550
Der Feldzug von Brest-Litowsk
von den verbündeten Heeresleitungen nunmehr geplanten Stoß zwischen
Bug und Weichsel (S. 497) keine unüberwindlichen Hemmnisse im Wege.
Die Stoßkraft der Armeen konnte trote der Anforderungen und Be¬
schwernisse des eben abgelaufenen Feldzuges als durchaus ausreichend
gelten, die stark durcheinandergewürfelten, empfindlich gelichteten und
vor allem an würgender Munitionsnot leidenden Streitkräfte der bisheri¬
gen russischen Südwestfront weiter zurückzudrängen. Zumal die Teile
des russischen Heeres, gegen die sich nun der Stoßkeil Mackensens zu
richten hatte, schienen am allerschwersten getroffen zu sein.
Eine entscheidende Voraussetzung für die Führung des neuen Feld¬
zuges war aber die, daß die Verbündeten vom russischen Kriegstheater
keine ins Gewicht fallenden Kräfte an andere Fronten abgeben mußten.
Nun war jedoch die Lage an diesen Fronten keineswegs einfach und
klar. Wohl konnte der am 9. Mai bei Arras und La Bassée angesetzte
Angriff der Westmächte als abgeschlagen gelten; aber wenn schon aus
keinem anderen Grunde, so fühlten sich die Alliierten wegen der Russen
auch weiterhin verpflichtet, die ganze deutsche Westfront durch Teil¬
vorstöße in Atem zu halten. Gdl. Falkenhayn nahm daher in Aussicht,,
vier Divisionen Mackensens (XXXXI. RKorps, 8.bayr. RD. und 56. ID.)r
die ehestens auf die Bahn gesetzt werden sollten, nach Frankreich zu
überführen.
Nicht geringer war aber das Wagnis, das die öst.-ung. Heeresleitung
auf dem Balkan auf sich genommen hatte. Denn bei einer Gesamtstärke
der dort stehenden Heeresmacht von 177.000 Gewehren, 500 Maschinen¬
gewehren und 1100 Geschützen verfügte der kommandierende General
in Sarajevo über gar keine, GdK. Tersztyánszky bloß über zehn öst.-
ung. und neun deutsche Feldbataillone; alles andere war Landsturm.
Ihnen standen elf fast kriegsstarke serbische und vier montenegrinische
Divisionen gegenüber. Dieses Mißverhältnis sollte nun durch eine groß
angelegte Demonstration verschleiert werden, die am 26. Juni auf dem
nördlichen Donauufer einsetzte und am 29. ihren Höhepunkt erreichte.
Sie bestand aus lebhafterer Artillerietätigkeit, regem Bahnverkehr, Auf¬
stellen von Zeltlagern, Truppen- und Trainbewegungen, wobei nament¬
lich Truppenteile der deutschen 103. ID. den in Südungarn lebenden
serbischen Parteigängern recht auffallend gezeigt wurden. Nach den
beobachteten serbischen Gegenmaßnahmen war anzunehmen, daß diese
Demonstrationen nicht ganz wirkungslos blieben.
Recht ernst sah GO. Conrad die von Rumänien her drohende Ge¬
fahr an. Immer wieder beschwor er den Außenminister Baron Burián».