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Einleitungskämpfe an der Südwestfront
dung. Am 23. Mai verfügte das Landes ver teidigungskmdo. über 27y2 Ba¬
taillone, 39 Standschützenbataillone, 8 Kaiserschützendetachements, IV2
Schwadronen und 22 mobile Batterien mit 75 Geschützen. Auf einen Front¬
kilometer entfielen somit 110 Gewehre. Die nicht mobile Artillerie
zählte S40 Rohre. Als einziger für offensive Aufgaben geeigneter Heeres¬
körper rollte in der Zeit vom 25. Mai an das hauptsächlich aus gebirgs-
gewohnten bayrischen Truppen zusammengestellte und für den Gebirgs-
krieg besonders ausgerüstete, divisionsstarke deutsche Alpenkorps, GLt.
Krafft von Dellmensingen, in Tirol ein (S.408).
Am 25.Mai übernahm der bisherige Führer der 1. Armee,GdK. Dankl,
das Landesverteidigungskommando.
Als ihm am 23. MaiinTeschen die Behauptung von Tirol anvertraut
worden war, war GdK. Dankl sofort entschlossen, die Verteidung offen¬
siv zu führen1). Hiezu hatten die Marsch-, Landsturm- und Stand¬
schützenbataillone die vorbereiteten Stellungen zu behaupten, während
das anrollende deutsche Alpenkorps im geeigneten Augenblick als mobile
Stoßkraft Verwendung finden sollte. Mit Rücksicht auf die beiden wahr¬
scheinlichen Angriffsrichtungen des Feindes, das Pustertal als strate¬
gisches und Trient als politisches Ziel, wurde das Alpenkorps in den,
Raum Bruneck—Brixen—Bozen—Auer geleitet, von wo aus es zur an¬
griff sweisen Abwehr eines italienischen Einbruches an einem Tage ent¬
weder bei Bruneck oder bei Trient vereinigt werden konnte.
Wie später noch geschildert werden wird, ließ das sehr zögernde
und systematische Vorrücken der Italiener anfänglich schwer erkennen,
welcher Teil des Feindes unter günstigen Aussichten angefallen werden
konnte, weil der konzentrische Vormarsch derart gleichmäßig erfolgte,
daß sich kein Teil vereinzelt bloßstellte. Hielt Dankl anfänglich einen
Vorstoß aus der Dolomitenfront gegen Süden hin für wünschenswert, so
kam er davon ab, als am 28. Mai der Vormarsch von vier feindlichen
Gruppen, und zwar je einer gegen Folgaria—Lavarone, im Val Sugana,
gegen das Fassa- und gegen das Pustertal, gefährlich zu werden schien.
Dankl mußte daher besorgen, schrittweise eingeschnürt zu werden und
jede Aktionsfreiheit zu verlieren; er hielt deshalb einen befreienden Offen¬
sivstoß schon für dringend. Da der feindliche Heereskörper, der nach
Cortina d'Ampezzo gelangt war, seine Vorrückung eingestellt zu haben
schien, beschloß Dankl, ehe er sich gegen das Val Sugana und gegen den
!) Schreiben des GO. Dankl an das Kriegsarchiv, 13. August 1930. Vgl. auch
Steinitz, Erinnerungen an Franz Joseph I. (Berlin 1931), 336; Pastor, Viktor
Dankl (Freiburg 1916), 62ff.