 171,
173, 192, 193, 195, 245,
246, 261, 264, 399, 400,
442, 443, 459, 460, 463,
464, 466, 558, 568, 570,
581, 585, 600, 621, 625,
637, 647, 649, 650, 656,
659, 678, 679, 682, 692,
693, 701, 710, 719, 722
XXV. R. 698, 699
XXXX. R. 699
XXXXI. R. 316, 319, 320,
321, 325, 330, 333, 334,
343, 355, 366, 370, 375,
376, 377, 378, 382, 383,
384, 409, 422, 423, 425,
429, 430, 454, 470, 473,
474, 475, 477, 482, 485,
489, 490, 491, 498, 499,
502, 550, 561, 562, 574,
577, 590, 600, 612, 621,
622, 625, 626, 627, 628,
632, 636, 646, 647, 649,
650, 656, 658, 659, 660,
661, 662, 678, 679, 682,
692, 710, 719, 722
LKorps 86, 89, 112, 195,
387, 389, 390, 391, 630,
631, 637, 638, 639, 641,
642, 643, 644, 683, 684,
698, 714, 715, 719, 723
Korps Graudenz 57, 90, 99
Korps Posen 86, 87, 88
KavKorps Frommel 45, 85
86, 87, 88, 90, 683, 684,
685, 697, 698, 699
KavKorps Heydebreck 622,
625, 626, 627, 628, 660,
662, 665, 666, 688, 701,
702, 703, 704, 705, 706,
720, 722
KavKorps Richthofen 86,
87, 88, 90
Gruppe (Korps) Marschall
358, 360, 361, 398, 458
II : Infanterie-,
Kavalleriedivisionen
1.G. 379, 382, 384, 423,
474, 678, 681, 692, 694
2.G. 377, 378, 382, 423,
474, 478, 623, 682, 692,
694
3.G. 107, 109, 131, 132,
133, 138, 150, 154, 169,
170, 171, 184, 185, 193,
194, 261, 368, 442, 445,
446, 460, 461, 463, 464,
465, 557, 558, 568, 700
1.1.107, 130, 131, 132, 133,
154, 169, 170, 171, 192,
193, 194, 261, 264, 368,
399, 409, 442, 445, 460,
461, 462, 464, 557, 558,
559, 568, 600, 621, 625,
647, 650, 656, 659, 678,
682, 689, 696, 710, 719,
722
3.1.171
4.1. 169,170,171, 190, 193,
194, 198, 235, 246, 253,
255, 256, 329, 440, 472,
650, 679, 695
19.1. 316, 334, 338, 343,
352, 355, 375, 376, 379,
380, 382, 384, 386, 422,
426, 427, 429, 430, 475,
478, 623, 636, 648, 677
20.1. 316, 321, 330, 338,
352, 354, 355, 375, 377,
379, 380, 382, 384, 424,
425, 475, 478, 622, 656,
678
22.1. 442, 449, 455, 469,
470, 479, 483, 488, 490,
499, 562, 564, 590, 621,
623, 624, 637, 674, 681,
688, 696, 710, 719, 722
56.1. 348, 355, 375, 377,
382, 384, 385, 425, 428,
454, 478, 482, 483, 485,
487, 550, 561, 563
101.1. 412, 468, 494, 557,
624, 678, 682, 695, 709,
711, 712
103.1. 412, 550, 604, 607,
622, 626, 628, 632, 637,
649, 660, 662, 666, 678,
692, 696, 708, 709, 712
105.1. 412, 468, 494, 557,
624, 625, 656, 682, 690,
695, 708, 709, 711, 712
107.1. 449, 454, 563, 565,
577, 600, 621, 679, 695,
696, 710, 722
119.1. 316, 320, 321, 326,
330, 337, 338, 352, 354,
366, 375, 378, 382, 393,
423, 424, 425, 430, 454,
469, 470, 471, 479, 489,
563, 565, 590, 606, 607,
621, 623, 636, 637, 656,
Verzeichnis der deutschen Truppenverbände
813
657, 677, 678, 681, 689,
692, 694, 696, 708, 709,
710 722
11. bayr. I. 316, 318, 320,
321, 324, 326, 330, 335,
352, 354, 355, 366, 375,
378, 382, 384, 392, 423,
424, 425, 430, 431, 433,
435, 436, 439, 440, 455,
475, 489, 562, 564, 565,
600, 621, 679, 696, 710,
722
1. GR. 44, 45, 46, 85
5. R. 715
25. R. 235, 253, 254, 255,
336, 395, 440, 472, 679,
720
35. R. 84, 86, 235,253,254,
255, 440, 472, 679
43. R. 678, 681, 690, 697,
710, 711, 720, 722
44. R. 590, 677, 680, 682,
697, 710, 711, 712, 718
47. R. 37, 49, 59, 69, 101,
305, 317, 322, 325, 328,
330, 333, 339, 342, 343,
351, 356, 365, 381, 383,
386, 426, 438, 455, 591,
598, 599, 603, 607, 633,
646, 648, 649, 656, 658,
673, 674, 676, 680, 686,
687, 690, 692, 695, 697,
708, 709, 711, 712
48. R. 107, 128, 130, 442,
460, 464, 465, 495, 557,
568, 570, 582, 614, 700
81. R. 321, 324, 326, 334,
343, 352, 378, 382, 424,
429, 430, 431, 625, 678,
696
82. R. 320, 324, 326, 334,
343, 352, 370, 382, 424,
425, 429, 430, 431, 436,
439, 626, 627, 661, 678,
679, 682, 692, 696
8. bayr. R. 449, 455, 475,
478, 482, 485, 487, 488,
550, 561, 563
3.L. 371, 565,566,604,630
4. L. 371, 630, 719
Div. Bredow 82, 83, 89, 112,
196, 371, 387, 388, 389,
390, 391, 565, 566, 587,
630, 641, 642, 644, 684,
719
Div. Menges 85, 388
GKav. 621, 623, 636, 649,
656, 674, 677, 680, 690,
701, 708, 709, 711
5. Kav. 87, 107, 169, 170,
171, 188, 190, 191, 243,
359, 398, 458, 463, 464,
465, 467, 581, 582, 583,
585, 600, 622, 662, 665,
666, 700, 701, 703, 704,
706, 720
6. Kav. 86, 87, 88
8. Kav. 87
9. Kav. 86, 87, 638, 639,
643, 644, 683, 715
III: Infanterie-,
Kavalleriebrigaden
209.1. 130, 154
1. bayr. Jg. 782
50. R. 253
Brig. Reuter, s. Reuter (Per-
sonenverzeichnis)
22. L. 644
9. Kav. 358
LKav. 630, 637, 639, 642,
644, 683
IV: Fußtruppen
bayr. ILeibR. 781, 784
814
Druckfehlerverzeichnis
Druckfehlerverzeichnis
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» 340, 11. , 55 unten : Stellung statt Stallung
„ 341, 9. , 55 55 beidemal L^czkij Brzeskie statt L^czkij
„ 342, 1. , 55 55 47. statt 47 v
„ 344, 17. , 55 oben: 17. statt 1.
„ 440, 2. , „ „ GLt. statt GM.
„ 440, 3. , „ unten : 35. statt 43.
„ 533,6. u.U., 55 oben: Soca statt Soca
Beilage 14, Seite 16 , 14. Zeile von unten: Gdl. statt GdK.
14 55 x 55 25. , 17. „ „ oben: Vogelhuber statt Voglhuber
14 j) x tJ s? 27, , 18. 55 „ „ k. u. LstlR. statt HIR.
15 : Wislok statt Wisloka
29: Zurów statt Zurków
29: Strzeliska Nowe statt Strzeliska Nowa